Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichbegrüße Sie alle herzlich zur ersten Plenarsitzung desDeutschen Bundestages nach der parlamentarischenSommerpause. Die meisten haben durch Gremiensitzun-gen und Klausurtagungen von Fraktionen und Fraktions-vorständen den Dienst längst wieder angetreten. Ichhoffe, dass die meisten in den vergangenen Wochen Ge-legenheit gefunden haben, sich nicht nur um die Stabili-tät von Haushalten und Währungen, sondern auch umdie Stabilisierung von Leib und Seele zu kümmern.Einige Kolleginnen und Kollegen hatten während derSommerpause runde Geburtstage. Dazu gehört die Kol-legin Uta Zapf, die am 14. August 2011 ihren 70. Ge-burtstag gefeiert hat.
Der Kollege Franz Obermeier hat seinen 65. Geburts-tag gefeiert.
Die Kolleginnen Anita Schäfer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Angelika Krüger-Leißner, UndineKurth sowie der Kollege Eberhard Gienger haben ihrKdRsdMSdRedet60. Lebensjahr vollendet. Allen Kolleginnen und Kolle-gen herzliche Glückwünsche!
Nun wollen wir einmal schauen, wie lange der Jubelim ganzen Hause für die weitere Tagesordnung vorhält.
Ich habe noch darauf hinzuweisen, dass die KolleginAgnes Alpers sowie die Kollegen Klaus Hagemann undSebastian Körber ihre Schriftführerämter niedergelegthaben. Als neue Schriftführerinnen und Schriftführerwerden vorgeschlagen: von der SPD-Fraktion der Kol-lege Stefan Rebmann, von der FDP-Fraktiolege Holger Krestel und von der Fraktion DieKollegin Johanna Voß. Sind Sie damit einverDas ist offensichtlich der Fall. Damit sind die
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2012
– Drucksache 17/6600 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierungFinanzplan des Bundes 2011 bis 2015– Drucksache 17/6601 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind imahmen der Haushaltsberatungen für die heutige Aus-prache im Anschluss an die Einbringung des Haushaltsurch den Bundesfinanzminister sechs Stunden, fürittwoch acht Stunden, für Donnerstag neuneinhalbtunden und für Freitag noch einmal dreieinhalb Stun-en vorgesehen. Darf ich auch dazu Ihr Einvernehmenextfeststellen? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-sen.Zur Einbringung des Haushalts erteile ich demBundesminister der Finanzen, unserem KollegenDr. Wolfgang Schäuble, das Wort.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Diese Haushaltsdebatte findet unter dem Ein-druck beunruhigender Turbulenzen auf den Finanzmärk-Problem der Vereinigten Staaten vonaushaltsdefizit und ihre hohe Staatsver-elativ schwieriger Lage von Wirtschaftkt in den Griff zu bekommen, und dien der Kol- Linke diestanden? – genanntenten statt. DasAmerika, ihr Hschuldung bei rund Arbeitsmar
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durch die Schulden und Wachstumsprobleme einigerEuro-Länder verursachte Verunsicherung über die Stabi-lität der Euro-Zone als Ganzes haben in den letzten Mo-naten zu zunehmender Marktbeunruhigung geführt. Be-sorgnisse über die globale wirtschaftliche Entwicklungnehmen zu. Die Verlangsamung der Wachstumsdynamikin den Industrieländern geht zwar im Wesentlichen aufeine Abflachung der starken, zyklisch bedingten Erho-lung zurück, aber es ist eben eine Verlangsamung.Die hartnäckigen Probleme im Bereich der öffentli-chen Verschuldung und des Finanzsektors dämpfen dieprivate Nachfrage. Übrigens werden kurzfristige Nach-fragestimulierungen nicht helfen, weil der Spielraum da-für zu gering ist und das Übermaß an Defiziten schonjetzt die Hauptursache der Krise ist. Deshalb wird esohne strukturelle Anpassungen nicht zu schaffen sein.Das muss weiterhin das bestimmende Element unsererFinanzpolitik sein. Deshalb gehen wir mit dem Bundes-haushalt 2012 einen weiteren Schritt auf dem Weg derwachstumsfreundlichen Defizitreduzierung. Wir beschrei-ten einen Weg, der uns Gestaltungsspielräume in der Zu-kunft offen lässt und der diese Gestaltungsspielräumeeben nicht durch einen übermäßigen Gegenwartsbezugbeschneidet.Wir schaffen Vertrauen durch finanzpolitische Solidi-tät und Verlässlichkeit.
Dieses Vertrauen müssen wir schaffen in den Augen derFinanzmärkte und auch in den Augen der Bürgerinnenund Bürger in Deutschland und Europa.
– Aber Herr Kollege Poß, zur parlamentarischen Demo-kratie gehört, dass man unterschiedliche Meinungen hat,dass man darüber diskutiert, dass man abstimmt. Manbringt Gesetzentwürfe ein, dann debattiert man über sieim Bundestag, und am Schluss stimmt man wieder ab.Warten Sie es in großer Gelassenheit ab! Wir werdeneine große Mehrheit dafür finden.
Im Übrigen ist entscheidend, dass wir die Vorgabender Schuldenbremse des Grundgesetzes konsequent um-setzen;
denn das ist für die Überzeugungskraft deutscher Politikauf internationaler Ebene von ganz elementarer Bedeu-tung. Vielleicht noch wichtiger ist, dass wir einen Bei-trag leisten zu einer auch mentalen Abkehr von dem,was Ralf Dahrendorf in einem seiner letzten Aufsätzevor seinem Tod als einen „extremen Pumpkapitalismus“bezeichnet hat. Es ist wahr: In den vergangenen 40 Jah-ren hat sich die Wirtschafts- und Finanzpolitik vieler In-dustrieländer im Wesentlichen darauf konzentriert, Re-zuhdtuüsaPFddnksDGDinaPs–LuddfehreKvPrezvinwbDdagdsvJdseimhd
In allen Ländern. Es ist ein Problem der westlichenänder insgesamt, dass das Vertrauen in die Fähigkeitnserer Systeme zur längerfristigen Haushaltskonsoli-ierung erschüttert ist. Wir haben in der Euro-Zone nichtie größten Defizite; in anderen Bereichen sind die öf-ntlichen Defizite höher. Das muss man sehen.Wir dürfen die Konsolidierung der öffentlichen Haus-alte bei aller berechtigten Kritik an überzogenen Markt-aktionen nicht aus den Augen verlieren.Angesichts der tradierten Verhaltensmuster bei derrisenbekämpfung war es – wir haben es gesehen – imergangenen Jahr nicht leicht, unsere internationalenartner davon zu überzeugen, dass ein maßvoller undchtzeitiger Ausstieg aus den wirtschaftlichen Stüt-ungsmaßnahmen sinnvoll ist. Deutschland hat sich imergangenen Jahr wegen seiner Haushaltskonsolidierungternational erheblicher Kritik ausgesetzt gesehen. Aberir können heute sagen: Der Erfolg hat uns recht gege-en.
as ist über den Tag hinaus von Bedeutung. Wir dürfenas gerade in diesen Tagen, wo es schon wieder in diendere Richtung gehen soll, nicht vergessen. Wir habenezeigt, dass es möglich ist, auf eine Weise zu konsoli-ieren, die das Wirtschaftswachstum nicht beschädigt,ondern – im Gegenteil – ankurbelt. Dem Wachstum imergangenen Jahr von rund 3,5 Prozent wird in diesemahr ein Wachstum von rund 3 Prozent folgen. Wenn dieeutsche Wirtschaft in diesem Jahr – nach einem stürmi-chen Beginn mit einem Wachstum von 1,3 Prozent imrsten Quartal – mit einem Wachstum von 0,1 Prozent zweiten Quartal einen moderateren Gang eingelegtat, so entspricht das der weltweiten Abkühlung. Das istoch eher eine Normalisierung in einer grundsätzlich
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positiven Entwicklung. Rezession sieht jedenfalls andersaus.
Meine Damen und Herren, man muss daran erinnern:Wir haben mit der Entwicklung in den Jahren 2010 und2011 den Einbruch des Jahres 2009 wieder aufgeholt.Wir haben durch diesen Einbruch 2009 nach der berei-nigten statistischen Gesamtrechnung – im August gab esneue Zahlen – 5,1 Prozent unserer gesamtwirtschaftli-chen Leistung verloren. Ein solcher Einbruch ist in derNachkriegsgeschichte völlig einmalig. Anfang der Le-gislaturperiode hatte die Bundeskanzlerin das Ziel aus-gegeben, bis 2013 wieder den Stand vor der Krise zuerreichen. Sie hatte versprochen, dass Deutschland ge-stärkt aus der Krise herauskommen werde. Die Zahlen,verehrte Kolleginnen und Kollegen, belegen, dass wirWort gehalten haben.
Wir dürfen uns aber nicht darauf ausruhen. Ich sagees einmal ganz klar: Nachhaltige Investitionen im Mit-telstand sind für unsere Zukunft bestimmt wichtiger alswindige Finanz- oder Immobilieninvestitionen irgendwoauf der Welt.
Deshalb muss und wird Deutschland seine Rolle als Sta-bilitätsanker und Wachstumslokomotive zugleich inEuropa spielen. Das ist übrigens konkrete Politik fürmehr soziale Gerechtigkeit. Auch wenn viele Ökonomenderzeit eine nachlassende konjunkturelle Dynamik fest-stellen, gibt es niemanden, der negative Auswirkungenauf den Arbeitsmarkt erwartet. Man muss es noch ein-mal sagen: Wir haben heute viel mehr Menschen in Ar-beit als noch vor wenigen Jahren.
Im Jahre 2005 waren 5 Millionen Menschen ohne Ar-beit. Heute ist die Zahl um 2 Millionen niedriger; im Au-gust waren es 2,94 Millionen Arbeitslose.
Die Zahl der Erwerbstätigen lag im Juli bei mehr als41 Millionen. Das ist ein Anstieg gegenüber dem Vor-jahr um mehr als 500 000 Personen. Der Zuwachs beider Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigtenist übrigens noch größer: Es gab einen Zuwachs gegen-über dem Vorjahr um rund 700 000 Arbeitnehmer; ange-sichts der Zwischenrufe weise ich darauf hin, dass mehrals die Hälfte davon auf Vollzeitbeschäftigung entfällt.Meine Damen und Herren, das ist der niedrigste Standder Arbeitslosigkeit seit der deutschen Wiedervereini-gung. Das ist ein historischer Erfolg.
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an muss daran erinnern: So hat es mit Rot-Grün ange-ngen.
Auch wir haben Fehler gemacht.
Herr Kollege Poß, es wäre gut, wenn wir uns heute da-uf verständigen könnten, dass wir uns einig sind, dassir den Weg, so wie Dahrendorf ihn beschrieben hat, ge-
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meinsam weitergehen. Dann haben wir eine guteChance, dass wir unser Land in einer schwierigen Zeitweiterhin erfolgreich voranbringen.
– Keine Sorge. Die Geschlossenheit der Koalition ist al-lenfalls durch Ihre innerparteilichen Auseinandersetzun-gen zu übertreffen.
Ich will aber auch klar sagen – man muss es gelegent-lich der Öffentlichkeit sagen, weil die Finanzmärkte nurals etwas Bedrohliches angesehen werden –: Wir allesind darauf angewiesen, uns laufend zu refinanzieren.Auch der Bund muss ständig hinreichend Anleihen aufden internationalen Märkten platzieren. Im Übrigen darfman das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Es istauch wahr, dass ohne das Schwungrad leistungsfähiger,innovativer Finanzmärkte der Wohlstandsgewinn in denIndustrie- und Schwellenländern völlig undenkbar wäre.Mehr noch: Ohne das Schwungrad leistungsfähigerFinanzmärkte gibt es keine Chancen für die Menschen inden Entwicklungsländern. Das müssen wir angesichts ei-ner Weltbevölkerung von 7 Milliarden Menschen klarsagen.
Das Problem sind nicht die Märkte, sondern die Über-treibungen und die Exzesse. Deshalb brauchen wir Gren-zen und Regeln. Jede freiheitliche Ordnung – auchMärkte – ohne Grenzen und Regeln zerstört sich selbst.Das Problem ist, dass Regulierung angesichts der zuneh-menden internationalen und globalen Verflechtungen aufnationaler Ebene nur noch sehr eingeschränkt funktio-niert. Wir brauchen ein starkes und handlungsfähigesEuropa und mehr internationale Zusammenarbeit. DieFinanzmärkte müssen wieder auf ihre dienende Funktiongegenüber der Realwirtschaft konzentriert werden.Neben einer besseren Finanzmarktregulierung mussvor allem dem Übermaß an öffentlicher Verschuldung inden meisten Industrieländern entgegengewirkt werden;denn dieses Übermaß an öffentlicher Verschuldung ist– das belegen alle internationalen Analysen; das ist un-streitig – die Hauptursache für die krisenhafte Zuspit-zung. Ich will daran erinnern – ganz bescheiden –, dasssich alle teilnehmenden Industrieländer beim Weltwirt-schaftsgipfel in Toronto im vergangenen Jahr verpflich-tet haben, ihre Haushaltsdefizite bis 2013 zu halbieren.Frau Bundeskanzlerin, ich sehe derzeit kein Land außerDeutschland, das diese Verpflichtung erfüllt; wir werdensie erfüllen.
Umso wichtiger ist, dass wir Kurs halten. Umso ent-scheidender ist, wie wir den Bundeshaushalt 2012 auf-stellen.leGdsgUDlen–dDtrnDmsteBedreVMhdsmhüvawuagdbsddwfrbhfebtudzv
Die Bundesbank sieht das ganz genauso. Sie tritt sehrafür ein, dass wir die Schuldenregel strikt umsetzen.eswegen ist es gut, dass wir Regierungsverantwortungagen und eine solide Finanzpolitik machen.
Dass das überall auf der Welt so gesehen wird, kön-en Sie auch daran erkennen, dass die Bundesrepublikeutschland nach wie vor das Vertrauen der Finanz-ärkte genießt. Das kann man nun wirklich nicht infragetellen. Das verschafft uns niedrige Refinanzierungskos-n, was angesichts unserer Gesamtschuld von großeredeutung für unsere Haushaltsspielräume ist. Mit demingeschlagenen Weg der Defizitreduzierung und miter seit diesem Jahr voll wirksamen und verfassungs-chtlich verankerten Schuldenbremse sichern wir dasertrauen bei Investoren und Anlegern, das auf denärkten derzeit rar ist. Auch darum geht es beim Haus-alt 2012.Dieser Haushaltsentwurf und der Finanzplan belegenie Absicht der Bundesregierung, hinsichtlich der Kon-olidierungsanstrengungen nicht nachzulassen. Bei derittelfristigen Finanzplanung gehen wir nach den Auf-oleffekten in den Jahren 2010 und 2011 – das habe ichbrigens schon in früheren Haushaltsdebatten gesagt –on moderateren Wachstumsannahmen aus. Wir rechnenb 2013 mit durchschnittlich 1,6 Prozent jährlich.Wir müssen dabei bedenken: Nachhaltige Politik, wieir sie verstehen, erfordert, dass sich unsere Haushalts-nd Finanzpolitik an der gesellschaftlichen Realität undn den politischen Herausforderungen orientiert. Dazuehört in allererster Linie der demografische Wandel,er unsere mittel- bis langfristigen Wachstumschancenegrenzen wird. Die Bundesregierung wird eine umfas-ende Strategie zur Auseinandersetzung mit den Folgenes demografischen Wandels vorlegen. Wir könneniese Entwicklung kurzfristig zwar nicht ändern, aberir brauchen angesichts der möglichen mittel- und lang-istigen Folgen auch nicht zu resignieren. Wir müssenei unseren Handlungen nur ständig die Zusammen-änge berücksichtigen. Deshalb brauchen wir eine öf-ntliche Kenntnisnahme und eine breite öffentliche De-atte.Jedenfalls ist unter diesen Annahmen ein Wachs-msansatz von durchschnittlich 1,6 Prozent pro Jahr fürie mittelfristige Periode realistisch und zugleich ehrgei-ig. Ich füge hinzu: Wir sollten uns von der Volatilitäton Quartalszahlen zur konjunkturellen Entwicklung
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– 1,5 Prozent im ersten Quartal und 0,1 Prozent im zwei-ten Quartal – nicht verrückt machen lassen. Das giltübrigens auch, um das hinzuzufügen, für die monatli-chen Statistiken zu den Steuereinnahmen. Sie laufen derkonjunkturellen Entwicklung logischerweise immer hin-terher. Weil das so ist, bleibt die Bundesregierung dabei,einen Sicherheitspuffer einzuplanen, damit wir die Ver-schuldungsobergrenze bei der Schuldenbremse auf kei-nen Fall überschreiten. Ich möchte das Bild von derBremse nicht überstrapazieren, aber auch wenn man eineganz gute Bremse hat, ist es vernünftig, nicht auf einenSicherheitsabstand zu verzichten. Dieses Prinzip liegtunserer mittelfristigen Finanzplanung zugrunde.
Ich muss bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen,dass sich die Schuldenbremse auf das sogenannte struk-turelle Defizit bezieht. Das heißt, die geplante Nettokre-ditaufnahme wird um konjunkturelle Einflüsse bereinigt.Rein konjunkturell bedingte, also nicht dauerhafte Mehr-einnahmen, hauptsächlich aus Steuern, oder entspre-chende Minderausgaben, vor allem aus dem Bereich desArbeitsmarkts, müssen nach diesem Konzept unmittel-bar zur Senkung des Defizits eingesetzt werden. Sie dür-fen nicht für strukturell wirkende Mehrausgaben oderMindereinnahmen verwendet werden. Anderenfalls wür-den wir das strukturelle Defizit erhöhen und sehendenAuges eine Verletzung der Schuldenregeln riskieren.Herr Kollege Schneider, wir werden dies im Haushalts-ausschuss vorwärts und rückwärts durchrechnen, undSie werden sehen: Wir werden die im Grundgesetz ver-ankerte Schuldenobergrenze nicht im Entferntesten be-rühren, geschweige denn verletzen.
Im Übrigen hat die Koalition verabredet, im Licht deraktuellen Daten im Herbst über steuerpolitische Maß-nahmen in dieser Legislaturperiode zu entscheiden. Da-bei wird die Bekämpfung der kalten Progression im Vor-dergrund stehen. Die Preissteigerungsrate lag in denletzten Monaten über dem Durchschnitt der vergangenenJahre, aber die Tendenz ist glücklicherweise eher rück-läufig. Bei unserem progressiven System der Einkom-mensbesteuerung, also bei einem System, bei dem derProzentsatz der Besteuerung bei höheren Einkommenansteigt – was wir aus Gründen der sozialen Ausgewo-genheit für richtig und unerlässlich halten –, führenPreissteigerungen dazu, dass der Prozentsatz der Besteu-erung ohne reale Einkommenszuwächse ansteigt. Wennman also eine nominale Erhöhung hat, die die Geldent-wertungsrate nicht übersteigt, dann hat man real keinenZuwachs, zahlt aber einen höheren Prozentsatz an Steu-ern. Das sind die kalten Steuererhöhungen, und mit de-nen müssen wir uns auseinandersetzen.
Dabei darf man in der öffentlichen Debatte aber nichtübersehen, dass wir der kalten Progression mit den zum1. Januar 2010 in Kraft gesetzten steuerlichen Maßnah-men im Vorhinein erheblich entgegengewirkt haben. Beidieser Gelegenheit muss ich auf etwas hinweisen, dasaBmdleugdteEsjaglidddtieinfi20ruliHdtesKdAlalidgcenhdinmculävsledsAm
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Deswegen gehe ich davon aus, dass die Länder ihre Ver-antwortung kennen – sie sind ja auch hinreichend vertre-ten –
und dass sie die grundgesetzliche Aufteilung der Ge-meinschaftssteuern respektieren werden.
Dass der Bund strikte Ausgabendisziplin übt, lässtsich am vorliegenden Haushaltsentwurf erkennen. Ichwill Sie nur mit wenigen Zahlen belästigen. Die Ausga-ben des Bundes steigen 2012 gegenüber dem Soll 2011um lediglich 0,07 Prozent. Über den gesamten Finanz-planungszeitraum sehen wir einen durchschnittlichenAusgabenanstieg von 0,7 Prozent vor. Das ist im histori-schen Vergleich ein einmalig niedriger Wert.
Der Regierungsentwurf sieht für das Jahr 2012 eineNeuverschuldung in Höhe von 27,2 Milliarden Euro vor.Das sind immer noch 27 Milliarden Euro Neuverschul-dung. Wir schwimmen nicht im Geld, aber wir ertrinkenauch nicht mehr in Schulden. Es sind jetzt also 13 Mil-liarden Euro weniger Neuverschuldung für 2012 vorge-sehen als im alten Finanzplan – und dies, obwohl wir mitunserem Haushalt neue politische Schwerpunkte berück-sichtigen. Ich nenne davon drei.
Zum einen berücksichtigen wir im vorliegendenHaushaltsentwurf die energiepolitischen Beschlüssevom 30. Juni 2011. Durch den beschleunigten Ausstiegaus der Atomenergie werden in den nächsten Jahrenerhebliche Investitions- und Forschungsmaßnahmen er-forderlich, um den zügigen Ausbau der regenerativenEnergien zu schaffen. Deshalb wird die finanzielle Aus-stattung des Energie- und Klimafonds – abgekürzt:EKF – noch einmal deutlich verbessert. Natürlich wer-den die Einnahmen aus der Brennelementesteuer unterden Erwartungen liegen, wenn wir die Atomkraftwerkeschrittweise abschalten und somit weniger Atomkraft-werke am Netz sein werden. Insgesamt bedeutet das fürden Bundeshaushalt Belastungen auf der Einnahmeseitein Höhe von etwa 2 Milliarden Euro pro Jahr.Wir haben zweitens im Bereich des Bundesverteidi-gungsministers die Einsparungen gegenüber der ur-sprünglichen Finanzplanung über einen längeren Zeit-raum, das heißt bis 2015, gestreckt. Damit hat dieBundeswehrreform eine verlässliche Grundlage. Ausdieser Entscheidung folgen ab 2013 gegenüber der bis-herigen Finanzplanung jährlich geringere Einsparungenin Höhe von bis zu 2,4 Milliarden Euro. Ich glaube, ver-ehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das in unserer ge-meinsamen Verantwortung liegt. Die Bundeswehr isteine Parlamentsarmee. Die Soldaten, die für unsere Frei-heit und unsere Demokratie ihr Leben riskieren, sollenunter guten Bedingungen ihren Dienst leisten können.Das sind wir ihnen schuldig.
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Ich habe ja gesagt: Ich habe der Regierung angehört.
Herr Kollege Steinbrück, ich weiß nicht, ob Sie mirchon die ganze Zeit die Ehre Ihrer Aufmerksamkeit ha-
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ben zuteilwerden lassen. Für den Fall, dass es so gewe-sen sein sollte, müssten Sie wissen, dass ich vorhinschon sehr deutlich gesagt habe: Wir haben denschlimmsten Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeits-markt entgegengewirkt.
– Herr Kollege Steinbrück, wenn Sie Kanzlerkandidatwerden wollen, müssen Sie sich noch ein bisschen bes-sere Manieren zulegen; sonst wird das nichts.
Ich wiederhole es in großer Ruhe: Ich bekenne michdazu, dass ich der Regierung angehört habe. Das ändertüberhaupt nichts.
– Wenn Sie sonst keine Argumente haben, ist es gut;aber es wird wohl so bleiben.Es war völlig richtig, dass wir in der Krise und nachder Krise diese Politik betrieben haben; das habe ichgesagt. Man kann dann die Folge, dass die Defizite ange-stiegen sind, nicht bestreiten. Wenn wir heute den Haus-haltsentwurf 2012 bewerten, müssen wir an die Aus-gangslage erinnern. Sie war nun einmal so, dass Ende2009 die geplante Neuverschuldung für 2010 86 Mil-liarden Euro betrug.
Diesen Wert konnten wir im Laufe des Jahres 2010schrittweise reduzieren. Als im Jahre 2011 für 2010 spitzabgerechnet war, waren es noch 44 Milliarden Euro. DenHaushalt 2011 haben wir im Bundestag im vergangenenJahr mit einer geplanten Neuverschuldung von 48 Mil-liarden Euro verabschiedet. Wenn die derzeitige Ent-wicklung einigermaßen konstant verläuft, werden wiram Ende des Jahres im Vollzug bei einer Größenordnungvon rund 30 Milliarden Euro liegen. Diesen eingeschla-genen Abbaupfad gehen wir mit dem nun vorliegendenHaushaltsentwurf 2012 und der mittelfristigen Finanz-planung konsequent weiter. Er ist ein guter Weg: fürDeutschland und für die Stabilität und das Wachstum inEuropa.
Natürlich verdanken wir diese erfreuliche Entwick-lung auch dem bislang guten Konjunkturverlauf; das istgar keine Frage. Darüber kann man sich freuen. Im Übri-gen bin ich fest davon überzeugt: Mit unserer wachs-tumsfreundlichen Konsolidierung haben wir zu einemguten Teil zu diesem Verlauf beigetragen.
Ich will gleich mahnend hinzufügen: Natürlich müs-sen wir die Zielgrößen für die Ausgaben und die Neuver-sefü–DdNDs–aOdgauHgfüsten„SdreW1sdezJzvuDd
Darüber können wir gerne diskutieren.
ie Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsi-ent haben sich Anfang August erneut mit großemachdruck dafür eingesetzt.
ie Kommission hat erklärt, sie werde dazu einen Vor-chlag vorlegen. Wir arbeiten also mit aller Kraft daran.
Ich weiß nicht, warum Sie nicht hören wollen, dass wiruf dem guten Weg der Konsolidierung sind.
ffenbar haben Sie bessere Laune, wenn es um Schul-en als wenn es um die Rückführung der Verschuldungeht.
Wir haben ein Aufkommen aus der Finanztrans-ktionsteuer ab 2013 eingestellt. Es ist nicht sicher, ob esns tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Für denaushalt 2012 konnten wir ein solches Aufkommen ent-egen der bisherigen Planung nicht berücksichtigen; da-r besteht keine Chance. Ich hatte das im Frühjahrchon erläutert.Im Übrigen lassen sich im Rahmen einer konsequen-n Konsolidierung politische Gestaltungsspielräumeutzen. In dieser Legislaturperiode steht das ThemaBildung und Forschung“ als zentraler politischerchwerpunkt im Mittelpunkt unserer Politik. Die Bun-esrepublik Deutschland ist auf dem Weg zur Bildungs-publik.
ir werden in den Jahren 2010 bis 2013 insgesamt2 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Daspiegelt sich im Etat des Bundesministeriums für Bil-ung und Forschung wider, der im Regierungsentwurfrneut überproportional ansteigt, und zwar im Vergleichum Vorjahr um gut 10 Prozent. In Relation zum Ist desahres 2010 können wir mit einer Steigerung um 21 Pro-ent sogar einen Anstieg um über 2,3 Milliarden Euroerzeichnen. Wir halten Wort, wenn wir sagen: Bildungnd Forschung haben für diese Regierung Priorität. –as unterlegen wir mit Zahlen.
Mit unserer Schwerpunktsetzung in der Bildungs-,er Forschungs- und auch in der Energiepolitik schaffen
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wir die besten Voraussetzungen für eine innovative,wettbewerbsfähige deutsche Wirtschaft mit gut ausgebil-deten Fachkräften. Oder, um es anders zu sagen: Wirschaffen die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachs-tum.Weil die Investitionsausgabenquote im Entwurf desHaushalts und auch in der mittelfristigen Finanzplanungteilweise kritisch hinterfragt wird, will ich darauf hin-weisen, dass ich die Abgrenzung der Investitionsausga-ben in unserer Haushaltsrechnung für fragwürdig halte.Meine Überzeugung ist, dass angesichts der modernenEntwicklung, insbesondere vor dem Hintergrund unsererdemografischen Entwicklung, Investitionen in das Hu-mankapital möglicherweise stärkere Wachstumsimpulsegenerieren als Sachinvestitionen.
Deshalb haben wir bei aller notwendigen Konsolidie-rung unsere Ausgaben für Bildung und Forschung undauch Integration nicht verringert, sondern verstärkt.
Natürlich bleibt jede Finanzpolitik eingebettet in dieglobale Entwicklung von Weltwirtschaft und Finanz-märkten. Wir werden am Donnerstag dieser Woche dieBeratungen über die gesetzgeberische Umsetzung dervon den Mitgliedstaaten der Euro-Zone beschlossenenMaßnahmen zur Stärkung der Handlungsfähigkeit derEFSF, der europäischen Finanzierungsfazilität, die wirim vergangenen Jahr vorübergehend – bis zur Schaffungdes Stabilisierungsmechanismus – geschaffen haben,aufnehmen.Deshalb will ich jetzt eher grundsätzlich in Erinne-rung rufen, dass wir die europäische Währung in den90er-Jahren auf den Weg gebracht haben, weil wir dieerreichte wirtschaftliche Integration in Europa unum-kehrbar machen wollten und weil wir mit einer gemein-samen Währung große positive Impulse für diewirtschaftlichen Interessen aller Euro-Mitgliedsländererzielen. Man muss sich das wieder und wieder klarma-chen: In einer globalisierten Welt, in der die Vertiefungder internationalen Arbeitsteilung die Abhängigkeit je-der Volkswirtschaft von globalen Entwicklungen we-sentlich verschärft und im Übrigen den Wettbewerbs-druck auf alle Volkswirtschaften verstärkt, brauchen wireine gemeinsame europäische Währung.Diese gemeinsame europäische Währung – das mussman bei allen Sorgen ins Gedächtnis rufen – ist eine sta-bile Währung geworden: Die durchschnittliche Preisstei-gerungsrate war seit der Einführung des Euro niedrigerals die durchschnittliche Preissteigerungsrate zu Zeitender D-Mark. Der äußere Wert des Euro, also der Aus-tauschkurs, ist seit seiner Einführung gegenüber fast al-len anderen Währungen deutlich gestiegen. Auch daranmuss man erinnern. Der Euro war und ist eine stabileWährung. Das Versprechen einer stabilen Währung istnicht gebrochen, sondern eingehalten.
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Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich meine esuch rein wirtschaftlich. Unsere Verflechtung in den in-rnationalen Leistungsaustausch mit Exporten und Im-orten ist höher als die aller anderen vergleichbarenänder in der Welt. An unseren Exporterfolgen hängt einesentlicher Teil unserer wirtschaftlichen Leistungs-raft, unserer Arbeitsplätze und unserer sozialen Sicher-eit. Über 60 Prozent unserer Exporte gehen in andereuropäische Länder. Ohne eine gemeinsame Währungäre unsere wirtschaftliche Lage wesentlich wenigerut.Man stelle sich im Übrigen vor, wir hätten in undach den Turbulenzen der Weltfinanz- und -wirtschafts-rise seit 2008 keine gemeinsame europäische Währungehabt.
ie Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkturch gewaltige Verspannungen zwischen den einzelnenährungen wären wesentlich größer geworden, und wirären in der Überwindung der Krise lange nicht so weit,ie wir heute sind.
Herr Kollege Trittin, die Schweiz ist nun nicht dafürerühmt, sich durch ein Übermaß an Euphorie, Europaeizutreten, auszuzeichnen. Wenn jetzt in der Schweizberlegt wird, den Schweizer Franken an den Euro anzu-oppeln, dann sollte das jedem in Deutschland, derlaubt, ohne den Euro hätten wir weniger Probleme, zuenken geben.
Die Konstruktion einer gemeinsamen Währung, beier die Geldpolitik vergemeinschaftet und – übrigensanz im Sinne unseres Grundverständnisses von Geld-olitik – einer unabhängigen Notenbank anvertraut wird,
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während die Finanz- und Haushaltspolitik sowie wesent-liche Teile der Wirtschaftspolitik in der Zuständigkeitder Mitgliedstaaten verbleiben, ist in der Wirtschaftsge-schichte neu. Das wussten wir aber.Deswegen waren übrigens viele, vor allem in der an-gelsächsischen Welt, von Anfang an skeptisch. Wir inder Bundesrepublik Deutschland wollten schon damalsdie politische Union, also vertiefte Schritte institutionel-ler Vergemeinschaftung. Das war in den 90er-Jahrenaber nicht zu erreichen.An dieser Stelle muss man daran erinnern, dass dieeuropäische Integration seit dem Zweiten Weltkrieg im-mer nur Schritt um Schritt vorangekommen ist. Das warschon in den 50er-Jahren nach dem Scheitern der Euro-päischen Verteidigungsgemeinschaft in Frankreich nichtanders. Meistens war es so, dass die wirtschaftliche Inte-gration politische Integration nachgezogen hat. Wir sindimmer mit wirtschaftlicher Integration vorangegangen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf diesem Wege sindwir in Europa in diesen über 50 Jahren zu unseremGlück weit vorangekommen.
Deshalb hat man bei der Einführung der gemeinsa-men Währung den Stabilitäts- und Wachstumspakt abge-schlossen. Dieser Stabilitäts- und Wachstumspaktverpflichtet jedes Mitgliedsland zur Einhaltung vonGrenzen in der Finanz- und Haushaltspolitik, die die Sta-bilität einer gemeinsamen Währung erfordert.In diesem Zusammenhang muss man an Folgendeserinnern: Die Ersten, die massiv gegen diese Verpflich-tung verstoßen haben, waren Deutschland und Frank-reich im Jahr 2004.
Das war ein schwerer Fehler. Er wird uns heute beimanchmal kritischen Diskussionen über andere entge-gengehalten. Wir sollten diesen Fehler auch nicht ver-drängen.
Ich füge hinzu: Nach meiner Einschätzung hat sichder Mechanismus des Stabilitäts- und Wachstumspaktes,der grundsätzlich richtig ist, gegenüber den unglaubli-chen Beschleunigungen in den globalen Finanzmärkten,wie wir in der Krise, die durch den Zusammenbruch vonLehman Brothers ausgelöst wurde, überhaupt erst richtiggelernt haben, als zu langsam erwiesen. Das ist derGrund dafür, dass sich heute aus der Schuldenkrise einesMitgliedslandes, das nicht mehr als 2 Prozent des Brutto-inlandsproduktes der Euro-Zone vertritt, wegen der An-steckungsgefahr über die Finanzmärkte ein Problem fürdie Euro-Zone als Ganzes ergeben kann. Aus diesemGrund müssen wir unsere Währung verteidigen: in unse-rem eigenen Interesse, natürlich in unser aller Interesse.
Hilfe für Länder, die in Schwierigkeiten sind, kannimmer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. Deshalb sind harteSS–mvdpfaawzsEdhGWfähHdlituugEZliwregFcsdKgDmzgIWrupwzgs
rsparen können wir es aber nicht.Genauso sind strukturelle Reformen zur Verbesserunger wirtschaftlichen Leistungskraft und Wettbewerbsfä-igkeit unumgänglich. Man muss wissen, dass dielobalisierung und eine gemeinsame Währung denettbewerbsdruck bzw. den Druck auf die Wettbewerbs-higkeit jeder Volkswirtschaft dramatisch erhöhen. Dasaben alle gewollt, aber dann muss man sich auch diesenerausforderungen stellen. Es gibt das eine nicht ohneas andere.Schließlich müssen wir noch – das können wir sicher-ch auch – das europäische Instrumentarium von Struk-rhilfen und Programmen zielführender, konzentrierternd weniger bürokratisch nutzen. All dies haben übri-ens die Staats- und Regierungschefs der Länder deruro-Zone am 21. Juli beschlossen.Aber damit all dies wirken kann, brauchen die Ländereit, bis sie sich an den Finanzmärkten wieder zu erträg-chen Konditionen refinanzieren können. Dafür habenir im vergangenen Jahr übergangsweise die privat-chtlich konstruierte Finanzierungsfazilität, die EFSF,eschaffen. Bis Mitte 2013 wollen wir als internationaleinanzinstitution den ESM durch einen völkerrechtli-hen und noch zu ratifizierenden Vertrag zur Verfügungtellen.Die Instrumente des EFSF müssen wir nun erweitern,amit wir möglichen Ansteckungsgefahren aus derrise, insbesondere im Bankensektor, frühzeitig entge-entreten können.
as alles geht nur Zug um Zug. Ohne energische Refor-en in den betroffenen Ländern wäre jede Hilfe nichtielführend. Deshalb ist verabredet und gesetzlich fest-elegt, dass die Einhaltung der Verabredungen durchF und EZB, also durch den Internationalen Wäh-ngsfonds und die Europäische Zentralbank, und Euro-äische Kommission vierteljährlich überprüft wird. Erstenn diese gemeinsam bestätigen, dass die Vorausset-ungen vorliegen, kann die jeweils nächste Tranche aus-ezahlt werden. Dabei gibt es keinen Entscheidungs-pielraum.
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14358 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Das ist die aktuelle Situation in Griechenland, wo dieTroika-Mission unterbrochen worden ist. Die Troika-Mission muss fortgesetzt werden und zu einem positivenAbschluss kommen. Andernfalls kann die nächste Tran-che für Griechenland nicht ausgezahlt werden. Das mussman in Griechenland wissen.
Das ist so geregelt: sobald die Voraussetzungen vorlie-gen. Das ist Gegenstand vertraglicher Absprachen, undes ist Gegenstand unserer Gesetzgebung. Das ist bin-dend. Dafür gibt es keinen Beurteilungs- und Entschei-dungsspielraum.
Ich füge gleich hinzu, Herr Kollege Steinmeier: So-lange wir keine anderen Instrumente haben, um die Ein-haltung der verabredeten Grenzen für nationale Finanz-und Haushaltspolitik zu garantieren – damit sind wirnämlich beim Kern des Problems –, können und dürfenwir das Zinsrisiko nicht vergemeinschaften.
Denn die unterschiedlichen Zinsen sind der stärkste An-reiz für Solidität. Die unterschiedlichen Zinsen sind imÜbrigen die notwendige Voraussetzung dafür, dass wirgegebenenfalls Anpassungsauflagen durchsetzen kön-nen. Deswegen kann darauf, solange die Konstruktionund die Architektur so sind, wie sie sind, nicht verzichtetwerden.
Deswegen sage ich mit großer Klarheit: Ohne institu-tionelle Veränderungen Euro-Bonds einzuführen – dieseForderung wird von der Opposition erhoben –, wäre bes-tenfalls falsch verstandene Solidarität. Der Euro würdeseinen Ruf als stabile Währung verlieren.
– Herr Kollege, bevor Sie mir unterstellen, dass ich Un-sinn rede, geben Sie mir die Chance, Ihnen das noch ein-mal zu erklären.
Weil wir die Finanz- und Haushaltspolitik nicht ver-gemeinschaftet haben, aber eine gemeinsame Währunghaben, brauchen wir Anreizsysteme; denn wir habennoch keine Automatismen und keine institutionellen Vo-raussetzungen, die die Mitgliedsländer dazu veranlassen– notfalls durch Anpassungsauflagen –, die Regeln ge-meinsamer Finanzpolitik einzuhalten, ohne die der Euronicht stabil ist. Wenn wir diese Anreizsysteme beseiti-gen, indem wir das Zinsrisiko vergemeinschaften, wirdder Euro blitzschnell das Vertrauen verlieren und nichtmehr als stabile Währung betrachtet. Das hat die Rating-ahgü–krerenEntesBskwwzisddtekssRtewdrudwnmDsnsüzain
Nein, überhaupt nicht. Mit den Linken über Haushalts-onsolidierung und solide Haushaltspolitik zu diskutie-n, ist vielleicht amüsant, aber nicht wirklich zielfüh-nd. Das ist wahr.
Ich will mit allem Ernst hinzufügen: Wenn der Euroicht mehr Ausdruck einer Stabilitätsgemeinschaft inuropa ist – das möge jeder bedenken –, verlieren wiricht nur wirtschafts- und finanzpolitisch den Boden un-r den Füßen, sondern werden wir auch bei der europäi-chen Integration die entscheidende Unterstützung derevölkerung der Mitgliedstaaten verlieren. Die Deut-chen wollen ein stabiles, handlungsfähiges Europa, abereine Schulden- und Inflationsgemeinschaft. Das wollenir nicht.
Wem also Europa am Herzen liegt und wer dafürirbt, den Weg der europäischen Integration fortzuset-en, der muss für Stabilität in Europa eintreten. Anderst das nicht zu machen.Natürlich müssen wir die jetzige Krise auf der Basiser geltenden Verträge bewältigen; wir haben keine an-eren. Das ist auch möglich. Die zum EFSF verabrede-n Maßnahmen sind dazu geeignet. Ich will aber auchlar sagen: Für eine dauerhafte Lösung für die gemein-ame Währung und die wirtschaftliche Integration müs-en wir zu einer Weiterentwicklung durch institutionelleeformen kommen. Wir müssen in Europa voranschrei-n – oder wir werden zurückfallen.
Ich habe die Ansteckungsgefahr im Finanzsektor er-ähnt. Ich will die Gelegenheit nutzen, hinzuzufügen,ass wir die Berechnungen des Internationalen Wäh-ngsfonds über den angeblichen Rekapitalisierungsbe-arf der europäischen Banken für überzogen halten. Wirerden darüber am Wochenende im Kreis der G-7-Fi-anzminister in Marseille sprechen können und sprechenüssen. Das hat eine große Bedeutung für die Märkte.er IWF hat bei seinen Berechnungen offensichtlich dieeit 2009 vorgenommenen Abschreibungen ebenso we-ig berücksichtigt wie die bestehenden Absicherungsge-chäfte. Es besteht die Gefahr, dass die in dem Reportber die globale Finanzstabilität veröffentlichte Gesamt-ahl von 397 Milliarden Dollar von der Öffentlichkeitls Rekapitalisierungsbedarf der europäischen Bankensgesamt verstanden wird. Das ist für den Markt unge-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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heuer gefährlich. Dabei ist völlig klar, dass das kein Ka-pitalfehlbedarf ist, weil ein Großteil der Forderungennicht in den Handelsbüchern der betroffenen Banken ist,sondern bis zur Endfälligkeit in den Anlagebüchern ge-halten wird. Das heißt: Die Zahlen des IWF sind teilsfalsch, teils missverständlich. Wir müssen dem entge-gentreten, damit die falschen Zahlen keine Auswirkun-gen auf die Finanzmärkte haben, die wir im Augenblickleider beklagen müssen.
Wir werden im Übrigen bei den Beratungen der G-7-Finanzminister am Wochenende darlegen, dass wir mitder Erweiterung des EFSF-Instrumentariums gut vorbe-reitet sind. Gut vorbereitet sind vor allen Dingen wir inDeutschland – liebe Kolleginnen und Kollegen, das fügeich hinzu – mit unserem Restrukturierungsgesetz. Wirsind damals im Vorgriff auf eine europäische Regelungzur Bankenrestrukturierung national vorangegangen.Hoffentlich kommt eine solche Regelung bald zustande,damit wir bei einer nächsten Krise nicht in die Lage ge-raten, in der wir 2008 gemeinsam, Herr KollegeSteinbrück, gewesen sind. Wir haben ja die Lehren da-raus gezogen.
Wir sind übrigens auch beim Verbot ungedeckterLeerverkäufe im vergangenen Jahr national, im Allein-gang, vorangegangen. Wir haben dafür eine Menge Kri-tik bekommen, insbesondere von Ländern, die ein sol-ches Verbot mittlerweile ebenfalls eingeführt haben.Dies bringt mich zu der Bemerkung, dass nicht immerder Langsamste das Tempo bestimmen darf, wenn wirdie Lehren aus der Finanz- und Bankenkrise rechtzeitigziehen wollen.
Es ist in diesem Sinne viel erreicht worden; aber dasMomentum, aus den Erfahrungen der Krise zu lernen,darf nicht verloren gehen. Wir müssen insbesondere diealternativen Marktteilnehmer – das ist ein Schwerpunktder kommenden Arbeiten – stärker in den Regulierungenerfassen. Wir müssen bei allen strukturierten ProduktenTransparenz auch durch zentrale Gegenparteien schaf-fen, und wir dürfen uns bei diesen Bemühungen nicht zuschnell von angeblichen Standortinteressen behindernlassen.
Es zeigt sich gerade bei der Finanzregulierung gele-gentlich, dass der Einfluss von grundsätzlich legitimerInteressenvertretung angesichts der Kompliziertheit derMaterie die notwendige Reformbereitschaft in Parla-menten häufig eher schwächt als stärkt. Aber wir müssendie Lehren aus der Krise entschlossen ziehen.
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ärkte brauchen Grenzen und Regeln, und deshalb dür-n wir den notwendigen Strukturentscheidungen auchicht durch den scheinbar bequemen Ausweg in höhereerschuldungen oder Inflation ausweichen.Wir sind ganz offensichtlich in einem schwierigenahrwasser der Entwicklung der Weltwirtschaft und derinanzmärkte. Die Handlungsspielräume sind – um esoch einmal zu sagen – wegen überzogener Verschul-ung in den meisten Industrieländern nicht mehr groß.as belegen übrigens gerade die Berichte – auch die desF selbst –, in deren Empfehlungen die weitere Redu-ierung der Defizite für zwingend notwendig erklärtird und in denen anschließend defizitfinanzierte Kon-nkturprogramme gefordert werden. Das ist ein biss-hen in sich widersprüchlich, zeigt aber in Wahrheit nur,ie gering die Handlungsspielräume geworden sind.Wir brauchen also Strukturwandel und Stabilität, undir brauchen neues Vertrauen. Deshalb muss Deutsch-nd Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive inuropa bleiben. Die Bundesregierung ist entschlossen,ich dieser Aufgabe zu stellen. Solidität und Nachhaltig-eit sind die Grundlage für Vertrauen, und der Haushalt012 leistet dazu seinen Beitrag.
Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich im Zu-ammenhang mit dem weiteren Ablauf der Haushaltsbe-tungen dieser Woche darauf hinweisen, dass Einver-ehmen unter den Fraktionen darüber hergestellt wordent, dass wir die Beratungen morgen früh mit dem Etates Auswärtigen Amtes beginnen und anschließendvoraussichtlich ab etwa 10.30 Uhr – den Etat desanzleramtes aufrufen. Da jetzt vermutlich eine etwasöhere Zahl von Kolleginnen und Kollegen für die Über-
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Präsident Dr. Norbert Lammert
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mittlung dieser Nachricht erreicht wird, als es heute amspäten Nachmittag, am Ende des ersten Debattentagesder Fall sein könnte, ist es, glaube ich, klug, das an die-ser Stelle ins allgemeine Bewusstsein zu heben.Nun eröffne ich die Aussprache und erteile dem Kol-legen Joachim Poß für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letz-ten Wochen und Monate haben immer deutlicher gezeigt– auch der gestrige Abend im Übrigen –: Wir haben eineSchönwetterregierung, die nicht krisenfest ist. Das ist dieRealität in der Bundesrepublik Deutschland.
Herr Schäuble, Sie sind der intelligenteste Schönred-ner dieser Schönwetterregierung,
der, bei aller Intelligenz, aber auch mit Gedächtnislü-cken ausgestattet ist;
denn natürlich war der Einwand von Herrn Steinbrückberechtigt. Geplant war in der Großen Koalition, bevordie Krise kam, eine Neuverschuldung in 2010 von 6 Mil-liarden Euro. Daraus wurden dann aufgrund der Krise86 Milliarden Euro. Ihre Darstellung hierzu war tenden-ziös.
Es wurde hier subkutan irgendjemandem etwas in dieSchuhe geschoben.Auch Ihre Darstellung der Revision des Stabilitäts-und Wachstumspaktes in 2005 ist – im Übrigen hat dieBundeskanzlerin etwas Ähnliches gemacht – immer wie-der Legendenbildung; denn unsere Schuldenbremse– Herr Schäuble hat es lediglich angedeutet – ist der Lo-gik dieser Revision angepasst. Ohne diese Änderung in2005 hätten wir in der Großen Koalition außerdem dieKrisenpakete im Umfang von 80 Milliarden Euro garnicht schultern können. Das ist die Wahrheit und nichtdie Legenden, die von Ihnen hier kommen.
An den wenigen Beispielen zeigt sich, dass Sie, wennSie in der Ecke sind – und Sie sind in der Ecke –, nurnoch mit billigen Ausreden und Ausflüchten klarkom-men, und das reicht nicht als Anspruch für eine Regie-rung.Die hehren Weisheiten und Absichten, die HerrSchäuble in vielen seiner Reden hier verkündet, möchteman ja manchmal beklatschen. – Bei der Finanzmarkt-regulierung gibt es ein positives Beispiel; das betrifft dieLeerverkäufe. Diesbezüglich habe ich ihn immer unter-stützt. – Das alles ist aber letztlich nicht von der StellegzvUhwSJaPtusinMntendddenAtidnRPseAJIhweluatuese
Ja, noch schlimmer: Diese Regierung und diese Ko-lition verschärfen durch ihr Verhalten – siehe gestrigerobeabstimmung in den Koalitionsfraktionen zum Ret-ngsschirm – die Probleme. Sie zeigen, dass sie inchwierigster Lage – wir befinden uns, wie wir wissen, einer sehr schwierigen Lage; wir brauchen nur dieedien zu verfolgen –
icht handlungsfähig sind, weil die eigenen Abgeordne-n – das wird von Frau Merkel bevorzugt versucht –icht überzeugt werden, sondern sie das Gefühl haben,ass Wackelkurs und Taktik vorherrschen. So kann manie eigenen Abgeordneten nicht überzeugen.
Der heute eingebrachte Haushalt ist nichts, wofür sichie Regierung in besonderer Weise rühmen sollte. Er istinerseits ein typischer Schönwetterhaushalt, der von ei-er günstigen wirtschaftlichen Entwicklung profitiert.
ndererseits schreibt er die soziale Schieflage Ihrer Poli-k fort und vergrößert die Probleme und Defizite aufem Arbeitsmarkt, die auch im aktuellen Aufschwungicht verschwunden sind. Nur wer die Augen vor derealität verschließt, kann zu dem Schluss kommen, dierobleme des gespaltenen Arbeitsmarktes seien ver-chwunden.
Herr Schäuble, auch wir hoffen, dass 2012 die Steu-rn so sprudeln werden, wie Sie es annehmen.
uch wir hoffen, dass die Beschäftigung im nächstenahr in dem Maße weiter ansteigen wird, wie Sie es fürr Rechenwerk voraussetzen. Dann dürfen allerdings,enn Sie ehrlich an die Sache herangehen wollen, diexistierenden Risiken für die wirtschaftliche Entwick-ng in Europa und in der Welt, die wir alle kennen, aufbsehbare Zeit nicht eintreffen. Bei Ihrer Finanzplanungn Sie so, als gäbe es diese Risiken gar nicht. Das gibts doch nun wirklich nicht!Auch wenn der eingeplante Rückgang der Neuver-chuldung in Ihren Reihen als großer Konsolidierungs-rfolg gefeiert wird: In einer Aufschwungsituation sinkt
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14361
Joachim Poß
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die öffentliche Neuverschuldung wie von selbst. Deswe-gen sprechen ja auch einige Abgeordnete der Koalitiondavon, dass das Ganze nicht ehrgeizig genug ist. Im Ver-lauf der weiteren Haushaltsberatungen werden wir ja se-hen, wie weit Ihr Ehrgeiz gehen wird, ob er so weit geht,dass es, wie wir es Ihnen vorschlagen werden, dazukommt, dass Sie schließlich doch die Schuldenbremse inehrlicher Art einhalten. Das werden wir dann sehen,meine Damen und Herren.
Eine soziale Gestaltung des Haushaltes wird dadurchim Übrigen nicht verhindert. Aus dem Finanzkonzeptder SPD ergibt sich zum Beispiel, dass man konsolidie-ren und trotzdem Zukunftsinvestitionen finanzierenkann. Für den sozialen Ausgleich in unserem Land wärees besser, wenn Sie wenigstens einige der Sozialkürzun-gen rückgängig machen würden, die Sie gegen unserenWillen durchgedrückt haben. In der Tat ist es so: Der vonSchwarz-Gelb vorgesehene Kahlschlag bei den Arbeits-marktmitteln, der ja schon in diesem Jahr spürbar ist,vergrößert, wie ich von Kolleginnen und Kollegen höre,auch in prosperierenden Regionen
und nicht nur in strukturschwachen Regionen die Spal-tung des Arbeitsmarktes. Reden Sie doch mit Vertreternder Caritas oder anderer Organisationen, die damit zutun haben! So bekommen Sie mit, was wirklich in derWelt los ist.
Sie verfestigen mit dieser Politik die Langzeitarbeits-losigkeit in unserem Land.
Sie sorgen dafür, dass die angesichts des Fachkräfteman-gels notwendigen Qualifizierungen nicht stattfindenkönnen. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik. Sie sorgenauch dafür, dass viele junge Menschen in ihrem Lebennicht die Chancen bekommen, die sie mit entsprechen-der Förderung bekommen würden. Hier versagen Sie,trotz der momentan günstigen Ausgangssituation.
Es dürfte also in diesem Bereich nicht so gesenkt undgestrichen werden, wie Sie das vorhaben. Dass man soetwas in einem moderaten Maße vorsieht, ist selbstver-ständlich, wenn sich Erfolge auf dem Arbeitsmarkt ein-stellen,
aber doch nicht in dem Maße, wie Sie das betreiben.Sie unterstellen, wie gesagt, dass es konjunkturell bis2015 so weitergeht wie zurzeit, und Sie unterstellen da-mit, dass wir sechs Jahre lang ununterbrochen ein star-kes und stetiges Wachstum haben würden. Das wider-spricht jeder Erfahrung. Dafür sind, wie wir alle wissen,die Risiken zu groß. Diese positive Wachstumserwar-tung stellt ja das Zentrum Ihres Rechenwerkes dar. Da-mit sind Sie auch wieder nichts anderes als ein Schön-reRaddaSdFwleDskddsdgwKlekmudemgsmkbgdZwudwdzfühasle
as ist doch die Basis unseres Zusammenlebens und Zu-ammenwirkens. Darüber hinaus ignorieren Sie offen-undig auch die wachsende gesellschaftliche Spaltung,ie mit Händen zu greifen ist. Der Kern der Vorschlägeer Sozialdemokratie ist, dieser Spaltung in unserer Ge-ellschaft entgegenzuwirken. Das kann man, wenn manenn will, solidarisch und gerecht finanzieren, undleichzeitig kann man konsolidieren.
Was ist denn, wenn eintritt, was wir alle nicht wollen,enn die bereits zu beobachtende Verunsicherung deronsumenten und Investoren weitergeht, wenn es viel-icht zu einer weiteren Zuspitzung der Finanzkriseommt? Spätestens dann sind Ihre Rechnungen nichtsehr wert.Sie haben sich hier Ihrer Finanzmarktüberlegungennd -politik gerühmt, Herr Schäuble und Frau Merkel. Iner Praxis aber scheitern Sie beide doch hier. Da wirdine Verabredung über die Einführung einer Finanz-arkttransaktionsteuer zwischen Merkel und Sarkozyetroffen. Gott sei Dank zumindest das, kann man da nuragen; denn das ist ein wichtiges Instrument, nicht nurit Blick auf die Finanzierung zum Beispiel der Krisen-osten, sondern auch, um die Dynamik, die zu den Tur-ulenzen führt, aus den Märkten zu nehmen. Aber waseschieht? Der Koalitionspartner FDP stellt sich mitem Stoppschild hin und sagt: Das geht nicht! Die Euro-one reicht nicht aus! – Wer auf Großbritannien wartenill, der vergackeiert die Bevölkerung. Das weiß jeder,nd das machen Sie in der Praxis.
Das ist unehrlich, und dadurch werden die Glaubwür-igkeit und die Autorität von Frau Merkel in einemichtigen Punkt untergraben. Frau Merkel ist offenkun-ig nicht in der Lage, das in der Koalition durchzuset-en. Herr Schäuble sagt ausdrücklich, er sei für die Ein-hrung dieser Steuer innerhalb der Euro-Zone. Daseißt, Frau Merkel sind die Dinge entglitten. Es gehtuch schon lange um ihre persönliche Reputation. Wennie das nicht versteht, wird sie in die Geschichtsbücherdiglich als eine Kanzlerin eingehen, die sich, koste es,
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14362 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Joachim Poß
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was es wolle, zwei Legislaturperioden an der Macht ge-halten, darüber aber jeglichen politischen Kompass ver-loren hat.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Meister
für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir befinden uns seit vier Jahren in der größtenFinanz- und Wirtschaftskrise, die wir seit Ende desZweiten Weltkriegs erlebt haben. Bisher ist die Bundes-republik Deutschland durch diese Finanz- und Wirt-schaftskrise besser durchgekommen als die meisten an-deren Industrienationen dieser Welt. Wir sind durchdiese Krise gestärkt worden, weil wir unsere Strukturenverbessert haben. Das ist eine Leistung der RegierungAngela Merkel. Deshalb werden wir diese Regierungund diesen Kurs nachhaltig unterstützen.
Wir haben ein Wachstum von über 3 Prozent im ver-gangenen Jahr und von rund 3 Prozent in diesem Jahr zuverzeichnen. Natürlich muss man feststellen, dass wirgegenwärtig eine gewisse Abschwächung erleben. Ichglaube, dass diese Abschwächung sogar gut ist. Dennwir haben gesehen, wie gefährlich Blasenentwicklungenauf den internationalen Märkten sind. Deshalb solltenwir Übertreibungen hier vermeiden.Neben dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklunggibt es allerdings auch Risiken. Mit Blick darauf müssenwir aus meiner Sicht zwei Grundlinien einhalten, waswir in den vergangenen vier Jahren auch getan haben:Erstens sollten wir nicht die Kontrolle über die Ent-wicklung auf den Märkten verlieren.
Wir haben bei der Bankenrettung nie den Fehler ge-macht, eine systemrelevante Bank in die Insolvenz ge-hen zu lassen. Genauso müssen wir jetzt Kurs halten.Wir dürfen nicht die Kontrolle über die Abläufe verlie-ren, weil wir ansonsten nur noch Teil des Spiels, aberkein bestimmender Spieler mehr sind.Zweitens brauchen wir, damit Fehlentwicklungendurch staatliche Überschuldung und zu heftiges Spiel anden Finanzmärkten vermieden werden, eine klare Per-spektive in Bezug auf einen neuen Ordnungsrahmen amEnde der Krise, in dem das Ganze geordnet geregeltwerden kann und nicht mehr durch einzelne Hilfsaktio-nen. Dies hat diese Koalition zum 1. Januar 2011 imFinanzsektor mit dem Restrukturierungsgesetz geschafft.Dies müssen wir auch im Hinblick auf Staatsinsolvenzenin Europa und in der Welt erreichen.re53SloSDbgdlecloeAPsMbdladwufüSsmKsMSdSdreSS
ie sind dafür verantwortlich, dass die Langzeitarbeits-sigkeit in Deutschland trotz all Ihrer Programme, dieie so sehr loben, permanent gestiegen ist. Obwohleutschland es endlich geschafft hat, die strukturelle Ar-eitslosigkeit zu überwinden, und wir einen Beschäfti-ungsstand haben, der zu den höchsten in der Geschichteieser Republik gehört,
gt die SPD am gestrigen Tag ein Programm vor, wel-hes bewirken wird, dass Menschen vermehrt in Arbeits-sigkeit kommen, dass sie in Arbeitslosigkeit sozusageningesperrt werden und nicht mehr herauskommen. Alsngebot formulieren Sie, dass Sie den Menschen mitrogrammen und Betreuung helfen wollen. Die Men-chen wollen aber keine Programme und Betreuung, dieenschen wollen arbeiten. Diese Koalition steht für Ar-eit. Sie aber stehen für Arbeitslosigkeit.
Ich will einen weiteren Punkt aufgreifen. Angesichtser Staatsschuldenkrise reicht es nicht, im In- und Aus-nd große Reden zu halten. Es wird genau auf die Bun-esrepublik Deutschland geschaut und registriert, wieir selbst uns verhalten, wie wir in unseren Kommunennd Ländern und im Deutschen Bundestag die Haushaltehren.
Wo standen wir denn in den Jahren 2001 bis 2003?ie haben den Maastricht-Vertrag gebrochen. Anstatt an-chließend zu sagen, dass jetzt konsolidiert werdenüsse, haben Sie Ihren Finanzminister im Auftrag desanzlers nach Brüssel geschickt und gesagt: Jetzt müs-en der Vertrag und die Regeln aufgeweicht werden. –it dem Aufweichen des Maastricht-Vertrages habenie dafür gesorgt, dass wir in der heutigen Staatsschul-enkrise stecken.
chröder, Eichel und Poß sind die Verantwortlichen füriese Krise.
Sie haben damit die Glaubwürdigkeit der Bundes-publik Deutschland, die wichtig ist, um in diesertaatsschuldenkrise ernst genommen zu werden, aufspiel gesetzt.
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Dr. Michael Meister
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Wenn wir heute nach Athen, Lissabon und Dublin fah-ren, wird uns gesagt: Ihr wart es doch, die die Verträgeverletzt und nicht eingehalten haben. – Deshalb sage icheines: Durch unsere nationale Haushaltspolitik müssenwir klarmachen, dass wir für Glaubwürdigkeit stehen,was den Maastricht-Vertrag und die Bekämpfung derSchulden betrifft. Wir werden unsere Konsolidierungs-verantwortung nicht nur national, sondern auch interna-tional wahrnehmen.
Wir müssen uns einmal anschauen, wo denn die Wur-zeln der heutigen Krise liegen. Der erste Punkt ist, dassStaaten ihre Haushalte nicht im Griff hatten und sichüberschuldet haben. Ich bin schon der Meinung, dass wirda entgegenwirken müssen, indem wir eine Kulturschaffen, die aus dieser ständigen Überschuldung he-rausführt. Deshalb war es richtig, dass wir in der vergan-genen Wahlperiode gemeinsam die Schuldenbremse indie Verfassung geschrieben haben. Ich stimme demFinanzminister zu: Jetzt kommt der Test auf unsereGlaubwürdigkeit.
Die Schuldenbremse darf nicht nur in der Verfassungstehen, sondern sie muss auch eingehalten werden.
– Herr Poß, Sie machen es nicht. Sie kommen aus Nord-rhein-Westfalen. Ihre Ministerpräsidentin Kraft unter-nimmt alles, um diese Verfassungsregel zu brechen.
Das ist der Fehler. Sagen Sie Ihrer Regierungschefin inDüsseldorf, dass auch im Land Nordrhein-Westfalendiese Regelung eingehalten werden muss!Ein zweiter Punkt. Wir haben in der Finanzkrise ge-lernt – schauen Sie sich einmal das Beispiel Irland an –,dass nicht nur die überbordende Verschuldung, sondernauch eine nicht hinreichende Regulierung der Finanz-märkte ein Problem darstellt. An dieser Stelle sage ich:Wir brauchen eine bessere Regulierung im Sinne der so-zialen Marktwirtschaft.
Wir brauchen Wettbewerbspolitik mit besserer Regulie-rung, um für künftige Krisen Vorkehrungen zu treffen.
– Jetzt rufen Sie dazwischen: „Machen Sie mal!“Schauen Sie sich einmal an, wie in dem Jahrzehnt, indem Sie die Verantwortung für die deutsche Finanzpoli-tik getragen haben, die Finanzmärkte reguliert – genauergesagt: dereguliert – worden sind.
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Ich bin der Meinung: Wir haben in Deutschland anerschiedenen Stellen Vorlagen geliefert – ich habe vor-in schon das Restrukturierungsgesetz angesprochen –,m im Bankensektor für geordnete Verfahren zu sorgen.Ich will darüber hinaus die Debatte zu Basel III an-prechen. Wir brauchen mehr Eigenkapital in den Finanz-stituten. Wir haben auch eine Entscheidung in Bezuguf die ungedeckten Leerverkäufe getroffen – ich dankeerrn Kollegen Poß, der das unterstützt hat –, obgleichir hier zunächst einmal einen nationalen Alleingangnternommen haben. Darin werden wir mittlerweile be-tätigt. Denn nicht nur wir allein, sondern auch andereaben erkannt, dass dieses spekulative Instrument durchegulierung ausgeschaltet werden muss.Jetzt aber tragen Sie die Finanzmarkttransaktionsteuerls Monstranz vor sich her, um all das zu entschuldigen,as Sie falsch gemacht haben. Unser Problem ist dochicht, dass wir uns erst darauf verständigen müssen. Wirollen sie. Wir haben klar und deutlich erklärt, dass wirie wollen.
ie Finanzmarkttransaktionsteuer soll aber auch zu eineresseren Regulierung beitragen. Das heißt, dass wir sieöglichst breit in der Welt durchsetzen müssen. Nur soann eine vernünftige Wirkung entfaltet werden. Dafürämpft die Bundesregierung. Dafür hat sie auch dieolle Unterstützung dieser Koalition.
Noch ein Wort zur Staatsschuldenkrise: Wir müssenicht beschwören, dass wir für Europa sind. Denn ichoffe, dass daran niemand Zweifel hat. Wir sind füruropa und wissen, was uns Europa in den vergangenenahrzehnten im Hinblick auf Frieden und Freiheit ge-racht hat. Das bezieht sich auch auf die Finanzkrise. Ichtimme der Einschätzung, dass für uns die Finanzkrisehne den Euro wesentlich schwieriger zu bewältigen ge-esen wäre, ausdrücklich zu.Nun geht es aber um die Frage, wie wir Europa ge-talten. Gestalten wir ein Europa der Verantwortung, woiejenigen, die Entscheidungen treffen, auch die Verant-ortung für deren Folgen tragen? Oder gestalten wir einuropa der Verantwortungslosigkeit, wo die einen ent-cheiden und alle anderen die Folgen dafür tragen müs-en? Ich bin der Meinung, dass eine gemeinsame Wäh-ngspolitik auf Dauer nur mithilfe einer gemeinsameninanzpolitik funktionieren kann. Solange wir dieseicht haben, benötigen wir unterschiedliche Zinssätzend unterschiedliche Pönale für die jeweiligen nationa-n Finanzpolitiken.Ihr Vorschlag hinsichtlich der Euro-Bonds ist in An-etracht der derzeitigen Krise keine Lösung. Sie würden
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Dr. Michael Meister
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nur dazu führen, dass denjenigen Verantwortung wegge-nommen wird, von denen sie eingefordert werden muss.Die Euro-Bonds würden die Krise nicht abschwächen,sondern sie verschärfen. Deshalb dürfen wir in dieserKrise diesen Irrweg nicht gehen.
Was die Konsolidierung des Haushalts angeht, gehenwir, glaube ich, einen vernünftigen Weg. Wir habennicht einfach nur Sparorgien auf den Weg gebracht, son-dern auch gesagt: Wir kombinieren im Haushalt in klu-ger Weise Einsparungen struktureller Art mit Wachstums-anreizen. Ein weiterer Beitrag ist die Verbesserung derStrukturen in unserem Land, die zwar nicht direkt mitdem Haushalt verbunden sind, die aber strukturell zuAnreizen für mehr Wachstum führen. Ein solcher Bei-trag ist zum Beispiel das, was ich vorhin im Zusammen-hang mit der Schuldenbremse angesprochen habe. Daskostet im ersten Moment kein Geld; es bringt auch keinGeld. Es trägt aber zur Entwicklung besserer Wachstums-aussichten bei.Es gelingt mittlerweile sogar, in Europa einen Werbe-feldzug für die Schuldenbremse durchzuführen. DieSpanier haben sie bereits umgesetzt. In Portugal undFrankreich wird eine Debatte darüber geführt. Das istder richtige Weg. Den müssen wir fördern. Ich ziehe denHut vor den Kollegen in diesen Ländern. Wir haben unseine ganze Wahlperiode Zeit genommen, um diesesThema zu diskutieren. In Spanien wurde sie in nur weni-gen Tagen umgesetzt. Das ist eine tolle Leistung, die wirentsprechend anerkennen und unterstützen sollten.
Herr Poß, ich verstehe nicht, warum Sie sich darüberaufgeregt haben, dass darauf hingewiesen wurde, dassder damalige Finanzminister Peer Steinbrück vor zweiJahren in der Finanzkrise einen Haushalt mit einer Net-tokreditaufnahme von rund 86 Milliarden Euro vorgelegthat. Das ist eine Tatsachenfeststellung. Darüber gibt eskeinen Streit. Das kann man im damaligen Kabinettsbe-schluss nachlesen. Genauso richtig ist es, dass wir jetztfür 2012 einen Entwurf mit einer Nettokreditaufnahmevon rund 27 Milliarden Euro vorlegen. Das heißt zu-nächst einmal, dass wir es geschafft haben, binnen zweiJahren die notwendige Nettokreditaufnahme um 60 Mil-liarden Euro zu reduzieren.
Man kann sagen, dass es zum Teil an der Konjunkturliegt; das ist richtig. Darüber freuen wir uns aber. Wirfreuen uns über eine starke Konjunktur in Deutschland.
Zum Teil liegt es aber auch an der Struktur. Darüberfreuen wir uns auch. Der entscheidende Punkt ist, dasswir uns nicht auf der guten konjunkturellen Entwicklungausruhen. Wir treffen Vorsorge für die Zeit, in der diekonjunkturelle Entwicklung einmal nicht mehr so gut ist.DtiSHHwwbgSsStebnDtiDbdmsSzdDtrmvfüstuleKTbdeuTdb
as ist doch die Kunst einer vernünftigen Haushaltspoli-k.Sie sagen nun, wir würden kritisieren, was Herrchäuble vorgelegt hat. Nein, wir sind der Meinung: Dieaushaltsvorlage ist eine gute Haushaltsvorlage. Alsaushälter und Parlamentarier haben wir aber einen ge-issen Ehrgeiz: Auch etwas Gutes kann noch bessererden.In diesem Sinne werden wir jetzt die Parlamentsde-atte führen. Das haben wir in den vergangenen Jahreneschafft, und das werden wir auch diesmal schaffen.ie sollten in den Beratungen nicht den Anspruch be-treiten, noch besser werden zu wollen; vielmehr solltenie überlegen, welchen Beitrag Sie an dieser Stelle leis-n können.
Ich habe gerade darüber gesprochen, wie wir zu denesseren Strukturen gekommen sind. An dieser Stelleenne ich das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
as haben wir vor zwei Jahren diskutiert, und zwar strei-g.
amals haben Sie gegen die Kinder in der Bundesrepu-lik Deutschland gestimmt. Der Kinderfreibetrag undas Kindergeld wurden erhöht. Sie haben gegen die Fa-ilien und gegen die Unternehmen in Deutschland ge-timmt.
ie haben am Ende auch nicht zulassen wollen, dass Be-ieher kleinerer Einkommen mehr von ihrem Lohn iner Tasche haben.
as muss einmal klar und deutlich gesagt werden. Dafüragen Sie als Opposition die Verantwortung, weil Sieit Nein gestimmt haben. Wir haben gezeigt, dass dieon uns getroffenen Maßnahmen tatsächlich dazu ge-hrt haben, dass wir nicht einfach nur Geld ausgeben,ondern dass wir damit in diesem Land auf Dauer struk-relles Wachstum organisieren und somit Vorteile erzie-n. Deshalb sollten wir diesen Weg der strukturellenonsolidierung weitergehen.Ich möchte abschließend noch eine Bemerkung zumhema Steuern machen: Wenn man die Zeit von 1998is 2005 betrachtet, stellt man fest, dass Sie im Bereicher Steuervereinfachung nichts getan haben. Wir habenine sehr angespannte Haushaltslage. Deshalb haben wirns in der Koalition entschieden, eine Vorlage zumhema Steuervereinfachung zu machen. Und siehe da,er Deutsche Bundestag hat entsprechend dieser Vorlageeschlossen. Aber Sie behindern im Bundesrat über die
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14365
Dr. Michael Meister
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Länder, in denen Sie Verantwortung tragen, eine Steuer-vereinfachung für die Menschen in Deutschland.
Dabei geht es nicht um Geld, sondern es geht um weni-ger Pflichten und Auflagen für die Steuerbürger inDeutschland. Leisten Sie Ihren Beitrag, damit es denMenschen in Deutschland besser geht!Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Dr. Gesine Lötzsch ist die nächste Rednerin für die
Fraktion Die Linke.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Ich muss Ihnen sagen: Dieser Haus-haltsentwurf kommt mir vor wie ein antiker Torso. Esfehlen Arme, Beine und der Kopf; nur der Rumpf ist da.Niemand in diesem Haus weiß, was die Bundesregie-rung in den nächsten Wochen alles heimlich an diesenTorso anfügen wird. Niemand weiß, welche Banken,welche Kasinos über Schattenhaushalte und Rettungs-schirme abgesichert werden sollen. So ist keine seriöseBeratung möglich.
Unsere Haushaltsberatungen sollen den demokrati-schen Schein wahren; doch eigentlich ist die Bundes-regierung dabei, die wichtigste demokratische Institu-tion, die wir in diesem Lande haben, nämlich denDeutschen Bundestag, auszuhebeln.
Der Bundestag ist immerhin von 44 Millionen Men-schen gewählt worden. Die Börsen und Ratingagenturenhingegen sind von niemandem gewählt worden. Hiersind die Verhältnisse auf den Kopf gestellt worden. Dasmuss wieder geändert werden.
In den vergangenen Tagen haben Sie, Herr Schäuble,den Bundestag mehrfach davor gewarnt, zu viel Mitspra-cherecht einfordern zu wollen. Das würde Entschei-dungsprozesse verlangsamen und schnelles Reagierenauf die Finanzmärkte unmöglich machen. Ich finde, dasist eine unglaubliche Warnung an dieses Parlament undzeigt, dass die Bundesregierung jede Achtung vor demBundestag verloren hat. Das sollten wir uns als Parla-mentarier nicht bieten lassen.
Zunehmend wird die Bundesregierung von den Men-schen nur noch als Steuereintreiberin für die Banken undSpekulanten wahrgenommen. Erinnern wir uns: Alleindie Kosten der letzten Finanzkrise belaufen sich bis jetztaremgBdrenlesfadgavnnlaBsvdduDaFgdWmsindzMpdgsteknmnFdb
Herr Schäuble, ich möchte der vorhin hier von Ihnenusgeführten These, die Bundesregierung habe nach derinanzkrise 2008 die richtigen Schlussfolgerungen gezo-en, grundsätzlich widersprechen. Hätten Sie nämlichie richtigen Schlussfolgerungen gezogen, dann sähe dieelt heute ganz anders aus. Wir, die Linke, hatten da-als vorgeschlagen, die Finanzmärkte wirksam zu be-teuern, Steueroasen auszutrocknen, gefährliche Finanz-strumente zu verbieten, Hedgefonds zu regulieren undie Verursacher der Krise wirksam zur Verantwortung zuiehen. All das haben Sie nicht getan.
Drei Jahre hatten Sie, Herr Schäuble, und Frauerkel Zeit, diese Aufgaben zu erfüllen, doch nichts istassiert. Weil Sie nichts getan haben, rollt nun bereitsie nächste Finanzkrise auf uns zu. Wieder wird von denleichen Leuten argumentiert, dass wir erst einmal ganzchnell Rettungsschirme für Banken aufspannen müss-n und erst nach der Krise die Finanzmärkte regulierenönnten. Das ist ein fauler Trick; denen kann wirklichiemand mehr glauben. Es muss immer einen Zusam-enhang geben: Man kann Euro-Rettungsmaßnahmenur dann beschließen, wenn gleichzeitig erstens dieinanzmärkte wirksam reguliert werden und zweitensie Verursacher der Krise endlich kräftig zur Kasse ge-eten werden.
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14366 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Dr. Gesine Lötzsch
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Herr Schäuble, Sie haben hier Ihre Freude über Steu-ermehreinnahmen zum Ausdruck gebracht. Das ist Ihrgutes Recht, aber nicht Ihr Verdienst. Denn die Export-erfolge sind vor allem Ergebnis der umfangreichen Kon-junkturprogramme, die in China und den USA aufgelegtwurden. Sie von der Bundesregierung sind bei diesen Er-folgen also nur Trittbrettfahrer und nicht Verursacher.
Frau Merkel, Herr Schäuble, Sie hätten sich wirklicheVerdienste erwerben können, wenn Sie endlich mit Steu-ererhöhungen für Millionäre die Lücke zwischen Armenund Reichen in unserem Land wenigstens etwas ge-schlossen hätten. Sie hätten sich Verdienste erwerbenkönnen, wenn Sie endlich mit einem gesetzlichen Min-destlohn wenigstens für etwas mehr Gerechtigkeit in un-serer Gesellschaft gesorgt hätten.
Durch Steuermehreinnahmen, durch eine Millionär-steuer, aber auch durch Mindestlöhne hätten alle Kür-zungspakete, die auf dem Rücken der Armen in dieserGesellschaft beschlossen wurden, überflüssig gemachtwerden können. Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie endlichdie unsozialen Kürzungspakete zurück! Bitten Sie dieMillionäre in diesem Land zur Kasse!
Die Haushaltspraxis der Bundesregierung zeigt, dassPolitik nicht mehr gewählt, sondern von Lobbyisten be-stellt werden kann. Herr Kollege Poß von der SPD hatschon über die Mövenpick-Steuer gesprochen. Schauenwir uns einmal an, was die Lobbyisten sonst noch alleserreicht haben: Die Finanzmarktlobby hat bis heute dieFinanztransaktionsteuer verhindert. Im ursprünglichenHaushaltsentwurf standen bereits Einnahmen in Höhevon 2 Milliarden Euro aus dieser Steuer. Sie, HerrSchäuble, mussten diese Einnahmen herausstreichen,weil eine europäische Einigung zur Finanzmarktsteuernicht möglich war.Sie haben in Ihrer Rede aber selbst darauf verwiesen:Mit dem Verbot von Leerverkäufen im Jahr 2010 habenSie gezeigt, dass Deutschland allein Maßstäbe setzenkann; andere Länder sind dann gefolgt. Vorhin haben Siewieder beschworen, man müsse das endlich auf europäi-scher Ebene regeln. Ich bin aber der festen Auffassung:Wenn die Bundesregierung entschlossen mit gutem Bei-spiel vorangehen würde, dann würden auch die anderenLänder mitziehen. Herr Schäuble, Sie werden sich dochnicht von der FDP aufhalten lassen!
Ich nenne Ihnen weitere Beispiele: Die Atomlobbymuss 1 Milliarde Euro weniger Kernbrennstoffsteuerzahlen. Die Militär- und Rüstungslobby verhindert dieKürzung von Rüstungsprojekten.Erinnern wir uns an die letzten Haushaltsberatungen.Eigentlich sollte im Rahmen der Bundeswehrreform1 Milliarde Euro eingespart werden. Darüber ist im vor-liegenden Haushalt nichts zu lesen. Wir als Linke for-dicdDaa8wre1zmmIcsmsleDtudeozEwvEfüvAdsdtenSehMPdFred
Ich höre den Zwischenruf: zum Schutz der Soldaten. –h sage Ihnen ganz deutlich: Der beste Schutz der deut-chen Soldatinnen und Soldaten wäre es, ihr Leben nichtehr aufs Spiel zu setzen, sie nicht mehr zu verheizen,ondern sie endlich in die Bundesrepublik zurückzuho-n.
ann würden zwar etwas weniger Spenden der Rüs-ngsindustrie in Ihre Parteikassen fließen, aber das wäreer weitaus humanere Ansatz.Am Wochenende konnten wir im Spiegel lesen, dassinige Kollegen von SPD und Grünen Zweifel äußern,b ihre Entscheidung damals richtig war. Es war eher sou verstehen, als hätten sie erkannt, dass es eine falschentscheidung war. Aber wenn man erkannt hat, dass et-as falsch ist, dann muss man es auch ändern.
Abschließend ein Wort zu Frau von der Leyen. Frauon der Leyen ist unsere neue Expertin zum Themauro-Rettung. Dabei vergisst sie allerdings die Arbeit,r die sie vom Bundespräsidenten vereidigt wurde. Frauon der Leyen, Sie könnten etwas tun, um zunehmendeltersarmut zu verhindern, sie könnten etwas tun, umie Ausdehnung des Niedriglohnsektors zu verhindern,ie könnten etwas für Langzeitarbeitslose und deren Kin-er tun. Aber auf allen diesen Gebieten sind Sie geschei-rt, und deshalb suchen Sie anscheinend schon wiederach einer neuen Aufgabe. Besonders deutlich wird dascheitern am Beispiel der Bildungsgutscheine. Das istin bürokratisches Monster. Über Wochen haben Sie unsier ein Schauspiel vorgeführt. Das Geld kommt bei denenschen, die es brauchen, aber nicht an. Selbst Ihrearteifreundin aus Bayern, Frau Haderthauer, sagt – icharf mit Erlaubnis des Präsidenten kurz zitieren –:Man könnte fast meinen, dass die Ausgestaltungbewusst so kompliziert ist, weil man ja einigesspart, wenn das nicht viele in Anspruch nehmen.rau von der Leyen, ich schlage Ihnen vor: Konzentrie-n Sie sich auf Ihre Arbeit, und verwirren Sie uns nichturch Ihre zusätzlichen Vorschläge zur Euro-Rettung!
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14367
Dr. Gesine Lötzsch
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Europäische Sozialpolitik stellen wir uns anders vor.Wir wollen in Europa Gerechtigkeit in der Steuerpolitik,der Lohnpolitik und der Sozialpolitik. Die Politik mussendlich wieder im Interesse der europäischen Völker ge-staltet werden und nicht im Interesse einer HandvollSpekulanten. Herr Schäuble, legen Sie endlich alle Kar-ten auf den Tisch, damit wir nicht über einen Haushalts-torso, sondern über die wirklichen Fakten ernsthaft dis-kutieren können.Vielen Dank.
Nun erhält das Wort der Kollege Dr. Otto Fricke für
die FDP-Fraktion.
Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da-men und Herren! Frau Kollegin Lötzsch, zur Ihrer Rede:Es wäre wohl besser, bei einem Glas Cuba Libre darübernachzudenken, was man so sagt.
Wenn man sich den Haushalt genau anschaut, dann stelltman fest, dass es dabei nicht um irgendwelche Ver-schwörungstheorien geht – weder von Links noch vonHalblinks noch von Grün –, sondern: Das sind die Fak-ten.
Viele Bundesbürger waren in den letzten Monatenzum Glück im Urlaub, auch deswegen, weil sie einenArbeitsplatz haben und sich das leisten konnten. Wennman sich im Ausland mit den Menschen vor Ort unter-hält und nach dem Urlaub mit den Vertretern der Opposi-tion, dann fragt man sich: Waren die von der Oppositiondie ganze Zeit im Ausland, oder haben sie verfolgt, wasim Inland passiert? Ganz Europa fragt uns: Wie habt ihrdas gemacht? Wie habt ihr das mit der Wirtschaft hinbe-kommen, und wie schafft ihr es gleichzeitig, eine ver-nünftige Haushaltspolitik zu machen?
Die Opposition hingegen zeichnet ein Bild von einerWelt, die gar nicht existiert.Ich kann nur eines in Richtung Opposition sagen: Versu-chen Sie, sich von Ihrem Wunschdenken zu trennen, undversuchen Sie, die Zahlen und Fakten anzuerkennen.Wie sind die Zahlen und Fakten? Die Zahl der Ausbil-dungsplätze ist zweistellig angestiegen, die Zahl derErwerbstätigen steigt, die Zahl der sozialversicherungs-pflichtig Erwerbstätigen ist gestiegen, die Arbeitslosen-zeghwZtem8EagtuH–wd–SteDHnaHzs–eqnvnRtuDnte
s kommt aber noch viel besser. Herr Steinbrück hatte jauch eine Idee, wie man die Neuverschuldung verrin-ern könnte. Das damals angesetzte Wirtschaftswachs-m entsprach ungefähr dem, das wir heute ansetzen,err Poß.
Ja, das lief gut, Herr Poß. Soll ich Ihnen einmal sagen,as Herr Steinbrück für das Jahr 2012 an Neuverschul-ung vorgesehen hat?
Lieber nicht, nicht wahr? 57 Milliarden Euro hattenie für dieses Jahr geplant. Wir liegen 50 Prozent darun-r.
as ist der Unterschied zwischen Ihrer und unsereraushaltspolitik, der sich in den tatsächlichen Zahleniederschlägt.
Herr Poß, nehmen wir den nächsten Punkt einmaluseinander, Ihre ewige Litanei, das sei unsozial. Dererrgott erhalte mir mein Vorurteil! Die Frage, wie so-ial oder unsozial ein Haushalt ist, können Sie – das wis-en Sie – an einer Zahl festmachen, an der Sozialquote.
Herr Poß, hören Sie mir einfach zu. Ich habe Ihnenben auch zugehört. – In diesem Jahr beträgt die Sozial-uote unter dieser Bundesregierung 52 Prozent. Imächsten Jahr wird sie 51 Prozent betragen. Am Endeon Rot-Grün lag sie bei 42 Prozent. Erzählen Sie unsichts über soziale Verantwortung. Wir nehmen sie imahmen der Haushaltspolitik wahr. Wir wissen, was zun ist.
Dann kommt der nächste Punkt, der wunderschön ist:ie Investitionen in Deutschland seien nicht hoch ge-ug. Herr Poß, die SPD sollte sich endlich von ihrem al-n Investitionsbild trennen.
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14368 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Otto Fricke
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Die prozentuale Investitionsquote ist heute höher als inden meisten Jahren unter Rot-Grün, sogar höher als inden meisten Jahren unter der Großen Koalition. Sie ha-ben ein altes Bild von Investitionen. Sie meinen Investi-tionen in Beton, vielleicht auch in Betonköpfe. Manmuss aber klar sagen – Stichwort „Schuldenbremse“ –:Investitionen in einer modernen Gesellschaft sind Inves-titionen in Bildung und Forschung, also in Köpfe.
– Wir wollen, anders als Sie, nicht mehr Köpfe bei derBundesagentur. – Welche Etatansätze wurden erhöht?Wir wollen mehr Köpfe in Schulen, in Universitäten, inLehrberufen, an all diesen Stellen. Das ist es, was einemoderne Investitionspolitik ausmacht, die Sie nicht wol-len. Unsere Investitionspolitik zielt in die richtige Rich-tung, weil sie die Überlebensfähigkeit unserer Gesell-schaft in der globalisierten Welt sichert. Sie können dasschlicht nicht.
Die Haushaltsdisziplin ist Markenkern dieser Koali-tion. Ich merke, dass es Sie frustriert, dass wir die Neu-verschuldung jedes Jahr, Schritt für Schritt, verringern.Wir sind dabei aber sehr vorsichtig. Dafür möchte ichmich ausdrücklich bei den Haushältern der CDU/CSU-Fraktion bedanken. In jeder Debatte sagen Sie von derOpposition: Das schafft ihr nicht. Am Ende eines jedenJahres müssen Sie aber feststellen, dass wir noch vielbesser gewesen sind, als wir vorausgesagt und Sie be-fürchtet haben.
Das ist auch in diesem Jahr der Fall, und das wird auchbeim Haushalt 2012 so sein. Darauf können Sie sich ver-lassen.Ich will noch eine Sache klarmachen, weil sie derKern sozialdemokratischer, aber – das wird klar, wennman sich die Steuervorschläge der Grünen anschaut –auch grüner Politik ist: Sie meinen, Konsolidierung gehtüber die Einnahmen.
Wir haben nachgerechnet, was in den elf bzw. zehn Jah-ren – das erste Jahr will ich nicht hinzurechnen – sozial-demokratischer Regierungspolitik auf der Ausgabenseitepassiert ist: Die Ausgaben sind in diesen zehn Jahren um60 Milliarden Euro gestiegen. Was hat diese Koalition inzwei Jahren erreicht? Sie hat die Neuverschuldung um60 Milliarden Euro gesenkt.
Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unsererHaushaltspolitik.–füIcs–mtizw2kg1cedleAafüwNsagLdBwglais–ticBE2Wksgp
Das ist konjunkturell bedingt? 60 Milliarden Euro sindr Sie konjunkturell?
h kann Ihnen sagen, was Ihr Problem ist – das zeigtich auch jetzt wieder –: Sie hängen dem Irrglauben anHerr Schneider wird das gleich wieder erklären –, dassan die Haushalte dadurch saniert, dass man den Leutenefer in die Tasche greift, weil man dadurch mehr Geldur Verfügung hat.
Sie können ja einmal den Kollegen Steinbrück fragen,as passiert ist, als die Steuereinnahmen in den Jahren006, 2007 und 2008 erheblich gestiegen sind. Manönnte sagen, in diesen Jahren hätten Sie das viel besseremacht. Nein, Sie haben jedes Jahr die Ausgaben um0 Milliarden Euro hochgefahren. Das ist Ihr wesentli-hes Problem. Sie behaupten, dass wir nur mehr Geldinnehmen müssen und dann sparen. Ich sage Ihnen, wieas laufen wird – wir werden das den Rest der Woche er-ben –: Es wird mehr Geld eingenommen, und Ihreusgabenpolitiker fordern, dass da und dort mehr Geldusgegeben wird. Sie können nicht sparen. Deswegenhrt Ihre Politik am Ende immer zu einem Defizit. Daserden wir bei Ihnen stetig und ständig vorfinden.Der Kollege Meister hat dies im Zusammenhang mitRW angesprochen. Ich muss ehrlich sagen: Manchmalchäme ich mich dafür, dass der dortige Finanzministeruf das gleiche Gymnasium gegangen ist wie ich. Wieesagt, wohl bei anderen Mathematiklehrern.
eute, ich muss ehrlicherweise sagen: In einem Land,as es erst 2020 schafft, dorthin zu kommen, wo derund bereits 2014 sein wird, stimmt doch etwas nicht,enn man berücksichtigt, dass die Steuereinnahmenleich sind.Da denkt man, die Grünen machen das besser. Gratu-tion, die Grünen haben einen Ministerpräsidenten. Dast wunderbar.
Nein, kein Neid. Ich erkenne es an, wenn ein demokra-scher Beschluss dazu gekommen ist. – Was aber ma-hen Sie jetzt? Sind Sie die großen Sparer? Was machtaden-Württemberg? Was sagt der Ministerpräsident?r sagt: Na ja, wir könnten es eigentlich schon 2012 oder013 schaffen, die Neuverschuldung auf null zu setzen.as aber wird unter der Federführung der Grünen ange-ündigt? Wir machen das 2020, dann, wenn die Verfas-ung dies verlangt. Das ist der Unterschied zwischenrüner und roter Haushaltspolitik und unserer Haushalts-olitik.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14369
Otto Fricke
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In den Beratungen werden wir zeigen, dass dies nochein Stückchen besser geht. Sie werden in den Beratun-gen wieder sagen, der Haushalt sei nicht stabil. In jedemEinzelplan aber werden Sie hier und dort noch mehrGeld fordern. Hier werden wir Sie stellen. Wir freuenuns auf die weiteren Verhandlungen.Herzlichen Dank.
Priska Hinz hat nun das Wort für die Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn mandem Bundesfinanzminister folgen will, dann müsstensich die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung, dieBekundung der notwendigen strukturellen Anpassungenund die Risikovorsorge irgendwie im Bundeshaushalt2012 oder im Finanzplan wiederfinden. Wenn man sichaber beide genau anschaut, dann sieht man: Nichts da-von ist dort vorhanden.Es gibt zum Beispiel das Risiko der Neuverschul-dung, die im kommenden Haushalt in einer Höhe von27,2 Milliarden Euro geplant ist. Im Finanzplanungszeit-raum bis 2015 sind neue Schulden in Höhe von85,5 Milliarden Euro vorgesehen. Bei dem aktuell histo-risch niedrigen Zinsniveau bedeutet jede Milliarde Neu-verschuldung mehr eine Zinsbelastung von 16 MillionenEuro im Jahr. Schon durch die kleinste Zinserhöhung um0,1 Prozent erhöht sich die gesamte Zinslast um mehr als1 Milliarde Euro. Wir wissen, dass die jetzige Situationbei den Staatsanleihen nicht so bleiben wird. Dafür ha-ben Sie keine Vorsorge in Ihrem Finanzplan getroffen.Das zweite Risiko Ihrer Haushaltsplanung ist diewirtschaftliche Entwicklung. Sie rechnen mit einem ste-tigen Wachstum von 1,5 Prozent, obwohl dies schonjetzt mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Bereits imzweiten Quartal hatten wir eine deutliche Abflachungder Konjunktur. Wir wissen immer noch nicht, ob diewirtschaftliche Entwicklung in den USA nicht auchKonsequenzen für den Euro-Raum haben wird. Wir wis-sen nicht, wie es mit der Euro-Krise insgesamt weiter-geht. Auch hier haben Sie keine Vorsorge getroffen. Sierechnen mit einem Wachstum von 1,5 Prozent. Wenndieses Wachstum irgendwie einbricht, dann stehen Sieda. Dann können Sie diesen Finanzplan so nicht erfüllen.
Das dritte Risiko sind die möglichen Belastungen desHaushalts durch die Euro-Krise. Sie haben die zusätzli-chen Zinszahlungen, die wir für den ESM haben werden,eingerechnet; das ist richtig. Für weitere Risiken istkeine Vorsorge getroffen. Verstehen Sie mich nichtfalsch: Die Grünen stehen zu den Rettungsschirmen. SietuRWmdnnhShsBcteRaShlanBsisFdKRbTmimskebdHaDpdtu
Herr Meister, Sie sprechen hier immer von der Ein-altung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Wissenie, wer zurzeit einen besseren Mechanismus zur Ein-altung der Defizitkriterien und auch eine bessere wirt-chaftliche Koordinierung blockiert? – Das ist Ihreundeskanzlerin mit dem Präsidenten Sarkorzy. Sie blo-kieren das weitere Fortkommen einer europäischen In-gration. Darüber sollten Sie einmal in Ihren eigeneneihen reden, statt uns gegenüber so zu argumentieren.Da Ihre Europapolitik so zögerlich ist, wird natürlichuch die Haushaltspolitik überhaupt nicht gut gemacht.ie ruhen sich auf guter Konjunktur aus, statt den Haus-alt strukturell zu verändern und auf eine solide Grund-ge zu stellen, damit Sie Unwägbarkeiten abfedern kön-en, wenn es notwendig ist. Wir sind der Meinung, dieundesregierung und die Koalition müssten sich vieltärker um eine echte Konsolidierung bemühen. Bislangt die Senkung der Neuverschuldung nur zu einemünftel strukturell und zu vier Fünfteln konjunkturell be-ingt. Das heißt, Sie ruhen sich permanent auf guteronjunktur aus. Das wird nicht gut gehen.
Das kann man auch am sogenannten Sparpaket deregierung vom letzten Jahr sehen. Da finden wir Luft-uchungen wie die Bahndividende; linke Tasche, rechteasche. Der Abbau von Mitnahmeeffekten für Unterneh-en bei Energiesteuervergünstigungen wurde ja schon Gesetzgebungsverfahren entscheidend abge-chwächt. Die Einnahmen aus der Brennelementesteuerann man sich fast abschminken; diese Einnahmen hättes auch ohne die Abschaltung der AKW so nicht gege-en. Wo ist die versprochene Dividende aus der Reformer Bundeswehr? Das ist die größte Luftbuchung imaushalt, die ich bislang gesehen habe.
Nur beim Sozialabbau haben Sie die Ankündigungenus dem Sparpaket umgesetzt.
ie Starken schonen, die Schwachen belasten – dasrägt bislang Ihre Haushaltspolitik. Damit erhöhen Sieie soziale Verschuldung. Damit senken Sie nicht struk-rell die Neuverschuldung. Damit werden Sie auch auf
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Priska Hinz
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Dauer nicht die Schuldenbremse einhalten; denn mit derReform im Bereich des Arbeitsmarktes drehen Sie dieSpirale weiter. Sie verhindern, dass die Langzeitarbeits-losen besser qualifiziert und wieder eingegliedert wer-den können. Aufgrund der besseren Konjunktur wäre esjetzt notwendig, die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeitin den Griff zu bekommen. Hier versagen Sie kläglich.
Zusätzlich zu dieser Rotstiftpolitik belasten Sie dieBundesagentur für Arbeit auch stark durch das Ergebnisdes Vermittlungsausschusses. Wir sind dafür, dass dieGrundsicherung im Alter vom Bund übernommen wird,aber wir halten nichts davon, dass die BA dafür blutenmuss. Denn wenn die Konjunktur schwächelt, brauchtdie BA einen Puffer, um zum Beispiel Maßnahmen wiedas Kurzarbeitergeld – dies hat gewirkt – finanzieren zukönnen. Sie ruhen sich zurzeit auf guter Konjunktur aus.Aber die Politik, die Sie jetzt machen, wird die Bedin-gungen strukturell verschlechtern und nicht verbessern;dies gilt sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für künf-tige Krisen.
Wir führen diese Debatte angesichts einer tiefen Kriseim europäischen Währungsraum. Wir müssen uns be-wusst sein, dass wir als größte Volkswirtschaft in Europaeine wesentliche Verantwortung tragen. In vielen Län-dern Europas müssen jetzt harte Austeritätsprogrammeaufgelegt werden. Die Kanzlerin erwartet, dass überallSchuldenbremsen eingeführt werden. Wie verhält sichDeutschland – bei uns gibt es schließlich eine Schulden-bremse –, zumindest wenn es nach den Schwarz-Gelbengeht? Man leistet sich abwegige Debatten über Steuer-senkungen.
Ein Blick in das Grundgesetz genügt. Mit einer Steuer-senkung würden Sie gegen den Geist der Schulden-bremse verstoßen;
denn Steuersenkungen haben strukturelle Belastungenund keine Entlastungen zur Folge.
Wissen Sie, meine Damen und Herren von der FDP– in Ihrem Zustand ist Ihnen sowieso schon fast nichtmehr zu helfen –,
in der Bundesrepublik Deutschland gibt es zunehmendeine Debatte über Steuergerechtigkeit, über die Frage,wie man Vermögende an der Finanzierung der Infra-struktur und der Gemeingüter in Deutschland beteiligenkann, und Sie predigen immer noch Steuersenkungen.Da kann man nichts mehr von Ihnen halten.asfükswWfiliatuaabeDdkRDSvWDgautewR
Die gleiche irre Diskussion führt die Koalition jetztuch im Hinblick auf die Finanztransaktionsteuer, anstattie durchzusetzen. Der Bundesfinanzminister ist generellr eine Finanztransaktionsteuer; das finden wir gut. Erann sie aber noch nicht einführen. Die Kanzlerin willie in ganz Europa, notfalls in der Euro-Zone. Die FDPill sie gar nicht und erst recht nicht in der Euro-Zone.enn sich eine Koalition im Hinblick auf ein neuesnanzpolitisches Instrument und die Finanzmarktregu-erung so verhält, dann muss es schiefgehen. Das zeigtber den Zustand dieser Koalition.
Meine Damen und Herren, anstatt den Haushalt struk-rell zu verändern, ökologisch schädliche Subventionenbzubauen und dadurch nicht nur zu sparen, sondernuch zu konsolidieren, damit wir den ökologischen Um-au der Wirtschaft hinbekommen, die Atomwende durchine Energiewende ersetzen, soziale Teilhabe ineutschland gewährleisten, bessere Innovationen aufen Weg bringen und die Verschuldung in den Griff be-ommen können, streiten Sie weiterhin in Ihren eigeneneihen.
iese Herausforderungen sind anscheinend zu groß fürie. Ich kann nur sagen: Wir nehmen diese anspruchs-olle Aufgabe an Ihrer statt gerne an.Danke schön.
Für die Unionsfraktion hat der Kollege Barthle das
ort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Liebe Frau Kollegin Hinz, da Sieerade wiederholt die Einführung einer Finanztrans-ktionsteuer eingefordert und den Bundesfinanzministernd die Bundeskanzlerin dazu aufgefordert haben, soll-n Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass beideeder im Kreis der G 20 noch auf europäischer Ebeneichtlinienkompetenz haben.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14371
Norbert Barthle
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Sie sollten ihnen nicht absprechen, dass sie alles getanhaben, um diese Steuer durchzusetzen. Aber die anderenLänder müssen mitmachen. Auch das sollte man in denReihen der Opposition zur Kenntnis nehmen.
Da meine Vorredner, insbesondere der Bundesfinanz-minister, die Daten und Fakten im Hinblick auf denHaushalt schon hinlänglich dargelegt haben, will ichmich eher auf die Grundüberlegungen, mit denen wir indie weiteren Beratungen gehen, konzentrieren. Die Fest-stellung, dass wir uns bei diesen Beratungen derzeit inunruhigem Fahrwasser befinden, ist sicherlich richtig.Die vergangenen Jahre waren von der globalen Finanz-und Wirtschaftskrise, die ein erhebliches Ausmaß hatte,überschattet. Deutschland steht heute wirtschaftlichzwar besser da, als je erwartet, aber überwunden ist dieseKrise noch nicht. Das zeigen die aktuellen Spannungenauf den Finanzmärkten ganz deutlich.
Hinzu kommt – der Finanzminister hat darauf hinge-wiesen – eine Staatsschuldenkrise gerade in den wirt-schaftlichen Kraftzentren dieser Welt – USA, Japan,Europa –, die eigentlich dafür zuständig sind, Wachstumzu generieren. Gott sei Dank steht unsere Verschuldungnicht im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. ImGegenteil, deutsche Staatsanleihen besitzen auf denFinanzmärkten höchstes Ansehen. Auch das ist ein Be-weis für die solide Politik, die diese Koalition macht.Aufgrund der starken Verflechtung der Finanzmärktekönnen wir diese internationale Entwicklung aber nichtausblenden. Deshalb stellt sich die Frage: Wie geht esweiter? Wir spüren, dass etwas aus den Fugen geratenist. Wir ahnen: Europa braucht Veränderungen. Ichschließe mich der Aussage des Finanzministers an: Ent-weder wir entwickeln uns auf europäischer Ebene wei-ter, ober wir fallen zurück. Wir sind dafür, dass wir unsweiterentwickeln, und setzen uns deshalb für mehr Ab-stimmung in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragenein. Die Menschen erwarten von uns, von der Politik,Antworten. Wir müssen sie liefern, bevor sich Resigna-tion breitmacht oder es gar zu einer Flucht in einfacheAntworten kommt.Wir haben ein Konzept, das Konzept der sozialenMarktwirtschaft, das uns genau die Orientierung gibt,auf die wir uns besinnen müssen. Der Kern der sozialenMarktwirtschaft ist die Freiheit des Einzelnen: die Frei-heit des Unternehmers, des Arbeitnehmers, des Verbrau-chers, aber eben nicht unbegrenzte und absolute Freiheit,sondern immer Freiheit in Verantwortung für das Ge-meinwohl. Genau darum geht es.
Es geht zunächst darum, den Wohlstand unseres Lan-des zu mehren und zu ermöglichen, dass möglichst vieledaran teilhaben. Dabei ist aber die Reihenfolge wichtig.ZgwwwgLdkSnzHcbwdzndWduSaNJlistidwlirednEisNtewaseHdbfe
enn statt der ursprünglich angesetzten Nettokreditauf-ahme in Höhe von 48 Milliarden Euro werden wir amnde des Jahres bei etwa 30 Milliarden Euro landen. Dast ein großer Erfolg dieser Regierung.
Die vom Finanzminister für das nächste Jahr geplanteeuverschuldung liegt zwar rund 13 Milliarden Euro un-r dem ursprünglichen Finanzplan – auch das ist Aus-eis dieser konsequenten Konsolidierungspolitik –, istllerdings immer noch doppelt so hoch wie im Vorkri-enjahr 2008. Das heißt, wir bewegen uns noch immer ininem Bereich, in dem wir nicht sagen können: Unsereaushalte sind auf Dauer stabil. Vielmehr müssen wirie Konsolidierung nach wie vor konsequent im Blickehalten. Wir sind hier auf dem richtigen Weg und dür-n uns nicht beirren lassen.
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14372 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Norbert Barthle
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– Nein, wir haben genügend Ehrgeiz, aber man mussauch zur Kenntnis nehmen, liebe Frau Kollegin, dass wirin diesen Jahren auch erhebliche Belastungen schulternmüssen, die wir im Haushalt bereits teilweise abbilden.Der Ausstieg aus der Kernenergie war und ist richtig,aber der Weg hin zu mehr erneuerbaren Energien istnicht ohne einen zumindest vorübergehenden Mehrauf-wand zu schaffen. 2 Milliarden Euro pro Jahr hat derFinanzminister in diesem Zusammenhang als Größen-ordnung genannt.Außerdem schlummern aufgrund der Euro-Stabilisie-rung immer noch erhebliche Risiken in unseren Haushal-ten. Auch die Bundeswehrreform wurde angesprochen.Liebe Kollegen von der Opposition, wenn man die Bun-deswehr neu aufstellt, muss man ihr schon die Möglich-keit geben, sich entsprechend auszustatten. Eine Verrin-gerung von 1 Milliarde Euro bei den Sparauflagen isthier Fakt.Auch die Finanztransaktionsteuer habe ich angespro-chen. Im Übrigen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dasswir aufgrund des demografischen Wandels natürlichauch zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssystemeerhebliche Anstrengungen unternehmen müssen.Dennoch gilt – darauf wurde mehrfach abgehoben –:Diese Koalition hat nicht nur den Willen, sondern auchdie Kraft, die Schuldenbremse dauerhaft einzuhalten.Diese schreibt uns die Verfassung vor, und wir setzen sieum; denn auch in diesem Haushalt ist deutlich erkenn-bar: Wir liegen rund 15,5 Milliarden Euro unter der in-folge der Schuldenbremse maximal zulässigen struktu-rellen Neuverschuldung. Das kann man nachrechnen.Lieber Kollege Carsten Schneider, wenn Sie dies tun,werden Sie auf das Ergebnis kommen: 15,5 MilliardenEuro unter der zulässigen strukturellen Neuverschuldungim Haushalt 2012. – Das ist ein klarer Beweis für denWillen, die Schuldenbremse auch einzuhalten.Ich freue mich, dass unsere europäischen Partnerlän-der inzwischen diese Schuldenregel übernehmen. Spa-nien wurde bereits genannt. Umso bedauerlicher ist das,was sich in unserem eigenen Lande abspielt. Nordrhein-Westfalen wurde schon angesprochen, Herr Poß. Sie te-lefonieren gerade – hoffentlich mit Frau Kraft, um sieauf den richtigen Weg zurückzuführen.
Außerdem schaue ich nach Baden-Württemberg.Liebe Freunde von der Opposition, insbesondere derSPD,
Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Christian Langehat nach seiner eigenen Aussage den Koalitionsvertragin Baden-Württemberg maßgeblich mitgestaltet. DieserKoalitionsvertrag sieht vor, dass das Land Baden-Württemberg 2020 die Schuldenbremse einhalten will.Später geht es auch nicht; das ist in der Regelung zurSchuldenbremse in unserer Verfassung vorgeschrieben.Bis dahin sollen alle Spielräume zur Verringerung derVerschuldung ausgeschöpft werden. Obwohl im LandBaden-Württemberg in diesem Jahr Mehreinnahmen inHmgLndbrüdwhawläSnsnfotugskhssSnuaum1aZdzdwbcgEan
Es gibt Schwerpunkte, die wir nach wie vor positivusgestalten wollen, beispielsweise den Bereich Bildungnd Forschung. Dort stehen knapp 13 Milliarden Euroehr zur Verfügung. Das ist eine Steigerung um fast0 Prozent. Daran wird deutlich, dass wir in dieser Ko-lition Investitionen in Bildung und Forschung als dieukunftsinvestitionen betrachten. Deshalb wollen wiriesen Bereich auch weiter stärken.
Wenn es dann noch möglich ist, weitere Akzentset-ungen vorzunehmen, würde ich eine deutliche Stärkunger Infrastruktur für wünschenswert halten sowie eineeitere Umsteuerung weg von den konsumtiven Ausga-en als sinnvoll erachten. Die Spielräume für entspre-hende Korrekturen gilt es in den kommenden Beratun-en auszuloten. Dies gilt natürlich auch für alle anderenntlastungen wie zum Beispiel Steuerentlastungen, dieber im Hinblick auf den Haushalt 2012 ohnehin nochicht relevant sind.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14373
Norbert Barthle
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Stabilität ist, wie ich gesagt habe, die Leitidee all un-serer Beratungen in den kommenden Tagen und Wochenbis zum Abschluss der Haushaltsberatungen. Stabilitätsoll das Markenzeichen dieser Koalition sein.
In diesem Sinne wünsche ich uns konstruktive Bera-tungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Schneider
das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Situation in Europa und in Deutschland ist, was diewirtschaftliche und finanzielle Situation betrifft, fragil.Wir erleben Unsicherheiten an den Finanzmärkten wieden Absturz des DAX in den vergangenen Tagen und dieAusschläge bei den italienischen Staatsanleihen. Daszeigen auch Umfragen zu dem Thema, worin die deut-sche Bevölkerung ihr größtes Problem und ihre größteSorge sieht. Das sind nicht mehr wie früher die Arbeits-losigkeit oder andere Punkte, sondern es ist die Stabilitätder Währung und der Staatsfinanzen. Das muss uns fürdie Arbeit an diesem Haushalt 2012 und der mittelfristi-gen Finanzplanung Mahnung und Leitplanke sein.Herr Minister Schäuble, bei Ihrer Einbringungsredehatte ich den Eindruck, dass sie eher an Ihre Koalitiongerichtet war als an die deutsche Bevölkerung oder dieseParlamentsopposition. Denn die Zitate von HerrnDahrendorf in Bezug auf die Verschuldung, das struktu-relle Defizit und die Verwendung von konjunkturellenMehreinnahmen schienen mir sehr stark in RichtungFDP und auch an Teile der CDU/CSU zu gehen.
Denn nicht erwähnt haben Sie, dass Sie mit dem Kabi-nettsbeschluss zum Haushalt ein Schreiben der drei Par-teivorsitzenden vorgelegt haben – zwei davon saßen,glaube ich, auch mit am Kabinettstisch –, in dem zurKenntnis gegeben wurde, dass Sie noch in diesemHerbst über Steuersenkungen entscheiden wollen.
– Er hat aber nicht gesagt, wie er es finanzieren will. Dieentscheidende Frage ist: Hält der Haushalt 2012 die vonIhnen hochgehaltene Schuldenbremse ein oder nicht?
Dabei haben wir ganz entschieden einen Dissens.
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Das tun Sie eben nicht. Deswegen sind Sie kein Vor-ild für Europa, wenn Sie so wie hier in Deutschland inen ersten Jahren der Anwendung die Schuldenbremseerletzen. Wenn andere europäische Länder das machenürden, dann würden Sie ihnen verbal die Ohren lang-iehen.
Warum tun Sie das nicht? Sie liegen allein im Jahr012 5 Milliarden Euro über dem, was maximal zulässigäre. Ich will Ihnen auch sagen, wo sie geblieben sind.Wir sind uns völlig einig, dass die konjunkturelleage exzellent ist. Wir Sozialdemokraten sind die Letz-n, die sich darüber ärgern würden. Wir freuen uns.
enn, mit Verlaub, wir haben einen kleinen Anteil da-n. Wir freuen uns mit den Deutschen, die zusätzlicherbeitsplätze bekommen, und mit den Unternehmen, dieufträge haben und Steuern zahlen. Darüber sind wiroh.
as ist aber nicht Ihr Verdienst, Herr Kollege Wissing.
s ist vielmehr das Verdienst der fleißigen Menschen ineutschland.Gegenüber dem letzten Finanzplan zeigt die aktuelleage, dass es eine konjunkturelle Verbesserung gibt:4,5 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen und 5 Mil-arden Euro weniger Ausgaben für den Arbeitsmarkt.as macht knapp 20 Milliarden Euro.Sie senken die Neuverschuldung aber nicht um0 Milliarden, sondern nur um 13 Milliarden. Wo sindiese 7 Milliarden Euro geblieben?
h höre nichts.
Aha. Damit sind wir beim entscheidenden Punkt: Ihrenaßnahmen, die wir schon immer als Luft und Wolken,ls Wolkenkuckucksheim kritisiert haben. In Ihren vorinem Jahr präsentierten Meseberg-Beschlüssen haben
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Carsten Schneider
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Sie mit großem Auftritt Einsparungen in Höhe von80 Milliarden Euro angekündigt. Die Hälfte ist übrigge-blieben. Es werden nur 40 Milliarden Euro eingespart.Wo werden diese 40 Milliarden Euro eingespart? Siehaben einzig und allein bei den sozial Schwächsten zu-gelangt.
Das sind die Maßnahmen, die durchgegangen sind. Alleanderen Maßnahmen, die Sie beschlossen hatten, sindweggefallen.
Deswegen fehlt Ihnen das Geld, lieber Kollege Barthle.Deswegen machen Sie zu hohe Schulden in der konjunk-turell besten Zeit, die wir jemals in Deutschland gesehenhaben, mit den höchsten Steuereinnahmen, die es inDeutschland jemals gab, und dem besten Wachstum. DerHöhepunkt war zuletzt 2008. Wir liegen 2012 deutlichhöher als 2008. Trotzdem betreiben Sie die dritthöchsteNeuverschuldung, die es jemals gegeben hat. Meine Da-men und Herren, das ist kein Ruhmesblatt, das ist einArmutszeugnis.
Herr Minister Schäuble, ich habe mir den Bundes-bankbericht vom Mai 2011 extra herausgesucht. DerBundesbankpräsident, Herr Weidmann, ist im Kabinettanders aufgetreten. Er hat es aber nicht öffentlich ge-macht, obwohl ich ihn darum gebeten habe. Er tat esnicht, warum auch immer. Es geht in dem Bundesbank-bericht um einen Sicherheitsabstand, von dem Sie, HerrKollege Barthle, immer sagen, dass Sie seine maximaleHöhe nicht ausschöpfen würden.
– Das stimmt. – Aber Sie haben die maximale Höhe zuhoch angesetzt. Das ist das Problem. Ich zitiere nun dieBundesbank:Ein solcher Sicherheitsabstand sollte aber nicht da-durch geschaffen werden, dass die Obergrenzedurch eine problematische Auslegung gedehntwird. Gerade dies scheint allerdings angelegt zusein, da in den derzeitigen Planungen als Ausgangs-punkt der Obergrenze für den strukturellenDefizitabbaupfad von 2011 bis 2016 – entgegen derIntention der Schuldenbremse – ein veralteter unddeutlich überhöhter Schätzwert für das strukturelleDefizit des Jahres 2010 verwendet wird. Hierdurch– Achtung! –ergeben sich zusätzliche Verschuldungsspielräumevon kumuliert rund 50 Mrd €.
Wir haben hier im Juni einen Gesetzentwurf zur har-ten Auslegung der Bestimmungen über die Schulden-bremse vorgelegt. Sie haben dem nicht zugestimmt. HerrKichsgwüakshdwdsnteBngtedsws2sIcnIhVisteSSbraa–cSs
h komme gleich zu unseren Vorstellungen im Einzel-en. Im Rahmen der Haushaltsberatungen werden wirnen klipp und klar unsere Vorschläge vorlegen, um dieerschuldung in dieser Größenordnung abzubauen. Est richtig, was Herr Minister Schäuble sagte. In der ers-n Anwendungsphase der Schuldenbremse schreibenie die Geschichte für die nächsten Jahrzehnte. Diesechuldenbremse haben die meisten hier im Parlamenteschlossen. Sie dehnen jetzt den Interpretationsspiel-um in dem entscheidenden Punkt des Kontrollkontosus und bunkern 50 Milliarden Euro.
Herr Kollege Schäuble, dann legen Sie einen entspre-henden Gesetzentwurf vor, der vorsieht, dass Sie denpielraum nicht nutzen. – Ich habe im Haushaltsaus-chuss dem Staatssekretär exakt die Frage gestellt, ob
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Carsten Schneider
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der Betrag genutzt wird oder nicht. Wenn er nicht ge-nutzt wird, dann können Sie es hier erklären und dasrechtlich absichern. Genau das aber tun Sie nicht.
– Verbale Äußerungen sind etwas anderes als rechtlichabgesicherte Festlegungen. – Sie haben den Spielraum,ob Sie ihn nutzen oder nicht. Das haben Sie im Haus-haltsausschuss zugegeben. Ich behaupte: Sie werden ihnnutzen, weil Sie Ihren Steuersenkungs- und Entstaatli-chungsfantasien auf den letzten Drücker nachgeben wer-den, auch um der FDP etwas entgegenzukommen.
Das sagen wir die ganze Zeit.
Ich glaube, das wird so geschehen, weil Sie alle Verspre-chen letztendlich brechen.Ich habe bereits vorhin gesagt, dass das ThemaStaatsfinanzen in der Bevölkerung wahrscheinlich vielbedeutender als früher ist. Wir, die SPD, haben uns ent-schlossen – Sie haben uns das vorher nicht geglaubt –, inden nächsten Jahren einen sehr strikten, konsequentenWeg zu gehen; wir sehen den Abbau der Neuverschul-dung, die Konsolidierung des Staatshaushalts als einenunserer Hauptpunkte. Deswegen hat der Parteivorstandder SPD gestern ein Programm für die Jahre bis 2016 be-schlossen, das nur zwei Schwerpunkte beinhaltet: ers-tens den Abbau der Staatsverschuldung – was wir pla-nen, ist härter und ehrgeiziger als das, was Sie vorlegen
– und zweitens die Stärkung des Bereichs Bildung.
Wir wollen etwas für die Flanke tun, die Sie – entwederdie CDU allein oder nur die FDP – ignorieren. All dieKrisen, mit denen wir es jetzt zu tun haben – Staatsfinan-zierungskrisen, Neuverschuldung –, haben ihre Ursachein den extremen Spekulationen auf den Finanzmärkten.Infolgedessen mussten erst Banken und müssen jetztLänder gerettet werden.
Die Vermögenden, diejenigen, die über ein hohes Ein-kommen verfügen, haben von diesen Rettungen enormprofitiert; denn nur sie konnten auch etwas verlieren. Eswurde somit auch ein Beitrag zur Stabilität ihrer Ein-kommen geleistet. Die Reichen müssen nun einen Bei-trag zur Krisenbewältigung leisten. Deswegen schlagenwir vor, dass die oberen 4 Prozent der einkommensteuer-pflichtigen Haushalte in Deutschland einem höherenSteuersatz unterliegen. Das ist einer von vielen unsererVorschläge.Außerdem wollen wir einen Vorschlag zum Subven-tionsabbau machen; wir haben das schon detailliert be-sgoEaDsVSadrekgCadmWHseuzHIcenZddInetenush
ie stiftet nur Verwirrung. Verantwortung trägt sie vorllen Dingen für die Langzeitarbeitslosen. Mit Blick aufie Ausgaben will ich klar sagen: Das, was Sie im Be-ich der beruflichen Weiterbildung und Qualifikationürzen, fehlt, um diejenigen in den Arbeitsmarkt zu inte-rieren, die auf dem gespaltenen Arbeitsmarkt keinehance haben. Wer zulässt, dass stattdessen Fachkräfteus dem Ausland geholt werden, der versündigt sich anen hiesigen Arbeitslosen, und das werden wir nicht mit-achen.Vielen Dank.
Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dr. Wissing das
ort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Kollege Schneider, ich habe Ihnen sehr aufmerk-am zugehört. Eines fand ich bemerkenswert und auchntlarvend: Sie haben die ganze Zeit von Zahlen geredetnd angeregt, größere Verschuldungsspielräume zu nut-en. Als wir Ihnen vorgehalten haben, dass das mit demaushalt gar nicht in Einklang zu bringen ist, sagten Sie:h behaupte, Sie werden das tun. Ich finde, wenn sichin Oppositionspolitiker hier zehn Minuten lang mit sei-en eigenen Behauptungen anstatt mit den konkretenahlen, die die Regierung vorlegt, auseinandersetzt,ann müssen die Regierung und die Koalition einen ver-ammt guten Haushaltsentwurf eingebracht haben.
sofern danke ich Ihnen dafür, dass Sie uns hier diesenntlarvenden Beleg erbracht haben.Wenn man sich mit Ihren finanzpolitischen Konzep-n auseinandersetzt, dann merkt man schnell: Es gibt ei-en großen Konsens zwischen den Sozialdemokratennd den Grünen. Was sie verbindet, ist das, was siechon in der Vergangenheit verbunden hat: Steuererhö-ungen.
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Dr. Volker Wissing
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Angesichts ihres Finanzkonzepts, das sie gezielt vorge-legt haben – auch um vor dieser Haushaltsdebatte Auf-merksamkeit in der Öffentlichkeit zu erhalten –, entbehrtes nicht einer gewissen Ironie, wenn ausgerechnet dieje-nige Partei, die den europäischen Stabilitäts- und Wachs-tumspakt ausgehebelt hat, heute treuherzig erklärt, dass– ich zitiere – Euro-Länder, die ihre öffentliche Ver-schuldung nicht mehr im Griff haben, konsequente Kon-solidierungsprogramme beschließen und durchsetzenmüssen.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Sie solcheSätze von sich geben.
Sie haben den Menschen jahrzehntelang eingeredet,man müsse mehr Schulden machen, um Wachstum zuschaffen. Über alle Warnungen der bürgerlichen Parteienhaben Sie sich hinweggesetzt. Wo immer Sie Regie-rungsverantwortung hatten, haben Sie diesen Weg einge-schlagen. Jetzt wollen Sie noch die Kurve kriegen; Siewollen auf der Seite der anderen sein und spielen plötz-lich die Haushaltssanierer. Das lassen wir Ihnen nichtdurchgehen, und das glaubt Ihnen auch keiner inDeutschland.
Meine Damen und Herren, hätte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder undJoschka Fischer, anstatt den Stabilitäts- und Wachstums-pakt aufzuweichen, ein konsequentes Konsolidierungs-programm beschlossen und durchgesetzt, wäre Europadie Staatsverschuldungskrise in dieser Härte erspart ge-blieben.Der Gipfel unsolider Finanzpolitik war das, was dieGrünen gemacht haben. In der Föderalismuskommissionhaben sie sich in die Büsche geschlagen und haben derSchuldenbremse im Grundgesetz nicht zugestimmt. Das,fand ich, war ein starkes Stück. Das zeigt, wie wenig vo-rausschauend Sie in der Finanz- und Haushaltspolitiksind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in finanzpolitischerHinsicht war Rot-Grün ein Unglücksfall für ganzEuropa.
Keine deutsche Regierung lag in der Finanzpolitik so da-neben wie die Regierung Schröder/Fischer.
Wenn Sie von den Sozialdemokraten heute konstatieren,dass in den letzten Jahrzehnten die Reichen reicher unddie Armen ärmer geworden sind, dann sollten Sie auchhinzufügen, dass das letzte Jahrzehnt ein Jahrzehnt so-zAwSPsehdIhteEnhPdosGzPmWADIhswmKpmScWhB
Wir werden dafür sorgen, dass Sie auch beim nächs-n Mal keine Regierungsverantwortung haben.
Sie stellen sich hier hin und sagen, Sie wollen alleinkommen höher besteuern. Wenn die Leute trotzdemoch etwas zurücklegen, dann wollen Sie sie durch er-öhte Kapitalertragsteuern zur Kasse bitten. In Ihremapier sind Sie auch noch so dreist, Steuererhöhungenamit zu legitimieren, dass Sie darauf verweisen, dasshnehin nur noch 40 Prozent der Haushalte Einkommen-teuer zahlen. Ist es denn ein Beitrag zu mehr sozialererechtigkeit, wenn Sie den 40 Prozent, die den Karreniehen, immer noch mehr auf die Schultern laden?
Das, meine Damen und Herren, ist Zynismus einerartei, die in Wahrheit kein finanzpolitisches Konzeptehr hat.
enn sich ein Herr Schneider hier hinstellt und sagt, derufschwung sei das Verdienst der fleißigen Menschen ineutschland, dann kann ich nur sagen: Passen Sie dochr Steuerkonzept entsprechend an, und verweigern Sieich nicht dem Abbau der kalten Progression.
Sie sind doch längst keine Arbeitnehmerpartei mehr:eil Sie auf die Steuermehreinnahmen bei unteren undittleren Einkommen spekulieren. Sie machen keineonsolidierungspolitik, sondern können nur Ausgaben-olitik machen. Deswegen wollen Sie den kleinen undittleren Einkommensbeziehern in die Tasche greifen.ie verraten die Arbeitnehmerschaft in Deutschland.
Hinter all dem steckt doch in Wahrheit eines: Sie su-hen sich bequeme Wege, um das Sparen zu umgehen.o immer Rot-Grün regiert, sehen wir Schuldenhaus-alte: in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, inaden-Württemberg.
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Dr. Volker Wissing
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Es wurde hier schon angesprochen: Rot-grüne Regierun-gen sind die Schuldenmacherregierungen in diesemLand. Deswegen dürfen Sie keine Verantwortung für dieöffentlichen Haushalte haben.
Das Finanzkonzept, das die Grünen vorlegen, istnichts anderes als ein ungedeckter Scheck. Jede MengeUnsinn steckt in Ihrem Finanzkonzept.
Eine Finanztransaktionsteuer wird eingefordert, die an-geblich 12 Milliarden Euro Einnahmen bringen soll. InIhrem Finanztableau wird sie dann gar nicht mehr er-wähnt, weil Sie selber nicht daran glauben. Sie haben esja auch nicht hingekriegt, als Sie mit der SPD regiert ha-ben; da gab es keine Finanztransaktionsteuer. Sie sehenja, dass man es international nicht durchsetzen kann.
Wenn es eben nicht geht, dann werden wir nicht sodumm sein und den Finanzplatz Deutschland schwä-chen. Wir machen immer noch Politik für dieses Land,für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutsch-land und nicht für andere Finanzplätze.
Meine Damen und Herren, wenn man sich fragt, wa-rum die Arbeitslosigkeit unter Rot-Grün bei 5 Millionenlag, während sie unter Union und FDP inzwischen aufunter 3 Millionen gesunken ist; wenn man wissen will,warum SPD und Grüne den Stabilitäts- und Wachstums-pakt aufgeweicht haben, während Union und FDP zu-sammen das Defizit auf 0,6 Prozent drücken konnten,dann findet man die Antwort, wenn man Ihre tollenfinanzpolitischen Konzepte durchliest. Sie bieten näm-lich nichts Neues, sondern nur aufgewärmten Klassen-kampf mit einem Schuss Leistungsfeindlichkeit und ei-ner gehörigen Prise Neidgesellschaft.Vielen Dank.
Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Kalb für die Unionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Dieser vom Bundesfinanzministerv2hvdFdzkszmdbvsNdblisddaknwjuednmuLsuweastiinalebsnsasseü
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gung der Nettokreditaufnahme tatsächlich gehen kön-nen. Es ist ferner Vorsorge dafür getroffen, dass dieHaushaltsrisiken, die zweifellos bestehen, abgefedertwerden können.
Ich war schon etwas erstaunt, sowohl über die Redevon Herrn Poß als auch über die von unserem KollegenCarsten Schneider. Letzterer sagte, wir seien nicht ehr-geizig genug, was die Rückführung der Neuverschul-dung betrifft, forderte aber im selben Atemzug wesent-lich höhere Sozialausgaben ein. Ich kann nur sagen – esist von einem anderen Redner schon erwähnt worden –:Wenn mehr als 50 Prozent des Bundeshaushalts für so-ziale Sicherung aufgewendet werden, dann zeigt das,dass diese Bundesrepublik Deutschland fürwahr sehr so-zial ist und ihrer sozialen Verpflichtung nachkommt.
Für die gesetzliche Rentenversicherung und die gesetzli-che Krankenversicherung wenden wir annähernd100 Milliarden Euro, knapp ein Drittel des Bundeshaus-halts, auf; das kann sich sehen lassen. Ich kenne kein an-deres Land, das diese beiden Sicherungssysteme in die-sem Umfang aus Steuermitteln stützt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf eine an-dere Aufgabe, die wir zu bewältigen haben, ist schonhingewiesen worden: Die demografische Entwicklungschreitet massiv voran. In wenigen Jahren wird es rund11 bis 12 Millionen weniger erwerbsfähige Personen ge-ben, die aber mehr Lasten tragen müssen, damit wir un-seren Wohlstand finanzieren und die Sicherheit unserersozialen Systeme aufrechterhalten können. Deswegen istes so wichtig, dass wir alles tun, um besser und leis-tungsfähiger zu werden. Dazu gehören die Bereiche Bil-dung und Forschung, aber ebenso eine leistungsfähigeInfrastruktur, von den Verkehrsnetzen bis zu den Kom-munikationsnetzen. Auch das ist Zukunftsvorsorge imbesten Sinne des Wortes.Deswegen werden wir uns, auch in den anstehendenBeratungen, bemühen, eventuelle Spielräume daraufhinabzuklopfen, inwieweit wir hier nachtarieren könnenoder müssen. Unser besonderes Augenmerk werden wirder Frage widmen, wie unsere Investitionsquote verbes-sert werden kann. Ebenso werden wir unser Augenmerkauf die Frage richten, wie wir Substanzverzehr bei unse-rer Infrastruktur vermeiden können.
Ich habe vorhin von den höheren Steuereinnahmengesprochen. Sie haben nicht nur dem Bund gutgetan.Wenn man sich die Äußerungen der Länder vergegen-wärtigt, hat man manchmal den Eindruck, sie seien derMeinung, dass jede Maßnahme, die Geld kostet, zumBeispiel die Beseitigung der kalten Progression, aus-schließlich vom Bund getragen werden sollte, währenddie bessere Einnahmesituation in den letzten Monatenund Jahren vor allen Dingen den Ländern zugutekom-men sollte. Ich denke, dass von der verbesserten kon-junkturellen Situation und der dadurch verbesserten Ein-nKanetukhclajeBTEwudkBPnHteefübliossihoAn2Sdfüd
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutsch-nd leistet mit dem Bundeshaushalt für 2012, wie er unstzt im Entwurf vorliegt, einen ganz entscheidendeneitrag zur Stabilitätskultur in Europa. Gerade in diesenagen erwarten die Menschen in Deutschland und inuropa von uns vor allem, dass solide gewirtschaftetird, dass verantwortungsbewusst mit den Steuergeldernmgegangen wird und dass dafür Sorge getragen wird,ass unsere Währung, der Euro, stabil gehalten werdenann.Herzlichen Dank.
Wir beginnen nun mit dem Geschäftsbereich desundesministeriums des Innern, Einzelplan 06.Das Wort hat der Bundesinnenminister Dr. Hans-eter Friedrich.Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-ern:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. Sep-mber 2001 ist der islamistische Terror nach wie vorine reale Bedrohung für Deutschland, für Europa undr die freie Welt. Es gilt aber auch: Terror und Angst ha-en nicht das letzte Wort. Unsere Werte, unsere freiheit-ch-demokratische Grundordnung, unsere freiheitlich-ffene Gesellschaft und unser Rechtsstaat sind stärker.
In den vergangenen zehn Jahren seit 9/11 konnten un-ere Sicherheitsbehörden mehrere ernstzunehmende An-chlagsversuche verhindern. Dies gelang ihnen aufgrundrer Professionalität, aber auch aufgrund der engen Ko-peration mit unseren ausländischen Partnerbehörden.ber es gilt auch: Hundertprozentige Sicherheit kann esicht geben, wie im Übrigen der tödliche Anschlag vom. März am Frankfurter Flughafen gezeigt hat. Unsereicherheitsbehörden geben jeden Tag ihr Bestes, um vonen Bürgern unseres Landes Schaden abzuwenden. Da-r verdienen sie gerade an dieser Stelle den Dank unden Respekt dieses Hauses.
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Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich
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Nur in Sicherheit können die Menschen nach denWerten unseres Grundgesetzes in Freiheit leben. Sicher-heit ist Grundlage von Freiheit und Demokratie. Sicher-heit herzustellen, ist die Kernaufgabe eines jeden Ge-meinwesens. Das Bundesministerium des Innern steht inbesonderer Verantwortung, den Feinden der Demokratie,der Kriminalität, der Gewalt, dem Terrorismus und demExtremismus entschlossen zu begegnen. Deutschland istund bleibt eine wehrhafte Demokratie.Die Bedrohung ist vielfältig. Die Anschlagsversuchemit Paketbomben aus dem Jemen im vergangenen Okto-ber haben deutlich gemacht, dass sich die Terroristenden neuen Sicherheitsstandards der Passagier- und Ge-päckkontrollen bei Flugreisen angepasst und ihren Fokusjetzt auf die Luftfracht verlagert haben. Die Bundes-regierung hat reagiert und einen Arbeitsstab „Luftfracht-sicherheit“ eingerichtet. Der Maßnahmenkatalog, der er-arbeitet wurde, wird in die Tat umgesetzt. DieseUmsetzung bedeutet auch einen deutlichen Aufgabenzu-wachs für unsere Bundespolizei, verbunden mit erhebli-chen Personalaufstockungen. Das Fach- und Personalbe-darfskonzept wurde vom Haushaltsausschuss gebilligt.Ich bedanke mich dafür ausdrücklich. Der hierzu ge-fasste Beschluss ist aber nur ein erster Schritt für dieEinleitung der notwendigen Maßnahmen. Ich hoffe sehr,dass wir bei den Beratungen dieses Thema gemeinsamangehen.Die Gefährdungslage ist weiterhin auf einem hohenNiveau. Allerdings ändern sich die Bedrohungsmodali-täten. Es ist erforderlich, die staatlichen Instrumente zurBekämpfung des internationalen Terrorismus immerwieder den wandelnden Bedrohungen anzupassen. Dazusind die Anti-Terror-Gesetze ein wesentliches Instru-ment. Die Bundesregierung hat am 17. August den Ge-setzentwurf zur Verlängerung der nachrichtendienstli-chen Befugnisse um vier Jahre beschlossen.
Es geht dabei nicht darum, dass der Staat pauschal im-mer mehr Eingriffsbefugnisse bekommt, sondern darum,dass wir mit Augenmaß den Sicherheitsbehörden das fürihre Arbeit Notwendige ermöglichen. Verlängert wurdedeswegen nur die Gültigkeitsdauer derjenigen Instru-mente, die sich in der Praxis als erforderlich, notwendigund unabdingbar erwiesen haben. Ich hoffe sehr, dassauch für den Gesetzentwurf zur Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze Ihre Unterstützung im parlamentarischenVerfahren gesichert ist.Auch unsere Sicherheitsstrukturen müssen den He-rausforderungen sich wandelnder Kriminalität und terro-ristischer Bedrohung angepasst werden. Die geplantegemeinsame Ausbildung von Bundespolizei und Bun-deskriminalamt dient dazu, Ressourcen zu bündeln undSynergien zu nutzen. Sie ist ein Beitrag dazu, die Sicher-heitsarchitektur in Deutschland effizienter und effektiverzu gestalten.Zu einer funktionierenden Demokratie gehört immerauch eine gut funktionierende Verwaltung. Gerade inZeiten von Strukturanpassungen und SparbemühungenssddVcGeugadöAcimsMhkvAgbRduTndwglerudsdgABwtisbnM
Wir müssen darauf achten, dass der öffentliche Dienstuch in Zukunft attraktiv bleibt. Dazu ist es notwendig,ass wir den Angestellten und Beamten Perspektiven er-ffnen, also Aufstiegsmöglichkeiten und finanzielleusstattung bieten. Dies gilt gerade im Bereich der Si-herheitsbehörden.
Die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden müssen sichmer wieder auf neue Herausforderungen einstellen,ich weiterqualifizieren und mit neuen technologischenitteln und Methoden Schritt halten. Es handelt sichierbei wirklich um eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit.Bei der Terrorismusabwehr spielt die Kriminalitätsbe-ämpfung im Cyberraum, also in der Gesamtheit allererfügbaren Netze weltweit, eine zentrale Rolle. Wie dienschläge vom Frankfurter Flughafen und von Norwe-en in erschreckender Weise belegen, spielt das Internetei der Radikalisierung von Einzeltätern eine wichtigeolle. Es ist für unsere Sicherheitsbehörden wichtig,ass sie das Internet auf entsprechende Inhalte sichtennd auswerten können. Im Bereich des islamistischenerrorismus wird dies durch das Gemeinsame Inter-etzentrum in Berlin bereits jetzt erfolgreich praktiziert.Die Schattenseiten der Internetnutzung werden aller-ings nicht nur beim Terrorismus sichtbar. Täglicherden weltweit circa 21 000 Webseiten mit Schadpro-rammen infiziert. Sicherheit im Cyberraum zu gewähr-isten, ist eine der großen gemeinsamen Herausforde-ngen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Ichenke, es sollte auch der Schwerpunkt unserer Aufmerk-amkeit in der Innenpolitik der nächsten Jahre werden.
Die Bundesregierung hat diese Herausforderungurch den Beschluss der Cyber-Sicherheitsstrategie an-enommen. Einer der Kernpunkte dieser Strategie ist derufbau des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums beimSI in Bonn. Es ist seit dem 1. April 2011 online, undir sind dabei, dieses Cyber-Sicherheitszentrum funk-onsfähig zu machen. Es ist eine Informationsdreh-cheibe zwischen den Sicherheitsbehörden und dient deresseren Koordinierung von Schutz- und Abwehrmaß-ahmen gegen IT-Sicherheitsvorfälle. Es wird auch eineöglichkeit bieten, entsprechende in der Wirtschaft vor-
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handene Kompetenzen zu nutzen und sie mit dem öffent-lichen Bereich zu vernetzen.Zur notwenigen und operativen Stärkung des Bundes-amtes einschließlich des Aufbaus des Cyber-Abwehr-zentrums sind für das kommende Jahr 10 Millionen Eurozusätzlich vorgesehen. Wir intensivieren den Schutz kri-tischer Infrastrukturen. Denn es ist wichtig, dass wir das,was für unsere tägliche Daseinsvorsorge notwendig ist,auch in der Zukunft funktionsfähig erhalten. Die Ge-währleistung der Sicherheit im Cyberraum und derSchutz der kritischen Infrastruktur sind zu einer existen-ziellen Frage des 21. Jahrhunderts geworden. Sie erfor-dern ein hohes Engagement. Das muss uns unsere Si-cherheit wert sein. Ich füge hinzu: Dafür benötigen wirentsprechende Finanzmittel, auch wenn Finanzmittelinsgesamt knapp sind.Wenn ich über knappe Finanzmittel rede, dann geht esauch um die Frage, wie wir mehr Menschen dazu brin-gen können, etwas zum Gemeinwesen beizutragen. Da-mit komme ich zu unserem Technischen Hilfswerk.Ohne die Mitwirkung von unzähligen ehrenamtlichenHelfern wäre die Sicherheitsvorsorge im Bereich unsererlebensnotwendigen Infrastrukturen nicht zu leisten.
Wir müssen kritische Infrastrukturen vor IT-Angriffenschützen. Aber Unwetter, Erdbeben oder Hochwasserka-tastrophen können Auswirkungen von ähnlich verhee-rendem Ausmaß haben. Hier sind das Technische Hilfs-werk und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz undKatastrophenhilfe verlässliche Partner. Sie sind zudemdas Aushängeschild Deutschlands in der Welt – jetzt inÄthiopien, vor einem Jahr in Pakistan oder auch in Haiti.Ich glaube, wir haben allen Grund, den Menschen, diesich dort ehrenamtlich engagieren, dankbar zu sein undalles dafür zu tun, dass die Nachwuchsgewinnung auchnach Abschaffung der Wehrpflicht entsprechend vonstat-tengehen kann. Ich begrüße es deswegen sehr, dass fürden Bereich des THW eine Ausnahmeregelung von derhaushaltsgesetzlichen pauschalen Stelleneinsparung ge-schaffen werden konnte.
Wenn wir über das Ehrenamt reden, dann muss eszum Prinzip erklärt werden, dass ehrenamtliche Tätig-keit in der Gesellschaft nicht nur Wertschätzung erfährt,sondern dass dadurch auch konkret das Fortkommen derjungen Menschen befördert wird. Ich denke dabei an dieVerbesserung des beruflichen Fortkommens durch dieZusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen oder andie bevorzugte Vergabe von Praktikumsplätzen. All dasmuss auf den Weg gebracht werden, um den jungenMenschen zu signalisieren: Ihr werdet gebraucht. EureHilfe und eure Bereitschaft, euch für dieses Land einzu-bringen, werden gebraucht. Vonseiten der Gesellschaftsind wir dann bereit, euch zu unterstützen und Anerken-nung zu zollen.Meine Damen und Herren, Sicherheit herzustellen, istauch eine Kernaufgabe der Europäischen Union. Wir tei-len einen gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicher-heit und des Rechts. In diesem Zusammenhang spielte indgfüstrbtenhscnFWsswdwwsBsucgaucnwnewhbPwBnsbddre
Wir sind uns einig, dass wir in diesem Land einenachkräftemangel haben, dem wir begegnen müssen.ir sollten in erster Linie auf unser eigenes Potenzialetzen: auf das der deutschen Arbeitskräfte und der Men-chen in Deutschland; aber auch auf das Potenzial, dasir in Europa zur Verfügung haben.Wir sind uns in der Bundesregierung darüber einig,ass auch Hochqualifizierten aus Drittstaaten die Zu-anderung möglich gemacht werden muss. Deswegenerden wir die Hochqualifiziertenrichtlinie der EU, dieogenannte Blue Card, rasch umsetzen und damit diesemedürfnis Rechnung tragen, ohne zu übersehen, dass eschon heute eine Fülle von Möglichkeiten gibt, fleißigend tüchtige Arbeitskräfte, die wir in Deutschland brau-hen, in unser Land zu holen.
Wenn es um die Aktivierung inländischer Fachkräfteeht, dann muss uns insbesondere die Familienpolitikm Herzen liegen. Zur Familienpolitik gehört auch, dassnsere Mütter und Väter ihre Familie und ihre Kinder si-her und geschützt wissen können. Deswegen dürfen wiricht tatenlos und schulterzuckend daneben stehen,enn Kinderwagen angezündet werden oder Autos bren-en – auch in unserer Hauptstadt –, sondern wir müsseningreifen.Ich freue mich, dass wir über die Parteigrenzen hin-eg – auch über die Grenzen der Gebietskörperschafteninweg, Bund und Land gleichermaßen – gehandelt ha-en und dass hier in Berlin Bundespolizei und Berlinerolizei bei der Bekämpfung zusammengearbeitet haben.
Ich sage aber auch: Wir helfen als Bund gerne, aberir können die Strukturversäumnisse, die in einigenundesländern sichtbar werden, langfristig natürlichicht ausgleichen. Deswegen ist es dringend notwendig,ich darüber klar zu werden, dass Sicherheit ein Grund-edürfnis ist. Das muss man sich in allen Bereicheneutlich machen und dem Rechnung tragen.Ich denke, dass dieser Haushaltsentwurf zum Erstenen klassischen Aufgaben des Innenministeriums ge-cht wird, zum Zweiten den neuen Herausforderungen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14381
Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich
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– Stichwort: Internet – gerecht wird und zum Dritten dierichtigen Stellschrauben setzt, die für den Zusammenhaltunseres Gemeinwesens wichtig sind.Meine Damen und Herren, in diesem Sinne wünscheich für die nächsten Wochen und Monate gute Beratun-gen dieses Entwurfs.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Fograscher für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Herr Bundesinnenminister, Sie haben über die Si-cherheitslage in Deutschland gesprochen, über Gefähr-dungen und Bedrohungen durch den internationalenTerrorismus. Sie haben ausgeblendet bzw. kein Wortdazu gesagt, dass es auch andere Bedrohungslagen gibt:organisierte Kriminalität und Alltagskriminalität. Sie ha-ben hier Ihrer Wertschätzung für den öffentlichen Dienstund das Ehrenamt Ausdruck verliehen; aber all das bil-det sich in Ihrem Haushaltsentwurf überhaupt nicht ab.
Es ist wahr, dass der Einzelplan 06 von hohen Perso-nalausgaben geprägt ist; aber für Investitionen bleibenimmerhin noch 9,8 Prozent des Gesamthaushalts vonrund 5,5 Milliarden Euro. Damit könnte man durchausAkzente setzen. Doch bei Ihnen, sehr geehrter Herr Bun-desinnenminister, und bei den Koalitionsfraktionen sindsolche Akzente nicht erkennbar. Sie haben keinen innen-politischen Kompass, Sie haben keine Agenda, Sie ha-ben kein Arbeitsprogramm.
Schon Ihr Amtsantritt war ein klassischer Fehlstart.Wenige Wochen im Amt, brüskieren Sie die muslimi-schen Gruppen in Deutschland mit Aussagen wie „DerIslam gehört nicht zu Deutschland“. Ihre Forderung andie Islamkonferenz, eine Sicherheitspartnerschaft einzu-gehen, wird von vielen als Aufforderung zum Denun-ziantentum aufgefasst. So beginnt man keinen Dialog.Sie haben viel Porzellan zerschlagen, und ich sehe nicht,dass bzw. wie Sie das kitten wollen.Wir erkennen an, dass Sie bei den Integrationskursenvorankommen wollen, was Differenzierung, Zielgrup-pen und Qualität betrifft. Doch die Qualität der Kursehängt entscheidend von der Qualität der Lehrer ab undsomit auch von ihrer Bezahlung. Wir werden uns nichtdamit abfinden, dass es immer noch Vergütungen vonunter 18 Euro pro Stunde gibt.Im Bereich des Ausländerrechts schaffen Sie es, eingutes Vorhaben in ein schlechtes Gesetz zu pressen. WirkvvmnZEFppDeds3GBntifükszSD„mpdvzteDNucw
abei kommt der Bundeszentrale für politische Bildungine Schlüsselrolle zu. Sie streichen Mittel für die Bun-eszentrale für politische Bildung. Im Bereich der politi-chen Bildungsarbeit kürzen Sie die Mittel um fastMillionen Euro; das ist ein fataler Fehler.
erade die Bereitstellung von Angeboten zur politischenildung von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachse-en und bildungsfernen Schichten sowie die geistig-poli-sche Auseinandersetzung mit dem Extremismus sindr die Vermittlung demokratischer Werte und die Stär-ung unserer Demokratie unverzichtbar. Deshalb unter-tützen wir die Forderung des Kuratoriums der Bundes-entrale, keine Kürzungen vorzunehmen. Wie reagierenie darauf? Ich zitiere aus einem Schreiben:Die Aufgaben der BpB sind ausschließlich freiwil-lige Leistungen, die nicht auf gesetzlichen Ver-pflichtungen beruhen.as ist für uns nicht akzeptabel.
Sie setzen einen weiteren groben Fehler fort: DasBündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extre-ismus und Gewalt“ wurde in die Bundeszentrale fürolitische Bildung eingegliedert. Damit gefährden Sieie Stellung des Bündnisses als Bindeglied zwischen Zi-ilgesellschaft und Staat und als Ansprechpartner fürivilgesellschaftliche Gruppen, die ehrenamtlich arbei-n.
ies ist vor dem Hintergrund des Wiedereinzugs derPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommernmso unverständlicher.
Auch im Bereich des Katastrophenschutzes schwä-hen Sie das Ehrenamt. Im Haushaltsentwurf für 2012erden die Mittel für das Bundesamt für Bevölkerungs-
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Gabriele Fograscher
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schutz und Katastrophenhilfe um insgesamt 2,3 Millio-nen Euro gekürzt, und das bei einem Aufgabenzuwachs,zum Beispiel durch das neu geschaffene Cyber-Abwehr-zentrum. Die Kürzungen der Mittel für den Erwerb vonFahrzeugen für die Feuerwehren und Sanitätsorganisa-tionen belaufen sich seit dem Haushalt 2010 auf insge-samt 3,7 Millionen Euro. Dies ist genau das Gegenteilder von der Bundesregierung stets betonten Förderungdes Ehrenamts und ignoriert die Folgen des Wegfalls derWehrpflicht für die Hilfsorganisationen völlig.
Herr Friedrich, Sie sind Verfassungsminister. Wie ge-hen Sie eigentlich mit den Entscheidungen des Bundes-verfassungsgerichts zum Wahlrecht um? Bisher war esgute Tradition in diesem Hause, Wahlrechtsfragen mitbreiter Mehrheit zu beschließen. Doch beim Koalitions-entwurf wird und kann das nicht so sein. Wie die gest-rige Anhörung im Innenausschuss des Bundestagesgezeigt hat, ist Ihr Entwurf ein Überhangsicherungsge-setzentwurf und wird nach unserer Auffassung den Vor-gaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht.
Kein guter Stil ist es auch, dass ein Papier mit Modell-rechnungen aus Ihrem Haus erst am Tag der Anhörungverteilt wird.
Es wäre ein Armutszeugnis für die Bundesregierung unddie sie tragenden Fraktionen, wenn das Bundesverfas-sungsgericht Ihren Entwurf wieder kassierte oder pereinstweiliger Anordnung ein Wahlrecht vorgebenmüsste.
Ihre Unfähigkeit, innerhalb der Koalition zu Lösun-gen zu kommen, zeigt sich auch beim Datenschutz. Siekündigen an, eine Stiftung „Datenschutz“ zu gründenund gesetzliche Regelungen zum Beschäftigtendaten-schutz zu erlassen, aber Sie liefern nichts. Auch alsSportminister haben Sie keine Erfolge vorzuweisen.Durch die halbherzige Unterstützung der BewerbungMünchens für die Olympischen Winterspiele 2018 ha-ben Sie und die Bundesregierung eine großartige Chanceverspielt.
Bei den Maßnahmen zur Dopingbekämpfung schreibenSie die Haushaltszahlen der letzten Jahre fort. DieNADA unterstützen Sie nur halbherzig.
Die Halbzeitbilanz dieser Bundesregierung im Be-reich der Innenpolitik ist mehr als dürftig.SSdntileu–reFWWgdzfagwSingsZteDdWSkMgDhfähvnMg
ie ist geprägt von Meinungsverschiedenheiten undtreitereien zwischen dem Bundesinnenministerium undem Bundesjustizministerium. Die Regierungsfraktio-en CDU/CSU und FDP blockieren sich bei allen wich-gen Fragen der inneren Sicherheit. Darauf wird Kol-ge Hartmann noch eingehen. Sie treten auf der Stelle,nd Sie werden den innenpolitischen Herausforderungen das zeigt der vorliegende Haushaltsentwurf – nicht ge-cht.
Das Wort hat der Kollege Hartfrid Wolff für die FDP-raktion.
Hartfrid Wolff (FDP):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dieseroche jährt sich zum zehnten Mal der Anschlag auf dasorld Trade Center in New York. Der in der Folge aus-erufene Krieg gegen den Terror hat einschneidende Än-erungen der Sicherheitsgesetzgebung unter Rot-Grünur Folge gehabt und gesellschaftliche Debatten ent-cht. Die Anschläge haben Ängste in der Bevölkerungegenüber Zuwanderung und gegenüber dem Islam ge-eckt. Aber alle müssen sich darüber im Klaren sein:eit vielen Generationen leben muslimische Zuwanderer Deutschland. Nicht der Islam, nicht irgendeine Reli-ion und nicht die Zuwanderung, sondern die ideologi-che Verblendung Einzelner ist die Ursache von Terror.Für die Koalition steht der Zusammenhalt der durchuwanderer bereicherten deutschen Gesellschaft im Mit-lpunkt.
eutschland braucht im eigenen wirtschaftlichen undemografischen Interesse gut ausgebildete Zuwanderer.ir unterstützen den Bundesinnenminister an diesertelle eindeutig: Die gesteuerte Zuwanderung von Fach-räften schafft nachhaltig Arbeitsplätze in Deutschland.
Aus Sicht der FDP müssen die Betroffenen selbst imittelpunkt stehen. Wir stellen uns den Herausforderun-en der Integration. Wir halten es nicht für unzumutbar,eutsch zu lernen und das Rechtssystem zu kennen. Wiralten Zuwanderer nicht für bemitleidenswerte und un-hige Menschen, denen nur mit Nachsicht oder Sozial-ilfe begegnet werden kann. Integration braucht positi-es Denken – man muss den Menschen etwas zutrauen –,icht aber die Unkultur eines auf Dauer erniedrigendenitleids und des Verzichts auf Integrationsanforderun-en. Wir werden noch weiter gehen, um Integrationsleis-
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Hartfrid Wolff
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tungen zu unterstützen und zu honorieren. Fördern undFordern gehören zusammen.Sicherheit ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Si-cherheit ist ein globales Zukunftsthema und wird – obim Netz oder real – für eine vorausschauende Innenpoli-tik immer wichtiger. Innenpolitik kann nur erfolgreichsein, wenn sie als gemeinsames Anliegen der Gesell-schaft verstanden wird, nicht als Gegeneinander vonStaat und Bürgern, sondern als Miteinander. Innenpolitikist Gesellschaftspolitik. Nicht Angst darf die Triebfederunseres Handels sein; Zuversicht muss die Triebfedersein.
Eine reife demokratische Gesellschaft ist verantwort-lich für die Normen und Werte, die sie lebt und vertei-digt. Diese Aufgabe kann nicht einfach an Polizei undSicherheitskräfte delegiert werden. Die Werte eines de-mokratischen Rechtsstaates müssen von allen täglichselbstbewusst verteidigt werden. Ein beeindruckendesBeispiel für vorbildliches Verhalten ist Norwegen. Frei-heit, Demokratie, Toleranz, Mitverantwortung undrechtsstaatliche Prinzipien müssen in den Köpfen veran-kert werden und nicht nur in Paragrafen. Innere Sicher-heit erfordert eine Politik, in der Freiheit und Sicherheitin eine dauerhaft akzeptierte Balance gebracht werden,sodass auch ein Amokschütze oder ein Terrorist dieseBalance nicht erschüttern kann. Einen wesentlichen Bei-trag kann die Prävention vor Ort, zum Beispiel in Schu-len, leisten.Die Sicherheitsbehörden müssen ihre Rolle als An-sprechpartner für die Ängste und Sorgen der Bürger zu-rückerhalten. Deshalb muss die Motivation der Beamtengefördert werden. Diesbezüglich ist die Koalition aufdem richtigen Weg. Doppelarbeit und Doppelstrukturensind wenig effektiv. Deshalb wollen wir Liberalen dieOrganisationsstruktur der Sicherheitsbehörden weiter-entwickeln. Der Militärische Abschirmdienst ist ver-zichtbar. Der Zoll ist eine Sicherheitsbehörde. Der ehe-malige Innen- und jetzige Finanzminister weiß dassicherlich.Auch zum Schutz der Bevölkerung brauchen wir neueWege – an Lösungen orientiert, nicht zuerst an Zustän-digkeiten. Die Tatsache, dass das THW eine Sicherheits-behörde ist, geht insbesondere auf die Initiative derFDP-Fraktion zurück.Störungen unserer Infrastruktur oder Flutkatastrophenmachen nicht vor Ländergrenzen halt. Wir brauchen einneues, einheitliches Bevölkerungsschutzsystem, gemein-sam aufgebaut von Bund und Ländern. Denkbar wäredeshalb die Einsetzung eines Inspekteurs für den Bevöl-kerungsschutz.
Freiheit und Sicherheit mit menschlichem Gesicht ineiner Gesellschaft des Miteinanders, das ist unser Leit-bild angesichts der innenpolitischen Herausforderungender nächsten Jahre.Vielen Dank.DW5dgfüMAdatuRbkdsDEkÜpmwsdswrewsbvPticdkbIc
Das Wort hat der Kollege Jan Korte für die Fraktion
ie Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir reden über den Einzelplan 06. Es geht um rund,5 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Teil davon betrifftie innere Sicherheit. Deswegen möchte ich damit be-innen.Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass sich dierchterlichen Anschläge von New York zum zehntenal jähren. Ich will kurz daran erinnern, was seit diesemnschlag in der Bundesrepublik Deutschland im Bereicher inneren Sicherheit verabschiedet wurde. Ich erinneren das Terrorismusbekämpfungsgesetz, an die Auswei-ng der Videoüberwachung, an den biometrischeneisepass, an die Antiterrordatei, an das Terrorismus-ekämpfungsergänzungsgesetz, an das Fluggastdatenab-ommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, anie Vorratsdatenspeicherung, an den Polizeidrohnenein-atz, an das SWIFT-Abkommen und vieles andere mehr.as war nur ein kleiner Überblick.
rst wenn wir uns das in der Gesamtschau anschauen,önnen wir feststellen, dass der Weg in den präventivenberwachungsstaat fortgesetzt wird. Auch der Einzel-lan 06 weist – trotz oder wegen der FDP; so genau weißan das nicht – genau in diese Richtung. Deswegenerden wir diesen Haushalt – das kann ich Ihnen vorabagen – ablehnen.
Es ist schon daran erinnert worden, dass es auch umie Sicherheit der Menschen im Alltag geht. Die Alltags-icherheit auf den Märkten und Plätzen in diesem Landird nicht dadurch gewährleistet, dass wir wider besse-s Wissen eine Vorratsdatenspeicherung einführen. Sieird auch nicht durch die Onlinedurchsuchung verbes-ert, sondern beispielsweise dadurch, dass die Kontakt-eamten – in Ostdeutschland sind das die Abschnittsbe-ollmächtigten – ansprechbar sind, wenn die Menschenrobleme und Alltagssorgen haben. Das wäre der rich-ge Weg. Dafür steht die Linke.
Ich habe einige Punkte, die im Bereich der inneren Si-herheit beschlossen worden sind, angeführt. Wir haben,a wir konstruktiv sind und miteinander ins Gesprächommen wollen, einmal nachgefragt, ob das etwas ge-racht hat, ob wir all diese Gesetze überhaupt brauchen.h möchte drei Beispiele anführen.
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Erstens. Die Onlinedurchsuchung war in der letztenLegislaturperiode ein Thema, das die Menschen sehr be-wegt hat. 2010 haben wir die Bundesregierung gefragt:Wie viele Onlinedurchsuchungen haben Sie eigentlichdurchgeführt? Die Antwort der Bundesregierung ist sehrinteressant: Keine einzige. Wir haben ein Jahr später er-neut nachgefragt.Was sagt Ihr Haus? Minister Friedrich sagt: Das kön-nen wir aus Geheimhaltungsgründen nicht mehr sagen. –So geht man bei solch relevanten Grundrechtseingriffennicht mit dem Parlament um.
Es ist unglaublich, wie stumpf man im Umgang mit demParlament sein kann. Es ist doch Aufgabe des Parla-ments, solche Befugnisse zu kontrollieren.Das zweite Beispiel: Wir haben viel über den elektro-nischen Entgeltnachtweis diskutiert. Er wurde zum Ab-bau der Bürokratie mit großem Brimborium eingeführt.Das Gegenteil ist richtig. Die FDP merkte, dass ihreKlientel das auch nicht toll fand. Langer Rede kurzerSinn: Das ganze Projekt wurde beerdigt. Hätten Sie aufdie Opposition gehört, hätte man Millionen sparen kön-nen. Auch das ist ein Beispiel dafür, dass Sie Projekteinitiieren, die wir überhaupt nicht brauchen.
Das dritte Beispiel: Die Debatte über den Körperscan-ner wurde in der Presse und hier im Parlament mitmordsmäßigem Brimborium geführt. Er sollte nicht derabsolute, aber ein großer Schritt für mehr Luftsicherheitwerden. Ihr Vorgänger, Herr de Maizière, ist selbst durchdiesen Körperscanner gegangen; wir erinnern uns daran.Was ist das Ergebnis? Sie haben getestet und getestetund vor allem gezahlt und gezahlt. Das Ergebnis ist, dassdie Dinger abgebaut und im Labor wieder aufgebautwerden. Das ist eine unseriöse Politik im Bereich der in-neren Sicherheit, um das klar zu sagen.
All dies ist nur ein kleiner Ausschnitt. Man bräuchtedie Redezeit eines ganzen Nachmittags, um das Schei-tern all dieser Großprojekte darzustellen.
Das Ergebnis ist: Es funktioniert nicht, es wird nichtgebraucht, und es wird Geld verbraucht. Man müsstejetzt die Schlussfolgerung ziehen und sagen: Die ganzenelektronischen Großprojekte, die in die Grundrechte undden Datenschutz eingreifen, werden auf Eis gelegt. Ausder Mitte des Parlaments heraus könnte man mit unab-hängigen Rechtsanwälten und mit Bürgerrechtlern einewirkliche Evaluierung der Frage vornehmen, ob wir alldiese Maßnahmen brauchen, ob sie etwas bringen. Dazusind Sie aber nicht bereit.In diesem Zusammenhang ist die FDP interessant.
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Eine Umkehr ist geboten. Wir müssen auf vernünfti-es Personal setzen. Wir müssen der Privatisierung vonicherheit ein Ende setzen, und Sie werden auf unserennergischen Widerstand stoßen, wenn Sie ernsthaft Söld-ertruppen aufbauen lassen wollen, um Piraten zu jagen.as ist der völlig falsche Weg. Wir brauchen topfitte Be-mte und für sie eine bessere Bezahlung, eine bessereusbildung und bessere Arbeitszeiten. Das wäre derchtige Weg, um wirklich Sicherheit zu schaffen.
Ich will zu einem anderen Punkt kommen: Nach die-em Haushaltsentwurf soll es 6 Millionen Euro mehr fürtegrationskurse geben. Das klingt erst einmal sinnvollnd schlau. Wenn man aber näher hinguckt, dann stelltan fest, dass das nicht einmal ansatzweise ausreichendt, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund. Sehenie sich einmal die Beschäftigungssituation der Lehr-räfte in den Integrationskursen an. Reden Sie mit deneuten, die dort mit sehr viel Engagement tätig sind.iese Leute müssen zum Teil aufstocken, sie müssen zu-ätzlich Hartz IV kassieren, weil sie aufgrund der prekä-n Beschäftigung in den Integrationskursen nicht ver-ünftig leben können. Das kann nicht sein. Deshalb sagtie Linke zusammen mit der Gewerkschaft Erziehungnd Wissenschaft zu Recht: Wir brauchen, um konkretu werden, ein Mindesthonorar von 30 Euro pro Unter-chtseinheit, weil dort zum großen Teil Selbstständigetig sind, die sich selbst versichern müssen. Das wäreerantwortungsvoll, um diese Tätigkeit, die mit vielngagement ausgeübt wird, zu honorieren. Es ist eineinzige Katastrophe, wie Sie prekäre Beschäftigung ininem solchen Feld organisieren. Hier ist eine Umkehrotwendig.
Zu Ihren Mittelkürzungen im Bereich der politischenildung um 3 Millionen Euro ist einiges gesagt worden.as Gegenteil wäre richtig, gerade wenn wir uns dasahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern im Bereiches Rechtsextremismus angucken. Hier bräuchte manehr Geld für die politische Bildung. Wo wir gerade beier Bildung sind: Frau Steinbach hat Polen vor einigereit eine gewisse Mitschuld am Kriegsbeginn 1939 gege-en. Das bedeutet für die Linke ganz eindeutig: Wir brau-hen bedeutend mehr Geld für die politische Bildung undeniger Geld für den Bund der Vertriebenen. Das wäreie richtige Antwort, die wir hier geben müssten.
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Jan Korte
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Zum Abschluss meiner Rede noch eine vielleicht in-teressante Neuigkeit für die Koalitionsfraktionen: DasBMI ist auch für Ostdeutschland zuständig. Das ist Ih-nen offensichtlich noch nicht aufgefallen. Deswegenmöchte ich heute daran erinnern. Ich möchte auch daranerinnern, dass der Beauftragte der Bundesregierung fürdie neuen Bundesländer, Staatssekretär Bergner, bisherbundesweit vor allem dadurch aufgefallen ist, dass erüberhaupt noch nicht aufgefallen ist. Es ist die denkbarschlechteste Konstellation, wenn ein CSU-geführtesMinisterium für Ostdeutschland zuständig ist. Das mussdringend geändert werden. Das ist eine einzige Zumu-tung.
Sie, Minister Friedrich, haben keinen Satz zur Situa-tion in Ostdeutschland gesagt. Dort wurde viel erreicht;das ist richtig. Bei der Kinderbetreuung und auch bei al-ternativen Energien ist dort vieles vorbildlich, aber nachwie vor liegt die Arbeitslosenquote im Westen bei 6 Pro-zent und im Osten bei über 10 Prozent. Das ist die Reali-tät. Sie sagen dazu nichts. Von Ihnen kommt auch keinHinweis darauf, dass man bezüglich der Lohnscherezwischen Ost und West etwas tun müsste. Nach wie vorbeträgt der Stundenlohn in Ostdeutschland nur 75 Pro-zent des Westniveaus. Das ist doch nicht hinnehmbar.
Was sagen Sie dazu? Haben Sie einen Plan, das zu än-dern? Den haben Sie offenbar nicht.Die Bundesregierung sagt auch zu diesem Bereichüberhaupt nichts. Sie sagen nichts zum Lohnniveau inOstdeutschland. Sie sagen nichts dazu, dass die Hunger-löhne von heute, die es insbesondere in Ostdeutschlandgibt, die Armutsrenten von morgen sein werden. Auchdas interessiert Sie offenbar überhaupt nicht. Da musserst die Linke kommen und Sie daran erinnern. Sie sagenkeinen Satz zu dieser Thematik. Das ist ein Skandal. DerOstbeauftragte hat sich gleich in die letzte Reihe gesetzt.Das kann doch wirklich nicht wahr sein.
In dem Zusammenhang, Herr Kollege Bergner, wärees zum Beispiel angebracht, in Sachsen-Anhalt dafür zukämpfen – in Berlin und Brandenburg ist es auf Druckder Linken gelungen –, für ältere Langzeitarbeitslose ei-nen öffentlichen Beschäftigungssektor zu schaffen.
Sozialversicherungspflichtige menschenwürdige Arbeitfür Langzeitarbeitslose ist die richtige Antwort. Dazukönnten Sie doch einmal etwas sagen.
Dass die FDP für solche Personen nichts übrig hat, wis-sen wir. Was die Menschen davon halten, wurde geradeeindrucksvoll in Mecklenburg-Vorpommern bewiesen.EssSrenDcdkmSDteVgAZWtegrefüatiLwsdfateeadou
Ich fasse zusammen: Frau Piltz – Sie rufen gerade sochön dazwischen –, die FDP hat keine Kehrtwende dericherheitspolitik erreicht; der Raubbau an den Bürger-chten geht weiter. Eine wirkliche Evaluierung findeticht statt. Zu Ostdeutschland fällt Ihnen gar nichts ein.as ist vielleicht sogar besser; denn wenn Sie etwas ma-hen, ist es meistens das Falsche. Vielleicht sagen Sieazu lieber weiterhin nichts und überlassen es der Lin-en, sich um die Belange Ostdeutschlands zu kümmern.
Ich möchte noch etwas mit Blick auf den Rechtsextre-ismus sagen. Herr Innenminister, es ist unfassbar, dassie ausgerechnet die engagiertesten Demokratinnen undemokraten in diesem Land Demokratieerklärungen un-rschreiben lassen. Das ist absurd und eine Frechheit.ielleicht wäre es jetzt eine vernünftige Geste, diese Re-elung endlich zurückzunehmen und diesen Menschennerkennung für ihre tägliche Arbeit für eine lebendigeivilgesellschaft zu geben. Das wäre angemessen.
Es ist weiterhin Druck nötig. Ich hoffe, dass nächstesochenende viele an der Demo „Freiheit statt Angst“ilnehmen, um gegen diese Bundesregierung,
egen diese falsche Politik, die Sie machen, zu protestie-n. Die Linke steht für den demokratischen Rechtsstaat,r den Sozialstaat und vor allem für aufmüpfige Bürger,lso für all das, für das Sie nicht stehen.Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner für die Frak-
on Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!iebe Kollegen! Die Ereignisse des 11. September 2001urden schon angesprochen. Ich denke, diese Ereignisseind vielleicht die einzigen, bei denen jeder und jede iniesem Raum sich erinnert, wo und wann er davon er-hren hat, wer ihm was gesagt hat und was ihm als Ers-s dabei durch den Kopf gegangen ist. Es waren absolutinschneidende Ereignisse, für jeden individuell, aberuch für die Welt insgesamt.Mit diesen Anschlägen ist der islamistische Terror inen Mittelpunkt der Wahrnehmung gerückt. Zweifels-hne mussten und müssen unsere Sicherheitsbehördennd unsere Sicherheitsvorkehrungen angepasst und auf
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Katja Dörner
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die Bedrohungen durch den internationalen und dentransnational agierenden Terrorismus ausgerichtet wer-den. Ich möchte daran erinnern, dass das schon unterRot-Grün eingerichtete Terrorabwehrzentrum einen ganzwesentlichen Beitrag dazu geleistet hat und dazu leistet,dass es in Deutschland in den vergangenen Jahren nichtzu Anschlägen gekommen ist.Die Verbesserung der Sicherheit, das Schließen vontatsächlichen Sicherheitslücken und eine ordentlicheEvaluierung bestehender Gesetze sind angesichts neuerHerausforderungen permanente Aufgaben. Diesen Auf-gaben stellen wir uns gemeinsam. Der Innenminister hatbereits darauf hingewiesen: Der Haushaltsausschuss hatin der Woche vor der Sommerpause die notwendigenStellen entsperrt, um die Sicherheit in der Luftfracht zuverbessern.Klar ist aber: Die Gefahren für die innere Sicherheitdürfen uns keineswegs dazu verleiten, Grund- und Bür-gerrechte einfach so über Bord zu werfen. Die Politikder inneren Sicherheit muss die Bürgerinnen und Bürgerdoppelt schützen: vor Anschlägen, aber auch vor über-flüssigen, unverhältnismäßigen und diskriminierendenÜberwachungsmaßnahmen.
Im vergangenen Monat wurde nicht nur die Geltungs-dauer der Befugnisse, die sich aus dem Terrorismusbe-kämpfungsergänzungsgesetz ergeben, verlängert, son-dern die Befugnisse wurden sogar verschärft, und dasohne eine ordentliche Prüfung, ob Bürgerrechte unzuläs-sig eingeschränkt wurden. Die FDP hat im Vorfeld zwarwieder die Backen aufgeblasen, gepfiffen; aber, wie manso schön sagt, geliefert wurde natürlich nicht. Aber daswundert uns schon lange nicht mehr.
Mit 9/11 hat sich auch das Leben der Muslime inDeutschland gravierend verändert. Viele unbescholteneBürgerinnen und Bürger fühlten und fühlen sich unterGeneralverdacht gestellt. Was Rasterfahndung, Schleier-fahndung
und die Existenz des Eingebürgertenregisters im Hin-blick auf das Gefühl, heimisch und integriert zu sein,aber auch im Hinblick darauf, ob man sich integrierenwill, für jeden Einzelnen, also höchst individuell, bedeu-tet, darüber sollte jeder einmal genau nachdenken, vorallem weil klar ist, dass die pauschale Einschätzung vonAusländerinnen und Ausländern, von Menschen mit Mi-grationshintergrund und insbesondere von Muslimen alsSicherheitsrisiko faktisch falsch ist.WentecbdMdBmteinSgAb„–ImgdsdfidHreIs
enn dies den Innenminister nicht beeindruckt, weil esine Oppositionsabgeordnete sagt, dann möchte ich Ih-en das Bischofswort zu genau diesem Thema, das ges-rn veröffentlicht worden ist, ans Herz legen.Dieser Sommer war überschattet von den schreckli-hen Ereignissen in Norwegen. Die Anschläge dort ha-en uns ganz dramatisch vor Augen geführt, dass es fürerartige Wahnsinnstaten auch ganz andere ideologischeotive geben kann als die von al-Qaida. Als ich im Juniieses Jahres mit der Kinderkommission des Deutschenundestags in Oslo war, bin ich bei einem Abendterminit einer Abgeordneten der sogenannten Fortschrittspar-i, einer ganz netten Dame in einem adretten Kostüm,s Gespräch gekommen.
ie erzählte mir, dass es mit den Muslimen in Norwegenroße Probleme gebe. Sie sagte, dass es dort zu vieleusländer gibt und dass nur noch die Muslime Kinderekommen, die Norweger aber nicht. Es war eine ArtNorwegen schafft sich ab“, nur ohne Buch.
Und ohne Sarrazin; das stimmt.
Juni lag die Fortschrittspartei in Norwegen in Umfra-en bei mehr als 20 Prozent. Nach den Anschlägen hatie Vorsitzende der Fortschrittspartei natürlich jeden Zu-ammenhang zwischen dem Programm ihrer Partei undem, was passiert ist, ganz weit von sich gewiesen.In der Zeit standen die erschreckenden, aber, wie ichnde, völlig richtigen Sätze – ich zitiere mit Erlaubniser Präsidentin –:
Anders Breivik kam nicht aus dem Nichts. Er magein Einzeltäter gewesen sein, das wird sich noch he-rausstellen, aber sicher ist schon jetzt: Er war keinEinzeldenker.Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch vor diesemintergrund wäre es gut gewesen, wenn wir von unse-m Innenminister heute den Satz gehört hätten, dass derlam ganz selbstverständlich zu Deutschland gehört.Vielen Dank.
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Der Kollege Dr. Günter Krings hat für die Unions-
fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der heute vorliegende Entwurf des Bundeshaus-halts 2012 für das Innenressort ist ein klares Bekenntniszur inneren Sicherheit in unserem Land. Er ist ein klaresBekenntnis der christlich-liberalen Koalition zu diesemThema, dem Kernthema des Staates. Ich bedanke michgerade bei dem Innenminister für die hervorragende Vor-bereitung dieses Entwurfs.
Die klare und wichtige Schwerpunktsetzung auf in-nere Sicherheit sehen wir am augenfälligsten daran, dassfast die Hälfte dieses Etats der Bundespolizei zugute-kommt. Wir sehen es daran, dass wir trotz Sparnotwen-digkeiten, die wir alle nicht bestreiten wollen, im Ent-wurf das Niveau von 2011 gehalten haben. Ja, wir habensogar einen leichten Aufwuchs bei der Bundespolizeiund beim Bundesamt für Sicherheit in der Informations-technik zu verzeichnen.Seit 2006, seit CDU- oder CSU-Minister Verantwor-tung im Innenressort tragen, gibt es einen kontinuierli-chen Aufwuchs um insgesamt etwa 400 Millionen Euroin diesem wichtigen Bereich. Das ist ein gutes und star-kes Signal für die innere Sicherheit in unserem Land.
Die von mir genannte Bundespolizei und ihre ent-scheidende Bedeutung sieht man nicht nur im Bereichder Grenzkontrollen und der immer stärker und notwen-diger werdenden Auslandsverwendung. Wir sehen dasauch immer stärker bei der Unterstützung der Landespo-lizei. Wir stellen es besonders stark und besonders klarhier in Berlin fest, wo es eben leider der Berliner Polizeinicht gelungen ist, Gewalt- und Vandalismusexzesse dervergangenen Wochen alleine zu stoppen. Erst durch dieBundespolizei konnten hier effektive Abschreckungs-und Aufklärungswirkungen erzielt werden. Dafür herzli-chen Dank!
Ich will aber eines klipp und klar sagen: Das liegt inkeinem Falle am mangelnden Engagement der BerlinerPolizisten. Ganz im Gegenteil: Das sind motivierte undhoch engagierte Kollegen. Sie werden aber seit zehn Jah-ren vom rot-roten Senat im Stich gelassen. Ihnen werdenStellen gekürzt. In den letzten zehn Jahren sind in Berlinunter SPD-Verantwortung 4 000 Stellen gekürzt worden.
Sie sind Opfer einer sogenannten Deeskalationsstrategie,die auf die Knochen der Polizisten geht.DsscuraHmwvStetewdsbdusWGwnnslisgdteegwwEuwisleEgnu
em rot-roten Senat ist es wichtiger, dass sie Namens-childer tragen, als dass sie angemessen ausgestattetind. Das ist das Gegenteil unserer Sicherheitspolitik.
Neben der richtigen Ausstattung für die Polizei brau-hen unsere Polizeikräfte natürlich auch angemessenend verantwortungsvoll genutzte Befugnisse. Das ist ge-de im letzten Jahrzehnt angesichts neuer terroristischererausforderungen deutlich geworden. Eben wurde esehrfach erwähnt: Am kommenden Sonntag begehenir den zehnten Jahrestag des grausamen Massenmordesom 11. September 2001. Ich finde, es ist an diesertelle der Ort, auch einmal darauf hinzuweisen, dass un-r den 3 000 Toten – das geht in der Gesamtzahl fast un-r – damals auch immerhin elf Deutsche waren und dassir insgesamt in den letzten zehn Jahren als zivile Opferes islamistischen Terrors den Tod von über 40 deut-chen Mitbürgern zu beklagen haben.Wir müssen auch nach zehn Jahren weiter wachsamleiben, nicht nur, aber eben auch gegenüber der Gefahres islamistischen internationalen Terrors, der nicht nurns in Deutschland und in der westlichen Welt bedroht,ondern auch eine große Bedrohung in allen Teilen derelt ist, gerade auch im asiatischen Raum. Aus diesemrunde ist es wichtig, dass die Polizei wachsam ist. Aberir brauchen verstärkt auch – das haben wir gesehen –achrichtendienstliche Erkenntnisse. Ohne diese geht esicht. Es geht nicht mit einer Omnipräsenz der Polizei,ondern wir sind darauf angewiesen, nachrichtendienst-che Erkenntnisse mit europäischen, auch transatlanti-chen Partnern vertrauensvoll auszutauschen. Deswe-en reagieren wir so allergisch darauf, wenn man jedeieser notwendigen Kooperationsmaßnahmen gleich un-r Generalverdacht stellt. Ohne diese Kooperation hättes in Deutschland wahrscheinlich weitere Anschläge ge-eben. Deshalb ist dieser Austausch wichtig und not-endig.
Die schreckliche Bluttat von Norwegen – auch dasill ich erwähnen – hat gezeigt: Selbst vermeintlicheinzeltäter sind über die Landesgrenzen hinaus vernetztnd müssen international bekämpft werden.Sicherheit ist aber nicht nur in der sichtbaren Weltichtig, sondern auch im digitalen Raum. Das Internett Mittel zur Begehung von Straftaten: von feigen Ver-umdungen durch meistens anonyme Verleumder, diexistenzen zerstören können, über den Diebstahl geisti-en Eigentums bis hin zum Identitätsdiebstahl. Jede Mi-ute wurden in Deutschland zwei Identitäten gestohlennd werden damit Betrugstaten begangen.
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Dr. Günter Krings
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In diesem Bereich verzeichnen wir einen Anstieg derKriminalität um 8 Prozent. Schon das ist alarmierend.Zusätzlich gibt es klare Hinweise darauf, dass sich da-hinter ein noch viel größeres Dunkelfeld verbirgt.Zum anderen ist das Internet aber auch ein immer be-liebteres Ziel von Angriffen, viele davon aus dem Aus-land. Insgesamt haben wir pro Jahr etwa 1 800 Hacker-angriffe.Außerdem wird das Internet immer mehr – das ist esschon zunehmend geworden – zu einer lebenswichtigenInfrastruktur. Natürlich hat der Staat auch eine Verant-wortung zum Schutz dieser Infrastruktur. Diesen staatli-chen Schutzauftrag nehmen wir in dieser Bundesregie-rung und in dieser Koalition ernst. Deshalb wurde indiesem Jahr das Nationale Cyber-Abwehrzentrum ge-gründet. Wir müssen auch weitere Kompetenzen imSinne von Sachkunde aufbauen, um mit der EntwicklungSchritt zu halten. Deswegen ist es richtig, dass es beimBSI an dieser Stelle zu einem gewissen Aufwuchskommt.Mit Terrorismusbekämpfung und Internetkriminalitäthabe ich bereits zwei Beispiele für die europäischeDimension der Innenpolitik angesprochen. Wichtigbleibt aber trotz allem – das hat der Minister sehr richtiggesagt – eine saubere Abgrenzung zwischen nationalenund europäischen Zuständigkeiten.Die Asylpolitik ist für uns ein zentrales Beispiel da-für, was in nationaler Verantwortung bleiben muss –jedenfalls fairerweise so lange, wie es durch unter-schiedliche Sozialpolitiken in verschiedenen Staaten derEuropäischen Union sehr unterschiedliche Migrations-anreize gibt.Deswegen sehen wir aktuelle Kommissionsvor-schläge für ein gemeinsames europäisches Asylsystemsehr kritisch; denn im Ergebnis würden sie genau dasGegenteil von Gemeinsamkeit und europäischer Verein-heitlichung schaffen. Wenn zum Beispiel laut Kommis-sionsvorstellungen vorgesehen werden soll, dass einAsylbewerber gerichtlich erstreiten darf, in welchemLand sein Asylverfahren durchgeführt werden soll, istdas nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht der Idee deseuropäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und desRechts; denn dadurch wird die dauerhafte Unterschrei-tung und Missachtung der Mindeststandards im Asylver-fahren in einzelnen Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion gerade zementiert. Genau das können wir nichthinnehmen. Wir brauchen im Asylrecht nicht immerneue Regeln, sondern endlich die europaweite Befol-gung der bestehenden Regeln.
Das gilt aus meiner Sicht auch ganz generell in derEuropäischen Union. Die neuen und auch die alten Pro-bleme der Europäischen Union werden wir nicht durchimmer mehr Rechtsetzung lösen können. Vielmehr brau-chen wir endlich mehr Rechtdurchsetzung, also Durch-setzung der Regeln, die wir schon längst beschlossen ha-ben.gsdTphuF–hlinskTihgFlefonSdreesreevsscliDwdcdleismh
rau Fograscher, es geht in meinem Feld aber um Zah-n. Das war wahrscheinlich auch der Bezug.Wir haben gestern die Anhörung aufmerksam ver-lgt. Die meisten von Ihnen konnten nicht da sein. Ichenne Ihnen noch einmal das Ergebnis: Der Entwurf derPD ist mit Abstand am schlechtesten bewertet worden.
Wir haben als Koalition einen Vorschlag vorgelegt,en man nicht mögen muss, der aber das verfassungs-chtlich vorgegebene Problem löst.Da es so ist, hoffe ich darauf, dass die SPD als dieinzige politische Kraft im Hause, die keinen verfas-ungstauglichen Vorschlag gemacht hat, sondern mit ih-m Vorschlag das verfassungsrechtliche Problem nichtinmal im Ansatz löst,
ielleicht auf unseren Vorschlag, auf den sich immerhinchon drei Parteien im Bundestag verständigt haben, ein-chwenken kann. Ich hoffe jedenfalls auf gute Gesprä-he.Kennzeichen christlich-demokratischer und christ-ch-liberaler Innenpolitik ist der soziale Zusammenhalt.eswegen ist für uns neben den Sicherheitsthemen auchichtig, dass wir im BMI federführend das Thema desemografischen Wandels in den nächsten Jahren anpa-ken. Wir erwarten hier einen Demografiebericht, undie Bundesregierung wird eine Demografiestrategie vor-gen. Das ist Teil des sozialen Zusammenhalts.Teil des sozialen Zusammenhalts in der Innenpolitikt ferner, dass wir Generationengerechtigkeit ernst neh-en. Deswegen haben wir bei allen wichtigen Aufgabeneute auch einen sparsamen Haushalt zu beraten. Aus
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Dr. Günter Krings
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diesem Grunde ist der vorliegende Vorschlag gut. Ichfreue mich auf die Beratungen.Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Lieber Herr Krings, zum Thema Wahlrecht willich Ihnen doch direkt auch eine Antwort geben. WissenSie, Hochmut kommt vor dem Fall. Wer es über dreiJahre hinweg nicht schafft, die Vorgaben des Verfas-sungsgerichts umzusetzen, der sollte mit anderen in denDialog kommen, statt sie verächtlich zu behandeln. Siewerden uns noch sehr brauchen, Herr Krings.
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, man mussnicht ans Rednerpult treten wie Franz Josef Strauß selig,mit großer Rhetorik und rotem Kopf. Aber so leiden-schaftslos, wie Sie sie gehalten haben, muss eine Ein-bringungsrede wahrhaftig nicht sein, sehr geehrter HerrBundesinnenminister.
Das ist aber in gewisser Weise symptomatisch. Dennes gab Zeiten, als es für einen Konservativen etwas wieein hoher Ritterschlag war, Bundesinnenminister zu wer-den. Jetzt war es aber so, dass sich das Karussell wilddrehte, aber keiner wollte und einer musste. Das warHans-Peter Friedrich. Dementsprechend füllt er seinAmt auch aus.
Denn in dieser Bundesregierung ist die Innenpolitik aufden Hund gekommen. Sie nehmen das Themenfeld nichternst.
Spätestens seit dem Wechsel von Thomas de Maizièrein das Amt des Bundesverteidigungsministers sind kei-nerlei Richtung und Orientierung mehr erkennbar. AnBundesminister de Maizière als Minister des Innern erin-nert vor allem die verunglückte Organisationsreform derSicherheitsbehörden, die Sie als eine Ihrer ersten Amts-handlungen wieder kassieren mussten bzw. durften. Eswurde eine Kommission eingesetzt, die die bewährteSicherheitsarchitektur Deutschlands ohne Not infragestellt. Hinterher will es keiner gewesen sein.Warum haben Sie so viele anerkennende Worte inRichtung Bundeskriminalamt und Bundespolizei gefun-doVunSBSntrcwlidK1bnriDnkdinuaDg–Psduvstiwgde
Es gibt in der Tat einen großen Diskussionsbedarf beinseren Sicherheitsbehörden. Aber warum reden Sieicht zunächst über eine Aufgabenkritik? Warum sagenie kein Wort darüber, dass die Burn-out-Quote bei derundespolizei himmelschreiend hoch ist? Warum redenie von Wertschätzung, kürzen aber ohne Not das Weih-achtsgeld weiter? Das ist die wahre Politik, die Sie be-eiben. Alles andere ist Rhetorik.
Ihr Vorgänger im Amt hat an die Stelle der inneren Si-herheit die sogenannte öffentliche Sicherheit stellenollen. Sei’s drum: So oder so, ob als innere oder öffent-che Sicherheit betitelt, ist es das Kerngeschäft des Bun-esinnenministers. Aber warum betreiben Sie dieseserngeschäft nicht, sondern schwadronieren über000 mögliche Terroristen in Deutschland? Woher ha-en Sie diese Zahl? Sicherlich nicht vom Bundeskrimi-alamt oder von den Diensten. Sie arbeiten nämlich se-ös.Mit welchem Ziel werfen Sie solche Zahlen in dieiskussion? Was wollen Sie daraus ableiten? Ich kann esicht erkennen, und ich glaube, auch das geneigte Publi-um nicht, ebenso wenig wie die Bild-Zeitung, in der Sieas kundtun zu müssen meinten.Eigentlich käme es darauf an, an die solide Politik derneren Sicherheit, wie sie unter Rot-Grün begonnennd in der Großen Koalition fortgesetzt wurde, weiternzuknüpfen.
as bedeutet, dass viele Themen gefälligst vorangetra-en werden müssen.
Wo es ernst wird und Handeln gefordert ist, liebe Frauiltz, da ist völlig Fehlanzeige.
An dieser Stelle sei das Lieblingsthema Vorratsdaten-peicherung genannt. Auf der einen Seite steht die FDP,ie sofort den Orwell’schen Überwachungsstaat wittertnd die Bürgerrechte vernichtet sieht, wenn man damitorangeht. Auf der anderen Seite steht die Union, dietändig fordert, es müsse schneller gehen und sie müsseefer gehen. Entschieden wird aber nichts. Alles, wasir erleben, ist Streit auf offener Bühne. Das ist keineute Politik der inneren Sicherheit.
Das lässt sich fortsetzen. Das Stichwort Sicherheit beier Luftfracht haben Sie dankenswerterweise wenigstensrwähnt. Aber die offenkundigen Lücken beim Fracht-
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Michael Hartmann
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verkehr in Passagiermaschinen sehen wir noch nicht ge-schlossen. Oder sind sie inzwischen geschlossen wor-den, Herr Minister? Stattdessen tobt weiterhin ein Streitzwischen dem Finanzministerium, dem Verkehrsminis-terium und dem Innenministerium darüber, wo die Kom-petenzen liegen sollen. Ich sage es Ihnen: Die Kompe-tenzen müssen bei der Bundespolizei liegen. Dortgehören sie hin und nirgendwo anders, Herr Minister.Stichwort Piraterie. Es wird darüber schwadroniertund fabuliert, man müsse das Waffenrecht ändern. Eswird darüber geredet, dass private Sicherheitsdienste zu-künftig eine Kernaufgabe des Staates erfüllen sollen. Eswird darüber geredet, die Polizei solle in den Einsatz,und es wird darüber geredet, die Bundeswehr solle inden Einsatz. Nur, gehandelt wird nicht – und das bei ei-nem Kernthema der inneren Sicherheit, Herr Minister.
Es geht so weiter beim Thema organisierte Kriminali-tät. Das ist ein Schwerpunkt, und darüber war verdammtwenig zu hören. Wie ist das eigentlich mit der Kontrolleder Drogenwege nach Deutschland? Wie verhält es sicheigentlich mit dem großen Thema der Geldwäsche?
Was ist mit der Mafia, die ihr Unwesen bei uns treibt?Was ist mit der Technik, die wir brauchen, und dem Per-sonal? Darüber äußert sich die Koalition unklar.Last, but not least – auch das kann ich Ihnen nicht er-sparen –: Die Bundespolizei, die in Saudi Arabien sozu-sagen als Handlanger von EADS unterwegs ist, handeltauf einer fehlenden Rechtsgrundlage; denn – das bewegtsich am Rande des Verfassungsbruchs – der Vertrag, derabgeschlossen wurde, wurde niemals durch das deutscheParlament ratifiziert. Legen Sie ihn schnellstens vor, undsagen Sie uns bitte, was wirklich in Saudi Arabien pas-siert, sehr geehrter Herr Minister.
Herr Minister, wer wie Sie – jetzt zitiere ich Sie –klare Kante ohne viel Radau als seine Devise als Bun-desinnenminister bezeichnet, der muss ein geordnetesRegieren gewährleisten, ganz im Sinne staatskonservati-ver Tugenden. Das muss er zu seiner Maxime machen.Davon ist allerdings nichts zu hören und nichts zu sehen.Stattdessen kommt einem das Ganze vor wie die Ge-schichte vom Münchner im Himmel: Er sitzt da, er trinktseine Maß, und der Innenminister wartet auf die göttli-chen Ratschläge. Die werden ausbleiben, Sie müssen esselbst machen, Herr Minister.
Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Florian Toncar
das Wort.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-en! Wir diskutieren, wenn wir über die innere Sicher-eit sprechen, darüber, wie wir unseren Bürgern Freiheitewährleisten und wie wir sie schützen können. Dazuehört natürlich auch, dass sie frei sind von Bedrohun-en ihrer körperlichen Gesundheit oder ihres Eigentums.abei geht es nicht darum, dass man sich im politischenettbewerb mit immer neuen Vorschlägen für immerchärfere Gesetze überbietet, die letzten Endes nur eineymbolische Wirkung haben. Es geht vielmehr um sinn-olle Gesetze, die tauglich und verhältnismäßig sind undie nicht stärker in die Freiheit der Bürger eingreifen, alss nötig ist. Wenn man solche Gesetze hat, ist es nötig,ass sie vollzogen werden. Zu einem guten Vollzug ge-ört eine ausreichende Zahl von Mitarbeitern in den Si-herheitsbehörden, die motiviert sind, gerne ihren Dienstn und auch gut ausgestattet sind. Genau dieser Aspektt es, der beim Haushalt eine Rolle spielt.Ich will aber auf das Thema der Sicherheitsgesetzeingehen. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist vonieser Bundesregierung evaluiert worden. Die Evalua-on hat erstmals ernsthaft stattgefunden. Sie hat dazueführt, dass etliche Befugnisse als überflüssig erkanntnd deswegen gestrichen worden sind. Das muss mansthalten. Wir machen das, was nötig ist, aber wasichts bringt oder unverhältnismäßig ist, wird gestri-hen. So stellen wir uns Innenpolitik vor.
Wir haben in der Koalition Einigung darüber erzielt,ass wir beim Kampf gegen das Verbrechen der Kin-erpornografie im Internet dem Grundsatz „Löschentatt Sperren“ folgen, weil nur dadurch eine nachhaltigeirkung erzielt und das Problem an der Wurzel gepacktird. Ich glaube, dass wir hier eine ausgesprochen prak-kable und sinnvolle Lösung gefunden haben. Insofernann keine Rede davon sein, Herr Kollege Korte, dassin Raubbau an Bürgerrechten stattfindet. Sie habenuch nicht anhand von Beispielen belegt, dass Bürger-chte eingeschränkt worden sind.
Ich will Ihnen eines deutlich sagen: Es fällt mir aus-esprochen schwer, mir solche Reden von Ihnen anzuhö-n. In Ihrer Partei gibt es Leute, die sitzen bleiben,enn am 13. August der Maueropfer gedacht wird, undre Parteiführung schickt Ergebenheitsadressen an deniktator in Kuba, der die Menschenrechte jeden Tag mitüßen tritt.
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Florian Toncar
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Sparen Sie sich einfach Ihre Reden und schauen Sie,dass Sie Ihren eigenen Laden in Ordnung bringen.Ich komme zum Thema Ressourcen. Wir brauchenSicherheitsbehörden, die gut ausgestattet sind. Wir müs-sen feststellen, dass es im Vollzug keine Stelleneinspa-rungen gibt. Wir sparen beim Personal, aber nicht beimVollzug von innerer Sicherheit.Im Übrigen hat es unsere Koalition im letzten Jahr ge-schafft, dafür zu sorgen – es ist lange Zeit versucht wor-den und nicht gelungen –, dass das Technische Hilfs-werk – es hat eine ganz wichtige Aufgabe für denBevölkerungsschutz – im Haushaltsgesetz als Sicher-heitsbehörde anerkannt worden ist. Die Folge ist, dassauch dort zukünftig keine Stelleneinsparungen vorgese-hen sind.
Das ist etwas, was für den Bevölkerungsschutz inDeutschland ebenfalls ein wichtiger Fortschritt ist.Sicherheitsbehörden müssen natürlich auch effizientarbeiten. Doppelstrukturen und doppelte Aufgabenwahr-nehmungen sind fragwürdig. Sie müssen weg. Sie behin-dern nicht nur eine gute Arbeit für die innere Sicherheit,sondern sie sind den Bürgern in Zeiten knapper Kassenschlicht und ergreifend nicht zuzumuten.
Herr Minister, deswegen ist es gut, dass Ihr Vorgängereine Diskussion darüber angestoßen hat. Übrigens habeauch ich die Idee, dass man ausgerechnet die Bundes-polizei und das BKA zusammenlegt, nicht für nahelie-gend gehalten. Die Diskussion darüber, wo es in der Si-cherheit doppelte Strukturen gibt, ist aber wichtig. Ichmöchte Sie ausdrücklich ermuntern, dass Sie diese Dis-kussion fortsetzen. Wir sollten darüber reden, was beimZoll und bei der Bundespolizei oder beim Zollkriminal-amt und beim Bundeskriminalamt zusammengelegt wer-den kann. Wir schulden unseren Bürgern, dass wirdarauf hinwirken, dass unsere Sicherheitsbehörden effi-zient aufgestellt sind und dass zwei Stellen letzten Endesnicht sehr ähnliche Aufgaben übernehmen.
Wenn es uns gelingt, genau dafür zu sorgen – dazumöchte ich Sie ermuntern, Herr Minister –, dann könnenwir die Effizienzreserven im Haushalt für die Lösung ei-nes wichtigen Problems nutzen, das uns in allen Haus-halten, im Haushalt des Bundesministeriums des Innernaber im besonderen Maße in den nächsten zehn Jahrenbegegnen wird: Wie schaffen wir es, dass wir genug qua-lifiziertes und motiviertes Personal für den öffentlichenDienst, gerade für Sicherheitsbehörden, gewinnen? Die-ses Problem hat sich lange aufgebaut, und es wird einegewisse Zeit brauchen, um es zu lösen. Der demografi-sche Wandel und der Arbeitsmarkt werden uns in dennächsten Jahren vor riesige Probleme stellen, um die wiruns kümmern müssen.ndbnmulaesgwdcsHdGHSvzTUdnDUuuugisretiinisNdInvu
Der Kollege Dr. Konstantin von Notz hat das Wort fürie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Kollege Toncar, es ist Ihnen gelungen, übericherheitsgesetze viele Minuten zu reden und – wieiele Ihrer Vorrednerinnen und Vorredner – kein Wortur Vorratsdatenspeicherung, einem ganz zentralenhema, zu sagen. Zum Glück spricht gleich der Kollegehl; er wird das bestimmt anders machen.
Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung hängtieser Koalition wie ein schwerer Stein um den Hals. Erimmt Ihnen die Luft zum Atmen und zum Handeln.iesen Stein haben Sie sich selbst umgehängt – dienion, indem sie trotz des Bundesverfassungsgerichts-rteils unbelehrbar und verbohrt an diesem Bruch mitnserer Rechtsdogmatik festhält; Sie, liebe Kolleginnennd Kollegen der FDP, so unterstützenswert Ihr Kampfegen die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich aucht, haben dieses Trauerspiel mitzuverantworten, weil Ih-r Fraktion im Kern die Senkung der Hotelsteuer wich-ger ist als der Schutz der Bürgerrechte.
Die Innenpolitik dieses Landes liegt seit zwei Jahren Ihrer Verantwortung, und sie liegt brach. Ihre Bilanzt fatal. Was wollte die FDP nicht alles zurückholen!ichts ist passiert. Im Bereich des Datenschutzes kannie Koalition nicht eine einzige erfolgreich realisierteitiative vorweisen. Nur Hiobsbotschaften bei Ihrenermeintlichen Prestigeobjekten De-Mail und N-Perso,nd 22 Millionen deutsche Facebook-Nutzer werden da-
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Dr. Konstantin von Notz
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tenschutzrechtlich noch immer alleingelassen. Die Ver-braucherschutzministerin boykottiert das Netzwerk, unddie schwarz-gelbe Koalition, Herr Minister, boykottiertein versprochenes Rote-Linie-Gesetz und jeglichen Ge-staltungsanspruch.Das ist die wahrlich tragische Bilanz nach zwei Jah-ren, vor allem für die selbsternannte BürgerrechtsparteiFDP. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, dieschwierige Koalition mit der CDU, die dauerhafte Gars-tigkeit der CSU und die Ignoranz der eigenen Fraktions-führung für die Bedeutung der Innen- und Rechtspolitik,jetzt kommt auch noch der Kollege Wolff und schreibtein Papier, das den letzten verbliebenen kleinen Kern Ih-res bürgerrechtlichen Selbstverständnisses entsorgt.
Wenn Sie mich jetzt so kritisch angucken – HerrWolff, ich habe es gelesen –, dann kann ich nur sagen:Wie man sich bettet, so liegt man. Wenn Sie solche frak-tionsinternen Diskussionen jetzt führen, dann hat Ihnendie CSU gerade noch gefehlt.
Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union– Herr Grindel, ich komme jetzt zu Ihnen –, darf ichnach der Lektüre Ihres jüngsten Beschlusses mit dem Ti-tel „Für mehr Sicherheit in unseren Großstädten – nullToleranz gegenüber Gewalt und Vandalismus“
sagen, die Innenpolitik dieses Landes ist ein zu wichtigerund zu verfassungsrelevanter Bereich, als dass man sieIhrem Populismus überlassen darf.
Sicherlich gibt es ein Anschlagsrisiko in Deutschland,das wir Grüne sehr ernst nehmen. Natürlich sind gefähr-liche Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen in Berlin,Hamburg und anderswo Straftaten, denen man entschie-den begegnen muss. Wer aber so tut, als ob man inDeutschland an keiner Ecke stehen kann, ohne gleichvon einem Terroristen, Linksextremen oder Jugendli-chen überfallen zu werden, der zeichnet bewusst einZerrbild von der Sicherheitslage in diesem Land, das ei-nes der sichersten Länder auf der Erde ist.
Sie tun das, um bei den anstehenden Landtagswahlen– das war Ihrer Rede, Herr Kollege Krings, gerade deut-lich anzumerken – ein bis zwei Prozentpünktchen dazu-zugewinnen. Ich sage Ihnen, der politische Schaden, denSie mit solchen Reden und Papieren anrichten, ist ganzerheblich; denn Sie untergraben das Vertrauen der Men-schen in unserem Rechtsstaat,
essen Polizei- und Sicherheitsbehörden sehr viel erfolg-icher arbeiten, als Sie von CDU und CSU das offenbarahrhaben wollen.Noch ein Wort in Richtung SPD zum Thema Vorrats-atenspeicherung. Wenn selbst in Ihrem progressivstenremium – das will ich jetzt einmal so nennen –, demesprächskreis „Netzpolitik“, nicht mehr über das Ob,ondern nur noch über das Wie der Vorratsdatenspeiche-ng verhandelt wird, ist auch das ein Armutszeugnis.
Die Vorratsdatenspeicherung ist keine Frage des poli-schen Verdealens von Monatsfristen. Wer hier heuteeine klare Linie zieht, der muss morgen zusehen, wieie letzten Dämme brechen. Die wichtige Demonstrationr Bürgerrechte „Freiheit statt Angst“ – das ist schonngesprochen worden –, die am Wochenende stattfindenoll, wollen Sie als SPD unterstützen. Gleichzeitig strei-n Sie hier für eine Vorratsdatenspeicherung. Das gehticht zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen voner SPD.
Zum Schluss zu ELENA. Da passt das Verhalten ins-esamt hier im Haus nicht zusammen. Was die Koalitiona unter dem Beifall der SPD – wenn ich das noch einmal Erinnerung rufen darf – abgeliefert hat, ist mehr alseinlich. Zwei Jahre lang Verzögerungstaktik, heimlicheeerdigung in der ersten Woche der Sommerpause –
einlich. Statt unserem Antrag zu Beginn dieser Legisla-rperiode einfach zuzustimmen, haben Sie sinnwid-gste Abwehrkämpfe, schöngefärbte Reden – ich sageur: die schöne Helena –, datenschutzrechtlich hochpro-lematische Verfahrensweisen und millionenschwereosten für die Wirtschaft und die öffentliche Hand zuerantworten. Das alles ist wahrlich kein Ruhmesblatt.Es ist Halbzeit für die schwarz-gelbe Koalition, Zeitr ein innenpolitisches Zwischenzeugnis: Die Verset-ung ist bei einer solchen Bilanz nicht gefährdet, sie istchlicht ausgeschlossen.Ganz herzlichen Dank.
Der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl spricht nun für dienionsfraktion.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14393
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Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Dieser Haushaltsentwurf setzt die richtigenSchwerpunkte. Mit 3,72 Milliarden Euro für die innereSicherheit, also zwei Dritteln des Haushalts des BMI,sind die Schwerpunkte dort gesetzt, wo sie hingehören;denn die furchtbaren Terroranschläge in den USA, diesich jetzt zum zehnten Mal jähren, waren in der Tat einFanal für die gesamte westliche Welt. Danach hat es eineSerie von Anschlägen gegeben. Auch in Deutschlandgab es versuchte und erfolgte Anschläge, die uns zeigen,dass die terroristische Bedrohung nach wie vor besteht.Herr Kollege Hartmann, es ist doch ziemlich müßig,jetzt darüber zu rechten, wie viele Gefährder wir imLand haben.
Sie haben übrigens den Minister falsch zitiert. Er hat nie-mals gesagt, es seien 1 000 Gefährder. Vielmehr habenwir, wie Fachleute schätzen, etwas mehr als 200 Gefähr-der und daneben eine gewaltbereite terroristische Szene,die sehr viel größer ist.Damit sind wir beim Punkt. Der Staat hat die Auf-gabe, seine Bürger vor diesen Menschen, vor diesen Ter-roristen zu schützen. Wenn er diese Aufgabe ernstnimmt, muss er taugliche nachrichtendienstliche Instru-mente haben, mit denen er alles Mögliche aus der Szenein Erfahrung bringen kann, um dagegen rechtzeitig voreinem möglichen Terroranschlag, also während der Vor-bereitung eines solchen Anschlages, einschreiten zukönnen. Das ist die einzige Chance, die der Staat hat.
Wenn der Terrorist mit der Bombe losmarschiert ist, hatder Staat keine Chance mehr, seine Aufgabe wahrzuneh-men. Er braucht also vorgelagerte Instrumente, die imVorfeld wirken. Das Terrorismusbekämpfungsergän-zungsgesetz, das wir gemeinsam mit der SPD verab-schiedet haben und das am 14. Januar ausläuft, stelltdiese zur Verfügung. Wir geben zu, dass wir spät dransind, aber wir schaffen es noch rechtzeitig vor dem14. Januar, seine Geltungsdauer zu verlängern. Das Ka-binett hat dieses Gesetz verabschiedet, und wir werdenin den nächsten Wochen in erster Lesung darüber bera-ten.Nächstes Thema, die Visawarndatei. Sie erinnernsich: Joschka Fischer, der übrigens in seinen Pressever-lautbarungen wieder merkwürdig lärmig wird, hat mas-senhaften, hunderttausendfachen Missbrauch von Visazugelassen.
– Hunderttausendfachen. – Daraufhin gab es einen Un-tersuchungsausschuss, dem vorzusitzen ich die Ehrehatte. Nachdem wir es leider in der Großen Koalitionnicht geschafft hatten, ein Visawarndateigesetz zu schaf-fen, sind wir jetzt zusammen mit der FDP so weit.EsEwkcFfüeEGkhswdcws–Eucs–sDdggNEskkte
s ist lobenswert, dass wir es geschafft haben, einen ent-prechenden Gesetzentwurf einzubringen. Wenn Sie denntwurf haben, können Sie ihn kritisieren und sagen,as Sie besser machen wollen.Wir haben erkannt, dass wir in einer neuen Welt ange-ommen sind – der Minister hat es schon angespro-hen –: Fragen der IT-Sicherheit werden zum zentraleneld der Sicherheitspolitik, für den Staat, für die Wirtschaft,r alle Bürger. Wir alle sind abhängig vom Internet, ob wirs nutzen oder nicht – völlig egal. Wasserversorgung,nergieversorgung, Verkehrs- und Sicherheitssysteme,eld- und Warenverkehr – ganze Wirtschaftszweigeönnen über das Internet lahmgelegt werden. Deshalbaben wir das Nationale Cyber-Abwehr-Zentrum ge-chaffen. Das sind, zugegeben, erst Anfänge, aber esird Weiterentwicklungen geben müssen, um auch aufiesem Gebiet trotz der zunehmenden Vernetzung Si-herheit im Staat zu organisieren. In den nächsten Jahrenird das ein ganz zentraler Punkt der Sicherheitspolitikein.Wir haben es mit einer Verwirrung der Geister zu tun.
Das trifft auf einen Teil von Ihnen, nicht auf alle, zu. –s gibt Menschen, die fordern, dass der Staat für Rechtnd Ordnung sowie Sicherheit sorgen und die entspre-henden Grundrechte in der realen Welt durchsetzenoll, und die gleichzeitig sagen, in der virtuellen Weltdiese ist längst auch ein Teil der realen Welt geworden –
eien Eingriffe des Staates nicht zulässig.
as ist Zensur. Das ist die Verwirrung der Geister, voner ich rede. Wir werden uns mit diesem Thema sehrrundsätzlich befassen müssen. Gerade in diesen Tagenibt es ganz sonderbare Bekenntnisse zur Anonymität imetz.
s wird so getan, als wäre es ein Grundrecht des Men-chen, im Netz, im Internet, anonym seine Meinung ver-ünden zu können, weil er nur so ungefährdet am demo-ratischen Meinungsbildungsprozess in unserem Landeilnehmen könnte.
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14394 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Dr. Hans-Peter Uhl
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Nein sagen wir. Wir sehen es als eine Errungenschaft desRechtsstaates an, dass jeder frei seine Meinung äußernkann und dieser Staat dafür sorgt, dass Meinungsfreiheitbis in den letzten Winkel gilt und wir keine Anonymitätbrauchen, weil wir kein totalitärer Staat sind.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage unse-
res Kollegen von Notz?
Selbstverständlich.
Bitte schön.
Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Im Zusammenhang
mit der Anonymität im Netz können wir uns vielleicht
darauf einigen, dass das Netz Teil des öffentlichen
Raums ist.
Würden Sie mir zustimmen, dass es vor dem Hinter-
grund der Kontrolle von Diskussionen sinnvoll wäre,
dass Leute, die in einem bayerischen Wirtshaus am
Stammtisch zusammenkommen, um über Politik frei zu
reden, am Eingang ihren Personalausweis vorlegen,
damit dann jedes Wort unter ihrem Namen dokumentiert
werden kann? Denn genau das entspräche der Anmelde-
pflicht für Internetforen, die Sie fordern.
Gestatten Sie, Herr Kollege von Notz, Ihr Beispiel
mit dem Vorlegen des Personalausweises am Eingang
des Wirtshauses in Bayern als einen wirren Vergleich ab-
zutun.
Er ist deswegen wirr, weil es hier um etwas völlig ande-
res geht. An bayerischen Stammtischen wird völlig frei
und offen geredet.
Wir bestehen darauf, dass jeder in diesem Land sagen
kann, was er will. Wenn er am politischen Meinungsbil-
dungsprozess teilnehmen will, wenn er Einfluss auf an-
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as ist auch der Kern des Vermummungsverbotes im
emonstrationsrecht.
ir wollen, dass man in diesem Land frei demonstrieren
ann und niemand einen Nachteil dadurch erleidet. Aber
ir wollen nicht, dass Menschen sich vermummen und
lauben, auf diese Weise Druck auf andere ausüben zu
önnen.
Herr Kollege, gestatten Sie zu dem Thema der bayeri-
chen Wirtshäuser noch eine Zwischenfrage unseres
ollegen Volker Beck?
Der hat aber keine Ahnung von bayerischen Wirts-
äusern.
Das wird sich bei der Fragestellung zeigen. – Das
ort hat der Kollege Volker Beck.
Herr Kollege Uhl, Sie haben vollkommen recht: Ich
in Wahlkreisabgeordneter aus Köln und nicht aus Mün-
hen. Deshalb war ich gerade sehr besorgt bei dem Ge-
anken, dass Sie vielleicht die kulturellen Gewohnheiten
ayerns auf unsere Region übertragen wollen. Wie Sie
issen, haben wir Karneval, und zwar nicht nur an ei-
em Dienstag im Jahr, sondern das ist eine längere Ses-
ion. Gemeinhin verkleiden sich der Kölner und die Köl-
erin im Karneval und bemalen sich zuweilen auch das
esicht. In der Regel geschieht das bislang ohne Na-
ensschilder. Die Leute sind also nicht rückverfolgbar;
ie sind nicht deanonymisierbar. Planen Sie für den Köl-
er Karneval eine entsprechende rechtliche Regelung,
ie Sie sie für das Internet diskutieren? Müssen wir da-
it rechnen, dass die Närrinnen und Narren in Zukunft
it Namensschildern herumlaufen müssen?
Das ist eine sehr bedeutsame Frage, Herr Kollegeeck. Wir planen gar nichts.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14395
Dr. Hans-Peter Uhl
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– Auf dem Gebiet bestimmt nicht. Sie können das ganzeJahr über Karneval feiern. Das tun Sie manchmal auch.Ich empfehle Ihnen aber, die Entstehungsgeschichtedes Karnevals und auch der Fasnacht nachzulesen. Es isthochinteressant, welche Rolle und welche Ventilfunk-tion der Karneval in früheren Jahren hatte, als wir nochkeine freiheitliche Grundordnung wie heute hatten. Dahatte das Vermummen tatsächlich einen Grund, nämlichdass die Obrigkeit nicht erfuhr, wer welche Meinung äu-ßert.
Das ist gerade der Punkt, von dem ich hier rede. Wir ha-ben es in einem jahrhundertelangen Kampf geschafft,eine freiheitliche Gesellschaftsordnung zu erreichen. Beiuns herrscht Gedankenfreiheit. Die Gedanken sind frei,selbst Ihre, Herr Beck.
„Die Gedanken sind frei … kein Mensch kann sie wis-sen, kein Jäger erschießen … wir bleiben dabei: Die Ge-danken sind frei.“
Man kann sie äußern, auf der Straße, in Versammlungen,überall. Deswegen brauchen wir keine Anonymität. Wirwollen, dass jeder ein klares Bekenntnis abgeben kann.Niemand hat dadurch einen Nachteil, auch nicht im In-ternet.
Jetzt will ich – Herrn von Notz zuliebe – noch kurzauf die Vorratsdatenspeicherung eingehen. Sie habenviel falsches Zeug erzählt, Herr von Notz; das ist nichtdas erste Mal. Sie müssen einfach zwei Dinge zurKenntnis nehmen: Erstens. Die Europäische Union hatzu Recht darauf Wert gelegt, dass auch wir in Deutsch-land einer Mindestspeicherpflicht nachkommen. Zwei-tens. Sie haben fälschlicherweise behauptet, dass hierVerfassungswidrigkeit im Spiel sei. Das Bundesverfas-sungsgericht hat gesagt – dies ist, wenn ich es richtig inErinnerung habe, im Urteil unter Randnummer 208nachzulesen; Siegfried Kauder weiß es sicherlich aus-wendig –,
dass diese Vorratsdatenspeicherung dem Grunde nachverfassungsgemäß ist. Nur der Straftatenkatalog alsGrundlage dafür, in welchen Fällen man die Daten abru-fen kann, und die Art der Speicherung waren nicht kor-rekt. Das ist nachbesserungsbedürftig.
–adcwssZmKdcHdstemsgdeGszZKsZdnhMgdtrsvWte
Zum Schluss möchte ich noch zwei Punkte anspre-hen, die mir sehr wichtig sind: Piraterie und Integration.Wir werden uns, so hoffe ich, darin einig sein, dassir das Problem der Piraterie nicht lösen, indem wir un-ere Handelsschiffe mithilfe von Polizisten und Soldatenchützen. Das schaffen wir nicht. Wir müssen für diesenweck private Sicherheitsdienste zulassen. Das Gewalt-onopol des Staates reduziert sich in diesem Fall auf dieontrolle und Überwachung solcher Dienste,
as heißt auf den Zertifizierungsvorgang. Damit ist si-hergestellt, dass alles mit rechten Dingen zugeht.Mein letzter Punkt – damit komme ich zum Ende,err Präsident – ist das Thema Integration. Ich glaube,ie Bilder aus England haben uns gezeigt, dass wirchwere Fehler machen würden, wenn wir in unserer In-grationspolitik – wir finanzieren Integrationskurse mitehr als 200 Millionen Euro – nachlassen würden. Ent-cheidend ist: Auf der einen Seite muss es Repressioneben, und auf der anderen Seite muss es für Menschen,ie zu uns gekommen sind, Hilfe geben, damit sie sichingliedern und integrieren und damit Bestandteil dieseresellschaft werden können. Das ist unsere Aufgabe. Daind wir auf einem guten Weg.Danke schön.
Vielen Dank, Kollege Uhl. – Für die Fraktion der So-
ialdemokraten spricht jetzt unsere Kollegin Dagmar
iegler. Bitte schön, Frau Kollegin Ziegler.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrtenolleginnen und Kollegen! Herr Minister Friedrich isteit Anfang März dieses Jahres im Amt. Bis zu diesemeitpunkt hatte er mit den Herausforderungen Ost-eutschlands und den Anliegen der neuen Bundesländerichts zu tun – danach auch nicht. Leider hat man aucheute, ein halbes Jahr später, den Eindruck, der Herrinister wisse mit dem Osten so recht nichts anzufan-en. Als Bundesminister ist ihm aber die Koordinierunger Politik für Ostdeutschland übertragen. Der Beauf-agte der Bundesregierung für die neuen Länder unter-teht ihm. Das sage ich in Richtung Koalition, weil Sieielleicht gar nicht wissen – Sie haben nämlich keinort darüber verloren –, dass diese Aufgabe dort veror-t ist.
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Dagmar Ziegler
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Die systematische Benachteiligung der neuen Ländergeht unter Herrn Minister Friedrich ungehindert weiter.Es ist kein Wunder, dass auch er als zuständiger Ministerin seiner Rede kein einziges Wort über die neuen Länderverloren hat. Die aktuell und nur noch vorübergehend imAmt befindliche Bundesregierung interessiert sich ebennicht für Ostdeutschland. Umgekehrt – das ist das trau-rige Ergebnis – interessieren sich immer weniger Men-schen in Ostdeutschland für die Politik von Schwarz-Gelb, wie die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpom-mern bestätigt hat.Mein Fazit aus dem, was Sie vorgelegt haben, lautet:Diese Bundesregierung kann es einfach nicht. Es gibtkeine Gesamtstrategie, kein abgestimmtes Vorgehen,keine Idee, was das Entwickeln gleichwertiger Lebens-bedingungen in Deutschland betrifft. Kollege Korte hatbereits einiges dazu gesagt. Ich will noch einige wenigeBeispiele anfügen.Die Herausforderung des demografischen Wandelsund die Frage, wie die Politik eine schleichende Entvöl-kerung ganzer Landstriche verhindern will, sind mit ei-nem möglichen Landarztgesetz freilich nur angerissen.Soziologen können heute schon in vielen Gegenden imOsten besichtigen, wie in Zukunft viele andere ländlicheGegenden Westdeutschlands von Landflucht, hoher Ar-beitslosigkeit und kultureller Verödung bedroht seinwerden, falls es nicht gelingt, vor Ort eine funktionie-rende Infrastruktur zu erhalten mit einer regionalenWirtschaft und wohnortnahen Arbeitsplätzen, mit le-benswerten Dörfern und Mittelzentren, mit saniertenStädten und bezahlbarem Wohnraum.Im Unterschied zum Minister habe ich bis zur Som-merpause die neuen Länder bereist und in Erfurt,Schmalkalden, Genthin, Leipzig und Stralsund mit Bür-gerinnen und Bürgern, mit Mittelständlern, mit Hoch-schulvertretern und Lokalpolitikern gesprochen.Vom demografischen Wandel braucht man dort nie-mandem etwas zu erzählen. Die Menschen dort sindhochsensibilisiert und aktiviert. Fachkräftemangel ist al-lerorts ein Thema. Ein Konzept der Bundesregierung? –Fehlanzeige!In der Rubrik „Arbeit und Soziales“ wickelt die Bun-desarbeitsministerin die Bundesagentur für Arbeit imAlleingang ab. Keiner merkt es. Auch dies trifft die länd-lich geprägten Regionen mit überdurchschnittlich hoherArbeitslosigkeit besonders hart. In meinem Wahlkreis imnordwestlichen Brandenburg werden die Mittel für dieArbeitsmarktpolitik um ein Drittel zusammengestrichen.Bei den Jobcentern vor Ort fehlt das Geld für Weiterbil-dungen, Qualifizierungen, Umschulungen und öffentlichgeförderte Beschäftigung.Bundesweit haben die unsozialen Kürzungen im so-genannten Sparpaket der Bundesregierung – Anrech-nung des Elterngeldes, Wegfall der Zuschüsse zur Ren-tenversicherung bei Arbeitslosengeld-II-Empfängernoder die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistun-gen – ganz gravierende Auswirkungen. Im Osten schla-gen sie aufgrund der höheren Anzahl an Langzeitarbeits-loBRloadtiinstinEdskFqwdOuauvcrunDed6zmdSmschWdaZcgDalete
Wer so drastisch und pauschal streicht und keinerleiücksicht auf Landstriche nimmt, in denen die Arbeits-sigkeit unabhängig von der Konjunktur höher ist alsnderswo – das gilt für Ost und West, Nord und Süd –,er betreibt eine unverantwortliche und unsoziale Poli-k. Die Bundesarbeitsministerin ignoriert das. Was das volkswirtschaftlicher Hinsicht bedeutet – zum Bei-piel geringe Kaufkraft sowie Schwächung der Investi-onskraft der Kommunen –, wissen Sie offensichtlichicht.Ein ganz anderes Thema ist die Binnenschifffahrt.ine mutlose Politik schlägt gern heimlich dort zu, woie Bild-Zeitung nicht hinschaut; denn sie interessiertich eben nicht für die Binnenschifffahrt. Vielleicht aberommt das noch, und zwar dann, wenn die Truppe derDP anlässlich ihres nächsten Bundesparteitages be-uem in einem Gummiboot Platz findet und die Elbe ab-ärts schippert. Die Bundesregierung haut nämlich beier Binnenschifffahrt „zufällig“ nur bei Wasserstraßen instdeutschland zu
nd degradiert sie zu Restwasserstraßen. Dies wird un-bsehbare Folgen für die Unterhaltung, die Schiffbarkeitnd die Hafennutzung nach sich ziehen. Das alles istolkswirtschaftlicher Unsinn. Sie tun es trotzdem.Mein letztes Beispiel betrifft den Städtebau. Vergli-hen mit dem Jahr 2009 rasieren Sie die Städtebauförde-ng um 28 Prozent. Schon das dritte Jahr in Folge pla-en Sie massive Kürzungen bei der Städtebaupolitik.as wird für die lokale Wirtschaft und die Arbeitsplätzeinschneidende Folgen haben. Besonders hart trifft esas Programm „Soziale Stadt“. Hier wollen Sie mehr als0 Prozent der Mittel streichen. Das heißt, dass jedesweite Projekt ins Wasser fällt. Beim Stadtumbau Ostüssen fast 40 Prozent aller Projekte daran glauben. Beien Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen leistenie wirklich Radikales: Mehr als 70 Prozent der Bundes-ittel werden ersatzlos gestrichen.Damit aber nicht genug: Schwarz-Gelb ist entschlos-en, die sich gut entfaltende Bauwirtschaft und das örtli-he Handwerk im Osten vollends abzuwürgen. Auchierbei handelt es sich um volkswirtschaftlichen Unsinn.
eil Sie sich von einer aktiv gestaltenden Stadtpolitikes Bundes nicht nur quantitativ, sondern leider Gottesuch qualitativ verabschieden, schaden Sie dem sozialenusammenhalt. Merken Sie das? Nein. Weiterhin strei-hen Sie das erfolgreiche Programm „Perspektiven ge-en die Abwanderung Ost“ im Kinder- und Jugendplan.as Programm leistet gute Arbeit; darin waren wir unslle jedenfalls bislang einig. Die Mittel dafür werden al-rdings von 500 000 Euro auf 0 Euro gekürzt. Antwor-n dazu? Nein.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14397
Dagmar Ziegler
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Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem WestteilDeutschlands, all das steht auch den Menschen in IhrenWahlkreisen bevor. Der Osten ist nur der Probelauf füreine volkswirtschaftlich unsinnige, sozial unausgewo-gene und menschenverachtende Politik der Regierungvon Schwarz-Gelb, die es einfach nicht kann.
Wir wollen vernünftige Perspektiven, und zwar für dieMenschen in Ost und West, in Nord und Süd und vor al-lem für die strukturschwachen Regionen in ganzDeutschland.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dagmar Ziegler. – Jetzt
spricht für die Fraktion der FDP unsere Kollegin Gisela
Piltz. Bitte schön, Frau Kollegin Piltz.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der ein oder an-deren Rede könnte man glauben, wir hätten heute schonden 11. November 2011.
Da beginnt der Karneval. Heute ist aber erst der 6. Sep-tember 2011. Deshalb möchte ich Ihnen, Herr Präsident,im Namen des gesamten Hauses zu Ihrem heutigen Ge-burtstag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!
Es ist interessant, zu hören, was hier so alles gesagtwird. Wenn ich Frau Fograscher und Herrn Korte glau-ben darf,
dann haben wir auf Bundesebene auf einmal eine Zu-ständigkeit für Alltagskriminalität. Dafür ist der Bundmit der Bundespolizei aber gar nicht zuständig. Es istaber schön, dass Sie sich heute entsprechend geäußerthaben. Dann wissen wir nämlich, wohin Sie wirklichwollen.Herr Korte, ein Wort zur Glaubwürdigkeit der Linken– Sie blasen sich hier ja immer so auf –: Die Große Ko-alition in Brandenburg hat einst die Verschärfung desPolizeigesetzes beschlossen. Aber seitdem Sie dort mit-regieren, haben Sie nichts von dieser Verschärfung rück-gängig gemacht. So ist es um Ihre Glaubwürdigkeit be-stellt. Da sollten Sie sich fragen, ob Sie sich nicht ersteinmal an Ihre eigene Nase fassen müssen, bevor Sie an-deren etwas vorwerfen.
Von Berlin möchte ich gar nicht groß reden. Hierzuhat der Kollege Krings bereits alles gesagt. Wenn ich mirIhPnRliEnDenEDjegIceFrahKdguwislegvaumhineWDzSru
as ist keine konsequente Haltung, sondern ein Rum-iern.Zum TBEG ist bereits viel gesagt worden. Ich kannur noch einmal darauf hinweisen: Es ist eine rot-grünerfindung.
ann ist seine Geltungsdauer von Schwarz-Rot ohnede Prüfung und ohne jede Änderung einfach so verlän-ert worden.
h weiß, Sie erinnern sich nicht gerne daran, aber so ists gewesen.Es ist bereits von anderen gesagt worden, Frauograscher: Ihre wirklich konsequente Haltung zur Vor-tsdatenspeicherung ist schon beeindruckend. Da ste-en Kollegen im Deutschen Bundestag und weinen fastrokodilstränen wegen der Telefonerfassung in Dres-en, während Ihre Landesinnenminister gleichzeitig sa-en: Vorratsdatenspeicherung? Am besten noch längernd am besten für alles! – Das ist wirklich konsequent,as Sie hier liefern.
Herr Kollege Hartmann, der Burn-out bei der Polizeit sicher ein ernstes Thema, gar keine Frage. Aber viel-icht sollten wir uns alle – und ich meine wirklich alle –emeinsam fragen, ob das nicht auch daran liegt, dassor allem in den SPD-regierten Ländern Polizeistellenbgeschafft worden sind
nd dass als Folge dessen die Bundespolizei mehr leistenuss, zum Beispiel bei den Ermittlungen im Zusammen-ang mit brennenden Autos in Berlin oder an der Grenze Brandenburg. Das ist eine Frage, mit der wir unsrnsthaft auseinandersetzen sollten, aber nicht in dereise, wie Sie das hier ansatzweise dargelegt haben.as wäre konsequent.Hinsichtlich der Innenpolitik beweisen wir jetzt seitwei Jahren eine konsequente Haltung. Freiheit undicherheit passen zusammen. Die Haushaltskonsolidie-ng steht dazu nicht in Widerspruch.
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14398 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Gisela Piltz
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Wir haben ELENA – darüber wurde schon gespro-chen; auch das ist eine rot-grüne Erfindung – abge-schafft. Ich finde, Sie könnten uns auch einmal dafür lo-ben, dass wir etwas tun, und sollten nicht schon wiedernachtreten.
Wir haben außerdem beim Bundesdatenschutzbeauftrag-ten nicht gespart. Das ist mehr, als die SPD je erreichthat. Die Stiftung Datenschutz wird kommen, keineSorge.
Auch das ist mehr, als Sie in Ihrer Regierungszeit je zuträumen gewagt haben.Weil meine Redezeit gleich zu Ende ist, kurz nochzwei Punkte.Herr von Notz, zur Vorratsdatenspeicherung: Ihregrünen Kollegen in Baden-Württemberg haben, obwohlsie gar nicht zuständig sind, im Koalitionsvertrag verein-bart, die Regelung betreffend die Vorratsdatenspeiche-rung nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts um-zusetzen. Das ist wirklich konsequent, was Sie hiergemacht haben. So sind wir alle, aber Sie im Besonde-ren. Sie machen in den Ländern etwas anderes, als Siehier großartig verkünden. Das funktioniert nicht.Eine Anmerkung zum Sport. Wir haben im Sportbe-reich nicht gekürzt. Ob man zum Thema Olympia sosprechen sollte, wie Sie es getan haben, Frau Fograscher,müssen Sie wissen. Ich fand es wirklich unangemessen.Abschließend noch ein paar Zahlen, weil wir in denHaushaltsberatungen sind. Es ergibt sich für 2012 eineSteigerung der Ausgaben um 4,4 Millionen Euro gegen-über dem Jahr 2009,
also dem letzten Jahr vor Übernahme der Verantwortungdurch die christlich-liberale Bundesregierung. Dasmacht ein Plus von 1,87 Prozent. Ich finde, das kann sichin Zeiten der Haushaltskonsolidierung sehen lassen. Wirarbeiten daran, unsere Politik für Freiheit und Sicherheitsowie die Haushaltskonsolidierung konsequent fortzu-setzen. Das ist unser Markenzeichen, und das können Sieuns nicht kaputtreden.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Piltz. – Jetzt spricht für
die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Jürgen
Herrmann. Bitte schön, Kollege Jürgen Herrmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutie-ren heute das erste Mal über den Haushalt 2012 für denBSvgabgchwmßwKMmdHzrüdruareh1vdhpGDinEBnnsaBdzgedhtigdb
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14399
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gern auf unbeteiligte Personen, zum Beispiel in U-Bah-nen. Ich glaube, mittlerweile sind wir an einem Punktangekommen, an dem wir verstärkt eine harte Bestra-fung derjenigen fordern und auch durchsetzen müssen,die für diese Straftaten verantwortlich sind. Das sindkeine Kavaliersdelikte, keine Jugendsünden, sondernDelikte wie versuchter Mord oder Totschlag, die geahn-det werden müssen.
Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, ein Themaanzusprechen, das hier eben für Aufregung gesorgt hat:die Delikte im Zusammenhang mit dem Abfackeln vonAutos in Berlin. In diesem Jahr sind in Berlin bereitsmehr als 500 Autos abgebrannt. Das Ganze hat mit linksmotivierten Straftaten angefangen, die nur die Zerstö-rung zum Ziel hatten. Mittlerweile ist es – das sage ichhier ganz bewusst – aufgrund der Nachlässigkeit derBerliner Polizeiführung und der Politik dazu gekommen,dass viele Nachahmer auf den Zug aufgesprungen sindund immer mehr Autos brennen.
Die Berliner Polizei und insbesondere die politischeFührung wären gut beraten, endlich die Führungsquere-len, die bei der Besetzung des Postens des Polizeipräsi-denten auftreten, zu beenden und nicht nur auf die Stra-tegie der Deeskalation und der Verharmlosung zu setzen,sondern konsequent gegen die Straftäter vorzugehen.
Ich kann es daher gut verstehen, dass InnensenatorKörting die Bundespolizei zu Hilfe ruft. Mittlerweilesetzen wir 360 Bundespolizisten bei der Verfolgung derStraftäter ein. Es ist ein riesiges Problem, diesen Um-stand zu erklären, wenn man bedenkt, wie viele Stellenbei der Berliner Polizei abgebaut wurden. Aber der Bundist ständig bereit – Herr Innenminister, dafür bin ich Ih-nen dankbar –, den Ländern zur Seite zu stehen, wenn esdarum geht, die Dinge aufzuarbeiten. Das kostet Geld.Jährlich werden circa 750 Bundespolizisten zur Unter-stützung der Länderpolizeien abgestellt.
– Ja, Sie zahlen dafür. Das sollten Sie Ihrem Innensena-tor einmal vorrechnen. Das sind pro Woche Kosten inHöhe von 250 000 Euro, im Monat sind das 1 MillionEuro. Für dieses Geld könnte man wieder einige Stellenschaffen. Das sollten Sie sich auf die Fahnen schreiben.Wir geben auch noch zusätzlich 12 Millionen Euro fürdie Sachausstattung der Länderpolizeien aus.Die Umstrukturierung der Bundespolizei schreitetweiter voran. Wir orientieren uns daran, was notwendigist. Dort, wo Aufgaben wegfallen, tragen wir dem Rech-nung. Ich nenne den Wegfall von Grenzkontrollen. DieSsfrJDmeMte3EbduewliligzddzesnaAhwMIcFzrekbDdHbteauKu
Zwischenzeitlich hat der Haushaltsausschuss30 Planstellen freigegeben, davon 250 Planstellen iminzelplan 06. Die Arbeitsorganisation ist für die Aufga-en gerüstet. Wir werden uns im Laufe des Jahres nocharüber unterhalten müssen, wie es im Bereich Personal-nd Sachausstattung weitergeht. Wo wir noch Synergie-ffekte zwischen Zoll und Polizei erreichen können,erden wir sie sicherlich nutzen.Zwei Anmerkungen habe ich noch, die mich persön-ch als Polizeibeamten betreffen. Beförderungen im Po-zeibereich werden immer nach Leistung und Befähi-ung ausgesprochen. Bei der Bundespolizei sind wirurzeit an einem Punkt angelangt, an dem es mit Beför-erungen teilweise recht schwierig wird. Das wurde überie Parteigrenzen hinaus anerkannt. Im Bereich der Poli-eiobermeister – Besoldungsgruppe A 8 – gibt es einenrheblichen Stau bei den Beförderungen nach A 9. Ichage an dieser Stelle noch einmal: Es ist für mich nichtachvollziehbar, dass ein Beamter nach 40 Dienstjahrenuf Streife, wo er hervorragende Arbeit geleistet hat, mit 8 in Pension geht. Wir werden uns über Parteigrenzeninweg – das ist bereits von den Haushältern signalisiertorden – darüber unterhalten müssen, wie wir diesenissstand beheben.
h danke den Gewerkschaften dafür, dass sie in diesemall sogar bereit waren, die Leistungszulage sozusagenur Verfügung zu stellen. Wir haben in diesem Bereichchtliche Probleme, die wir nicht so schnell aufarbeitenönnen, aber wir arbeiten an einer Lösung.Mein letzter Satz geht an einen lieben Kollegen. Ichin froh, dass er heute wieder hier ist. Lieber Peteranckert, nach deiner Krankheit bin ich heilfroh, dassu wieder zurück bist. Du hast heute hier noch nicht alsauptberichterstatter zum Einzelplan 06 gesprochen. Ichin aber der festen Überzeugung, dass du bei der nächs-n Haushaltsdebatte deine Rede halten wirst. Ich unduch die Kollegen, denke ich, wünschen dir alles Gute,nd wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.
Vielen Dank. – Alle guten Wünsche gehen an denollegen Dr. Peter Danckert. Wir wünschen alles Gutend vor allem Gesundheit.
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14400 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Vizepräsident Eduard Oswald
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Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundes-ministeriums des Innern. Weitere Wortmeldungen liegenzu diesem Einzelplan nicht vor.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums der Justiz, Einzelplan 07.Ich gehe nach der Rednerliste vor, die mir vorliegt.Als Erstes hat sich gemeldet unsere Bundesministerin,Frau Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-ministerin der Justiz:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Bilanz der Rechtspolitik dieser Koalitionkann sich wirklich sehen lassen: Korrektur des § 160 ader Strafprozessordnung, Abschaffung der Netzsperren,Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung, Einfüh-rung der Verzögerungsrüge gegen überlange Gerichts-verfahren, Aufhebung des Vorbehalts gegen die UN-Kinderrechtskonvention, Verbesserung des Vormund-schaftsrechts zur besseren Betreuung von Kindern, In-solvenzrechtsverfahren, Opferrechtsschutzgesetz mitVerlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist auf30 Jahre – das liegt zur Beratung vor – und der vor kur-zem gefasste Beschluss der Bundesregierung zur Schaf-fung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung.
Das alles sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass dieseBundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfrak-tionen erfolgreich arbeiten,
und zwar auf der Grundlage eines Dreiklangs: Grund-rechte stärken, Rechtsschutz verbessern, Rechte der Bür-gerinnen und Bürger ausbauen.In dieser Legislaturperiode ist es erstmals gelungen,das Stakkato immer neuer Sicherheitsgesetze zu been-den. Wir setzen auf der Grundlage der Gesetze, die nochvon Rot-Grün stammen, –
– jetzt erstmals eine Regierungskommission ein, die sichmit einer kritischen Gesamtbetrachtung der Gesetzge-bung seit 9/11, also mit der Gesetzgebung der letztenzehn Jahre, befasst. Dazu werden natürlich auch die Si-cherheitsgesetze gehören. Das Luftsicherheitsgesetz warein „Riesenerfolg“ von Rot-Grün. Ich habe immer nochdie Worte von Herrn Ströbele im Ohr. Er hat gesagt: Wirhaben dem Gesetz zugestimmt; wir haben das Richtigegewollt, aber wir haben die falsche Formulierung insGesetz genommen. – Das Bundesverfassungsgericht hatsich an der Formulierung des Gesetzes orientiert und esinsofern für verfassungswidrig erklärt. Jetzt werden derBundesinnenminister und ich uns gemeinsam mit denGesetzen auseinandersetzen.WMwwazWHMdwInsBpgBrutrddcimbs–sdmdvtidagdwgknruzhBdti
ir werden das nicht eins zu eins fortsetzen, was diearschroute früherer Koalitionen war, sondern fragen,as die Gesetze gebracht haben und wie wir sie zu be-erten haben. Dies geschieht mit dem Ziel – das stehtusdrücklich im Kabinettsbeschluss –, zu Änderungenu kommen.Wir lassen uns dabei von einer Aussage Richard voneizsäckers leiten. Im Anschluss an die Worte vonerrn Dahrendorf, die der Bundesfinanzminister heuteorgen zitiert hat – das war hervorragend –, möchte ichie Worte Richard von Weizsäckers anführen, von denenir uns leiten lassen:Die Freiheit ist kein Geschenk, von dem man billigleben kann, sondern Chance und Verantwortung. diesem Geiste arbeiten wir konstruktiv und gut zu-ammen. Uns ist nicht das unterlaufen, was Rot-Grün inaden-Württemberg bei den Koalitionsverhandlungenassiert ist. Dort hat Rot-Grün in voller Überzeugungeschrieben: Jetzt setzen wir gemeinsam das Urteil desundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeiche-ng um.
Ich erwarte von Ihrer Seite mehr konstruktive Bei-äge, wie wir in der EU erfolgreich verhandeln können,amit am Ende des Evaluierungsprozesses etwas steht,as wir hier, im Bundestag, umsetzen können. Die Chan-en, die mit der Evaluierung verbunden sind, sollte man Rahmen gemeinsamer Beratungen nutzen.Lassen Sie mich angesichts der Tatsache, dass die De-atte in dieser Woche von der Frage nach der europäi-chen Integration beherrscht wird, einen Blick auf dielassen Sie mich das so nennen – zunehmende Europäi-ierung des Rechts werfen; denn wir haben es im Bun-estag in vielen rechtspolitischen Auseinandersetzungenit europäischen Entwicklungen und Vorgaben zu tun,ie wir umzusetzen haben. Andererseits entsteht eineerantwortungsbewusste und gestalterische Rechtspoli-k gerade dann, wenn wir uns, wie die Bundesregierungas in dieser Legislaturperiode macht, in den Beratungenuf europäischer Ebene, zum Beispiel im Justizrat, alsanz aktiven Faktor verstehen und dort Entscheidendesurchsetzen. Das ist insbesondere in den Bereichen not-endig, in denen man in den letzten Jahren in die Sack-asse geraten ist. Wir müssen aus der Sackgasse heraus-ommen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhangur die Beschuldigtenrechte als Antwort auf die Einfüh-ng des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung justi-ieller Entscheidungen nennen.Seit dem letzten Jahr haben wir endlich Regelungeninsichtlich der Dolmetscherarbeit und hinsichtlich derelehrungspflichten. Diese wurden dank des Einsatzeser Bundesregierung und unseres Engagements im Jus-zrat ausgedehnt. Jetzt geht es aber auch um die Verbes-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14401
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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serung des Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand.Dazu liegt ein guter Vorschlag der Kommission vor. Ge-rade wenn wir Vertrauen in Europa, in diesen Raum derFreiheit, der Sicherheit und des Rechts schaffen wollen,müssen wir wissen, dass Vertrauen nur entstehen kann,wenn der Bürger seine Rechte in diesem europäischenRechtsraum auch wahrnehmen kann.
Das hat zu ganz konkreten Erfolgen geführt. Die Bun-desregierung hat sich auch auf europäischer Ebene mitNachdruck dafür eingesetzt, dass in der Richtlinie zumVorgehen gegen Kindesmissbrauch und Kinderporno-grafie verpflichtend das Löschen enthalten ist, dass esaber keine verpflichtende Vorgabe zum Sperren dieserInhalte gibt. Darüber haben wir im Zusammenhang mitdem Zugangserschwerungsgesetz sorgfältig beraten. Daswar nicht immer leicht. Letztendlich haben wir uns da-von verabschiedet, eine Netzinfrastruktur aufzubauen.Das ist jetzt auch die Haltung der Europäischen Union.
Bestimmt wäre es nicht dazu gekommen, wenn sichdiese Bundesregierung nicht gemeinsam mit Nachdruckdafür eingesetzt hätte.
Das gilt aber auch für den Bereich der Verbraucher-schutzrechte. Hier verhandeln wir natürlich so nach-drücklich, damit das, was wir jetzt schon national durchein Mehr an Aufklärung und Transparenz sowie durchdie Einführung einer Button-Lösung gegen unseriöseAngebote im Internet einbringen, auch in der Verbrau-cherschutzrichtlinie der Europäischen Union enthaltensein wird. Weil wir aber den Abschluss der Beratungennicht abwarten wollen, haben wir im Kabinett einen Ge-setzentwurf verabschiedet, der genau diese Button-Re-gelung beinhaltet.Die Parlamente spielen natürlich in allen Fragen dereuropäischen Integration eine sehr große Rolle; denn mitÜberwindung der Drei-Säulen-Struktur kommt dem EPeine herausragende Bedeutung zu. Ich sage an dieserStelle aber auch: Die Bundesregierung hat dank der Un-terstützung des Parlaments durch Stellungnahmen, dieder Bundesregierung nicht in jedem Punkt gefallen mö-gen, in den Verhandlungen auf europäischer Ebene vie-les besser durchsetzen können.Ich glaube, so ist die Rolle der Parlamente und auchdes Bundestages zu sehen, nämlich sich sehr früh einzu-bringen. Wir wollen dies in dem anderen schwierigenBereich der Stabilitätsmechanismen erreichen. Das Bun-desverfassungsgericht hat diese Rolle bisher immer ge-stärkt. Wir als Bundesregierung haben gesagt: Nicht nurdie Parlamente sollen eine starke Rolle spielen, sondernauch die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb haben wir dieGrundlagen mit geschaffen, dass es die EuropäischeBürgerinitiative geben kann. Auch das haben wir im Ka-binett beschlossen.IhRtiLMtijesGS„sBMsdbakStechsssrurefüDu
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Für die Frak-
on der Sozialdemokraten unser Kollege Burkhard
ischka. Bitte schön, Kollege Lischka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frauinisterin, als Sie vor knapp zwei Jahren zur Bundesjus-zministerin ernannt wurden, fanden Sie – fast so wietzt – schnell große Worte. In einem Stern-Interviewprachen Sie damals davon, dass von jetzt an ein anderereist in der Rechtspolitik herrsche.
ie sagten wörtlich:Ich spüre, dass meine Ernennung zur Justizministe-rin also viele mit Hoffnung erfüllt.Ich bin Löwin. Ich bin kämpferisch“, riefen Sie damals.
Das waren große Worte, aber nach zwei Jahren wis-en wir: Das war viel heiße Luft und wenig Substanz.austellen in der Rechtspolitik, wohin man auch schaut!anche Baustelle ist nach zwei Jahren zur Dauerbau-telle verkommen, auf der sich nichts tut. Hin und wie-er tauchen ein paar schwarz- und gelbgekleidete Bauar-eiter auf diesen Baustellen auf, aber nicht um fröhlichns Werk zu gehen, sondern um sich zu raufen und zueilen. Mittendrin ist die Baustellenleiterin Leutheusser-chnarrenberger, die den schwarzgekleideten Bauarbei-rn zuruft, sie würden unverantwortliche Stimmung ma-hen. Postwendend schallt es von der schwarzen Ko-orte zurück, die Baustellenleiterin sei tatenlos, und dentaunenden Passanten wird erklärt, die Baustellenleiterinei inzwischen zum Sicherheitsrisiko auf dieser Bau-telle geworden.Das Versagen dieser schwarz-gelben Bundesregie-ng betrifft nach zwei Jahren alle Politikbereiche unse-s Landes, aber die Rechtspolitik ist zum Paradebeispielr das geworden, was dieser Bundesregierung vor alleningen fehlt: ein Fundus an Gemeinsamkeiten, ein Plannd der Wille, Dinge anzupacken und zu gestalten.
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14402 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Burkhard Lischka
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Stattdessen erleben wir seit zwei Jahren immerwähren-den Streit, nervtötende Auseinandersetzungen und Ta-tenlosigkeit, wohin man auch schaut. Das ist die Bilanzvon zwei Jahren schwarz-gelber Rechtspolitik hier imLand. Das ist die Bilanz von zwei verlorenen Jahren. Essind zwei verlorene Jahre, beispielsweise für alle, die aufeine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspart-nerschaften warten.
Es sind zwei verlorene Jahre für alle, die auf eine verfas-sungskonforme Regelung zur Vorratsdatenspeicherungwarten. Es sind zwei verlorene Jahre für alle, die auf einmodernes Sorgerecht für nichteheliche Väter warten.Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichtswar über ein Jahr lang, bis zum August dieses Jahres,folgende Aussage auf der Internetseite des Bundesjustiz-ministerium eingestellt – ich darf zitieren –:Das Bundesjustizministerium arbeitet an einer ge-setzlichen Neukonzeption … zum … Sorgerecht …Die intensiven Gespräche mit Rechts- und Fami-lienpolitikern der Regierungskoalition werden zü-gig fortgesetzt.Ich weiß nicht, Frau Ministerin, was Sie unter „zügig“verstehen. Auf der Internetplattform der FDP ist nocham heutigen Tag Ihre Ankündigung zu lesen, „in der ers-ten Jahreshälfte 2011“ – so wörtlich – einen Gesetzent-wurf zum Sorgerecht vorlegen zu wollen. Frau Ministe-rin, man hat vielleicht einfach nur vergessen, in IhremAmtszimmer einen neuen Jahreskalender aufzuhängen.
Ich persönlich glaube das allerdings nicht; denn dieganze Sache ist Ihnen offensichtlich inzwischen selberpeinlich. Vor einigen Tagen jedenfalls wurde der Satzvon den zügigen und intensiven Gesprächen von der In-ternetseite des Bundesjustizministeriums gelöscht. Aberdas Löschen auf Internetseiten des Bundesjustizministe-riums, Frau Ministerin, ist noch keine erfolgreicheRechtspolitik.
Deshalb sage ich Ihnen: Machen Sie endlich Ihre Haus-aufgaben, und legen Sie dem Deutschen Bundestag zü-gig einen Gesetzentwurf für ein modernes Sorgerechtvor! Hunderttausende betroffene Väter, Mütter und Kin-der warten schon viel zu lange darauf.Wir warten übrigens auch, Frau Ministerin, auf einGesamtkonzept zur Sicherungsverwahrung für höchstge-fährliche Gewalt- und Sexualstraftäter. Auch da habenSie wertvolle Zeit verstreichen lassen.AJSgsLBssnvragmeLgsbIhkddreRlareVSnFruthgLmEhFnwgfeuJucP
ls das Bundesverfassungsgericht Anfang Mai diesesahres ein solches Gesamtkonzept anmahnte, kündigtenie an, sofort mit den Ländern die gesetzlichen Grundla-en zu schaffen und aufs Tempo drücken zu wollen. Sieagten den Ländern jegliche Unterstützung zu. Als dieänder Sie allerdings baten, sofort eine gemeinsameund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, verhallte die-er Ruf zunächst einmal, und Sie reagierten nicht.Nach einem Vierteljahr haben Sie dann ohne Rück-prache mit den Ländern wie Kai aus der Kiste ein soge-anntes Eckpunktepapier zur Sicherungsverwahrungorgelegt und waren dann offensichtlich ganz über-scht, als es von allen 16 Bundesländern parteiüber-reifend Kritik hagelte. Verantwortungslose Stimmungs-ache haben Sie diese Kritik genannt. Dabei hätte unsin koordiniertes Vorgehen von Anfang an, wie von denändern gefordert, das Hickhack, das wir in diesen Ta-en erleben, ersparen können, und wir wären im Zeitplanchon erheblich weiter, Frau Ministerin.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ich darf Sie bitten,ei diesem Thema in sich zu gehen. Wenn alle Ländernen derzeit vorwerfen, Sie hätten noch kein Gesamt-onzept zur Sicherungsverwahrung vorgelegt, dann istas keine billige Stimmungsmache, wie Sie meinen, son-ern schlicht und einfach zutreffend. Sie denken in Ih-m Eckpunktepapier über zahlreiche Lockerungen undechtsmittel, über Freigang, Hafturlaub und sogar Ent-ssung von Sicherungsverwahrten nach, und Sie habencht: Das Bundesverfassungsgericht macht uns hierorgaben, die wir als Gesetzgeber beachten müssen.
Wer, wie Sie, verpflichtet ist, ein Gesamtkonzept zuricherungsverwahrung vorzulegen, der kann hier dochicht stehen bleiben, sondern muss sich auch mit derrage beschäftigen, was man mit den zahlreichen Siche-ngsverwahrten machen soll, die sich überhaupt nichterapieren lassen wollen und jede Mitwirkung verwei-ern. Da muss der Gesetzgeber doch klarstellen, dassockerungen oder gar Entlassung nicht in Betracht kom-en, sonst drohen überraschende und ungerechtfertigtentlassungen von Gewalt- und Sexualstraftätern. Daraufaben die Länder vollkommen zu Recht hingewiesen.rau Leutheusser-Schnarrenberger, dieser Staat hat nichtur eine Verantwortung gegenüber den Sicherungsver-ahrten, die sich in seiner Obhut befinden, sondern auchegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern und den Op-rn von Gewalt- und Sexualdelikten.Frau Ministerin, meine Damen und Herren von Unionnd FDP, vergeuden Sie nicht, wie in den letzten zweiahren, weiter Ihre Energie in vollkommen sinnlosennd nervtötenden Auseinandersetzungen, sondern ma-hen Sie das, wofür Sie als Regierung gewählt wurden:acken Sie die Probleme in der Rechtspolitik an, arbei-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14403
Burkhard Lischka
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ten Sie sie ab, und präsentieren Sie dem Deutschen Bun-destag Lösungen, die diesen Problemen gerecht werden!
Sie haben schon viel zu viel Zeit vertrödelt. Wenn Sie soweitermachen, dann droht auf Ihren Baustellen wirklichEinsturzgefahr.
Vielen Dank, Kollege Burkhard Lischka. – Jetzt für
die Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin Andrea
Voßhoff. Bitte schön, Frau Kollegin Voßhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LieberKollege Lischka, Sie brauchen keine Angst vor Einsturz-gefahr zu haben. Wenn man all das, was Sie zu der Frageaufgelistet haben, was wir noch tun wollen und tun müs-sen, und all das, was die Ministerin zu der Frage aufge-listet hat, was wir schon getan haben,
zusammennimmt, ist das schon der komplette Koali-tionsvertrag. Eine Legislaturperiode dauert vier Jahre.Warten Sie es ab! Über die Punkte, die Sie angesprochenhaben, werden wir hier noch miteinander diskutieren.
Ich würde die Haushaltsdebatte gerne zu zwei grund-sätzlichen Vorbemerkungen zur Rechtspolitik nutzen;das erlauben Sie mir. Die Rechtspolitik – von A wie Ak-tienrecht bis Z wie Zugangserschwerungsgesetz – istQuerschnittspolitik. Neben unseren klassischen Kernfel-dern – sie sind in der Rechtspolitik sehr umfangreich –gibt es, glaube ich, kaum ein Gesetzgebungsvorhabendieses Parlaments, bei dem wir nicht mitberatend tätigsind. Im Vergleich zum kleinen, feinen Justizhaushalt istdie Rechtspolitik ein sehr umfassendes Feld.Die Ministerin hat es erwähnt: Auch bedingt durchden Vertrag von Lissabon ist der Bereich der europäi-schen Gesetzgebung ein stetig wachsendes Themenfeld,dem wir uns als Parlament stellen. Ich glaube, derRechtsausschuss gehört zu den wenigen Ausschüssen,die schon seit Jahren einen Unterausschuss haben, dersich ausschließlich mit europäischen Gesetzgebungsvor-haben beschäftigt. Wer diesen Unterausschuss kennt undweiß, wie umfangreich seine Tagesordnung ist, der darfan dieser Stelle den Kollegen und Kolleginnen allerFraktionen für ihre intensive Arbeit in diesem so wichti-gen Unterausschuss unter Vorsitz meines Unionskolle-gen Professor Sensburg danken.WfrsinzDfaremkawRBgBliVdmre7nVDGzAedimwintaDÜWsdlevuVdn
Die Stellungnahmen des Rechtsausschusses sind imesentlichen in diesem Unterausschuss, oftmals auchaktionsübergreifend, erarbeitet und gemeinsam verab-chiedet worden. Dies zeigt mehr als deutlich – das wird der öffentlichen Diskussion aber leider viel zu wenigur Kenntnis genommen –, dass die Rechtspolitiker deseutschen Bundestages mit sehr viel Engagement undchlichem Einsatz die parlamentarischen Mitwirkungs-chte in europäischen Fragen wahrnehmen. Meine Da-en und Herren Kollegen, vielleicht sollten wir uns stär-er dafür einsetzen, dass über diese Stellungnahmenuch im Plenum des Bundestages häufiger diskutiertird. Die Inhalte wären es allemal wert.
Eine zweite Vorbemerkung sei mir erlaubt. Da wir imahmen der Haushaltsberatungen auch den Etat desundesverfassungsgerichts beraten, darf ich die Gele-enheit nutzen, vor dem anstehenden 60. Geburtstag desundesverfassungsgerichts ein paar Worte dazu zu ver-eren.
on 1951 – seitdem besteht das Gericht – bis zum Endees Jahres 2010 hat sich das Bundesverfassungsgerichtit über 188 000 Verfahren beschäftigt. 182 000 Verfah-n waren Verfassungsbeschwerden der Bürger. Knapp0 Prozent der Verfahren konnten bereits im ersten Jahrach ihrem Eingang abgewickelt, weitere 20 Prozent dererfahren innerhalb von zwei Jahren beendet werden.iese Zahlen belegen einerseits die hohe Akzeptanz deserichts beim Bürger, andererseits aber auch die Effi-ienz des Gerichts bei der Abarbeitung der Verfahren.Noch viel beeindruckender finde ich, welch hohesnsehen sich das Bundesverfassungsgericht in 60 Jahrenrarbeitet hat. Es hat von Beginn seiner Arbeit als Hüterer Verfassung bis heute – auch in diesen Tagen – immer Spannungsfeld zur Politik gestanden. Nicht minderichtig war und ist aber auch, dass das höchste Gericht der Gesellschaft die notwendige Entscheidungsakzep-nz genießt.Hans Vorländer, Politikwissenschaftler an der Uniresden, hat in einem lesenswerten Beitrag unter derberschrift „Regiert Karlsruhe mit?“ in der Beilage derochenzeitung Das Parlament das Spannungsfeld zwi-chen Bundesverfassungsgericht und Politik, aber auchen Stellenwert des Gerichts in der Gesellschaft be-uchtet. Er führt aus, wie das Bundesverfassungsgerichton Beginn an immer auch in der Kritik der Politik standnd sich seine Position über die Deutungshoheit über dieerfassung errungen hat.Vorländer beschreibt, wie Anfang der 60er-Jahre deramalige Bundeskanzler Adenauer mit dem Projekt ei-es Fernsehsenders auf Bundesebene vor dem Verfas-
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Andrea Astrid Voßhoff
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sungsgericht scheiterte. Das Bundesverfassungsgerichtstellte fest, dass die Rundfunkgesetzgebung Sache derLänder sei und dem Bund die Gesetzgebungskompetenzfür die Gründung eines Regierungsfernsehens fehle.Adenauer, so Vorländer, erklärte daraufhin, das Kabinetthabe einstimmig beschlossen, dass das Urteil des Bun-desverfassungsgerichts falsch sei. Das Bundesverfas-sungsgericht versuchte, sich des Angriffs der Exekutivezu erwehren. Der damalige Präsident, Gebhard Müller,hielt fest, dass kein Verfassungsorgan befugt sei, zu be-schließen, ein Spruch des Bundesverfassungsgerichtsentspreche nicht dem Verfassungsrecht.Im Laufe der Jahre ist es dem Verfassungsgericht inbeeindruckender Weise gelungen, ein hohes Maß an Ver-trauen in der Öffentlichkeit zu erwerben. Das Span-nungsfeld zur Politik ist geblieben. Das muss auch sosein. Die Aufgabe als Hüter der Verfassung hat das Ver-fassungsgericht bis heute in überzeugender Weise erfüllt.Dazu kann man nur gratulieren.
Die Haushaltsdebatte in diesem Jahr ist auch so etwaswie eine Halbzeitbilanz der Koalition, auch im Bereichder Rechtspolitik.
Frau Kollegin Voßhoff, gestatten Sie eine Zwischen-
frage unseres Kollegen Jörg van Essen?
Gerne.
Liebe Frau Kollegin Voßhoff, nachdem Sie, wie ich
finde, das Bundesverfassungsgericht zu Recht besonders
gelobt haben, frage ich: Teilen Sie meine Auffassung,
dass es eine gute Zusammenarbeit zwischen den Verfas-
sungsorganen geben sollte und deshalb auch das Bun-
desverfassungsgericht bei Terminierungen auf seit lan-
gem feststehende Termine des Bundestages Rücksicht
nehmen sollte? Das Budgetrecht ist das Königsrecht des
Parlaments und die Debatte zum Haushalt der Bundes-
kanzlerin in jedem Jahr eine der Sternstunden des Parla-
ments. Teilen Sie meine Auffassung, dass man das bei
der Verkündung von wichtigen Urteilen berücksichtigen
sollte?
Herr Kollege, ich teile diese Auffassung zu 100 Pro-
zent und gehe noch einen Schritt weiter. Der Festakt zum
60-jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts
findet wiederum in einer Sitzungswoche und dann auch
noch an einem Mittwoch statt, an dem der Rechtsaus-
schuss tagt. Auch das finde ich sehr bedauerlich. Viel-
leicht könnten wir das irgendwann einmal entsprechend
kommunizieren, damit sich das ändert.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
frage, nämlich unseres Kollegen Volker Beck?
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abei hat es der Bundestag nicht geschafft, innerhalb
er dreijährigen Frist ein Gesetz zur Änderung des Bun-
eswahlgesetzes mit Mehrheit zu beschließen. Deshalb
enkt sich vielleicht das Bundesverfassungsgericht:
enn wir in Karlsruhe denen schnurz sind, dann sind die
Berlin uns auch schnuppe.
Herr Kollege Beck, ich traue dem Bundesverfas-ungsgericht eine so niedere Denkweise, wie Sie sie ge-de insinuieren, einfach nicht zu.
Zur Halbzeitbilanz der Rechtspolitik der christlich-li-eralen Koalition hat die Ministerin schon Ausführun-en gemacht und dargelegt, was wir abgearbeitet habenzw. was zurzeit sozusagen im Rohr ist. Ich will nochie Reform des Mietrechts nennen, zu der uns mittler-eile ein Referentenentwurf vorliegt. Das ist neben demlassischen Kernfeld Mietrecht etwas, das für uns beson-ers wichtig ist, um die Energiewende in Deutschlandirklich festzumachen. Sie haben bei Ihrem Beschlussum Atomausstieg schlicht und ergreifend vergessen,ich um die Fragen der erneuerbaren Energien in allenereichen zu kümmern. Wir haben die Reform des Miet-chts mit in Angriff genommen, um eben auch im Ge-äudebereich Energieeffizienz einziehen zu lassen.Wir wissen, dass der Gebäudebereich für 40 Prozentes deutschen Energieverbrauches und ein Drittel derO2-Emissionen verantwortlich ist. Wir wollen deshalbit der Reform des Mietrechts Energieeffizienz bei derebäudesanierung stärken und nach vorne bringen.Das Insolvenzrecht ist bereits angesprochen worden.abei sind wir kurz vor dem Abschluss und haben, wieh finde, nicht nur ein gutes Gesetz auf den Weg ge-racht. Es wird im Bereich der Wirtschaftsordnung, umie sich die Rechtspolitik auch kümmert, sehr weit rei-hende und tragende Möglichkeiten zur Sanierung vonnternehmen in Deutschland schaffen.Eine weitere wichtige Wegmarke unserer Rechtspoli-k ist der bessere Schutz der Bürger vor Straftaten under Opferschutz. Ich erlaube mir an dieser Stelle, erneut
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zu erwähnen, dass wir die Verbesserungen für die Opferdes SED-Regimes im Strafrechtlichen Rehabilitierungs-gesetz mittlerweile verabschiedet haben. Es ist in-zwischen in Kraft getreten. Wir haben nicht nur die An-tragsfristen verlängert, sondern auch den Bezug derOpferpension für die Betroffenen verbessert. Ich freuemich sehr, wenn ich immer wieder Zuschriften von Bür-gern bekomme, die aufgrund dieser Verbesserung jetzt inden Genuss der Opferpension gekommen sind, was vor-her nicht der Fall war.Es ist wichtig und notwendig, auch in einer Haus-haltsdebatte zur Rechtspolitik – nicht nur, weil wir feder-führend zuständig sind – immer wieder darauf hinzuwei-sen und damit an das kommunistische Unrechtssystemzu erinnern. Nicht zuletzt ist dies auch aufgrund desheute schon erwähnten Verhaltens der Linken in der jün-geren Zeit erforderlich. Die Danksagungen für den Mau-erbau und die kritiklosen und unterwürfigen Huldigun-gen anlässlich des Geburtstags von Fidel Castro zeigeneines deutlich, meine Damen und Herren von den Lin-ken: Sie haben aus der Vergangenheit schlicht nichts ge-lernt.
Wir haben das Thema „Widerstandshandlungen ge-gen Polizeibeamte“ aufgegriffen und die Rechte und denSchutz von Polizei und Feuerwehr sowie von Angehöri-gen der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzesgestärkt. Dass die Linken und die Grünen diesen Gesetz-entwurf abgelehnt haben, war nicht anders zu erwarten.Dass die SPD sich nur zu einer Enthaltung durchringenkonnte, enttäuscht. Wir – die christlich-liberale Koali-tion sagt das ganz deutlich – werden uns immer dafüreinsetzen, dass diejenigen, die uns schützen, selbst auchadäquat geschützt werden.
Meine Damen und Herren, die Sicherungsverwahrungist bereits angesprochen worden. Die Umsetzung desentsprechenden Urteils des Bundesverfassungsgerichtsist für uns von besonderem Gewicht. Natürlich hat unsdas Bundesverfassungsgericht mit diesem Urteil aucheine schwere inhaltliche Vorgabe gesetzt; das ist garkeine Frage. Dabei geht es aber nicht, wie man aus denReihen der Opposition hört, darum, Kritik an der Koali-tion zu üben. Das Bundesverfassungsgericht hat unserenReformansatz nämlich nicht gekippt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Normen der Si-cherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt, weildas Abstandsgebot zwischen Strafvollzug und Siche-rungsverwahrung nicht gewahrt wurde.
Es hat aber die materiell-rechtlichen Vorgaben zur pri-mären und zur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung,die wir neu gesetzt haben, nicht beanstandet.–MdSEds–imwbndhwimMlibsTswliGs–dNddhhVwsvwrusszV
s war immer ein Anliegen der Union, die Lücken, dieer Europäische Gerichtshof für Menschenrechte durcheine Urteile in diesem Zusammenhang geschaffen hatte gefährlichste Straftäter mussten freigelassen werden –, Rahmen der Neustrukturierung der Sicherungsver-ahrung zu schließen. Dadurch ist das Therapieunter-ringungsgesetz zustande gekommen.Sie haben immer sinngemäß gesagt, das Gesetz habeur eine geringe Halbwertszeit und werde gekippt wer-en. Nein, Herr Montag, das Bundesverfassungsgerichtat es anders gesehen. Es hat nämlich den Ansatz, denir als Union und dann die christlich-liberale Koalitionmer wieder verfolgt haben, aufgegriffen: dass es dieöglichkeit geben muss, Straftäter, die höchst gefähr-ch sind, auch weiterhin in Sicherungsverwahrung zuehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Rechttrengste Vorgaben daran gestellt. Den Grundsatz desherapieunterbringungsgesetzes hat es in diesem Zu-ammenhang aber durchaus bestätigt. Das finde ichichtig, meine Damen und Herren.Es ist es aber genauso wichtig – da haben Sie natür-ch recht, Herr Kollege Lischka; das ist etwas, was dieroße Koalition jetzt mit Vorrang wird betreiben müs-en –
nein, die christlich-liberale Koalition –,
ass wir noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zureuregelung der Sicherungsverwahrung vorlegen.Das Gesetzgebungsvorhaben zur Stärkung der Rechteer Opfer sexuellen Missbrauchs ist bereits erwähnt wor-en; darauf brauche ich nicht weiter einzugehen. Dabeiandelt es sich um ein sehr wichtiges Gesetzgebungsvor-aben. Über die Frage der Verlängerung strafrechtlichererjährungsfristen haben wir nicht abschließend beraten,eil sich der Runde Tisch noch mit dieser Thematik be-chäftigt. Deshalb ist erst einmal die Verlängerung der zi-ilrechtlichen Verjährungsfristen darin enthalten. Wirerden auch in der Frage der strafrechtlichen Verjäh-ngsfristen den Abschluss der Arbeit des Runden Ti-ches abwarten. Aus Sicht der Union ist es nämlich weniginnvoll, nur die zivilrechtlichen Verjährungsfristen an-uheben. Dies muss dann auch für die strafrechtlichenerjährungsfristen gelten.
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Andrea Astrid Voßhoff
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Meine Damen und Herren, abschließend darf ich Fol-gendes sagen: Der Aufgabenkatalog der christlich-libe-ralen Koalition ist anspruchsvoll und umfangreich.
Wir haben noch genügend Themen, um die zweite Halb-zeit der Koalition gemeinsam zu gestalten.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Jetzt spricht für die
Fraktion Die Linke unser Kollege Jens Petermann. Bitte
schön, Kollege Jens Petermann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Frau MinisterinLeutheusser-Schnarrenberger, ich finde es bemerkens-wert, dass Sie den konservativen Kräften der Regie-rungskoalition doch noch hier und da so lange und uner-müdlich die Stirn geboten haben, und wünsche Ihnen,dass Sie auch in Zukunft Ihre liberalen Positionen vertei-digen können und dem innerparteilichen Druck, aberauch dem Druck in der Koalition standhalten können.Ob Sie dazu die Kraft haben, wird sich schon bei dennächsten Themen zeigen, beispielsweise – es ist heuteschon genannt worden – beim Thema der Vorratsdaten-speicherung.
Für die unmittelbare Arbeit Ihres Ministeriums stehtIhnen ein Budget von circa 67 Millionen Euro zur Verfü-gung. Ihre 569 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habenwichtige Aufgaben bei der Vorbereitung, Änderung undAufhebung von Gesetzen und Verordnungen zu erfüllen.Man könnte Ihr Ministerium mit der recht großen An-zahl an hervorragend ausgebildeten Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern mit einem gut ausgestatteten Mittel-klassewagen vergleichen, dessen Fahrerin allerdings auf-grund falscher politischer Koordinaten Probleme mit derNavigation hat. Dementsprechend wissen Sie gelegent-lich nicht, wo es langgeht und wohin Sie wirklich wol-len. Zuweilen entsteht sogar der Eindruck, dass SieSchlangenlinien fahren und auch mal die eine oder an-dere rote Ampel übersehen.Ich will Ihnen das an einigen Beispielen erläutern.Erstes Beispiel: der Gesetzentwurf zur Änderung des§ 522 Zivilprozessordnung. Die Möglichkeit zur Beru-fungszurückweisung durch einen unanfechtbaren Be-schluss des Gerichts gehört meines Erachtens gänzlichgestrichen. Es hätte Sinn gemacht, die Forderungen derFachleute, aber auch die der Opposition ernst zu neh-mAsRTsDläsisBtefeguzddpdsgdFJislewvMbnsligwCsddfaAdmsddao
it dieser Drucksache sollen nämlich Richtlinienvorga-en umgesetzt werden, die es interessanterweise garicht gibt.Im Ergebnis setzt der Entwurf nichts wirklich um,ondern schreibt bestenfalls die bestehende unübersicht-che Praxis fest. Auch hier zeigt sich die Koalition übri-ens wieder von ihrer „sozialen Seite“. Denn so „un-ichtige“ Dinge wie Mediationskostenhilfe oderhancengleichheit haben Sie überhaupt nicht berück-ichtigt. Genauso wenig haben Sie an die Qualifikationer Mediatoren gedacht. Offenbar geht es der Union nurarum, das übliche, öffentlich zugängliche Gerichtsver-hren zugunsten einer vermeintlich kostengünstigerenlternative zu beschneiden. Falls Sie, Frau Ministerin,ie Parklücke vielleicht doch noch wider Erwarten undit einigen Beulen verlassen können, sollten Sie aufpas-en, dass die Fahrt nicht in der nächsten Sackgasse en-et.
Drittes Beispiel. Startschwierigkeiten und Probleme,en Zündschlüssel zu finden, bestehen offensichtlichuch bei der Streichung des § 80 Abs. 2 Wehrdisziplinar-rdnung. Sie erlauben es damit dem Verteidigungsminis-
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Jens Petermann
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ter, sich in die Besetzung des Wehrdisziplinarsenatesbeim Bundesverwaltungsgericht einzumischen. Wenndie Bundesregierung auf die Geschäftsverteilung einesoberen Bundesgerichtes Einfluss nimmt, so ist dies nichtnur in meinen Augen ein klarer Verstoß gegen das Gebotder Gewaltenteilung. Als Sie, Frau Ministerin, noch ein-fache Abgeordnete waren, haben auch Sie diese Praxisvöllig zu Recht kritisiert.Meine Fraktion hat das Thema dankenswerterweiseaufgegriffen und einen Gesetzentwurf zur Änderung die-ser Praxis vorgelegt. Anstatt diese Initiative aufzuneh-men, haben Sie sich leider fahruntauglich gezeigt unddie weiße Flagge gehisst. Sie haben ein ureigenes Jus-tizthema an den Verteidigungsausschuss abgeschoben.Das finde ich sehr traurig. Es ist unseres Erachtens drin-gend geboten, dass Sie endlich unserer Initiative beitre-ten und dafür sorgen, dass der auch von Ihnen zu Rechtbeklagte verfassungswidrige Zustand beendet wird.
Bringen Sie also den Motor zum Laufen. Wenn Siedann noch in die richtige Richtung fahren, können auchwir einem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf zustim-men.Ich habe noch ein weiteres Beispiel für Sie. Dass dieFahrt nicht immer in die richtige Richtung geht, zeigtdas Gesetz zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung.Es ist schon angesprochen worden. Hier haben Siegleich mehrere rote Ampeln übersehen und sind wiederdirekt in den Leitplanken des Bundesverfassungsgerichtsgelandet. Das ist bedauerlich, aber wir müssen es leiderfeststellen. Erst muss Ihnen der Europäische Gerichtshoffür Menschenrechte sagen, dass die deutschen Regelun-gen zur Sicherungsverwahrung gegen die EuropäischeMenschenrechtskonvention verstoßen, dann haben Sieein bisschen Flickschusterei betrieben, und nicht einmalein halbes Jahr später bescheinigt Ihnen das Bundesver-fassungsgericht die Unvereinbarkeit Ihres Systems mitdem Grundgesetz.Die dringend notwendige Expertenkommission ausKriminologen, Psychiatern, Vollzugspraktikern, Staats-anwälten und Richtern haben Sie immer noch nicht ein-gesetzt. Bei der gesetzten Übergangsfrist, die am 31. De-zember dieses Jahres endet, ist zu befürchten, dass Siewieder einmal verspätet ankommen. Erhöhen Sie alsodas Tempo und passen Sie auf, dass dieser Gesetzent-wurf nicht wieder zu einer Geisterfahrt wird.
Aus Ihrem Haus kommt auch der Entwurf zur Stär-kung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht.Mit diesem Entwurf fahren Sie, wenn man so will, seitgeraumer Zeit im Kreis. Die vorgeschlagene Regelungist nicht nur halbherzig; nebenbei ist sie auch noch Aus-druck eines faulen Kompromisses zwischen der ver-meintlichen Bürgerrechtspartei FDP und den Law-and-Order-Parteien der Union. Abgesehen davon, dass diesereigentlich in die richtige Richtung gehende Gesetzent-wurf einen Schutz der Presse nur begrenzt gewährleistet,scheint es so, als würde das Vorhaben nicht weiter ver-fog2issgsMdnGsdBRsfaAredtiVaPßbdSsrezsVpesVshIhvreotelelaRWüm
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14408 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster spricht für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Jerzy
Montag. Bitte schön, Kollege Montag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-ehrte Frau Bundesjustizministerin, Sie haben letztes Jahrim Spiegel ein großes Interview gegeben. Sie haben sichin diesem Interview mit dem Satz „Ich nerve für denRechtsstaat“ zitieren lassen. Das war eine nette Anleihean so lockere Sprüche wie „Ich trinke für den Frieden“.
Es stellt sich schon die Frage, ob es die Aufgabe einerBundesjustizministerin ist, für den Rechtsstaat zu ner-ven, oder ob es nicht vielmehr Aufgabe der Bundesjus-tizministerin ist, sich für den Rechtsstaat einzusetzen,ihn zu erhalten und zu gestalten.
Viel interessanter ist die Frage, wen Sie mit IhrerPolitik eigentlich glauben nerven zu müssen. Ich kannIhnen versichern: Die Opposition nerven Sie – meistens –mit Ihren grundsätzlichen Positionen zur Rechtsstaat-lichkeit in Deutschland nicht.
Wir haben Belege zuhauf, dass Sie fortlaufend IhrenKoalitionspartner von der Union nerven
und dass auch in der Rechtspolitik in der sogenanntenschwarz-gelben Koalition Zwietracht und Niedertrachtherrschen.Ein erstes Beispiel dafür sei die Verunstaltung des§ 113 StGB, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.Dazu hat der Kollege Stadler, Staatssekretär im Justiz-ministerium, am 29. April letzten Jahres gesagt:Die Strafrahmen– bei Gewalt gegen Polizeibeamte –sind ausreichend, die Gerichte können sie aus-schöpfen …Sie selber, Frau Ministerin, haben am 23. Juni diesesJahres in der FAZ gesagt, neues Strafrecht sei oft nichtmehr als Symbolpolitik. Der Wunsch nach ständigerAusdehnung des Strafrechts blende aus, dass das Straf-recht kein Allheilmittel zur Lösung gesellschaftlicherProbleme sei.
Einige Tage später, am 7. Juli 2011, haben Sie in rei-ner Symbolpolitik § 113 StGB im Anwendungsbereichund im Strafrahmen erweitert und das rechtssystemati-sche Verhältnis zur Nötigung völlig zerrüttet. Aber wasdPddWreJncaredtiddnpBuRslevktuC2ssfüMvfüaOFnJzkcjeRb
a, Frau Ministerin, Sie haben in dieser Sache etwas ge-ervt; aber Sie haben sich nicht durchsetzen können.Ein zweites Beispiel dafür ist die Reform der Si-herungsverwahrung; sie ist hier schon mehrfachngesprochen worden. Eigentlich ist sie ein Feld fürchtsstaatlich und menschenrechtlich gesonnene Bun-esjustizministerinnen. Die letzte schwarz-gelbe Koali-on hat im Januar 1998 die fragwürdige Rückwirkung iner Sicherungsverwahrung beschlossen. Insbesondereiese Änderung der schwarz-gelben Regierung vom Ja-uar 1998 hat dazu geführt, dass Jahre später der Euro-äische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach dieundesrepublik Deutschland verurteilt hat, weil es sichm eine menschenrechtswidrige Formulierung handelt.
Sie haben im letzten Jahr angekündigt, eine generelleeform der Sicherungsverwahrung durchzuführen. Eineolche Reform haben Sie Ende des letzten Jahres vorge-gt, und einige Monate später haben Sie beim Bundes-erfassungsgericht in Karlsruhe einen Scherbenhaufenassiert. Ich kann Ihnen sagen, mit welcher Geisteshal-ng das zu tun hat: Der Kollege Stephan Mayer von derSU hat in der Haushaltsdebatte am 16. September010, also vor ungefähr einem Jahr, zu diesem Punkt ge-agt: Ziel der Reform muss es sein, eine Regelung zuchaffen, die absolut gewährleistet, dass keine Gefahrenr die öffentliche Sicherheit mehr bestehen. Sie, Frauinisterin, haben in dem angesprochenen Spiegel-Inter-iew gesagt: „Absolute Sicherheit gibt es nicht.“ Ichge hinzu: Wir dürfen das auch nicht wollen; denn werbsolute Sicherheit anstrebt, zerstört die rechtsstaatlicherdnung, die wir haben.
rau Ministerin, Sie haben einen falschen Partner. Sieerven ihn, aber Sie setzen sich nicht durch.Das Gleiche gilt für die Reform des Wahlrechts. Dreiahre lang haben Sie es zugelassen, dass keine Regelungustande gekommen ist. Das Gleiche gilt für die Be-ämpfung der Korruption und die Abgeordnetenbeste-hung. Das Gleiche gilt für die Pressefreiheit. Da forderttzt der sehr verehrte Kollege Kauder, Vorsitzender desechtsausschusses, Journalisten unter Strafe zu stellen.Frau Ministerin, zum Schluss. Die Halbzeitbilanz ha-en Sie so beschrieben: „Die Arbeit des BMJ wird vom
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14409
Jerzy Montag
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Einsatz für die Verfassung und von der Sorge um dieRechtsstaatlichkeit in Deutschland geprägt.“Ihr Koalitionspartner sagt über Sie – Zitat –:Die Justizministerin schützt durch ihre ideologischeBlockadehaltung Pädophile und Terroristen undwird damit selber zu einem Sicherheitsrisiko in un-serem Land.Das hören Sie von Ihrem Koalitionspartner. Die zweiteFormulierung lautet, Sie seien „eine personifizierteSchutzlücke im deutschen Sicherheitssystem“.
Eine größere persönliche Beleidigung und einenschwerer wiegenden Vorwurf gegen eine Bundesjustiz-ministerin kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Des-wegen lautet unsere Bilanz zur Halbzeit: Die Rechtspoli-tik ist unter Schwarz-Grün
– Schwarz-Gelb! – in einem jämmerlichen Zustand. IhreKoalition ist auch in der Rechtspolitik in der Sache amEnde. Sie kleben nur noch an der Macht, weil Sie Neu-wahlen fürchten. Das ist vielleicht auch einer der Gründedafür, warum Sie noch keinen Gesetzentwurf zur Re-form des Wahlrechts vorgelegt haben.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt spricht für die
Fraktion der FDP unser Kollege Stephan Thomae. Bitte
schön, Kollege Thomae.
Vielen Dank. – Herr Präsident, auch von mir, sozusa-gen vom Allgäu nach Augsburg, die besten Glückwün-sche zum heutigen Geburtstag. Das wollte ich zunächstvorwegschicken.Frau Minister, Sie haben in Ihrer Rede einige Ausfüh-rungen zur europäischen Rechtspolitik gemacht. Ich binIhnen dafür ganz besonders dankbar, weil wir in diesenTagen Europa immer nur als Sorgenkind, als Krisenfallwahrnehmen. Es ist, glaube ich, wichtig, deutlich zu ma-chen, dass wir auch in diesen schweren Tagen,
in denen der europäische Gedanke sehr unter Beschussist und jeden Tag im Kreuzfeuer steht, weiterhin eineVision von Europa haben und auch in der RechtspolitikdwbfibssbcghriwdsownPfaswKgimgkM9mvMndBorewDOstänbPsEbaPtevE
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Teil zu decken vermag. In diesem Jahr erreichen wir denRekordwert von 90 Prozent; im Vorjahr betrug die De-ckungsquote noch 84 Prozent. Auch aus wirtschaftspoli-tischen Erwägungen ist also eine angemessene Stellen-ausstattung gerade dieser Behörde geboten. Zugleich istes aber auch ein großes Anliegen der Wirtschaft – Stich-wort Innovationsförderung –, wenn Patent- und Marken-anträge schnell bearbeitet werden und auch Widersprü-che nicht ewig liegen bleiben. In diesem Zusammenhangbringt die Implementierung der elektronischen Schutz-rechtsakte ELSA einen großen Fortschritt für das Patent-und Markenamt mit sich. Ich werde demnächst dorthinreisen, um mir dieses Projekt anzuschauen und persön-lich vorführen zu lassen.Ein weiterer Aspekt – hier schaue ich den KollegenBuschmann an – ist die Deutsche Stiftung für internatio-nale rechtliche Zusammenarbeit, IRZ, in der der KollegeBuschmann ja auch Mitglied ist. Es handelt sich um eineGründung des früheren Justizministers Klaus Kinkel; dieStiftung war als Antwort auf die Umbrüche in Mittel-und Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion ge-dacht. Diese Stiftung sollte bei der Entwicklung rechts-staatlicher Strukturen in diesen Ländern Pate stehen. DerEtat für diese Stiftung lag 2010 bei 4 Millionen Euro; ersoll jetzt ein bisschen heruntergefahren werden. Ich binallerdings der Meinung, dass wir hier keinen weiterenRückgang in Kauf nehmen sollten, weil gerade vor demHintergrund der neuen Entwicklungen in Nordafrika undihrer Begleitung dieser Stiftung möglicherweise ganzneue, interessante Aufgaben zuwachsen können.
Eine Schlussbemerkung möchte ich mir erlauben– ich meine, dann auch in der Zeit zu bleiben –: Das Jus-tizressort ist ein Verfassungsressort. Im Justizressort istdie Hütung und Hegung der Rechtsstaatlichkeit angesie-delt. Die Justizministerin wird ja manchmal, wie wirheute schon vernommen haben, für ihre Hartleibigkeitangegriffen; sie wird aber auch oft für ihre Standfestig-keit gelobt.Eines will ich aber an dieser Stelle abschließend fest-halten: Man kann an vielen Dingen herumexperimentie-ren, der Rechtsstaat ist allerdings kein gutes Objekt, umöfter mal was Neues zu probieren. Manches Prinzip istschwer zu erklären. Selbst wenn es manchmal so aus-sieht, als stünden die Rechte eines Angeklagten höherals die Rechte eines Opfers, ist es unsere Aufgabe alsRechtspolitiker – ich spreche jetzt wieder als Rechtspoli-tiker –, zu sagen: Nein, dem ist nicht so.Wir Rechtspolitiker sollten den Rechtsstaat erklärenund verteidigen. Leserbriefe drücken oft die Stimmungs-lagen in der Bevölkerung sehr spontan, sehr impulsivaus. Wir jedoch sollten immer deutlich machen: DerRechtsstaat ist uns Deutschen nicht einfach so vor dieFüße gefallen. Bis er die heutige Gestalt erreicht hat, istin diesem Land, ist in Europa, ist in der Welt sehr vielBlut vergossen worden. Deshalb sollten wir den Rechts-staat sehr, sehr sorgsam bewahren.Vielen Dank.
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sechs Jahren auf drei Jahre verkürzen. Ich glaube, überdiese Verkürzung muss noch diskutiert werden. Ob siesinnvoll ist, muss sich noch zeigen, auch im Sinne desGläubigerschutzes.Der dritte Punkt, der mir wichtig ist, ist die Regelungder Abgeordnetenbestechung. Es gibt eine Regelung in§ 108 e Strafgesetzbuch. Diese entspricht aber eindeutignicht den internationalen Anforderungen. Das hat Trans-parency International mehrmals festgestellt. Wir sind,Frau Ministerin, in diesem Bereich leider noch nicht tä-tig geworden. Wenn man schaut, wer in Europa die UN-Konvention ratifiziert hat, stellt man fest, dass das fastalle Länder sind,
außer Irland, Island, Kosovo, der Tschechischen Repu-blik und uns.
– Herr van Essen, Sie sind Oberstaatsanwalt. Sie wissennatürlich, dass Staatsanwälte in Deutschland teilweiseübermotiviert reagieren. Es gibt sicherlich auch Staats-anwälte, die, wie man im Fall Kachelmann gesehen hat,einfach blind loslegen. Gleichwohl brauchen wir Trans-parenz und Akzeptanz von Politik. Politik darf nichtkäuflich sein, Herr von Essen.
Es darf auch nicht der Anschein erweckt werden, dassPolitik käuflich ist. Angesichts der Tatsache, dass alleLänder in Europa diese UN-Konvention unterschriebenhaben, müssen auch wir Deutsche dies tun. Das sind wirunserem internationalen Ansehen schuldig.
Herr Kollege Dr. Franke, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage unseres Kollegen Kauder?
Ja.
Bitte schön, Kollege Kauder.
Siegfried Kauder (CDU/
CSU):
Herr Kollege, sind Sie nicht auch der Meinung, dass
das Parlament und nicht die Frau Justizministerin das
Thema Abgeordnetenbestechung behandeln müsste?
Sehr geehrter Herr Kauder, die Exekutive, also auch
die Frau Ministerin, kann Vorlagen erstellen. Ich war
lange Zeit Bürgermeister und weiß, wie Vorlagen von-
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age ich Sie, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu neh-en, dass eine frühere Bundesjustizministerin, die Vor-ängerin der jetzigen, in ihrem Haus einen Gesetzent-urf zu diesem Thema hat erstellen lassen und dassieses Hohe Haus daraufhin gesagt hat, es möchte keineorgaben des Justizministeriums in dieser Sache. Diearlamentarier haben weiterhin gesagt: Wenn überhauptin solcher Gesetzentwurf nötig ist – Herr van Essen istagegen, ich bin dafür –, dann machen wir ihn selber.Das war eigentlich bisher immer Position der SPD-undestagsfraktion. In allen Reden zu diesem Themaat Ihre Fraktion versprochen, dazu etwas vorzulegen.isher haben Sie aber immer noch nichts vorgelegt. Ichage Sie: Wann machen Sie das endlich?
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14412 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
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Sehr verehrter Herr Montag, Sie sind schon ein biss-
chen länger als ich in diesem Parlament. Ich bin jetzt
zwei Jahre dabei. Daher bin ich für jeden Hinweis dank-
bar. Mir ging es darum, Folgendes herauszustellen: Über
diesen Haushalt diskutieren wir politisch. Er ist so klein,
dass es nicht so sehr um Zahlen, sondern hauptsächlich
um Politik geht, Herr Montag. In diesem Zusammen-
hang habe ich drei Punkte genannt, die der SPD wichtig
sind. Herr Kauder hat eben versucht, mich mit seiner
Frage aufs Glatteis zu führen. Das habe ich schon mitbe-
kommen.
Lieber Herr Montag, lassen Sie mich noch Folgendes
sagen – vielleicht können Sie noch so lange stehen blei-
ben –: Aus meiner Sicht ist es so, dass sich die Justiz-
ministerin aufgrund ihres Selbstverständnisses politisch
zu diesem Thema äußern kann. Vor diesem Hintergrund
kann man einen Bezug herstellen. Ich denke, wir sollten
bei anderer Gelegenheit noch einmal darüber diskutie-
ren.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, und zwar
des Kollegen Ströbele? – Bitte schön, Herr Kollege
Ströbele.
Herr Kollege, dass das für Sie und Ihre Fraktion eine
solch wichtige Frage ist, kann ich voll verstehen. Ich bin
auch seit vielen Jahren hinterher, dass es endlich zu einer
gesetzlichen Regelung kommt. Im Anschluss an das,
was Sie gerade dem Kollegen Montag gesagt haben,
möchte ich Sie aber Folgendes fragen: Warum haben Sie
nicht längst ehemalige Vorschläge, die unter anderem
von der SPD-Fraktion formuliert worden sind, vorge-
legt? Meinetwegen hätte auch die eine oder andere Än-
derung vorgenommen werden können. Wie lange sollen
wir da noch warten?
Daran anschließend möchte ich noch auf Folgendes
eingehen: Sie haben vorhin auf die Frage des Kollegen
Kauder geantwortet, dass es für den betroffenen Abge-
ordneten ein großes Problem sein könnte, wenn ein
Staatsanwalt – so haben Sie sich ausgedrückt – einen
Vorwurf bzw. eine Anklage konstruiert. Dem schließe
ich mich an. Das kann tatsächlich ein großes Problem
werden. Stellt es aber nicht auch für einen großen Teil
der Bürger bzw. für 99 Prozent der Bürgerinnen und
Bürger ein großes Problem dar, wenn ein Staatsanwalt
eine Anklage gegen sie konstruiert? Warum machen Sie
einen Unterschied zwischen einem Abgeordneten und
der normalen Bevölkerung, die durch einen Verdacht,
der sich möglicherweise nicht bestätigt, ebenfalls betrof-
fen ist und dadurch Nachteile hat?
Lieber Herr Ströbele, jeder hat seinen Erfahrungshori-zont, den er durch seine Arbeit erworben hat. Ich warfrüher Bürgermeister und kenne sehr viele Verfahren, beidenen gegen Leute der Exekutive aufgrund banaler Sa-cSvwePte–eabSEmrüEnkhS–nnsedFrügukSd–dbgz
Herr Ströbele, ich sehe es so, dass ein Handlungsbedarfesteht – mit oder ohne Justizministerin. Der § 108 etGB muss anders, besser und klarer formuliert werden.r muss verhältnismäßig sein. Im Grunde genommenuss auch die besondere Stellung der Abgeordneten be-cksichtigt werden. Nur so werden wir zu einem gutenrgebnis kommen. Da Sie gefragt haben, wie lange esoch dauert: Ich hoffe, dass wir bald ein Ergebnis be-ommen. Wenn ich meine Fraktion da richtig verstandenabe, werden wir bald tätig. Denn das ist aus unserericht politisch wichtig.
Ob wir etwas gelernt haben, weiß ich nicht. Ich kannur sagen, dass ich es vernünftig finde.
Abschließend möchte ich noch einen Punkt erwäh-en. Es handelt sich um die Erweiterung des Grundge-etzes durch die Bestimmung neuer Staatsziele. Das istine Diskussion, die in den vergangenen Legislaturperio-en hier im Haus bereits geführt wurde. Sowohl von derDP-Fraktion als auch von anderen Fraktionen ist da-ber diskutiert worden, neue Staatsziele in das Grund-esetz aufzunehmen. Das fängt bei den Kinderrechten annd geht bis hin zur Generationengerechtigkeit. Manann sicherlich darüber diskutieren, auch Kultur undport aufzunehmen, wie die SPD das fordert. Man sollteamit aber sehr vorsichtig sein
das ist mir persönlich sehr wichtig –; denn wenn manen Art. 20 Grundgesetz erweitert und neue Staatsziel-estimmungen aufnimmt, könnten die wirklich wichti-en Prinzipien wie das Rechtsstaatsprinzip und das So-ialstaatsprinzip unter Umständen relativiert werden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14413
Dr. Edgar Franke
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Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass wir nocheinmal darüber sprechen. Die FDP ist dafür, neue Staats-ziele ins Grundgesetz aufzunehmen.
Man muss schauen, welche Ziele man einbezieht undwelche wirklich wichtig sind.
Wir haben über verschiedene Themen, zum Beispielüber Europa, gesprochen und überlegt, wie man sie ver-fassungsrechtlich untermauern könnte. Das wird hier imHause sicherlich noch zu diskutieren sein.Frau Ministerin, es gibt auf jeden Fall viel zu tun. Ichhabe ein paar kleine Baustellen genannt und nicht diegroßen politischen Probleme angesprochen. Aber geradeBereiche wie das UWG oder das Urheberrecht sind mirpersönlich sehr wichtig. Viele Kollegen werden bestäti-gen, dass das UWG und das Urheberrecht Themen vonhoher Aktualität sind.Sie haben nicht mehr viel Zeit, nur noch bis maximal2013. Sie müssen sich also beeilen, Frau Ministerin;denn dann sind wir Sozis wahrscheinlich wieder dran.In diesem Sinne recht herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner ist
der Kollege Thomas Silberhorn für die Fraktion der
CDU/CSU. Bitte schön, Kollege Thomas Silberhorn.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Nach den Entscheidungen des Europäischen Ge-richtshofes für Menschenrechte und des Bundesverfas-sungsgerichts läuft die Frist zur notwendigen Neurege-lung der Sicherungsverwahrung bis 31. Mai 2013.Das stellt den Bund, vor allem aber die Länder, voreine gewaltige Aufgabe, die nur gelingen kann, wennalle Beteiligten gemeinsam an einem Strang ziehen.
Klar ist, dass wir bei allen Überlegungen den Vorrangdes Opferschutzes nicht aus den Augen verlieren dürfen.Die Bevölkerung muss auch in Zukunft vor schwerstenStraftätern geschützt werden.
Es ist kaum vermittelbar, akut rückfallgefährdeteSchwerstkriminelle in die Freiheit zu entlassen. DieMöglichkeit einer dauerhaften Sicherheitsunterbringung,die natürlich den Anforderungen des Bundesverfas-sungsgerichts an Vollzug und Therapie genügen muss,ist nicht ersetzbar. Eine Überwachung durch Polizei-kzwcJEaRbUespbSnruumbdeEnmccMinnjuztesuhMcZtewcSmBim
Die Länder werden nicht umhinkommen, bestehendeinrichtungen kostspielig umzubauen oder dort, wo dasicht möglich ist, vollkommen neue Unterbringungs-öglichkeiten zu schaffen. Das wird die Haushalte si-herlich zusätzlich belasten, aber das muss uns die Si-herheit der Bevölkerung wert sein. Der Schutz vonenschenleben darf nicht an Sparzwängen scheitern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders Ballungsräumen mit ihren sozialen Brennpunktenimmt die Schwere der Straftaten, die Jugendliche undnge Erwachsene begehen, eklatant zu. Was bestür-ende Nachrichten über einzelne Vorfälle bereits vermu-n lassen, wird mittlerweile durch diverse Studien be-tätigt: dass wir es nämlich mit wachsender Brutalitätnd einer immer weiter sinkenden Hemmschwelle zu tunaben.In der Praxis der Strafverfolgung liegen oft mehrereonate zwischen der Begehung der Tat und der staatli-hen Sanktion. Mit zunehmendem Zeitablauf wird derusammenhang zwischen Tat und Strafe immer abstrak-r. Der erzieherische Charakter des Jugendstrafrechtsird dadurch zunichte gemacht. Gerade bei Jugendli-hen müssen wir wieder stärker darauf achten, dasstraftaten schnell Konsequenzen haben. Die Sanktionuss der Tat auf dem Fuße folgen.
Ein gelungenes Beispiel dafür ist das sogenannteamberger Modell. Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat Juni 2010 die beschleunigte Variante des vereinfach-
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14414 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Thomas Silberhorn
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ten Jugendverfahrens eingeführt. Jugendstaatsanwälte,Jugendrichter, Polizei und Jugendgerichtshilfe habensich auf besonders straffe Verfahrensabläufe verständigt.Das Ergebnis: Jugendliche stehen spätestens vier Wo-chen nach der Straftat vor dem Jugendrichter. Nach mitt-lerweile einjähriger Erprobung gilt das Bamberger Mo-dell als ein großer Erfolg. Ich freue mich, dass diesesVorzeigeprojekt aus meinem Wahlkreis bundesweit An-erkennung und Nachahmung erfährt. Eine schnelleSanktion ist ein wichtiger Warnschuss, um kriminelleKarrieren möglichst früh zu verhindern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Richtlinieüber die Vorratsspeicherung von Daten hat uns die Euro-päische Union einen klaren Handlungsauftrag erteilt.
Auch bei der anstehenden Revision der Richtlinie wirdsich diese Zielsetzung nicht ändern.
Allerdings ist der Begriff „Vorratsdatenspeicherung“,der die öffentliche Diskussion bestimmt, zumindestmissverständlich. Es entsteht der Eindruck, als würdenin Big-Brother-Manier Daten Unschuldiger auf Vorratgespeichert
und ohne jeden konkreten Anlass ausgewertet.
Darum geht es gerade nicht. Im Gegenteil: Der Zugriffauf diese Daten hat Ausnahmecharakter
und muss klaren Schranken unterworfen sein. Das müs-sen wir unseren Bürgern begreiflich machen. Deswegenplädiere ich dafür, besser von Mindestspeicherfristen zusprechen.
Dieses Instrument ist ein wichtiges Hilfsmittel, umschwersten Straftätern auf die Spur zu kommen; wir re-den von Kinderschändern, Mördern und Terroristen.Meine Damen und Herren, ohne die Auswertung vonTelekommunikationsdaten ist es für die Ermittlungsbe-hörden nahezu unmöglich, Täter zu ermitteln, Mittäter,Gleichgesinnte oder Hintermänner zu identifizieren.DsdbmJdlelabsmAbgndsgMddsFmdnrewEEVdng
eswegen müssen Verbindungsdaten zur Aufklärungchwerster Straftaten gespeichert werden. Man kann sicharüber streiten, wie lange gespeichert werden soll. Esesteht aber kein Zweifel daran, dass gespeichert werdenuss.
Es gibt auch keinen Zweifel daran, dass der Kollege
erzy Montag jetzt eine Zwischenfrage stellen will. Er
arf Sie sicher stellen, Herr Kollege?
Ich freue mich über dieses Interesse. Aber, Herr Kol-ge Montag, wir kennen uns aus dieser Diskussion zunge, sodass ich mir durch Ihre Zwischenfrage nicht un-edingt Aufklärung erhoffe. Deswegen bitte ich um Ver-tändnis, dass ich noch einen Punkt nenne und danneine Rede beende.
Wir haben den Entwurf eines Mediationsgesetzes impril in erster Lesung beraten. Er hat im Grundsatzreite Zustimmung gefunden. Es bestand aber auch weit-ehende Einigkeit darüber, dass einige Einzelfragenoch geklärt werden müssen. Wir sind derzeit dabei,iese Details zu besprechen und den Gesetzentwurf ent-prechend zu überarbeiten. Es konnte bereits eine Eini-ung über Mindeststandards für die Qualifikation derediatoren erzielt werden. Ich bin davon überzeugt,ass am Ende der Beratungen ein Gesetz stehen wird,as die gerichtliche wie die außergerichtliche Mediationtärkt und auf eine solide rechtliche Grundlage stellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU, CSU undDP arbeiten in der Rechtspolitik erfolgreich zusam-en. Eine Reihe rechtspolitischer Aufgaben liegt aller-ings noch vor uns. Ich nenne nur das Sorgerecht fürichteheliche Väter, den dritten Korb der Urheberrechts-form oder das Leistungsschutzrecht für Verlage. Wirerden uns weiterhin intensiv in die Rechtspolitik deruropäischen Union einbringen, so wie wir das bei deruropäischen Privatgesellschaft und beim Europäischenertragsrecht praktizieren. Die Arbeit wird uns also iner zweiten Hälfte der Legislaturperiode nicht ausgehen.Ich danke allen, die zum betont sachlichen Stil und ei-er effizienten Arbeitsweise im Rechtsausschuss beitra-en.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14415
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Vielen Dank, Kollege Silberhorn. – Jetzt hat das Wort
zu einer Kurzintervention der Kollege Jerzy Montag.
Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege Silberhorn,
nachdem Sie die Zwischenfrage nicht erlaubt haben,
habe ich mir erlaubt, zum Mittel der Kurzintervention zu
greifen.
Ich schätze Sie außerordentlich als Europapolitiker.
Heute haben Sie ins Metier des Strafrechts gegriffen. Ir-
gendwie war ich etwas verwundert über das, was Sie da
gesagt haben, zum Beispiel über Ihre Formulierung zur
Sicherheitsverwahrung, die so sehr an die Äußerung Ih-
res Kollegen von der CSU vor einem Jahr erinnert, die
ich in meiner Rede schon zitiert habe:
Wir brauchen eine absolute Sicherheit. – Das sagte
Herr Mayer vor einem Jahr zum Thema Sicherungsver-
wahrung. Sie haben gesagt, die Sicherung müsse Vor-
rang haben. Die Frage ist: Vorrang vor was? Die Regeln
der Sicherungsverwahrung sind wegen Verstoßes gegen
Menschenrechte und Verfassungsrechte von Bürgern
aufgehoben worden. Gegenüber diesen Menschenrech-
ten und Verfassungsrechten kann es keinen anderen Vor-
rang geben. Wir müssen Sicherheit und Freiheit gemein-
sam denken: die Sicherheit der Menschen vor den
schweren Straftätern, aber auch die Rechte der Siche-
rungsverwahrten.
Ich halte Ihnen Folgendes vor: Sie und Ihre Kollegen
aus der Fraktion sagen, die Vorratsdatenspeicherung sei
notwendig, weil es erhebliche Sicherheitslücken gebe
und die Sicherheitsbehörden in Deutschland ohne die
Vorratsspeicherung nicht mehr agieren könnten. Wir ha-
ben auf der Homepage des Bundesjustizministeriums
unter dem Datum 18. Mai 2011 einen Text der Bundes-
justizministerin mit dem Titel „Liberale Rechtspolitik in
Verantwortung – eine Zwischenbilanz“ gefunden. Da-
raus will ich einige Sätze zitieren:
Bei der Vorratsdatenspeicherung zeigt die Praxis
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts, dass keine nennenswerten Sicherheitslücken
entstanden sind. Heute gilt die Rechtslage, die vor
dem Inkrafttreten der Vorratsdatenspeicherung be-
stand. Und heute zeigt sich, dass Deutschland ohne
Vorratsdatenspeicherung kein unsicheres Land ist.
Der Einwand der vermeintlichen Sicherheitslücken
wird durch Wiederholung nicht besser.
Ich will Ihnen mit den Worten Ihrer Bundesjustizmi-
nisterin sagen: Ihre falschen Behauptungen werden
durch Wiederholung tatsächlich nicht besser.
Vielen Dank. – Ich gebe jetzt das Wort dem Kollegen
Thomas Silberhorn. Bitte schön, Kollege Thomas
Silberhorn.
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h habe aber zum Ausdruck gebracht und betone aus-
rücklich, dass uns in der politischen Diskussion der
chutz der Opfer wichtiger ist als der Schutz der Täter.
er Schutz der Täter ist uns nicht unwichtig, aber die
ewichtungen müssen stimmen. Deswegen dürfen wir
der Debatte über die Sicherungsverwahrung den
chutz der Opfer nicht aus den Augen verlieren.
Zu den Mindestspeicherfristen für Daten. Wir haben
lare Erkenntnisse unserer Sicherheitsbehörden, dass sie
ieses Instrument brauchen. Uns wurde erklärt: Viele
traftaten hätten nicht aufgeklärt werden können, wenn
an nicht auf Daten hätte zurückgreifen können, die ge-
peichert worden sind, die man im eigenen Zuständig-
eitsbereich aber nicht bekommt. Deswegen müssen
iese Ermittlungsmethoden auch unseren Behörden zu-
änglich gemacht werden.
Wir fahren in der Rednerliste fort. Ich darf nun das
ort Frau Kollegin Ingrid Hönlinger für die Fraktion
ündnis 90/Die Grünen geben. Bitte schön, Frau Kolle-
in, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Heute treffenir uns zum ersten Mal nach der Sommerpause im Ple-um. Leider muss ich feststellen, dass die Bundesregie-ng die Zeit nicht genutzt hat, um ihre Hausaufgaben zuachen. Es gibt höchstrichterliche Urteile aus Straßburgnd Karlsruhe, die in der deutschen Gesetzgebung Ver-töße gegen die Europäische Menschenrechtskonventionnd gegen das Grundgesetz festgestellt haben. Wasacht die Bundesregierung? Praktisch nichts!Zum Thema Whistleblower, zu Deutsch: Hinweisge-er. Das Aufdecken von Missständen in Unternehmennd Institutionen ist von großer gesamtgesellschaftlicheredeutung. Ich denke an die kritikwürdigen Zustände imflegebereich oder an Steuerhinterziehung in Millionen-öhe. Oft hat nur ein begrenzter Personenkreis Zugangu diesen Institutionen und Einblick in die Zustände.enschen, die solche Skandale publik machen, genießenftmals gesellschaftliche Anerkennung, am Arbeitsplatzber wird ihnen gekündigt oder sie werden gemobbt und
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14416 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Ingrid Hönlinger
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kündigen dann selbst. Diese mutigen Menschen müssenwir schützen, und zwar sowohl durch das Arbeitsrechtals auch durch das Beamtenrecht. Das honoriert dieLeistung der Hinweisgeber und ermutigt andere Mit-arbeiter, ebenfalls Missstände anzuprangern.
Natürlich darf ein Mitarbeiter nicht jede Kleinigkeitnach außen tragen, was viele befürchten. Eine Regelungfür das Whistleblowing muss ausgewogen sein. Sie mussdie Interessen der Arbeitgeberseite, aber natürlich auchdie Interessen der Arbeitnehmerseite und der Öffentlich-keit berücksichtigen. Eine solche Regelung ist möglich.Die Bundesregierung hat diesbezüglich nicht gehan-delt, und das, obwohl sie sich bereits auf dem G-20-Gip-fel im letzten Jahr vollmundig zum Schutz vonWhistleblowern bekannt hat. Nun hat auch noch derEuropäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutsch-land in dieser Frage wegen Verletzung der Meinungsfrei-heit verurteilt. Diese Regierung muss das endlich aner-kennen, und sie muss aktiv werden; denn wenn wir nichthandeln, provozieren wir die nächste Verurteilung durchden Europäischen Gerichtshof. Ich denke, die Regierungmuss diesen Schandfleck auf unserer demokratischenWeste schnellstmöglich entfernen.
Auch auf einem anderen Rechtsgebiet hat der Euro-päische Gerichtshof für Menschenrechte eine Entschei-dung gefällt; das wurde schon angesprochen. Im Dezem-ber 2009 hat der Gerichtshof die deutsche Regelung zumSorgerecht für Väter, die nicht mit der Mutter ihres Kin-des verheiratet sind, für konventionswidrig erklärt. Da-raufhin hat auch das Bundesverfassungsgericht festge-stellt, dass die Regelung gegen das Grundgesetzverstößt.Wir Grüne haben bereits im Oktober 2010, also we-nige Monate nach der Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts vom Juli 2010, einen Antrag zum Sorge-recht in den Bundestag eingebracht. Er sieht einniedrigschwelliges Antragsverfahren beim Jugendamtvor. Was macht die Bundesregierung? Sie hat das Themazwar erfreulicherweise auf dem Schirm, was KollegeSilberhorn gesagt hat, aber sie macht praktisch nichts.Dabei besteht auf diesem Gebiet ein erheblicher rechts-politischer Handlungsbedarf. Wir leben in einer Zeit, inder Väter und Mütter gleichgestellt werden wollen undendlich auch sollten, meine Damen und Herren.
Die schwarz-gelbe Koalition ist seit zwei Jahren nichtin der Lage, sich mit sich selbst zu verständigen.
DvVcdzdMdinGwtaPmtoRtuescddtefänwsGzGgneza
ielleicht sollten Sie es einmal mit Mediation versu-hen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank.
Zumindest haben Sie jetzt die Chance, ein gutes Me-iationsgesetz auf den Weg zu bringen. Ziel des Geset-es sollte es sein, neben der gerichtlichen Streitentschei-ung als gleichrangiges Verfahren die Mediation alsittel der Konfliktlösung zu etablieren. Elementar istabei die Qualitätssicherung der Mediation. Dazu gab es den vergangenen Monaten und Jahren verschiedeneespräche, Anhörungen und Publikationen. Beteiligtaren alle mediationsrelevanten Akteure: Anwalts-, No-rs- und Richterverbände, Einzelexperten, Vertreter derrivatwirtschaft und die Mediationsverbände, die seitehr als 30 Jahren auf hohem Niveau Tausende Media-rinnen und Mediatoren aus- und fortbilden. Alle dieseessourcen könnten in einer selbstverwalteten Einrich-ng zusammengefasst werden, zum Beispiel in Forminer Stiftung. In diese wäre das Justizministeriumelbstverständlich eingebunden. Die Vorteile einer sol-hen Einrichtung sind überzeugend: Sie kann einen bun-esweit einheitlichen Qualitätsstandard gewährleisten;ie Mediation kann sich in ihren Tätigkeitsfeldern wei-rentwickeln; die Justiz kann guten Gewissens Streit-lle an die Mediatoren weitergeben und wird dadurchachhaltig entlastet. Das erfolgreiche Güterichtermodellird nicht tangiert.
Frau Kollegin.
Im Gegenteil: Es findet eine klare Aufgabenteilung
tatt: Im Gericht die Güterichterschaft, außerhalb des
erichts die freie Mediation.
Frau Kollegin!
Ich komme gleich zum Schluss. – Die Einsparpoten-iale hinsichtlich Zeit und Finanzen könnten von denerichten optimal ausgeschöpft werden. Auch eineleichwertige Mediationskostenhilfe würde sich rech-en. Dann würden wir auch der Überschrift des Gesetz-ntwurfes gerecht, die lautet: „Entwurf eines Gesetzesur Förderung der Mediation und anderer Verfahren derußergerichtlichen Konfliktbeilegung“.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14417
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Der Kollege Professor Dr. Patrick Sensburg hat das
Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! LiebeKolleginnen und Kollegen, bei aller Kritik, die vonseitender Opposition am Haushalt gekommen ist, sage ich:Herr Kollege Petermann, Ihr Bild eines gehobenen Mit-telklassewagens war eher eine elfminütige Geisterfahrtohne großen inhaltlichen Bezug zum Etat des Justiz-ministeriums. Ich hatte fast den Eindruck, der KollegeErnst hätte die Rede geschrieben. Er hat ein bisschenmehr Erfahrung mit Autos der gehobenen Klasse. Ichmuss sagen: Das war inhaltlich schwach.
Bei aller Kritik, die an diesem Entwurf geübt wordenist, muss man eigentlich sagen: Das ist ein exzellenterHaushaltsentwurf. Wenn man sich die Zahlen anschaut,dann sieht man, dass er ein Volumen von 491 MillionenEuro und eine Deckungsquote von 90 Prozent hat.
– Ich komme gleich zur SPD. – Das ist eine Steigerungum 5 Prozent. Letztes Jahr hatten wir noch eine De-ckungsquote von 85 Prozent. Ich würde mir wünschen,dass dies dem einen oder anderen SPD-Justizministergelingt.Ich nenne das Beispiel Nordrhein-Westfalen. HerrKutschaty packt am Anfang 70 Millionen Euro mehr inden Haushalt des Justizministeriums in Nordrhein-West-falen. Ich glaube nicht, dass das eine solide Haushalts-führung ist.
– Das ist nicht der Strafvollzug. Der Etat für Maßnah-men im Rahmen eines Übergangsmanagements für ehe-malige Strafgefangene wurde um 1,2 Millionen Euroaufgestockt. Ferner gibt es Maßnahmen im Rahmen derDrogenprogramme. Gerade bei Herrn Kutschaty sehenwir Mehrausgaben über Mehrausgaben. In Nordrhein-Westfalen geht bereits der Ruf um, dass Herr KutschatyRechtspolitik eigentlich nur in Bezug auf Geld machenkann. Wenn es um Inhalte geht, dann gelingt ihm diesnicht.Wenn wir ein bisschen weiter in das Land Rheinland-Pfalz schauen, dann sehen wir, was der Kollege Beck beider Zusammenlegung des OLG Koblenz mit dem OLGZweibrücken macht. Ich kann nur sagen: Es ist keine so-lide Rechtspolitik, wenn man die Gerichte von den Bür-gern entfernt.
dwBEwhdvtenUzDDDdIcfühJbucbkafädweraEhhwgsk§RnsddfrAwtu
as ist keine gute Rechtspolitik.
Herr Kollege, ich kann nur sagen: Hier ist es anders.er Etat der Bundesjustizministerin ist eine solide Basis.er Kollege Thomae hat es eben im Zusammenhang mitem Deutschen Patent- und Markenamt angesprochen.h möchte noch einmal erwähnen, dass das Bundesamtr Justiz Mehreinnahmen von rund 20 Millionen Euroat. Das sichert uns eine solide Arbeit im Bereich derustiz.Wir werden noch über den Einzelposten der General-undesanwaltschaft diskutieren müssen. Die Kürzungm 1 Million Euro wird in den nächsten Tagen und Wo-hen sicherlich noch zu diskutieren sein. Die General-undesanwaltschaft hat im Bereich der Terrorismusbe-ämpfung gute Arbeit geleistet. Sie hat beispielsweiseuch bei Ermittlungen im Zusammenhang mit den Vor-llen am Kunduz-Fluss gute Arbeit geleitet. Wir müssenarüber diskutieren, ob diese Reduktion wirklich not-endig ist. Ich glaube, sie ist nicht notwendig. Es wärein falsches Zeichen, den Posten im Bereich der Gene-lbundesanwaltschaft zu reduzieren.Gute Rechtspolitik bemisst sich nicht nur anhand derinnahmen und Ausgaben, sondern sie bemisst sich an-and der geleisteten Arbeit. Herr Kollege Lischka, Sieaben sich eben darüber beschwert, dass nichts geleistetorden sei. Die Kollegin Voßhoff hat einige Punkte an-eführt. Herr Kollege Lischka, wenn es Sie noch interes-iert, dann würde ich gern zwei Punkte ergänzen: Den-en Sie an den Schutz der Berufsgeheimnisträger nach160 a StPO. Hier haben wir den absoluten Schutz zuecht auf alle Rechtsanwälte ausgedehnt. Er gilt nichtur für Strafverteidiger. Es war der richtige Ansatz, zuagen: Auf die Fälle, in denen sich das Verteidigerman-at schon aus dem Rechtsanwaltsmandat ergeben kann,ehnen wir den absoluten Schutz aus. Für alle andereneien Berufe gilt der relative Schutz, der bis auf wenigeusnahmefälle dem absoluten Schutz gleichkommt. Dasar eine richtige Entscheidung der Rechtspolitik.Denken Sie auch an den Bereich der Zwangsverheira-ng und die Schaffung des § 237 StGB. Auch dazu kann
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Dr. Patrick Sensburg
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man nicht sagen, das sei bloße Symbolpolitik, wie Sie,Herr Kollege Montag, eben angeführt haben.
Zwangsverheiratung ist – Sie haben ja eben die Men-schenrechte angeführt – eine eklatante Menschenrechts-verletzung. Von daher war es ein richtiger Ansatz, § 237so auszugestalten, wie wir es gemacht haben.
Die Mediation ist von Ihnen, Frau Hönlinger, zuRecht angesprochen worden als ein Projekt, das wir an-packen und auch demnächst abschließen werden. Ichmuss allen Berichterstattern aus den Fraktionen danken,die sehr konstruktiv zusammengearbeitet und den Ent-wurf mitgestaltet haben, sodass nach meiner Meinungdurch das Gesetz eine Win-win-Situation entstehenkann, in der wir die außergerichtliche Mediation stärken,aber die gerichtsinterne Mediation nicht verhindern wol-len. Hier ist uns etwas Gutes gelungen.Ich weiß nicht, ob eine Bundesstiftung „Mediation“der richtige Ansatz ist; das können wir in den nächstenWochen ausdiskutieren. Ein Verfahren wie die Media-tion mit mehr Bürokratie gestalten zu wollen, ist ein An-satz, über den man zweimal nachdenken muss. Trotzdemsind die Verhandlungen über den Gesetzentwurf zur Me-diation sehr konstruktiv gewesen. Ich danke insbeson-dere der Ministerin und Staatssekretär Dr. Stadler, dasswir konstruktiv zusammenarbeiten konnten. Insbeson-dere bei den Standards, die im ersten Entwurf noch nichtgeregelt waren, sind wir weitergekommen. Ohne eineRegelung der Standards wird die Mediation auf Dauerkeinen Erfolg haben.Als Resümee kann man sagen, dass der Haushaltsent-wurf sicherlich die Grundstruktur für eine gute Justiz-politik legt. An wenigen Stellen wird es Nachbesserun-gen geben müssen; darüber können wir in den nächstenWochen sicherlich sprechen. Ich glaube, wir müssen vorallem über einen personellen Aufwuchs im Bereich derinternationalen Zusammenarbeit diskutieren. Den An-satz kann man sicherlich mittragen, man muss aber auchbedenken, dass auch wir uns im Parlament sicherlich mitweiteren Aufgaben im Rahmen der Internationalisierungwerden befassen müssen. Daher muss man darübernachdenken, ob nicht auch unsere Ausschüsse weitererpersoneller Unterstützung bedürfen.Ich kann den Haushalt des BMJ nachvollziehen,möchte aber jetzt schon anmerken, dass auch auf unsdurch Europa, durch die internationale Zusammenarbeitviele Aufgaben zukommen. Dafür sind wir personellnicht hinreichend ausgestattet. Ich unterstütze die Initia-tive von Siegfried Kauder und Dr. Michael Meister, denRechtsausschuss einzubeziehen, wenn beispielsweiseüber Haushalts- und Finanzfragen mit Blick auf Europadiskutiert wird. Es darf nicht sein, dass diese FragenoscreaaridisindSIcRDRzdIdDgSIhdDsdsfangbFelezreg
Die Kollegin Dr. Eva Högl hat jetzt das Wort für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!h komme zu einem ganz anderen Ergebnis, wie dieseechtspolitik zu bewerten ist.
as ist nicht verwunderlich. Wer den Rednerinnen undednern genau zugehört hat, kommt zu dem Ergebnis,u dem ich komme, nämlich dass in der Rechtspolitikas gilt, was für die gesamte Bundesregierung gilt: keineeen, keine Kraft, die Herausforderungen anzunehmen.as hat diese Debatte mehr als deutlich gezeigt.
Es wurde vorhin gesagt – wir haben alle ein bisscheneschmunzelt, als Herr Montag das erwähnt hat –, dassie, Frau Ministerin, für den Rechtsstaat nerven. Ich willnen ganz offen sagen, was mich nervt. Mich nervenie ideologischen Streitigkeiten in der Rechtspolitik.as nervt mich sehr: ideologische Streitigkeiten stattachliche Diskussionen. Wir in der Rechtspolitik, geradeiejenigen, die dort engagiert sind und Mitglied des Aus-chusses und Unterausschusses sind, haben die Chance,chlich, sachlich, konzentriert, solide und dort, wo esotwendig ist, bisweilen geräuschlos Rechtspolitik zuestalten. Das ist unsere Aufgabe. Aber das darf manitte nicht verwechseln, liebe Kolleginnen und Kollegen,rau Ministerin, mit Untätigkeit; denn Untätigkeit isttwas anderes. Wir haben an vielen Stellen – meine Kol-gen haben sie aufgeführt – Handlungsbedarf identifi-iert. Wir haben aber nicht festgestellt, dass die Bundes-gierung und die Koalitionsfraktionen hier engagiertenug vorangehen.
Auch ich muss vielleicht noch einmal nerven.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14419
Dr. Eva Högl
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Ich will ein Thema, das uns allen am Herzen liegt, unbe-dingt ansprechen: die Vorratsdatenspeicherung. Mankann sie auch „Mindestdatenspeicherung“ nennen, HerrSilberhorn; auch wir haben sie in unserem Papier so ge-nannt. Die Debatte über die Vorratsdatenspeicherung istein Symbol für die Unfähigkeit der Bundesregierung,Vorschläge zu machen und Regelungen zu treffen. Beidiesem Thema geht es um eine ganz grundsätzlicheFrage. Es geht um die Balance zwischen dem Schutz vonBürgerrechten und Datenschutz und der Bekämpfungvon Straftaten und Kriminalität sowie der Gewährleis-tung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Es han-delt sich hierbei nicht um ein Spezialthema oder ein Insi-derthema, sondern es geht um die Frage, wie wir dieRechtspolitik gestalten. Frau Ministerin, dieses Themadürfen wir im Deutschen Bundestag nicht aussitzen.
Wir haben die besten Voraussetzungen. Es gibt einUrteil des Bundesverfassungsgerichts, das sonnenklarist. Man muss es im Grunde genommen nur abschreiben.
Daran haben auch wir uns bei der Erarbeitung unseresPapiers, das wir vorgelegt haben, orientiert.Sehr wichtig ist mir die europäische Ebene. Wir dür-fen dieses Thema auch auf europäischer Ebene nichtaussitzen; ich habe das schon mehrfach gesagt.
Wir können nur dann auf europäischer Ebene gestalten,wenn wir eigene Vorschläge machen. Wir als SPD po-chen so sehr darauf, dass Vorschläge auf den Tisch desHauses gelegt werden, über die wir dann diskutierenkönnen, damit wir auch in Europa sprachfähig sind. FrauMinisterin, wir haben Vorschläge vorgelegt, die Sie sichanschauen können. Die SPD hat sich also positioniert,und zwar, wie ich finde, nicht schlecht.
Als Bundestagsabgeordnete aus Berlin möchte ich aufein weiteres Thema zu sprechen kommen: auf das Miet-recht. Sie haben im Koalitionsvertrag formuliert, dasMietrecht auf seine Ausgewogenheit hin zu überprüfenund seinen sozialen Charakter zu wahren.
Davon merken wir bei Ihren Vorschlägen überhauptnichts. Wir stellen das Gegenteil fest.WistedtulevlaDewdteMreAdaluedsTazcguPlaDresruetilasS
ir alle wollen die energetische Gebäudesanierung; siet gut für die Umwelt und für die Mieterinnen und Mie-r. Sie allerdings verfolgen den Ansatz, die Förderunger energetischen Gebäudesanierung zu streichen. Sien also genau das Gegenteil. Frau Ministerin, Sie wol-n die Kosten für die energetische Gebäudesanierungon den Vermietern auf die Mieterinnen und Mieter ver-gern.
as ist genau der falsche Schritt.
Wir können Ihnen schon jetzt versprechen: Wenn dientsprechenden Pläne auf den Tisch gelegt werden undir im Bundestag darüber diskutieren, dann wird sichie SPD jeglichen Ideen widersetzen, die zur Folge hät-n, dass die Kosten einseitig auf die Mieterinnen undieter abgewälzt werden. Das hat mit sozialem Miet-cht nichts zu tun.
n dieser Stelle sind wir sehr engagiert.Frau Ministerin, ich komme zu dem Ergebnis, dassie Bilanz alles andere als gut ist. Wir haben in diesernderthalbstündigen Debatte an vielen Stellen Hand-ngsbedarf identifiziert. Wir als SPD würden Sie an derinen oder anderen Stelle gerne unterstützen. Wir for-ern Sie aber auch auf, engagiert und kämpferisch zuein.Ich möchte Sie persönlich bitten, sich bei einemhema, bei dem wir Sie als Rechtspolitikerin brauchen,nders zu positionieren als bisher und uns zu unterstüt-en. Beim Thema „Frauen in Führungspositionen“ brau-hen wir Sie, Frau Ministerin. Bitte stehen Sie nicht län-er auf der Seite derjenigen, die gegen Quotierungennd gesetzliche Vorschriften sind. Wir brauchen auch imarlament – das ist nämlich eine Regelung, die das Par-ment treffen muss – wortgewaltige Unterstützerinnen.ies ist eine rechtspolitische Frage. Wir haben dazu be-its Vorschläge vorgelegt, und wir werden weitere Vor-chläge erarbeiten. Wir brauchen dringend eine Quotie-ng im Hinblick auf Vorstände und Aufsichtsräte, damitndlich, endlich, endlich mehr Frauen in Führungsposi-onen kommen. Hier besteht die Chance, dass Deutsch-nd einen riesengroßen Fortschritt macht. Ich fände esehr schön, wenn Sie, Frau Ministerin, dabei an unserereite wären.Herzlichen Dank.
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14420 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
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Der Kollege Alexander Funk hat jetzt für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Der Justizetat steht traditionell im Schattenanderer Haushalte. Dies gilt insbesondere bei der erstenLesung, zumal wir alle wissen, dass auch dieser Haus-halt, was seine Details betrifft, keineswegs so verab-schiedet werden wird, wie er heute eingebracht wordenist. Gerade dies bietet aber die Möglichkeit, in den kom-menden Wochen noch Fragen zu klären und auf Ände-rungen hinzuwirken.Über die Eckdaten ist bereits genug gesagt worden.Ich greife daher einige Punkte auf, die mir besonders amHerzen liegen. Zunächst einmal ist aber generell zu be-grüßen, dass der Einzelplan 07 auch im Haushaltsjahr2012 zu den sparsamsten Etatentwürfen zählt und mitrund 90 Prozent die höchste Deckungsquote aufweist.Dies ist allerdings der Tatsache geschuldet, dass dasDeutsche Patent- und Markenamt kräftig zur Finanzie-rung des Etats beiträgt. Circa 303 Millionen Euro sollenim kommenden Jahr vom DPMA in München nach Ber-lin fließen.Das ist erfreulich, darf aber nicht dazu führen, dieseEinnahmen als sichere Bank zu betrachten. Ich halte esfür außerordentlich wichtig, das DPMA weiter zu stär-ken, denn es dient nicht in erster Linie der Finanzierungdes Justizetats, sondern es dient vor allem der Sicherungder Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.2010 konnte das DPMA 32 069 Patentanträge beschei-den. Das ist eine stattliche Zahl, doch stehen ihr 36 841Prüfanträge gegenüber.Es ist daher erfreulich und war unbedingt erforder-lich, dass die vorgeschriebene Einsparung von 41 Plan-stellen durch 50 neue Stellen für den Sondertatbestand„Innovationsförderung“ abgemildert werden konnte.Man mag hier von einer Überkompensation sprechen,doch halte ich sie in diesem Zusammenhang für erfor-derlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass das DPMAeigentlich einen zusätzlichen Personalbedarf von250 Stellen hat, und zwar nur, um den Antragsstau abzu-bauen. Das sind Stellen, die sich nicht nur selbst finan-zieren, sondern auch vielfältigen Gewinn für unsereWirtschaft abwerfen würden.
Deutschland ist bekanntlich ein Blaupausenland. Un-ser Kapital ist der Ideen- und Erfindungsreichtum unse-rer Menschen und unserer Wirtschaft, vor allem der mit-telständischen. Damit dieses Kapital in unseren Händenbleibt, braucht es das DPMA, und dieses wiederumbraucht unsere Unterstützung.
Ein anderer Titel, der mir am Herzen liegt, betrifft diefinanzielle Ausstattung der Deutschen Stiftung für inter-ndvwpnnbduLhdIcdWgShsliealeresAicndsridruickkdfüEErerizdOru7n
Das gilt auch für weitere Länder, die an der Schwellees Wechsels von der Diktatur zur Demokratie stehen.h appelliere daher an alle Kolleginnen und Kollegen,ie Arbeit gerade der IRZ-Stiftung zu fördern.
ir würden damit ein wichtiges Zeichen für all diejeni-en setzen, die für Freiheit und Demokratie auf dietraße gegangen sind und ihr Leben aufs Spiel gesetztaben. Wir wollen in vielen Bereichen gern Weltmeisterein – warum nicht auch beim Export von Rechtsstaat-chkeit?Aufklärungsbedarf sehe ich beim Personaletat. Es istine Binsenweisheit, dass auch der Etat 2012 unter dembsoluten Gebot der Sparsamkeit stehen muss. Wenn al-rdings im Zusammenhang mit – ich zitiere – „umfang-ichen Berichtspflichten nach den Lissabon-Begleitge-etzen“ sechs hochdotierte Stellen für internationaleufgaben neu geschaffen werden sollen, dann meineh, dass die Unabweisbarkeit dieser Forderung erstoch nachgewiesen werden muss. Schließlich werdeniese Stellen den Justizetat auf Dauer belasten. Ange-ichts des im Justizministerium ohnehin vorhandenen ju-stischen Sachverstandes sollten hier alle Möglichkeitener Kompensation geprüft werden, bevor dieser Forde-ng entsprochen wird. Insofern, Kollege Sensburg, seheh das als Haushälter etwas kritischer. Aber darüberönnen wir in den nächsten Wochen alle gemeinsam dis-utieren.Kritisch sehe ich in diesem Zusammenhang einerseitsie geplante teure Stellenvermehrung, andererseits einer mich zweifelhafte Einsparung von 1,4 Millionenuro beim Etat des Generalbundesanwalts. Bei diesemtat sind zwar Haushaltsreste vorhanden. Auf der ande-n Seite hat der Generalbundesanwalt angesichts terro-stischer Gefährdungen einen bedeutsamen Aufgaben-uwachs bekommen. Sicherheit darf nicht auf dem Altarer sonst gebotenen Sparsamkeit geopfert werden.
Lassen Sie mich noch den Titel „Härteleistungen fürpfer extremistischer Übergriffe“ erwähnen. Im Regie-ngsentwurf wird die Erhöhung des Ansatzes um00 000 Euro auf 1 Million Euro zurückgenommen – aufunmehr 500 000 Euro. Das erscheint auf den ersten
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14421
Alexander Funk
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Blick gerechtfertigt; denn die Zahl der Anträge ist starkzurückgegangen, und aus dem Fonds sind keinerlei Mit-tel abgeflossen. Im Gegenteil: Aus Vollstreckungen hates sogar Einnahmen in Höhe von 77 000 Euro gegeben.Nun könnte man aus dieser Entwicklung schließen,dass es in unserem Land keinerlei Opfer extremistischerStraftaten mehr gibt. Dem ist aber nicht so. Weiterhinwerden Menschen Opfer sowohl links- wie auch rechts-extremistischer Gewalttäter.Wie also ist es zu erklären, dass der Härtefonds nichtin Anspruch genommen wird? Eine Absicht des Gesetz-gebers kann wohl getrost ausgeschlossen werden. EineUrsache könnte die fehlende Bekanntheit dieses Fondssein. Im vergangenen Jahr hat der Kollege Schurer vonder SPD die Anregung gegeben, gerade die Opferver-bände über diese unbürokratische Hilfe zu informieren.Wir werden uns in diesem Jahr genau anschauen müs-sen, was in dieser Richtung bisher getan wurde oder obeventuell auch die Richtlinie überarbeitet werden muss.Der Opferfonds ist zu wichtig, als dass ihm lediglicheine Alibifunktion zukommen darf.
Ich bin davon überzeugt, dass die Fachleute im Bun-desministerium der Justiz alles darangesetzt haben, unseinen nachvollziehbaren, ehrlichen Haushaltsentwurfvorzulegen.Ich hoffe sehr, dass wir bis zur zweiten und drittenLesung in den Gesprächen mit den Experten des Justiz-ministeriums und im Rahmen der Berichterstatterrundennoch die eine oder andere Möglichkeit finden, Steuer-mittel einzusparen oder zielführender einzusetzen – ge-mäß dem eben erwähnten Motto, dass kein Gesetzent-wurf dieses Haus so verlässt, wie er hineingekommenist.Vielen Dank.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereiches undkommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministe-riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit, Einzelplan 16.Als Erstem gebe ich das Wort dem Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,Dr. Norbert Röttgen – der bitte ganz langsam ans Red-nerpult kommt, damit im Plenum noch die Plätze ge-wechselt werden können.Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit:Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrteFrau Präsidentin, vielen Dank für den Hinweis, michlangsam hierhin zu bewegen. Ich glaube, jetzt darf dieDebatte zum Umwelthaushalt aber auch beginnen. –Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte dieseHaushaltsdebatte mit einigen Zahlen eröffnen. Es sindnDwvBE–wdcÖirnlegdnredgcrewd1db1HesedDEMds
Wir dürfen uns darüber freuen. Das finde ich gut. Ichollte Sie von der Opposition erst später einladen, sicharüber zu freuen. Ihre Freude ist aber schon ausgebro-hen. Das finden wir alle gut.65 Prozent sind auch bereit, in ihrer Nachbarschaftkostromanlagen zu akzeptieren. Das ist wichtig; denngendwann wird der Umbau natürlich auch konkret, undeben vielen Vorteilen gibt es Betroffenheiten und viel-icht auch Nachteile.
80 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher sa-en: Wir finden die EEG-Umlage okay; wir sehen ein,ass wir sie bezahlen müssen, oder wären sogar bereit,och etwas mehr zu bezahlen. – Meine Damen und Her-n, das heißt: Die Bürgerinnen und Bürger unterstützenieses Projekt. Sie machen mit. Sie wollen es und brin-en unser Land in Bewegung. – Das sind sehr erfreuli-he Zahlen.Lassen Sie mich noch eine andere Zahl nennen. Wäh-nd der ganzen Debatte um die Energiewende habenir immer wieder richtigerweise gesagt, dass der Anteiler erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung7 Prozent beträgt. Diese Zahl stammt allerdings ausem letzten Jahr. Wenn wir nun das erste Halbjahr 2011ilanzieren, können wir feststellen, dass es nicht mehr7 Prozent sind, sondern inzwischen – Stand: erstesalbjahr 2011 – 20,8 Prozent. Somit ist der Anteil derrneuerbaren Energien um 14 Prozent gewachsen.
Zum Umwelthaushalt. Die Umweltschutzausgabenteigen im Haushalt 2012 um 900 Millionen – das sindrneut 14 Prozent – auf 7,4 Milliarden Euro. Daran hatie energetische Gebäudesanierung einen großen Anteil:ie Mittel steigen von 936 Millionen auf 1,5 Milliardenuro pro Jahr bis 2014.
an könnte noch mehr Zahlen auflisten, aber ich will esabei bewenden lassen.Das alles sind erfreuliche Zahlen. Es zeigt: Im Landind die Signale angekommen. Das ist das Projekt der
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Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
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Regierung. Es ist aber nicht nur das Projekt der Regie-rung, sondern es ist das Projekt Deutschlands. Das ist ei-gentlich das Schönste und Beste, was man sagen kann,gerade in der Energiepolitik.
Es ist das Projekt der Menschen in unserem Land, die essich zu eigen gemacht haben.
– Doch. In dieser Konsequenz und mit den Erfolgen istes das Projekt auch der Bundesregierung. Auch das istein Teil der Wahrheit. Ich glaube, wir können auchwechselseitig anerkennen, meine Damen und Herren,dass es diese Regierung ist, dass es die Länder sind, dasses Kommunen sind, dass es Energiegenossenschaftensind, dass es eben das Land ist, das vorangeht. Das istauch gut. Daran muss man auch nicht herummäkeln,sondern man kann sich darüber freuen.
Ich möchte aber vor allen Dingen sagen, dass dieEnergiewende, die wir beschlossen haben, mit dem Be-schluss im Deutschen Bundestag und auch im Bundesratnicht vollendet ist und angesichts all der Debatten, diewir geführt haben, nicht hinter uns liegt. Die Ener-giewende liegt vielmehr vor uns. Es geht darum, sie jetztzu machen. Das ist eigentlich das entscheidende Signal.
Wir haben sie möglich gemacht, und jetzt wird esauch geschehen.
Natürlich muss es auch in der Politik geschehen. Auchdort sind weitere Veränderungen möglich. Aber es bleibtein Gemeinschaftsprojekt. Wir werden das auch tun.Um ein Beispiel zu nennen: Wir werden die großenPotenziale der erneuerbaren Energien, nachdem wir dasim Strommarkt ermöglicht haben, auch im Wärmemarkterschließen. Darum werden wir im nächsten Jahr eingrundlegend novelliertes Erneuerbare-Energien-Wärme-gesetz vorlegen.
Ich habe eben den Erfolg der energetischen Gebäude-sanierung beschrieben. Seit 2006 sind 2,5 MillionenWohnungen neu errichtet oder saniert worden. Dasbringt eine CO2-Einsparung von 5 Millionen Tonnen, esschafft Arbeitsplätze und Wertschöpfung in unseremLand. Ich appelliere auch an dieser Stelle an den Bun-desrat, dass die Bundesländer noch einmal darüber nach-denken, unser Angebot anzunehmen, jetzt auch in diesteuerliche Förderung der Gebäudesanierung einzustei-gen. Das brauchen wir, und das tut dem Land gut. WenneEgdDvuSmejetejenkEnefüwEgseEnsaggcSdGdraduwdugGdK
Aber auch viele andere müssen sich darauf einstellen.ie Energieversorgungsunternehmen müssen jetzt in-estieren. Wir brauchen Investitionen in Gaskraftwerke,nd wir brauchen Akzeptanz für die Leitungen. Dietromproduzenten im Bereich erneuerbare Energienüssen sich auf mehr Markt und auf die Verbraucherinstellen. Wir brauchen den Netzausbau. All das isttzt notwendig. Speichertechnologien, moderne und in-lligente Netze und intelligente Zähler: All das gehttzt in einem großen Gemeinschaftswerk los.Wir werden als Bundesregierung dafür ein Projektma-agement begründen; denn es geht darum, das Ganzeonkret umzusetzen. Wir werden die Expertise und dierfahrung des Marktes, der Betroffenen, der Kommu-en, der Länder und der Kraftwerksbauer annehmen undinbinden, um dieses Projekt zu einem Erfolgsprojektr unser Land zu machen. Das ist unser Ehrgeiz, denir nun mit der Ausführung des von uns beschlossenennergiekonzeptes beweisen werden.Ich möchte einen weiteren Punkt erwähnen, dem ichroße Bedeutung beimesse: die Fortführung des Konsen-es in einer Frage, bei der schon fast alle die Möglichkeitines Konsenses aufgegeben hatten, nämlich bei derndlagersuche und -bestimmung. Hier strebe ich einenationalen Konsens an. Das ist Teil des Energiekonsen-es, den wir beschlossen haben. Jetzt geht es darum,uch das zu realisieren.
Wir sind als Regierung entschlossen, dies zu tun. Eseht um den Konsens in der Verantwortung, ein Endla-er für hochradioaktive Abfälle in Deutschland zu su-hen. Keine Generation hat das Recht, Kernenergie zurtromproduktion zu nutzen und die Abfälle unbehandelter nächsten Generation zu hinterlassen. Es ist unsereeneration in der Verantwortung, einer Verantwortung,er sich alle zu unterwerfen haben.
Darum sollten wir miteinander – das betone ich – da-n arbeiten, einen Konsens der heute Handelnden überie Generationenverantwortung zu erzielen. Wir könnennd müssen ihn erreichen. Ich schlage darum vor, dassir die Suche nach einem Konsens auf eine eigene son-ergesetzliche Grundlage stellen und nicht versuchen,ns wie bislang im Rahmen des Atomgesetzes zu bewe-en. Vielmehr brauchen wir eine eigene gesetzlicherundlage, weil ein besonderes Gesetz mit einer beson-eren Zweckbestimmung die Möglichkeit bietet, diesemonsens Ausdruck zu verleihen. Ich schlage vor, dass
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die Endlagersuche in einem partizipatorisch gestaltetenVerfahren vor sich geht, das alle einbindet, aber damitauch Verantwortung begründet. Auch das ist ein Teil derWahrheit. Ich schlage vor, dass wir anhand von wissen-schaftlichen Kriterien ermitteln und am Ende im Bun-destag entscheiden.
Am Ende dieses eigenen Verfahrens wird die Ent-scheidung von uns allen gefordert. Ich lade Sie aus-drücklich ein, daran mitzuwirken. Die Bundesregierungwird alle Bundesländer, die ja teilweise einen Meinungs-wechsel und Verantwortungsbereitschaft bekundet ha-ben, einladen und zu Gesprächen bitten.
Umweltpolitik ist Wachstumspolitik. Umweltpolitiksteht nicht im Gegensatz zu Wachstum. Vielmehr ist dieBewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen Bedin-gung und treibende Kraft von richtig verstandenemWachstum, einem Wachstum, das Lebensmöglichkeitenauch der nächsten Generationen erhält und erweitert.Darum wird diese konkrete Wachstumsstrategie mit demKreislaufwirtschaftsgesetz in diesem Jahr von uns weiterausgefüllt werden. Wir werden eine grundlegende Über-arbeitung vornehmen, die die Ziele der Abfallvermei-dung und der Wiederverwertung, des Recyclings, ganznach vorne rückt. Darum hat die Bundesregierung be-schlossen, ein nationales Ressourceneffizienzprogrammvorzulegen. Wir werden es tun, um den strategischenRahmen und konkrete Schritte festzulegen. Wir werdenweiterhin die Sektoren, in denen sich dieses Wachstumvollziehen soll, definieren. Das ist Ausdruck dessen,dass wir konzeptionell und konkret ökonomischeWachstumsnotwendigkeiten und ökologische Überle-benserfordernisse miteinander verbinden.Ich möchte ein anderes Feld nennen, wo bereits deut-lich ist, dass Umweltpolitik in diesem weiten Verständ-nis eine Querschnittspolitik ist und eine Zukunftsper-spektive für das Land bietet. Das ist der Umgang mitneuen Technologien; ich möchte hier insbesondere denUmgang mit den Nanotechnologien nennen. Der Sach-verständigenrat für Umweltfragen hat in der letzten Wo-che der Bundesregierung das dicke Gutachten zu denNanotechnologien überreicht. Wir haben darüber inten-siv diskutiert. Nanotechnologie ist ein Beispiel dafür,dass neue Technologien faszinierende Möglichkeiten er-öffnen, Möglichkeiten des Erkenntniszuwachses, aberauch der wirtschaftlichen Anwendung. Gleichzeitig er-geben sich beim Betreten dieser faszinierenden Weltneue Risiken, die wir zum Zeitpunkt der Anwendungzum Teil noch gar nicht kennen. Wirtschaftliche, techni-sche Machbarkeit und das Wissen darum, welche Risi-ken wir damit begründen und vielleicht auch hervorru-fen, klaffen durchaus auseinander. Die Schlussfolgerungdaraus darf aber nicht sein, dass wir neue Technologientabuisieren und Ängste schüren. Aber die Schlussfolge-rung darf auch nicht sein, dass wir so tun, als gäbe esdiese Risiken gar nicht und als gäbe es nur die Chancen.Ein richtiges Verständnis von Chancen und Risiken, dero–subddP–hsegAm–WAghrevsdmWDEhGhtrfrEatuCWinDtawdgd
Er freut mich, wenn auch Sie dem zustimmen.Abschließend möchte ich auf ein Wachstum einge-en, das mit Klimaschutz und Naturschutz im Einklangteht. Wir tragen zum Klimaschutz bei – wir versuchens – durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Es ist,laube ich, die wichtigste Motivation und es dient derkzeptanz in der Bevölkerung, einen Beitrag zum Kli-aschutz zu leisten.
Wenn Sie es noch nicht mitbekommen haben sollten:ir machen ganz viele Klimaschutzgesetze.
ußerdem schaffen wir ein Ressourceneffizienzpro-ramm. Wie kann man all das nicht sehen?Wir setzen uns international für Klimaschutz ein. Wiraben hier in Berlin vor einigen Monaten einen erfolg-ichen Petersberger Klimadialog II geführt, und wirersuchen, zu helfen, dass die südafrikanische Präsident-chaft erfolgreich sein wird.Natürlich sehen wir hier die Rolle Europas – nicht diees Vorreiters, aber die des Herausforderers. Darumuss Europa auch in der Klimapolitik zusammenstehen.enn Europa das nicht tut, dann wird es marginalisiert.as gilt auch in einem so wichtigen Feld wie dem dermissionspolitik bzw. der Klimapolitik. Darum sind wirier im eigenen Interesse und im Interesse der nächstenenerationen Vorreiter. Die Umsetzung der Emissions-andelsrichtlinie ist ein Erfolg. Sie wird auf neue Indus-iesektoren ausgeweitet und ist zugleich industrie-eundlich. Gleichzeitig wird die Menge der zulässigenmissionen immer weiter reduziert.Zu diesem weiten Verständnis von Umweltpolitik unduch von Wachstumspolitik gehört eine engagierte Na-rschutzpolitik. Ich möchte kurz die Konferenz „Bonnhallenge“ erwähnen; diese erfolgreiche Initiative zuraldpolitik hat in der letzten Woche stattgefunden. Wir Deutschland verfolgen eine eigene Waldstrategie. Ineutschland wächst der Wald, und zwar um 3 500 Hek-r pro Jahr. Damit sind wir sehr erfolgreich. Aber welt-eit werden jedes Jahr 13 Millionen Hektar Wald gero-et. Das ist weder wirtschaftlich vernünftig, noch ist esenerationenverantwortlich. Darum hat diese Initiativeas Ziel – wir verfolgen es mit anderen zusammen; es
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Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
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wird von Unternehmen und von führenden Politikern an-derer Länder unterstützt –, bis 2020 150 Millionen Hek-tar wieder aufzuforsten. Das ist ein konkretes Zukunfts-projekt. Ich freue mich, dass unser Land an dieser Stelleführend ist – ich glaube, darüber gibt es einen gewissenKonsens –, eine Waldstrategie national und internationaldurchzusetzen. Auch Naturschutz zählt immer noch zumKern von Umweltpolitik. Daran halten wir fest.
Ich glaube, dass Umweltpolitik insgesamt einen gu-ten, vielleicht einen neuen Stellenwert hat und das Landpositiv nach vorne bringt. Ich hoffe sehr auf Ihre Unter-stützung auch für diesen Bundeshaushalt.Herzlichen Dank.
Der Kollege Dr. Matthias Miersch hat jetzt das Wort
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister Röttgen, da war er wieder, der „doppelteRöttgen“: viele salbungsvolle Worte, viel Pathos, aberwenig Substanz. Das ist ein Markenzeichen Ihrer bishe-rigen Regierungszeit als Bundesumweltminister.
Herr Minister, ich hätte von Ihnen ein bisschen De-mut erwartet. Was haben Sie hier im Verlauf eines Jahresfür eine Kehrtwende hingelegt! Ein bisschen Demut ge-genüber all denen, die trotz Ihrer Politik in Erneuerbareinvestiert haben, die vor Ort, auf kommunaler Ebene, fürKlimaschutz gefochten haben, hätte Ihnen gut angestan-den.
Vor einem Jahr sagten Sie an dieser Stelle beim Ein-bringen des Haushalts – ich darf zitieren –:Dieses Energiekonzept ist das anspruchsvollste,konsequenteste, umfassendste Energie- und Um-weltkonzept, was es in Deutschland je gegeben hat,und es ist weltweit einmalig.Mit diesem Zitat wollten Sie die Laufzeitverlänge-rung begründen. Ich sage Ihnen: Ja, es ist sicher weltweiteinmalig, wie innerhalb eines Jahres ein solches Konzeptüber den Haufen geworfen werden konnte. Das, glaubeich, ist eine Kehrtwende, die alles andere als zukunftsfä-hige Politik gewesen ist. Ihr Energiekonzept war das in-novationsfeindlichste und schlechteste, das es inDeutschland je gegeben hat.
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Mehr noch: Sie haben zehn Jahre lang dazu beigetra-en, dass immer wieder gemutmaßt werden konnte:enn Schwarz-Gelb an die Regierung kommt, dann dre-en die das sowieso. – Das hat dazu geführt, dass Eonnen vertraut hat und gerade nicht in Innovationen, ge-de nicht in Erneuerbare investiert hat. Insofern habenie zehn Jahre lang gegen Innovationen in diesem Landearbeitet.
Sie haben in dieser Rede vor einem Jahr weiter gesagt ich zitiere –:Zusätzlich gibt es noch die Beiträge der Kernener-giewirtschaft, die insgesamt einen zweistelligenMilliardenbetrag ausmachen. Wir werden ab 2013für den Bereich Klima- und Energiepolitik rund3 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung haben.Das war noch nie da und ist ein Erfolg, von demalle profitieren werden.Nach einem Jahr ist dieses Finanzierungskonzeptwir haben es Ihnen übrigens gesagt – wie ein Karten-aus zusammengebrochen, Herr Bundesumweltminis-r. Sie haben sich mit den vier Großen ins Bett gelegt,nd jetzt haben Sie die Quittung: Nichts ist finanziert.ie haben hier ein Wolkenkuckucksheim aufgebaut.
Und schlimmer: Sie wiederholen diese Geschichte;enn mit Ihrem großartigen Fonds machen Sie gleichen nächsten Fehler. Sie binden ihn an den Emissions-andel und versehen ihn mit einem Finanzierungsvorbe-alt. Das heißt, über allen Maßnahmen, die Sie daineinschreiben, schwebt ein Damoklesschwert. Ich ver-preche Ihnen jetzt schon: Alle Annahmen, die Sie daineingeschrieben haben, werden nicht eintreten. Sie ha-en keine Verbindlichkeit, Sie haben keine Verlässlich-eit mit diesem Haushalt geschaffen.
Das Schlimmste, was Sie in diesen zwei Jahren ange-chtet haben, ist die Schaffung einer großen Unsicher-eit. Gerade im Bereich der Erneuerbaren, gerade im
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Dr. Matthias Miersch
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Bereich der Effizienztechnologie geht es um Investi-tionssicherheit. Reden Sie mit den Leuten, die Block-heizkraftwerke hergestellt haben bzw. herstellen! RedenSie mit den Modulherstellern im Bereich der Photovol-taik! Sie sagen Ihnen alle, das, was Sie zwei Jahre langgemacht haben, hat sie in dem Ausbau behindert. Dasmüssen Sie ändern. Sie haben es in diesem Projekt abernicht geändert, weil Sie das Marktanreizprogramm, dieGebäudesanierung, alles unter einen Finanzierungsvor-behalt stellen. Das ist schädlich für dieses Land.
Schlimm ist nicht nur, dass Sie national eine großeVerunsicherung herbeigeführt haben, sondern auch, dassSie vor allen Dingen international dem Ansehen derdeutschen Klimaschutzpolitik geschadet haben. Sie ha-ben uns auf unsere Anfrage hin schwarz auf weiß mitge-teilt, dass Sie nicht beabsichtigen, ein Klimaschutzgesetzin den Deutschen Bundestag einzubringen. Daran wirddeutlich, dass allein markige Worte und gute Sprüche IhrMarkenzeichen sind. Immer dann, wenn es verbindlichwerden soll, wenn es kontrollierbar sein soll, rudern Siezurück und legen nichts vor.Das, was Sie sich auf internationaler Ebene in denletzten zwei Jahren geleistet haben, hat dem Ansehen derBundesrepublik Deutschland gerade im Bereich des in-ternationalen Klimaschutzes massiv geschadet. Insofernglaube ich, Herr Bundesminister Röttgen, wäre es gutgewesen, wenn Sie die Finanzierung für die zugesagtenFast-Start-Mittel in diesen Haushalt endlich fundiert be-legt eingestellt hätten und nicht durch Herumrechnerei,Gegenrechnerei das Gegenteil gemacht hätten. Es istkein Schritt zur Vertrauensbildung, was Sie in diesemHaushalt im Bereich des internationalen Klimaschutzesanstellen.
Ein Wort zum Schluss. Ich glaube, dass wir als Um-weltpolitiker bei der Haushaltsdiskussion eine großeVerantwortung haben; denn es geht darum, die Philoso-phie der Haushaltsberatung einmal völlig anders zu be-trachten. Wir können im Bereich der Umweltpolitiknicht von einem Jahr zum anderen denken. Wie wäre eseigentlich gewesen, wenn der volkswirtschaftliche Scha-den, der sich in Japan durch die Katastrophe von Fuku-shima augenblicklich einstellt, der volkswirtschaftlicheSchaden durch den Super-GAU, in irgendeiner Formhaushalterisch Beachtung gefunden hätte?Wie wäre es, wenn wir im Rahmen dieser Haushalts-planberatungen die Folgeschäden des Klimawandels,von denen wir durch Sir Nicholas Stern wissen, in ir-gendeiner Form berücksichtigen würden? Wir würden,glaube ich, zu ganz anderen Maßnahmen kommen müs-sen,
weil letztlich jede entsprechende Investition, die wirheute tätigen, weitaus höhere Folgekosten vermeidenhilft.IcteeDtiMmhh1dingdkdruHfüaua1ghSdhzreddBfükUsBwfünE
h wünsche mir, dass wir in die Beratungen der nächs-n Wochen ein bisschen mehr von diesen Überlegungeninbeziehen und damit für etwas mehr Substanz sorgen.as wünsche ich mir.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Stephan Thomae hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-
on.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundes-inisters für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-eit ist im Vergleich zum Gesamtvolumen des Bundes-aushaltes ein kleiner Fisch mit einem Umfang von,5 Milliarden Euro; das entspricht ungefähr 0,5 Prozentes Bundeshaushaltsvolumens. Gleichwohl spiegelt sich diesem Ressort eine der dramatischsten Entwicklun-en der letzten zwölf Monate wider: die Diskussion umie Zukunft der Energieversorgung.Als Berichterstatter für diesen Einzelplan will ich ganzurz ein paar allgemeine Daten vorausschicken und daraneutlich machen, dass wir trotz der hohen Herausforde-ngen, die die Aufgaben an uns stellen, auch hier dieaushaltskonsolidierung nicht hintanstellen. 2011 sindr den Haushalt des BMU über 1,6 Milliarden Euro ver-nschlagt. Wir wollen diesen Haushalt im nächsten Jahrm 42 Millionen Euro – das sind ungefähr 2,6 Prozent –uf unter 1,6 Milliarden Euro zurückführen, nämlich auf,5931 Milliarden Euro. Trotz der hohen Herausforderun-en wird also auch hier am Konsolidierungsziel festge-alten.Zur Struktur des Haushaltes. Er gliedert sich in einentammhaushalt, in dem die typischen Verwaltungskostenes Ministeriums angesiedelt sind, einen Programm-aushalt, in dem die Mittel für Programme und Projekteu finden sind, und in den Haushalt für den Endlagerbe-ich. Dieses große Thema macht ungefähr ein Dritteles Haushaltes aus. Dem Ministerium sind drei Behör-en nachgeordnet: das Umweltbundesamt in Dessau, dasundesamt für Naturschutz in Bonn und das Bundesamtr Strahlenschutz in Salzgitter.Anhand der Programme und Projekte kann man er-ennen, dass Umweltschutz ein Querschnittsthema ist.mweltschutz ist nicht nur in diesem Einzelplan ange-iedelt, sondern auch in vielen anderen Einzelplänen desundeshaushaltes finden sich Ausgaben für den Um-eltschutz wieder: Im Bereich des Bundesministeriumsr Wirtschaft sind zum Beispiel für die Förderung ratio-eller und sparsamer Energienutzung 443 Millionenuro etatisiert; im Bereich des Bundesministeriums für
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Stephan Thomae
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wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sindfür Umweltschutzprojekte und nachhaltige Entwicklung1,4 Milliarden Euro etatisiert; im Bereich des Bundes-ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungwerden für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm2 Milliarden Euro veranschlagt; im Bundesfinanzminis-terium sind für die Altlastensanierung in den Braunkoh-lebergbaugebieten der ehemaligen DDR 246 MillionenEuro vorgesehen, und – das ist das letzte Beispiel – imBundesministerium für Bildung und Forschung stehenfür Grundlagenforschung zum Umweltschutz 869 Mil-lionen Euro zur Verfügung.
Das zeigt, dass diese Regierung in vielen Ressorts Aus-gaben für den Umweltschutz veranschlagt, nicht nur imBereich des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit.Ein Wort zum Thema Energiewende – dazu werdenwir später noch mehr hören; ich will das Thema nur einwenig anreißen –: Die letzten zwölf Monate sind ja sodramatisch gewesen wie selten eine Zeit vorher. Wir hat-ten nicht nur das Thema Griechenland und Euro, dieEntwicklungen in Nordafrika, insbesondere in Tunesienund Libyen, sowie in Syrien, sondern wir hatten auchdas Thema Fukushima und Japan, das eine Kaskade vonaußergewöhnlichen Ereignissen nach sich gezogen hat.Es gibt Spötter, die behaupten, dass kein Land unter demAtomunfall in Japan so gelitten habe wie Deutschland,aber die Sache ist zu ernst zum Witzereißen.
Vor einem Jahr, als ich noch nicht Berichterstatterwar, stand die Aussprache zu diesem Einzelplan unterdem Vorzeichen der Laufzeitverlängerung. Heute hat dieBundesregierung ein völlig neues Energiekonzept. Mankann, glaube ich, festhalten, dass aus dem Ausstiegsbe-schluss von einst nunmehr ein Umstiegsbeschluss ge-worden ist. Wir alle haben lernen müssen, dass esschwierig ist, die drei Ziele Klimaneutralität, Versor-gungssicherheit und Preisstabilität unter einen Hut zubringen. Das ist, auch haushalterisch, eine schwierigeAufgabe, der wir alle uns anzunehmen haben.Jetzt jedenfalls ist die Diskussion darüber in Gang ge-kommen, die Ziele in eine Balance zu bringen und siegleichermaßen zu erreichen. Gerade für uns als FDP warin dieser Regierung wichtig, dass wir die Brennelemen-testeuer erhalten. Wie richtig das gewesen ist, zeigt sichdaran, dass wir schon 2012 für die Sanierung der Asseweitere 20 Millionen Euro benötigen werden. Es ist auchdeswegen richtig, dass wir diese Kosten auch der Wirt-schaft auferlegen, weil 88 Prozent der radioaktiven Ab-fälle, die in der Asse lagern, von den Energieversor-gungsunternehmen stammen.dCßrowIcEmmsdre7ddaleuimeDtuwsAgeghdsddhleuRD
Ich möchte das Thema Energie- und Klimafonds an-prechen. Ich glaube, es ist ein wirkliches Verdienst,ass wir hier das größte Sondervermögen in diesem Be-ich geschaffen haben. Der Fonds soll zunächst mit80 Millionen Euro ausgestattet werden. Es ist bisheras größte Programm für erneuerbare Energien, Gebäu-esanierung, Elektromobilität. Die Mehrerlöse, die wirus der Versteigerung von CO2-Emissionsrechten erzie-n, sollen künftig zu 100 Prozent dem EKF zufließen,m die Mittel für Förderprogramme in diesem Bereich EKF zu bündeln. Das ist eine wichtige Aufgabe.
Ein paar Worte zum Naturschutz. Im Jahr 2011 wurdein Bundesprogramm für biologische Vielfalt aufgelegt.as zeigt, dass wir auch dem Naturschutz große Bedeu-ng beimessen. Trotz schwieriger Haushaltslage wollenir dieses Programm auch 2012 fortführen und mit zu-ätzlichen 15 Millionen Euro ausstatten. Damit sind dieusgaben für konkrete Naturschutzprojekte dieser Re-ierung fast doppelt so hoch wie unter der Ägide deshemaligen SPD-Umweltministers Sigmar Gabriel.
Abschließend will ich deutlich machen, dass wir, trotzestiegener Aufgaben in diesem Bereich, an der Haus-altskonsolidierung festhalten. Wir fahren die Nettokre-itaufnahme deutlich zurück, verfolgen konsequent undogar schneller, als von früheren Regierungen geplant,en Abbaupfad und werden die Maastricht-Kriterien undie Anforderungen der Schuldenbremse einhalten.Wir sind keine Ausgabenpolitiker, die mit dem Füll-orn durchs Land ziehen und überall Wohltaten vertei-n. Wir wollen konsolidieren, aber auch reformieren,nd zwar beides gleichzeitig. Das ist die Aufgabe dieseregierung.Ich danke Ihnen.
Michael Leutert hat jetzt das Wort für die Fraktionie Linke.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister Röttgen, Sie haben hier heute wiederschön gesprochen und viel angekündigt. Allerdings,denke ich, lohnt ein Blick zurück. Wir haben vor einemJahr hier im Plenum über das sogenannte Energiekon-zept der Bundesregierung debattiert, vorgelegt vomWirtschaftsministerium, damals noch unter dem Kolle-gen Brüderle, und von Ihrem Haus, dem Umweltministe-rium. Dieses Energiekonzept sollte die Basis für das lau-fende Jahr sein, also auch für den noch gültigenHaushalt. Mich interessiert nun, ob dieses Konzept beiden Bürgerinnen und Bürgern, wie Sie es in Ihrer Redeso schön formuliert haben, angekommen ist.In diesem Papier steht gleich auf der ersten Seite – ichzitiere –:Mit dem Energiekonzept formuliert die Bundesre-gierung Leitlinien für eine umweltschonende, zu-verlässige und bezahlbare Energieversorgung …Jetzt weiß ich nicht, Herr Bundesminister, wo Sie Ih-ren Sommerurlaub verbracht haben. Ich bin in Deutsch-land unterwegs gewesen und habe nur Klagen gehört,und zwar besonders an den Tankstellen. Dabei ging esum ein Projekt von Ihnen, nämlich den Anteil von Bio-komponenten in Kraftstoffen zu erhöhen, in der Bevöl-kerung besser bekannt unter dem Namen „E 10 – die Ab-zocke an der Tankstelle“. Zur Erinnerung: Die Politikhat festgelegt – so ist es auch mit einem eigenen Kapitelin Ihrem Konzept unterlegt –, dass ein Biokraftstoffge-misch verkauft werden soll. Die ökologischen Bedenkendagegen möchte ich jetzt nicht anführen. Die Politik hatweiterhin eine Verkaufsquote festgelegt. Außerdemwurde beschlossen, dass Strafzahlungen fällig werden,wenn diese Quote nicht erfüllt wird. Die Mineralölkon-zerne bieten dieses Gemisch nun preiswerter an, indemsie den Normalsprit teurer machen. Nachdem die Quotenicht erfüllt worden ist, wollen die Konzerne die Straf-zahlungen an die Kunden weitergeben. Was macht diePolitik in diesem Verantwortungsbereich? Sie schaut zu.Herr Minister Röttgen, die Bürgerinnen und Bürger be-klagen sich zu Recht an den Tankstellen und empfindenzu Recht als äußerst ungerecht, was hier veranstaltetwird. Sie wissen so gut wie jeder andere hier im Hause,dass der ökologische Wandel nur mit den Menschen undnicht gegen die Menschen gemacht werden kann. Sie le-gen es auch in Ihrem Konzept dar – ich möchte es nocheinmal in Erinnerung rufen –:Der Umbau zu einer nachhaltigen Energieversor-gung … können nur gelingen, wenn die künftigeEnergiepolitik für die Bürgerinnen und Bürger ver-ständlich und nachvollziehbar ist.Offensichtlich ist dies bei diesem Projekt nicht der Fall.Sozial ist es ebenfalls nicht. Ich kann Ihnen also nurempfehlen, den Hinweisen Ihres Koalitionspartners zufolgen und dieses Projekt zu beenden.
Ein weiterer Punkt Ihres Energiekonzeptes ist derAusbau der Windenergie. Sie schreiben in Ihrem Kon-zept, dass die Windenergie „das wirtschaftlichste Aus-bsdb„RdausledEUmteWninteWdhtedliwEsdEteHnBSJsBwDD
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der zuständigen Behörden von entscheidender Be-deutung. Ich möchte Sie bitten, sich entsprechenddafür einzusetzen.Herr Minister Röttgen, wenn ich mir diese zwei Bei-spiele anschaue, dann kann ich nur sagen: Ihre Umwelt-politik ist angekommen, allerdings ist sie auch geschei-tert. Worte und Taten stimmen hier nicht überein. Dasweiß inzwischen jeder in diesem Land. Ich kann Ihnennur noch einmal sagen: Der ökologische Umbau wirdnur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern gelin-gen. Er wird nur gelingen, wenn er für alle sozial ver-träglich ist.
Herr Kollege.
Das sind die Kriterien der Linken. Daran muss sich
der Haushalt orientieren, und daran werden wir Sie mes-
sen.
Vielen Dank.
Dorothea Steiner hat jetzt das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! SchöneWorte haben wir gerade von Herrn UmweltministerRöttgen gehört.
So ganz vergesslich sind wir aber nicht. Letztes Jahr umdiese Zeit hat uns der Umweltminister nach der Laufzeit-verlängerung noch das Hohelied von der Brückentech-nologie Atomkraft gesungen und gleichzeitig eine Ener-gierevolution propagiert. Wie wir wissen, ist dieBrückentechnologie inzwischen abgestürzt. Wir, dasParlament, haben mit überwältigender Mehrheit be-schlossen, aus der Atomkraft auszusteigen. Wir alle wis-sen: Wir können das schaffen, aber nur mit einem ambi-tionierten Ausbau der erneuerbaren Energien.Ich stelle fest – das richtet sich an die Koalitionäreund an Herrn Röttgen –: Ihr diesjähriges Energiekonzeptfür den ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Ener-gien ist genau das gleiche wie im letzten Jahr, das nochdie Atomkraft und die Laufzeitverlängerung umfasste.Kein My mehr an Windkraft, kein Ziel, die Solarenergieauszubauen – über die effiziente Nutzung von Biomassefür Strom und Wärme finde ich auch nichts. Hier habenSie nichts auf den Weg gebracht. Das Marktanreizpro-gramm, das Sie endlich in den Haushalt aufgenommenhaben, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich kann Ih-nen nur sagen: Eine echte Energiewende sieht andersaus.
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as belegt: Nach dem alten Irrtum Atomkraft kommtun der vorsintflutliche Irrtum Kohlekraft. Sie als Bun-esregierung zementieren damit nicht nur die alten Ener-ieerzeugungsstrukturen, sondern behindern auch denotwendigen und konsequenten Ausbau der erneuerba-n Energien. Wir wissen: Kohlekraftwerke passen we-en ihrer mangelnden Flexibilität gar nicht in ein Zu-unftskonzept, das zentrale Strukturen mit dezentralengionalen Strukturen verbindet.Ich möchte auf einen weiteren Punkt zu sprechenommen. Letztes Jahr an dieser Stelle hat Herr Röttgenine Effizienzrevolution bzw. einen Transformationspro-ess zu einer ressourceneffizienten, energieeffizientennd CO2-sparsameren Wirtschafts- und Lebensweise an-ekündigt. Jetzt, Herr Minister, lassen Sie zu, dass Wirt-chaftsminister Rösler die Energieeffizienzrichtlinie derU blockiert. Da frage ich Sie: Warum legen Sie sichicht einmal mit diesem energiepolitischen Leichtmatro-en im Wirtschaftsministerium an und setzen Ihre An-ündigungen zur Energieeffizienz auch im Kabinetturch?
Auch der Klimaschutz ist bei Ihnen ins Hintertreffeneraten. 162 Millionen Euro für die Internationale Kli-aschutzinitiative, IKI, und für den internationalen Kli-aschutz sind exakt 7,5 Millionen Euro mehr als im Jahr011. Das ist nicht das, was wir brauchen, um den Kli-aschutz wirksam voranzubringen. Sie alle wissen: Dieage ist ernst bis dramatisch. Wir erinnern uns, dass dasahr 2010 global gesehen das wärmste Jahr war.Ich möchte Sie an noch etwas erinnern. Wir haben Ih-en vorgerechnet, dass man 650 Millionen Euro für denlimaschutz erwirtschaften kann, indem man ökolo-isch schädliche Subventionen abbaut. Ich nenne nurwei Beispiele: Durch eine Kerosinbesteuerung könntean im Inland 680 Millionen Euro jährlich erwirtschaf-n. Außerdem könnte man endlich die Abschaffung desienstwagenprivilegs angehen. Das würde 1,2 Milliar-en Euro bringen. Ich frage Sie: Wo sind die Steuergel-er von Spritschluckern besser angelegt als im Klima-chutz?
Ja, gerne.Ich komme zu meinem letzten Punkt. Sie haben unsum Dialog über die Endlagerung des Atommülls einge-
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Dorothea Steiner
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laden. Gorleben soll ja ergebnisoffen erkundet werden.2010 hatten Sie dafür im Haushalt 46 Millionen Eurovorgesehen; auch das war schon überdimensioniert. Siesteigern das aber noch: 2012 und in den Folgejahrenwollen Sie für 73 bzw. 76 Millionen Euro jährlich erkun-den. Da drängt sich der Verdacht auf, dass hier Faktengeschaffen werden. Wir finden es sehr bemerkenswert,dass hier ein Atomfilz auflebt, wie wir ihn von früherkennen. Die Eignungsprognose für Gorleben soll 2013abgegeben werden. Für die vorbereitende Sicherheits-analyse – 2,6 Millionen Euro – erhält der gescheiterteVattenfall-Manager Bruno Thomauske den Auftrag. Dasage ich nur: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt im Hin-blick auf das zu erwartende Ergebnis der Eignungspro-gnose.Noch ein Wort zum Dialog, Herr Röttgen: 4,7 Millio-nen Euro ist Ihnen der Dialog mit den Bürgerinnen undBürgern des Wendlands wert. Im Wendland wird dieserDialog nur „Dialüg“ genannt.
Sie setzen dieses Geld im Titel „Öffentlichkeitsarbeit fürEndlager“ an. Ich schlage Ihnen vor – das ist auch einguter Vorschlag für die Endlagerdiskussion –: SteckenSie dieses Geld doch lieber gleich in die alternative er-gebnisoffene Standortsuche; dann können Sie über8 Millionen Euro im Jahr dafür einsetzen. Das Geld istdann nicht zum Fenster hinausgeworfen wie beim Gorle-ben-Dialog.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Schluss. – Der NDR hat in Nieder-
sachsen im Mai dieses Jahres Menschen zum Problem
der Atommüllendlagerung befragt. 11 Prozent der Be-
fragten waren dafür, dass Alternativstandorte nur unter-
sucht werden, wenn Gorleben ungeeignet ist. 84 Prozent
der Befragten hingegen sind der Meinung, dass parallel
Alternativstandorte untersucht werden sollten.
Frau Kollegin!
Der Meinung sind wir auch. Ich appelliere an die
Bundeskanzlerin und an Herrn Röttgen, konsequent zu
sein und in diesem Jahr endlich mit einer ernstgemeinten
Endlagersuche anzufangen.
Der Kollege Ulrich Petzold hat das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
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Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr ge-hrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-gen! Herr Dr. Miersch, Sie haben ein bisschen Demuterlangt. Eine Frage: Warum haben wir in den letztenochen mehr als 20 Prozent Energieerzeugung aus denrneuerbaren Energien erreicht? Ich glaube, es ist eineroße Leistung, die wir hier vollbracht haben.
in bisschen Freude wenigstens an dieser Stelle wärechon angebracht.
h glaube, dass man an dieser Stelle etwas vernünftigeriteinander debattieren sollte.Frau Steiner, Sie sprachen es eben an: Wir haben iniesem Haushalt im Endlagerbereich einen Minderbe-arf von 35 Millionen Euro. Man sollte jetzt die Kirche Dorf lassen und vielleicht zunächst über den Haushaltprechen; denn darüber habe ich bisher noch nicht soehr viel gehört.
Die Mitglieder des Umweltausschusses von der CDU/SU sehen weitaus kritischer, dass der Programmhaus-alt um 21,7 Millionen Euro – bei einer Gesamtabsen-ung des Einzelplans 16 um 2,6 Prozent – abgesenkterden soll. Man sollte jedoch aus dieser unbefriedigen-en Situation nun nicht den Untergang des Abendlandesachen. Als ich von der Absenkung im Umwelthaushaltm 2,6 Prozent hörte, fiel mir recht schnell der Haushalt005 ein. Auch im Jahr 2005 sind die Mittel des Um-elthaushalts um 2,6 Prozent gesenkt worden. Wir soll-n deshalb heute vernünftig über den Haushalt debattie-n, Argumente austauschen und aufeinander eingehen;ann haben wir sehr viel mehr erreicht.
Wir alle wissen, dass die Umweltausgaben im Einzel-lan 16 nicht die ganze Wahrheit sind. Ein Großteil dermweltausgaben der Bundesregierung versteckt sich innderen Einzelplänen. Insgesamt sind im Bundeshaus-alt 2012 7,4 Milliarden Euro für den Umweltschutzeranschlagt. 2011 waren es nur 6,5 Milliarden Euro und010 unter Herrn Finanzminister Steinbrück 6,3 Milliar-en Euro. So weit die Zahlen. Dazu kommen noch etwa Milliarden Euro aus dem ERP-Sondervermögen, voner KfW und aus dem Energie- und Klimafonds, dieicht im Bundeshaushalt verankert sind.
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Ulrich Petzold
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Im Einzelnen: Es entspricht durchaus unserer Inten-tion, wenn eine Umschichtung von der Förderung vonEinzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energienim Titel 686 24 erfolgt, und zwar mit jeweils 10 Millio-nen Euro hin zu Forschungs- und Entwicklungsaufgabensowie hin zu Investitionszuschüssen für erneuerbareEnergien im gleichen Kapitel.Das Problem bei den erneuerbaren Energien ist nichteine weitere Steigerung ihrer Produktion – sie kommt –,sondern die grundsätzliche Frage der Speicherung dererzeugten Energie und die Wiedererlangung von Spit-zenplätzen bei diesen Technologien. Um zum Beispieldie deutsche Photovoltaikindustrie mittel- und langfris-tig zu sichern, unternimmt die Bundesregierung An-strengungen, indem sie die Innovationsallianz der Unter-nehmen ausbaut und unterstützt. Damit hat das BMUeinen wesentlichen Anteil an der Forschungsförderung.Forschung ist ein Schwerpunkt dieses Haushalts. So istder Titel „Forschung, Untersuchungen und Ähnliches“im Bereich des Umweltschutzes unter Minister Röttgeninnerhalb der letzten beiden Jahre um mehr als ein Drit-tel angewachsen.
Nachdem ich seit Jahren immer wieder darauf hin-weise, dass die Personalsituation beim BMU und bei dennachgeordneten Behörden unbefriedigend ist, bringt die-ser Haushalt endlich eine gewisse Verbesserung. Bereitsim vorigen Haushalt war damit begonnen worden, diePlanstellen der oftmals seit mehreren Jahren vom UBA,BfN und BfS in das Ministerium abgeordneten Mitarbei-ter auch haushalterisch wirklich im Ministerium anzusie-deln. Dies wird nun mit 32 weiteren Planstellen fortge-setzt. Das verstehe ich unter Haushaltswahrheit und-klarheit. Ich bin Minister Röttgen dankbar, dass er hiermit den Taschenspielertricks seiner Vorgänger aufhört.
Wenn allerdings 20 Beschäftigte durch Teilzeitbeschäfti-gungen mit einem Stellenvolumen von 18,25 Stellen indas Ministerium versetzt werden und dem UBA 20 volleStellen gestrichen werden, so ist das zu kritisieren, HerrMinister.Ein weiteres Problem im Personalbesatz ist die Zu-weisung neuer Aufgaben, ohne diese ausreichend durchStellenzuweisungen zu untersetzen. Erlauben Sie mir, alsBeispiel für meine Ausführungen die Konsequenzen zubeleuchten, die die forcierte Umsetzung der Ener-giewende für das Umweltbundesamt in Dessau hat: Dievon uns unmittelbar vor der Sommerpause beschlosse-nen Gesetze spiegeln sich bis jetzt längst noch nicht aus-reichend in der dortigen Stellenplanung wider. Stauun-gen und Stockungen zum Beispiel bei der Analyse derwirtschaftlichen Auswirkungen der Energiewende oderder Etablierung von Informationsinstrumenten zum Mo-nitoring und zur besseren Politiksteuerung sind abseh-bar. Es besteht die Gefahr, dass uns das Sparen in diesemBereich der Energiewende viel kosten wird. Ich begrüßees daher, dass es zu dem Angebot kommt, zusätzlicheFachkräfte mit ihren Stellen aus dem Bundesverteidi-gungsministerium in das UBA umzusetzen.vBatetrdumwcDbtiteImmunDvteinIcdrewGredgAdtidmtedsg
ie Befristungen, insbesondere die Kettenbefristungenei gleichbleibenden Arbeitsaufgaben, wirken sich nega-v aus. Letztendlich kommen uns die befristeten Stellenurer, als wenn wir dort Dauerstellen einrichten würden. Rahmen unserer Haushaltsberatungen sollten wir zu-indest erste Schritte unternehmen, um der Befristungs-nsitte zu begegnen.
Ein wichtiges Anliegen unserer Umweltarbeitsgruppeach dem Auslaufen der Bonus-Malus-Regelung bei derurchsetzung des Dieselrußpartikelfilters im Straßen-erkehr ist die Wiedereinführung der Förderung der Fil-rnachrüstung. Wir haben in den letzten Wochen schontensive und vernünftige Gespräche darüber geführt.h glaube, dass wir hier im Rahmen des Haushaltesurchaus etwas auf den Weg bringen können, das unse-n Interessen als Umweltschützer gerecht wird. Wirissen, dass Sie, Herr Bundesminister, uns bei diesenesprächen unterstützen. Wir freuen uns auf die weite-n Gespräche und hoffen auf guten Erfolg.Danke schön.
Die Kollegin Dr. Bärbel Kofler hat jetzt das Wort für
ie SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Herr Minister, ich finde es spannend, dass Sie amnfang dieser Debatte Umfragen über die Einschätzunger Bevölkerung zum Thema erneuerbare Energien zi-ert haben. Wir freuen uns alle, dass die Bevölkerungen erneuerbaren Energien einen hohen Stellenwert bei-isst. Aber ich hätte gerade von einem Minister erwar-t, dass sich dieser Stellenwert in Ihrem Haushaltsplan,em Einzelplan 16, wiederfindet. Genau das tut er nicht.
Es ist viel über andere Einzelpläne und den Fonds ge-prochen worden. Dazu werde ich auch noch einiges sa-en. Aber man muss feststellen: Im Einzelplan 16 sinken
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Dr. Bärbel Kofler
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die Mittel für den Bereich erneuerbarer Energien um15 Millionen Euro. Das ist eine Tatsache. Das spiegeltnicht den Wunsch der Bevölkerung wider, den Sie ge-rade selber angesprochen haben.
Sie versuchen, mit dem von Ihnen oft ins Spiel ge-brachten Energie- und Klimafonds die epochale Ener-giewende, wie Sie sie im letzten Jahr bezeichnet haben,voranzubringen. Hier werden hohe Ansprüche formu-liert, aber sie sind nicht mit einer soliden Finanzierungunterlegt; denn wie es auf der Einnahmeseite aussieht,ist mehr als fraglich. Der Bundesrat stellt fest, dass diezu erwartenden Versteigerungserlöse voraussichtlichnicht ausreichen werden, um den Mehrbedarf im Ener-gie- und Klimabereich zu finanzieren. Man kann argu-mentieren: Na ja, das sagt der Bundesrat. Deshalbmöchte ich einen Verband zitieren, dessen Hauptge-schäftsführerin der Union gut bekannt ist. Der Bundes-verband der Energie- und Wasserwirtschaft mit FrauHildegard Müller an seiner Spitze führt zu diesem Fondsaus:Wenn die Bundesregierung beabsichtigt,– speziell auf die CO2-Gebäudesanierung abzielend –die CO2-Gebäudesanierung ab 2012 in Höhe von1,5 Mrd. Euro p. a. ausschließlich aus dem Energie-und Klimafonds zu finanzieren, dann ist dies aus-drücklich abzulehnen.Jetzt kommt es:Eine Konsolidierung des Bundeshaushalts zulastendes Energie- und Klimafonds verringert das Poten-zial des Fonds zur Erfüllung seines eigentlichenZwecks weiter!Das kommt nicht aus dem Willy-Brandt-Haus; daskommt von einem Verband, dessen Hauptgeschäftsfüh-rerin gerade Unionskreisen sehr nahe steht.Wenn man die tolle Finanzierung der CO2-Gebäude-sanierung genau analysiert, die Sie im letzten Jahr in denMittelpunkt gestellt haben, dann fragt man sich, was2011 passiert ist. Vor über zwei Jahren hatten wir einCO2-Gebäudesanierungsprogramm mit einer Größen-ordnung von 2,2 Milliarden Euro.
Das ist auf 1,5 Milliarden Euro abgesenkt worden.
Dann kam das Jahr 2011. Sie wollten die Mittel zuerstauf gut 400 Millionen Euro kürzen. Dann kam der Auf-schrei von der Bevölkerung, vom betroffenen Hand-werk, von Investoren, von allen, die auf diesem Gebiettätig sind, weil erkannt wurde: Das ist ökologischer undökonomischer Blödsinn. Was ist passiert? Nun kommtder Haushaltstrick. Man hat 500 Millionen Euro aus demFonds genommen und gesagt: Es ist ja doch fast 1 Mil-liVlieSvFfibru1ssE6bbwMleddgDwPwmnbLwmNawrenvteubdkam
o kann man mit diesem Thema, das für die Energiewendeon großer Bedeutung sein wird, nicht umgehen. Dierage ist: Wie können wir den gesamten Wärmesektor sonanzieren, dass wir tatsächlich zu Effizienzgewinnenei der Wärmeversorgung gelangen und damit zu Einspa-ngen, die der Bevölkerung zugutekommen?Vonseiten der Regierungsfraktionen wurden die,5 Milliarden Euro, die für das Jahr 2012 vorgesehenind, angesprochen. Werfen wir einen Blick in den Wirt-chaftsplan. Im Förderprogramm 2012 sind 5 Millionenuro vorgesehen. Im Förderprogramm 2011 waren es0 Millionen Euro. So bringt man die energetische Ge-äudesanierung nicht voran.
Das, was Sie im Rahmen des Einzelplans 16 machen,ereitet uns wirklich große Sorgen. Schauen wir uns an,as bei den Marktanreizprogrammen, bei denAP-Mitteln, passiert. Auch diese Mittel wurden in dentzten Jahren kontinuierlich gekürzt. Das gilt auch füriesen Haushalt, obwohl Sie sich rühmen, den Bereicher erneuerbaren Energien zu fördern und voranzubrin-en. Die MAP-Mittel im Einzelplan 16 werden gekürzt.urch den Fonds kommen dann 100 Millionen Euroieder hinzu.
assiert dadurch wirklich etwas, oder schieben wir nurieder eine virtuelle Bugwelle in Form von Haushalts-itteln, die nur auf dem Papier bestehen, vor uns her, dieicht zur Problemlösung beiträgt, weil die Mittel nichtei den Leuten ankommen und somit nichts Reelles imand produziert wird?
Ich denke, dass den Marktanreizprogrammen eineesentlich größere Bedeutung beigemessen werdenuss, weil sie neben dem anerkannten ökologischenutzen auch große Potenziale zur Hebung von Steuer-ufkommen beinhalten, worüber hier viel gesprochenurde. Das wird deutlich, wenn Sie sich vor Augen füh-n, dass durch 1 Euro Fördermittel 8 Euro Umsatz ge-eriert werden – diese Zahl ist nicht von mir, sondernom Ifo-Institut –, was wiederum Einnahmemöglichkei-n für den Staatshaushalt mit sich bringt, durch Steuernnd Sozialversicherungsabgaben. Ich erinnere an die Ar-eitsplätze, die dadurch im Handwerk geschaffen wer-en können. Wenn man sich das genau anschaut, wirdlar, dass diese Programme aus ökologischen, aber auchus ökonomischen Gründen vorangetrieben werdenüssen. Genau hier passiert aber nichts.
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Dr. Bärbel Kofler
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Wenn so getan wird, als würde gerade beim Klima-schutz etwas getan, kann einem wirklich schlecht wer-den. Im Einzelplan 16 sind für den Klimaschutz120 Millionen Euro vorgesehen. Entsprechende Mit-telansätze waren übrigens auch in früheren Haushalts-entwürfen vorhanden, zum Beispiel 2008 und 2009.Diese Mittel werden im Grünbuch frech – ich möchtedas wirklich „frech“ nennen – als Fast-Start-Mittel be-zeichnet. Auf der Klimakonferenz im Jahr 2009 inKopenhagen wurden Fast-Start-Mittel in Höhe von1,26 Milliarden Euro zugesagt. Diese Mittel, die zumTeil schon vorher im Haushalt eingestellt waren, also garkeine Fast-Start-Mittel sein können, werden nun frechals solche bezeichnet, umetikettiert und als Mittel fürden internationalen Klimaschutz ausgewiesen.
Ich denke, die Zahlen von Oxfam sind deutlich: 88 Pro-zent der in diesen Bereich geflossenen Mittel wurden aufanderen Konferenzen längst zugesagt und lediglich um-etikettiert. Bestes Beispiel ist die UN-Artenschutzkonfe-renz von 2008. Die dort zugesagten Mittel für den Wald-schutz wurden auf der Konferenz in Kopenhagen nocheinmal verkauft.
Schauen wir uns an, was in dem Fonds enthalten ist.Der Einzelplan wies 70 Millionen Euro für den interna-tionalen Klimaschutz in einem Extratitel aus. Dieser Ti-tel wurde gestrichen. Was enthält der Fonds jetzt?42,5 Millionen Euro, die auf BMU und BMZ verteiltwurden: BMU 45 Prozent und BMZ 55 Prozent. Das istein toller Beitrag zum internationalen Klimaschutz, denSie mit diesem Haushalt leisten. Die internationalen Ver-pflichtungen, die wir eingegangen sind, werden dadurchin keiner Weise erfüllt. Diesen Verpflichtungen werdenwir so nicht gerecht.
Frau Kollegin, Sie sind am Ende Ihrer Rede?
Ich denke, der Haushaltsentwurf und ein Blick auf die
Einzelpläne machen deutlich – und dabei ist es egal, ob
es um den Bereich Umwelt oder Verkehr oder die eierle-
gende Wollmilchsau, also den Energie- und Klimafonds,
geht –, dass man weder die Energiewende finanziert
noch den Herausforderungen des Klimawandels ordent-
lich begegnet.
Frau Kollegin!
Es tut mir leid, aber dieser Haushaltsentwurf ist ein
weiterer Beleg dafür, dass Sie es nicht können.
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Michael Kauch hat das Wort für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Op-osition hat in dieser Umweltdebatte das schlechtesteild seit langem abgeliefert. Das, was von der Opposi-on hier vorgetragen wurde, war entweder ein Blick zu-ck auf Dinge, die längst Geschichte sind, oder manmmerte darüber, dass man nicht genug Geld ausgibt.atürlich gibt es Risiken, auch hinsichtlich der Preiser die CO2-Zertifikate, weil davon das Volumen desnergie- und Klimafonds abhängig ist. Aber was ist Ih-r Ansicht nach bitte die Alternative? Lautet Ihre Alter-ative mehr Geld für den Bundeshaushalt? Dann müssenie das sagen. Sie müssen mir dann erklären, warum sicherr Kuhn heute Morgen hier hinstellt und sagt, esüsse noch viel mehr gespart werden als das, was voner Bundesregierung eingespart wird. Die Fachpolitikeron Rot und Grün im Bereich Umwelt bringen nur For-erungen nach Mehrausgaben, nach weniger Konsoli-ierung und nach mehr Schulden. Das ist die Politik, dieie hier vortragen.
as ist nicht das, was Sie in den großen Reden erzählen,enn Sie sagen, man müsse die Haushalte konsolidieren.ie Wahrheit ist, dass das Ihre Politik ist.
Ihre Politik baut auf mehr Schulden, nicht auf weni-er Schulden. Das ist auch kein Wunder; denn es warre Regierung mit Herrn Trittin als Minister und Herrnteinmeier als Kanzleramtsminister, die 2004 dafür ge-orgt hat, dass die Maastricht-Kriterien in den Müll ge-chmissen wurden.
it dieser unsoliden Politik hat die Finanzkrise begon-en.
Deswegen sollte Frau Kofler mit der Volksverdum-ung hier nicht weitermachen, wenn sie uns erzählen
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Michael Kauch
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möchte: 2009, als die SPD regierte, hatte man 2,2 Mil-liarden Euro für das Gebäudesanierungsprogramm.
Mit welchem Taschenspielertrick hat Ihr Minister dasdamals gemacht? Die Große Koalition hatte beschlos-sen, dreimal 1,5 Milliarden Euro für die Gebäudesanie-rung bereitzustellen, dann sollte Schluss sein. Im Wahl-jahr 2009 kam dann diese Idee auf: Geben wir doch dasGeld aus den Jahren 2010 und 2011 schon im laufendenJahr aus, damit ich Bauminister mich hinstellen und dasManna unter das Volk streuen kann.
Das hat er sich so gedacht. Das ist unsolide Politik. Sierühmen sich noch dafür und sagen, Sie hätten 2,2 Mil-liarden Euro ausgegeben. Sie müssten sich für dieseTaschenspielertricks schämen, die Sie in Ihrer Regie-rungszeit angewendet haben.
Sie müssen sich noch für etwas anderes schämen.
Sie können sich nicht hinstellen und von dieser Regie-rung immer mehr Mittel für die Gebäudesanierung ver-langen, Mittel für eine Gebäudesanierung, die notwendigist, weil die Bürger Energiekosten in einer Höhe zahlen,die dazu führt, dass die zweite Miete ein immer wesent-licherer Bestandteil der Wohnkosten wird, und die wich-tig ist, weil wir Energie und CO2 einsparen müssen.Sie stellen sich hin und fordern von uns, hier mehr zutun. Diese Koalition beschließt dann: Wir finanzierendas Gebäudesanierungsprogramm dauerhaft und nichtnur für drei Jahre, wie es die SPD beschlossen hatte. Wirmachen eine gesicherte Finanzierung mit einem Pro-grammvolumen von 1,5 Milliarden Euro, und wir be-schließen eine steuerliche Förderung der Gebäudesanie-rung.
Auch Ihre Fachpolitiker haben uns immer gesagt: Inden 90er-Jahren, als der Steuervorteil abgeschafft wurde,hat sich die Sanierungsquote halbiert. Daraus haben wirgelernt. Wenn wir die Sanierung von Gebäuden wirklichwollen, und zwar gerade von Privatleuten und nicht nurvon den großen Wohnungsbaugesellschaften, dann mussman in diesem Bereich steuerlich fördern. Das hat dieseRegierung, diese Koalition im Bundestag, beschlossen.Es waren Sie, die Roten und die Grünen im Bundesrat,die das verhindert haben.Der grüne Umweltminister in Nordrhein-Westfalenstellt sich groß hin und sagt: Ich mache ein Klimaschutz-gesetz, das ist alles ganz toll. Sobald die nordrhein-west-fälische Landesregierung aber auch nur ein paar müdeEuro an Steuerausfällen befürchtet, wird die steuerlicheFleDwreeDBdGsPinrestrsFdawkdsmbin–leFwHati
as zeigt: Klimaschutz ist Ihnen im Wesentlichen nichtsert. Sie gestalten nur Ordnungsrecht. Sie sind nicht be-it, auch nur einen müden Euro aus dem eigenen Landes-tat auszugeben. Sie wollen immer nur Geld vom Bund.ie Länder, die rot und grün regiert sind, wollen keineneitrag leisten.
Der Umweltminister hat es deutlich gemacht: Nach-em wir erfolgreich ein neues Erneuerbare-Energien-esetz durchgesetzt haben, werden wir auch eine Lö-ung für erneuerbare Wärme finden. Es bestehen riesigeotenziale für erneuerbare Energien. Ökoheizungen sind Deutschland noch nicht am Ende ihres Potenzials. Daicht es eben nicht, nur Steuergelder hineinzugeben,ondern da müssen wir das tun, was im Koalitionsver-ag angelegt ist, nämlich ein haushaltsunabhängiges In-trument schaffen, das die gesicherte und dauerhafteinanzierung eines Anreizes möglich macht, so wie esie FDP vor der Wahl versprochen hat.Wir werden neben dem Thema Energie auch einigendere Themen angehen müssen. Ich nenne beispiels-eise das Thema umweltfreundliche Förderung von un-onventionellem Erdgas. Hier werden wir Lösungen fürie Frage, wie wir diese Möglichkeit der Versorgungs-icherheit mit Grundwasserschutz verbinden, findenüssen. Der Grundwasserschutz muss hier Priorität ha-en. Deshalb muss die Umweltverträglichkeitsprüfung diesem Bereich ausgeweitet werden.Wir müssen im Bereich der Partikelfilterförderungdas hat Kollege Petzold gesagt – insbesondere bei denichten Nutzfahrzeugen vorankommen. Ich sage für dieDP aber auch ganz klar: Wer neue Förderprogrammeill, muss eine Gegenfinanzierung liefern. Das ist solideaushaltspolitik.
Herr Kauch.
Dafür stehen wir als FDP-Bundestagsfraktion, aber
uch als Koalition hier im Deutschen Bundestag.
Vielen Dank.
Eva Bulling-Schröter hat jetzt das Wort für die Frak-on Die Linke.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sie von der Koalition stellen wiederum eine ganze
Menge Geld zur Verfügung, nicht etwa um Betriebe zu
motivieren, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, sondern
um den internationalen Kohlenstoffmarkt auszubauen.
Wir haben hier schon öfters über diese Kohlenstoff-
märkte gesprochen. Ich kann nur wiederholen: Seitdem
klar wurde, dass europaweit krisenbedingt nicht so viel
produziert wird und 1,4 Milliarden Emissionsberechti-
gungen überschüssig am Markt sind, sinkt der Preis der
Zertifikate unaufhaltsam, und zwar auf gegenwärtig
mickrige 12 Euro je Tonne CO2. Bei diesem Preis dürf-
ten sich aber Klimaschutzinvestitionen für die meisten
Unternehmen kaum lohnen.
Sehen wir von den erneuerbaren Energien ab, treten
Sie bezüglich des technologischen Einstiegs in eine koh-
lenstoffarme Wirtschaft auf der Stelle. Wir haben nichts
anderes als ein Mitschwimmen der CO2-Emissionen mit
dem jeweiligen Wirtschaftswachstum, aber keinen tat-
sächlichen Strukturwandel in der Industrie. Fast alle
Anreize für die Energiewende kommen aus dem Erneu-
erbare-Energien-Gesetz und dem erkämpften Atomaus-
stieg. Der zur Wunderwaffe erklärte Emissionshandel
spielt dagegen momentan kaum noch eine Rolle. Im letz-
ten Jahr sind die CO2-Emissionen wieder gestiegen. In-
dustrie- und Energiewirtschaft Deutschlands haben Zer-
tifikate hinzugekauft, auch aus dem Ausland. Diese sind
im globalen Süden, also vor allem in Entwicklungslän-
dern, besonders billig; denn hier handelt es sich vielfach
um Dumpingzertifikate, deren ökologische Wirksamkeit
nach wie vor infrage steht.
Nach jahrelangem Tauziehen auf UN-Ebene sind die
HFC-23-Billigzertifikate – es handelt sich dabei um Ab-
fallprodukte von Kältemitteln – immer noch nicht vom
Markt. RWE und Co haben sich damit reichlich einge-
deckt und können sie noch bis 2012 nutzen. Ich halte das
für einen Skandal.
Sogar Kohlekraftwerke kann man neuerdings im globa-
len Süden bauen und sich anschließend dafür Klima-
schutzgutschriften für zu Hause ausstellen lassen. Das
halte ich für umweltpolitischen Irrsinn.
Das Hauptanliegen des Umweltministeriums in dieser
Frage scheint aber laut Haushaltsentwurf zu sein, die bi-
lateralen Rahmenbedingungen für den CDM-Mechanis-
mus mit Konferenzen in Nordafrika, zu denen die deut-
sche Industrie mitgeschleppt wird, mit Workshops in
China oder Indien und dergleichen mehr zu verbessern.
Ich finde, wenn man CDM schon nicht verbieten kann,
sollten Deutschland und die EU lieber mehr Geld darauf
verwenden, den Umweltnutzen dieser Produkte zu prü-
fen, als den faulen Mechanismus weiter zu pushen.
Im Inland besteht die vielleicht größte Herausforde-
rung nach dem Energiesektor in der energetischen Ge-
bäudesanierung, aus unserer Sicht auch deshalb, weil das
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Undine Kurth (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister! Liebe Gäste auf den Rängen! Vorhin hatder Kollege Franke in der Debatte gesagt, es gehe umPolitik, nicht um Zahlen. Dazu kann ich nur sagen: Irr-tum! Zahlen sind Politik. Hier legen wir die großen Li-nien fest: Was ist grundsätzlich wichtig? Wofür wollenwir Geld ausgeben? Wofür wollen wir kein Geld ausge-ben? Herr Minister, wir Grünen meinen, hier gibt esnicht nur erfreuliche Zahlen. Das möchte ich an zweiBeispielen aus dem Bereich Naturschutz belegen. Wirsind nämlich der Meinung, dass der Naturschutz in einerDebatte über den Haushalt des Umweltministeriumsnicht nur beiläufig vorkommen sollte.
Punkt eins: Energiewende. Dieses Thema ist heuteschon oft angesprochen worden. Gut, dass sie getragenwird. Gut, dass auch bei Ihnen angekommen ist, dass dieAtombrücke in die Zukunft nicht trägt und dass Sie sa-gen: Wir müssen die Energiewende jetzt einleiten. – Da-mit sind wir sehr einverstanden. Wir hätten es gerne frü-her gehabt, aber okay.Wer das will, der muss sich eingestehen, dass auchKonflikte zu bewältigen sind, nämlich Interessenkon-flikte. Ich nenne nur die Beispiele Umnutzung von Wäl-dern und Monokulturen beim Anbau von Energiepflan-zen; der Begriff der Vermaisung der Landschaft ist Ihnenallen sicher bekannt. Wir wissen, dass auch die Wind-energienutzung, offshore wie onshore, durchaus Problememit sich bringt. Wir wollen unbedingt den beschleunigtenAusbau von Energietrassen. Richtig! Aber um diese Kon-flikte bewältigen und wirklich gute Lösungen anbieten zukönnen, braucht es zwei Dinge: Wir brauchen eine inhalt-liche Grundlage für die Entscheidungen, und wir brau-chen eine Verfahrensbeschleunigung. Wir wollen dieEnergiewende doch, wie ich denke, im gewünschtenTempo durchführen. Wenn wir das schaffen wollen, dannbrauchen wir noch etwas: Verwaltungspersonal.Herr Kauch – Sie reden gerade mit dem Minister –,Sie betonen immer: Beschleunigung geht nur mit mehrPersonal, sonst kommt man bei Verwaltungsverfahrennicht voran. Weil wir ahnen, dass da vielleicht ein Pro-blem liegen könnte, und weil wir wissen wollten, wie dieSituation wirklich aussieht, haben wir eine Kleine An-frage an das Umweltministerium gestellt unter der Über-schrift: Personelle Situation im Bereich Naturschutz imBMU.Sie erlauben, dass ich zitiere. Die Antwort der Bun-desregierung hat eine interessante Vorbemerkung:Die Bundesregierung misst der Aufgabe, den Aus-bau der erneuerbaren Energien möglichst naturver-träglich zu gestalten, die öffentliche Akzeptanz fürdie Energiewende zu fördern und die Anliegen desKlima- und Naturschutzes zu harmonisieren, einenhohen Stellenwert zu. Dementsprechend müssenzur Erfüllung dieser Aufgabe fachlich-personelleVoraussetzungen im Bundesministerium für Um-SWOzSmkA2DhgAwmhagvdohwdlen„EdmdszmeUgb0
Wenn man im BfN richtig nachfragt, dann erfährtan, dass im Zeitraum 2011 und 2012 16 Stellen einenw-Vermerk haben, was keine Nachbesetzung beimusscheiden eines Mitarbeiters bedeutet. In der Zeit von010 bis 2014 tragen gar 30 Stellen einen kw-Vermerk.a kann es wohl wirklich nicht als Durchbruch angese-en werden, wenn im BfN 3 Stellen im höheren Diensteschaffen werden, um alle Aufgaben, die mit Offshore-nlagen zu tun haben, zu erfüllen. Wenn man dann nocheiß, dass momentan 70 Anträge bearbeitet werdenüssen, dann kann ich nur sagen: Herr Schäuble hateute früh ganz offensichtlich einen Irrtum begangen,ls er sagte, mit diesem Haushalt seien die Voraussetzun-en geschaffen, die energiepolitischen Entscheidungenom Juni umzusetzen. – Nichts da! Mit diesen Entschei-ungen werden wir sie nicht umsetzen, es sei denn, wirpfern den Naturschutz.
Punkt zwei: Biodiversitätsschutz. Auch hier gilt: Wiraben eine Menge internationaler Verpflichtungen. Wirissen, was zu leisten ist. 2010 ist das Ziel verfehlt wor-en. Wir haben einen strategischen Plan bis 2020, aberider kein Personal, um diese Aufgaben umzusetzen. Daützt es überhaupt nichts, dass es ein BundesprogrammBiologische Vielfalt“, ausgestattet mit 15 Millionenuro, gibt, wenn niemand da ist, der die Aufgaben erle-igen kann. Sie heißen Biotopverbund, Schutzgebiets-anagement, Gewässerschutz und Meeresschutz. Alliese Dinge müssen personell begleitet werden.Wenn man dann sieht, was in diesem Haushalt ent-chieden wird, dann kann man daraus nur zwei Schlüsseiehen: Entweder hat man keine Ahnung davon, was ge-acht werden muss, oder man nimmt das Ziel nichtrnst. Es gibt nur diese beiden Varianten.
Deshalb sagen wir: Der Anteil des Haushaltes desmweltministeriums beträgt – das haben wir gehört –enau 0,5 Prozent vom Gesamthaushalt der Bundesrepu-lik. Das ist nicht gerade überbordend. Von diesen,5 Prozent stehen nur 5,7 Prozent für den Naturschutz
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14436 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011
Undine Kurth
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zur Verfügung, also 50 Millionen Euro. Auch da mussman sagen: Das ist nicht gerade eine gewaltige Summe.Wenn man es ernst meint, dass Naturschutz für uns exis-tenziell ist und dass wir für den Naturschutz mehr tunmüssen, dann müssen Sie selber in diesem Haushalt et-was ändern. Wenn Sie es nicht tun werden, werden wirauf jeden Fall dafür sorgen und entsprechende Anträgestellen.Es geht nicht darum, Manna vom Himmel fallen zulassen –
Frau Kollegin.
Undine Kurth (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
– sondern es geht darum, Aufgaben zu erfüllen, die
wir alle als wichtig ansehen. Deshalb glauben wir: Das
hier ist nicht das Thema für das Wort zum Sonntag, zu
dem Sie manchmal neigen, Herr Röttgen,
sondern es geht um unsere Lebensgrundlagen.
Der Kollege Dr. Georg Nüßlein hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wiralle haben erlebt, dass die Umweltpolitik von der Ener-giepolitik dominiert wird. Das war Kern vieler Reden.Ich hätte mir gewünscht, dass die Feststellung von Bun-desumweltminister Röttgen, dass wir in diesem Jahr beiden erneuerbaren Energien die 20-Prozent-Marke über-schritten haben, mit einem gemeinschaftlichen Applausbedacht wird und dass sich alle darüber freuen.
Stattdessen kamen hier reflexartig Unkenrufe: Wirkönnten sehr viel weiter sein.
Liebe Freunde von den Grünen, Ihr damaliger Umwelt-minister Trittin hat im Jahr 2002 für das Jahr 201012,5 Prozent vorhergesagt.
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ondern darum, einfach einmal festzustellen, dass wir anieser Stelle erfreulich weit gekommen sind.
Dass das aber nicht durch das Wenn und Aber mitermaisung und anderen Themen sowie den entspre-henden Einschränkungen geht, wie es Frau Kurth ge-de wieder angeführt hat, muss uns allen doch auch klarein.Nun dürfen Sie mir abnehmen, dass ich nicht zu deneinden erneuerbarer Energien gehöre, sondern eher zuenen, die dieses Thema immer wieder deutlich unter-tützen.
Ich muss aber auch immer wieder ein bisschen Was-er in diesen Wein gießen. Momentan sind wir bei Diffe-nzkosten von 3,5 Cent. Und wir alle wissen, dass wirie Förderung erneuerbarer Energien eben nicht über un-eren Staatshaushalt finanzieren, sondern über das Um-gesystem dafür Sorge getragen haben, dass die Ver-raucherinnen und Verbraucher die Zeche für dieseanze Geschichte zahlen. Gerade deshalb haben wir eineerantwortung, hier sehr wohl aufzupassen, dass dieseshema nicht zu teuer wird.
Man kann doch das eine tun, ohne das andere zu las-en. Man kann doch die erneuerbaren Energien voran-ringen, wie es diese Bundesregierung tut, und gleich-eitig aufpassen, dass es nicht zu teuer wird.Sie sind an dieser Stelle so empfindlich, weil Sie ge-au wissen, dass Sie bei der Solarförderung zu früh an-efangen haben. Sie haben nämlich versucht, das Themachon in den Markt zu bringen, als es noch ein Themaon Forschung und Entwicklung war. Es ist der Sockel,en wir seitdem vor uns herschieben, der das Thema So-r immer wieder in die Schlagzeilen und immer wieder Verruf bringt.
Jetzt haben wir die Problematik, dass wir alles dafürn müssen, damit dieses Thema nicht an der falschentelle abgebrochen wird, weil es zu teuer wird, zum Bei-piel durch einen festen Deckel.
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Dr. Georg Nüßlein
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Wir sorgen weiter dafür, dass es sich im entscheidendenMoment weiterentwickeln kann.
Das wissen Sie. Darum schreien Sie so laut. Sie wissensehr präzise, dass wir hier ein hohes Maß an Altlastenmitschleppen.Sie haben auch mitbekommen, dass der Ausbau indiesem Jahr wieder so hoch sein wird, dass die automati-sche Degression heftig zuschlägt. Davon müssen wirausgehen. Darauf muss man aus meiner Sicht alle, die andiesem Thema beteiligt sind, vorbereiten.Nach unserer festen Überzeugung muss sichergestelltwerden, und zwar zeitnah, dass der Strom, der auf demDach produziert wird, erst einmal von dem Betreffendenohne Subventionen selber genutzt und dass erst dannStrom eingespeist wird – und nicht umgekehrt, so wie esmomentan immer noch läuft, dass man den teuren Solar-strom einspeist und dann den billigen Strom vom Kraft-werk kauft.
Das kann nicht die Lösung sein. Dorthin müssen wirmöglichst schnell kommen.
Das ist ein Interesse, das wir gemeinsam verfolgen soll-ten.
Sie wissen auch sehr genau, dass wir in einem hohenAusmaß das Thema „Speicherung und Netze“ voran-bringen müssen, und zwar möglichst schnell.Frau Kollegin Kurth hat gerade von Verfahrensbe-schleunigung, Personalbedarf und ähnlichen Dingen ge-sprochen. Als Erstes brauchen wir an dieser Stelle ein-mal ein bisschen mehr Ehrlichkeit von Ihrer Seite undein bisschen mehr Unterstützung für das Thema. Sie dür-fen nicht theoretisch von 100 Prozent Erneuerbaren spre-chen, wenn Sie sich praktisch an jeder Bürgerinitiativegegen ein Pumpspeicherkraftwerk oder was auch immerbeteiligen. – Jetzt sagen Sie, das sei selbstverständlich.Ich persönlich halte es auch für selbstverständlich, dasses so ist.
Die Realität sieht aber anders aus.Schauen wir uns nur einmal das Pumpspeicherkraft-werk Atdorf im Südschwarzwald an. Der Baubeginn istfür das Jahr 2014 geplant. 2018 soll das größte geplantePumpspeicherkraftwerk in der Bundesrepublik dann fer-tig sein.
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Ich darf noch jemand anderen zitieren, der auch in derrünen Partei ist. Winfried Kretschmann hat in einem In-rview gesagt:Wir sind prinzipiell für Pumpspeicherkraftwerke.Aber in einem dichtbesiedelten Industrieland, wiees Baden-Württemberg nun einmal ist, müssen wirdavon ausgehen, dass solche Infrastrukturprojektegenerell auf örtlichen Widerstand treffen, weil siein die lokale Umwelt eingreifen. Deshalb ist Wider-stand vor Ort erst mal ganz normal.a, was denn nun? Ich erwarte, wie Sie vermutlich auch,on einem Ministerpräsidenten, der für erneuerbarenergien und Energiewende steht,
ass er klipp und klar Position bezieht und sagt: Dasuss sein. Das wollen wir umsetzen. Das müssen wiroranbringen.Davon ist leider Gottes nichts zu merken.
ber zu Ihrer Beruhigung: Sie stehen, was das Themacheinheiligkeit angeht, nicht an der Spitze.
er WWF und der BUND haben sich 2010 ihre Klagenegen die Ostsee-Gaspipeline für 10 Millionen Euro ab-aufen lassen. Wenn man einem Bericht des NDR glau-en darf, haben sie ihre Klagen für 10 Millionen Eurourückgezogen. Das ist hoch spannend.
Ich weiß, dass Ihnen das peinlich ist und es Ihnen lie-er wäre, wenn ich nur über den Haushalt reden würde.ber es geht auch darum – deswegen führe ich das an –,ass wir, wie Sie vorhin gesagt haben, zu wenig Personal
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Dr. Georg Nüßlein
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hätten und mehr Geld ausgeben müssten; dann wärenalle unsere Probleme in diesem Bereich gelöst, und wirkämen schneller voran.
Nein, geben Sie erst einmal den politischen Wider-stand vor Ort auf! Dann kommen wir ein ganzes Stückschneller voran, wenn Sie die Projekte positiv begleiten.Das ist ein frommer Wunsch von mir an Sie. Ich weiß,dass Sie ihn nicht erfüllen werden.Vielen Dank.
Ulrich Kelber hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Die deutschen Medien wie Süddeutsche Zei-tung, Stern, Spiegel, Die Welt und die Frankfurter Allge-meine Zeitung sind sich in diesem Sommer in ihrer Ein-schätzung der schwarz-gelben Bundesregierungziemlich einig: „Aufhören!“, „Die können es nicht“ und„schlechteste Regierung seit Gründung der Bundesrepu-blik“.
Das sind keine Werturteile der Opposition, sondern derführenden Medien der Bundesrepublik.Weil ich gerade das Grinsen in den Reihen der CDU/CSU sehe: Sie meinen damit nicht nur die FDP und dieFDP-Minister. Sie meinen auch Minister wie Bundesum-weltminister Norbert Röttgen. Er orientiert sich auch zu-nehmend an der FDP. Zumindest in seinem Umgang mitIrrungen und Wirrungen erinnert er mich zunehmend anAußenminister Guido Westerwelle und dessen Umgangmit der Libyen-Politik.
Rechthaberei statt Linie, grün reden statt grün han-deln: Das kennzeichnet die Politik im Umweltministe-rium. Ich will das an ein paar Beispielen deutlich ma-chen.Wir haben in dieser Debatte einen Umweltminister er-lebt, der der Opposition den Vorwurf gemacht hat, siehätte sich nicht an der Suche nach einem atomaren End-lager beteiligt oder dieses nicht haben wollen, und er seijetzt derjenige, der sich darum kümmert. Kurze Fakten-überprüfung: Dieser Bundesumweltminister war in denJahren 2005 bis 2009 Erster Parlamentarischer Ge-schäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die-sem Koalitionspartner hat die SPD in den Jahren 2006,2008 und 2009 den Vorschlag eines Endlagersuchgeset-zEERRnLnmMsisePreEkmsRnuedrusUrugdndaHzHgzNn1VAnleMre
Die Unterlagen sind noch vorhanden, Herr Kollegeöttgen. Wir können sie gerne vorlegen, wenn Sie sichicht mehr daran erinnern.Sie haben im Oktober 2010 von dieser Stelle aus dieaufzeitverlängerung bis 2040 als Revolution verkauft,icht etwa in einer nüchternen Rede, sondern wie üblichit Pathos und weit ausholenden Armbewegungen. Imärz 2011 wollte er uns dann weismachen, dass erchon damals gegen seinen eigenen Vorschlag gewesent, und im Juni 2011 hat er auch von diesem Pult aus mitinem Fingerzeig zur Opposition gesagt, dort säßen diearteien, die sich nicht um den Einstieg in die erneuerba-n Energien gekümmert hätten.Kurzer Faktencheck: Bei der Abstimmung über dasrneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 ist im Proto-oll die Gegenstimme von Dr. Norbert Röttgen ver-erkt. Bei der Abstimmung über die erste Novelle 2004teht im Protokoll: Gegenstimme von Dr. Norbertöttgen. Das heißt, Sie haben gegen die Gesetze, mit de-en die erneuerbaren Energien eingeführt worden sindnd die den 20-Prozent-Anteil im ersten Halbjahr 2011rmöglicht haben, gestimmt, aber es sollen wieder an-ere schuld gewesen sein. Sie waren angeblich nicht da-nter. Es muss ein anderer Dr. Norbert Röttgen gewesenein, der so abgestimmt hat.
Wie die gesamte Bundesregierung lebt auch diesermweltminister von der Substanz der Vorgängerregie-ngen. Er sonnt sich im Glanz der Erfolge der Vorgän-erregierungen – die CDU/CSU hat immerhin zu einerer Vorgängerregierungen gehört –, trägt aber selbstichts zur Zukunftssicherung bei. Er lobt sich dafür, dassie erneuerbaren Energien einen Anteil von 20 Prozentusmachen. Wann sind denn die Anlagen, die im erstenalbjahr 2011 über 20 Prozent Anteil an der Stromer-eugung haben, geplant und gebaut worden: im erstenalbjahr 2011? Reicht das nicht in die Zeit der Vorgän-erregierungen zurück, die noch ein klares Förderkon-ept und ein klares energiepolitisches Konzept hatten?
Was tut denn dieser Umweltminister? Der Kollegeüßlein hat einem der Vorgänger vorgeworfen, er habeur einen Anteil der erneuerbaren Energien von2,5 Prozent für 2010 angestrebt. Ich kenne noch eineorgängerin, nämlich Angela Merkel, die für 2010 einennteil von lediglich 10 Prozent haben wollte. Das kön-en Sie in einem Buch von ihr aus dem Jahre 1997 nach-sen.Wie geht denn der Umweltminister mit der neuenarktsituation und der größeren Konkurrenz aus ande-n Ländern um? In den letzten zwei Jahren, als wir den
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 122. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 6. September 2011 14439
Ulrich Kelber
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Ausbau der erneuerbaren Energien hätten beschleunigenmüssen, hatten wir ein Hin und Her an energiepoliti-schen Beschlüssen, was dazu geführt hat, dass niemandmehr in Deutschland investiert hat, weder in konventio-nelle Kraftwerke noch in Anlagen zur Erzeugung erneu-erbarer Energien. Das zeigt, dass Sie von der Substanzleben, aber selbst nichts zum Ausbau der erneuerbarenEnergien beitragen.
Ich komme zum Klimaschutz. Eine Zahl, die geradegefallen ist, will ich wiederholen. 88 Prozent der Mittel,die der Bundesminister für neue Zusagen im internatio-nalen Klimaschutz und die Hilfe für die Ärmsten der Ar-men vorgesehen haben will, sind umetikettiert worden.Deutschland wird allmählich weltbekannt dafür, dass esseine Versprechen im Bereich des internationalen Klima-schutzes und in der internationalen Entwicklungszusam-menarbeit reihenweise bricht. Sie, Herr Dr. Röttgen, sinddabei.
Ein weiteres Thema ist die Energieeffizienz. Sie wol-len sich beim geplanten Energieeffizienzgesetz nur amDurchschnitt der Europäischen Union orientieren. Es sollnur das, was die Europäische Union vorschreibt, eins zueins umgesetzt werden. Auf eine Anfrage der SPD habenSie geantwortet, Sie wollten kein Klimaschutzgesetz mitverbindlichen Klimaschutzzielen vorlegen. Ich halte dasfür ein Armutszeugnis. Stattdessen erzählen Sie uns, dassder Ansatz für die Gebäudesanierung um fast 50 Prozentgesteigert wurde. Sich mit sich selbst zu vergleichen, isteinfach, aber zu sagen, dass Sie vorher den Ansatz derVorgängerregierung um 70 Prozent gekürzt haben, hättezur Ehrlichkeit gehört.
Noch nie hat es so wenig Initiativen aus einem Bun-desumweltministerium gegeben wie jetzt, nicht unterWallmann, nicht unter Töpfer, nicht unter Merkel, nichtunter Trittin und nicht unter Gabriel. Das hängt auch da-mit zusammen, dass in diesem Haus eine Atmosphäreund eine Kultur des Misstrauens gepflegt wird. Sachver-stand in den Abteilungen wird nicht abgefragt. Einekleine Gruppe entwirft, und die Entwürfe, die aus demStab kommen, werden noch nicht einmal mit den Fach-leuten abgesprochen. Teilweise erfahren die Fachleutevon den Ergebnissen erstmals aus den Medien. Deswe-gen ein kleiner Aufruf vonseiten der Opposition, HerrMinister: Verbringen Sie etwas weniger Zeit in der Pres-seabteilung, etwas weniger Zeit bei den Redeschreibern,dafür etwas mehr Zeit in Ihren Fachabteilungen! Dannklappt es auch mit der Umweltpolitik.
Der Kollege Bernhard Schulte-Drüggelte hat jetzt das
Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-gen! Lieber Kollege Kelber, ich wollte eigentlich et-as zum Haushalt sagen. Aber Ihr Kollege Miersch hatorhin sprachliche Anleihen beim Eiskunstlauf gemachtnd meinte, er könne damit den Bundesminister anrüh-n. Das, was ich mir gerade angehört habe, nenne ichinmal – ich weiß nicht, wie man das bei Ihnen bezeich-en würde – den „rückwärts eingesprungenen verkorks-n Kelber“.
as war doch keine Haushaltsrede! Was soll das?
Ich möchte kurz etwas zum Haushalt sagen. Das Ge-amtvolumen des Umwelthaushalts für 2012 beträgtnd 1,6 Milliarden Euro. Meine Kollegen Stephanhomae und Ulrich Petzold haben gerade die Struktur-eränderungen dargestellt. Wirklich neu ist, dass dasundesumweltministerium bei Bedarf auf Mittel desnergie- und Klimafonds zugreifen kann. Das solltenie begrüßen, wenn Sie für den Umweltschutz etwas er-ichen wollen.
ieses Sondervermögen ist ein ganz wichtiger Bausteiner Energiewende, die hier im Haus beschlossen wordent. Für erhebliche Investitions- und Forschungsmaßnah-en stehen im nächsten Jahr 780 Millionen Euro zusätz-ch aus dem Fonds bereit. Davon kann das Umweltmi-isterium 235 Millionen Euro bewirtschaften. Das ist einrheblicher Betrag.Sie haben vorhin gesagt, Sie zweifelten die Zukunftn. Das kann man ruhig machen; man sollte aber nichtbersehen, dass die mittelfristige Finanzplanung für013 und für die Folgejahre jeweils Mittel von überMilliarden Euro vorsieht. Also kann man feststellen,ass es hier zu der gewünschten Verstetigung kommt.Der Umweltminister betont immer wieder: Die Ener-iefrage ist die zentrale Frage der industriellen, der wirt-chaftlichen Entwicklung unseres Landes. – Der Zugriffuf dieses Sondervermögen bedeutet eine Sicherstellunger Mittel. Zwei meiner Vorredner haben versucht, einisschen Polemik in die Debatte hineinzubringen. So et-as führt eher zu Verunsicherung als zur Sicherung vonitteln zur Bewältigung künftiger Aufgaben im Um-eltschutzbereich.
Ich möchte kurz auf Einzelheiten eingehen. 16 Millio-en Euro stehen für Forschung und Entwicklung imereich der erneuerbaren Energien zur Verfügung. Zu-
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Bernhard Schulte-Drüggelte
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sätzlich fließen 200 Millionen Euro in die Nationale Kli-maschutzinitiative. Das ist viel Geld.
Zur Nationalen Klimaschutzinitiative zählt unter ande-rem das Marktanreizprogramm, für das 100 MillionenEuro mehr bereitgestellt werden.
Frau Kofler hat vorhin gesagt, dieses Geld komme beiden Menschen nicht an. Wahr ist: Es kommt bei denMenschen an. Alle, die sich mit diesem Thema befassthaben, wissen, dass damit sehr viele kleine Projekte fi-nanziert werden. Das ist ein großer Vorteil.Die Internationale Klimaschutzinitiative – zurzeitsind dafür 120 Millionen Euro veranschlagt – wird umfast 20 Millionen Euro, also deutlich verstärkt.Ich glaube, all das sind wichtige Maßnahmen.Vorhin ist bereits angesprochen worden: Umwelt-schutz ist eine Querschnittsaufgabe; er fällt in den Zu-ständigkeitsbereich von vielen Ministerien. Ich will sienicht alle nennen. Insgesamt sind für Umweltschutzaus-gaben 7,4 Milliarden Euro veranschlagt. Das ist knapp1 Milliarde Euro mehr als für 2011. Das zeigt doch, dassdiese Regierung und diese Koalition es mit ihrem Ein-satz für die erneuerbaren Energien ernst meinen.
Ich komme noch einmal auf das Marktanreizpro-gramm zu sprechen. 2012 werden dafür 380 MillionenEuro zur Verfügung stehen, 30 Millionen Euro mehr, alsbei der Haushaltsplanung 2011 vorgesehen wurde. Jetztist also die Verstetigung – in den letzten Jahren ist immerwieder Verlässlichkeit für die Menschen gefordert wor-den – erreicht. Ich finde, in diesem Haushalt kommt einepositive Entwicklung zum Ausdruck.
Einzelheiten wie thermische Solaranlagen, Anlagen zurVerbrennung fester Biomasse, innovative Technologienzur Wärme- und Kälteerzeugung sind positive Ergeb-nisse einer solchen Planung.Zum Einzelplan 16 gehören die Mittel zur Deckung derKosten der Endlagerung radioaktiver Stoffe. Ich möchteauch dazu etwas sagen. Schacht Konrad wird seit 2007umgerüstet. In dem ehemaligen Eisenerzbergwerk sollenschwachradioaktive Abfälle eingelagert werden. Mittler-weile hat die Landesregierung Niedersachsen Genehmi-gungen für obertägige Bauten erteilt. Vielleicht könnte dasGanze etwas schneller vonstattengehen.Wenn man die Fertigstellungszeiträume für Konradsieht und die einzelnen Haushalte vergleicht, dann stelltman fest, dass der Fertigstellungszeitpunkt immer wie-der um ein Jahr nach hinten verschoben wird. Deshalbwill ich auch kein Wort dazu sagen, wann es fertig seinsoll. Aber für das nächste Jahr sind über 200 MillionenEuro dafür vorgesehen, den Schacht Konrad als Endla-gfigs–dsriwd–dsSinD3dD–gisdvgdwvtiaewd9n
Ich sage hier doch nur meine Meinung. – Es ist richtig,ass weiterhin ergebnisoffen gesucht wird, um festzu-tellen, ob Gorleben als Endlager geeignet ist. Es istchtig, dass nach internationalen Standards geprüftird. Es ist auch richtig, dass dadurch eine Prognoseurch das Umweltministerium ermöglicht wird. Deshalb der Bundesumweltminister hat gerade erläutert, wieas Verfahren weitergehen soll – sind im Haushalt zu-ätzliche Mittel für die weitere Erkundung von anderentandorten
Höhe von 2,5 Millionen eingesetzt.
ie Mittel sind von 1 Million um 2,5 Millionen auf,5 Millionen Euro erhöht worden. Das ist ein Zeichenafür, dass weiter ergebnisoffen erkundet werden soll.as ist auch vernünftig so.
Die Zahlen stimmen auf jeden Fall.Ich möchte noch etwas zur Öffentlichkeitsarbeit sa-en. Die Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriumst neu strukturiert und transparenter. Der Haushalt siehteutlich höhere Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeitor. Das beruht zwar zum großen Teil auf Umschichtun-en in anderen Bereichen. Aber ich halte es für wichtig,ass die Bürger an den einzelnen Endlagerstandortenirklich informiert werden und dass sie sich ein Bild da-on machen können, wie die nukleare Entsorgung funk-oniert. Ich finde, die Regierung ist auch in der Pflicht,uf die Menschen zuzugehen und ihre Politik besser zurklären. Das macht das Umweltministerium. Das Um-eltministerium ist hier auf einem sehr guten Weg.Danke schön.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Mittwoch, den 7. September 2011,
Uhr, ein.
Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonne-
en Einsichten.
Die Sitzung ist geschlossen.