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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 28. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950 859 28. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 859D, 898D Schreiben der Fraktion der Deutschen Partei betr. Ausschluß des Abg. Hedler aus der Deutschen Partei . 860A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 328) und Erste Beratung des Entwurfs eines Richterwahlgesetzes (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 327) . . . . . . 860A Wagner (SPD), Antragsteller . . . 860B Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 863B Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . . 864B Dr. Laforet (CSU) 865B Dr. Wahl (CDU) 865C Dr. von Merkatz (DP) . . . 866B, 877A Neumayer (FDP) 867B Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 867D Loritz (WAV) 870B Leibbrand (KPD) 872C Dr. Arndt (SPD), Antragsteller . 874B Dr. Bucerius (CDU), zur Geschäftsordnung . . . . . 876A Geschäftsordnungsaussprache betr. Behandlung von Initiativanträgen Dr. Bucerius (CDU) 876B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Aufhebung der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 für den Bereich des Bundesgebiets (Drucksachen Nr. 343 und 140) 877B Dr. Wuermeling (CDU), Berichterstatter 877C Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . . . . . 878B, 885A Gundelach (KPD) 879B Arnholz (SPD) 880A Dr. Vogel (CDU) 881B Paschek (WAV) . . . . . . . 882B Pannenbecker (Z) . . . . . . . . 882C Dr. Falkner (BP) 883C, 886D Dr. Nowack (FDP) 884B Frommhold (NR) 885D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung nach der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom Dezember 1930 für die Verwaltungsangehörigen des Bundesdienstes und der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Antrag der Fraktion der KPD) (Drucksache Nr. 364) . . . . . . . . 886D Dr. Wellhausen (FDP) (zur Geschäftsordnung) 886D, 887D Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) . . : . . . . 887A, 888B Neumann (SPD) (zur Abstimmung) . 888B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Notstandsgebiet Watenstedt - Salzgitter (Drucksachen Nr 362 und 181) 889A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 889A Storch, Bundesminister für Arbeit 889B, 894B Wackerzapp (CDU) 890A Frau Brökelschen (CDU) . . . . 890D Stegner (FDP) . . . . . . . 891B Dr. Richter (NR) 891D Bielig (SPD) . . . . . . . . 892C Rische (KPD) 895A Farke (DP) . . . . . . . . . 896B a Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung des Verfahrens gegen Angestellte der „Niedersächsischen Volksstimme" (Drucksache Nr. 386) . . . . 897A Kurt Müller (KPD), Antragsteller . . 897B Gengler (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 898B, D Nächste Sitzung 898D Die Sitzung wird um 14 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Schließlich ist sie ja auch Bürokratie. Ein Sprecher der Regierungsparteien des Hauses hat das so wunderschön zum Ausdruck gebracht. Er sieht die Unabhängigkeit der Bundesrichter gefährdet, wenn bei ihrer Auswahl von den Vertretern des Parlaments, vom Richterwahlausschuß Vorschläge gemacht werden können. Er sieht dann keine Gefährdung der Unabhängigkeit der Richter, wenn die Vorschläge von den Justizministern gemacht werden. Als ob
    B) etwa die Justizminister nicht auch eine bestimmte Macht verkörperten! Also abhängig von den Justizministern, das heißt von der Exekutive, darf der Richter sein, er darf um Himmelswillen bloß nicht irgendwie von der Volksvertretung abhängig werden. Die hier zum Ausdruck kommende Mentalität sagt doch alles und zeigt doch, wo die Justiz politisch steht.
    Diese Tatsache ist doch schließlich hinreichend durch die praktische Erfahrung bewiesen und unterstrichen. Selbst der Herr Bundesjustizminister mußte von der Rolle sprechen, die die Justiz in der Weimarer Republik gespielt hat, und davon, was sie damals im Kampf gegen die Demokratie und in der Unterhöhlung der Demokratie geleistet hat. Wo in der heutigen Diskussion von allen Parteien gab es auch nur ei n en Vorschlag zur Sicherung, nur den Versuch einer Maßnahme, um diese Erscheinungen in Zukunft zu unterbinden?
    Sie wollen wieder die Justiz über das Parlament, über die Volksvertretung stellen. Denn durch diese Konzeption des Verfassungsgerichtshofs wird ja die Justiz zum obersten Gesetzgeber; sie entscheidet letztlich und mit Gesetzeskraft über die Auslegung des Grundgesetzes, sie entscheidet mit Gesetzeskraft über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, also sie wird zum Gesetzgeber, steht über dem Parlament und ist keineswegs mehr nur eine gleichgestellte Gewalt.
    Man hat hier gesagt: Recht kann man nicht schaffen durch Abstimmung. Ja, wie anders ist denn Recht geschaffen worden? Wie ist das Grundgesetz geschaffen, zum mindesten formal bestätigt worden? Doch durch Abstimmung! Wie werden hier im Hause Gesetze gemacht? Doch durch Abstimmung! Also wird durch Abstimmung Recht geschaffen, ganz einfach, weil das eine politische Frage ist, und all die Entscheidungen, die dem Verfassungsgerichtshof hier zugeschoben werden, sind doch politische Entscheidungen! Wenn man diese auf die formaljuristische Ebene verschiebt, dann heißt das und das ist bei einer Partei, die sich sozialdemokratisch nennt, eben das Unverständliche, wie gerade sie darin den Rettungsanker sehen will -, der Rechten des Hauses von vornherein die größeren Möglichkeiten in die Hand spielen. Ganz abgesehen von der klassenmäßigen Zusammensetzung unserer Richter, ganz abgesehen von der Tatsache, daß von den heute amtierenden Richtern rund 80 Prozent ehemalige Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei sind, die im Namen Hitlers ein Jahrzehnt lang Recht gesprochen haben — wohin führt denn in Wirklichkeit allein die Basis, die man betritt, wenn man das formale Recht als letztes Kriterium und letzte Entscheidung anerkennt? Das Dichterwort: „Es erben sich Gesetz und Recht wie eine ew'ge Krankheit fort!", hat doch nur zu berechtigt den Sinn, daß das Recht, so wie es die Juristen verstehen, nämlich das formulierte, das geschriebene Recht hinter der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Entwicklung nachhinkt, daß es meist der Ausdruck bereits durch den Gang der Entwicklung überholter Zustände und Verhältnisse ist, so daß es beinahe zwangsläufig, und wenn dann auch noch die „richtigen" Leute dazukommen, reaktionär wirkt. Wenn man politische Entscheidungen auf diese juristische Ebene schiebt, schafft man alle Voraussetzungen dazu, daß sie reaktionär ausfallen. Die sozialdemokratische Fraktion müßte doch schließlich durch das Schicksal zum Beispiel ihrer Klage beim Verwaltungsgerichtshof im Jahre 1932 gegen den Papen-Staatsstreich auf Severing hinreichend bebelehrt sein, was man davon zu erwarten hat, wenn man im Kampf um die Rechte des Volkes und der Volksvertretung gegen eine autoritäre Regierung seine Hoffnung auf das Gericht und auf die Justiz setzt. Darum können wir nur sagen: wir warnen — nicht dieses Haus, das dürfte zwecklos sein, aber die Öffentlichkeit, die Bevölkerung vor dem Kurs, der auch mit diesen beiden Gesetzen gesteuert werden soll, vor dem Kurs, die Demokratie auszuhöhlen, indem man an Stelle der Volksvertretung, die die höchste Instanz sein muß, die Justiz zur letzten gesetzgebenden Instanz macht, ihr die letzte Entscheidung in politischen Fragen überträgt und damit der reaktionären Entwicklung in diesem westdeutschen Bundesstaat noch mehr den Weg freimacht, als das wahrhaftig schon geschieht und geschehen ist. Wenn man den Schutz der Demokratie, den Aufbau der Demokratie will, wenn man die Wahrung der demokratischen Rechte des Volkes will, dann kann es nicht auf diesem Wege geschehen; dann ist es notwendig, andere Maßnahmen zu treffen.
    Der Redner des Zentrums sprach davon, wir müßten mehr Vertrauen zur Verfassung schaffen, wir müßten mehr Vertrauen in die Demokratie schaffen. Mit dem Verfassungsgerichtshof werden Sie das ganz bestimmt nicht erreichen! Sie erreichen es durch die Taten, die die Demokratie und die Volksvertretung vorweisen; Sie erreichen es dadurch, daß Sie sich wirklich der Kontrolle der Bevölkerung unterstellen, daß Sie die Verantwortlichkeit des Parlaments vor dem


    (Leibbrand)

    Volke herstellen. Dann sichern Sie die Demokratie, aber nicht auf dem Wege eines Verfassungsgerichtshofes.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, damit ist die Liste der Redner insoweit erschöpft, als sie in dem von Ihnen genehmigten Vorschlag des Ältestenrats nach § 88 der Geschäftsordnung vorgesehen war, nämlich Einbringungszeit 30 Minuten, dann Aussprachezeit für die einzelnen Fraktionen. Es hat sich nun insofern eine neue Situation ergeben, als der Herr Abgeordnete Dr. Arndt von der SPD-Fraktion noch einmal ums Wort gebeten hat. Ich muß Sie der Ordnung halber fragen, nachdem Sie vorher den Vorschlag des Ältestenrats genehmigt haben, ob Sie damit einverstanden sind, daß Herr Abgeordneter Dr. Arndt noch einmal das Wort nimmt.

(Zustimmung bei der SPD. — Gegenrufe: Nein! — Wie lange?)

— Ich glaube, es scheint allgemeines Einverständnis zu herrschen.

(Widerspruch.)

— Dann bitte ich diejenigen, die dafür sind, daß der Herr Abgeordnete Dr. Arndt für die antragstellende Fraktion noch einmal — ich darf annehmen, in verhältnismäßig kurzer Redezeit —

(Abg. Dr. v. Brentano: Was heißt „verhältnismäßig kurz?")

— Das werde ich dann bestimmen.

(Abg. Dr. v. Brentano: Das müssen Sie vorher bestimmen! — Abg. Dr. Schmid: Das ist eine eigentümliche Praxis! — Abg. Schoettle: Das haben wir noch nicht erlebt, Herr Präsident!)

— Gilt der Vorschlag des Ältestenrats, der hier angenommen worden ist, oder nicht? — Wer dafür ist, daß der Herr Abgeordnete Dr. Arndt noch einmal das Wort erhält, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das war die Mehrheit.

(Widerspruch.)

— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.

(Widerspruch.)

— Darüber sind wir uns hier oben im Präsidium einig.
Dann hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt das Wort. Ich darf an ihn den Appell richten, sich möglichst kurz zu fassen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Lesung soll ja eine Debatte sein, und ich weiß nicht, wie wir eigentlich debattieren wollen, wenn hier im Hause nur Monologe gehalten werden sollen und dann noch eine Abstimmung darüber stattfinden muß, ob ein Antragsteller auch die Erlaubnis hat, auf das zu erwidern, was seitens der anderen Fraktionen gesagt worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)'

    Aber darüber hinaus hätte ja ohnehin zur geschäftsordnungmäßigen Behandlung der Vorlage unbedingt einiges gesagt werden müssen; denn Herr Kollege Etzel zum Beispiel hat den Antrag gestellt, die Beratung der Vorlage auszusetzen, wenn die Bundesregierung die verbindliche Zusicherung abgebe, daß sie innerhalb von längstens 4 Wochen ihrerseits eine Vorlage machen werde. Nun, die Bundesregierung und jedenfalls
    der Herr Bundesjustizminister hat eine solche Zusicherung heute nicht abgeben und kann sie auch nicht abgeben, weil ja die Vorlage der Bundesregierung, wenn sie vom Kabinett verabschiedet ist, nach dem Grundgesetz zwingend erst an den Bundesrat gehen muß und der Bundesrat zu seiner Stellungnahme eine Frist von 3 Wochen hat, so daß nach unserer bereits erprobten Erfahrung im Mindestfalle zwei Monate vergehen, ehe wir die Regierungsvorlage, die uns angekündigt ist, überhaupt zu Gesicht bekommen. Ich darf daher annehmen, daß dieser Antrag des Herrn Kollegen Etzel erledigt ist und es bei seinem anderen, mit dem unsrigen übereinstimmenden Antrag bleibt, daß die Vorlage dem Rechtsausschuß überwiesen und dort alsbald beraten wird.
    Aber weiterhin ist zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu sagen, daß Herr Kollege Laforet eine Andeutung gemacht hat, die mir zunächst nicht ganz klar war, nämlich man solle dann doch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht abwarten, bis die Regierungsvorlage komme. Ich habe mir erlaubt, Herrn Kollegen Laforet um eine Interpretation dieser Andeutung zu bitten, und wenn ich recht verstanden habe, steht Herr Kollege Laforet auf dem Standpunkt, daß der Ausschuß dann mit Mehrheit entscheiden möge, ob er in die Beratung unserer Vorlage eintritt oder nicht, also ob dieses Gesetz dann wirklich zur Verhandlung kommt oder nicht kommt.
    Meine Damen und Herren, so geht es nicht! Wenn der Bundestag einem seiner Ausschüsse durch Zuweisung einen Auftrag gibt, dann hat der Ausschuß zu arbeiten

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und kann nicht in der Verborgenheit entscheiden, daß er nicht an seine Arbeit gehen will.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sie dürfen mir nicht verübeln, daß ich hier mit großem Mißtrauen gerade diese Andeutungen verfolgt habe; denn meine Freunde und ich sind sehr hellhörig geworden, nachdem man an uns herangetreten war, man wolle heute diese erste Lesung überhaupt so abschließen, daß entweder die Vorlage nur von der Sozialdemokratie begründet werde und überhaupt keine Aussprache stattfinde oder daß jedenfalls die Beratung und Behandlung dieses Gesetzes ohne Überweisung an einen Ausschuß ausgesetzt werde, bis die Regierungsvorlage da sei. Das hat uns, wie gesagt, hellhörig und hat uns mißtrauisch gemacht, und darum ist das hier ein Präzedenz- und Probefall, ob Artikel 76 des Grundgesetzes, der die Initiative aus dem Hause zuläßt, nun gilt oder ob er mit geschäftsordnungsmäßigen Mitteln überspielt werden soll.

    (Abg. Loritz: Ist gestern schon versucht worden!)

    Das haben wir hier jetzt zu erproben und abzuwarten, und da gibt uns auch die Äußerung des Herrn Abgeordneten von Merkatz zu besonderer Besorgnis Veranlassung, der noch einen Schritt weitergegangen ist und sogar gesagt hat, es bestehe nicht einmal ein Muß, solche Vorlagen überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen, sondern das stehe im Ermessen des Ältestenrats.
    Nun Herr Kollege von Merkatz, der Altestenrat hat überhaupt kein Ermessen; der Ältestenrat hat lediglich die Herren Präsidenten zu beraten und ihnen Vorschläge zu machen. Das Haus bestimmt seine Tagesordnung,

    (Sehr richtig! bei der SPD)



    (Dr. Arndt)

    und in dem Augenblick, in dem das Haus von dem ungeschriebenen Brauch abweichen würde, daß alle Anträge einer Fraktion auf die Tagesordnung kommen, dürfte, glaube ich, der Parlamentarismus in Deutschland allerdings erledigt sein.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Das ist es, weshalb ich mich noch einmal zum Wort gemeldet habe, um ganz eindeutig Widerspruch zu erheben und gegen die Auffassung anzukämpfen, als ob die Bundesregierung allein hier eine Prärogative bei der Gesetzgebung habe, nicht aber jede antragsberechtigte Fraktion im Hause; denn um diesen Grundsatz müssen wir kämpfen. Wir sind damit wieder einmal bei dem Generalthema dieses Bundestages: die Rechte des Bundestages. Herr Kollege Kiesinger, Sie haben zwar gesagt, Sie säßen auch im Bundestag. Gewiß, aber wir haben leider bisher noch nicht ein einziges Mal erlebt, daß die sogenannte Mehrheit in diesem Hause um die Rechte des Hauses gekämpft hätte.

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf von der CDU: Da sind Sie vielleicht nicht dagewesen)

    - O bitte, nennen Sie mir ein einziges Beispiel, daß ich nicht dagewesen und die Mehrheit dieses Hauses besorgt gewesen wäre, daß die Regierung den Rechten des Parlaments nicht zu nahe treten würde.
    Ich muß auch sonst noch einiges zu dem sagen,
    was hier ausgefuhrt worden ist; denn mir scheint, daß eine Reihe von Rednern das Grundgesetz nicht zur Hand genommen hat, was doch bei der Beratung dieser Vorlage von großer Wichtigkeit gewesen wäre.
    Es sind hier phantastische Vorschläge dafür o gemacht worden, wie man dieses Bundesverfassungsgericht vom Himmel zaubern oder ähnliches tun könnte. Ich darf doch darauf aufmerksam machen, daß in Artikel 94 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in eindeutigen Worten steht: „Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt". Von dieser Vorschrift im Grundgesetz ist auszugehen. Der Herr Kollege Loritz hat die Höhe der Quoten beanstandet. Diese sind ja im Grundgesetz zwingend vorgeschrieben. Es ist also von der Grundlage auszugehen, daß von den beiden Häusern zu wählen ist, so daß wir uns hier nicht einmal mehr darüber zu unterhalten haben, ob damit politische Kreationsorgane bestehen oder nicht; denn das ist eine Entscheidung, die von diesem Hause gar nicht mehr nachgeprüft werden kann. Im übrigen aber ist es doch ein grundsätzlicher Irrtum, wenn man annehmen will, daß die Bundesregierung oder der Bundesjustizminister kein politisches Organ, ja sogar nicht einmal ein parteiliches Organ sei.
    Der Herr Kollege von Merkatz hat gesagt, bei Grundgesetzgebungen solle die Sache nicht parteilich gesehen werden. Herr Kollege Merkatz, Ihnen darf ich sagen: dadurch, daß eine Fraktion dieses Hauses diese Vorlage gemacht hat, also durch dieses Formale, ist die Vorlage noch lange nicht „parteilich gesehen". Sie hätten uns aus der Sache einen einzigen Punkt herausholen sollen, in dem angeblich etwas „parteilich gesehen" wäre.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber wenn wir parteilich sind, so ist es die Bundesregierung mindestens in dem gleichen Maße.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich kann auch die Vorschußlorbeeren, die der Herr Bundesjustizminister sich selbst um die Stirn gewunden kat, nicht bewundern.

    (Heiterkeit.)

    Der Herr Bundesjustizminister hat gesagt, seine Person sei die Gewähr dafür, daß hier nicht vom Recht abgewichen werde, im übrigen werde er eine Vorlage machen, die noch gründlicher und umfassender als die meiner Fraktion sei. Nun, das Urteil darüber, ob die Vorlage gründlicher und umfassender ist, werden wir zu fällen haben, wenn wir sie kennen. Der Initiator selbst ist in diesem Urteil gewöhnlich befangen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Solche Gedankengänge wie den: „Die Person als Gewähr", haben wir in den vergangenen Jahren öfter gehört. Uns sind bloß die Sache und das Verhalten Gewähr. Und da sind wir allerdings der Meinung, daß wir auf das Bundesverfassungsgericht auch keinen Tag unnötig warten können; denn wir sind der Meinung, Herr Bundesjustizminister, daß die Abweichung vom Recht objektiv sich hier bereits in mehr als einem Falle ereignet hat und daß deshalb dringend dieses Organ geschaffen werden muß, daß es ausschließt, künftig noch solche Abweichungen zuzulassen, wie sie bereits geschehen sind.
    Aus diesen Gründen muß ich den dringenden Appell an Sie richten, bei der Überweisung an den Ausschuß diese Überweisung so auszusprechen, wie es sich bei jeder Überweisung von selbst versteht — das braucht gar nicht gesagt zu werden, und das soll auch gar nicht gesagt werden —, daß der Ausschuß unverzüglich in seine Arbeiten eintritt. Nach meiner Auffassung brauchen wir dann gar keine Regierungsvorlage mehr. Sonst könnten wir nämlich dahin kommen, a daß bei all diesen Fragen von jeder Fraktion noch eine Vorlage gemacht wird.

    (Zuruf aus der Mitte: Warum nicht?) Der Ausschuß hätte nachher vier oder sechs Vorlagen nebeneinander, und es müßten hier vier-bis sechsmal erste Lesungen stattfinden. Das Thema steht heute zur Debatte, und die Bundesregierung mag dann heute ihre Grundsätze erklären, mag sagen, was sie getan hat, und mag im übrigen in der Ausschußberatung und in der zweiten Lesung die Anträge stellen, die sie für nötig hält. Das ist das richtige Verfahren. Es kann nicht zweierlei Recht für Bundesregierung und Opposition oder irgendeine Fraktion oder das Parlament als solches geben. Das Parlament als solches hat das Recht, aus seiner Mitte eine Vorlage einzubringen, und dann ist diese Vorlage — auch mit Abänderungsanträgen — zu behandeln. Es geht aber nicht, daß man hier ein Schneeballsystem von Vorlagen macht.

    Ich hätte allerdings noch gern Einzelheiten auch über das Grundsätzliche seitens des Herrn Bundesjustizministers gehört. Es ist — wenn ich das zum Abschluß sagen soll — die Art der Richterwahl beanstandet worden, die ja durch das Gesetz zwingend vorgeschrieben ist. Der Herr Kollege Loritz, der anscheinend keine Zeit gehabt hat, das Gesetz zu lesen,

    (Heiterkeit)

    hat gemeint, hier könne die Mehrheit ein Abbild ihres Geistes schaffen und durch einfache Majorität die Richter aussuchen. Nein, das ist nicht so! Gerade weil wir ein Verfassungsgericht wünschen, das eine volle rechtliche Autorität hat, geht ja


    (Dr. Arndt)

    unser Vorschlag dahin, daß die vom Bundestag zu wählenden Richter auf eine notwendige Dreiviertelmehrheit und die vom Bundesrat zu wählenden Richter auf eine notwendige Zweidrittelmehrheit blicken dürfen. Ich wüßte nicht, wie man anders verfahren sollte, um auszuschließen, daß hier ein einseitig gesetztes und damit dann allerdings parteipolitisches Gremium geschaffen würde. Das ist der entscheidende Grundsatz des Gesetzes. Ich hätte es begrüßt, wenn der Herr Bundesjustizminister dazu Stellung genommen hätte; denn ich fürchte, daß wir andernfalls — ohne daß man allzuviel Phantasie haben muß — von der Bundesregierung ein Gesetz vorgelegt bekommen, in welchem der Bundestag und der Bundesrat mit einfacher Mehrheit die Richter wählen. Das würde allerdings genau der Linie entsprechen, die von Ihnen bisher eingehalten worden ist.

    (Beifall bei der SPD. Zurufe aus der Mitte: Na, na!)