Rede von
Dr.
Hans-Joachim
von
Merkatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
— hier nicht des längeren diskutieren. Das eine steht aber fest: es ist unzweckmäßig, eine Gesetzesvorlage, so gut sie auch hinsichtlich des Riesenproblems beider Vorlagen erarbeitet sein mag, eine Gesetzesvorlage, die das ganze Volk angeht, seitens einer Partei einzubringen.
Es ist deshalb richtig, wenn sich die Regierung einer 'solchen Aufgabe unterzieht.
— Darf ich meine Stimme soweit schonen? Ich habe hier im Auftrag meiner Fraktion unsere Ansicht zu sagen. Sie mag Ihnen lächerlich vorkommen, wenn es Ihnen lächerlich ist, daß eine Grundsatzgesetzgebung zur Wahrung und zum Schutze der Verfassung von uns nicht parteilich gesehen werden kann.
Wir haben es deshalb für erforderlich gehalten, daß die Regierung 'diese Vorlage macht, und wir wären dankbar, wenn ein Weg gefunden würde, um die erwartete Regierungsvorlage gemeinsam mit den Anregungen der sozialdemokratischen Fraktion im zuständigen Ausschuß zu beraten.
Ich habe guten Grund, diesen Verlauf im Namen meiner Fraktion zu kritisieren. Es besteht ein alter Gegensatz der Auffassungen zwischen unserer Richtung und der Richtung der Sozialdemokratischen Partei; er bestand schon im Parlamentarischen Rat.
Wir wünschten eine Verfassungsgerichtsbarkeit, die jede Garantie dafür bietet, daß sie über dem Streit der Parteien steht. Dieser Entwurf — und das geht in derselben Linie der sozialdemokratischen Fraktion, die auch im Parlamentarischen Rat verfolgt wurde — bietet nach unserer Ansicht die Gefahr, in diese Rechtsprechung allzuleicht ein parteipolitisches Moment einzufügen; denn die gesamte Richterschaft dieses obersten Verfas-
sungsgerichtshofs geht danach praktisch aus Parlamentswahlen und dazu noch aus einem Wahlmodus hervor, der — das nur nebenbei - nach dem Grundgesetz verfassungswidrig ist. Es ist nach dem einschlägigen Artikel verfassungswidrig, hier ein Acht-Männer-Kollegium einzuführen und beim Bundesrat für die Annahme des Vorschlags der Mitglieder eine Zweidrittelmehrheit zu fordern. Wir kritisieren die Gesamttendenz des Gesetzentwurfes, in diesem Verfassungsgerichtshof ein politisches Organ zu sehen. Hüter der Verfassung im politischen Sinne hat nicht ein richterliches Organ zu sein; das kann es gar nicht sein. Aber Hüter des Geistes der Verfassung, das heißt Wächter über das Rechtsgewissen aller öffentlichen Organe zu sein, das ist die justiziable, die gerichtsfähige Aufgabe, für die man einen obersten Gerichtshof einsetzen kann. Eine echte politische Streitfrage, bei der es um den Gegensatz von Mächtegruppen geht, ist nicht justiziabel. Es wird auf die Weisheit dieses Verfassungsgerichtshofs ankommen, ob er sich auf wirkliche Rechtsfragen zu beschränken vermag, damit die Kraft seiner Entscheidung stark genug ist, einen politischen Vorgang echten Rechtsmaßstäben zu unterwerfen.
Auch in den Verfahrensgrundsätzen — ich gebe zu: es ist ein unerhörtes Problem, und es ist bisher noch in keiner Verfassung der Welt wirklich befriedigend gelöst worden — finden sich manche Momente, in denen uns eine allzustarke Politisierung droht, in denen dann nicht gewährleistet ist, daß aus der einfachen Anwendung des Rechts die Lösung erfolgt nach dem Grundsatz, der auf dem Schöffenstuhl in Reval steht:
Recht muß bleiben, Recht muß stahn, Und sollt die Welt in Stücke Bahn.