Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Der sozialdemokratische Redner hat in der Begründung des Gesetzesentwurfs eine Redewendung von der „Allmacht des Bundestags" gebraucht. Ich meine, daß dies sehr gelinde ausgedrückt eine große Übertreibung war. Von einer Allmacht des Bundestags nach dem Grundgesetz kann man wahrhaftig nicht sprechen; ganz im Gegenteil. Die Väter des Grundgesetzes haben in der Bonner Konzeption den allergrößten Wert auf eine sogenante starke Regierung — stark nämlich gegenüber dem Parlament, der Volksvertretung - gelegt, und das Grundgesetz enthält genug Fallstricke, die nur den einen Zweck haben, das Recht der Volksvertretung auf Kontrolle der Exekutive und Mitwirkung an den Regierungsgeschäften in jeder Hinsicht zu beschneiden. Die Regierung Adenauer aber geht selbst über diese sehr weitgehenden Bestimmungen des Grundgesetzes noch hinaus. Dies ist zur Genüge in diesem Hause bekannt, und ich brauche gar nicht erst mehr einzelne Fälle anzuführen, in denen die Regierung selbst gegen den Wortlaut des Grundgesetzes eigenmächtige, autoritäre Handlungen ohne die erforderliche Information und Zustimmung des Parlaments unternommen hat. Die Beteuerungen des Herrn Bundesjustizministers, die wir heute gehört haben, der Regierung liege solches fern, stehen in einem sehr krassen Widerspruch zu ihren Taten.
Deshalb ist es wirklich notwendig, daß im Interesse der Demokratie die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung die allergrößte Aufmerksamkeit findet und mit allergrößter Entschiedenheit erfolgt. Es ist aber eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn man den Anschein zu erwecken versucht und den Glauben erwecken will, als ob die Wahrung der Rechte der Volksvertretung und damit der Demokratie irgendwie mit Hilfe eines Verfassungsgerichtshofs erfolgen könne. Man will die Justiz zum Richter und zur Entscheidung in Konflikten zwischen Legislative und Exekutive aufrufen. Der Abgeordnete Loritz, der vor mir gesprochen hat, hat ja ein derart unvorstellbares Maß von Vertrauen in die Objektivität und parteipolitische Neutralität der Justiz an und für sich bekundet, die in sehr krassem Widerspruch zu der Haltung steht, die er in seiner Immunitätsangelegenheit eingenommen hat. Aber wenn man dem Herrn Abgeordneten Loritz das nachsehen mag, unverständlich bleibt mir, wie die sozialdemokratische Fraktion ein derartiges Maß von Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Justiz in Konflikten zwischen Exekutive und Legislative, zwischen Volksvertretung und Regierung bekundet. Selbst wenn es diesen chemisch reinen unpolitischen Richter oder Juristen geben würde, den man irgendwo vom Mond oder Mars beziehen
müßte — es kommt nicht darauf an, ob er ein Parteibuch hat, sondern auf die allgemein politische Einstellung, die schließlich jeder Mensch hat —, und er in gar keiner Weise von Politik irgendwie berührt wäre, ist es doch so, daß allein die soziale Herkunft der Großzahl unserer Richter doch schon dafür bürgt, daß sie einer bestimmten politischen Auffassung, bestimmten Weltanschauung oder bestimmten sozialen Auffassung nahestehen. Es ist doch so, daß die Auswahl unserer Richter zum großen Teil kraft der Verhältnisse, wie sie bei uns im Lande sind, aus den Schichten erfolgt, die besitz- und bildungsmäßig privilegiert sind. Sie wurzeln im Milieu dieser Schichten, und dadurch wird natürlich auch ihre politische Einstellung beeinflußt und bestimmt. Wenn man nun etwa gar die Justiz zum unabhängigen Richter zwischen Exekutive und Legislative, Volksvertretung und Verwaltung, aufrufen will, so ist es doch ganz klar, daß die Justiz viel verwandter und näher bei der Verwaltung steht.