Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 158. Sitzung des Deutschen Bundestags. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für vier Tage den Abgeordneten Frühwald, Neumann und Wönner. Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage dem Abgeordneten Dr. Hoffmann . Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Menzel, Eickhoff, Dr. Dorls, Feldmann, Dr.-Ing. Decker, Dr. Besold und Frau Schroeder (Berlin).
Entschuldigt sind die Abgeordneten Franke, Frau Korspeter, Böhm, Kiesinger, Brandt, Kern, Schüttler, Stahl, Tenhagen, Dr. Weiß, Dr. Reif, Dr. Solleder, Jacobs, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer Dr. Richter , Löbe, Dr. Holzapfel, Stücklen, Loritz, Etzel (Duisburg), Dr. Luchtenberg, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Henßler und Dr. Nölting.
Meine Damen und Herren! Die Herren Vorsitzenden des 9. und 11. Ausschusses haben mich gebeten, bekanntzugeben, daß im Anschluß an die Beratung des Punktes 3 der Tagesordnung eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Finanz- und Steuerfragen und für Berlin über den Gesetzentwurf zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin stattfindet. Ich bitte, freundlichst davon Kenntnis zu nehmen.
Ich rufe den Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Investitionshilfe der deutschen gewerblichen Wirtschaft .
Zur Begründung des Entwurfs hat der Herr Bundesfinanzminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau hat in der westdeutschen Bundesrepublik nach dem Krieg seit der Währungsreform überraschende Fortschritte gemacht, was sich allein aus der Zahl ergibt, daß der Produktionsindex den Satz von 136 % im Verhältnis zum Jahre 1936 erreichte. Dieser Aufschwung ist aber nicht gleichmäßig in sämtlichen Zweigen und Gebieten der Produktion möglich gewesen. Der Nachholbedarf nach dem Krieg ist zunächst überwiegend auf dem Gebiet der Konsumgüterindustrie befriedigt worden. Diese konnte ihren Wiederaufbau weitgehend im Weg der Selbstfinanzierung durchführen, da durch die Aufhebung der Preisbindungen die wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen wurden. Die Grundstoffindustrie und die Energiewirtschaft kamen dagegen mit dem Wiederaufbau nicht in demselben Maße mit, da sie durch die Preisbindungen in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beschränkt waren.
Durch dieses Zurückbleiben ist nun aber auch die weitere Aufwärtsentwicklung der von den Grundstoffindustrien ja abhängigen Produktions- und Konsumgüterindustrien in Frage gestellt. Im übrigen muß, wenn nicht unverzüglich Hilfe geleistet wird, mit der Möglichkeit sehr großer Schwierigkeiten insbesondere auch auf dem Gebiet der Kohlenversorgung gerechnet werden. Auch für die Er-
langung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit gegenüber dem Ausland ist die Beseitigung dieser Engpässe unbedingte Voraussetzung.
Zur Behebung der Engpässe kämen an sich, nachdem die ERP-Mittel nicht mehr im gleichen Umfang wie früher zur Verfügung stehen, in Frage öffentliche Mittel, private Mittel auf dem allgemeinen Kapitalmarkt, Selbstfinanzierung der Grundstoffindustrien oder Belastung der anderen Industrien zugunsten der Grundstoffindustrien. Die Wege Nr. 1 bis 3 müssen von vornherein ausscheiden. Öffentliche Mittel stehen nicht zur Verfügung. Der freie Kapitalmarkt ist erschöpft, und die Selbstfinanzierung wäre nur über den Preis, d. h. über Preiserhöhungen möglich, die sich heute ohne weiteres verbieten. Als Weg bleibt hiernach nur der vierte der oben aufgeführten Möglichkeiten. In dieser Richtung wurde früher der sogenannte Abschreibungsplan erwogen, der eine steuerliche Belastung der Wirtschaft zugunsten der Engpaßindustrie in erster Linie auf der Grundlage der Nichtanerkennung von Abschreibungen vorsah. Hiergegen hat sich jedoch der Gemeinschaftsausschuß der deutschen gewerblichen Wirtschaft ausgesprochen, da dieser Plan die Produktionsgüterindustrien in ungleich schärferem Maße als den Handel belasten würde.
In Würdigung der Schwierigkeiten der Engpaßindustrien hat die gewerbliche Wirtschaft in der Bundesrepublik — repräsentiert durch den Gemeinschaftsausschuß der deutschen gewerblichen Wirtschaft — beschlossen, zur Deckung des vordringlichen Investitionsbedarfs Mittel in Höhe von 1 Milliarde DM im Jahre 1951/52 im Weg der Selbsthilfe durch eine Umlage aufzubringen. Sinn dieser Umlage ist auf der einen Seite, Mittel für die Finanzierung der vordringlichen Engpaßinvestitionen zu gewinnen, auf der andern Seite in entsprechendem Umfang Mittel der gewerblichen Wirtschaft, die sonst für eigene Investitionen zur Verfügung gestanden hätten, für einige Zeit in Anspruch zu nehmen.
Aus dieser Grundidee heraus erklärt sich der Aufbau des Gesetzes. Die Mittel müssen in der Weise aufgebracht werden, daß die aufbringungspflichtigen Unternehmer die normalerweise für eigene Investitionen verfügbaren Beträge entnehmen. Die Bemessungsgrundlage ist nach dem Vorschlag des Gemeinschaftsausschusses so gewählt worden, daß auf die für Neu- oder Ersatzinvestitionen zur Verfügung stehenden liquiden Mittel des Unternehmens abgestellt worden ist. Die Investitionshilfe ist keine Steuer, da die aufbringenden Unternehmer ein Entgelt in Form von Wertpapieren erhalten. Trotz des in Würdigung der dringenden Notwendigkeiten freiwilligen Beschlusses der Repräsentanten der deutschen gewerblichen Wirtschaft ist eine Regelung durch Gesetz notwendig, um die ordnungsmäßige und gleichmäßige Aufbringung sicherzustellen.
Bei der Verwaltung und Verwendung der Mittel gestattet das Gesetz die finanzielle Abwicklung nach Grundsätzen, die den auf dem Kapitalmarkt geltenden Regeln angepaßt sind. Die Aufbringung der Mittel erfolgt in der Weise, daß der Aufbringungsschuldner gegenüber dem zuständigen Finanzamt eine Aufbringungserklärung abgibt, welche die zur Überprüfung der richtigen Anwendung der Bemessungsgrundlage erforderlichen Angaben enthält. Abgesehen hiervon soll derjenige, der seiner Aufbringungspflicht nachkommt, nur mit dem üblichen Apparat des Kapitalmarktes, insbesondere also mit Banken, zu tun haben. Auf dem Wege über den Bankenapparat fließen die Mittel an die Industriekreditbank und bilden dort ein Sondervermögen. Die Industriekreditbank vérgibt die Mittel im Rahmen von Quoten, die das Bundeswirtschaftsministerium festlegt, und nach Weisung des für die Verwaltung und Verwendung bestellten Kuratoriums.
Der Bundesrat hat nun eine völlige Neufassung des Gesetzentwurfes vorgelegt, die jedoch in ihrem Aufbau der Vorlage der Bundesregierung entspricht und zum großen Teil nur redaktionelle und technische Änderungen enthält. Die Bundesregierung erklärt sich mit den Änderungen des Bundesrats in den meisten Punkten einverstanden, sie stimmt jedoch mit ihm insoweit nicht überein, als er die Befreiung unter anderem auch auf alle Versorgungsb etriebe der öffentlichen Hand erstrecken will "und den Bemessungsmaßstab des Gemeinschaftsausschusses, den die Bundesregierung dem Gesetzentwurf zugrunde gelegt hatte, durch einen völlig neuen Maßstab ersetzen will.
Im einzelnen darf bemerkt werden: Nach § 1 wird die Verwendung der Mittel auf Kohle, Eisen, Stahl und Energie beschränkt, ist jedoch nach § 29 Abs. 2 in Höhe von 10 % des Aufbringungsbetrages auch für andere Engpaßindustrien möglich. Im § 1 ist ferner der Aufbringungsbetrag mit einer Milliarde DM festgelegt. Nach §§ 2 bis 4 schließen sich Aufbringungspflicht und Befreiungen von der Aufbringung grundsätzlich an das Gewerbesteuerrecht an.
Im Gegensatz zum Bundesrat möchte die Bundesregierung die Rundfunkunternehmen im Hinblick auf ihre erheblichen Investitionen und ihre erheblichen Einkünfte in die Aufbringungspflicht einbeziehen.
Im Gegensatz zum Bundesrat hat die Bundesregierung ferner Bedenken gegen die vom Bundesrat vorgeschlagene Befreiung der Hochsee- und Küstenschiffahrt, jedoch nicht gegen die Befreiung der Hochsee- und Küstenfischerei.
Gegen die Hinzufügung des § 3 Ziffer 9, Befreiung der Versorgungsbetriebe der öffentlichen Hand, hat die Bundesregierung vor allem deshalb die stärksten Bedenken, weil durch sie gewisse Betriebe der öffentlichen Hand anderen Wettbewerbsbedingungen unterstellt würden als die Privatbetriebe und die gemischtwirtschaftlichen Betriebe.
Es muß darauf verwiesen w erden, daß in allen den vorgenannten Fällen die §§ 20 und 20 a eine hinreichende Möglichkeit für eine Stundung oder einen Erlaß im Falle einer wirtschaftlichen Notwendigkeit und zudem die notwendige Gleichstellung der in Betracht kommenden Wirtschaftszweige sichern.
Die im § 6 des Regierungsentwurfs enthaltene Bemessungsgrundlage war auf Grund des Vorschlags des Gemeinschaftsausschusses im wesentlichen auf den Unternehmeranteil an der Nettowertschöpfung — added value — nur im Betrieb abgestellt. Von der gesamten Betriebseinnahme 1951 ist der Aufwand für Wareneinsatz für Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens abgesetzt. Abgesetzt werden ferner Löhne, Gehälter, gezahlte Zinsen, Verbrauchssteuern und gewisse Leistungsentgelte und Pauschbeträge für eigene Mitarbeit der Unternehmer. Der Bundesrat hat demgegenüber als Schlüssel des Betriebsgewinnes 1950 zuzüglich der Abschreibungen die nach dem § 7 und § 7 e des Einkommensteuergesetzes abgesetzten Be-
träge vorgeschlagen. Dieser Schlüssel hat den Vorteil, bei der Einkommensteuerveranlagung 1950 überprüfbar zu sein. Durch ihn werden die Finanzämter nicht mehr auf eine passive Rolle beschränkt. Es handelt sich um einen gewohnten Schlüssel ohne besondere Abgrenzungsschwierigkeiten.
Der Vorteil des Schlüssels der Regierungsvorlage liegt jedoch einmal darin, daß er zeitnahe ist; weiter stellt er bei Industrie und Handel in geeigneter Weise auf die Liquidität ab und vermeidet die Möglichkeit des Abzuges von Spesenunkosten. Der Gemeinschaftsausschuß hat diesen Schlüssel im Namen der gewerblichen Wirtschaft selbst vorgeschlagen. Bei Abstellung auf den Gewinn 1950 wäre zu befürchten, daß die Gewinne in der Erklärung 1950 angesichts ihrer gesteigerten Bedeutung vielleicht von der gewerblichen Wirtschaft besonders gedrückt würden und das Steueraufkommen dadurch beeinflußt würde.
Die Bundesregierung hat aus diesen Gründen an dem Grundsatz der alten Vorlage festgehalten. Sie muß insbesondere betonen, daß der Aufbringungsumsatz von 5 % nach § 7 des Gesetzes bei Annahme des Vorschlages des Bundesrates nicht nur auf acht vom Hundert, sondern sogar auf zehn vom Hundert erhöht werden muß.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf diese kurzen Bemerkungen über die Grundlinien des Gesetzes beschränken und möchte zum Schluß nur einen Wunsch aussprechen: Es handelt sich hier um eine Selbsthilfe der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands; möge sich diese Selbsthilfe in der Ausführung des Gesetzes wirklich als das betätigen, was wir alle hoffen.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprache in der ersten Beratung nicht stattfinden zu lassen.
— Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage vor: Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. —
— An den Ausschuß für Geld und Kredit, wird weiter vorgeschlagen. — Herr Abgeordneter Cramer, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den neuesten Beschlüssen der Bundesregierung vom Sonnabend besteht die Möglichkeit, daß auch die Bundesbahn und die Bundespost unter dieses Gesetz fallen werden. Ich beantrage deshalb — ich glaube, in Übereinstimmung mit Herrn Rademacher —,
den Ausschuß für Verkehrswesen und den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen an dieser Beratung zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, das wären inzwischen fünf Ausschüsse; das scheint mir etwas viel zu sein.
— Ich habe auch nur meine sehr unmaßgebliche eigene Meinung zum Ausdruck gebracht. Ich darf feststellen: Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend, das ist die allgemeine Überzeugung. Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen ebenfalls? — Ausschuß für Geld und Kredit ebenfalls?
Meine Damen und Herren, es besteht also keine Einmütigkeit darüber. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit? Ich bitte um ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt.
Es ist weiter Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen beantragt. Wer ist dafür? — Wer ist dagegen? — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt.
Fünftens ist die Überweisung an den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen beantragt. Darf ich um der Parität zwischen Eisenbahn und Post willen vorschlagen, daß wir auch noch an diesen Ausschuß ohne Aussprache überweisen?
— Also komme ich zur Abstimmung. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen? — Wer ist dagegen? — Das erste war die Mehrheit. Es ist kein Hammelsprung erforderlich. Die Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: -
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Land Berlin .
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Bucerius!
Meine Damen und Herren! Wenn der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Lande Berlin Gesetzeskraft erlangt haben wird, beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Beziehungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik.
Obwohl sich die Einwohner der Stadt Berlin nicht nur zur Bundesrepublik bekannt haben, sondern für dieses Bekenntnis durch Taten und Leiden eingetreten sind, ist Berlin kraft einer besonderen Anordnung der Besatzungsmächte formalrechtlich nicht Bestandteil der Bundesrepublik. Der Gesetzentwurf soll dazu dienen, auf einem wichtigen Gebiete, nämlich dem der finanziellen Beziehungen, diesen formalrechtlich noch bestehenden Zustand durch die Tat zu überwinden. Da Berlin dem Bunde nicht angehört, kennt das geltende Berliner Recht die Trennung von Bundes- und Länderfinanzverwaltung und die Trennung Von Bundes- und Ländersteuern nicht. Die in der Bundesrepublik dem Bunde zustehenden Steuern, also vor allem die indirekten Steuern — darunter die Umsatzsteuer — werden in Berlin vom Land Berlin erhoben und fließen in seine Kasse. Andererseits werden die in der Bundesrepublik vom Bunde zu tragenden Lasten, darunter besonders die Besatzungskosten, die Kriegsfolgenhilfe, die Aufwendungen für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes und Wehrmachtangehörige und die sehr hohen Ausgaben für Kriegsbeschädigte, in Berlin vom Lande Berlin getragen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, daß Berlin für die Zukunft in finanzieller Hinsicht genau so behandelt wird wie jedes Land der Bundesrepublik, d. h. daß ihm die genannten Lasten abgenommen und die zur Deckung zur Verfügung stehenden Steuereinnahmen dem Bunde übertragen werden. Nach einer vorläufigen Berechnung sind die Lasten um
200 Millionen DM höher als die übergehenden Einnahmen. An dieser Stelle wird sichtbar, daß das Land Berlin infolge seiner Armut in der Vergangenheit wesentlich geringere soziale Leistungen hat aufbringen können als die Bundesrepublik.
Technisch soll der Übergang dadurch erfolgen, daß die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund vorn November 1950 auch für Berlin gilt. Zugleich soll das Bundesgesetz über die Finanzverwaltung vom 6. September 1950 zu einem möglichst frühen Zeitpunkt für Berlin in Kraft gesetzt werden. Bei dieser Gelegenheit soll auch das Post- und Fernmeldewesen, das in Berlin immer noch einer vom Bund unabhängigen Behörde untersteht, in das Post- und Fernmeldewesen der Bundesrepublik einbezogen werden.
Die Bewohner der Bundesrepublik bringen, von anderen wichtigen Leistungen abgesehen, schon jetzt ein besonderes Opfer, um Berlin in der Auseinandersetzung mit einem unerbittlichen Gegner zu stützen. Es ist dies das Notopfer Berlin, dessen Aufkommen für das laufende Rechnungsjahr mit 600 Millionen DM veranschlagt ist. Die Antragsteller des vorliegenden Gesetzentwurfs sind der Meinung, daß es dem Sinn dieses Notopfers nicht entspräche, wenn seine Erträgnisse für andere Zwecke verwendet würden als zur Deckung eines Unterschusses des Berliner Landeshaushalts. Das kann ich um so beruhigter sagen, als der Herr Finanzminister im Augenblick nicht zuhört. Aufgaben, welche nach der zukünftigen Regelung nicht mehr Sache der Stadt Berlin, sondern Aufgaben des Bundes sind, müssen in Zukunft aus Bundesmitteln finanziert werden, genau so wie das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und den ihr bereits angeschlossenen Ländern der Fall ist. Es würde erneut auf die Anerkennung einer Sonderstellung der Stadt Berlin hinauslaufen, wenn man Berlin die Vergünstigung verweigern wollte, auf die jedes andere Land der Bundesrepublik Anspruch hat. Das hat nichts mit der Frage zu tun, in welcher Höhe das Notopfer Berlin in Zukunft erhoben werden soll.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird dem Haus Gelegenheit geben, erneut unter Beweis zu stellen, daß es in der Frage Berlin grundsätzlich nur eine Meinung gibt. Im einzelnen wird das Gesetz wegen seiner großen finanziellen und rechtlichen Tragweite . im Ausschuß für Berlin, der federführend sein sollte, und im Rechts- und im Finanzausschuß — ich stelle entsprechende Anträge, Herr Präsident — nach den Ferien sehr genau behandelt werden müssen. Die Antragsteller sind entschlossen, über alle überholten rechtlichen Bedenken hinweg dem Art. 23 des Grundgesetzes endlich auch insoweit Geltung zu verschaffen, als Berlin in möglichst weitem Umfang in den Geltungsbereich des Grundgesetzes einbezogen wird.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn der Bundesminister der Finanzen von einem Mitglied dieses Hauses im Zuhören gestört wird, hört er doch, was gesprochen wird,
und kann infolgedessen auch dazu Stellung nehmen und m u ß in diesem Falle sogar dazu Stellung nehmen.
Der Gesetzentwurf, der als Initiativantrag eingereicht wurde, kommt ungefähr gleichzeitig mit einem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorlegen wird, der in den Ressortbesprechungen und in Besprechungen mit der Stadt Berlin vorbereitet, in diesen Tagen fertiggestellt und dem Kabinett zugeleitet und über Kabinett und Bundesrat dem Bundestag zugehen wird. Dieser Gesetzentwurf der Regierung unterscheidet sich allerdings in Einzelheiten von dem Gesetzentwurf, der hier als Initiativantrag vorgelegt ist.
Der kommende Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht auch die Gleichstellung der Stadt Berlin mit den übrigen 11 Ländern der Bundesrepublik vor. Man muß allerdings davon ausgehen, daß eine solche Gleichstellung immer im Guten wie im Bösen zu erfolgen ' hat und daß eine Teilung, Gleichstellung nur im Guten, Gleichstellung aber nicht im Bösen, schon rein finanziell, wirtschaftlich und vom Standpunkt der Gerechtigkeit gegenüber den anderen 11 Ländern aus nicht gut möglich ist. Der Regierungsentwurf unterscheidet sich infolgedessen in den Bestimmungen von dem Initiativgesetzentwurf, die in dessen § 3 enthalten sind, insofern, als der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Rechtsangleichung der Stadt Berlin an das Bundesgebiet etwas schärfer betont als der Initiativgesetzentwurf.
Es wird weiter ein Unterschied gegeben sein gegenüber dem § 8 des Initiativantrags. Der § 8 dieses Gesetzentwurfs, so wie er heute vorgesehen ist, hat für den Bundeshaushalt außerordentlich schwerwiegende Auswirkungen. Es ist nicht meine Aufgabe, die Geschäftsordnung dieses Hauses zu wahren und auf ihren § 48 a hinzuweisen. Es dürfte dem Hohen Hause heute in dieser Stunde bekannt sein, wie eng und begrenzt die finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushalts sind. Es ist deswegen wohl auch immer wert zu überlegen, welche Auswirkungen einzelne Gesetzentwürfe auf den Bundeshaushalt und damit auf den Steuerzahler des Bundesgebiets haben. Die Übernahme der Berliner Kriegsfolgelasten und Sozialausgaben auf den Bundeshaushalt bedeutet eine Mehrbelastung von rund 740 Millionen DM. Dabei ist davon ausgegangen, daß die auf Bahn und Post entfallende Mehrbelastung aus Art. 131 des Grundgesetzes von Bahn und Post selbst getragen wird und infolgedessen den Bundeshaushalt nicht unmittelbar berührt. Das ist eine optimale Voraussetzung. Mittelbar würde der Bundeshaushalt auf alle Fälle berührt sein.
Auf der andern Seite ergibt sich durch die Übernahme der Berliner Bundessteuern für den Bundeshaushalt eine Mehreinnahme von rund 500 Millionen DM. Im Ergebnis bedeutet mithin die Einbeziehung Berlins in das Überleitungsgesetz nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlung eine Netto-Mehrbelastung des Bundeshaushalts , von mindestens 240 Millionen DM, die der deutsche Steuerzahler tragen muß. Dabei darf ich auf folgendes hinweisen: Wenn man daran denken würde, die Frage im Wege des horizontalen Finanzausgleichs zu lösen, dann hätte ich Steuermöglichkeiten außerhalb des Gebiets der indirekten, also außerhalb des Gebiets der Verbrauchssteuern. Wenn ich alles unmittelbar auf den Bundeshaushalt zukommen lasse, dann muß sich das Hohe Haus darüber bewußt sein, daß das Mehraufkommen entweder durch eine Erhöhung des Berliner Notopfers oder durch eine Erhöhung der Verbrauchssteuern im Bunde geschaffen werden muß. Das ist die Konsequenz, die sich aus dieser Rege-
lung ergibt. Deswegen wird auch die Regelung im Gesetzentwurf der Bundesregierung eine andere sein und eine andere Lösung vorschlagen, um gerade diesen Folgerungen ausweichen zu können. Der Gesetzentwurf nach dem Initiativantrag geht davon aus, daß das Berliner Notopfer, das semerzeit eingeführt worden ist, wegen der besonderen Zerstörungen, die durch Krieg und Kriegsfolgen unmittelbar und mittelbar in Berlin eingetreten sind, aus der Kraft Berlins allein nicht zu leisten war und deshalb das gesamte Bundesgebiet einen Sonderzuschuß leisten sollte. Es ist in dieser Stunde an die Unterscheidung Länderhaushalt und Bundeshaushalt überhaupt noch nicht zu denken gewesen, sondern es war eine Hilfe für die besondere durch den Krieg geschaffene Notlage der Stadt Berlin. Der Gesetzentwurf geht in § 8 davon aus, daß das gesamte Aufkommen des Berliner Notopfers nur dem Landes- und Stadthaushalt Berlins zugute kommen dürfte und daß alles, was auf Grund der Kriegsfolgen — auch auf den Bund übergehende Lasten — in Berlin mehr anfällt und von den Bundessteuern, die aus Berlin fließen, nicht gedeckt ist, allein von den Steuerzahlern des übrigen Bundesgebiets außerhalb Berlins zu decken sei. Das ist der Grundgedanke. Ich kann dem nicht zustimmen, daß das Berliner Notopfer allein für den Landes- und Stadthaushalt Berlins unbedingt bestimmt werden müßte und daß eine andere Regelung überhaupt nicht möglich sei, und ich muß vom Standpunkt des Bundeshaushalts erklären: Irgendeine Möglichkeit für eine Mehrbelastung von 240 Millionen, sei es durch Einsparungen auf irgendeinem Gebiet, sei es durch Neueinnahmen, sehe ich zur Zeit nicht. Wenn Neueinnahmen geschaffen werden müßten, wenn sie auf dem durch den Getzentwurf vorgesehenen Weg geschaffen werden müßten, dann -müßten sie erzielt werden entweder durch Erhöhung des Berliner Notopfers oder durch Erhöhung der Verbrauchsteuerbelastung im gesamten deutschen Bundesgebiet.
Meine Damen und Herren! Ich weise auf das hin, damit man bei den Beratungen über den Ge-. setzentwurf, die nun im Ausschuß beginnen werden, von vornherein nicht nur an die eine Seite, sondern auch an die andere Seite der Medaille denkt und damit sich jeder, der den Antrag stellt, Berlin zu helfen, gleichzeitig bewußt ist, daß er damit einen Anspruch auf die Opferbereitschaft der Bevölkerung des deutschen Bundesgebiets erhebt. Ich darf darauf hinweisen, daß das deutsche Bundesgebiet in Erkenntnis der Berliner Notlage gerade in den Tagen, seit die Bundesrepublik besteht, sehr viel für die Stadt Berlin geleistet hat; und ich glaube, es wird niemand in diesem Hohen Hause sein, der nicht anerkennen muß, daß der deutsche Steuerzahler für die Stadt Berlin unendlich viel getragen hat.
Und gerade weil ich darauf verweise, würde ich auch bitten, alle Maßnahmen zugunsten der Stadt Berlin in einer Art und Weise durchzuführen, durch die das innere, psychologische, seelische Verhältnis zwischen dem Bundesgebiet und der Stadt Berlin möglichst gestärkt und verbessert und ja nicht getroffen wird.
Meine Damen und Herren, eine Aussprache sollte nicht stattfinden. Ich schlage Ihnen Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Berlin als federführenden Ausschuß vor, ferner an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Der Abgeordnete Cramer hat mit Rücksicht auf § 5 des Gesetzentwurfs angeregt, das Gesetz außerdem dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. Darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (Nr. 2451 der Drucksachen).
Ich nehme an, daß sich die Regierung auf die schriftliche Begründung bezieht. — Offenbar ist das der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch in diesem Falle vor, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerwesen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Berlin vor. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 4:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur einstweiligen Regelung des Treuhandverhältnisses in den Unternehmen des Kohlenbergbaues und der Eisen- und Stahlindustrie .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß sowohl auf eine Begründung wie auf eine Aussprache verzichtet wird. — Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen.
— Und dem Ausschuß zur Durchführung des Art. 15 des Grundgesetzes, federführend dem Ausschuß für Wirtschaft.
— Meine Damen und Herren, hier besteht eine Meinungsverschiedenheit darüber, welchen Ausschüssen der Gesetzentwurf überwiesen werden soll. Es ist beantragt worden: dem Ausschuß für Wirtschaft und dem Ausschuß zur Durchführung des Art. 15 des Grundgesetzes, dem 35. Ausschuß. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, daß dieser Gesetzentwurf auch dem 35. Ausschuß überwiesen wird, eine Hand zu erheben. — Ich bitté um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe weiter auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker (Nr. 2431 der Drucksachen).
Wünscht der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Gesetzentwurf zu begründen? — Das ist nicht der Fall. Ich schlage Ihnen vor, meine Damen und Herren, den Gesetzentwurf ohne Aussprache an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
— Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten .
Auf eine Begründung wird offenbar ebenfalls verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, auch diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen .
— Die Überweisung ist erfolgt.
— Und dem Ausschuß für Außenhandel! Ernährungsausschuß federführend.
Bevor ich den Punkt 7 der Tagesordnung aufrufe, gebe ich bekannt, daß eine gemeinsame Sitzung des Berlin-Ausschusses und des Finanz- und Steuerausschusses um 14 Uhr 45 Minuten, also in 6 Minuten, in Zimmer 12 stattfindet.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Nr. 2449 der Drucksachen).
Die Regierung verweist auf die gedruckte Begründung. Auf eine Aussprache wird offenbar verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
— Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes ;
Erster Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 2414 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 270, 272, 273).
Berichterstatter sind die Herren Abgeordneten Dr. Laforet, Dr. Arndt, Dr. Wahl, Neumayer und Dr. Kopf.
Ich bitte zunächst den Herrn Abgeordneten Geheimrat Laforet, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist die Aufgabe zugewiesen, den Sonderberichten der Herren Referentent eine kurze Einleitung vorauszuschicken.
Der Rechtsausschuß legt Ihnen einen ersten Mündlichen Bericht über einen Teil einer langen Arbeit vor, die dem Schutz des Staates dient. Der Rechtsausschuß ging von dem Gedanken aus, daß sich der Staat auf Freiheit und Ordnung gründen muß, daß aber der Staat Freiheit und Ordnung und damit sich selbst aufgibt, wenn er sich nicht wirksam gegen diejenigen schützt, die die Freiheit zur Untergrabung und Störung der verfassungsmäßigen Ordnung mißbrauchen. Dieser Schutz soll mit gesetzlichen Mitteln des Strafrechts erreicht werden. Sie sollen der Freiheit auf dem Wege des Rechts dienen. Die Begründung zum Strafrechtsänderungsgesetz sagt mit Recht:
Das Recht ist das Fundament jeder Gemeinschaftsordnung. Gesetze sind nicht nur Schranken, sondern auch Schutzwehr der Freiheit, und wahre Freiheit ist . . . nur dort zu finden, wo Gesetz und Recht herrschen.
Damit werden aber auch die Schwierigkeiten vor Augen geführt, die dem Gesetzgeber bei der Erfüllung der gestellten Aufgabe entgegentreten. Das Gesetz soll dem Richter die Tatbestände solcher Verfehlungen unterbreiten, die zur Erkennung von Strafen führen sollen. Dem Richter kann nie die Feststellung des subjektiven Tatbestandes abgenommen werden; aber hinsichtlich des objektiven Tatbestandes darf der Gesetzgeber nur solche Tatbestände unter Strafe stellen, die vom Richter klar erkannt werden können.
Die Bausteine zur Errichtung dieses Sicherungsbaues des Staates hat der Rechtsausschuß einerseits dem Entwurf eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie entnommen, den die Fraktion der SPD am 15. Februar 1950, Drucksache Nr. 563, eingebracht hat, andererseits dem Gesetzgebungswerk zur Änderung des Strafgesetzbuchs, das die Bundesregierung nach Anhörung des Bundesrats am 4. September 1950 vorgelegt hat . Die Anträge und Anregungen des Bundesrats zu diesem Gesetzentwurf haben dem Rechtsausschuß wertvolle Hilfe gegeben.
Der Ausschuß hat sich nach kurzer Tätigkeit von Unterausschüssen in 20 Sitzungen mit dem Gegenstand befaßt. Die eingehende Beratung hat jedoch gezeigt, daß es unmöglich ist, den gesamten Rechtsstoff in abschließender Beschlußfassung so rasch zu erledigen, wie es das unabweisbare Bedürfnis nach einer sofortigen Staatssicherung verlangt. Die Innenminister der Länder, das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzämter der Länder haben sich in entscheidenden Fragen des Verfassungsschutzes als handlungsunfähig bezeichnet, solange nicht die zur Zeit fehlenden strafrechtlichen Vorschriften die Rechtsgrundlage zum Einschreiten bieten. Übereinstimmend mit dem Vorschlag des Bundesjustizministeriums und des Bundesinnenministeriums hat sich deshalb der Rechtsausschuß entschlossen,_ aus den Entwürfen die für den Staatsschutz ganz unentbehrlichen Vorschriften auszuwählen und sie in einem ersten Teil der Strafrechtsänderung gesondert dem Hohen Haus zu unterbreiten.
Dabei ist zu beachten, daß hinsichtlich des Landesverrats zur Zeit eine völlige Lücke besteht; hinsichtlich des Hochverrats dagegen ist in Art. 143 des Grundgesetzes eine Notregelung gegeben. Das Grundgesetz selbst hat jedoch vorgesehen, daß dieser Notlösung eine endgültige Regelung durch Bundesgesetz zu folgen hat. Diese Regelung soll jetzt getroffen werden. Mit ihrem Wirksamwerden treten die Bestimmungen des Art. 143 des Grundgesetzes außer Geltung. Völliges Neuland auf schwierigem Rechtsgebiet wird mit den Bestimmungen über Staatsgefährdung betreten. Auch hier waren die Vorschläge, die zur Änderung des schweizerischen Strafgesetzbuches gemacht worden sind, von besonderer Bedeutung.
Unerläßlich erschien es, in den strafrechtlichen Bestimmungen eine Sicherung des Vollzugs des Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes vorzusehen, der Vereinigungen verbietet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder
gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Soweit es sich um Parteien im Sinne des Art. 21 des Grundgesetzes handelt, kann eine Strafverfolgung nur stattfinden, wenn zunächst das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Partei festgestellt hat. Hier sind andererseits die Vorschriften zum Vollzug der §§ 42 und 47 des 'Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht gegeben.
Die sachlichen Änderungen des Strafrechts machten es unerläßlich, Teile des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung neu zu fassen. Auch hierzu darf ich die näheren Ausführungen dem Herrn Sonderberichterstatter überlassen. Der Rechtsausschuß vertritt als Ziel, daß in jedem Falle ein doppelter -Rechtszug gegeben sein muß, wenn auch der zweite Rechtszug eine Revisionsinstanz sein kann. Der Herr Bundesjustizminister hat dem Rechtsausschuß zugesagt, daß eine alsbald zu erwartende neue Vorlage der Bundesregierung diesem Ziele dienen soll.
Nach mir werden Ihnen die Herren Referenten für die einzelnen Abschnitte Bericht erstatten. Ich glaube, daß ich auch im Sinne des Rechtsausschusses spreche, wenn ich den Herren Sachbearbeitern der Bundesregierung, insbesondere des Bundesjustizministeriums, den besonderen Dank der Mitglieder des Rechtsausschusses für ihre dem Rechtsausschuß gegebene Hilfe ausspreche.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, bei diesem Gesetzentwurf so zu verfahren, daß die Berichterstattung über die einzelnen Abschnitte erfolgt.
Zum Abschnitt „Hochverrat" hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Art. 1 des Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes bringt der erste Abschnitt die Vorschriften über den Hochverrat. Ich glaube, mich sehr kurz fassen zu können, weil der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht insoweit keine grundsätzlich neuen Wege beschritten hat, sondern — wie wir überzeugt sind: mit Recht — glaubte, sich an die klassischen Vorbilder der Strafgesetzgebung halten zu dürfen.
In § 80 ist deshalb auch wegen Hochverrats nur mit Strafe bedroht, „wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt" — also durch eines dieser besonderen, traditionellen Mittel — eine Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung herbeizuführen. Der Begriff des „Unternehmens" ist in § 80 definiert, um Undeutlichkeiten zu vermeiden, da nach der Rechtspreclung dieser Begriff teilweise sonst auch auf bloße Vorbereitungshandlungen ausgedehnt wird. Im Sinne des § 80 soll also ein Unternehmen des Hochverrats nur den Versuch und die Vollendung umfassen.
In § 81 ist eine weitere Klarstellung gegenüber der Rechtsprechung aus der Weimarer Zeit erfolgt. In diesem Paragraphen wird die Strafbarkeit auch auf Vorbereitungshandlungen, die ,also noch nicht den Unternehmensbegriff erfüllen, ausgedehnt. Dennoch soll nicht bereits das strafbar sein, was das Reichsgericht in der Weimarer Zeit den „ideologischen Hochverrat" genannt hat, sondern strafbar soll nur sein, wenn ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen vorbereitet wird. Gemäß § 82 tritt Straffreiheit ein, wenn der Täter tätige Reue beweist.
In § 83 ist ein besonderer Schutz des Bundespräsidenten gegen hochverräterische Anschläge auf Leib oder Leben oder die Freiheit seiner Entschlußkraft vorgesehen.
§ 84 ist zwar neu, geht aber auch schon auf Vorarbeiten des Reichstags vor 1933 zurück. Es besteht die Notwendigkeit, besonders solche hochverräterische Handlungen unter Strafe zu stellen, die sich des modernen Kampfmittels der Vervielfältigung für breite Massen bedienen. Hierbei ist es notwendig, auch insoweit von den übrigen Strafbestimmungen, die nur vorsätzliche Handlungen kennen, abzuweichen und auch Fahrlässigkeit unter Strafe zu stellen.
In den §§ 85 und 86 sind sodann Nebenstrafen verordnet, die bei Hochverrat das Übliche nicht überschreiten.
Der Rechtsausschuß hat diese Bestimmungen — wohl mit Ausnahme seines kommunistischen Mitgliedes — einhellig angenommen. Ich darf Sie bitten, diesem Antrag insoweit zu entsprechen.
Ich danke den beiden Herren Berichterstattern.
Ich rufe zunächst auf Art. 1, Überschrift des Art. 1, Einleitung des Art. 1, Erster Abschnitt: „Hochverrat", §§ 80 bis 87.
Dazu liegt ein Antrag der Fraktion der KPD auf Streichung des Ersten Abschnitts, „Hochverrat", vor. Wer wünscht, den Antrag zu begründen? — Herr Abgeordneter Fisch, bitte!
Meine Damen und Herren! Meine a Fraktion hätte eigentlich allen Grund gehabt, der Formulierung „zweite Beratung" eines Strafrechtsänderungsgesetzentwurfes zu widersprechen; denn das, was heute dem Hause vorliegt, hat nicht mehr viel mit den Entwürfen zu tun, die dem Bundestag seinerzeit in erster Lesung vorgelegen haben. Die heutige Vorlage hat nicht mehr viel mit dem Antrag der SPD zu tun, den diese für ein Gesetz gegen die Feinde der Demokratie im Februar des vergangenen Jahres vorlegte, der aber wohl der SPD-Fraktion das Recht gibt, sich als den geistigen Urheber der heutigen Zuchthausvorlage zu bezeichnen.
Der heute vorliegende Entwurf hat auch kaum mehr etwas mit der Vorlage des Herrn Bundesjustizministers für das Strafrechtsänderungsgesetz 1950 zu- tun, die uns im September des vergangenen Jahres unterbreitet worden ist. Was heute hier zur Debatte steht, ist etwas völlig Neues, ist ein politisches Ausnahmegesetz.
Es wird mir wohl gestattet sein, aus diesem Grunde einleitend einige allgemeine Bemerkungen zur ganzen Vorlage zu machen.
Diese allgemeinen Bemerkungen erscheinen auch deshalb angebracht, weil beispielsweise wesentliche Teile der Vorlage dies Bundesjustizministers vom September vergangenen Jahres heute nicht vorliegen und darum auch nicht zur Einzeldebatte anstehen.
Es handelt sich zweifellos um ein Ausnahmegesetz im eigentlichen Sinne, um ein Ausnahmegesetz
gegen alle diejenigen, die aktiv für den Frieden und die Einheit Deutschlands eintreten.
Die Verkündung dieses Gesetzes soll abschreckend wirken.. Es droht für eine bestimmte politische Gesinnung
die härtesten Strafen an. Mit Strafen bis zu lebenslänglichem Zuchthaus sollen solche Menschen bestraft werden, die sich der unamerikanischen Gesinnung und des Bestrebens schuldig machen, an Stelle des gespaltenen Deutschlands, in dem wir heute leben, an Stelle der auf fremdes Geheiß geschaffenen westdeutschen Bundesrepublik, — —
Herr Abgeordneter Fisch! Ich verwahre mich dagegen, daß Sie die deutsche Bundesrepublik als auf fremdes Geheiß geschaffen bezeichnen. Ich rufe Sie zur Ordnung und mache Sie auf die Folgen weiterer Ordnungsrufe aufmerksam.
ein geeintes, demokratisches und unabhängiges deutsches Staatswesen setzen zu wollen.
Herr Abgeordneter Fisch, ich bitte Sie, sich an die Einzelaussprache zum Ersten Abschnitt des Art. 1 zu halten. Sie haben in der dritten Beratung des Gesetzentwurfes Gelegenheit, allgemeine Ausführungen zu machen.
Ich möchte, bevor ich zum Ersten Abschnitt komme, eine Bemerkung zu dem Abschnitt machen, der weggelassen ist, der also eigentlich jetzt zur Debatte hätte stehen müssen.
Herr Abgeordneter Fisch, es steht kein Abschnitt zur Debatte, der weggelassen ist, sondern der Erste Abschnitt: Hochverrat. Ich bitte, zu diesem Thema zu sprechen.
Der Herr Präsident hat mir einen Ordnungsruf erteilt, weil ich über die Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik meine eigene Meinung vorgetragen habe.
Ich werde hier, auch wenn es einigen Herren nicht angenehm ist, auf diese grundsätzliche Frage eingehen. Denn für die Beantwortung der Frage, ob es gegenüber der Bundesrepublik das Delikt des Hochverrats überhaupt gibt,
ist es entscheidend, welchen Ursprung die Bundesrepublik eigentlich hat
und welche politische und staatsrechtliche Eigenart das Staatsgebilde aufweist, in dem wir leben.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat den Antrag gestellt, den ganzen Ersten Abschnitt zu streichen, weil sie der Auffassung ist, daß es gegenüber der Bundesrepublik Deutschland keinen Hochverrat geben kann.
Im Londoner Dokument Nr. I vom 1. Juli 1948 wurden die Ministerpräsidenten der drei westdeutschen Besatzungszonen „autorisiert", einen Parlamentarischen Rat einzuberufen. Der Parlamentarische Rat sollte den Auftrag übernehmen, eine Regierungsform für die beteiligten Länder, also für diejenigen Länder zu schaffen, die im Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen gelegen sind, d. h. eine Regierungsform nicht für ganz Deutschland, sondern für einen Teil Deutschlands.
Dieses Dokument Nr. I, das am 1. Juli 1948 übergeben wurde, entsprach zweifellos nicht den letzten politischen Absichten der drei Westmächte, sonst hätten sie es ebenso wie die beiden anderen Dokumente wohl etwas klarer formulieren und damals schon sagen müssen, daß es ihnen darauf ankommt, aus dem Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen einen eigenen Staat zu schaffen, mit einer eigenen Regierung, mit einer eigenen Verfassung, mit einem eigenen Parlament. Das wollten sie aber damals nicht so offen sagen, deshalb nicht, weil sie es für nötig hielten, auf die Stimmung in Deutschland Rücksicht zu nehmen, die sich gegen jede Absicht, aus Deutschland zwei Staatengebilde zu schaffen, mit Entschiedenheit gewehrt hätte.
Die Besatzungsmächte haben auch darum ihre eigentlichen politischen Fernziele getarnt oder verheimlicht, weil sie sich nicht sicher waren, ob die Ministerpräsidenten solchen Vorschlägen Folge leisten würden. Und letzten Endes hielt man es damals, im Sommer 1948, auch noch für zweckmäßig, gewisse Rücksichten auf den vierten Partner im Interalliierten Kontrollrat, auf die Sowjetunion, zu nehmen, und darum begnügte man sich im Juli 1948 mit der Bekanntgabe eines Teilziels, des Teilziels nämlich, vorläufig ein provisorisches staatsähnliches Gebilde durch deutsche Politiker schaffen zu lassen, wobei man dann schon sehen werde, wie man nach ein paar Jährlein dieses politische Beginnen fortsetzen könne.
Die Ministerpräsidenten der drei Westzonen haben den Vorschlag, der im Dokument Nr. I der Londoner Konferenz formuliert wurde, mit ziemlicher Reserve aufgenommen. Ich möchte, vielleicht auch, um den Herrn Präsidenten an die fragwürdige Berechtigung des Ordnungsrufs, den er mir erteilt hat, zu erinnern,
die offizielle Stellungnahme zitieren, welche die
westdeutschen Ministerpräsidenten zum Dokument
Nr. I in ihrer Konferenz auf dem Rittersturz in der Zeit vom 8. bis 10. Juli 1948 einnahmen. Darin heißt es:
Die Ministerpräsidenten werden die ihnen am 1. Juli 1948 durch die Militärgouverneure der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen übertragenen Vollmachten wahrnehmen.
2. Die Einberufung einer deutschen Nationalversammlung und die Ausarbeitung einer deutschen Verfassung sollen zurückgestellt werden, bis die Voraussetzungen für eine gesamtdeutsche Regelung gegeben sind und die deutsche Souveränität in ausreichendem Maße wiederhergestellt ist.
Und in Punkt 3 heißt es:
Die Ministerpräsidenten werden den Landtagen der drei Zonen empfehlen, eine Vertretung zu wählen, die die Aufgabe hat, ein Grundgesetz für die einheitliche Verwaltung des Besatzungsgebiets der Westmächte auszuarbeiten.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß sich die Ministerpräsidenten bei ihrer Initiative zur Einberufung einer Versammlung, die ein provisorisches Grundgesetz ausarbeiten soll, ausdrücklich auf die ihnen von den drei Militärgouverneuren aufgetragenen Vollmachten beriefen. Was ich eingangs meiner Darlegungen gesagt habe, entspricht also durchaus den amtlichen Dokumenten, die die westdeutschen Ministerpräsidenten formuliert haben.
Meine Damen und Herren! Nicht nur die Ministerpräsidenten auf dem Rittersturz, auch die Beauftragten der Ministerpräsidenten, die kurze Zeit danach im Schlafzimmer des verrückt gewordenen Ludwig in Herrenchiemsee zusammentrafen, um Grundzüge einer kommenden westdeutschen Verfassung zu beraten,
— jawohl, so ist es — machten sich diese Grundsatzfomulierung zu eigen, indem sie ausdrücklich erklärten, daß sie nicht zur Erledigung des Auftrags zusammengekommen seien, eine Verfassung für einen westdeutschen Staat zu schaffen, sondern etwas ganz anderes, etwas Zeitbedingtes, etwas Provisorisches, etwas auf fremde Veranlassung hin Zustandekommendes.
Die Niederschrift der Beauftragten der Ministerpräsidentenkonferenz in der Konferenz von Herrenchiemsee lautet zu dieser Frage:
Es wollten die Ministerpräsidenten durch die Bezeichnung „Grundgesetz" zum Ausdruck bringen, daß die Aufgabe des Parlamentarischen Rates nicht darin bestehen soll, die Rechtsordnung für einen Staat im vollen und starken Sinne des Wortes zu schaffen, die einem Staat in vollem Sinne des Wortes eigentümlich ist. Die Ministerpräsidenten berufen sich darauf, daß in dem Dokument Nr. I von einem Staat überhaupt keine Rede ist. Das durch das Grundgesetz zu schaffende Gebilde
— ich weiß nicht, ob jetzt auch nachträglich an die
Instanz der Konferenz von Herrenchiemsee noch
ein Ordnungsruf fällig ist für das Wort, das ich — —
Herr Abgeordneter, ich bitte, nicht zu häufig auf das Wort „Ordnungsruf" zurückzukommen. Ich könnte es sonst als eine unangemessene Kritik empfinden, die ich mit weiteren Maßnahmen ahnden müßte.
Diese Notlösung
— so heißt es dann schließlich —
soll lediglich den Übergang zu einer gesamtdeutschen Verfassung vorbereiten und erleichtern.
Auch der Parlamentarische Rat war durchaus bereit, diese Grundsätze als Ausgangspunkt für die Durchführung des Auftrags zu nehmen. Ich möchte hierzu die Ausführungen eines damals sehr g e -w i c h t i g en Mitgliedes des Parlamentarischen Rates zitieren, eines Mannes, der es vielleicht nicht gern hat, wenn man ihn jetzt schon mit Namen nennt oder überhaupt an frühere Reden erinnert. Ich möchte darum vorerst seinen Namen noch für mich behalten.
Aber er hat diese These zur Grundlage auch seiner Aufgabenstellung für die Arbeit im Parlamentarischen Rat gemacht.
Welches waren nun die Feststellungen dieses gewichtigen Mitgliedes des Parlamentarischen Rates?
Er hat erstens gesagt: Die Besatzungsmächte haben die Ausübung der deutschen Souveränitätsrechte blockiert, und zwar in zweierlei Hinsicht, räumlich und substanziell, räumlich dadurch, daß sie den Auftrag zur Schaffung eines Grundgesetzes nur für einen Teil Deutschlands gegeben haben.
Die Souveränität des Volkes aber ist unteilbar, so sagte er. Weiter heißt es: Es gibt kein westdeutsches Staatsvolk, und darum kann es auch keine westdeutsche Souveränität geben;
es gibt nur eine deutsche, eine gesamtdeutsche Souveränität. Weiter: Eine gesamtdeutsche konstitutionelle Lösung kann es erst dann geben, wenn eines Tages
eine deutsche, eine gesamtdeutsche Nationalversammlung in voller Freiheit gewählt werden kann.
— Meine Damen und Herren, Sie brauchen gar
nicht zu gestikulieren; das Wort von der Wahl einer
gesamtdeutschen Nationalversammlung in voller Freiheit ist Ihnen bekanntlich
von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik vorgetragen worden.
Ich schließe daraus, daß es sehr wohl eine Möglichkeit, ja angesichts der heutigen Situation für uns alle eine nationale Verpflichtung gibt,
eine solche gesamtdeutsche Nationalversammlung nach einem gemeinsam auszuarbeitenden demokratischen Wahlgesetz zu wählen.
Sie wissen, auf welche Weise dieses Angebot der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik von dem Bundeskanzler abgelehnt worden ist. Aber damit ist es nicht aus der Welt geschafft.
Ich komme auf die Äußerungen des gewichtigen Mitgliedes des Parlamentarischen Rates zurück. Er hat erklärt: Die Souveränitätsrechte sind auch darum nicht anwendbar, weil die Besatzungsmächte für wichtige, ja für entscheidende Sachgebiete ihre Hoheitsrechte und -befugnisse vorbehalten haben; das ergibt sich beispielsweise daraus, daß sie uns auch aufgetragen haben, eine Verfassung zu schaffen, die der Genehmigung durch die Organe der Besatzungsmächte bedarf; es ergibt sich daraus, daß solche wichtigen Komplexe der Politik eines jeden staatlichen Gebildes wie die auswärtige Politik, wie die Wirtschaftspolitik, ja sogar die Gerichtsbarkeit nicht der vollen Souveränität deutscher Organe unterstehen, sondern den Machtbefugnissen, den Befehlen und Direktiven der Besatzungsmächte unterworfen sind.
Ich glaube, daß man in einem demokratischen Zeitalter von einem Staat im legitimen Sinne des Wortes nur sprechen sollte, wo es sich um das Produkt eines frei erfolgten konstitutiven Gesamtaktes eines souveränen Volkes handelt; wo das nicht der Fall ist, wo ein Volk sich unter Fremdherrschaft und unter deren Anerkennung zu organisieren hat, konstituiert es sich nicht, es sei denn, gegen die Fremdherrschaft selbst, sondern es organisiert sich lediglich, vielleicht sehr staatsähnlich, aber nicht als Staat im demokratischen Sinne.
Ich denke, das ist deutlich genug. Aus derselben Überlegung schlußfolgerte der Redner, daß man von einer Verfassung gar nicht sprechen könne. Er meinte: „Die eigentliche Verfassung, die wir halben, ist auch heute noch" — das „heute" war am 8. September 1948 — „das geschriebene oder ungeschriebene Besatzungsstatut."
Also das, was uns Kommunisten, wenn wir es sagen, als bonwillige Verächtlichmachung der Bundesrepublik bzw. des Grundgesetzes angekreidet wird, wurde hier von einer der tragenden Säulen des Parlamentarischen Rates zum Ausdruck gebracht, namlich: Die eigentliche Verfassung, unter der wir leben und die das Gesetz unseres Lebens entscheidend bestimmt, ist das Besatzungsstatut.
Wir haben, so wurde weiter erklärt, gar keinen Staat zu schaffen. „Wir haben" — so hieß es wortlich — „unter Bestätigung der alliierten Vorbehalte das Grundgesetz zur Organisation der heute freigegebenen rioheitsbefugnisse des deutschen Volkes in einem Teile Deutschlands zu beraten und zu beschließen. Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten."
Es wurde auch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß eines Tages günstigere Voraussetzungen für die Schaffung einer echten Konstitution fair ganz Deutschland bestünden. Es wurde damals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine solche gesamtdeutsche Konstitution und ein solcher gesamtdeutscher Staat keineswegs, weder politisch noch staatsrechtlich, von dem auf Veranlassung der Militärgouverneure zustande gekommenen Staatsgebilde in Westdeutschland albgeleitet werden könne; es könne aber auch nicht von diesem Grundgesetz abgeleitet werden, das jetzt geschaffen werde.
Das Grundgesetz, so hieß es damals, für das Staatsfragment muß gerade aus diesem seinem inneren Wesen 'heraus seine zeitliche Begrenzung in sich tragen. 'Die künftige Verfassung Deutschlands darf nicht durch Abänderung des Grundgesetzes dieses Staatsfragments entstehen, sondern muß „originär" entstehen. Sie sehen also, meine Damen und Herren: damals wurde deutlich erklärt: Auch das, was wir hier zu schaffen veranlaßt wurden, kann und darf niemals Ausgangspunkt einer gesamtdeutschen Lösung sein. Es kann und darf niemals etwa der Anlaß zur Aufforderung an einen anderen Teil Deutschlands sein, sich diesem provisorischen staatlichen Gebilde anzuschließen oder nachträglich dieses Grundgesetz anzuerkennen und auch für sein Territorium zu übernehmen. Vielmehr wurde erklärt: Wir schaffen etwas auf Zeit, etwas, was in d e m Augenblick als definitiv und unabänderlich abgeschlossen und erledigt betrachtet werden muß, in dem „originär", d. h. aus eigener Machtvollkommenheit, durch freien Willen eines frei entscheidenden gesamtdeutschen Staatsvolkes eine gesamtdeutsche staatliche Ordnung zustande kommt.
Es wurde dann gefragt: „Worum handelt es sich denn eigentlich bei dem Geschäft, ,das wir hier zu bewältigen haben?" — Das Wort „Geschäft" stammt, wie ich betonen möchte, nicht von mir, sondern von dem Redner. — „Es handelt sich nicht um die Verfassung eines souveränen Staates, sondern das Geschäft, das wir hier zu erledigen haben, besteht darin, eine Organisation als staatsähnliches Wesen zu schaffen, eine Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft."
Sehen Sie, meine Damen und Herren, die „Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft", so wurde damals — und nun will ich
seinen Namen nennen — von Herrn Professor Carlo Schmid das westdeutsche Staatsgebilde bezeichnet.
Es ist klar: ein staatsähnliches Wesen, dessen Organisationsform nichts anderes ist als eine „Modalität der Fremdherrschaft", kann keinen Anspruch darauf erheben, durch Hochverratsbestimmungen geschützt zu werden.
Hochverratsbestimmungen sind dazu da, einen Staat zu schützen, ein Staatswesen, das seine Legitimation aus freiem Entschluß des Staatsvolkes ableitet
und nicht aus Beschlüssen fremder Mächte, die
deutsche Ministerpräsidenten bevollmächtigt haben,
ein provisorisches Organisationsstatut zu schaffen.
An diesem Zustand hat sich auch seit dem 8. 'September 1948 nichts geändert, an 'dem Herr Carlo Schmid diese Bezeichnung der westdeutschen Bundesrepublik niederlegte. Es wird daran auch dadurch nichts geändert, daß seitdem gewisse Änderungen in der „Modalität 'der Fremdherrschaft" eingetreten sind. Es wird an dieser Grundtatsache auch dadurch nichts geändert, daß bestimmte Formulierungen des Besatzungsstatuts nun heute in anderer Form wiederkehren, sei es in der Art sogenannter zweiseitiger Verträge oder in der Art freundlicher „Empfehlungen", die vom Peters-berg nach Bonn hinuntergesandt werden. Ich erinnere beispielsweise an die Art und Weise, wie das Problem des westdeutschen „Sicherheitsbeitrags", das Problem der Remilitarisierung 'behandelt wird, und daran, in welcher Weise die Probleme des Außenhandels, der Besatzungskosten, der Rohstoffbewirtschaftung oder der Schuldenregulierung behandelt werden. Daraus ergibt sich ganz klar der Beweis, daß sich an der Grundtatsache, die 1948 bestand, nämlich daran, daß wir hier in einem staatsähnlichen Wesen leben, das nur die Organisationsform einer „Modalität der Fremdherrschaft" darstellt, nicht das Geringste geändert hat,
vielleicht in bestimmten Höflichkeitsfloskeln, aber nicht in dem politischen Inhalt, nicht in den entscheidenden Fragen des politischen und wirtschaftlichen Geschehens.
Darum sind wir der Meinung, daß es gegenüber diesem staatsähnlichen Wesen keinen Hochverrat geben kann.
Ich befinde mich hierbei in völliger Übereinstimmung mit dem Grundgesetz. Art. 146 besagt ausdrücklich:
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Außerdem 'heißt es in der Präambel im letzten Absatz:
Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
Das ist der Grundsatz, an den wir uns halten. Wir betrachten uns entsprechend der Präambel weite r-hin als aufgefordert, den Tag herbeizuführen, an dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit seines Staatswesens bestimmt.
Ein prominentes Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion, das immer so tut, als habe es in seinem Kopf die Klugheit des ganzen Erdenrunds gesammelt, machte vor kurzem den weisen Ausspruch, die Bundesrepublik sei gar nicht erst 1948 oder 1949 geschaffen worden, nein, die Bundesrepublik bestehe schon seit 1871, sie sei das Deutsche Reich. Nicht wahr, Herr Kollege Dr. Arndt, ich habe Sie doch recht verstanden?
So also glaubt ein prominentes Mitglied der soziaidemokratischen Fraktion die staatsrechtliche Grundlage der Bundesrepublik heute definieren zu dürfen ohne Rücksicht auf die Erkenntnisse, die allen maßgeblichen Fraktionen des Parlamentarischen Rates eigen waren.
Darum, meine Damen und Herren, ist der Begriff „verfassungsmäßige Ordnung", der in der Vorlage immer wiederkehrt, nicht eine Sache, die mit dem Begriff einer echten Verfassung eines freien Staatswesens in Verbindung gebracht werden kann. „Verfassungsmäßige Ordnung" in diesem staatsähnlichen Gebilde, in dem wir leben, das ist die Zusammenfassung aller jener „Rechtsgrundsätze" und „Rechtsvorschriften", die in diesem Gebiete verkündet werden, aber nicht nur aus diesem Hause heraus verkündet werden, sondern
auch vom Petersberg herab. Wir zählen zur „verfassungsmäßigen Ordnung" in erster Linie das Besatzungsstatut. Wir zählen dazu das Ruhrstatut. Wir zählen dazu das demnächst wohl kommende Statut der Hohen Behörde des Schuman-Plans und die ganze Serie anderer alliierter Gesetze, die, wie immer, gegenüber deutscher Gesetzgebung den Vorrang genießen. Das, meine Damen und Herren, und nichts anderes ist die wahre verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik.
Wir nehmen uns das Recht heraus, im Sinne des Grundgesetzes für die Änderung dieses unwurdigen Zustandes einzutreten.
Wir nehmen uns das Recht und die vaterländische Pflicht 'heraus,
diese sogenannte „Ordnung", die durch die Befehlsgewalt der Militärgouverneure bestimmt
wurde, abzulösen durch die echte, eine demokratische gesamtdeutsche Ordnung eines unabhängigen Staates.
Meine Damen und Herren, es ist nicht nur das Recht, es ist die Pflicht,
den gegenwärtigen verfassungsmäßigen Zustand zu kritisieren und nicht nur zu kritisieren, sondern mit allen Kräften dafür einzutreten, daß er bald abgelöst wird durch eine gesamtdeutsche demokratische Republik. Darum, meine, Damen und Herren, weil die Schaffung einer gesamtdeutschen Ordnung im Grundgesetz allen Deutschen zur Pflicht gemacht ist,
darum sind nicht diejenigen Hochverräter, die der vorliegenden Fassung eines Hochverratsgesetzes zuwider handeln, sondern gemäß den Beschlüssen im Parlamentarischen Rat und gemäß Sinn und Buchstaben des Grundgesetzes wird jeder ein Hochverräter sein, der den Bestimmungen über den Hochverrat in dieser parlamentarischen Abstimmung seine Zustimmung erteilt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
— Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß die Vorstellungen über Hochverrat so auseinandergehen, daß man mit dem gleichen Wort hier sehr verschiedene Dinge bezeichnet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Abgeordnete Fisch zwar nicht mich, aber meinen Parteifreund Carlo Schmid verstanden hätte, so würde er sich seine zusätzlichen Ausführungen erspart haben. Der Herr Abgeordnete Fisch tut gut daran, das, was er heute hier zum wiederholten Male getan hat, nämlich eine Rede meines Parteifreundes Schmid im Parlamentarischen Rat zu extemporieren, noch recht oft zu wiederholen. Wenn Sie, Herr Fisch, sich diese Rede immer laut vorsagen, werden Sie vielleicht langsam hinter ihren Sinn kommen!
Dann werden Sie nämlich auch wissen, daß das, was wir hier verteidigen, kein separater Weststaat ist und niemals sein sollte, sondern daß die Bundesrepublik Deutschland gleichbedeutend ist mit dem, was früher das Deutsche Reich hieß.
Daß es im Sinne des Grundgesetzes liegt, dieses Staatswesen gegen Gewalt und gegen Drohung mit Gewalt zu schützen, ergibt sich 'bereits aus dem Grundgesetz selbst; denn in Art. 143 des Grundgesetzes ist schon eine entsprechende Vorschrift aufgenommen. Das werden Sie aber nicht begreifen. Ihnen liegt ja an etwas ganz anderem, und ich
glaube, Sie haben jetzt die Begründung gegeben, die bisher noch gefehlt hat: Ihnen selbst und Ihren Freunden liegt daran, die Legitimität der freien Demokratie in Deutschland zu bestreiten und durch ein sowjetzonales Gewaltsystem zu ersetzen!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung über die aufgerufenen Paragraphen des Art. 1, Erster Abschnitt.
Ich bitte die Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag der Fraktion der KPD Umdruck Nr. 270 Ziffer 1 sind, den Art. 1, Ersten Abschnitt: „Hochverrat" zu streichen, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen des Ersten Abschnitts, die §§ 80 bis 87. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Stimmenmehrheit angenommen.
Ich rufe auf den Zweiten Abschnitt: „Staatsgefährdung". Ich werde nachher die Paragraphen einzeln laufrufen. Zunächst bitte ich um die Berichterstattung durch Herrn Abgeordneten Dr. Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe über den Abschnitt „Staatsgefährdung", der zwischen den Abschnitten „Hochverrat" und „Landesverrat" steht, zu berichten. Hier war etwas Neues zu schaffen, weil die Erfahrungen der jüngsten deutschen Geschichte und die Staatsumwälzungen in den Satellitenstaaten gezeigt haben, daß das Begehungsmittel zu dem Verbrechen, die demokratische Grundordnung zu beseitigen, heute nicht mehr unbedingt die Gewalt und die Drohung mit der Gewalt sein muß. Wie in den äußeren Beziehungen der Staaten hat sich neben dem Heißen Krieg der Kalte Krieg auch im Innern entwickelt.
Die Kernfrage, die sich ein demokratisches Staatswesen dabei vorzulegen hat, wenn es den kalten Krieg mit strafrechtlichen Mitteln bekämpfen will, die Frage nämlich, ob man zur Verteidigung der demokratischen Freiheiten diese demokratischen Freiheiten einschränken und teilweise außer Kraft setzen darf, ist bereits vom Gesetzgeber des Grundgesetzes bejaht worden. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rats waren sich darüber klar, daß das demokratische Staatswesen es sich nicht leisten kann, seine freiheitlichen Grundsätze so weit zu treiben, daß diese Freiheiten straflos dazu benutzt werden dürfen, den Umsturz vorzubereiten. An vielen Stellen des Grundgesetzes kommt diese Grundauffassung klar zum Durchbruch, und an diese Grundauffassung fühlte sich der Rechtsausschuß von Anfang an gebunden. Er hat sie auch von Anfang an geteilt.
Aber es tauchte sofort die Frage auf, wie die Aufgabe rechtstechnisch zu bewältigen sei, die radikalen Umsturzpläne und ihre neuzeitlichen Methoden tatbestandsmäßig zu umschreiben, um an diese Tatbestände die Strafdrohung zu knüpfen. Lassen Sie mich dazu zunächst einige allgemeine Bemerkungen machen.
Im amerikanischen neuen Strafrecht, in dem Internal Security act, ist eine Beschreibung des Weltplans der Kommunisten, in allen Ländern die Revolution herbeizuführen, an die Spitze des Gesetzes gestellt und dann einfach die kommunistische Betätigung, besonders in kommunistischen Organisationen, unter Strafe gestellt worden.
Dieser Weg schien dem Rechtsausschuß nicht nachahmenswert. Wir haben kein Ausnahmegericht, sondern ein allgemeines Gericht,
und wir können auch kein Ausnahmerecht für eine bestimmte Partei schaffen. Wir würden unsere kontinentale Rechtstradition verleugnen, wenn wir nicht den Versuch gemacht hätten, in abstrakter Weise, so wie es das Strafrecht bei uns seit je tut, die Tatbestandsmerkmale zu entwickeln, die dann für jeden gelten, gleichviel welcher Parteirichtung er angehört.
Es ist ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß die Art der Verteidigung durch die Art des Angriffs bestimmt wird. Die Methoden des kalten Krieges sind gerade deshalb so gefährlich, weil sie die Gewaltanwendung zunächst ausschließen und weil ein System von Einzelakten entwickelt wird, von denen jeder einzelne an sich mehr oder weniger harmlos erscheint, die aber durch das Zusammenspiel aller, die von den verschiedensten Ansatzpunkten aus das gemeinsame Ziel fördern, eine Situation schaffen können, die schließlich die Staatsumwälzung unausweichlich macht und sie wie eine reife Frucht gewinnen läßt. Wir erinnern uns alle an die „Legalität" der von Hitler herbeigeführten Revolution.
Wie soll das Recht dem entgegenwirken? Der Ausweg, der gefunden worden ist, läuft im wesentlichen darauf hinaus, daß der einzelne, der einen Beitrag zu dieser revolutionären Entwicklung liefert, dann wegen eines Deliktes der Staatsgefährdung bestraft wird, wenn er diesen Beitrag in der Absicht liefert, die Staatsumwälzung herbeizuführen. Sie sehen, der ,subjektive Tatbestand spielt bei diesen Straftatbeständen eine hervorragende Rolle; aber ohne die Einschaltung dieser subjektiven Elemente wäre die dem Gesetzgeber gestellte Aufgabe überhaupt unlösbar gewesen.
Dabei war sich der Ausschuß völlig darüber einig, daß diese verbrecherische Absicht wirklich das tragende Motiv für die Handlungsweise des Täters sein müsse und daß hier das Bewußtsein, daß sein aus andern Motiven geführter politischer Kampf unter Umständen eine Staatsgefährdung zur Folge haben könne oder müsse, keinesfalls zur Bestrafung ausreiche.
Damit komme ich zu einem weiteren wichtigen Punkt. Diese Bedeutung der staatsfeindlichen Absicht ist auch das rechtstechnische Mittel, um die Staatsfeinde von der verfassungsmäßigen Opposition abzugrenzen. Daß sich das Gesetz nicht gegen die letztere richtet, braucht als selbstverständlich eigentlich nicht gesagt zu werden.
Dem Ausschuß hat es immer ferngelegen, den politischen Kampf der Oppositionsparteien — der verfassungsmäßigen Opposition — gegen die Regierung zu pönalisieren. Wie wir gleich sehen werden, hat der Ausschuß das Recht auf verfassungsmäßige
Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition zu den wichtigsten Verfassungsgrundsätzen gezählt und damit klargestellt, daß man scharf zu unterscheiden hat zwischen den verfassungsmäßigen Wegen, eine Änderung des politischen Zustands herbeizuführen, und denjenigen Bestrebungen, die auf die Abschaffung der Verfassung im ganzen oder ihrer wesentlichen Bestandteile gerichtet sind.
Die Ausschußarbeit diente vor allem dem Zweck, diejenigen verfassungsmäßigen Grundsätze herauszuarbeiten, die den erhöhten Strafrechtsschutz gegen die Delikte der Staatsgefährdung benötigen. Man wollte sich nicht mit der vieldeutigen Formulierung des schweizerischen Strafrechts, das einfach von der „verfassungsmäßigen Ordnung" spricht, begnügen. In der Tat ist die vom Schweizer Strafrecht gewählte Formel, daß sich die Tat gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet oder, wie es ursprünglich in den Entwürfen des Ministeriums hieß, gegen die „verfassungsmäßige Grundordnung", zu vielfältig ausdeutbar und läßt deshalb dem Richter einen zu großen Ermessensspielraum, als daß sie als Tatbestandselement verwendbar erschienen wäre. Ich verweise auf § 88 des Entwurfs. In ihm wird versucht, die Umwälzungsziele konkreter zu bestimmen.
Endlich ist darauf hinzuweisen, daß die Situation der Gegenwart Hochverrat und Landesverrat in stärkerer Weise zusammengeführt hat, als dies noch vor 30 oder 40 Jahren vorstellbar gewesen wäre. Innenpolitik und Außenpolitik sind in ihren Zielsetzungen einander näher gerückt als je. Wenn wir z. B. für Deutschland die Einheit in Freiheit anstreben, so ist in dieser Verbindung des außenpolitischen Ziels mit innenpolitischen Forderungen die gleiche Tendenz zu spüren, wie wenn der Umsturz nicht nur auf eine Abschaffung der demokratischen Freiheit, sondern auch auf die Herstellung einer Botmäßigkeit des deutschen Staates gegenüber einer fremden Macht gerichtet ist. Demgemäß finden Sie unter dem Begriff der Staatsgefährdung sowohl den Angriff auf den Bestand der Bundesrepublik als auch den Angriff auf ihre verfassungsmäßige Ordnung.
Nach diesen Eingangsbemerkungen komme ich zu einer kurzen Erläuterung der einzelnen Bestimmungen.
§ 88 enthält eine Reihe von Legaldefinitionen, die sich an die Terminologie im Art. 21 des Grundgesetzes anschließen. Dort ist von den Parteien die Rede, die darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden. Daraus ergab sich, daß der Begriff „Bestand der Bundesrepublik" hier erläutert werden mußte. Im § 88 heißt es:
Im Sinne dieses Abschnittes ist eine Handlung auf die Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland gerichtet, wenn sie darauf hinzielt, die Bundesrepublik Deutschland ganz oder teilweise unter fremde Botmäßigkeit Zu bringen,
— sie also zu einem Satellitenstaat zu machen —
ihre Selbständigkeit sonst zu beseitigen
— etwa durch Auflösung des Bundesstaates in seine einzelnen Bestandteile —
oder einen Teil des Bundesgebietes loszulösen. Als Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland im Sinne dieses Abschnitts gilt nicht die Teilnahme an einer
Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung, auf die die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsrechte überträgt oder zu deren Gunsten sie Hoheitsrechte beschränkt.
Das Wort „demokratische Grundordnung" ist dagegen im § 88 vermieden. Dadurch, daß das Parteienverbot Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes ist, erscheint es als wichtigste Aufgabe dieses Gerichtshofes, das Wesen der verfassungsmäßigen Grundordnung zu bestimmen. Hätte hier der Gesetzgeber auch den Strafrichter gezwungen, den Begriff „verfassungsmäßige Grundordnung" auszulegen, dann hätten sich bei den Einzelheiten Abweichungen in der Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Obersten Bundesgerichtshofes ergeben können, die gerade bei diesem Zentralbegriff unseres staatlichen Lebens besser vermieden werden. Aber was der Strafrichter unter Verfassungsgrundsätzen zu verstehen hat, deren Bedrohung seine Tätigkeit auslöst, ist in dem folgenden Absatz des § 88 näher ausgeführt.
Ziffer 1 der aufgeführten Grundsätze sichert den Volksstaat, Ziffern 2 und 5 den Rechtsstaat, während die Ziffern 3 und 4 die Stellung des Parlaments sichern. Ich will hier nicht über die vielfältigen Erwägungen berichten, die zur Herausarbeitung gerade dieser Grundsätze und keiner anderen geführt haben. Daß sie die Verfassungswirklichkeit, wie sie sich auf Grund des Grundgesetzes bei uns entwickelt hat, tatsächlich umreißen, liegt auf der Hand.
Besonders wichtig erschien es uns, den Einparteienstaat durch die Verankerung des Rechts auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der parlamentarischen Opposition als verfassungswidrig zu kennzeichnen und auch die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung in den Katalog der Verfassungsgrundsätze aufzunehmen, wobei wir uns darüber klar waren, daß damit die Gesamtheit aller das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament betreffenden Rechtsgrundsätze und nicht etwa bloß die Ausgestaltung des Mißtrauensvotums in der einen oder anderen Form gemeint sei.
Der dritte Absatz des § 88 fügt diesen Verfassungsgrundsätzen als gleichgestellte Prinzipien hinzu: den Schutz der Grundrechte gegen eine Beeinträchtigung durch Gewalt, durch Erregung von Schrecken oder durch Einschüchterung mit ungesetzlichen Maßnahmen und den Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.
Daß die Grundrechte nicht im vorhergehenden Absatz enthalten sind, liegt daran, daß sie nicht absolut geschützt sind, abgesehen vom Leben des Menschen, wie die im Grundgesetz enthaltenen Gesetzesvorbehalte selbst klarstellen. Es mußte deshalb eine allgemeinere und ins Negative gewendete Formulierung gewählt werden, die das Wesentliche aussagt und angesichts der offenen Drohung in politischen Versammlungen, man werde die KZs wiederherstellen und alle heutigen Verantwortlichen darin einsperren, auch nicht entbehrt werden kann. Die letzte Formel endlich, daß jede Gewalt- oder Willkürherrschaft ausgeschlossen sei, ist deshalb aufgenommen worden, weil bei einem primitiven Anhänger einer Umsturzbewegung vielleicht nicht der Nachweis gelingt, daß einer der im vorherigen Absatz genannten Verfassungsgrundsätze von ihm erfaßt und bekämpft wird; er hat aber das Bewußtsein, das jetzige System ablösen zu helfen und an der Aufrichtung einer Staatsform mitzuwirken, in der die rechtsstaatlichen Garantien abgeschafft und durch die Willkürentscheidungen sogenannter starker Männer ersetzt werden.
Dazu kommt, daß der Begriff der Gewalt- und Willkürherrschaft schon in einem alliierten Gesetz zur Bekämpfung undemokratischer Umtriebe verwendet worden ist.
Was nun die Einzeldelikte angeht, so ergeben sie kein in sich geschlossenes System des Staatsschutzes, sondern verwenden nur bestimmte Erfahrungen des In- und Auslandes, um aus ihren Lehren die Lücken des geltenden Strafrechts auszufüllen, die dringend der Schließung bedürfen.
§ 89 will den Staatsstreich von oben pönalisieren, der sich nicht des Mittels der Gewalt, sondern legaler Mittel bedient, nämlich der Hoheitsbefugnisse, die mißbraucht werden oder die sich der betreffende Täter anmaßt. Die Strafe für diesen sogenannten Verfassungsverrat ist Zuchthaus, in besonders schweren Fällen auf Lebenszeit. Vorbereitungshandlungen sind ebenfalls strafbar; bei mildernden Umständen tritt hier Gefängnisstrafe ein.
In der Tat sind die beamteten Täter besonders gefährlich, da ihnen der Staatsschutz in besonderem Maße anvertraut ist. Demgemäß sieht § 91 eine besondere Strafdrohung für diejenigen vor, die auf Angehörige einer Behörde oder eines öffentlichen Sicherheitsorgans in der Absicht einwirken, die pflichtmäßige Bereitschaft zum Schutze des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu untergraben.
§ 90 stellt die Sabotage in öffentlichen Betrieben durch Streik, Aussperrung und ähnliche Maßnahmen als Mittel der Umsturzvorbereitung unter Gefängnisstrafe. Hier gilt vor allem das vorhin Gesagte. Die umstürzlerische Absicht ist unverzichtbares Tatbestandsmerkmal.
§ 90 a zieht die strafrechtliche Konsequenz aus Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Dort sind die auf Beseitigung der demokratischen Grundordnung hinarbeitenden Vereinigungen und Parteien schon verboten. Deshalb ist ihre Gründung und Förderung strafbar, soweit es sich um die Drahtzieher handelt; denn sie wissen, was sie tun. Bei den politischen Parteien ist aber Voraussetzung der Strafverfolgung, auf die sich der Vorsatz der Täter nicht zu erstrecken braucht, der Spruch des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit solcher Vereinigungen. Die Bestrafung der Mitläufer soll dagegen erst dann erfolgen, wenn die Vereinigung verboten und dieses Verbot gerichtlich bestätigt ist. Hier ist dieses Verbot ein echtes Tatbestandsmerkmal, auf das sich der Vorsatz der Mitläufer zu erstrecken hat. Darüber wird Herr Kollege Kopf näher berichten.
An weiteren Einzeltatbeständen hat das Gesetz den § 92. Es macht sich strafbar, wer für eine auswärtige Stelle in umstürzlerischer Absicht Nachrichten sammelt. Die übrigen Vorschriften pönalisieren den in umstürzlerischer Absicht betriebenen Import ausländischen Pronagandamaterials sowie dessen Verbreitung und Vorrätighaltung. Die Herstellung solchen Materials im Inland war einer Strafvorschrift im Rahmen eines neu zu schaffenden Presserechts vorzubehalten.
Die §§ 95, 96 und 97 sind Ergänzungen zu § 187 neuer Fassung, über die Kollege Kopf berichten wird. Es handelt sich um die Verunglimpfung des Bundespräsidenten, der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, ihrer Farben, Wappen, Hymne. Diese Delikte gefährden das für das Funktionieren des Staates unerläßliche Vertrauen des Volkes in die demokratische Ordnung und sind schon als solche besonders strafwürdig, da gerade die hemmungslose Propaganda den Boden für die Staatsumwälzung vorbereitet.
Geschieht die Propaganda in umstürzlerischer Absicht, so tritt eine fühlbare Verschärfung der Strafdrohung ein. Die Verunglimpfung, d. h. die Schmälerung des Ansehens durch Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung der anderen, im Verhältnis zum Bundespräsidenten und dem Staate und seinen Symbolen niedriger stehenden Staatsorgane, die § 97 aufzählt, ist dagegen nur strafbar, wenn die umstürzlerische Absicht hinzukommt. Das Verhältnis dieser Vorschrift zu § 187 neuer Fassung wird Herr Dr. Kopf näher darlegen.
Zum Schluß sind noch die Vorschriften in §§ 94 und 98 besonders hervorzuheben. Es handelt sich um Vorschriften, die nur das Strafmaß betreffen. Die meisten Delikte des allgemeinen Strafrechts werden gefährlicher und sind strafwürdiger, wenn sie in umstürzlerischer Absicht begangen werden. Daraus zieht § 94 die Folgerung und führt bei den in ihm aufgezählten Delikten die staatsfeindliche Absicht als einen Qualifikationsgrund ein, der eine wesentlich höhere Strafe auslösen kann.
§ 98 regelt im Anschluß an frühere einschlägige Gesetze und Entwürfe die Nebenstrafen, die neben der Freiheitsstrafe ausgesprochen werden können.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf § 88. Das Wort hat der Abgeordnete Clausen.
Meine Damen und Herren! Ich habe im März vorigen Jahres bei der ersten Lesung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Gesetzentwurfs erklärt, daß auch die Organisationen der dänischen Minderheit bereit sind, für den Schutz der Demokratie einzutreten und Maßnahmen zu unterstützen, die die Sicherung der Demokratie zum Ziele haben. Jeder loyale Staatsbürger, und auch der dänisch gesinnte, sieht es als eine Selbstverständlichkeit an, daß die Loslösung eines Teils der Bundesrepublik nicht unter Gewaltanwendung vorgenommen werden darf. Nach § 80 des ersten Abschnitts über Hochverrat soll demnach bestraft werden, wer die Loslösung unternimmt mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Ich vermisse aber im § 88 im zweiten Abschnitt über die Staatsgefährdung denselben Wortlaut. Hier fehlen die Worte „mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt".
An den Grenzen der Bundesrepublik und besonders in einem Grenzland mit einer wechselvollen Geschichte kann man nicht verhindern, daß in Diskussionen, in Gesprächen, ja vielleicht auch in Versammlungen über Grenzen gesprochen wird. Ich betrachte es daher als meine Pflicht, in diesem Hohen Hause darauf hinzuweisen, daß die Bestimmungen im § 88 die Möglichkeit bieten, gegen Mitglieder der dänischen Bewegung, der dänischen Organisationen vorzugehen, wenn sie die Grenzfrage erörtern oder von Grenzziehungen überhaupt sprechen. Und hiergegen möchte ich eine Sicherheit haben.
Ich möchte deshalb in diesem Hause den Antrag stellen, der aber noch nicht im Umdruck verbreitet ist, im § 88 Abs. 1 im ersten Satz hinter den Worten „wenn sie darauf hinzielt," die Worte „mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt" einzufügen. Sollte aber vielleicht aus juristischen Gründen diese Änderung des Wortlauts nicht möglich sein, stelle ich den Eventualantrag, in § 88 Abs. 1 nach dem ersten Satz, und zwar hinter den Worten „einen Teil des Bundesgebiets loszulösen" ein Komma zu setzen und hinzuzufügen: „falls die Handlung demokratischen Grundsätzen widerspricht". Der Antrag ist, wie gesagt, wohl noch nicht im Umdruck verbreitet. Ich darf ihn daher dem Herrn Präsidenten überreichen.
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 269 hat das Wort zu Ziffer 1 der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Clausen irrt mit seiner Auslegung des § 88. § 88 hat ja aus den dann folgenden Vorschriften nur das geschützte Rechtsgut ausgeklammert. In jedem Falle aber kann eine Bestrafung nur nach §§ 89 ff. erfolgen. Es ist also immer notwendig, daß dieses Rechtsgut mit den Methoden der §§ 89 ff. angegriffen wird, so daß eine bloße Erörterung der dänischen Minderheit etwa darüber, daß sie lieber zu Dänemark wolle, nach diesem Gesetz, soweit ich sehe, nicht unter Strafe gestellt ist.
Infolgedessen sind die gesamten Ausführungen des Herrn Kollegen Clausen völlig neben der Sache, und es besteht keine Veranlassung, seinem Antrage zu entsprechen.
Dagegen habe ich den Bericht des Herrn Berichterstatters dahin zu ergänzen, daß § 88 im Gegensatz zu den allermeisten übrigen Vorschriften leider nicht einhellig, sondern gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses angenommen worden ist. Denn § 88 Abs. 3 ist für die sozialdemokratische Fraktion unannehmbar, und wenn § 88 Abs. 3 bestehen bleiben sollte, würde für uns auch das Gesetz im ganzen nicht annehmbar sein, da wir dem Abs. 3 eine erhebliche Bedeutung beimessen, da vor allen Dingen nach unserer Überzeugung mit diesem dritten Absatz rechtsstaatliche Grundsätze verlassen werden. Ich darf Ihnen noch einmal die Geschichte dieses Absatzes ins Gedächtnis rufen. Ursprünglich hieß es in § 88, daß geschützt werden solle die freiheitliche demokratische Grundordnung. Dagegen erhoben sich allgemeine Bedenken, weil der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar erschien. Er würde teilweise enger, teilweise weiter sein, als es das Grundgesetz ist. Man kann es aber bei einem solchen Strafgesetz nicht erst den Richtern überlassen, einen Begriff wie diesen zu entwickeln. Damit würde man sich auch zu dem Verfassungsgrundsatz in Widerspruch setzen, daß die Strafbarkeit einer Handlung vor der Tat bestimmt sein muß.
Aus diesen Erwägungen heraus war der gesamte Ausschuß einhellig bestrebt, nun die Verfassungsgrundsätze zu entwickeln und klarzustellen, die
nach gemeinsamer Überzeugung die freiheitliche demokratische Grundordnung ausmachen. Das sind die Grundsätze 1 bis 5 in Abs. 2. Mit denen stimmen wir' auch vollkommen überein. Erst in einem sehr späten Stadium der Beratungen ist dann der Abs. 3 hineingekommen. Abs. 3 Ziffer 2 — der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft — ist aber wiederum lediglich ein politisches Prinzip, nicht dagegen ein strafrechtlich hinreichend bestimmtes Schutzgut. Das ersehen Sie schon daraus, daß plötzlich von der positiven Begriffsbestimmung im zweiten Abschnitt zu einer negativen Bestimmung übergegangen wird. Ja, man kann sagen: wir hätten uns die ganze Arbeit beim zweiten Abschnitt des § 88 sparen können; denn letztlich ist ja der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft nichts anderes als das negative Spiegelbild der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Hätte man das gewollt, dann hätte man von vornherein in Abs. 2 den positiven Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehenlassen können. Wir sind daher der Auffassung, daß hier rechtsstaatliche Grundsätze verlassen sind und es nicht angeht, eine derartige mehr politische Formel zum Inhalt eines Strafgesetzes zu machen.
Das gleiche gilt für § 88 Abs. 3 Ziffer 1. Sicherlich wünschen wir alle die Grundrechte geschützt zu sehen. Wir haben uns aber einhellig überzeugt, daß es wegen der Eigenart der Grundrechte nicht möglich ist, sie als solche in den Katalog der geschützten Rechtsgüter aufzunehmen; denn mit Ausnahme des einzigen Grundrechts auf Leben gibt es kein Grundrecht, das absolut wäre, sondern alle Grundrechte sind in ihren Grenzen mehr oder minder unbestimmt und dem Einfluß der Gesetzgebung unterworfen. Wir haben deshalb mit Recht davon abgesehen, die Grundrechte hier positiv zum strafrechtlichen Schutzobjekt zu machen. Wir können es aber auch nicht in der Weise tun, daß wir etwas Negatives einführen, nämlich eine Methode, mit der die Grundrechte nicht angegriffen werden dürfen. Auch hier sehen Sie wieder den Bruch in der Methode. Während nämlich § 88 Abs. 2 die positiven Schutzgüter sehr klar aufzählt, werden in Abs. 3 Ziffer 1 gar nicht die Grundrechte als die eigentlichen Schutzgüter genannt, sondern die Abwesenheit von Schrecken, Einschüchterung und Gewalt. Das kann man in dieser Art und Weise auch nicht machen. Wenn wir diese Bestimmungen dann mit den eigentlichen Tatbeständen der §§ 89, 90 usw. zusammennehmen, so kommen wir zu einem äußerst unbestimmten und unbestimmbaren Strafrecht. Einen solchen Weg zu betreten, weigert sich die sozialdemokratische Fraktion. Wir legen deshalb das allergrößte Gewicht darauf, daß dieser Abs. 3 gestrichen wird. Sollte auf der einen oder andern Seite des Hauses gleichwohl die Auffassung bestehen, daß hier noch weiter nach der Möglichkeit strafrechtlicher Vorschriften gesucht werden müsse und könne, so mag das ja unseren weiteren Beratungen im Ausschuß überlassen bleiben, die noch nicht abgeschlossen sind. Wir warnen Sie davor, eine derartige politische Fassung in ein Strafgesetz hineinzubringen, und bitten Sie, unserem Streichungsantrage zuzustimmen.
Das Wort hat zur Begründung des Antrags der kommunistischen Fraktion Herr Abgeordneter Fisch.
Meine Damen und Herren! Im vorliegenden zweiten Abschnitt des Zuchthausgesetzes wird eine neue Abart des politischen Gesinnungsstrafrechts geschaffen, wie wir es bisher in dieser Weise nur in der Strafjustiz des Naziregimes gekannt haben.
Im ersten Abschnitt ist immerhin noch die Rede von den traditionellen Begriffen des Hochverrats, also von den Begriffen der Gewaltanwendung oder der Drohung mit Gewalt, wobei es j a auch dem Richter jeweils überlassen bleibt, was er nach freiem Ermessen als „Drohung mit Gewalt" bezeichnen möchte. Hier aber spielt das Moment der Gewalt überhaupt keine Rolle, sondern es wird mit Gefängnis und Zuchthaus bestraft, wer eine andere Gesinnung, eine andere politische Ideologie, eine andere politische Zielsetzung sein eigen nennt als die, die im westdeutschen Staatsgebilde als amtlich, als erwünscht angesehen wird. Zu diesem Zweck wird ein neues Delikt geschaffen, das es in der bisherigen deutschen Justizgeschichte noch nicht gegeben hat: der Verfassungsverrat.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß der Bundesrat, der sich im Juni des vergangenen Jahres insbesondere mit dem damaligen § 90 und jetzigen § 88 dieses Abschnitts befaßt hat, mit aller Entschiedenheit diese Schaffung einer neuen Willkürjustiz bekämpft hat und auf Vorschlag seines Generalberichterstatters, des bayerischen Justizministers Dr. Josef Müller, zu dem Entschluß gekommen ist, den damaligen § 90, heutigen § 88 abzulehnen.
Was ist das für ein neues strafwürdiges Delikt: die „Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik"? Was soll damit überhaupt bestraft werden, welche Abirrungen von der offiziell erwünschten politischen Gesinnung? In dem offiziellen Kommentar zum Grundgesetz ist dieses Wort „Beeinträchtigung" noch etwas deutlicher angesprochen. Man meint dort, schon eine beabsichtigte „Modifizierung" des Grundgesetzes sei ein strafwürdiger Tatbestand. Es würde mich sehr interessieren, wie es die SPD-Fraktion mit ihrer Treue zu den Bestimmungen dieses Zuchthausgesetzes vereinbaren will, wenn sie, wie sie sagt, auf friedliche Weise einmal das bestehende Grundgesetz oder die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik „modifizieren" will.
Man muß sagen, diese Paragraphen von § 88 angefangen sind typische Kautschukbestimmungen in der Hand des jeweiligen Richterkollegiums, sind die Vollmacht zur Ausübung jeder Willkür. Man kann unter Berufung auf § 88 und folgende jede politische Kritik am politischen System, jede Kritik an der Politik der Besatzungsmächte unter Strafe stellen, indem man erklärt, diese Kritik — mündlich oder gedruckt — beinhalte eine „Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik" und verstoße gegen die „verfassungsmäßigen Grundsätze". Mit diesen Bestimmungen werden die entscheidenden Grundrechte einfach hinweggefegt, und auch der Schutz der Grundrechte, der in Art. 18 des Grundgesetzes ausdrücklich ausgesprochen ist, wird in der Praxis für null und nichtig erklärt.
Man hat den Eindruck, wenn man die Texte studiert, als ob sich die Verfasser dieser Vorlage, bevor sie den Text zu Papier brachten, außerordentlich eifrig mit den Nazi-Sondergesetzen befaßt haben, beispielsweise mit der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat, mit dem Heimtückegesetz, mit dem Parteiengesetz. Man findet
an verschiedenen Stellen nicht nur sinngemäße,
sondern auch wortwörtliche Übereinstimmungen
mit jenen Vorlagen, die das Nazi-System geschaffen hat, um die Grundsätze der Demokratie zu erwürgen und das System des Zuchthauses und der Konzentrationslager zu legalisieren.
Aber das Regime hatte wenigstens noch die Courage, offen zu erklären, daß man damit das faschistische Diktatursystem sichern wolle. Damals erklärte man in § 1 der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat ganz offen, daß man die Grundrechte der persönlichen Freiheit, der freien Meinungsäußerung, der Vereins- und Versammlungsfreiheit als durch diese Notverordnung aufgehoben betrachte. Heute geniert man sich ein wenig, die Dinge so beim Namen zu nennen. Um so schlimmer, wenn man das gleiche wie die Faschisten in verschleierter Form, mit der gleichen Absicht tut.
Die Ungeheuerlichkeit des ganzen Abschnitts über die sogenannte Staatsgefährdung liegt erstens darin, daß sie den Kautschukbegriff der „Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik" als entscheidendes Kriterium für die Bestrafung von Gesinnungstätern, für die Bestrafung von Überzeugungen, für die Bestrafung politischer Zielsetzungen festsetzt. Zweitens beruht die Ungeheuerlichkeit in der Zusammenstellung eines Katalogs sogenannter Verfassungsgrundsätze, der die Grundrechte einfach als nicht existierend betrachtet und eine neue Serie willkürlicher sogenannter „Verfassungsgrundsätze" konstituiert. Drittens besteht die Ungeheuerlichkeit darin, daß der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz aufgehoben wird, und zwar dadurch, daß ein jedes Delikt mit der Gesinnung gekoppelt wird, mit einer strafwürdigen Absicht, die darauf abzielt, den Bestand der Bundesrepublik zu beeinträchtigen.
In § 88 wird dem ganzen Abschnitt ein Katalog derjenigen Objekte vorangestellt, die zu schützen sind und gegen welche Verstöße mit Zuchthaus und Gefängnis bestraft werden sollen. Es ist interessant, daß in der ursprünglichen Fassung der Regierungsvorlage ein Verfassungsgrundsatz mit aufgezählt war, der im wesentlichen die Sammlung der wichtigsten Grundrechte des Grundgesetzes enthielt. Dieser Punkt ist in der letzten Fassung nicht mehr enthalten. Meine Fraktion erlaubt sich, zu beantragen, die ursprüngliche Fassung des Grundsatzkatalogs wiederherzustellen. Sie möchte das Haus dazu zwingen, zu erklären, wie es zu den eigentlichen Grundrechten des Grundgesetzes steht, ob es die Beachtung der Grundrechte als das entscheidende Gebot ansieht oder nicht, ob man glaubt, daß die Mißachtung der Grundrechte ein strafwürdiges Delikt darstelle oder eine lobenswerte Tat. Meine Fraktion beantragt deshalb, die folgende, ursprünglich im Text enthaltene, aber dann auf Veranlassung der Regierungsvertreter gestrichene Fassung wiederaufzunehmen: Als Verfassungsgrundsatz soll demnach bezeichnet werden
die Unantastbarkeit der Würde des Menschen,
die Wahrung der Grundrechte auf Leben und
körperliche Unversehrtheit, auf Freiheit der
Person, Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit
des Glaubens und des Gewissens, Freiheit des
religiösen und des weltanschaulichen Bekenntnisses, Freiheit der Meinungsäußerung, Ver-
sammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit.
— Meine Damen und Herren, Sie brauchen nicht über die Ostzone zu reden! Sie haben die Freiheit der Entscheidung in eigenen Händen,
indem Sie darüber abstimmen, ob diese Grundrechte als unabdingbarer Verfassungsgrundsatz in den Gesetzentwurf aufgenommen werden soll oder nicht.
Der Herr Kollege Arndt hat sich mit einer rechtlichen Begründung gegen Abs. 3 gewandt. Ich möchte ihn etwas ergänzen. Ich halte eine solche Ergänzung für erforderlich, weil uns die Regierungsvertreter im Ausschuß in einer begrüßenswert offenen Art und Weise dargelegt haben, warum sie unter allen Umständen den Abs. 3 in § 88 haben wollen, warum sie auf keinen Fall auf ihn verzichten zu können glauben. Die Vertreter des Justiz- und des Innenministeriums erklärten: Wenn wir es bei der Aufzählung von Verfassungsgrundsätzen in der positiven Art, wie in Ziffer 1 bis 5 dargetan, belassen, dann würden wir „eine zu einengende" Formulierung für den Richter schaffen,
„Um das Gesetz ,praktikabel zu machen", d. h. anwendbar zu machen — so sprach der Vertreter des Herrn Justizministers — „brauchen wir den Abs. 3", jene Generalklausel, in die ein jeder Richter hineinlegen und aus der er herauslesen kann, was er will, um einen Vorwand, um eine Begründung für die Verurteilung zu haben.
Der Herr Ministerialdirigent erklärte: „Wenn wir diese Generalklausel" — die so kautschukartig alles unter Strafe stellt, was eine un-petersbergische Gesinnung zum Inhalt hat — „nicht haben, ja, dann müßte ja der Richter verpflichtet sein, in jedem einzelnen Falle den Nachweis für eine tatsächlich erfolgte Verletzung von Verfassungsgrundsätzen zu erbringen." Diese Mühe des Nachweises, daß ein Verfassungsgrundsatz verletzt worden ist, möchte der Herr Justizminister den Richtern ersparen.
Der Vertreter des Herrn Innenministers ermahnte die Ausschußmitglieder, sie möchten doch an den Ernst der Zeit denken und sich auch dessen bewußt sein, daß man „kein übertriebenes Maß an Ängstlichkeit bei der Fixierung strafbarer Tatbestände" anlegen dürfe.
Der Herr Regierungsvertreter wußte, als er das aussprach, noch nicht, daß sich ein kommunistischer Abgeordneter im Saal befand; sonst hätte er sich wahrscheinlich etwas eleganter ausgedrückt. Wir sind ihm dankbar für diese Offenheit und wissen nun, was die Direktive des Innenministeriums ist, nämlich: keine Ängstlichkeit bei der Fixierung von Tatbeständen. Eine Generalklausel, allgemeine Gesinnungsstrafdelikte schaffen, Verurteilungen nur vom Ansehen her und der Wunsch, der Verpflichtung enthoben zu sein, einen strafbaren Tatbestand zu fixieren und aus dem bestehenden Recht abzuleiten. Das möchte der Herr Innenminister abgeschafft wissen.
Ich möchte gern, daß er sich hier offen zu dem Grundsatz bekennt, den sein Vertreter im Rechts-
ausschuß proklamiert hat. Ich möchte das, weil wir kein uferloses Gesinnungsstrafrecht, keine Willkürakte
zulassen wollen. Deshalb beantragt meine Fraktion die Streichung des Abs. 3 des § 88.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Prsident! Meine Damen und Herren! Der § 88 und die folgenden Paragraphen dieser Novelle sind der Kern der neuen Bestimmungen, die wir vorgeschlagen haben und die vom Ausschuß aufgenommen worden sind. Sie entsprechen der neuen Form der Bekämpfung des Staates,
und es ist durchaus verständlich, daß diejenigen, die an diesen Staat und an seine Grundsätze nicht gebunden sind, sich nicht gebunden fühlen, bei dieser Bestimmung in Erregung geraten.
Ich möchte diesen Vorwurf wirklich nicht auf den Abgeordneten Clausen ausdehnen. Ich stimme insoweit dem Herrn Abgeordneten Dr. Arndt zu, daß seine Sorge unbegründet ist. Er mißversteht die Begriffsbestimmung des § 88, wenn er glaubt, daß die im Rahmen der Staatsordnung ausgeübte Tätigkeit der dänischen Minderheit unter diese Gesetzesbestimmung fallen könnte. Ich nehme an, daß er auf Grund der Aufklärung, die ihm zuteil geworden ist, seinen Antrag zurückzieht.
Dieser Antrag des Abgeordneten Clausen ist zurückgezogen; davon war die Rede.
Bedeutsamer ist der Antrag auf Aufhebung des Abs. 3 des § 88. Meine Damen und Herren, Sie würden den Strafvorschriften gegen die Staatsgefährdung die Wirksamkeit nehmen, wenn Sie den Abs. 3 streichen würden. Ich kann den Vorwürfen, als ob es sich um Festlegung eines politischen Prinzips oder gar um den Versuch handle, politische Gesinnung unter Strafe zu stellen,
keinesfalls zustimmen. Richtig ist, es handelt sich um eine Generalklausel, die zum Teil negativ gefaßt ist, die aber unentbehrlich ist, wenn wir den Staatsfeinden wirksam begegnen wollen. Ich kann auch nicht anerkennen, daß der Abs. 3 des § 88 ein unbestimmtes oder ein unbestimmbares Strafrecht darstelle. Es wird ja nicht so sein, daß die Staatsfeinde gleichzeitig Verfassungsrechtler sind, und es wird nicht ohne weiteres möglich sein, einem Staatsfeind, der mit den Mitteln der kalten Revolution
dem Staate entgegentritt, nachzuweisen, daß er die
Absicht hat, ganz bestimmte verfassungsrechtliche
Grundsätze zu ändern, so wie sie in Abs. 2 des § 88 niedergelegt sind.
Es muß genügen — und das ist nicht Willkür, sondern scharf und bestimmt genug umschriebenes Strafrecht —, daß der Staatsfeind versucht, die Grundordnung des Bundes schlechthin zu beseitigen, ein Gewalt- und Terrorsystem zu errichten. Dieser Nachweis muß hinreichend sein, um die Bestimmungen der Staatsgefährdung zur Anwendung zu bringen.
Meine Damen und Herren, hier bewegen wir uns bereits auf einem durchaus rechtlich fundierten Boden.
Sie haben, als Sie das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit beschlossen haben, bereits Tatbestände verwendet, die dem Abs. 3 des § 88 dieses Entwurfes entsprechen, als es darum ging, die Tatbestände der Verschleppung und der politischen Verdächtigung zu umschreiben. Hier sind schon die Begriffe Gewalt- und Willkürmaßnahmen zur Kennzeichnung der kommunistischen Handlungen verwendet worden. Genau so hat der Oberste Gerichtshof für die britische Zone
— ja, ja — das nazistische Regime umschrieben, nämlich mit der gleichen Nomenklatur als Gewalt-und Willkürmaßnahmen.
Meine Damen und Herren, Sie würden unserem Versuch, mit den Mitteln des Strafrechts Umsturzbewegungen von rechts und links zu begegnen, die Schärfe nehmen, wenn Sie den Abs. 3 des § 88 dieses Entwurfes streichen würden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Arndt hat mit Recht darauf hingewiesen daß die im Grundgesetz normierten Grundrechte mit Ausnahme des Grundrechts auf Leben nicht absoluter Natur sind.
Dies war der Anlaß dafür, daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht davon abgesehen hat, der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs zu folgen und in dem Katalog der geschützten Verfassungsgrundsätze auch die Grundrechte mit aufzuführen. Es kann sehr wohl der Fall eintreten, daß für die Erhaltung und die Sicherheit des Staates die Grundrechte nicht wichtiger sind als die Einschränkungen der Grundrechte, die teils durch das Grundgesetz selbst, teils durch die Delegationsbefugnis des Grundgesetzes in Kraft treten müssen.
Wenn wir davon ausgehen, daß die Einschränkungen der Grundrechte durch das Grundgesetz selbst normiert und gewollt sind, müssen wir diese Einschränkungen auch schützen, wenn sie auf Grund des Grundgesetzes ihre Wirksamkeit entfalten. Wir können daher den Antrag der kommunistischen Fraktion nicht für gerechtfertigt ansehen.
Was ich sagte, bietet zugleich aber auch die Erklärung dafür, daß es nach unserer Auffassung notwendig ist, in dem § 88 Abs. 3 die Ziffer 1 einzufügen und die Grundrechte insoweit zu schützen, als ihre Beeinträchtigung durch gewisse verfassungswidrige Methoden erfolgen könnte. Wir können daher die Bedenken, die der Herr Abgeordnete Arndt zu dieser Klausel geäußert hat, nicht als durchgreifend ansehen.
Es war ein langwieriges Bemühen des Rechtsausschusses, die Schwierigkeiten, die in der Sache selbst lagen, zu meistern und eine Formulierung für die Schutzobjekte zu finden, gegen die sich die Staatsgefährdung richten könnte. Es war ja ursprünglich vorgesehen, daß die freiheitliche demokratische Grundordnung allein geschützt werden sollte. Aus den Gründen, die vom Herrn Kollegen Arndt durchaus treffend dargelegt worden sind, ist dann der Versuch gemacht worden, die wesentlichen Prinzipien dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu entwickeln. Sie haben ihren Niederschlag gefunden in dem Katalog unter Ziffern 1 bis 5 des § 88. Man hat aus den Gründen, die ich eben dargelegt habe, davon absehen müssen, in diesem Katalog die Grundrechte mit aufzuführen. Man hat sich darauf beschränkt, den Schutz der Grundrechte für den Fall besonders zu statuieren, daß die Grundrechte durch Gewalt, durch Erregung von Schrecken oder durch Einschüchterung mit ungesetzlichen Maßnahmen Beeinträchtigung erleiden sollten. Im Laufe der Debatte war ursprünglich vorgesehen, die freiheitliche demokratische Ordnung insgesamt zu schützen, . zugleich neben den einzelnen Verfassungsgrundsätzen, die der Rechtsausschuß in langen Beratungen ausgearbeitet hat. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen kam man zu dem Ergebnis, es sei wünschenswert, auf die Aufführung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überhaupt zu verzichten.
Man hatte vorher die Frage aufgeworfen: Worin besteht denn eigentlich das Wesen dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung? Man hat ihr Wesen in zwei Tatbeständen erblickt: einmal darin, daß sie jede Gewalt- und Willkürherrschaft ausschließt, und zweitens darin, daß sie eine verfassungsmäßige Opposition zuläßt. Man hat beide Prinzipien in den § 88 aufgenommen.
Man hat das Recht auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition in Ziffer 3 des § 88 statuiert. Man hat dann das andere Prinzip, das eben entwickelt wurde, den Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft, in Abs. 3 des § 88 als einen Grundsatz mit aufgenommen, der zwar kein Verfassungsgrundsatz ist, der aber den Verfassungsgrundsätzen gleichgestellt wird. Nach unserer Auffassung besteht eine praktische Notwendigkeit, diese Fassung aufrechtzuerhalten. Das Wesen der freiheitlichen demokratischen Ordnung kann nämlich nicht in erschöpfender Weise durch die Summe dieser fünf Verfassungsgrundsätze des § 88 wiedergegeben werden. Es wird in manchen, sogar in vielen Fällen nicht möglich sein, einem Täter nachzuweisen, daß er die Absicht besessen hat, gerade einen dieser bestimmten fünf Grundsätze zu verletzen,
und für diesen Fall muß die Absicht genügen, daß der Täter mit seinen Maßnahmen
eine Gewalt- und Willkürherrschaft begründen' wollte.
Auch die verfassungsmäßige Opposition wünscht den Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft. Auch die verfassungsmäßige Opposition ist mit den Anhängern der Regierung darin einig,
daß der Staat sich eben auf die Zulassung der verfassungsmäßigen Opposition gründet. Nichts liegt uns ferner, als durch die Einführung dieser Bestimmung das Recht der verfassungsmäßigen Opposition auf ihre verfassungsmäßige Betätigung irgendwie beeinträchtigen oder beschränken zu wollen. Und gerade dieses Recht ist ja in der Ziffer 3 der Verfassungsgrundsätze selbst niedergelegt worden. Ich glaube daher, daß die Bedenken, die gegen die Aufnahme dieser Bestimmung geäußert worden sind, gerade vom Standpunkt einer verfassungsmäßigen Opposition aus nicht begründet sein dürften.
Vom Herrn Kollegen Arndt wurde darauf hingewiesen, der Grundsatz des Ausschlusses jeder Gewalt- und Willkürherrschaft sei kein Rechtsgrundsatz, sondern ein politischer Grundsatz. Aber gilt dies nicht auch für eine Reihe der Verfassungsgrundsätze selbst? Gilt es nicht auch beispielsweise für die Grundrechte, gilt es nicht auch für die Menschenrechte? Sind nicht auch diese Prinzipien zunächst einmal als politische Forderungen entstanden, und ist es nicht später erst im Zuge der Rechtsentwicklung gelungen, diese Prinzipien mit einem rechtlichen Inhalt, und zwar mit einem präzisen rechtlichen Inhalt zu füllen und ihre rechtliche Tragweite zu umschreiben? Wir zweifeln nicht daran, daß der Grundsatz des Ausschlusses jeder Gewalt- und Willkürherrschaft, auch wenn er zunächst als ein politischer Grundsatz ins Leben getreten sein sollte, sich sehr wohl rechtlich umschreiben läßt; er ist bereits rechtlich umschrieben worden durch verschiedene Urteile von Gerichten, auf die der Herr Bundesjustizminister schon Bezug genommen hat.
wir befürchten, wenn wir diesen letzten verfassungsähnlichen Grundsatz aus dem § 88 strichen, der Erhaltung unseres demokratischen Staates, der ja als ein Wesensmerkmal die Bildung der verfassungsmäßigen Opposition zuläßt und wünscht, einen schlechten Dienst zu erweisen. Gerade aus diesem Grunde — nicht um irgendwie die Möglichkeiten der verfassungsmäßigen Opposition zu verkleinern oder zu beschränken — bitten wir, die Bestimmung in der Form zu belassen, wie sie von der Mehrheit des Rechtsausschusses dem Hohen Hause vorgeschlagen worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen der Auffassung zu, die vorhin von Herrn Dr. Arndt hier vorgetragen worden ist. Der erste Abschnitt der Gesetzesvorlage, der sich mit dem 'Hochverrat befaßt, legt fest, was gegen gewaltsame Angriffe gegen den Staat unternommen werden soll. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit einem ganz anderen Fragenkomplex. Hier geht es zunächst um gewaltlose Dinge. Angehängt ist, ich möchte sagen, recht unmotiviert, die Bestimmung des Abs. 3, die uns
recht gummiartig anmutet. Derartige GummiParagraphen in Sachen Staatsschutz haben sich bereits einmal sehr negativ ausgewirkt. Wir sind der Auffassung, daß mit einer Streichung des Abs. 3 von § 88 die Situation besser und klarer wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu § 88. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Abgeordnete Clausen seinen Antrag zurückgezogen hat.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer
2 a, den § 88 Abs. 1 zu streichen.
— Herr Abgeordneter Renner zur Abstimmung!
Ich zweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses an.
Nach einmütiger Auffassung des Vorstandes ist das Haus beschlußfähig.
Ich komme zur Abstimmung. Wer für den Antrag der Fraktion der KPD ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der Antragsteller ohne Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der 'KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer
2 b, in Abs. 2 vor Ziffer 1 eine Ziffer 1 a einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den überein—
stimmenden Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 269 Ziffer 1 und der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 2 c, den Abs. 3 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, der Vorstand ist sich über das Ergebnis nicht einig. Ich bitte, im Wege des Hammelsprungs darüber abzustimmen.
Ehe nicht sämtliche Abgeordnete den Saal verlassen haben, kann ich mit der Abstimmung leider nicht beginnen. —
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. —
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Streichungsantrag haben gestimmt 135 Abgeordnete, dagegen 160 bei 6 Enthaltungen. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über .den § 88 in der Ausschußfassung, nachdem die Abänderungsanträge abgelehnt sind. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 88 in der Ausschußfassung sind, eine
Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das erste war die Mehrheit; § 88 ist angenommen.
Bevor ich § 89 aufrufe, darf ich darauf hinweisen, daß der Ausschuß für Geld und Kredit und der Ausschuß für Wirtschaftspolitik morgen, Dienstag, um 8 Uhr in Zimmer 12 Südflügel tagen und daß die Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses von heute 17 Uhr auf heute 18 Uhr verlegt worden ist.
Ich rufe auf § 89. Zur Begründung des Abänderungsantrages der Fraktion der KPD Herr Abgeordneter — —
— Keine Begründung! — Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Streichungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 270 unter Ziffer 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 89 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
§ 90. Hier liegt ebenfalls ein Streichungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 270 unter Ziffer 4 vor. Herr Abgeordneter Fisch zur Begründung, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 90 wird der Versuch gemacht, den Streik und, wie es heißt, „sonstige Störmaßnahmen", die nicht näher bezeichnet sind, als strafwürdiges Verbrechen zu bezeichnen. Dieses Verbrechen wird allerdings an die Voraussetzung geknüpft, daß mit der Streikhandlung die Absicht verbunden ist, „den Bestand der Bundesrepublik zu beeinträchtigen oder einen der Verfassungsgrundsätze zu beseitigen.", über die soeben eine Abstimmung stattgefunden hat und unter denen sich bekanntlich die Grundrechte nicht befinden.
Das sieht beinahe harmlos aus. Es sieht so aus, als ob man nur „hochverräterische" Streiks oder etwas Derartiges unter Strafe stellen möchte. Aber wenn wir die Dinge näher betrachten, so stellt sich etwas ganz anderes heraus. Erstens: Es ist damit beabsichtigt, jede Widerstandsaktion, die sich richtet gegen die Herstellung von Kriegsmaterial, gegen die Remilitarisierung, gegen die Beförderung von fremden Truppen auf unserem Boden, gegen die Beförderung von Kriegsmaterial zur Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges, unmöglich zu machen. Darum werden wir diesen Paragraphen nicht nur als einen Bestandteil der politischen Kriegsvorbereitung einzuschätzen haben, sondern gleichzeitig auch als den Versuch der Einschüchterung gegenüber den Arbeitern in den Rüstungsbetrieben und Verkehrsbetrieben, einen Versuch der Einschüchterung, der sie davon abhalten soll, all ihre Kraft für den Frieden einzusetzen und keinen Handschlag für den Krieg zu tun.
Der § 90 hat aber noch eine zweite sehr wichtige Bedeutung. Ich möchte an die Debatte erin-
nern, die hier aus Anlaß des Mitbestimmungsrechtes in der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie der Bundesrepublik stattfand. Damals trat bekanntlich der Sprecher der FDP-Fraktion auf und erklärte, der Streikbeschluß der Gewerkschaften im Zusammenhang mit der Diskussion um das Mitbestimmungsrecht bei Eisen, Stahl und Kohle stelle eine strafbare Handlung dar;
denn dieser Streikbeschluß sei der Versuch einer Nötigung des Parlaments.
— Herr Becker bestätigt durch sein „Allerdings", daß die FDP-Fraktion in diesem Streikbeschluß der Gewerkschaften im Ruhrgebiet ein strafwürdiges Verbrechen gesehen hat. Wir erinnern uns auch an die Ausführungen des Hüters der Bundesjustiz, des Herrn Dr. Dehler, der in einer Versammlung in Uslar bekanntlich erklärte, die Gewerkschaften gehörten ins Zuchthaus, wenn sie den Versuch machten, durch Streik eine bestimmte politische Entwicklung in der Bundesrepublik zu fördern.
Das Zuchthausgesetz, das Herr Dehler damals für
die Gewerkschaften forderte, — hier, meine Da-
men und Herren, liegt es vor, etwas verklausuliert,
etwas in harmlose Formeln gebracht, dem Sinne nach aber genau das, was damals verlangt wurde. Darum ist es nicht nur Sache aller Freunde des Friedens, sich gegen diesen Art. 90 zu wenden, sondern Sache aller Gewerkschafter, den Anfängen zu widerstehen, die hier in der Richtung gemacht werden, den Streik zur Durchsetzung politischer Forderungen als strafwürdiges Verbrechen zu behandeln.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt vor der Abänderungsantrag der KPD — Umdruck 270 — Ziffer 4, den § 90 zu streichen. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über § 90 in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 90 ist angenommen.
Ich rufe auf § 90 a. Dazu liegen Abänderungsanträge der KPD zu den Absätzen 1, 2 und 3 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Fisch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 90 a wird derjenige mit Gefängnis bedroht, der eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder Tätigkeit sich gegen die verfassungs- mäßige Ordnung richten. In dieser Bestimmung haben Sie eine der typischen Formulierungen, die für die Willkür sprechen, welche durch diese Vorlage legalisiert werden soll. Wer noch Merkmale für einen Polizeistaat sucht, hier in § 90 a sind sie gegeben!
§ 90 a widerspricht aber ganz offensichtlich auch dem Art. 18 des Grundgesetzes. In Art. 18 wird vorgeschrieben, daß die Verwirkung eines Grundrechtes — und dazu gehört auch, es ist ausdrücklich genannt, das in Art. 9 des Grundgesetzes festgelegte Grundrecht der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit — nur durch das Bundesverfasgericht ausgesprochen werden kann. Nur dieses Gericht ist auch befugt, das Ausmaß der Verwirkung und die Folgen zu bestimmen, die sich aus der Verwirkung eines der Grundrechte ergeben. Hier aber, in § 90 a wird einfach willkürlich festgesetzt, daß eine Vereinigung verboten wird, die sich „gegen die verfassungsmäßige Ordnung" richtet.
Ich frage nun: welches ist in diesem Falle die Instanz, welches ist das Gericht, das die „verfassungswidrigen Bestrebungen" einer bestimmten Organisation feststellt? Wo ist — wie das später in § 129 a vorgesehen ist — auch nur eine verwaltungsgerichtliche Instanz eingeschaltet, die diesen Tatbestand der „Verfassungsgefährdung" festzustellen hat? Eine solche Instanz ist nicht vorgesehen! Jede Polizeibehörde, jede sonstige Behörde ist demnach gemäß § 90 a künftighin berechtigt, eine beliebige Organisation nach freiem Ermessen als der „verfassungsmäßigen Ordnung" zuwider zu bezeichnen und sie dementsprechend zu verbieten.
Rechtsfolgen, also die Bestrafung von Zuwiderhandlungen, ergeben sich daraus automatisch. Wie sehr diese Bestimmung dem Grundgesetz widerspricht, ist in einem arbeitsgerichtlichen Urteil, das vor wenigen Tagen durch das Landesarbeitsgericht in Bremen gefällt wurde — am 6. Juni 1951 —, zum Ausdruck gebracht. Dort heißt es in der Urteilsbegründung ausdrücklich:
Der Verfassungsgesetzgeber hat den Schutz der Verfassung einem unabhängigen und nach demokratischen sowie rechtsstaatlichen Grundsätzen gebildeten Verfassungsgerichtshof übertragen, dem die schwere Aufgabe obliegt, die Demokratie nicht nur gegen ihre Feinde, sondern auch gegen jede innere Verfälschung durch ihre Verteidiger zu schützen. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei und die Aberkennung von Grundrechten nach Art. 18 des Grundgesetzes stellen verfassungsrechtliche Entscheidungen dar, die nur von der verfassungsmäßig hierzu berufenen Stelle getroffen werden können. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht irgendein Gericht, sondern neben den gesetzgebenden Organen der Bundesrepublik sowie neben der Regierung, Verwaltung und Justiz eine gleicherweise justizförmige und politische Körperschaft, die keinen Bestandteil der eigentlichen Rechtspflege bildet. Einer solchen Instanz hat das Grundgesetz ausdrücklich die alleinige Entscheidung zugebilligt über die Frage, ob eine Person oder eine Vereinigung eines der Grundrechte, also auch das in Art. 9 des Grundgesetzes festgelegte Grundrecht der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit verwirkt und welche Folgen sich daraus ergeben.
Und nun, meine Damen und Herren, möchte ich einen unverfänglichen Zeugen aufrufen. Ich möchte aufrufen den Abgeordneten der Freien Demokratischen Partei Dr. Thomas Dehler aus Bamberg. Ich möchte ihn aufrufen als Zeugen gegen den Justizminister Dr. Dehler.
Deutscher Bundestag — i58. Sitzung. Bonn, Montag, den 9. Juli 1951 6313
Herr Dr. Dehler hat in seiner Eigenschaft als Mitglied des Parlamentarischen Rats in der 44. Sitzung des Hauptausschusses am 19. Januar 1949 ausdrücklich auf die Bedeutung — sowohl auf die verfassungsrechtliche als auch auf die politische Bedeutung des letzten Satzes in Art. 18 des Grundgesetzes hingewiesen. Er war es, der eigentlich darauf bestanden hat, daß entgegen gewissen Widerständen diese besondere Schutzmaßnahme für Personen und Organisationen hinsichtlich der Grundrechte eingefügt wird. Er erklärte zur Begründung, daß ohne einen solchen Zusatz jeder vogelfrei sein und der ganze Artikel in den Polizeistaat gehören würde.
Her Dr. Dehler, Sie haben heute, nachdem zwei Jahre vergangen sind, Ihre eigene freiheitliche und demokratische Theorie vom 19. Januar 1949 vergessen und haben selbst Hand angelegt, um den Polizeistaat zu errichten, vor dem Sie damals gewarnt haben. Sie sind damals in Ihrer Auffassung von einem sozialdemokratischen Abgeordneten unterstützt worden, der erklärte, wirkliche Gefahren seien selbst bei längeren Verzögerungen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu befürchten; denn dieses werde ja einstweilige Anordnungen erlassen können. Gestützt also auch auf diese Meinung von sozialdemokratischer Seite haben Sie damals erklärt, Herr Dr. Dehler, bei einer Streichung des letzten Satzes des Art. 18 würden die aufgezählten Grundrechte wertlos, da sie dann durch polizeiliche Maßnahmen jederzeit außer Kraft gesetzt werden könnten. Ich frage Sie, Herr Justizminister: was ist Ihre Meinung über die Auffassung des Abgeordneten Dehler vom 19. Januar 1949?
Ich hätte es gerne, wenn Sie sich darüber äußern würden, womit und inwieweit Sie Ihre Wandlung in der Einschätzung von Grundsätzen eines Rechtsstaates begründen, mit welchen „Empfehlungen" vielleicht von anderer Seite her oder mit welchen „staatspolitischen Notwendigkeiten", wobei Sie zu berücksichtigen haben, daß diese Formulierung der „staatsrechtlichen Notwendigkeiten" schon vor etwa 15 Jahren von andern „Rechtsschöpfern" geprägt worden ist. .
Im dritten Absatz des § 90 a wird ein außerordentlich gefährlicher Grundsatz proklamiert, nämlich der Grundsatz der Rückwirkung. Es heißt im Abs. 3:
Ist die Vereinigung eine politische Partei im
räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, so
darf die Tat erst verfolgt werden, nachdem das
Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß
die Partei verfassungswidrig, ist.
Wir wissen, daß im Art. 21 des Grundgesetzes den politischen Parteien ein besonderer verfassungsrechtlicher Schutz zugesprochen worden ist. Aber wie soll man diesen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz denn verstehen? Wie soll man seine Anwendung garantiert wissen, wenn es hier heißt, daß mit rückwirkender Kraft politische Parteien bzw. deren Funktionäre für Handlungen bestraft werden können, die erst durch einen späteren Spruch des Bundesverfassungsgerichts als verfassungswidrig bezeichnet werden? Es ist ein alter Grundsatz des Rechtes, daß keine Strafe ohne Gesetz verkündet werden kann. Hier wird dieser Grundsatz durchbrochen! Es wird eine Strafe für eine Straftat nicht nur als zulässig, sondern als vorgeschrieben bezeichnet, die begangen worden ist,
noch ehe sie von Gerichts wegen, und zwar von Bundesverfassungsgerichts wegen als verfassungswidrig und damit also als strafwürdig bezeichnet worden ist. Wir erheben gegen diese Rechtsbeugung, gegen diese Beugung uralter Rechtsgrundsätze entschieden Einspruch und verlangen darum die Streichung des § 90 a.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ehren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn unsere Kinder einmal die Protokolle unserer Bundestagssitzungen lesen werden,
dann weiß ich nicht, ob sie sich mehr wundern werden über die Art, wie die Herren von links sich
hier produzieren, oder über die Größe der Geduld,
die wir gegenüber diesen Herren hier bekunden.
Ich muß feststellen, daß unser Volk draußen diese Geduld fast nicht mehr versteht.
Meine Damen und Herren, was ist Tatsache? In der Ostzone sind. die Freiheiten zerschlagen worden, da sitzt unser Volk in Not und Knechtschaft, mit Billigung dieser Menschen dort links.
Der deutsche Osten ist abgeschnitten worden
mit Ihrer Zustimmung. Als wir als Demokraten aller Parteien im Dritten Reich in der Knechtschaft saßen, da haben wir uns geschworen,
es wird nicht noch einmal die Stunde kommen, wo Links- und Rechtsradikale diese Freiheit zerschlagen können. Wenn wir heute dieses Gesetz verlangen, dann nur deshalb, weil wir die Freiheit lieben. Sie, meine Herren, hätten alle Gelegenheit, in der Ostzone und von der Ostzone zu sprechen, nicht aber von dem, was wir hier tun wollen, um die Freiheit zu erhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
— Eine Begründung? — Haben Sie eine Begründung? — Es gibt auch ein Sprichwort, das besagt, daß die Kinder sich oft ihrer Väter schämen.'
Ich hoffe, daß unsere Kinder sich dieser Dinge erinnern und sich der „Demokraten" schämen werden, die uns das Gesetz hier vorlegen.
Aber hier geht es ja um sehr wichtige Begriffe der Verfassung.
Es geht unter anderem darum, welche Auslegung man im Parlamentarischen Rat dem Art. 18 Satz 2 gegeben hat. Nach Art. 18 Satz 2 werden, so heißt es in einem bekannten Kommentar zum Bonner Grundgesetz, die „Rechtsfolgen durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen". Nun folgt in diesem Kommentar ein Vergleich dieser neuen Regelung mit dem Herrenchiemseer Entwurf und der hessischen Verfassung. Dazu heißt es in diesem — selbstverständlich von bürgerlichen Juristen geschriebenen — Kommentar:
Nach dieser Regelung konnten also die öffentlichen Gewalten, d. h. im wesentlichen die Verwaltungsbehörden, die dem Rechtsträger an sich zustehenden Grundrechte außer acht lassen . . .
Nach dem Wortlaut des Art. 18 Satz 2 ergibt sich eindeutig, daß nicht die Verwaltungsbehörden, kein Polizeiminister und nicht, wie das in der Praxis heute draußen ist, irgendein Polizeiinspektor irgendeine Handlung oder Äußerung als verfassungswidrig ansprechen und daraus Konsequenzen ziehen kann, die zum Teil sich schon so auswirken, daß mit einer Brutalität, wie wir sie auch unter Hitler nicht schlimmer gekannt haben, auf die Friedenskämpfer eingehauen wird. Diese Gesetzwidrigkeiten müssen beseitigt werden.
Ferner heißt es in diesem Kommentar:
Bei der Frage, welche Bedeutung diesem Ausspruch begrifflich beizumessen ist, scheint der — lapidar gefaßte — zweite Halbsatz von Art. 18 Satz 1 auf eine deklaratorische Bedeutung hinzudeuten.
Es heißt dann am Schluß:
Bis zu diesem Ausspruch vermag der Halbsatz 2 — und darin liegt die entscheidende Abweichung vom Herrenchiemseer Entwurf — keinerlei Wirkungen zeitigen. Der Ausspruch der Verwirkung ähnelt damit einem Gestaltungsurteil, für das es charakterstisch ist, daß es die — bis dahin nicht in Erscheinung getretene — Rechtsfolge erst beachtlich macht, d. h. herbeiführt. Während also im Falle der Herrenchiemseer Fassung das Bundesverfassungsgericht nur auszusprechen hätte, was ist, enthält der nach Maßgabe des Art. 18, Satz 2 erfolgende Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts in Wahrheit die Feststellung, wäs (erst) wird.
Hier haben wir einen eindeutigen Beweis dafür, daß alle Maßnahmen angefangen von der „Empfehlung" der Bundesregierung vom Herbst des vorigen Jahres, Beamte, Angestellte und Arbeiter, wenn sie Kommunisten sind, aus dem öffentlichen Dienst hinauszuwerfen, bis zu den letzten Maßnahmen Verfassungsbruch sind. Uns kommt es darauf an, diesen Verfassungsbruch aufzuzeigen und aus Ihrem Gesetz Dinge auszumerzen, die offensichtlich gegen Ihr eigenes Grundgesetz verstoßen. Ich bin mir darüber klar, daß wir mit unserer Beweisführung, die Sie ja dem Inhalt nach nicht bestreiten können, weil unsere Beweise sich auf Rechtsauffassungen bürgerlicher Staatsrechtswissenschaftler aufbauen, bei Ihnen im Augenblick kein Glück haben. Hier geht es nicht darum, irgendeine verfassungswidrige Bewegung niederzuschlagen, hier geht es darum, alles niederzuknüppeln, was Ihnen im Wege steht, um den Ihnen anbefohlenen amerikanischen Krieg durchzuführen. Darum geht es. Sie scheuen in dieser Frage vor nichts zurück, am allerwenigsten vor einem Rechtsbruch.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Matthes.
Ich beantrage, die noch zu behandelnden Bestimmungen bis zum Schlußparagraphen zusammen zu behandeln.
Ich glaube, daß wir in dieser Form nicht verfahren konnen, weil die Geschäftsordnung für das Verfahren der zweiten Lesung eine bestimmte Modalität vorsieht, von der wir nicht einfach willkürlich abgehen können. Das ist also nicht möglich. Es wäre aber durchaus möglich, abschnittsweise zu beraten. Für diesen Fall würde ich aber empfehlen, damit nicht jetzt bei einem einzelnen Paragraphen zu beginnen, sondern erst, wenn wir diesen Abschnitt beendet haben. Darf ich Ihre Zustimmung zu diesem Vorschlag feststellen?
Wir widersprechen und weisen darauf hin, daß das eine Verletzung der Geschäftsordnung darstellt.
Nein, nein, Herr Abgeordneter Renner, das ist keine Verletzung der Geschäftsordnung. Es ist im Rahmen der Geschäftsordnung durchaus möglich, in eine abschnittsweise Beratung einzutreten, wenn das Haus es beschließt.
Ich frage jetzt das Haus, ob es damit einverstanden ist, nach der Beendigung der Aussprache über diesen Abschnitt, bei dem wir uns befinden, also beim dritten Abschnitt, in eine Gesamtberatung und -abstimmung über den Abschnitt einzutreten. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Regelung zugestimmt worden.
Wir fahren jetzt zunächst im zweiten Abschnitt fort. Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Meine Damen und Herren! Es entbehrt nicht eines pikanten Reizes, wenn die Herren der Kommunistischen Partei als die Hüter unserer demokratischen Verfassung auftreten.
Ich nehme an, das wird bei Ihnen nicht verfangen. Ich möchte nur keinen falschen Eindruck durch das entstehen lassen, was die Herren Abgeordneten Fisch und Renner ausgeführt haben. Die Verwirkung des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit nach Art. 18 des Grundgesetzes, die durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden muß, hat gar nichts zu tun mit der Strafbarkeit derjenigen, die eine Vereinigung gründen, deren Zwecke und Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten.
Es ist auch völlig unrichtig, wenn der Abgeordnete Fisch behauptet, daß der § 90 a Abs. 3 — in dem bestimmt ist, daß die Gründer einer politischen Partei wegen des Tatbestandes des § 90 a Abs. 1 erst verfolgt werden können, wenn das Bundesverfassungsgericht diese Partei als verfassungswidrig festgestellt hat — eine strafrechtliche Rückwirkung darstelle. Das Gegenteil ist richtig. Die politische Partei ist privilegiert, d. h. es ist in § 90 a Abs. 3 eine Prozeßvoraussetzung geschaffen worden, daß die Tat, die Gründung einer verfassungs-
widrigen Partei, erst verfolgt werden kann, wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit dieser Partei festgestellt hat. § 90 a entspricht in jeder Richtung verfassungsmäßigen Grundsätzen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst vor der Abänderungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 5 a. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 5 b, ebenfalls ein Antrag der KPD, auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Bei der Abstimmung über den § 90 ist versäumt worden, über einen Ergänzungsantrag abzustimmen, der von den Abgeordneten von Thadden und Genossen gestellt worden war.
Danach sollte in § 90 noch ein Abschnitt hinzugefügt werden. Ich bitte, den Umdruck Nr. 272 zur Hand zu nehmen. — Herr Abgeordneter von, Thadden, bitte!
Herr Präsident! Ich habe dem Vorgänger 'auf Ihrem Platz bereits mitgeteilt, daß durch ein Versehen „§ 90" geschrieben worden ist. Schließlich gehört der Abänderungsantrag sachlich nicht dort hin, sondern in den Artikel 3, und zwar zum § 316 a. Ich bitte, ihn erst dann zu behandeln, wenn dieser Paragraph an der Reihe ist.
Meine Damen und Herren! Wir stellen dann die Abstimmung über diesen Antrag mit Zustimmxing des Antragstellers zurück und stimmen, na nachdem die dazu gestellten Abänderungsanträge abgelehnt sind, über § 90 a ab. Ich bitte diejenigen, die" dem § 90 a in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe nun auf § 91 mit dem Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 6. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der KPD. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die dem § 91 in der. Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit, angenommen.
§ 92. Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr eigenartig, daß Sie ausgerechnet bei einer solchen Vorlage, bei der es bekanntermaßen um die. Grundlage für die Verhängung von Tausenden von Jahren Zuchthaus geht, in der Bereitstellung von Zeit so bescheiden sind. Sie haben bei Bagatellangelegenheiten sehr viel Zeit gehabt.
Also müssen Sie wohl erlauben, daß man zu diesen Dingen hier etwas sagt. Im übrigen ist es völlig unangebracht, hierbei auf Vorgänge außerhalb der Bundesrepublik zu verweisen.
Sie haben es vorhin abgelehnt, in die Reihe der Verfassungsgrundsätze, die zu schützen sind, die Grundrechte aufzunehmen. Sie haben damit erklärt, daß der Schutz der Grundrechte nicht die elementare Pflicht dieses Staatsgebildes sei. Wer das tut, der hat kein Recht, sich darüber zu beklagen, wenn man ihn der Willkür und des Verfassungsbruchs bezichtigt.
In § 92 wird sehr harmlos über das verbotene „Sammeln von Nachrichten" gesprochen. Es handelt sich hier keineswegs um Delikte des Landesverrats — ich möchte das unterstreichen; denn die sind erst im kommenden Abschnitt behandelt —, sondern um „Nachrichtensammlung", die wiederum verbunden ist mit einem Gesinnungstatbestand, der Absicht, die Bundesrepublik abzulösen' durch ein geeintes demokratisches Deutschland. Solche Art Nachrichtensammlung soll also verboten sein, die der Werbung und der Tätigkeit für die Herbeiführung eines geeinten Deutschlands dienen soll.
Man spricht davon, daß unter dieses Verbot der Sammlung von Nachrichten zu zählen seien auch Nachrichten über Verwaltungen, Dienststellen, ja sogar über einzelne Personen, die sich „im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes" befinden. Was soll das heißen? Das soll wohl heißen, daß man in Zukunft dem Wunsche des Propagandaministeriums zufolge jede Tätigkeit für Zeitungen oder Rundfunkstationen „außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes", mit anderen Worten in der Deutschen Demokratischen Republik unterbinden möchte. Das soll doch wohl heißen, daß man die Anprangerung gewisser Tatbestände, deren Veröffentlichung der Regierung unangenehm ist, mit Gefängnis- und Zuchthausandrohung unterbinden möchte. Ich möchte daran erinnern, daß im letzten Absatz für besonders schwere Fälle eine Strafe von bis zu fünf Jahren Zuchthaus angedroht ist. Wer also tatbestandsgemäß Nachrichten über die illegale Aufrüstung, über die illegale Aufstellung militaristischer Verbände sammelt, wer etwa eine Meinung äußert und sie veröffentlicht,
über bestimmte Funktionen, sagen wir einmal, der „Dienststelle für die Unterbringung auswärtiger Truppenbestände", der Dienststelle Blank also, wer die Dinge beim Namen nennt und sagt, was diese eigenartige Dienststelle im Rahmen des Atlantik-Generalstabs zu tun hat, der kann mit Hilfe des § 92 zu Gefängnis und Zuchthaus verurteilt werden. Selbstverständlich — das wurde auf Anfrage bestätigt — fallen unter die Strafbestimmungen nicht die Versuche zur Sammlung oder Weitergabe von Nachrichten an die Agenten der Besatzungsmacht. Gemäß bestimmten politischen Grundauffassungen wird solcherlei Nachrichtensammlung wahrscheinlich sogar als eine ehrenvolle Tat bezeichnet. Wir haben für solche
ehrenvollen Taten kein Verständnis. Wir verlangen die uneingeschränkte Achtung des Grùndrechts der Meinungs- und Pressefreiheit und darum die Streichung des § 92.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Abänderungsantrag der KPD. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Wir 'stimmen ab über § 92 in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit, der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe auf § 93 mit dem Abänderungsantrag der KPD Umdruck 270 Ziffer 8. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 93 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse zustimmen, die Hand- zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe auf § 94. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD zustimmen, die Hand zu erheben.
— Ich habe keine Wortmeldung. Ich habe vorhin zu Ihnen hinübergeschaut. Ich habe nichts von einer Wortmeldung gesehen. Jetzt habe ich schon mit der Abstimmung begonnen.
Ich bitte also diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD zustimmen, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 94 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 94 ist angenommen.
Ich rufe auf § 95. Dazu liegen vor zwei Abänderungsanträge der KPD auf Umdruck Nr. 270 unter Ziffer 10 a und 10 b. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Wir hätten unter bestimmten Umständen gegen einen solchen Paragraphen gar keine Einwendungen gehabt, wenn es sich etwa um eine klare Vorschrift gehandelt hätte, daß derjenige bestraft wird, der den Bundespräsidenten beschimpft. Die Fassung „Beschimpfung" ist auch im alten Republik-Schutzgesetz enthalten gewesen. Die Fassung „Verunglimpfung" ist eine Neuerung, die auf die Intentionen des Herrn Bundesinnenministers zurückgeht, wahrscheinlich deshalb, weil hier nicht eine Verächtlichmachung oder Beschimpfung im Sinne des alten Gesetzes gemeint ist, sondern eine politische Kritik. Aus diesem Grunde haben wir Einwände zu erheben gegen die Fassung des § 95.
Wir haben außerdem beantragt, den Abs. 3 in I § 95 zu streichen, und zwar aus derselben Überlegung heraus, aus der wir beantragt haben, den § 94 zu streichen, nämlich deshalb, weil hier eine Zweiteilung der Menschen vorgenommen wird, eine Teilung in diejenigen, die eine bestimmte staatsgenehme Auffassung haben, und in die andere Sorte von Menschen, die eine politische Auffassung haben, die der herrschenden Regierung n ich t paßt. Hier in diesem Fall wird der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz offensichtlich gebrochen. Hier wie in § 94 wird die Bestrafung ganz deutlich mit der Gesinnung gekoppelt, einer Gesinnung, die hier umschrieben wird als Absicht, Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik zu fördern. Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik sind aber alle Bestrebungen, die darauf abzielen, die Bundesrepublik durch ein geeintes Deutsch-' land abzulösen. Meine Damen und Herren, weil hier ein Gesinnungsstrafrecht vorliegt, weil derjenige, der eine bestimmte politische Überzeugung hat, härter bestraft werden soll als ein anderer, der diese politische Überzeugung nicht hat, darum lehnen wir den Abs. 3 des § 95 ebenso ab wie den vorangegangenen § 94 und beantragen die Streichung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem . Änderungsantrag der KPD zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich rufe auf § 95 in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun § 96 auf. Hierzu liegt ebenfalls ein Antrag der KPD vor.
Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Das Wort hat Herr Abgeordneter von Thadden. Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar- man kann nicht immer sofort im ganzen Haus herumsehen —, wenn Wortmeldungen zu den einzelnen Paragraphen schriftlich hier eingereicht werden würden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Änderungsantrag ist außerordentlich kurz. Er zielt dahin, in § 96 eine Ziffer 3 einzufügen. Wir haben in Deutschland die anderswo nicht übliche Verfahrensart, in gewissen Zeitabständen die nationalen Symbole und ähnliche Dinge je nach Wetterlage, möchte ich einmal sagen, zu ändern.
Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß Symbole, die nun durch neue abgelöst worden sind, trotzdem bei vielen Leuten nach wie vor in außerordentlich gutem Ansehen stehen.
Mein Antrag verlangt, daß neben den Symbolen des jetzigen Staates auch die Farben und die Flagge, unter denen 1871 das Deutsche Reich gegründet wurde, geschützt werden sollen.
Dies scheint mir recht und billig. Es erscheint mir recht und billig, daß diese Farben, die für Millionen außerordentlich viel bedeutet haben und für außerordentlich viele auch heute noch bedeuten, denselben Schutz genießen,
den der Staatsbürger den jetzigen Symbolen entgegenbringen soll. Das ist der Zweck meines Antrages.
— Davon ist in diesem Antrag keine Rede. 1871 gab es meines Wissens noch keine Hakenkreuzflagge, die ich mit diesem Antrag unter irgendwelchen Denkmalsschutz stellen möchte: Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, diesem ebenso klaren wie einfachen Änderungsantrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag der KPD Umdruck Nr. 270 "Ziffer 11. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag von Thadden und Genossen Umdruck Nr. 272 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die § 96 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — § 96 ist angenommen.
Ich rufe nun auf § 97. Dazu liegen vor ein Änderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 270 und ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 269 Ziffer 2.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mehrheit dieses Hauses hat leider schon durch ihre Abstimmung zu § 88 unter Beweis gestellt, daß sie kein Gewicht darauf legt, dieses Gesetz mit _ einer breiten Basis zu verabschieden. Die unqualifizierbaren Ausführungen, die hier fortgesetzt von der Kommunistischen Partei und Fraktion aus gemacht werden und die ernst zu nehmen oder mit Pathos zu erwidern ich für mein Teil mich weigere, wären halb so unerträglich, wenn es sonst in diesem Hause eine klare demokratische Grundhaltung gäbe. Das Bedauerliche ist, daß es diese Grundhaltung im Hause nicht gibt, jedenfalls nicht bis jetzt. Das hat sich bei der Abstimmung zu § 88 gezeigt und das wird sich bei § 97 wiederum zeigen; denn § 97 ist für die sozialdemokratische Fraktion in dieser Fassung völlig unannehmbar, und die Unannehmbarkeit ist auch in der Ausschußberatung immer wieder herausgestellt worden. Hier weichen Sie mit der Vorlage von den ursprünglichen Zielen des Gesetzes völlig ab. Hier handelt es sich jetzt nicht mehr darum, ein Gesetz gegen die Feinde der Demokratie zu verabschieden, sondern mit § 97 in der gegenwärtigen Fassung machen Sie das Gesetz zu einem Gesetz gegen die Demokratie und zu nichts anderem; denn hier wird ein neuartiger Ehrenschutz in der Weise eingeführt, daß es nicht mehr auf die Personen ankommt, die hinter einem Organ stehen oder die das Organ bilden oder Träger der Rechte einer Institution sind, sondern es wird eine eigentümliche abstrakte „Organehre" oder „Institutionsehre" geschaffen, die verunglimpft werden kann. Damit wird tatsächlich in den politischen Meinungskampf eingegriffen. Diejenigen unter Ihnen, meine Damen und Herren von rechts und aus der Mitte, die im Ausschuß mitgearbeitet haben, wissen ja, daß versucht worden ist, Beispiele zu bilden. ,Über keines der Beispiele hat irgendwie eine Einigung herbeigeführt werden können. Es war z. B. die Frage, ob gesagt werden kann: „Die Politik der Bundesregierung oder einer Landesregierung ist ein Verbrechen." Oder kann gesagt werden: „Die Politik dieser Regierung ist klassenkämpferisch", oder ähnliches? Selbst in unserem Kreise war keine Einigung zu erzielen, ob das eine Verunglimpfung sei oder nicht. Es ist völlig unmöglich, einem Strafrichter eine derartige Bestimmung in die Hand und ihm damit die Möglichkeit zu geben, in den politischen Meinungskampf einzugreifen.
Auch der Hinweis, daß ja vorweg so eine Art Hürde stehe, daß nämlich nur bestraft werden könne, wer in einer bestimmten Absicht handle, und zwar in der Absicht, Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu fördern, vermag die Bedenken nicht zu beseitigen. Auch diese Hürde wird bei einem bloßen Äußerungsdelikt anders zu beurteilen sein als bei Tatbeständen, denen wirklich ein objektiv greifbarer Sachverhalt zugrundeliegt. Wir halten diese Hürde hier in diesem besonderen Falle nicht für ausreichend, sondern sehen die demokratische Meinungsfreiheit in Deutschland auf das schwerste gefährdet, wenn § 97 in dieser Fassung angenommen werden würde.
Das schließt nicht aus, daß wir im Rahmen dieser unmöglichen Vorschrift einen berechtigten Kern anerkennen. Wir alle wissen, daß es vor 1933 sowohl in der Hand der Nationalsozialisten als auch der Kommunisten besonders die Waffe der, sagen wir einmal: Staatsverächtlichmachung gewesen ist, mit der man die Autorität der Weimarer Republik untergraben hat.
Das ist in der Weise geschehen und geschieht auch heute wieder in der Weise, daß Kritiker oder Hetzer solcher Art weder für die jeweilige Regierungsgruppe noch für die Opposition sind, sondern schlechthin das Ganze verwerfen und darauf ausgehen, in den gesetzgebenden Körperschaften und in der von diesen Körperschaften berufenen Regierung die Wählerschaft zu treffen, die Wählerschaft zu entmündigen und um ihre Rechte zu bringen. Wenn man deshalb einen solchen Tatbestand richtig aufbauen will, so muß man nach unserer Meinung eben davon ausgehen, daß Äußerungen getroffen werden sollen, die keine Parteinahme gegen die Politik der jeweils regierenden Gruppe oder die Politik der jeweils opponierenden Gruppe sind, sondern daß es sich um Äußerungen handelt, die das ganze Regime verwerfen, einerlei, wer regiert.
Wir haben versucht, einen solchen Tatbestand in dem von uns neu gefaßten § 97 zu entwickeln. Dabei ist zunächst einmal die Selbstachtung der Wählerschaft als das zu schützende Rechtsgut herausgestellt; denn die Wählerschaft ist es, die von diesen auf eine Diktatur ausgehenden Bestrebungen angegriffen und verächtlich gemacht wird, indem man das Regime, wie sie es für richtig hält und wie es auf Grund von Wahlen zu verfassunggebenden Körperschaften und durch Berufung der Regierung durch die gesetzgebenden Körperschaften ausgeübt wird, angreift und verächtlich macht.
Notwendig ist ferner, daß die Herabsetzung der gesetzgebenden Körperschaften „allgemein" erfolgt, und zwar in der Form, daß die Körperschaften und die von ihnen berufenen Regierungen „als Einrichtungen" herabgesetzt werden; also keine Kritik an der jeweiligen Politik, zumal kein Richter zu beurteilen vermag, ob eine Kritik sachlich oder unsachlich, gerechtfertigt oder ungerechtfertigt, positiv oder negativ, vernünftig oder hetzerisch ist. Das kann nicht judiziert werden, wohl aber kann ein Richter erkennen, ob es dem Täter überhaupt nicht darauf ankommt, in den politischen Meinungskampf einzugreifen, sondern schlechthin die Legitimität des aus Regierung und Opposition bestehenden Ganzen anzugreifen, es zu beseitigen und abzuschaffen. Das ist es, was von neofaschistischer Seite und auch von kommunistischer Seite aus geschieht. So allein kann der Tatbestand aufgebaut werden, wenn durch diese Bestimmung nicht unübersehbares Unheil angerichtet werden soll.
Wir bitten Sie deshalb, den § 97 in der Ausschußvorlage zu streichen und durch einen § 97 zu ersetzen, wie er in Umdruck Nr. 269 formuliert worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe als Mann der konservativen Richtung für die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Arndt Verständnis. Dies gründet sich in erster Linie darauf, daß der § 97 des Ausschußantrages sich in einem falschen Abschnitt befindet, nämlich im Abschnitt über die Staatsgefährdung, während 'er im Regierungsentwurf in einem ganz anderen Abschnitt, im vierten Abschnitt „Herabwürdigung des Staates und der Staatsorgane" enthalten war und nunmehr als eine nach der Meinung der Mehrheit des Hauses eilbedürftige Bestimmung in dieses zuerst zu verabschiedende Strafrechtsänderungsgesetz hineingenommen worden ist.
Nun möchte ich betonen: Wir sollten uns in diesem Hause darüber einig sein, daß wir — gleichgültig wo die Bestimmung steht, ob am richtigen oder am falschen Ort — alle Veranlassung haben, dafür zu sorgen, daß, sei es im Wahlkampf, sei es bei anderen Gelegenheiten, die Einrichtungen, die sich die Republik geschaffen hat, ihre Männer, die für sie eintreten, insbesondere die Organe, die Organträger dieser Regierung besonders geschützt werden, weil durch eine gewisse gehässige Kampfesweise, die von Parteien möglicherweise aller Richtungen gewählt werden könnte, dem Ansehen des jungen, sich erst bewährenden Staates sicherlich geschadet wird. Deswegen, glaube ich, ist eine Strafvorschrift am Platze. Diese kann aber meines Erachtens — und darin stimme ich mit Herrn Dr. Arndt nicht überein — nicht von der Gesinnung des Täters ausgehen. Auch wenn ein treuer Demokrat plötzlich in einer öffentlichen Versammlung — entschuldigen Sie dieses Beispiel, Herr Präsident — den ganzen Bundestag als „Saustall" bezeichnet, so, meine ich, hat er gefehlt und ist unabhängig von seiner Gesinnung strafwürdig. Das ist der Punkt, auf dem wir uns treffen müssen.
— Das war aber klug! — Meine Damen und Herren! Ich muß ausnahmsweise einmal dem Herrn Dr. Kopf recht geben,
und zwar deshalb, weil er sagt, er finde, daß im Grunde genommen die Auffassungen der Regierungskoalition und die des Herrn Abgeordneten Arndt und ' der SPD-Fraktion aufeinander zugingen und sich wahrscheinlich vor dem glücklichen Ende doch noch finden würden. Ich habe diesen Eindruck auch, und ich bin in diesem Eindruck bestärkt, wenn ich mich erinnere, welche Stellungnahme der Abg. Dr. Carlo Schmid bei der Beratung dieses Paragraphen im Rechtsausschuß vertrat. Er bekannte sich nämlich bei der Debatte über diesen Punkt ausdrücklich zum Gesinnungsstrafrecht. Er erklärte ausdrücklich, für den Urteilsspruch des Richters sei entscheidend, ob der Täter mit seiner Gesinnung auf dem Boden dieser Republik stehe oder nicht.
Wer dieses Gesinnungsstrafrecht akzeptiert, der muß sich im Grunde genommen auch damit einverstanden erklären, daß eine bestimmte, nicht gouvernementale Gesinnung von vornherein der Be-
strafung unterliegt. Im sogenannten Heimtückegesetz der Nazidiktatur hieß es, wer gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP mache, werde mit Gefängnis bestraft.
Wir wissen, daß es wegen dieser Bestimmung des Heimtückegesetzes auch Zuchthausstrafen gegeben hat. Genau das, was die Nazis formuliert haben, nämlich „gehässige, hetzerische und von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen", will der Gesetzgeber und im Grunde genommen auch die SPD-Fraktion im § 97 mit Strafe verfolgen. Es handelt sich hier doch nicht um einen persönlichen Schutz von Leuten, die im politischen Leben stehen, um einen Ehrenschutz. Die Bestimmungen über den persönlichen Ehrenschutz sind zur Genüge im § 18? a behandelt.
Hier geht es um etwas anderes. Hier handelt es sich um die Festsetzung der Strafwürdigkeit einer politischen Kritik an der Tätigkeit der führenden politischen Organe des Bundes und der Länder, ja sogar der Gerichte des Bundes und der Länder. Ursprünglich war in der Regierungsvorlage vorgesehen, diesen besonderen, mit Gefängnis garantierten politischen Schutz auch den untersten Gerichten in einem jeden Lande zu gewähren. Jeder Amtsrichter also sollte, um vor „hetzerischer oder gehässiger Kritik" geschützt zu sein — um im Nazij argon zu verbleiben —, diesen Artikel für sich in Anspruch nehmen können.
-Ich möchte an einen Vorgang in Bielefeld erinnern, wo das dortige Gericht in Sachen Kaufmann einige notorische Nazischläger und -mord-gesellen in provozierender Art freisprach. Damals rief der Kreisvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu einer großen Protestkundgebung auf. 35 000 Menschen hatten sich versammelt, um ihrem Protest gegen das unerhörte Urteil des Bielefelder Gerichts Ausdruck zu verleihen. Im Hinblick auf diese Protestkundgebung wurden einige Menschen, darunter auch Redakteure, unter Anklage gestellt und bestraft, weil sie die Tätigkeit des Gerichts „verächtlich Gemacht" hätten.
Ich sehe also den Tag kommen, an dem jeder reaktionäre Richter, allerdings nun nicht mehr der Amtsgerichte, dafür aber der oberen Bundesgerichte und der Landesverfassungsgerichte, sich unter den besonderen Schutz dieses Artikels stellen kann. Das wiegt um so schwerer, wenn man weiß. wie sich die Richterkollegien zusammensetzen, in deren Hand die Entscheidung darüber gegeben ist, was eine „Verunglimpfung eines gesetzgebenden Organs" des Bundes oder einer Regierung des Bundes oder der Länder oder eines deren Mitglieder sein soll. Das sind doch zum großen Teil jene Leute, die unter dem Nazisystem in die juristische Schule gegangen sind,
die dort ihre Bewährungsprobe abgelegt haben. D e n Leuten soll die freie Entscheidung darüber in die Hand gegeben werden, ob die Kritik eines Angeklagten an einer bestimmten Handlung der Regierung oder eines Regierungsmitglieds „verfassungsgefährdend" ist und unter Strafe fällt.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, ist es unmöglich, einer Fassung zuzustimmen, wie sie die Regierung vorlegt; aber ebenso 'unmöglich ist es auch, dem Ersatzvorschlag der SPD-Fraktion zuzustimmen, der im Grunde genommen das gleiche will, es nur mit etwas verfeinerten Umschreibungen ausdrückt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Der weitestgehende Antrag ist der der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 12. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 269 Ziffer 2 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Da das Ergebnis zu unsicher ist, müssen wir es durch Hammelsprung feststellen.
Ich bitte, so schnell wie möglich den Saal zu räumen. Die Damen und Herren Schriftführer bitte ich, ihre Plätze einzunehmen.
Zwischendurch möchte ich folgendes bekanntgeben. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität läßt mitteilen, daß die für 18 Uhr vorgesehene Ausschußsitzung ausfällt und morgen früh um 8.15 Uhr in Zimmer 104, Südflügel, stattfindet. Der Rechtsausschuß sitzt morgen vormittag in Zimmer 106, Südflügel.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Die Abstimmung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung: Ja 114, Nein 168, enthalten 15. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 97 in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 97 ist angenommen.
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Platz zu nehmen. Die Unruhe ist zu groß. Dadurch leidet die Klarheit bei der Abstimmung.
Ich rufe auf § 98. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst vor ein Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 13 auf Streichung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über § 98 in der Fassung der Ausschußvorlage ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 98 ist angenommen.
Wir kommen nunmehr -zum Dritten Abschnitt: Landesverrat. Dazu hat zunächst das Wort als Berichterstatter Herr Abgeordneter Neumayer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe über den Dritten Abschnitt des Gesetzentwurfes zu berichten, über den Abschnitt, der die Bestimmungen über den Landesverrat enthält. Er umfaßt die §§ 99 bis 101. Ebenso wie die Bestimmungen über den Hochverrat waren auch die Bestimmungen über den Landesverrat durch Kontrollratsgesetz Nr. 11 außer Kraft gesetzt: Es war daher unbedingt erforderlich, entsprechende und den heutigen Verhältnissen angepaßte Bestimmun-
gen gegen Landesverrat wieder in das Strafrecht einzubauen, um der Bundesrepublik den notwendigen Schutz gegen Angriffe auf ihre staatliche Sicherheit zu gewähren.
Der Abschnitt über Landesverrat war zunächst Gegenstand der Beratungen eines Unterausschusses, dessen Vorsitz zu führen ich die Ehre hatte. Später wurde die ganze Materie nochmals eingehend 'im gesamten Rechtsausschuß beraten, und das Ergebnis dieser Beratungen liegt Ihnen heute vor. In Abänderung der ursprünglichen Regierungsvorlage hat der Ausschuß es für richtig befunden, zunächst in § 99 die Begriffe des Staatsgeheimnisses und des Verrats klarzulegen. Demnach sind unter Staatsgeheimnis zu verstehen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, insbesondere Schriften, Zeichnungen, Modelle oder Formeln oder Nachrichten darüber, deren Geheimhaltung vor einer fremden Regierung für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Prüfung der Frage, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt, obliegt dem Gericht. Insbesondere ist es auch dessen Aufgabe, festzustellen, ob ein aus dem Inhalt sich ergebendes Bedürfnis zur Geheimhaltung vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts muß es sich um eine Tatsache von Bedeutung handeln, deren Preisgabe den Interessen des Staates zuwiderläuft. Eine formelle Sekretur ist nicht erforderlich.
Der Begriff des Staatsgeheimnisses mußte im Hinblick auf die technischen Errungenschaften der Neuzeit erheblich erweitert werden, und zwar in dem Sinne, daß auch Modelle, Formeln oder Nachrichten darüber umfaßt werden. Wer z. B. eine mathematische Formel, aus der sich neue Erkenntnisse in der naturwissenschaftlichen Forschung ergeben, im Sinne dieser Bestimmungen verrät, macht sich dann des Landesverrats schuldig, wenn die Geheimhaltung dieser Formel vor einer fremden Regierung für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Selbstverständlich fällt unter diesen Begriff des Staatsgeheimnisses auch ein Geheimkode, da es sich hier um eine Schrift handelt und da, wer die Entzifferung dieser Schrift verrät, eine Nachricht über eine Schrift im Sinne dieser Bestimmungen preisgibt.
Verrat im Sinne dieser Bestimmungen begeht, wer vorsätzlich ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten gelangen läßt oder es öffentlich bekanntmacht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet. Der subjektive Tatbestand des Verrats umfaßt somit den Vorsatz, ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten gelangen zu lassen oder öffentlich bekanntzumachen, und gleichzeitig das Bewußtsein, dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder zu gefährden. Die Absicht der Gefährdung ist demnach nicht erforderlich. Es genügt das Bewußtsein der möglichen Gefährdung; denn bedingter Vorsatz ist selbstverständlich ausreichend.
In früheren Bestimmungen war nun der Begriff des Verrats davon abhängig gemacht, daß der Täter das Geheimnis an eine ausländische Regierung gelangen ließ. In den praktisch wichtigsten Fällen, wenn z. B. das Geheimnis einem Agenten einer fremden Regierung verkauft worden war, mußte also dem Täter nachgewiesen werden, daß er die Eigenschaft des Erwerbers als Mittelsmann einer fremden Regierung gekannt hatte oder doch mit der Möglichkeit dieser Eigenschaft gerechnet hatte. Daher hat schon der Entwurf eines neuen
Strafgesetzbuches von 1927 diese enge Fassung des alten Strafgesetzbuches aufgegeben.
Der Ausschuß hat sich dazu entschlossen, den Verrat dann als gegeben zu betrachten, wenn der Täter das Staatsgeheimnis vorsätzlich an einen Unbefugten gelangen läßt oder es öffentlich bekanntmacht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder gefährdet. Unter „Unbefugten" in diesem Sinne ist zu verstehen, daß das Geheimnis jemandem übermittelt wird, vor dem es geheimzuhalten ist. Diese Fassung ist gewählt worden, weil eine verräterische Handlung dann nicht vorliegt, wenn unter den Handelnden eine Offenbarungspflicht besteht. Eine solche Offenbarungspflicht kann auf Grund internationalen Rechts gegeben sein, sie kann auch auf Besatzungsrecht beruhen. Ich verweise in dieser Beziehung auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates zu § 94 auf den Seiten 78 und 79 der Drucksache Nr. 1307. Der Ausschuß tritt diesen Ausführungen bei.
Im Gesamtausschuß wurde nun sehr lebhaft die Frage diskutiert, ob jetzt auch schon Bestimmungen über Verrat gegenüber einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung, auf die die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsrechte übertragen oder zu deren Gunsten sie Hoheitsrechte beschränkt hat, aufgenommen werden sollen. Insbesondere hat sich Herr Kollege Dr. Arndt für einen auch überstaatliche Organisationen umfassenden strafrechtlichen Schutz gegen Verrat eingesetzt. Nach längerer Aussprache entschied sich die Mehrheit des Ausschusses jedoch in ablehnendem Sinne, und zwar mit Rücksicht darauf, daß eine derartige Staatengemeinschaft zur Zeit noch nicht bestehe und man die weitere Entwicklung noch nicht überblicken könne. Für diese Beschlußfassung fiel die Tatsache entscheidend ins Gewicht, daß im Ausland solche Bestimmungen bis jetzt noch nirgends in die Gesetzgebung aufgenommen worden sind. Der Ausschuß beschloß daher mit Mehrheit, derartige Bestimmungen vorläufig zurückzustellen und die Regierung zu ersuchen, den gesetzgeberischen Gedanken im allgemeinen Rahmen der weiteren Behandlung der Strafrechtsnovelle wieder aufzunehmen.
Landesverrat ist nach diesen Ausführungen der Verrat von Staatsgeheimnissen im Sinne des § 99 und wird nach § 100 mit Zuchthaus bestraft. Im Gegensatz zum Hochverrat wurde in bereinstimmung mit dem Entwurf von 1927 davon abgesehen, durch Androhung der Täterstrafe für das Unternehmen den Versuch dem vollendeten Verbrechen gleichzustellen. Hierzu bestand kein Anlaß, da der Versuch nach den §§ 43 und 44 ohnehin mit schwerer Strafe bedroht ist.
Bereits im Regierungsentwurf war die Ausspähung unter Zuchthausstrafe bis zu 10 Jahren gestellt. Der Begriff der Ausspähung diplomatischer Geheimnisse war in den früheren Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuches nicht enthalten. Infolgedessen konnte damals Ausspähung nur als Versuch zum Landesverrat geahndet werden. Hierbei unterlag die Frage, ob Versuch oder Vorbereitungshandlung vorliege, der tatrichterlichen Feststellung. Dies war ein sehr unbefriedigender Zustand, denn der Angeklagte konnte sich sehr leicht damit verteidigen, daß er die Ausführung des Verrats bereits freiwillig aufgegeben habe. Aus diesen Gründen war schon in den Entwurf, von 1927 eine Bestimmung aufgenommen worden, die die Ausspähung von Staatsgeheimnissen als solche
mit Zuchthausstrafe bedroht. Analog den dort vorgesehenen Bestimmungen soll nun nach Beschluß des Rechtsausschusses wegen Ausspähung von Staatsgeheimnissen mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft werden, wer sich ein Staatsgeheimnis verschafft, um es im Sinne des § 99 zu verraten.
Die bisherige Rechtsprechung, meine Damen und Herren, vertrat die Auffassung, daß nur wahre Tatsachen geheimhaltungsbedürftig seien. Demnach schützten die Strafvorschriften des alten § 92 den Staat nur dagegen, daß tatsächlich bestehende Verhältnisse, deren Bekanntgabe das Wohl des Reiches oder eines einzelnen Bundesstaates schädigen oder gefährden würden, allgemein oder doch der daran interessierten Regierung verraten würden. Nur die Enthüllung wirklich vorhandener Geheimnisse, nicht aber die Verbreitung falscher Nachrichten, die ebenfalls zu einer Gefährdung oder Schädigung des Staatswohles führen konnten, war in § 92 mit Strafe bedroht. War die Nachricht nicht wahr, aber vom Täter für wahr gehalten, so kam Bestrafung wegen Versuchs in Frage.
Diese Vorschriften genügen den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr. Bereits in der amtlichen Begründung der Reichstagsvorlage von 1927 war folgendes ausgeführt, was ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier vorlesen will:
in neuerer Zeit ist dem Reiche wiederholt schwerer Schaden dadurch zugefügt worden, daß dem Ausland erdichtete Mitteilungen über geheime Vorgänge politischer oder militärischer Art zugeleitet worden sind. Derartige Machenschaften sind in besonderem Maße geeignet, innen- und außenpolitischen Schaden anzurichten. Bisher war die Möglichkeit einer Bestrafung solcher Umtriebe wenigstens aus dem Gesichtspunkt des Landesverrats nicht gegeben. Der Entwurf füllt diese Lücke aus.
Der Rechtsausschuß hat sich diesen Gründen nicht verschlossen. Bereits im Unterausschuß ist daher die Frage eingehend erwogen worden, ob nicht auch die verräterische Fälschung unter Strafe gestellt werden soll. Da der ursprüngliche Regierungsentwurf Bestimmungen über die verräterische Fälschung nicht enthielt, wurde nunmehr dem Rechtsausschuß, und zwar dem Gesamtrechtsausschuß ein Antrag vorgelegt, der im Anschluß an den Entwurf von 1927 eigene Bestimmungen über die landesverräterische Fälschung vorsah. Der Rechtsausschuß hat sich der Notwendigkeit, auch die verräterische Fälschung zu pönalisieren, nicht verschlossen. Demnach soll nunmehr nach dem Ihnen vorliegenden Entwurf die Herstellung solcher Fälschungen zum Zwecke des Verrats und der Verrat selbst — ohne daß die übermittelten Tatsachen, Gegenstände oder Nachrichten als falsch bezeichnet werden — mit Zuchthaus bestraft werden.
In der Wertung wurde zwischen Landesverrat und verräterischer Fälschung, worunter auch der Verrat von Pseudogeheimnissen fällt, kein Unterschied gemacht. Der Ausschuß glaubte, für beide Tatbestände den Strafrahmen völlig gleich gestalten zu sollen. Die Frage, ob eine Vorschrift über mildernde Umstände eingelegt werden solle, verneinte der Ausschuß in seiner überwiegenden Mehrheit. Man ging hierbei von der Auffassung aus, daß der Täter auch bei der verräterischen Fälschung das Bewußtsein haben müßte, durch die Weitergabe das Wohl der Bundesrepublik zu schädigen. Auch sei die Handlung der verräterischen Fälschung genau so verwerflich, vielleicht noch verwerflicher als die Preisgabe wahrer Staatsgeheimnisse und könne unter Umständen schlimmste Folgen nach sich ziehen. Man denke nur an einen fingierten Vertrag, der in Wirklichkeit nicht besteht und der vielleicht zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion als abgeschlossen vorgegeben wird; und man denke daran, wenn ein solcher fingierter Vertrag andern Mächten zugeleitet wird, welche schlimmen, welche gefährlichen Folgen sich aus einer derartigen Handlungsweise ergeben können.
Analog der Strafandrohung für die Ausspähung soll nach § 100 a Abs. 3 derjenige mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft werden, der sich solche Fälschungen verschafft, um sie zu verraten, ohne sie als falsch oder verfälscht zu bezeichnen.
Nach Abs. 4 sollen falsche, verfälschte oder unwahre Tatsachen, Gegenstände oder Nachrichten darüber Staatsgeheimnissen gleichstehen, die der Täter irrtümlich für falsch, verfälscht oder unwahr hält.
Unter den gleichen allgemeinen Voraussetzungen mußte auch die landesverräterische Beweisvernichtung unter Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren gestellt werden. In diesem Falle glaubte der Ausschuß bei Vorliegen mildernder Umstände auf Gefängnisstrafe — jedoch nicht unter drei Monate — herabgehen zu können.
Der Vorschlag des Rechtsausschusses erfordert nicht mehr wie die Vorlage von 1927, daß das beeinträchtigte Beweismittel dem Beweis eines Rechtsverhältnisses dienen könne, sondern er läßt es genügen, daß das Beweismittel geeignet ist, zum Beweis einer für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik erheblichen Tatsache beizutragen. Auch das Zeugnis kann als Beweismittel im Sinn des § 100 b in Betracht kommen. Der Tatbestand ist beispielsweise erfüllt, wenn der Täter einen Zeugen, der für die Verhandlung mit einem fremden Staat zum Beweis von Tatsachen, welche die auswärtigen Beziehungen des Bundes berühren, gebraucht wird, festhält oder fortschafft, so daß er nicht zur Verfügung der verhandlungführenden Dienststelle steht.
Ich komme nun zur Fahrlässigkeit. Der erste Entwurf der Regierung hatte allgemein für fahrlässigen Landesverrat eine Gefängnisstrafe vorgesehen. In dem Ihnen nun auf Grund der Beschlüsse des Ausschusses vorliegenden § 100 c wird der Begriff der Fahrlässigkeit genauer definiert; denn es mußte ein Unterschied gemacht werden zwischen dem, der in einem kleinen Freundeskreis z. B. ein Staatsgeheimnis ausplaudert und dadurch fahrlässig das Wohl der Bundesrepublik gefährdet, und dem, der z. B. eine Staatsgeheimnisse enthaltende Aktentasche versehentlich liegen läßt und dadurch eine Staatsgefährdung fahrlässig herbeiführt. Im ersten Fall tritt zu der fahrlässigen Gefährdung des Wohls der Bundesrepublik noch der Vorsatz der Preisgabe, allerdings im Vertrauen darauf, daß das Staatsgeheimnis gewahrt werde. Im zweiten Fall dagegen handelt der Täter überhaupt nur fahrlässig. Infolgedessen wurde für den ersten Fall, der auch den Vorsatz der. Preisgabe umfaßt, Gefängnisstrafe allgemein, für den zweiten Fall dagegen Gefängnisstrafe nur bis zu zwei Jahren vorgesehen.
Der nun folgende Abs. 1 des § 100 d bezieht sich auf den Fall, daß jemand — also ein Agent — zu einer fremden Regierung, Partei, Vereinigung oder
einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Gesetzes in Verbindung tritt in der Absicht, einen Krieg, ein bewaffnetes Unternehmen oder Zwangsmaßregeln gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder herbeizuführen oder zu fördern. Soweit es sich um einen Krieg handelt, ist die Bestimmung altes Recht. Derartige Handlungen wurden immer mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren geahndet. Die Entwürfe von 1925 bis 1930 haben neben den Krieg auch bewaffnete Unternehmen, die im Begriff des Strafrechts noch keinen Krieg darstellen, sowie Zwangsmaßregeln — völkerrechtlich gesprochen also Sanktionen — gestellt. Der Ausschuß hat diese Bestimmungen übernommen, und zwar auch in Anlehnung an das geltende schweizerische Recht. In Anpassung an die gegenwärtigen Verhältnisse spricht demnach § 100 d nicht nur von Beziehungen zu ausländischen Regierungen, sondern auch von Beziehungen, die zu einer Partei, einer andern Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes unterhalten werden.
Während Abs. 1 die auf äußere Gefahren für die Bundesrepublik gerichtete Agententätigkeit unter Zuchthausstrafe stellt, behandelt Abs. 2 des § 100 d die Agententätigkeit, die darauf gerichtet ist, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland im Innern zu beeinträchtigen oder die im § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. Dieser Absatz behandelt also die einen Umsturz im Innern erstrebende Agententätigkeit. Die Art der Beziehungen ist in Abs. 1, wo es sich um die äußeren Beziehungen handelt, und im Abs. 2, wo es sich um den innern Schutz handelt, wohl die gleiche; doch die Absicht des Täters ist eine verschiedenartige. Da sie im Abs. 2 im Gegensatz zu Abs. 1 nur auf eine innere Umwälzung gerichtet ist, glaubte man, es bei Androhung einer Gefängnisstrafe belassen zu können, wobei der Versuch strafbar sein soll.
Die Bestimmungen des Abs. 2 und auch des folgenden Abs. 3 waren im früheren Recht nicht enthalten. Dagegen konnte sich die Vorlage an das schweizerische Recht anlehnen, "das bereits seit 1938 ähnliche Bestimmungen entwickelt und jetzt neu formuliert hat. Nach der auch für Deutschland zutreffenden Botschaft des Schweizer Bundesrates an die Bundesversammlung sollen mit diesen Bestimmungen Vorbereitungen zu Angriffen getroffen werden, die aus dem Auslande gegen die Existenz des Staates gerichtet sind, und zwar sollen diese Vorbereitungen in einem möglichst frühen Stadium erfaßt werden. Ebenso wie in der Schweiz fällt auch in Deutschland das bloße Sympathisieren mit einem fremden Staat oder mit Parteien, Vereinigungen oder Einrichtungen außerhalb des Bundesgebietes natürlich nicht unter die einschlägigen Strafbestimmungen, desgleichen nicht die Zustimmung zu einer Kritik des Auslandes an den Verhältnissen der Bundesrepublik. Der Entwurf sieht zwar eine Bestrafung schon dafür vor, daß der Täter mit einem fremden Staat oder mit einer Partei oder mit einer anderen Organisation außerhalb des Bundesgebietes in Verbindung tritt, knüpft diese Bestrafung aber an die weitere Voraussetzung, daß dies in der Absicht geschehen muß, gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Unternehmungen oder Bestrebungen zu unterstützen. Dabei genügt es nicht, daß diese Unternehmungen oder Bestrebungen den politischen Interessen der Bundesrepublik zuwiderlaufen, sie müssen vielmehr gegen die Sicherheit der Bundesrepublik gerichtet sein, worunter sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit zu verstehen ist.
Nach Abs. 3 wird die Strafandrohung ausgedehnt auf den Fall, daß im Inland oder außerhalb vorsätzlich unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art aufgestellt oder verbreitet werden, mit der Absicht, eine der in Abs. 1 oder 2 bezeichneten Maßnahmen oder Bestrebungen herbeizuführen oder zu fördern.
Ich muß hier auf einen Druckfehler aufmerksam machen, der sich in die Drucksache eingeschlichen hat. Zu § 100 d gehört der als eigener Absatz eingefügte Satz „Der Versuch ist strafbar" in den dritten Absatz, so daß der darauf folgende Satz „In besonders schweren Fällen des Abs. 1 ..." usw. als Abs. 4 zu bezeichnen ist.
Für besonders schwere Fälle des Abs. 1 — ich habe das eben schon erwähnt — wurden im Abs. 4 lebenslängliches Zuchthaus, in Fällen der Abs. 2 und 3 Zuchthaus vorgesehen.
Der nun folgende § 100 e befaßt sich mit der sogenannten landesverräterischen Konspiration. Eine solche liegt vor, wenn Beziehungen zu einem fremden Nachrichtendienst mit dem Ziel aufgenommen werden, ein Staatsgeheimnis zu verraten. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist daher, daß es zu dem Verrat noch nicht gekommen ist. Es handelt sich demnach um eine Vorbereitungshandlung, die aber so konkret gestaltet sein muß, daß der nächste Akt zweifellos der Verrat des Staatsgeheimnisses selbst wäre. Eine derartige Handlung muß nach Auffassung des Rechtsausschusses schon wegen ihrer Gefährlichkeit strafbar sein. Die Bestimmung des § 100 e beschränkt sich aber nicht darauf, daß die Beziehungen nur der Mitteilung von Staatsgeheimnissen gelten, sondern sie erfaßt auch eine der vorhin umrissenen Maßnahmen des § 100 d Abs. 1, d. h. also den Fall, daß die Beziehungen einem Krieg, einem bewaffneten Unternehmen oder Zwangsmaßnahmen gegen die Bundesrepublik dienen sollen. In diesem Falle soll wegen der Schwere der Absicht und der Schwere des Ziels die Strafe die gleiche sein wie bei der Aufnahme von Beziehungen zum Zwecke des Verrates von Staatsgeheimnissen. Der Tatbestand dieses Paragraphen stellt also eine Vorbereitungshandlung zum Landesverrat und zu der Agententätigkeit in den schweren Fällen des § 100 d Abs. 1 unter Strafe.
Der nun folgende § 100 f behandelt die landesverräterische Untreue. Diese hat bereits im alten deutschen Strafgesetzbuch als schweres Verbrechen gegolten. Auch in den Entwürfen der Jahre 1925 bis 1930 und im Entwurf des Jahres 1934 ist sie wiederum mit Strafe bedroht worden. Die Tat besteht darin, daß ein Beauftragter der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder ein Staatsgeschäft mit einer fremden Regierung, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung vorsätzlich zum Nachteil seines Auftraggebers führt. Mit Vorbedacht wurde an Stelle des früheren Textes nicht von einer ausländischen, sondern von einer fremden Regierung gesprochen. Der Ausschuß war sich bewußt, daß das Wort „Auftrag" im zivilrechtlichen Sinne eine andere Bedeutung hat, man glaubte aber mit Rücksicht darauf, daß der Ausdruck „Beauftragter" in sämtlichen Strafgesetzentwürfen enthalten ist, sich an diese Terminologie halten und von dem Ausdruck „Bevollmächtigter" Abstand nehmen zu sollen.
Die Bestimmungen des § 97 des ursprünglichen Regierungsentwurfs sollen der_ weiteren Behandlung des Gesetzentwurfs vorbehalten und nicht in den Abschnitt „Landesverrat" aufgenommen werden.
Ich habe nun nur noch den letzten Paragraphen meines Abschnittes, den § 101, zu erwähnen, der die Nebenstrafen behandelt. Er bedarf meiner Auffassung nach keiner weiteren Erörterung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Es ist vorgesehen oder vorhin vom Plenum hier beschlossen worden, den dritten Abschnitt insgesamt zu besprechen. Ich rufe also nicht die einzelnen Paragraphen auf, sondern den gesamten dritten Abschnitt und bitte die Damen und Herren, die dazu zu sprechen oder Abänderungsanträge zu begründen haben, sich dann zu Wort zu melden. Das bezieht sich also auf die §§ 99 bis 101.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutigen Verhandlungen haben gezeigt, daß Hoffnung besteht, ,die beiden Teile des Hauses zu einer gemeinsamen Beschlußfassung zu einigen. Wir wollen den Gang ,der zweiten Lesung nicht aufhalten; aber wir wollen zwischen der zweiten und dritten Lesung, wie das der Herr Präsident bereits mitgeteilt hat, noch einmal eine Sitzung des Rechtsausschusses durchführen, die insbesondere auch die Ziffer 3 ,des Antrages Ollenhauer und Fraktion mitbehandelt und die Anträge des Herrn Kollegen Ewers würdigt, die uns erst zu Beginn 'dieser Sitzung zur Kenntnis gebracht worden sind. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich die Damen und Herren des Rechtsausschusses bitten, sich morgen um 11 Uhr in unserem Sitzungszimmer 106 einfinden zu wollen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gewiß lästig, in der zweiten Lesung zu einer so schwierigen Gesetzesmaterie wie der durch das Referat des Herrn Neumayer behandelten hier Einzelausführungen zu machen. Ich halte mich aber als Jurist für verpflichtet, auf gewisse Dinge hinzuweisen. Da es sich dabei auch um die Auffassung 'des juristisch nicht vorgebildeten Laien handelt, der das Gesetz anwenden soll, ist es wohl erwünscht, daß ich meine Bemerkungen so interessant mache, daß alle zuhören.
Im § 99, zu dem ich zunächst spreche, ist, worüber man sich einig ist, nicht der innerdeutsche Landesverrat unter Strafe gestellt. Zwischen den einzelnen Bundesländern unserer Bundesrepublik gibt es natürlich keinen Landesverrat. Das soll nach dem Text dadurch zum Ausdruck kommen, daß im ersten Absatz von § 99 bei dem Staatsgeheimnis davon die Rede ist, daß die Geheimhaltung vor einer „fremden Regierung" für das Wohl des Staates von Bedeutung ist. Es ist bewußt, wie wir gehört haben, der Ausdruck „ausländisch" vermieden. Dafür habe ich volles Verständnis.
Nun handelt es sich nicht nur um das Wohl der Bundesrepublik selbst, sondern auch um das
„eines ihrer Länder"; und vom Standpunkt eines << der Länder aus ist jede andere Landesregierung eine „fremde" Regierung. Gerade da es sich aber um „Landes" verrat handelt, könnte man leicht auf den Verdacht kommen, daß auch 'der innerdeutsche Landesverrat strafbar sein solle. Jedenfalls ist das nicht mit der mir erforderlich erscheinenden Sicherheit ausgemerzt. Diese Ausmerzung geschieht nach meinem Vorschlag dadurch, daß ich die Begriffe, die im § 100 b mit Recht verwandt worden sind, hier auch schon einmal einfügen und deswegen sagen möchte:
. . . deren Geheimhaltung vor der Regierung eines fremden Staates oder eines außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes belegenen Gebiets für das Wohl der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder erforderlich ist.
Damit ist klargestellt: es handelt sich nicht um das Wohl eines Landes gegenüber einem andern Lande. Ich halte diese Klarstellung für dringend geboten.
Ich darf meine Anträge, die einen gewissen inneren Zusammenhang haben, gleich in einem Zuge begründen. Der § 100 a ist seit der Novelle vom 24. April 1934 Bestandteil unseres bisherigen Strafgesetzbuches; er ist also durch ein Nazigesetz in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Er war vorher in der Strafrechtskommission des alten Reichstages besprochen worden und hatte schon damals diese Fassung. Ich bedaure, vor diesen großen juristischen Vätern nicht hinreichende Achtung zu haben, um zu sagen: Damit ist der Text geheiligt. Denn in den drei ersten Absätzen von § 100 a wird vorgesehen, daß man eine „Fälschung" verraten kann. Das ist. ausgeschlossen. Man kann keine Fälschung verraten. Eine Fälschung kann man nur dadurch verraten, daß man dem Empfänger erklärt: Es ist eine Fälschung, — falls er das nicht wissen sollte. Dann nur ist die Fälschung „verraten". — Es ist aber auch kein Verrat im Sinne des ganzen Abschnittes, weil Verrat im Sinne des § 99' Abs. 2 nur der Verrat eines Staatsgeheimnisses ist. Nun ist eine Fälschung das genaue Gegenteil des Verrats eines Staatsgeheimnisses, nämlich ein Betrug, der nach Analogie einer falsch ausgestellten Urkunde zum Z wecke der Täuschung mit den ersten drei Absätzen des § 100 a unter Strafe gestellt werden soll; strafbar also ist das Täuschungsmanöver, das dem Empfänger dieser Unterläge einen Landesverrat vortäuscht und damit die Bundesrepublik schwerstens gefährdet.
Ich begrüße es, daß man diese Paragraphen noch, einmal im Rechtsausschuß prüfen will. Denn meine Eventualvorschläge reichen mir nicht weit genug; das sage ich Ihnen ganz offen. Es ist nämlich die Frage, ob 'deshalb, weil im § 99 Abs. 2 der Verrat auf ein Staatsgeheimnis exemplifiziert, durch dessen Weitergabe das Wohl 'der Bundesrepublik gefährdet ist, auch gemäß § 100 a die Voraussetzung der Gefährdung schon erfüllt ist, obwohl gar kein Staatsgeheimnis, sondern eine Fälschung verbreitet wird. Es muß daher meines Erachtens sorgfältigerweise das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung auch in den § 100 a aufgenommen werden.
Ich bin also der Ansicht, daß die Zurückverweisung zu einer weitgehenden Überprüfung erforderlich ist. Ich bin auch der Meinung, daß man wie bei anderen Paragraphen nur so auch in diesem Sonderfall den eingeschlichenen Mangel
ausmerzen sollte. Dies kann man dem weiteren Bericht des Ausschusses überlassen, wenn man sich darüber noch weitere Gedanken machen will.
§ 100 c behandelt die Fahrlässigkeit. Der Berichterstatter hat Ihnen erzählt, daß es sich hierbei um ein völlig neues Rechtsgut handelt, das inzwischen gegenüber der ursprünglichen Vorlage geändert worden ist. Die Situation ist historisch so: Eine entsprechende Bestimmung war einmal im alten 1934er Nazirecht enthalten, nachdem sie im Rechtsausschuß des alten Reichstags abgelehnt worden war. Die erste Frage ist die, ob wir im Gegensatz zu diesen früheren Juristen heute den fahrlässigen Landesverrat für ein strafwürdiges Vergehen halten, was ich bejahe.
Die fahrlässige Tat kann in dreierlei Weise begangen werden. Abs. 1 sieht vor vorsätzliches Ausplaudern und aus Schlafmützigkeit Nichtbedenken, daß dadurch eine Gefährdung eintritt. Deswegen spricht man von fahrlässiger Gefährdung. Abs. 2 sieht vor: den Transport eines Staatsgeheimnisses, die bekannte abhanden gekommene Aktentasche. Vergessen ist alber meines Erachtens der Hauptfall der Fahrlässigkeit: Nichterkennen, daß es sich um ein Staatsgeheimnis handelt, wenn also das Gericht feststellt, daß es sich um ein solches handelt, der Täter aber sagt: Bei aller Sorgfalt konnte ich das nicht wissen. Dann ist die Frage die: Handelte er fahrlässig, oder handelte er nicht fahrlässig? Dieser Fall ist überhaupt nicht erwähnt. Ich halte auch diesen Fall für strafbar; denn selbstverständlich muß beidiesen gefährlichen Dingen die Sorgfalt je nach der Natur des Täters prästiert werden.
Mein Vorschlag für die dritte Lesung geht dahin, grundsätzlich eine Strafe für Fahrlässigkeit vorzusehen, eine grundsätzliche Ermächtigung für alle Fälle und dann, wenn der Täter ein Beamter, ein Beauftragter oder ein Dienststelleninhaber ist, ihn mit größerer Schärfe zu bestrafen als einen Laien, der zufällig Gelegenheit zum Verrat hat. Ich brauche meinen Vorschlag wohl nicht zu verlesen.
§ 100 f schließt an § 99 an. Hier ist landesverräterische Untreue behandelt. Auch diese könnte nach der Fassung „fremden" Regierungen gegenüber, etwa bei Verhandlungen zwischen deutschen Ländern, zur Erörterung stehen. Denn wie gesagt, die Regierung von Niedersachsen ist der Regierung von Hessen gegenüber eine „fremde", sie ist für Hessen jedenfalls keine eigene. Um diese Auslegung auszuschließen, mache ich meinen Vorschlag.
Ich habe gar nichts dagegen einzuwenden, daß meine Anträge heute nur angekündigt werden; ich . werde sie erst in der dritten Lesung stellen. Denn ich möchte das Haus heute nicht vor die Lage stellen, über Dinge ,zu entscheiden, die noch nicht ausgewogen sind. Ich bin daher Herrn Dr. Laforet für seine Ausführungen dankbar. Ich möchte daher die Anträge jetzt nur ankündigen; ihre Stellung behalte ich mir je nach dem Votum des Rechtsausschusses für die dritte Lesung vor.
Herr Abgeordneter, darf ich gleich zur Klarstellung etwas einwenden. Es liegen Anträge Ihrer Fraktion vor. Diese werden also heute nicht zur Abstimmung gestellt?
Nein, das hat keinen Zweck, weil die Mehrheit heute nicht im Bilde ist.
Sie sind also für heute zurückgezogen?
Das will ich nicht sagen; angekündigt sind sie für die dritte Lesung.
Jedenfalls aber für die jetzige Abstimmung zurückgezogen! — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion stimmt den Vorschriften über Landesverrat grundsätzlich zu, hält jedoch mit Rücksicht auf die bedauerliche Rechtsprechung des früheren Reichsgerichts, die sich an den Namen Ossietzky knüpft, eine Klarstellung für unerläßlich.
Der Abschnitt 3 unseres Gesetzes umfaßt sowohl den Verrat echter Staatsgeheimnisse wie auch den scheinbaren Verrat erfundener Staatsgeheimnisse. Die erfundenen Staatsgeheimnisse können natürlich auch illegale Tatsachen umfassen. Das wird dabei gerade der gefährlichste und schmählichste Verrat sein. Bei einem echten Staatsgeheimnis dagegen kann nach unserer Auffassung schutzwürdig nur ein Umstand sein, der mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung steht. Andernfalls wäre auch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährdet. Zur Klarstellung darf ich auch darauf hinweisen, daß sich ja nach den insoweit einhellig angenommenen Bestimmungen des § 88 Abs. 2 Ziffer 2 und des § 89 mit Zuchthaus strafbar macht, wer es unternimmt, durch Mißbrauch von Hoheitsbefugnissen die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung oder die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht zu beseitigen oder zu beeinträchtigen. Unmöglich kann also als Landesverrat strafbar sein die Offenbarung eines Sachverhalts, dessen Herbeiführung nach diesem Gesetz mit Zuchthaus bedroht wird. Aber wegen der Vergangenheit halten wir die Klarstellung für notwendig. Darauf bezieht sich unser Antrag, in § 100 und in § 100 c — das sind die beiden Fälle des Verrats eines echten Staatsgeheimnisses — einzufügen: „ein mit der verfassungsmäßigen Ordnung vereinbares". Denn nur ein solches Staatsgeheimnis ist schutzwürdig und nur durch den Verrat eines solchen Staatsgeheimnisses kann auch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir nicht möglich, im Rahmen dieser Debatte auf alle Einzelfragen einzugehen, die in dem Abschnitt über den Landesverrat behandelt sind. Ich erlaube mir darum, mich auf die entscheidenden Fragen zu beschränken. Unter allen wichtigen Fragen scheint mir die wirklich ausschlaggebende in dem ganzen Absatz diejenige zu sein, um die es der Regierung offensichtlich in erster Linie ging, als sie' sich daran machte, die alten Bestimmungen über den Landesverrat zu überholen und zu ergänzen. Ich meine die Bestimmung, die in § 100 d enthalten ist und durch welche ein Teil Deutschlands, die Deutsche Demokratische Republik, zum Ausland erklärt und durch welche alle Beziehungen, die zu diesem Teil Deutschlands aufgenommen oder unterhalten werden, unter die Strafdrohung des Landesverrats gestellt werden. Alles andere wären fast nebensächliche Dinge, wenn in § 100 d Abs. 2 nicht bestimmte Beziehungen zu einem Gebiet, wie es heißt, „außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes" angesprochen wären, Beziehungen, die man darum
bestrafen möchte, und zwar nicht nur mit Gefängnis, sondern in schweren Fällen mit Zuchthaus, weil sie in der politischen Absicht aufgenommen sind, den gegenwärtigen Zustand der Spaltung Deutschlands zu beenden und im Einvernehmen mit unseren Brüdern und Schwestern im Osten Deutschlands ein geeintes demokratisches und 'unabhängiges deutsches Staatswesen zu schaffen.
Ich will nicht über den ersten Absatz des § 100 d sprechen, der nur zur Tarnung des Hauptzwecks des ganzen Paragraphen vorausgestellt ist. Selbstverständlich würden wir keine Einwände erheben, wenn beabsichtigt wäre, Beziehungen unter Strafe zu stellen, die in der Absicht aufgenommen sind, einen Krieg gegen das Bundesgebiet heraufzubeschwören. Aber, wie gesagt, das ist nur aus Schönheitsgründen vorangestellt. Dann kommt jedoch die Feststellung: Wenn der Täter in der Absicht handelt, sonstige Maßnahmen oder Bestrebungen einer Regierung, einer Partei, einer anderen Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes herbeizuführen oder zu fördern, dann ist die Strafe Gefängnis, nämlich wenn er zu einer Regierung, zu einer Partei, zu einer Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des Bundesgebiets „Beziehungen aufnimmt oder unterhält". Meine Damen und Herren, warum spricht die Bundesregierung, warum spricht auch die SPD-Fraktion nicht offen aus, welche Ungeheuerlichkeit hier vorgesehen ist?
— Die SPD-Fraktion hat gegen diese Bestimmungen keinen Einspruch erhoben. Sie hat ausdrücklich erklärt, daß sie mit Ausnahme der Punkte, die von Herrn Arndt zitiert worden sind, keine Einwände gegen den ganzen Abschnitt Landesverrat zu erheben hat. Wenn das also zutrifft, dann ist man damit einverstanden, daß in dieser Vorlage erstmals in einem deutschen Gesetz ein Teil Deutschlands zum Ausland erklärt wird und Beziehungen zu diesem Teil Deutschlands unter die Bestimmungen des Landesverrats gestellt und mit Gefängnis- und Zuchthausstrafe bedroht werden.
Sie haben auch die Formulierung gutgeheißen, daß entgegen der früheren Übung nicht mehr von einer auswärtigen Macht, sondern einfach von „Unbefugten" gesprochen wird. Wenn es Ihnen darum ginge, nur landesverräterische Beziehungen zu einer ausländischen Macht unter Strafe zu stellen, warum beantragen Sie dann nicht wie wir, den Ausdruck „Unbefugten" durch den klaren und für jeden verständlichen Ausdruck „eine ausländische Macht" zu ersetzen? Weil Sie diese These, daß die Deutsche Demokratische Republik Ausland sein soll, eben unterstützen und mit der Zustimmung zu diesen Bestimmungen noch besonders unterstreichen. Ich frage: Was verstehen denn die Herren, die diese Formulierungen geschaffen haben, unter einem „Unbefugten"? Wie soll denn ein Richter klar beurteilen können, wer ein „Unbefugter" und wer ein „Befugter" ist? Noch immer gab es in allen Bestimmungen aller Länder über den Landesverrat die Voraussetzung, daß das Delikt die Preisgabe von Staatsgeheimnissen an eine ausländische Macht beinhaltet. Die Formulierung „an einen Unbefugten" ist nicht bloß eine Gummibestimmung, die den Richtern freie Hand gibt zu jeglicher willkürlichen Entscheidung, sondern diese Bestimmung will absichtlich Unklarheit und Dunkelheit über den Sinn dieses Paragraphen verhängen, damit man mit dem Odium des Landesverrats einen ieden Deutschen behaften kann, der auf dem Standpunkt steht, daß der gegenwärtige Status Deutschlands, der Status der Gespaltenheit, abgelöst werden muß und daß, um dieses Ziel zu erreichen, nicht nur die Beziehungen zu, sondern die Zusammenarbeit mit allen Deutschen
nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines jeden ist, der seine Heimat liebt.
Meine Damen und Herren! Es war in den Ausschußberatungen auch davon die Rede, welche Art von Staatsgeheimnissen unter den besonderen Schutz der Landesverratsbestimmungen gestellt werden kann. Aus der bisherigen Debatte ging nicht ganz klar hervor, welche Meinungsverschiedenheit dieser Debatte zugrunde lag.
Es wurde nämlich die Frage gestellt: Sollen mit Gefängnis- und Zuchthausdrohung auch solche sogenannte Staatsgeheimnisse geschützt werden, die einen illegalen Tatbestand ausmachen oder, um es
deutlicher zu machen, auch solche Staatsgeheimnisse, die bestimmte Vorgänge wie eine widergesetzliche Aufrüstung, wie die widergesetzliche Aufstellung militärischer Verbände darstellen? Es wurde der Name Carl von Ossietzky genannt. Ich glaube, daß es manche Damen und Herren in diesem Hause gibt, die nicht ganz verstanden haben, was mit der Nennung dieses Namens eigentlich gemeint war.
Carl von Ossietzky wurde bekanntlich zu Festungshaft verurteilt, weil er wahre Tatbestände über die illegale Aufrüstung in der Weimarer Republik, wahre Tatbestände über die Schwarze Reichswehr veröffentlichte. Er wurde darum verurteilt, weil sich das damalige Reichsgericht auf den Standpunkt stellte, er habe „Staatsgeheimnisse" preisgegeben und das sei Landesverrat.
Sie wollen also eine lex Ossietzky schaffen, Sie wollen das, was damals offensichtlicher Rechtsbruch des Reichsgerichts war, formell legalisieren, indem Sie die Veröffentlichung illegaler Geheimnisse unter Strafe stellen und sie mit dem Odium des Landesverrats beschmutzen.
Schließlich gab es im Ausschuß eine interessante Debatte über die Frage, ob eine „Staatengemeinschaft" oder eine „zwischenstaatliche Einrichtung", auf die die Bundesrepublik irgendwann einmal gewisse Hoheitsrechte übertragen möchte, den gleichen Schutz der Landesverratsbestimmungen genießen sollte wie die Bundesrepublik selbst. Der einfache Mensch versteht nicht gleich, was damit gemeint ist. Gemeint ist — und das wurde offen ausgesprochen —, daß Einrichtungen wie etwa der Europarat oder der Atlantikpakt oder die kommende Hohe Behörde des Schumanplans solche „überstaatlichen oder zwischenstaatlichen Einrichtungen" sind, die kraft dieses Gesetzes den besonderen Schutz der Landesverratsparagraphen genießen sollen. Es gab einige ängstliche Leute im Ausschuß, die etwas erschreckt waren, als sie das so deutlich hörten, und die darum für die Zurückziehung dieser bereits formulierten Bestimmung eintraten. Als ihnen aber dann der Staatssekretär des Justizministeriums klarmachte, hier lägen „staatspolitische Überlegungen" vor und dem Bundeskanzler sei viel daran gelegen, daß diese Schutzbestimmungen für die Hohe Behörde des Schumanplans nicht definitiv ad acta gelegt, son-
dern nur vorläufig zurückgestellt würden, weil sie gegenwärtig etwas „verfrüht" seien, da fiel die ganze Front der Ängstlichen zusammen, und sie waren damit einverstanden, daß das zurückgestellt werden sollte, mit dem ausdrücklichen Wunsch, die Bestimmungen im kommenden Herbst in anderer gesetzlicher Fassung wiederzusehen.
Ist es nicht wirklich eine Ironie, wenn wir bei dieser Debatte die Vertreter der SPD besonders warm dafür eintreten sahen, daß diese Bestimmungen des Schutzes internationaler Behörden wie der Hohen Behörde des Schumanplans
heute schon in das Strafgesetz aufgenommen werden?
— Herr Kollege Dr. Arndt, Sie haben g e g en die Zurückstellung dieses Absatzes gestimmt.
— Sie haben gegen die Zurückstellung des Absatzes gestimmt, in dem verlangt wird, daß dem Wohle der Bundesrepublik Deutschland das Wohl einer „Staatengemeinschaft" oder einer „zwischenstaatlichen Einrichtung" gleichgestellt würde. Sie wußten genau, daß mit diesen Bezeichnungen Institutionen wie der Atlantikpakt, der Europarat und die Hohe Behörde des Schumanplans gemeint waren. Es ist interessant, daß im gleichen Augenblick, wo die führenden Vertreter der Sozialdemokratischen Partei große Worte gegen den Schuman-plan verlieren, ihre rechtskundigen Sprecher sich dafür ereifern, daß diese Behörde, noch ehe sie geschaffen ist, den Sonderschutz von Landesverratsparagraphen genießen soll. Es wäre sehr gut, wenn diese doppelte Buchführung einmal draußen den Arbeitern in der Metallindustrie und im Bergbau mitgeteilt würde, damit sie genau wissen, was sie von der „Gegnerschaft" der sozialdemokratischen Führung gegen den Schumanplan zu halten haben.
Wir werden aus den Gründen, die ich dargelegt habe, für die Streichung einer ganzen Reihe von Paragraphen eintreten. Das betrifft in erster Linie die Formulierungen über den „Unbefugten" in § 99 und folgende, das betrifft vor allem die Formulierungen des § 100 d Abs. 2 und folgende, in denen die Deutsche Demokratische Republik zum Ausland erklärt und die Beziehungen zu ihr, ihren Repräsentanten und ihren Menschen als Landesverrat bezeichnet werden. Schließlich beantragen wir die Streichung der sogenannten Nebenbestimmungen in § 101, die in diesem Abschnitt ebenso wie den vorausgegangenen Abschnitten über Staatsgefährdung und Hochverrat jenen Menschen, die wegen solcher Delikte zu einer Gefängnisstrafe verurteilt sind, das Recht, zu wählen und gewählt zu werden, aberkennen möchten. Wir wenden uns gegen die ungeheuerlich diffamierende Bestimmung, daß Menschen, die wegen eines politischen Gesinnungsdeliktes zu einer Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis verurteilt werden, auch der Mandate verlustig erklärt werden sollen, die ihnen auf Grund öffentlicher Wahlen gegeben worden sind. Diese Ungeheuerlichkeit in einem deutschen Strafgesetz ist nicht nur neuartig, sie ist einmalig! Ich wünschte, auch die Herren der sozialdemokratischen Fraktion würden draußen im Lande, ihren Wählern gegenüber, offen bekennen, daß sie hier im Bundestag der Schaffung eines ungeheuerlichen Paragraphen zugestimmt haben, einer Bestimmung, die die Rechte ungültig machen soll, die kraft eines demokratischen Wahlaktes an Beauftragte des Volkes ergangen sind.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Zu § 99 liegt ein Abänderungsantrag der KPD, Ziffer 14 auf Umdruck Nr. 270, vor. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um s die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 99 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun § 100 auf. Dazu liegt der Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 269 Ziffer 3 vor. Ich bitte diejenigen, die dieser Abänderung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die § 100 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 100 a auf. Dazu liegt kein Abänderungsantrag vor, nachdem mir seitens der Fraktion der Deutschen Partei mitgeteilt worden ist, daß sie die Abstimmung über ihre Anträge erst in der dritten Lesung wünscht. Ich bitte diejenigen, die dem § 100 a in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angnommen.
Ich rufe § 100 b auf. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 15 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Ab- änderungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Mehrheit war gegen die Annahme; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 100 b in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 100 c auf. Dazu liegt ein Antrag der KPD auf Neufassung des Abs. 1 vor. Ich bitte diejenigen, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt.
Zu Abs. 2 liegt ebenfalls ein Abänderungsantrag der KPD vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem § 100 c in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben.
— Der steht hier nicht vermerkt!
Zu diesem Paragraphen liegt also der Abänderungsantrag der SPD vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 100 c in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 100 c ist angenommen.
Ich rufe § 100 d auf. Auch hier liegt ein Streichungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 270 Ziffer 17 vor, und zwar dahingehend, die Worte „oder Zwangsmaßregeln" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt worden.
Weiterhin hat die Fraktion der KPD beantragt, den Abs. 2 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Streichung ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 100 d. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen an-' genommen.
Ich rufe § 100 e auf. Es liegt der Antrag der Fraktion der KPD vor, den § 100 e zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist auch — so darf ich annehmen — der § 100 e in der Fassung der Vorlage genehmigt worden.
§ 100 f. Dazu liegt ein Antrag der Fraktion der DP — —
— Ich höre, daß er zurückgestellt ist. — Es liegt also kein Abänderungsantrag vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 100 f zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
§ 101. Dazu der Antrag der Fraktion der KPD auf Streichung, Ziffer 20 auf Umdruck Nr. 270. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich stelle fest, daß mit der Ablehnung dieses Antrags der § 101 angenommen ist.
Ich rufe Art. 2 auf.
Zu den „Weiteren Änderungen" ist Herr Abgeordneter Dr. Kopf Berichterstatter. Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Außer den Tatbeständen des Hochverrats, der Staatsgefährdung und des Landesverrats enthält das Strafrechtsänderungsgesetz 1951 eine Anzahl weiterer Änderungen des Strafgesetzbuches sowie Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung.
Zunächst enthält der Entwurf eine Bestimmung über den Geltungsbereich des Gesetzes. Während für die strafbaren Handlungen von Inländern das Personalprinzip gilt, gilt für die strafbaren Handlungen von Ausländern das Territorialprinzip. Dieser Grundsatz wird durch eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen. Der Entwurf fügt den bisherigen Ausnahmen die weitere hinzu, daß hoch- oder landesverräterische Handlungen gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder und Verbrechen des Verfassungsverrats unabhängig vom Rechte des Tatorts auch dann bestraft werden, wenn diese Handlungen von einem Ausländer im Ausland begangen worden sind.
Es sind sodann als §§ 106 a und 106 b Bestimmungen über den Schutz des befriedeten Bannkreises eingefügt worden. Bereits in der Weimarer Zeit ist durch ein Gesetz vom 8. Mai 1920 erstmals der Begriff des befriedeten Bannkreises. um Parlamentsgebäude in die Gesetzgebung eingeführt worden. § 4 dieses Gesetzes vom Jahre 1920 hat bestimmt:
Wer vorsätzlich Anordnungen übertritt, die der Präsident des Reichstages oder eines Landtages über das Betreten eines Gebäudes oder über das Verhalten in Gebäuden erlassen hat, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.
Diese Gesetzgebungspraxis wird nunmehr wieder aufgenommen in Übereinstimmung mit den Vorschlägen, die das Versammlungsordnungsgesetz in seinem § 16 enthält. In dieser Bestimmung werden. öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge innerhalb des befriedeten Bannkreises der Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder verboten. Nach den Vorschlägen des 5. Ausschusses können von der Bundes- bzw. Landesregierung mit Zustimmung des Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft Ausnahmen gemacht werden.
Die neuen Paragraphen sehen vor, daß derjenige, der innerhalb des befriedeten Bannkreises um das Gebäude eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes an öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder an Aufzügen teilnimmt und dadurch die Bannkreisvorschriften verletzt, mit Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden kann. Ebenso macht sich strafbar, wer vorsätzlich gegen Anordnungen verstößt, die das Gesetzgebungsorgan des Bundes oder des Landes oder sein Präsident über das Betreten des Parlamentsgebäudes oder über das Verweilen in diesem Gebäude und für die Sicherheit und Ordnung erlassen hat.
Bereits in der amtlichen Begründung des Gesetzes von 1920 ist zum Ausdruck gebracht worden, es entspräche der Natur der Sache, daß der Präsident von seiner Befugnis nur gegenüber dem Publikum, nicht auch gegenüber den Abgeordneten, den Mitgliedern der Regierung und des Reichsrates Gebrauch machen werde. In Anknüpfung an diesen Gesichtspunkt, zugleich aber auch in seiner Abwandlung, ist in § 106 b Abs. 2 ausgesprochen worden, daß die Strafvorschrift des Abs. 1 bei Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans des Bundes, eines Landes oder der Präsidenten für die Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung und der Gesetzgebungsorgane der Länder nicht gilt.
Die folgenden Bestimmungen stellen den Mißbrauch des Rechts auf Vereinigungsfreiheit unter Strafe. In Art. 9 des Grundgesetzes ist das Recht,
Vereine und Gesellschaften zu bilden, als ein Grundrecht anerkannt worden. Es ist dabei jedoch zum Ausdruck gekommen, daß bestimmte Arten von Vereinigungen verboten sind. Vereinigungen, 'die darauf abzielen, strafbare Handlungen zu begehen, und Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten. Der vorliegende Entwurf unterscheidet zwischen diesen beiden Arten von Vereinigungen. Über den Mißbrauch des Vereinigungsrechts durch Schaffung von Vereinigungen, deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, strafbare Handlungen zu begehen, enthält § 129 des Gesetzentwurfs die entsprechende Strafbestimmung. Es kann sich bei diesen strafbaren Handlungen um Delikte rein krimineller Art, aber auch um politische Delikte handeln. Nach § 129 des Gesetzentwurfs werden der Gründer, aber auch derjenige, der sich als Mitglied einer solchen verbotenen Vereinigung betätigt, eine solche Vereinigung unterstützt oder zu ihrer Gründung auffordert, mit Gefängnis bestraft. Wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern gehört, tritt eine Schärfung des Strafmaßes ein.
Schwieriger erweist sich die Regelung der anderen Art des Vereinigungsmißbrauchs bei solchen Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten. Die Regelung dieses Strafschutzes ist enthalten sowohl in dem § 90 a, der bereits besprochen und angenommen worden ist, wie auch in dem § 129 a, der in einem engen sachlichen und inneren Zusammenhang mit der Bëstimmung des § 90 a steht. § 90 a erfaßt lediglich bestimmte Personen, die sich in besonders maßgebender Weise innerhalb dieser verbotenen Vereinigungen betätigen, ihre Gründer, ihre Rädelsführer und ihre Hintermänner, nicht dagegen die bloßen Mitläufer. Diese Gründer, Rädelsführer und Hintermänner können nach der vorliegenden Fassung bestraft werden, ohne daß es notwendig ist, die Verbotenheit derartiger Vereinigungen durch einen besonderen Akt, sei es der Verwaltung, sei es der Verwaltungsgerichtsbarkeit, zunächst festzustellen. Für die Parteien allerdings sind die Bestimmungen des Grundgesetzes zu beachten, wonach zunächst eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts darüber erfolgen muß, daß die Partei als verfassungswidrig anzusehen ist.
§ 129 a erstreckt sich im Gegensatz dazu auch auf die Mitläufer, nämlich auf alle diejenigen, die trotz eines ergangenen und rechtskräftig festgestellten Verbots eine verbotene Vereinigung fortsetzen. Es wird hier vorausgesetzt, daß zunächst das Bundesverwaltungsgericht oder das oberste Verwaltungsgericht eines Landes eine derartige Vereinigung als verboten erklärt hat. Erst dann kann die Strafverfolgung gegen Personen, die die Vereinigung fortführen und ihren organisatorischen Zusammenhalt auf andere Weise aufrechterhalten, erfolgen. Diese Bestimmung ist im Interesse der Erhaltung der rechtsstaatlichen Sicherungen für jeden Bürger aufgenommen worden. Das Bundesverwaltungsgericht sowie die Verwaltungsgerichte der Länder sollen hierbei auf Antrag der Bundesregierung bzw. der Landesregierung entscheiden. Der Gang wird also der sein, daß zunächst, wenn die Bundesregierung oder die Landesregierung eine Vereinigung als verboten erklärt hat, eine Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichts des Bundes oder der Länder darüber eingeholt wird, ob dieses Verbot berechtigt ist. Wird die Berechtigung des Verbots bejaht, so ergibt sich die Strafbarkeit aller derer, die entgegen diesem Verbot die verbotene Vereinigung fortzusetzen versuchen.
Über die nächste Bestimmung des § 187 a, die einen erhöhten Ehrenschutz für die im öffentlichenLeben stehenden Persönlichkeiten enthält, ist bereits vorhin im Zusammenhang mit einer anderen Bestimmung gesprochen worden. Da Personen, die im öffentlichen Leben stehen, in erhöhtem Maße Angriffen ausgesetzt sind, durch die ihre Tätigkeit gehemmt und -beeinträchtigt werden kann, bedürfen sie auch eines erhöhten Ehrenschutzes. Das ist in dieser Bestimmung zum Ausdruck gekommen.
' Die beiden folgenden Bestimmungen der §§ 316 a und 317 enthalten Strafdrohungen gegen gewisse Sabotagehandlungen. Sie ergänzen damit diejenigen Vorschriften des 90, die sich in dem Kapitel über die Staatsgefährdung befinden und die bestimmte Sabotagehandlungen dann verfolgen, wenn sie in der bestimmten Absicht begangen wurden, den Bestand der Bundesrepublik zu be- einträchtigen oder bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen. In den Fällen der §§ 316a und 317 kommt es nicht auf diese Absicht an; es genügt der Vorsatz. Die Handlung muß sich auf die Verhinderung oder Störung des Betriebes gewisser besonders wichtiger der öffentlichen Versorgung dienender Anlagen beziehen. Entsprechend behandelt werden im § 317 -die Fernmeldeanlagen, zu denen nach der bisherigen Gesetzgebung Telegraphenanlagen, Fernsprechanlagen und Funkanlagen gehören, während die Rohrpostanlagen zu den Anlagen der Post gehören, die schon durch § 316 a Ziffer 1 geschützt sind. Schließlich ist als § 353 a eine Bestimmung aufgenommen worden, die an den früheren sogenannten Arnim-Paragraphen anknüpft:
Wer bei der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber einer fremden Regierung, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung einer amtlichen Anweisung vorsätzlich zuwider handelt, oder in der Absicht die Bundesregierung irrezuleiten, unwahre Berichte tatsächlicher Art erstattet, wird mit Gefängnis bestraft,
aber nur mit Ermächtigung der Bundesregierung. Die Aufnahme dieser Bestimmung, die durch Kontrollratsgesetz Nr. 11 aufgehoben worden ist, hat sich als notwendig erwiesen, nachdem die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen zu anderen Ländern angeknüpft hat.
In Art. 3 finden sich Vorschriften zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes. Der Regierungsentwurf hat vorgesehen, daß in Anknüpfung an die frühere Praxis die Straftaten des Hochverrats, des Verfassungsverrats und -des Landesverrats, der Parlamentsnötigung, der Nichterfüllung der Pflichten nach § 139 , durch den Bundesgerichtshof in erster und letzter Instanz abgeurteilt werden sollen. Die übrigen Straftaten politischer Natur sollten durch die Strafkammern abgeurteilt werden. Der Rechtsausschuß hat in einmütiger Weise gegenüber diesen Vorschlägen der Regierung seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, auch für diese Kapitalverbrechen solle ein Instanzenzug geschaffen werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben die Überzeugung des Ausschusses begründet, daß für jedes Urteil jedem Angeklagten die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels und der Korrigierung des erstinstanz-
lichen Urteils gewährleistet werden mua Der Ausschuß hat daher der Regierung eine Regelung dahingehend vorgeschlagen, daß abweichend von der Regierungsvorlage sämtliche politischen Straftaten durch die Strafsenate der Oberlandesgerichte am Sitz der Landesregierung abgeurteilt werden, daß gleichzeitig zur Gewährleistung einer schlagkräftigen Abwehr die Strafverfolgung in der Hand der Bundesstaatsanwaltschaft zentralisiert wird und daß diese Bundesstaatsanwaltschaft ein Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften der Länder erhält. Die Regierung hat gegen diese vom Ausschuß einmütig vorgetragene Anregung Bedenken geäußert, deren Tragweite der Ausschuß sich nicht entziehen konnte. Sie hat mit Recht darauf hingewiesen, 'daß die Einführung des Weisungsrechts der Bundesstaatsanwaltschaft gegenüber 'den Staatsanwaltschaften der Länder mit den derzeitigen Bestimmungen des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Ferner ist darauf 'hingewiesen worden, daß auch die Schaffung einer Rechtsmittelinstanz im Rahmen des Bundesgerichtshofs in der Weise, daß ein Strafsenat in erster Instanz und der große Senat in zweiter Instanz entscheidet, sich in so kurzer Zeit nicht durchführen lasse, sondern eine eingehende Prüfung und Bearbeitung erfor dere. Der Rechtsausschuß hat diese Einwendungen gewürdigt und hat sich schweren Herzens damit einverstanden erklärt, einstweilen auf seine Vorschläge zu verzichten, jedoch mit der Maßgabe, daß uns die Regierung nach den Parlamentsferien einen Entwurf vorlegt, der die Durchführung der Forderung des Rechtsausschusses auf Schaffung einer durchgängigen Rechtsmittelinstanz ermöglicht. Der Herr Bundesjustizminister hat im Rechtsausschuß Gelegenheit genommen, uns seine Bereitschaft zui Schaffung einer Vorlage, die einen Instanzenzug vorsieht, zum Ausdruck zu bringen.
Der Regierungsentwurf hat sodann vorgesehen, daß durch Anordnungen der Landesj ustizverwaltungen für den Bezirk mehrerer Landgerichte einem von ihnen die Entscheidung über einzelne Gruppen von Strafsachen zugewiesen werden kann. Auch gegen diesen Vorschlag des Regierungsentwurfs sind innerhalb des Rechtsausschusses berechtigte Bedenken geäußert worden. Man hat darauf hingewiesen, daß ein Gericht nur dann zur Entscheidung befugt sei, wenn dieses Gericht nicht durch eine Verordnung der Landesregierung, nicht durch einen bloßen Verwaltungsakt, nicht für eine bestimmte Anzahl von Fällen, sondern durch die Gesetzgebung selber ein für allemal und generell für zuständig erklärt worden sei. Die Regierung hat diesen Wünschen des Rechtsausschusses Rechnung getragen und ihrerseits die Fassung des § 74 a vorgeschlagen, - wonach eine Strafkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, für den Bezirk des Oberlandesgerichts als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges für bestimmte Vergehen und Verbrechen zuständig sein soll. Gegen diese generelle und einmalige gesetzliche Festlegung der Zuständigkeit sind seitens des Rechtsausschusses keine Bedenken mehr erhoben worden. Wenn auch das Weisungsrecht der Bundesstaatsanwaltschaft gegenüber den Staatsanwaltschaften der Länder sich nicht als durchführbar erwiesen hat, so bestanden auf der anderen Seite keine Bedenken, ein Evokationsrecht zugunsten des Oberbundesanwalts vorzusehen. Der Oberbundesanwalt kann wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor Eröffnung des Hauptverfahrens die Verfolgung einzelner Strafsachen selbst übernehmen. Wenn eine
Straftat sich überwlegend gegen die Interessen eines Landes richtet, soll er das Verfahren an die Landesstaatsanwaltschaft abgeben. Er kann von dieser Möglichkeit auch bei anderen Sachen minderer Bedeutung Gebrauch machen. In diesen Fällen entscheiden die Oberlandesgerichte.
Die Strafprozeßordnung hat nur wenige Ergänzungen erfahren. Schon nach der bisherigen Praxis bestand die Möglichkeit, bei Übertretungen und Vergehen, wenn die Schuld des Täters gering ist und die Folgen der Tat unbedeutend sind, durch eine Verfügung der Staatsanwaltschaft und bei bereits erhobener Klage durch einen Beschluß des Gerichts mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Durchführung des Strafverfahrens abzusehen. Diese Bestimmung beschränkte sich jedoch auf Übertretungen und Vergehen. Nachdem nunmehr eine Reihe neuer Verbrechenstatbestände geschaffen worden ist, ergab sich die Notwendigkeit, dieses Prinzip des § 153 der Strafprozeßordnung auszudehnen. Diese Ausdehnung ist in § 153 a erfolgt. Danach kann in der Zukunft in allen Fällen unabhängig von der Klassifizierung der Straftat eine derartige Einstellung des anhängigen Verfahrens erfolgen, wenn die Schuld des Täters gering ist und die Folgen der Tat unbedeutend sind.
In den Übergangsbestimmungen ist geregelt worden, daß die Entscheidungen, die nackt § 129 a des Strafgesetzbuchs von dem Bündesverwaltungsgericht zu treffen sind, bis zu dem Zeitpunkt, in dem dieses Gericht seine Tätigkeit aufnimmt, ein Senat des Bundesgerichtshofs erläßt, der für die Untersuchung und Entscheidung von Strafsachen im ersten Rechtszug zuständig ist.
Der Art. 6 des Gesetzes bestimmt, daß die in diesem Gesetz zugunsten des Bundes und der Länder erlassenen Strafbestimmungen auch zugunsten des Landes Berlin und seiner verfassungsmäßigen Ordnung gelten, daß ferner dieses Gesetz auch im Land Berlin gilt, sobald das Land Berlin gemäß Art. 87 Abs. 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.
Der zweite Absatz des Art. 6 bedarf einer kleinen redaktionellen Richtigstellung. Es empfiehlt sich, die genaue Fassung zu wählen, die bereits in einer Anzahl anderer Gesetze genommen worden ist. Diese Fassung weicht zwar nicht sachlich, aber sprachlich etwas von Art. 6 Abs. 2 der gedruckten Vorlage ab. Sie lautet:
Dieses Gesetz gilt auch in Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Art. 87 Abs. 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes in Berlin beschließt.
Ich empfehle, diese Fassung, die sich in der bisherigen Gesetzgebung bereits eingebürgert hat, auch diesem Gesetz zugrunde zu legen.
Die Bestimmungen, deren Annahme der Ausschuß Ihnen nunmehr vorschlägt, sollen dem Schutz des Staates dienen. Dieser Staat ist ein Rechtsstaat, und er muß sich daher auch bei der Abwehr von Angriffen, die sich gegen seinen Bestand oder die Grundsätze seiner Verfassung richten, der rechtsstaatlichen Mittel bedienen und die Rechtsgarantien beobachten, zu deren Einhaltung das Grundgesetz ihn verpflichtet. Diese Bindung an die Garantien des Rechtsstaates bedeutet zwar eine selbstgewählte Begrenzung der Abwehrmöglichkeit des Staates gegen verfassungswidrige Angriffe. Diese Bindung an die rechtsstaatlichen Prim. zipien bedeutet aber zugleich eine rechtliche und eine moralische Stärke des Staates. Die Bestimmungen, die der Ausschuß Ihnen zur Beschlußfassung
vorlegt, sollen den Staat befähigen, die Aufgabe zu erfüllen, die der Entwurf der Regierung ihm zuweist, nämlich die staatsbejahenden Kräfte zur Freiheit und die Feinde der Demokratie zur Gesetzlichkeit zurückzuführen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf den Art. 2 Ziffern 1 bis 10. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Verbindung mit § 316 a möchte ich den Abänderungsantrag begründen, der dahin lautet, daß unter die Bestimmungen dieses Paragraphen ebenfalls jeder Aufruf zu Aussperrung oder Streik für parteipolitische oder persönliche Zwecke fallen soll. Es ist heute bereits darüber gesprochen worden, es ist früher bereits darüber gesprochen worden, daß es dringlich sei, das Streikrecht einmal in irgendeiner Art und Weise zu kodifizieren und irgendwelche Normen dafür zu schaffen, in welchen Bahnen sich so etwas zu halten habe. Es scheint uns ungeachtet einer vielleicht umfassenderen Regelung, die einmal kommen sollte, möglich, gerade bei der heutigen Debatte zu dem § 316 a unseren Abänderungsantrag zu stellen.
Meine Damen und Herren, die Begründung für meinen Antrag ergibt sich aus dem Wortlaut von selbst. Ich kann mir lange Ausführungen hierzu ersparen,
wie das meine Art ist; denn ich bin auf kurze Redezeit dressiert.
Ich bitte, dem Ihnen vorliegenden Antrage Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Fisch!
Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf die Behandlung der §§ 129 und 129 a beschränken. In § 129 wird dasselbe Prinzip vertreten, wie es in § 90 a bereits formuliert ist, zu dem ich mich bei der Debatte über den Zweiten Abschnitt der Vorlage schon geäußert habe. In § 129 wird gleichfalls wie in § 90 a ein offener Bruch des Art. 18 des Grundgesetzes legalisiert. Im Art. 9 des Grundgesetzes wird ausdrücklich davon gesprochen, daß die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit garantiert ist. In Abs. 2 des Art. 9 sind dann bestimmte Einschränkungen vorgesehen. Aber in jedem Falle muß die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen des Abs. 2 des Art. 9 vorliegen, ob also die Beeinträchtigung des Grundrechts der Vereins- und Koalitionsfreiheit berechtigt ist oder nicht, dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten sein. Dieser Grundsatz des Art. 18 des Grundgesetzes ist hier gebrochen. Aus diesem Grunde hat meine Fraktion den Antrag auf Streichung des ganzen § 129 gestellt.
Als besondere Delikatesse dieses § 129 möchte ich noch erwähnen, daß hier eine Vorschrift geschaffen ist, durch welche ein System der Zilchtung von Spitzeln, Provokateuren und Denunzianten direkt kultiviert wird.
Wo gab es denn das, daß in irgendeiner anderen strafrechtlichen Bestimmung der Mittäter dann straffrei war, wenn er seine Gesinnungs- oder Tatgenossen rechtzeitig „verzinkte"? Seit wann ist es üblich, daß etwa im kriminellen Strafrecht der Dieb dann straffrei ist, wenn er seine Mitganoven vorher angezeigt hat? Das, was Sie also im kriminellen Strafrecht für unzulässig halten, das wollen Sie jetzt hier im politischen Strafrecht kultivieren, indem Sie das verabscheuungswürdigste Element des politischen Lebens, den Spitzel und bezahlten Denunzianten, den „Achtgroschenjungen", durch das Versprechen der Straffreiheit ausdrücklich belohnen.
In § 129 a hat man eine Notlösung gefunden, ein Kompromiß geschaffen, das nichts Halbes und nichts Ganzes darstellt. Die ursprüngliche Fassung des Regierungsentwurfes sah vor, daß ein Verwaltungsakt, d. h. ein Verbot durch irgendeine Behörde keiner gerichtlichen Nachprüfung bedarf, um rechtmäßig zu werden. Das heißt: eine jede Polizeibehörde soll in der Lage sein, sozusagen rechtmäßige Verbotserlasse herauszugeben, die Rechtsfolgen insoweit haben, als jede Zuwiderhandlung mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft werden kann. Gegen diesen ungeheuerlichen Grundsatz wurde Einspruch erhoben, und zwar nicht nur von meiner Seite. Ich erkenne an, daß es auch aus den Reihen der FDP hier sehr heftigen Widerspruch gegeben hat. Aber was ist dabei herausgekommen? Nicht der Grundsatz, der in Art. 18 des Grundgesetzes festgelegt ist, nämlich daß über die Verwirkung eines Grundrechts allein das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden habe, sondern das Bundesverwaltungsgericht bzw. das oberste Verwaltungsgericht eines Landes wurde eingeschaltet. Wir können weder dem Bundesverwaltungsgericht noch dem obersten Verwaltungsgericht eines Landes das Recht einräumen, über die Rechtmäßigkeit des Entzuges eines Grundrechtes zu bestimmen. Hierfür ist laut Grundgesetz einzig und allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Wer also vorhat, mit dem § 129 a diese Bestimmung des Grundgesetzes abzuändern, macht sich des Bruches des Grundgesetzes schuldig und muß sich darum gefallen lassen, daß draußen im Lande alle seine Verbote, die er rechtfertigt oder befürwortet, als verfassungswidrig, als dem Grundgesetz widersprechend bezeichnet werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu Art. 2.
Ich komme zur Abstimmung zunächst über den Abänderungsantrag der Fraktion der KPD, Umdruck Nr. 270 Ziffer 21, betreffend Streichung der Ziffer 2 des Art. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Streichung zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Streichung ist abgelehnt.
Dann lasse ich über den Abänderungsantrag auf Streichung der Ziffer 3 des § 129 abstimmen; das ist die Ziffer 22 des Umdrucks Nr. 270. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir ab über den Abänderungsantrag zu Art. 2 Ziffer 4, Ziffer 23 des Umdrucks Nr. 270. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten von Thadden und Frommhold, Umdruck Nr. 272 Ziffer 1. Das ist der Antrag, den Herr Abgeordneter von Thadden vorhin kurz begründet hat. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen 2 Stimmen abgelehnt.
Damit sind die Abänderungsanträge zu Art. 2 erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über den Art. 2 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Art. 3, — Art. 4, — Art. 5, — Art. 6, — Art. 7, — Art. 8, — Einleitung und Überschrift. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Artikel einschließlich Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Darf ich unterstellen, daß über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD am Schluß der dritten Beratung abgestimmt werden soll?
— Die Antragsteller sind offenbar damit einverstanden.
Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Beratung dieses Gesetzentwurfes beendet.
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, bekanntzugeben, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten um 8 Uhr eine Sitzung abhält.
— Um 8 Uhr, also in 2 Minuten, Herr Abgeordneter Kriedemann! — Außerdem bin ich gebeten worden, mitzuteilen, daß die Sitzung des Ausschusses für Kulturpolitik heute ausfällt.
Ich rufe nun auf Punkt 9 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 2408 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 268, 271).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Höchstaussprachezeit von 60 Minuten vor. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist und sie nicht ausnutzen wird.
Das Wort hat als Berichterstatter Herr Abgeordneter Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß es sich um sieben Drucksachen handelt, über die ich namens des Finanz-und Steuerausschusses zu berichten habe, und zwar führe ich diese Drucksachen mit Nummern an, weil sie in der Tagesordnung leider nicht erschöpfend angegeben sind. Sie müssen aber nachher, bei der Abstimmung, darauf zurückkommen. Es sind die Drucksachen Nrn. 1490, 1749, 1787, 1947, 2013, 2020 und 2408. Bei den Drucksachen Nrn. 1490 und 2020 handelt es sich um die Anträge des Zentrums betreffend Befreiung landwirtschaftlichen Kleinbesitzes von der Grundsteuer und bei Drucksache Nr. 1749 um den Antrag Dr. Frey betreffend Fortschreibungen von Einheitswerten.
Zum Grundsteuergesetz selbst darf ich folgendes sagen. Die Regierung, wollte mit dieser Vorlage eine Reihe von Ungerechtigkeiten, die sich im „Dritten Reich" bei der Schaffung des Grundsteuergesetzes eingeschlichen hatten, beseitigen und den Umfang der Befreiungen auch nach der gemeinnützigen und kirchlichen Seite hin weiter herausstellen. Vor allen Dingen wollte sie die Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien, die bisher in Gestalt einer besonderen Verordnung bestanden haben und in einer Reihe von Ländern heute noch bestehen, aufheben und in den Gesetzeskomplex einarbeiten.
Der Ausschuß hat bei Art. I Abs. 1 unter b) das Wort „kirchlichen" gestrichen. Das wird den Nichteingeweihten wenig verständlich sein. Es könnte der Eindruck erweckt werden, als ob durch die Streichung des Wortes „kirchlichen" irgendwie ein Angriff auf kirchlich genutzte Grundstücke gestartet werden sollte. Dem ist aber nicht so. Das Wort „kirchlich" kommt ja an späterer Stelle in der Ziffer 5 des § 4 Buchstabe d) völlig erschöpfend zur Geltung, so daß sich also das Wort „kirchliche" einmal nach Ansicht des Ausschusses erübrigen ließ. Dafür ist das Wort „gemeinnützige" eingeschaltet worden, um herauszustellen, daß auch alle diejenigen Grundstücke, die gemeinnützigen Zwecken dienen, von der Grundsteuer befreit werden sollen. Das ist eine Ausweitung gegenüber dem bisherigen Grundsteuergesetz.
Schließlich ist bei Ziffer 5 die Frage aufgeworfen worden, wie es mit der Besteuerung des kirchlichen Grundbesitzes schlechthin gehen soll. Ich muß Sie hier mit recht umfangreichen Verhandlungen des Ausschusses vertraut machen, weil ja ein Abänderungsantrag zu dieser Ziffer vorliegt und bereits früher vorgelegen hatte, der dem Hause seinerzeit Veranlassung gab, den ganzen Gesetzentwurf nebst dem Abänderungsantrag Dr. Bertram und Genossen an den Ausschuß zurückzuverweisen.
In der Begründung des Gesetzes wird bereits darauf hingewiesen, daß die Vertreter der in Frage kommenden Kirchen beim Aufbau des Gesetzes durch das Finanzministerium — als also das Gesetz noch in statu nascendi war — die Bitte vorgetragen hätten, man möge unter allen Umständen die Befreiung des kirchlichen Grundbesitzes wenigstens dort eintreten lassen, wo die Kirchen in den einzelnen Ländern vor dem Erlaß des Grundsteuergesetzes im Jahre 1936 Grundsteuerfreiheit für gewisse ihnen gehörende Grundobjekte genossen hätten. Das Finanzministerium hat dieses Ansinnen der Kirchen abgelehnt. Es hat sich dabei von der Überlegung leiten lassen, daß man seinerzeit bei der Verreichlichung der Grundsteuer auch die in den einzelnen Ländern bestehenden Befreiungen zugunsten kirchlicher Objekte nicht habe übernehmen können, sondern daß man bei der Schaffung eines Reichsgesetzes über die Grundsteuer — wie es damals ja im Jahre 1936 geschah —
möglichst alle Steuerobjekte, die in der Gemeinde lägen, nach denselben Grundsätzen habe zur Grundsteuer heranziehen müssen.
Das Bild, das sich damals dem Gesetzgeber hinsichtlich der der Kirche gehörenden Grundstücke bot, war sehr buntscheckig. In einer Reihe von Ländern waren die Pfarrhäuser — also die Dienstwohnungen der Geistlichen — und die Pfarrländereien von der Grundsteuer befreit. Dagegen waren in allen Ländern die der Kirche gehörenden landwirtschaftlich und auf sonstige Weise genutzten Grundstücke, die nicht unter den Begriff „Pfarrländerei" fallen, bereits zu der Grundsteuer herangezogen worden.
Ich muß Ihnen also doch den Begriff „Pfarrländereien" vielleicht noch näher darlegen; denn was unter dem Begriff „Pfarrhäuser" zu verstehen ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Das steht einwandfrei und eindeutig nach jeder Richtung hin fest. Unter „Pfarrländereien" werden diejenigen Grundstücke verstanden, die in ihrer Nutzung unmittelbar den Geistlichen zur Verfügung stehen, also solche Grundstücke, deren Ertrag — einerlei, ob die Geistlichen den Ertrag durch eigene Bebauung oder ob sie ihn durch Verpachtung erzielen — selbst vereinnahmen dürfen. Das übrige, die große Masse der Grundstücke der Kirche, war überall grundsteuerpflichtig. Dabei handelt es sich also um den großen Umfang kirchlichen Grundbesitzes, dessen Ertrag — meistens Pachtertrag — den Landeskirchen oder den bischöflichen Ordinariaten zufloß und von diesen im Rahmen des Ordinariatsbezirks oder im Rahmen des landeskirchlichen Bezirks den Gemeinden zufloß oder zur Bezahlung der Pfarrgehälter verwandt wurde.
Einige Länder haben die Freistellung der Pfarrländereien und der Pfarrhäuser schon seit einer I Reihe von Jahren aufgehoben. Im Jahre 1911 hat z. B. Hessen in seinem Gemeindeumlagegesetz sämtlichen kirchlichen Grundbesitz, also auch die Pfarrhäuser und die Pfarrländereien, zur Grundsteuer herangezogen. Dasselbe hat Lübeck getan. In Bayern waren zwar die Pfarrhäuser von der Grundsteuer befreit, während die Pfarrländereien dort grundsteuerpflichtig waren. In Preußen lagen die Verhältnisse ja ziemlich einheitlich auf derselben Ebene. Preußen hat sich mit seinem Kommunalabgabengesetz im Jahre 1893 mit der Frage der Besteuerung kirchlichen Grundbesitzes beschäftigt, und Preußen hat in diesem Kommunalabgabengesetz, das von dem damaligen Finanzminister Miguel gestartet wurde, festgelegt, daß da, wo bisher kirchlich genutzte Grundstücke von den kommunalen Abgaben freigestellt wurden, sie auch weiterhin freigestellt sein sollen. Das Preußische Grundsteuergesetz vom Februar 1923 hat diese Bestimmung des Kommunalabgabengesetzes übernommen. Es ist also so gewesen, daß in Preußen praktisch bis zum Jahre 1936 die der Kirche gehörenden Pfarrländereien einschließlich der Pfarrhäuser von der Grundsteuer freigestellt waren.
Nun hat sich der Reichsgesetzgeber bereits nach dem Erlaß des Reichsbewertungsgesetzes im Jahre 1925/26 mit dem Gedanken der Schaffung eines Reichsgrundsteuergesetzes befaßt. Bereits im Jahre 1928 wurde ein sogenanntes Grundsteuerrahmengesetz erlassen, das aber eine ins Gewicht fallende Bedeutung nicht gewann. Nur MecklenburgSchwerin hat dieses Grundsteuerrahmengesetz als Grundlage für seine Grundsteuerveranlagung genommen. Erst mit dem Jahre 1936 kam dann dieses Grundsteuergesetz zustande.
Weiterhin war bei der Mehrheit des Ausschusses der Gedanke maßgebend, daß die Gemeinden ja auf diese Steuerobjekte unter allen Umständen angewiesen seien, daß die Gemeinden unter besonders schweren Bedingungen arbeiten, daß gerade die Grund- und Gewerbesteuer als die Objektsteuern den Gemeinden zur Verfügung stehen, daß die Gemeinden auch bei etwaigen Finanzausgleichen wohl nicht in allen Ländern besonders gut wegkämen und daß man ihnen aus diesem Grunde unter allen Umständen auch dieses Steuerobjekt belassen müsse.
Die Frage der Jugendherbergen, Jugendsportheime und Freizeitlager für Jugendliche finden Sie in 2 b entsprechend behandelt. Es war dem Ausschuß selbstverständlich, daß alle derartigen Einrichtungen wie Jugendherbergen, Jugendsportheime und Freizeitlager für Jugendliche von der Grundsteuer befreit sein sollten, weil sie ja gerade der Jugend in einer besonders wichtigen Sache zu dienen berufen sind.
Unter 2 d ist dann für Wohnräume, die für die Aufnahme erholungsbedürftiger oder hilfsbedürftiger Personen bestimmt sind, in den Gebäuden, die wegen Benutzung für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke befreit sind, die Grundsteuerfreiheit nochmals ausdrücklich herausgestellt worden.
Eine sehr lange Aussprache ergab sich bei Ziffer 5, die von der Fälligkeit der Grundsteuer handelt. Die Worte „mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde" sind gestrichen worden. Es war von der Regierung vorgesehen, daß jede Änderung in den Hebeterminen der Gemeinden von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden mußte. Der Ausschuß glaubte, daß man den Gemeinden hier doch völlig freie Hand lassen könne, weil j a die Möglichkeit eines Ausbalanzierens, eines Änderns der in Frage kommenden Termine sowieso schon eingeengt sei. Andererseits stellte man sich auf den Standpunkt, es sei doch wirklich nicht nötig, sich in einer solchen Bagatellsache noch irgendwie durch die Behörde, durch die vorgesetzte Dienststelle einschalten zu müssen. Ausweichmöglichkeiten bestehen ja für die Gemeinden kaum noch; und dann kann man j a wohl auch annehmen, daß sich die bisher seit einer Reihe von Jahren geltenden Hebe-
termine eingespielt haben, so daß wohl keine Gemeinde noch irgendwie Veranlassung dazu fände, Abänderungen zu treffen.
Im Abschnitt III a finden Sie den sogenannten Erlaß der Grundsteuer rechtlich untermauert. Ich hatte schon vorhin zu Beginn meiner Ausführungen auf die Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien hingewiesen und erklärt, daß sich diese Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien in einer Reihe von Jahren unstreitig bewährt haben. Das Grundsteuergesetz sieht ja nach wie vor die Grundsteuer als eine Objektsteuer an, bei der die Grundsteuer auch dann noch an das Objekt gebunden ist, wenn das Objekt in seinem Ertrage teilweise oder nahezu ganz ausfällt. Man will den Gemeinden ja schließlich die Grundsteuer soweit wie möglich lassen. Es ist durchaus verständlich — und auch in den Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien war dies schon so —, daß ein Grund für den Erlaß oder Teilerlaß bei geringem Ausfall an Ertrag aus dem Objekt nicht gegeben war.
Nun haben die Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien heute nur noch in einigen wenigen Ländern Geltung. Im Jahre 1945 sind die GrundsteuerBilligkeitsrichtlinien von den meisten Ländern, besonders im süddeutschen Raum, aufgehoben worden. Sowohl für die Regierung als auch für den Ausschuß war also die Frage am Platze: Sollen wir nun wieder besondere Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien erlassen oder sollen wir die Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien in irgendeiner Form in das Gesetz selbst einarbeiten? Es ist klar, daß Billigkeitsrichtlinien irgendwelcher Art auch heute noch ein unbedingtes Erfordernis sind und daß der Objekteigentümer dann, wenn der Ertrag durch Gott weiß was für Maßnahmen, die hier im einzelnen nicht näher zu erörtern sind, ausfällt, das Recht haben muß, mit einem Erlaßantrage bei seiner Gemeinde vorstellig zu werden. Gewiß besteht auch für die Gemeinden ganz allgemein der § 131 der Abgabenordnung. In diesem § 131 der Abgabenordnung ist klar und eindeutig für den Staat, für das Land wie für den Bund, auch für die Gemeinden festgelegt, daß Billigkeitsmaßnahmen von jeder Gemeinde schlechthin getroffen werden können, wenn eine solche Billigkeit am Platze ist. Aber der § 131 der Abgabenordnung schlägt nicht überall durch.
Dem Ausschuß kam es darauf an, doch die Fälle herauszustellen, bei denen der Erlaß der Grundsteuer ein unbedingtes Muß ist, also dann, wenn sozusagen eine Katastrophe über den einen oder anderen Grundsteuerpflichtigen hereingebrochen ist, die ihm restlos die Möglichkeit nimmt, seine Grundsteuer zu zahlen. In § 26 a finden Sie die Bestimmung, daß einem landwirtschaftlichen Betrieb die Grundsteuer erlassen werden muß, wenn im Erlaßzeitraum infolge von Katastrophen irgendwelcher Art, die ich hier nicht näher herausstellen will, der Ertrag um mehr als 50 % gesunken ist. Es war im Ausschuß beantragt worden, von 50 auf 30 °/o herunterzugehen. Der Antrag verfiel der Ablehnung. Es war im Ausschuß weiter beantragt worden, auch die aufzuforstenden Waldflächen für eine Reihe von Jahren mit einer verminderten Grundsteuer heranzuziehen. Der Antrag ist damit begründet worden, daß heute eine außerordentlich große Anzahl von Aufforstungsflächen vorhanden sei und daß Forstflächen in den ersten Jahren nach der Aufforstung nur einen bescheidenen Ertrag abwerfen, wenn überhaupt einen Ertrag. Das stand im Ausschuß fest. Trotzdem lehnte der Ausschuß aber auch diesen Antrag ab.
Es war immer wieder die Forderung erhoben worden, man möge doch auch für den Hausbesitz und gegebenenfalls für das Gewerbe irgendeine Bestimmung in das Gesetz aufnehmen, die diesen Sparten des Grundbesitzes die Möglichkeit einräumt, auch ohne den § 131 der Abgabenordnung einen entsprechenden Nachlaß der Grundsteuer zu fordern. Nach längeren Verhandlungen ist schließlich beschlossen worden, in Art. II unter Buchstabe k) eine Bestimmung vorzusehen, nach der die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung „über den Erlaß eines Teiles der Grundsteuer in Fällen wesentlicher Ertragsminderung" erlassen darf. Man hat also einen, wenn auch schwachen Abglanz der Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien dadurch wieder eingeführt, daß man auf dem Wege der mehr oder minder beliebten Ermächtigung der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, hier nach dem Rechten zu sehen und allzu große Schäden auszuschalten. Das zu den Grundsteuer-Billigkeitsrichtlinien.
Ich muß nun einen Fehler richtigstellen, der sich leider beim Umdruck eingestellt hat. Es heißt auf Drucksache Nr. 2013 „Art. I Nr. 7: 26 a erhält folgende Ziffer 4". Es muß heißen „Art. I Nr. 8: § 29 erhält folgenden Abs. 4". Ich bitte, das in Ihrer Drucksache Nr. 2013 handschriftlich zu berichtigen.
Es handelt sich bei der Ziffer 8 zu dem § 29 um die Frage der sogenannten Arbeiterwohnstätten. Arbeiterwohnstätten waren im „Dritten Reich", wenn ich den Ausdruck erwähnen darf, steuerbegünstigt. Man wollte den Bau dieser Arbeiterwohnstätten fördern, um gerade die für die Arbeiter dringend nötigen Wohnungen zu verbilligen. Man hat im Gesetz demgemäß die Grundsteuerfreiheit für diese Arbeiterwohnstätten auf zwanzig Jahre festgelegt. Allerdings hat man den Gemeinden nicht zugemutet, auf diese Grundsteuer zu verzichten, sondern man hat das Reich verpflichtet, diesen Grundsteuerausfall den Gemeinden zu ersetzen. Sie wissen, daß wir in unserem Wohnungsgesetz in gewissem Umfang für Wohnungen Grundsteuerfreiheit auf zehn Jahre festgelegt haben. Damals war für die Arbeiterwohnstätten festgelegt worden, daß die Grundstücke zwanzig Jahre lang Grundsteuerfreiheit genießen, daß aber die Gemeinden selbst durch das Reich schadlos gehalten würden. Diese zwanzig Jahre sind noch nicht vorbei, sie laufen praktisch erst nach 1960 aus. Eine ganze Anzahl Länder hat aus eigenen Geldern diese Arbeiterwohnstättenbeihilfen oder Grundsteuerbeihilfen weitergezahlt. Andere Länder haben das abgelehnt. Es entstand die große Frage: Was soll geschehen? Der Bundesrat hat nun beschlossen, daß der Bund diese Beträge weiterzahlen sollte, während auf der andern Seite die Bundesregierung die Bestimmung festgelegt haben wollte, daß das Land die Beihilfe zu zahlen hat. Sie sagte sich, nach den Bestimmungen des Grundgesetzes ist zwar noch bundesrechtlich die Grundsteuerfrage zu regeln, aber die Länder haben jetzt hinsichtlich der Grundsteuer wesentlich andere Einwirkungsmöglichkeiten. Die Grundsteuer kommt restlos und erschöpfend den Gemeinden zugute. Also müssen die Länder den Gemeinden diese Grundsteuer für die Arbeiterwohnstätten bezahlen.
Der Ausschuß hat schließlich dieses Hin- und Herschieben dadurch abgeschlossen, daß er erklärt hat: Wir machen den Bund für diese Beträge bis zum natürlichen Ablauf haftbar. Er hat eine entsprechende Bestimmung getroffen für den § 29. Auch der Bundesfinanzminister hat sich zu dieser
Bestimmung bekannt. Sie kostet ihm jährlich 15 Millionen DM. Er hat sich nach den Übersichten, die er dem Finanzausschuß immer wieder gegeben hat, in denen die Ausgabeverpflichtungen des Bundes im laufenden und in den nächsten Jahren aufgeführt sind, bereits mit diesen 15 Millionen DM abgefunden. Sie können den Beschluß, den Ihnen der Ausschuß vorschlägt, also wohl unbedenklich fassen. Sie sehen auf Drucksache Nr. 2013, daß der § 29 folgenden Abs. 4 erhalten soll:
Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, nachträglich noch Grundsteuerbeihilfen für solche Arbeiterwohnstätten zu bewilligen, bei welchen die Gewährung der Grundsteuerbeihilfe vorgesehen oder in Aussicht gestellt war, das Verfahren jedoch' infolge der Kriegsereignisse nicht mehr zum Abschluß gekommen ist oder die Arbeiterwohnstätten infolge der Kriegsereignisse nicht bis zum 31. März 1945 bezugsfertig erstellt werden konnten.
Eine lebhafte Erörterung gab es dann über Art. II Ziffer 1. Hier wurden die §§ 7 bis 10 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 gestrichen. Man stellte sich auf den Standpunkt, daß man diese ohne weiteres entbehren könne, weil hier eine Durchführungsverordnung nicht mehr nötig sei. Inzwischen sind ja die Verwaltungsrichtlinien hinsichtlich dieses Teiles des Ersten Wohnungsbaugesetzes erschienen.
Der Ausschuß hatte sich auch noch mit der Frage der Steuerbefreiung für Neusiedlerstellen des längeren zu befassen. Neusiedlerstellen sind ja bis dato schon immer für eine Reihe von Jahren von der Grundsteuer befreit gewesen. Jeder, der als Siedler neu auftritt, hat in den ersten Jahren be-
sonders schwer um seine Existenz zu ringen. Er muß sich erst einarbeiten; er muß die Schwierigkeiten der ersten Jahre überwinden. Man muß also einem Neusiedler für eine Reihe von Jahren steuerlich unter die Arme greifen. Das will die Ziffer 1 a auf Seite 7.
Wir haben diese Steuerbefreiung sogar noch weiter erstreckt. Sie wissen ja, daß das Flüchtlingssiedlungsgesetz, das noch vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets erlassen worden ist, den Begriff der Flüchtlingssiedlung und den Begriff der wüsten Höfe geschaffen hat. Gerade im Lande Niedersachsen ist ja der Ausdruck „wüste Höfe" bekannt, und die meisten Flüchtlingssiedlungshöfe aus wüsten Höfen heraus sind ja in Niedersachsen geschaffen worden. Man hat deshalb die Ziffer la auf Seite 7 eingeschaltet, um hier noch für eine Reihe von Jahren die Möglichkeit der Unterstützung dieser Betriebe durch Erlaß der Grundsteuer zu schaffen. Allerdings wird hier auch eine Ermächtigung eingeschaltet, die die Voraussetzung für diesen Erlaß erst schaffen soll, und da sich die Grundsteuer nun einmal stark auf die Länderebene ausdehnt, kann diese Verordnung von der Bundesregierung nur im Benehmen mit dem Bundesrat erlassen werden.
Eine längere Unterhaltung entspann sich noch über die Frage, ob man nicht die Grundsteuer A und B in irgendein Kopplungsverhältnis bringen soll. Man hat ja früher festgelegt, daß die Grundsteuer A und B
in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen soll. Dieses Verhältnis hat sich in den letzten Jahren stark verwischt. Das Verhältnis war so, daß die Grundsteuer A durchweg niedriger lag als die
Grundsteuer B. Ein solches Verhältnis findet sich noch in Nordrhein-Westfalen. Aber in den süddeutchen Ländern hat sich das Verhältnis sehr zuungunsten der Grundsteuer A verschoben. Die Frage wurde im Ausschuß aber dahingehend erweitert, daß man unter allen Umständen dafür Sorge tragen müsse, daß dieses Verhältnis nicht nur zwischen Grundsteuer A und B, sondern zwischen den Realsteuern schlechthin festgelegt werden solle. Sie ersehen diesen Beschluß über das Kopplungsverhältnis aus einer Entschließung, deren Annahme ich Ihnen nachher empfehlen darf.
— Ich bin gleich fertig!
Ich bitte, dem Herrn Berichterstatter sein mühevolles Amt nicht noch mehr zu erschweren.
Es ist aber eine Materie, die schon des Schweißes der Edelsten wert ist,
und ich glaube, meine Damen und Herren, Sie gehören doch zu diesen Edelsten!
Nun muß noch die Frage behandelt werden, was mit Trümmergrundstücken geschehen soll. Die Trümmergrundstücke sollen ja nach dem Wunsch des Arbeitsstabes Gemeindesteuer in absehbarer Zeit durch den Grundsteuerbegriff mit erfaßt werden. Die Gemeinden erklären immer und immer wieder: Auch für die Trümmergrundstücke müssen wir entsprechende Aufwendungen machen; da führen Straßen vorbei, da führt das Kanalnetz vorbei, da führt das Wasserleitungsnetz und dergleichen vorbei, da muß die Straßenreinigung vorgenommen werden, und es geht auf die Dauer nicht an, daß wir auf den Grundsteuerertrag dieser Trümmergrundstücke verzichten müssen. Auf der andern Seite ist uns gerade im Wohnungsausschuß, mit dem wir diese Frage eingehend besprochen haben, immer wieder dargelegt worden, daß es doch nicht angehe, nunmehr die Trümmergrundstücke einer Grundsteuer zu unterwerfen, da viele Eigentümer von Trümmergrundstücken gern bereit wären, diese zu verwerten, wenn nur entsprechende Möglichkeiten bestünden. Wir sind den Wünschen des Wohnungsausschusses insofern nachgekommen, als wir die Frist der Heranziehung der Trümmergrundstücke zur Grundsteuer noch einmal verschoben haben. Es wird also noch einige Jahre dauern, bis die Trümmergrundstücke herangezogen werden können.
Die Frage des Neuhausbesitzes finden Sie auch in unseren Vorschlägen geregelt. Ich darf mich auf die Bestimmung auf Seite 8 beziehen.
Wir haben nun beschlossen, das Gesetz nicht wie vorgesehen mit Wirkung vom 1. Oktober 1950, sondern vom 1. Januar 1951 in Kraft treten zu lassen mit Rücksicht darauf, daß sich die Behandlung im Finanzausschuß so außerordentlich lange hinausgezogen hat.
Nun muß ich noch über einige weitere Anträge berichten, die mit der Sache verkoppelt worden sind. Das sind die beiden Anträge des Zentrums, die Grundsteuer für kleinere landwirtschaftliche Betriebe dem Bund zur Last zu legen und den Gemeinden zu ersetzen. Ich darf Sie bitten, die
beiden Anträge durch die Beschlußfassung des Ausschusses für erledigt zu erklären. Der Ausschuß war der Überzeugung, daß eine solche Möglichkeit nicht gegeben ist.
Schließlich bin ich noch gehalten, über den Antrag der Abgeordneten Dr. Frey und Genossen betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 zu berichten. Auch dieser Antrag soll von Ihnen für erledigt erklärt werden, nachdem in dem eben behandelten Grundsteuergesetz klargestellt ist, daß demnächst die Fortschreibungen vom 21. Juni 1948 auch für die Grundsteuer zugrunde gelegt werden, so daß insoweit der Antrag Dr. Frey bereits realisiert ist. Es ist dann noch festgestellt worden, daß nach dem Ihnen demnächst zur Beratung und Beschlußfassung zugehenden Bewertungsgesetz die Fortschreibung von jetzt ab auch bei jedem landwirtschaftlichen Grundstück, das in einen anderen Besitz übergeht, durchgeführt werden kann.
Das ist das Wesentlichste, was ich Ihnen zu sagen habe. Ich habe mich bemüht, Ihnen die Sache in möglichst kurzer Zeit
— in möglichst kurzer Zeit! —
vorzutragen.
Ich darf noch auf eines hinweisen, damit Sie mir nicht den Vorwurf einer Unterschlagung machen.
Ich glaube, das brauchen Sie nicht zu befürchten, Herr Abgeordneter!
In der Frage des Grundsteueränderungsgesetzes ist mir heute noch eine Äußerung des Bundesjustizministers zugegangen, auf die einzugehen ich nicht berechtigt bin, weil sie im Finanz- und Steuerausschuß nicht behandelt worden ist.
Ich darf Sie bitten, entsprechend zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Er hat uns so ausführlich berichtet, daß es, glaube ich, nicht nötig sein wird, bei den Diskussionen über die einzelnen Bestimmungen noch allzulange zu reden.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. I Ziffer 1. — Keine Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu Ziffer 2 sind zwei Abänderungsanträge angekündigt, Umdruck Nr. 267 und Umdruck Nr. 271. Antragsteller ist in beiden Fällen die Fraktion des Zentrums. Ich nehme an, Herr Dr. Bertram, daß Sie beide Anträge zusammen begründen wollen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf Grund der ausgezeichneten und eingehenden Berichterstattung des Herrn Kollegen Kneipp sehr kurz fassen.
Die beiden Anträge, die wir vorgelegt haben, betreffen nicht Fragen der Zweckmäßigkeit, sondern Fragen des Rechts. Vor allem der erste Antrag, der die Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener in dem Umfang, in dem sie bis 1938 steuerfrei waren, von der Besteuerung ausgenommen wissen will, ist ein Antrag, der ausgesprochen nur eine Frage des Rechtes hier zur Entscheidung stellen will, und nicht Fragen der Zweckmäßigkeit.
Wenn der Kollege Kneipp als Gründe, die den Finanzausschuß bewogen hätten, diesem Antrag nicht zuzustimmen, angegeben hat, daß die Kirchen diesen Zustand schon 13 Jahre lang ertrügen, so ist das richtig. Sie ertragen 13 Jahre lang einen Zustand des Unrechts, das wir jetzt auch nach 13 Jahren noch wiedergutmachen können; es ist nie zu spät, ein Unrecht wiedergutzumachen. Wenn darauf hingewiesen wird, daß die Gemeinden besondere Not litten, so ist demgegenüber zu erwähnen, daß das ganze Objekt für beide Kirchen zusammen nach einer überschlägigen Schätzungirund 4 Millionen ausmacht, während allein die Erhöhung des Gewerbesteueraufkommens für die Gemeinden im laufenden Jahr ein Mehr von 250 Millionen DM ergibt. Man sieht aus der Größenordnung, daß es nicht um die Existenz, um Sein oder Nichtsein der Gemeindefinanzen gehen kann.
Wenn schließlich darauf hingewiesen wird, es sei ein buntscheckiges Bild bei der Grundsteuer, so ist zu sagen: dieses buntscheckige Bild bei der Grundsteuer gab es für lange Zeiträume. Da es sich um ein lokales Recht handelt und die Grundsteuer außerdem eine Objektsteuer ist, ist es gar nicht schlimm, wenn es sich bei den einzelnen Grundstücken, die auch in benachbarten Gemeinden liegen mögen, um verschiedene Rechtsfiguren handelt. Das ist ja im ganzen Staatskirchenrecht so. Wir haben kein einheitliches Staatskirchenrecht und können deshalb die hier vorliegenden Grundsteuerbefreiungen auch nicht vereinheitlichen; wir müssen nämlich sonst die Pfarrerbesoldungsordnung ändern. Die Grundsteuerbefreiungen sind praktsch nichts anderes als ein Teil der Pfarrerbesoldung, und nehmen wir hier die Grundsteuerbefreiungen, dann nehmen wir einen Teil der Pfarrerbesoldung weg. Um nichts anderes handelt es sich. Das hat die Weimarer Reichsverfassung in Art. 138 anerkannt. In Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung ist der Kirche dieses' Recht ausdrücklich garantiert, und zwar wie folgt:
Die auf Gesetz, Vertrag . . . beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst.
D. h., nur dann können sie fortgenommen werden, wenn sie abgelöst werden.
Die Grundsätze stellt das Reich auf.
Abs. 2 des Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung:
Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften . . . werden gewährleistet. Gegen diesen Grundsatz hat der nationalsozialistische Gesetzgeber verstoßen.
Man kann nicht mehr gut daran zweifeln, daß es sich bei der Beseitigung dieser Steuerbefreiungen um eine negative Staatsleistung handelt. Der Rechtsausschuß hat auch keineswegs — Herr Kollege Kneipp, Sie konnten das nicht wissen — nur oberflächlich etwa auf Grund eines kurzen Referates der Herren Kollegen Arndt und Wahl darüber beschlossen, sondern die Vertreter der Regie-
rung sind eingehend zu Worte gekommen. Es hat eine sehr hitzige Debatte gegeben. In dieser Debatte war einstimmige Meinung sämtlicher Mitglieder des Rechtsausschusses — die alle Entscheidungen und Materialien zur Kenntnis bekommen hatten —, daß es sich hier um eine sogenannte negative Staatsleistung handelt. Auch in der Literatur, in der später gefestigten Rechtsprechung des Reichsgerichts ist diese Rechtstatsache als feststehend anzusehen.
Ich will Sie mit den Einzelheiten nicht langweilen; damit hat sich der Rechtsausschuß befaßt. Er ist zu dem Gutachten gekommen, das sich mit dem Gutachten deckt, welches das Bundesjustizministerium in der Zwischenzeit angefertigt hat. Das Justizministerium dürfte als unser Verfassungsministerium ja mehr Autorität in derartigen grundgesetzlichen Fragen haben als die Referenten des Bundesfinanzministeriums. Es ist deshalb auch nicht richtig, wenn der Kollege Kneipp sagte, die Bundesregierung sei in dieser Frage einig.
— Nein, Sie hatten „Bundesregierung" gesagt. — Im Gegenteil, das Bundesjustizministerium vertritt hier die gleiche Ansicht wie der Rechtsausschuß des Bundestages und wie Literatur und Rechtsprechung ganz überwiegend auch vertreten.
Dieses Recht der Religionsgesellschaften ist also 1936 entschädigungslos, d. h. ohne Ablösung fortgenommen worden. Nun kann man natürlich sagen, das, was durch diesen Rechtsbruch von 1936 geschaffen wurde, sei kraft Gewohnheitsrechts Recht geworden. Aber es handelt sich doch um eine ganz typisch nationalsozialistische Maßnahme.
— einen Augenblick bitte, ich werde mich bemühen, mich noch kürzer zu fassen! —,
um eine typisch nationalsozialistische Maßnahme; denn das ist doch das Entscheidende: man hat gleichzeitig für Parteigebäude Steuerfreiheit gewährt und hat nur solche Besonderheiten des Grundsteuerrechtes beseitigt, die nicht besonders geschützt waren. Bei den Kirchenleistungen stand aber noch der Art. 138 der Weimarer Verfassung im Wege, und darüber hat man sich großzügig hinweggesetzt.
Und zweitens — das ist meiner Ansicht nach ein ebenso wichtiges Argument —: Das Grundgesetz hat in voller Kenntnis dieser Entwicklung in Art. 140 den Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung wieder in Kraft gesetzt. Damit ist spätestens seit diesem Zeitpunkt, mit dem Erlaß des Grundgesetzes, die alte Rechtslage wiederhergestellt worden. Seit diesem Zeitpunkt spätestens — ganz unabhängig davon, wie man die vergangene Rechtsperiode auch beurteilen mag — bestehen diese Rechtsansprüche, die nur durch Ablösung beseitigt werden können. Was ist die Konsequenz? Setzen wir uns darüber hinweg, so machen wir uns schadenersatzpflichtig. Meine Damen und Herren, Sie können dem Bundesgesetzgeber nicht zumuten, hier ein Gesetz zu erlassen, das gegen das Grundgesetz verstößt. Da macht sich nämlich der Bundesgesetzgeber schadenersatzpflichtig und nicht etwa die Länder, die von seiten der Bundesfinanzverwaltung als die möglichen Träger oder Gegner etwaiger Ansprüche angesehen werden.
Meine Damen und Herren, ich will Sie mit den rechtlichen Ausführungen nicht weiter aufhalten.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
— Unser aller Antrag! Ich bestätige ausdrücklich: es ist kein Zentrumsantrag, es ist ein interfraktioneller Antrag.
Es sind Gott sei Dank sehr viel mehr Unterschriften unter dem Antrag, als unsere Partei in diesem Hause Mitglieder hat.
Trotzdem bitte ich Sie, „unserem" Antrag, d. h. dem Antrag der Unterzeichner dieser Drucksache, zuzustimmen. Es handelt sich nicht um eine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern es handelt sich um eine Frage des Rechts.
Mit dem zweiten Antrag, den wir vorgelegt haben, bitten wir, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Es handelt sich darum, daß durch einen Beschluß des Ausschusses in der Regierungsvorlage bei der Steuerbefreiung für Unterrichtsanstalten, Erziehungsanstalten und Schulen von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, von Orden der religiösen Genossenschaften, jüdischen Kultusgemeinden und einigen ihrer Verbände nur diejenigen Institute von der Steuerfreiheit ausgenommen worden sind, die als nicht anerkannt im Sinne des Art. 7 Ziff. 4 des Grundgesetzes gelten. Nach Art. 7 Ziff. 4 des Grundgesetzes sind aber nur solche Institute staatlich anerkannt, die mit den übrigen Schulen in Wettbewerb stehen, während es sich bei diesen kirchlichen Instituten ja um einen wesentlich weiteren Kreis von Grundbesitz handelt. Infolgedessen ist hier eine Einschränkung erfolgt, die mit dem Grundgedanken des Gesetzes nicht in Übereinstimmung steht. Die Regierung hat selbst ausgeführt:
Bei der veränderten Einstellung des Staates zu den Kirchen und ihren Einrichtungen kann unterstellt werden, daß der Benutzungszweck des von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Einrichtungen für Zwecke der Wissenschaft, der Erziehung und des Unterrichts benutzten Grundbesitzes im Rahmen der öffentlichen Aufgaben liegt. Dieser Grundbesitz soll deshalb hinsichtlich des Verzichts auf eine Anerkennung genau so behandelt werden wie der Grundbesitz des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes.
— Das ist die Begründung, die die Regierung ihrer Vorlage gegeben hat; sie spricht für sich selbst. Stellen Sie die Vorlage der Regierung nicht wieder her, so wird immer der Verdacht bleiben, daß dieser Beschluß auf einer ebenso wenig kirchenfreundlichen Haltung beruht, wie sie seinerzeit, im Dritten Reich, in dessen Gesetz zum Ausdruck gekommen ist.
Meine Damen und Herren, ich muß mich selber berichtigen. Ich habe vorher Art. I Ziffer 1 aufgerufen; es war jedoch Art. I Ziffer 1 Unterziffer 1, worüber wir abgestimmt haben. Wir sind nunmehr bei Art. I Ziffer 1 Unterziffer 2.
Das Wort hat der Abgeordnete Morgenthaler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Herrn Kollegen Bertram bedarf eigentlich gar keiner weiteren Diskussion.
Der Antrag fordert nichts als die Wiedergewährung eines Rechts, des Rechts, das begründet war in der Weimarer Verfassung, das mehrfach durch reichsgerichtliche Entscheidung festgestellt und das im Grundgesetz verankert worden ist. Deswegen möchte ich Sie bitten, meine Damen und Herren, daß Sie alle diesem Antrag zustimmen. Ich möchte die Zustimmung meiner Fraktion hiermit ausdrücklich erklären.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Offenbar nicht.
Dann lasse ich zunächst über den Antrag auf Umdruck Nr. 267 abstimmen.
— 267! Der andere Antrag liegt auf Umdruck Nr. 271 vor.
— Es handelt sich um die Anträge auf Umdruck Nr. 267. Das ist der Antrag, der eine Menge von Unterschriften trägt.
— Er ist hier auf dem Original mit der Nr. 267 ausgezeichnet; auf dem Umdruck mit Nr. 268. Wo die Verwechslung geschehen ist, weiß ich nicht.
Ich lasse also abstimmen über Umdruck Nr. 268, den Sie in Ihren Händen haben. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Umdruck Nr. 271. Wer für die Annahme des Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen! Wer für die Annahme des Antrags Umdruck Nr. 271 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Nun lasse ich abstimmen über Art. I Ziffer 1 Unterziffer 2. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nunmehr Art. I Ziffer 2. — Keine Wortmeldungen. Ich rufe weiter auf Ziffer 3, — Ziffer 4, — Ziffer 5, — Ziffer 6, — Ziffer 7, — Ziffer 8 entfällt,
— Ziffer 9. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf: Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Herr Präsident, Sie haben die Drucksache Nr. 2013 übersehen, die den Antrag enthält, eine neue Ziffer 8 zu schaffen: § 29 erhält folgenden Abs. 4. Diesen Antrag müssen wir doch wohl erledigen. Der Herr Berichterstatter hat schon vorgetragen, daß der Abs. 4 zwei Druckfehler enthält.
Ich habe darüber abstimmen lassen, Herr Kollege Höpker-Aschoff.
Sie haben aufgerufen: Ziffer 8 entfällt, während nach Drucksache Nr. 2013 die Ziffer 8 nicht entfällt, sondern eine neue Ziffer 8 geschaffen werden soll.
Sie haben recht. Ich hatte das mißverstanden. Das war hier eingeklebt und sah so aus, als gehöre es zu Ziffer 7. Ich darf dann noch über Ziffer 8 in der neuen Fassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf: Art. I, — Art. II, —Art. III, — Art. IV, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wer in der Schlußabstimmung für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Wir haben dann noch über einige Ziffern des Ausschußantrages Drucksache Nr. 2013 abzustimmen, und zwar über die Ziffern 2, 3 und 4, sowie Drucksache Nr. 1947 Ziffer 2 und Nr. 2408 Ziffer 2. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Die Anträge unter den genannten Ziffern sind gegen einige Stimmen angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Herr Dr. Müller hat mich gebeten, ich möchte als nächsten Punkt die Ziffer 11 der Tagesordnung aufrufen, weil er bei seinem Ausschuß schlecht abkömmlich ist. Ist das Haus damit einverstanden, daß Punkt 11 vor Punkt 10 der Tagesordnung aufgerufen wird?
Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung ;
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Dr. Müller .
Meine Damen und Herren! Es handelt sich um eine Verlängerung des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung. Der Kernpunkt der Sache ist das gesetzliche Früchtepfandrecht. Um die Düngemittel- und Saatgutversorgung zu sichern, muß das Gesetz verlängert werden. Der Bundesrat hat sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt und vorgeschlagen, das Gesetz auf unbestimmte Zeit zu verlängern, bis ein neues Gesetz geschaffen ist.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat die Vorlage beraten und einstimmig beschlossen, das Hohe Haus zu bitten, der Verlängerung so zuzustimmen, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hat.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf: § 1, — § 2 — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Ich rufe auf: § 1, -§ 2, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Angenommen.
Wer in der Schlußabstimmung für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes ;
Zweiter Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 2407 der Drucksachen)..
Ich habe bekanntzugeben, daß zu Punkt 10 der Tagesordnung als weiterer Gegenstand — wenn man so will, als Punkt 10 b — noch die
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Besteuerung des Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1951 genommen werden soll. Der Finanzausschuß hat sich schon mit der Sache beschäftigt und empfiehlt dem Hause, heute noch die drei Lesungen vorzunehmen; es ist ein formales Gesetz. Ist das Haus damit einverstanden, daß dieser Gegenstand auf die Tagesordnung gesetzt wird?
— Es ist Drucksache Nr. 2452.
Ich rufe zunächst unter Punkt 10 der Tagesordnung die Drucksachen Nrn. 2242, 2362 und 2407 auf. Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Kneipp.
Ja, meine verehrten Freunde, so geht das nicht. Ich habe hier den Ausschußbericht zu erstatten, und derjenige, der nicht zuhören will, der weiß ja vielleicht, was er zu tun hat.
— Ich lasse auch jedem einzelnen Gerechtigkeit widerfahren; ich verlange das auch für mich.
Es handelt sich hier um eine Sache, bei der der Finanzminister nicht nehmender, sondern gebender Teil ist.
Es gibt eine Menge Betriebe der Tabakwarenindustrie, und zwar sowohl auf dem Gebiete der
Zigarren- und Zigarettenherstellung als auch auf dem Gebiete der Rauchtabakerzeugung, die zu den sogenannten Familienbetrieben, also den schwächeren Betrieben gehören, bei denen andere Verhältnisse bestehen als bei den Großbetrieben. Sie müssen ihre Produkte teurer einkaufen, für den Absatz größere Aufwendungen machen; auf der anderen Seite hat der Staat schon aus soziologischen Gründen ein Interesse daran, daß diese Betriebe erhalten bleiben. Deswegen soll den Betrieben, wie das schon früher üblich war, eine Betriebsbeihilfe gegeben werden. Sie soll jeweils im ersten Monat eines Vierteljahres für das abgelaufene Vierteljahr auf Grund der Produktionsleistungen und vor allem nach Maßgabe der verwerteten Steuermarken gewährt werden. Bei der Zigarettenindustrie fallen z. B. 37 Betriebe darunter, während 5 Betriebe der Zigarettenindustrie außerhalb einer solchen Konkurrenz stehen. Der Ausschuß hat sich einstimmig auf den Standpunkt gestellt, daß es erforderlich ist, diese Betriebsbeihilfe zu gewähren, eine Betriebsbeihilfe, die schon einmal nach dem Tabaksteuergesetz vom Jahre 1939 gewährt wurde. Eine verschiedenartige Auffassung trat lediglich bei der Frage in Erscheinung, wann dieses Gesetz in Kraft treten soll. Der Finanzminister hatte den 1. April dieses Jahres vorgeschlagen. Der Ausschuß hat geglaubt, den 1. Juli vorschlagen zu sollen. Ich darf Sie bitten, dem Gesetzentwurf in dieser Fassung Ihre Zustimmung zu geben.
Vielleicht darf ich gleich als Antragsteller einen Satz anschließen.
Dann muß ich das zuerst aufrufen. Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile ihm das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der FDP. Er kann wohl gleichzeitig im Namen der CDU/CSU sprechen,
denn die beiden Anträge stimmen überein.
Ich bin vom Kollegen Neuburger autorisiert worden, gleichzeitig für den Antrag der CDU zu sprechen. Beide Anträge sind inhaltlich gleich. Es ist uns inzwischen durch Besichtigung verschiedener Betriebe klar geworden, daß eine Reihe von Betrieben unbedingt auf diese Betriebsbeihilfe jetzt schon angewiesen ist, weshalb ich Ihnen namens der Antragsteller der beiden Umdrucke Nr. 274 und Nr. 265 vorschlagen darf, das Gesetz nicht, wie vom Ausschuß beschlossen, am 1. Juli, sondern am 1. April dieses Jahres in Kraft treten zu lassen.
Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2. Wer für diese Artikel ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu Art. 3 ist ein Abänderungsantrag gestellt worden. Wer für die Abänderung der Ausschußvorlage im Sinne des gestellten Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen 2 Stimmen angenommen.
Dann lasse ich abstimmen über Art. 3, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich -rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir gehen über zur Einzelberatung: Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Der Punkt, den wir soeben auf die Tagesordnung gesetzt haben, wird nunmehr von mir aufgerufen. Es ist — ich wiederhole — die Drucksache Nr. 2452. Wir treten in die
erste Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die erste Beratung ist geschlosen.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
§ 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die aufgerufenen Bestimmungen sind angenommen. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Bestimmungen sind angenommen.
Wer in der Schlußabstimmung für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Dann rufe ich auf die Punkte 12 a und 12 b der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Antrag beim Bundesverfassungsgericht auf Verbot faschistischer und militaristischer Organisationen ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verfassungswidrigkeit des Verbots der Freien Deutschen Jugend .
Wollen Sie die beiden Punkte getrennt oder zusammen begründen?
— Einzeln, dann zunächst die Begründung zu
Punkt 12 a. Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Der Ältestenrat schlägt dem Hause für die Begründung dieser beiden Anträge je 10 und für die allgemeine Aussprache 60 Minuten var. Ist das Haus einverstanden? — Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren! In der letzten Zeit sehen wir eine Wiederbelebung und eine zunehmende Aktivität faschistischer und militaristischer Gruppen und Verbände.
Entgegen dem Potsdamer Abkommen, in dem unter Abschnitt Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands Abs. A gesagt wird:
Alle Kriegervereine und alle anderen militäri-
schen und halbmilitärischen Organisationen
zusammen mit ihren Vereinen und Unter-
ôrganisationen, die den Interessen der Erhaltung der militärischen Tradition dienen, sind völlig und endgültig aufgelöst, um damit für immer der Wiedergeburt oder Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus und Nazismus vorzubeugen,
werden im Zeichen der Remilitarisierung die faschistischen und militaristischen Umtriebe gestattet und in der Praxis in Westdeutschland sogar begünstigt.
Die Tätigkeit der sogenannten Sozialistischen Reichspartei, der Ersten Legion, der Offiziersverbände, das Treffen der SS-Panzerdivision „Großdeutschland", der „Grünen Teufel" usw. dient den Interessen des deutschen und des amerikanischen Monopolkapitals bei der Vorbereitung eines neuen Krieges gegen die friedliebenden Völker der Sowjetunion, die Volksdemokratien und die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik, aber sie dient nicht den nationalen Interessen des deutschen Volkes.
Offen propagiert die Erste Legion einen Revanchekrieg gegen die Völker des Ostens. In dem Programm der Legion wird die sofortige Mobilisierung aller geistigen und materiellen Kräfte gegen den Bolschewismus gefordert. Der Kampf soll Mann gegen Mann geführt werden. Die Erste Legion bedient sich auch in ihrer Ausdrucksweise der Hitlerterminologie. Das Soldatentum wird verherrlicht. Wir lesen im Programm der Ersten Legion, eine der Tugenden der Legion sei die Ehre und die Tapferkeit des Soldatentums.
Ich erinnere daran, daß auch der Leitspruch der SS hieß: „Eure Ehre sei Treue!" Programmpunkte der Ersten Legion sind identisch mit dem Hitler-Programm und mit dem Buch Hitlers „Mein Kampf". Die Legion ruft zur Bildung eines Volksheeres auf. Sie spricht sich damit ganz offen für die Organisierung eines neuen Krieges aus; denn die Aufstellung eines solchen Heeres könnte keinen anderen Zweck haben. Die Legion ist darüber hinaus eine Terrorgruppe ähnlich der SS. Sie rühmt sich in ihren Verlautbarungen der Aktivhandlungen gegenüber Arbeitern und Geschäftsleuten, die sich in Westdeutschland der Auffassung widersetzen, unsere Heimat in ein Schlachtfeld zu verwandeln.
Die Panzerdivision „Großdeutschland" erklärte sich auf ihrem Treffen in Kassel unter der Führung von Manteuffel für den Kampf gegen den Osten. In einem Telegramm an den Bundespräsidenten Heuss stellt sich diese SS-Formation
— wie sie selbst sagt: „unter Wahrung bester soldatischer Tradition" — zur Verfügung. — Das Wort „Großdeutschland", Herr Mende,
wurde dieser Division durch den Hitler-Generalstab gegeben. Schon in dem Wort „Großdeutschland" kommt die Revancheabsicht dieser Formation zum Ausdruck. Offen wird die Eroberung des heutigen Gebietes der Deutschen Demokratischen Republik und der Kampf gegen Polen und die Sowjetunion proklamiert!
Bei voller Duldung der Regierung konnten die Sozialistische Reichspartei und andere faschistische Gruppierungen Kundgebungen bei der Beerdigung der Kriegsverbrecher Ohlendorf, Schmidt
u. a. durchführen. Der Empfang des Generals der Fallschirmjäger Ramcke durch den Bundeskanzler Adenauer ist ein weiterer Beweis dafür, daß man die Wiederbelebung des Militarismus und die Politik der Revanche gutheißt und unterstützt.
Die Kräfte der Revanche und des Krieges erblicken in einem neuen Völkermorden unter Führung des USA-Imperialismus eine Chance für das deutsche Monopolkapital. Aber ohne Zweifel würde ein solcher Krieg nur mit der völligen Vernichtung Deutschlands und der Ausrottung unserer Nation enden. Das deutsche Volk hat es noch deutlich in Erinnerung, daß die Kräfte des deutschen Monopolkapitals und des preußisch-deutschen Militarismus einmal unser Volk in ein großes Unglück gebracht haben. Unser Volk ist nicht gewillt — das beweist der Widerstand des Volkes gegen die Remilitarisierung —, sich erneut durch diese Elemente in einen Krieg hetzen zu lassen. Die faschistisch-militärischen Gruppen und Verbände, die sich heute unter Führung Amerikas für einen neuen Krieg gegen die Völker des Ostens erklären, sind zugleich die größten Feinde der Arbeiterschaft und aller wirklichen Demokraten. Ich möchte Sie daran erinnern, daß aus der revanchelüsternen Offizierskaste der Weimarer Zeit, aus der Schwarzen Reichswehr, den Orgesch-Verbänden, der „Reichskriegsflagge", die Mörder von Rathenau, Erzberger und Tausender von Arbeitern gekommen sind. Wir fanden sie später wieder, alle diese Fememörder und Arbeitermörder, die Heines, Schulz und Konsorten, in den SA- und SS-Banden des „Dritten Reiches".
Möge dieser Rückblick allen sozialdemokratischen und christlichen Menschen eine ernste Mahnung sein zur Verstärkung des Kampfes gegen alle faschistisch-militaristischen Verschwörergruppen gegen den Frieden. Im Interesse der Erhaltung des Friedens und der demokratischen Rechte des Volkes fordern wir in voller Übereinstimmung mit den Millionen Menschen in Westdeutschland das Verbot aller faschistisch-militärischen Organisationen und Verbände. Die faschistisch-militärischen Umtriebe aller dieser Gruppen wie der Ersten Legion, der Panzerdivision „Großdeutschland", der „Grünen Teufel" usw. stehen im Gegensatz zu dem Grundgesetz. Die Regierung Adenauer wäre nach dem Grundgesetz längst verpflichtet gewesen, solche Umtriebe schon in den Anfängen unmöglich zu machen. Im Grundgesetz wurde ausdrücklich festgelegt, daß Vereinigungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten sind.
Wer aber wie diese Organisationen in Revanche, Völkerhetze und Terror macht, handelt illegal und gegen die Interessen des Friedens. Gestützt auf den Art. 9 des Grundgesetzes möge deshalb der Bundestag im Interesse der Erhaltung des Friedens und einer echten Verständigungspolitik mit allen Völkern die Bundesregierung verpflichten, beim Bundesverfassungsgericht sofort das Verbot aller dieser Verbände und Organisationen zu beantragen. Ich appelliere in dieser Angelegenheit an das ganze Haus. Möge sich jeder Abgeordnete der großen Verantwortung bei der Abstimmung über unsern Antrag bewußt sein. Ich ersuche Sie, im Interesse unseres Volkes, im Interesse der Er-
haltung des Friedens für unser Volk und für die Menschheit unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 12 b der Tagesordnung hat Frau Abgeordnete Thiele.
— Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele; ich habe ihr das Wort gegeben.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit der Drucksache Nr. 2403 legt Ihnen die KPD-Fraktion heute einen Antrag vor, der fordert, das von der Bundesregierung am 26. Juni 1951 ausgesprochene Verbot der FDJ und die gegen ihre Organe ergriffenen Maßnahmen für rechtsunwirksam zu erklären und demzufolge sofort aufzuheben. Das Verbot der FDJ ist verfassungswidrig, weil die Bundesregierung nicht befugt ist, in die Zuständigkeit der Rechtsprechung einzugreifen, soweit diese durch Gesetz begründet ist. Das ergibt sich aus dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Dreiteilung der Gewalten und aus der Bestimmung, daß die Gerichte unabhängig sind, d. h. daß die Staatsorgane sich nicht in die Rechtsprechung einmischen dürfen. Es ist aber eindeutig bestimmt, daß die Feststellung, ob eine Vereinigung nach Art. 9 des Grundgesetzes verboten ist, dem Gericht, nämlich dem Bundesverfassungsgericht, vorbehalten ist. Das ergibt, sich aus Art. 18 Satz 2 des Grundgesetzes.
Ich muß ebenso wie mein Kollege Fisch darauf hinweisen, daß es der Bundesjustizminister Dr. Dehler war, der die Aufnahme dieser Bestimmung mit der Begründung gefordert hat, daß der ganze Artikel ohne den Satz 2 wertlos sei und in den Polizeistaat gehöre. Dr. Dehler führte dazu aus, daß jede Polizeibehörde die Grundrechte außer Kraft setzen könne, wenn nicht die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Entscheidung über die Grundrechtsverwirkung begründet werde. Daraufhin stimmten der Hauptausschuß und das Plenum des Parlamentarischen Rates der jetzigen. Formulierung zu, die wie folgt lautet:
Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.
In der Begründung zum Verbot der FDJ wird die FDJ als eine Vereinigung bezeichnet, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Ich frage Sie, meine Herren und Damen: Ist es gegen die verfassungsmäßige Ordnung, wenn eine Jugendorganisation für Frieden und Völkerverständigung kämpft?
Ist es gegen die verfassungsmäßige Ordnung, wenn eine Jugendorganisation nach ihrem Programm ihre ganze Tätigkeit auf die Verwirklichung der 4 Grundrechte richtet, die wie folgt lauten: politische Freiheit für die Jugend, Wahlrecht ab 18 Jahre, Recht auf Bildung, Recht auf Arbeit und Arbeitsschutz und Recht auf kulturelle Betätigung? Wenn das, meine Herren und Damen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist — das ist nämlich die Tätigkeit der FDJ —,
dann haben Sie allerdings recht mit Ihrem Verbot.
,
Die Vorgeschichte des Verbots verdient aber auch beachtet zu werden. Bereits Monate vorher, beginnend im Oktober vorigen Jahres, wurden zur Verhinderung des „Tages der Hunderttausend" willkürlich Mitglieder der FDJ aus dem Ruhrgebiet aus ihren Wohnungen, aus ihren Betrieben heraus verhaftet.
Seit Monaten werden Kulturveranstaltungen der FDJ provozierend durch die Polizei gestört und aufgelöst,
und wahllos wird auf Frauen, Kinder und Jugendliche eingeschlagen, damit daraus ein Widerstand der FDJ gegen die Staatsgewalt konstruiert werden kann. Meine Herren und Damen, dieses Zeichen der Demokratie, dieses Zeichen Ihrer Demokratie, Herr Dr. Lehr, den Gummiknüppel, den habe ich selbst dermaßen zu spüren bekommen, daß ich in den Krankenwagen gelegt werden mußte.
— Schämen Sie sich, meine Herren und Damen!
Und so war es auch bei der Kundgebung der jungen deutschen Patrioten hier in der Nähe des Petersberges, hier vor der westdeutschen Zwingburg, als die Polizei eingegriffen hat. Das sollte nämlich der äußere Anlaß zum Verbot der FDJ werden, wie es der Innenminister Dr. Lehr hier im Bundestag sehr deutlich und für meine Begriffe, Herr Dr. Lehr, zynisch und brutal gesagt hat.
Meine Herren und Damen, warum aber wurde die Verfassung gebrochen, und warum wurde dieses Verbot ausgesprochen? Damit hier ein Polizeistaat nach Herrn Dr. Lehr, nach Herrn Dr. Dehler geschaffen wurde, weil die im Grundgesetz verankerten sehr bescheidenen Rechte für das Volk Hindernisse sind für die Verwirklichung der Kriegspläne und für die Aufstellung einer deutschen Wehrmacht, von Ihnen schamhaft „Sicherheitsbeitrag" genannt. Hunderttausende junger Menschen in Westdeutschland sagen heute nicht mehr nur „Ohne uns" dazu, sondern sie sind bereit, ihr eigenes Leben, ihre Zukunft und unsere deutsche Heimat aktiv gegen die Kriegshetzer zu verteidigen.
Die Freie Deutsche Jugend steht an der Spitze des besten Teils der deutschen Jugend im Kampf für die Erhaltung des Friedens
und für die Wahrung der demokratischen Rechte entsprechend ihrem Programm. Ich dachte, es müßte Ihnen selbst langsam langweilig und primitiv sein, immer wieder dieselben lapidaren Zwischenrufe zu machen.
Unaufhörlich ist der Zustrom aus allen Teilen der westdeutschen Jugend, die sich zur FDJ, ihren Zielen und ihrem Freiheitskampf bekennen und zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten nach Berlin fahren und damit den Willen der westdeutschen Jugend für Völkerverständigung und Frieden unter Beweis stellen werden.
Darum wurde das Verbot ausgesprochen, weil die Regierung und alle Kriegstreiber diese Jugend fürchten und sie in ihrem Friedenskampf behindern wollen. Die westdeutsche Jugend aber will keinen
Krieg, und darum wird Ihnen dieses Verbot nichts nützen. Im Gegenteil, immer mehr junge Menschen werden den Charakter dieses Staates erkennen.
Niemals wird es einer solchen volksfremden und volksfeindlichen Regierung gelingen, eine Jugend zu verbieten, die das Beste im deutschen Volke repräsentiert.
Und nun hören Sie gut zu — lachen Sie lieber nicht! —: So wie Adolf Hitler und seine Schergen in der Verachtung aller Völker und auch des deutschen Volkes untergegangen sind, wird jede Regierung enden, die sich anmaßt, die Freiheit des deutschen Volkes zu verschachern. Heute schon trifft die Verachtung — —
— Ich kann warten, meine Herren! — Heute schon trifft die Verachtung alle diejenigen, die mit Terror und Unterdrückung den Boden für die Rekrutierung der ersten 250 000 jungen Deutschen
für den neuen amerikanischen Krieg in Europa vorbereiten.
Die Jugend in Westdeutschland gibt Ihnen heute schon ihre Antwort darauf. Das zeigen die zugemauerten und damit unbrauchbar gemachten Sprenglöcher an der Loreley. Das zeigen die täglich sich mehrenden Abstimmungsergebnisse zur Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für einen Friedensvertrag im Jahre 1951.
Die Freie Deutsche Jugend wird immer und unaufhörlich diese Friedensliebe der gesamten westdeutschen Jugend zum Ausdruck bringen und dem deutschen Volk die Pläne der Kriegstreiber enthüllen und den Charakter dieser Regierung aufzeigen. Die blaue Fahne des stolzen Verbandes der FDJ, der heute schon mehr als 3 Millionen Mitglieder zählt, wird in Berlin bei den Weltfestspielen der Jugend und der Studenten auch vor den hunderttausend westdeutschen Jugendlichen vorangetragen werden. Diese blaue Friedensfahne, diese Friedensfahne der 'deutschen Jugend wird so lange in Westdeutschland das Banner der friedliebenden Jugend sein, bis ein einiges, friedliebendes, unabhängiges, demokratisches
Deutschland wiederhergestellt und damit der Friede in Europa gesichert ist.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
— Ich habe das Wort dem Herrn Bundesinnenminister erteilt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der erste Antrag der KPD-Fraktion wünscht, daß das Bundesverfassungsgericht sich mit dem Verbot von zwei Vereinigungen befassen solle.
Das Bundesverfassungsgericht ist nach Art. 21 des Grundgesetzes ausschließlich zuständig für Verbote einer Partei.
Hier handelt es sich um Organisationen, die als solche keine Parteien sind.
Infolgedessen fallen sie unter den Art. 9 Abs. 2, nach welchem festzustellen ist, ob die verfassungsmäßige Ordnung gestört oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen ist.
— Eine solche Feststellung treffen ausschließlich die Bundesregierung
oder die Länderregierungen oder die Verwaltungsbehörden, aber nicht das Bundesverfassungsgericht.
Außerdem ist Voraussetzung für eine solche Feststellung, daß diese in dem Antrag genannten Organisationen sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung vergangen haben. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür sind bisher nicht festzustellen gewesen.
Der Antrag der Fraktion der KPD ist rechtlich unbegründet. Es bedarf dem Hohen Hause gegenüber keiner besonderen Versicherung oder Hervorhebung, daß die Bundesregierung Organisationen jeder Richtung daraufhin beobachtet, ob ihre Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.
Soweit zu dem ersten Antrag.
Dann zu dem zweiten Antrag, das Verbot der Freien Deutschen Jugend aufzuheben.
Dieses Verbot ist in dem Ministerialblatt und im Bundesanzeiger ausführlich begründet.
Sie haben Gelegenheit gehabt, alle Einzelheiten dieses Verbots dort nachzuprüfen. Ich erinnere Sie an die Kundgebungen in Bochum und in Stuttgart, an den Widerstand gegen die Polizei in Essen und Gelsenkirchen und am letzten Sonntag in Dortmund.
Und ich muß sagen: selbst wenn eine Dame das hier vorgetragen hat, so bedaure ich, hier das Wort zur Kritik nehmen zu müssen. Es gehört schon ein hohes Maß von Unverfrorenheit dazu, ein solches
Verhalten der FDJ auch noch in Schutz zu nehmen.
Wenn Frau Abgeordnete Thiele dabei in unsanfte Berührung mit der Polizei gekommen ist, so bedaure ich das an sich; denn die Polizei hat nicht den Wunsch, gegen Frauen und Kinder vorzugehen.
Aber ich möchte Ihnen doch den guten Rat geben,
sich als Dame an verfassungswidrigen Angriffen
gegen die Polizei, bei denen mit Steinen, Flaschen
und Zaunlatten gekämpft wird, nicht zu beteiligen.
Die Betätigung der FDJ, meine Damen und Herren, beschränkt sich nicht auf Einzelfälle, sondern ist eine fortgesetzte planmäßige Handlung, die von außen geleitet wird, und zwar geleitet wird nach dem Muster des Partisanenkrieges. Glauben Sie denn, meine Herren von der äußersten Linken, wir hätten nicht längst Ihre Instruktionen in Händen, wir wüßten nicht ganz genau, wer hinter diesen FDJ-Organisationen und -Demonstrationen steht?
Die Betätigung der FDJ bedeutet infolge ihrer Planmäßigkeit und- ihrer zentralen Lenkung von außen einen Angriff gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes. Diese Aktionen haben mit den Aktionen anderer kommunistisch gelenkter Aktionen das gemeinsame Endziel, die freiheitliche demokratische Ordnung der Bundesrepublik zu beseitigen. Deshalb sind sie von Rechts wegen verboten und werden mit Nachdruck bekämpft!
Das Wort hat der Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage Übergang zur Tagesordnung.
und begründe das wie folgt:
Die KPD ist hier im Bundestag und im ganzen Bundesgebiet die Traditionskompanie faschistischen Gedankengutes und faschistischen Verhaltens. Deshalb richtet sich dieser Antrag gegen die Antragsteller selbst. Soviel Einsicht haben wir aber bei der linken Seite des Hauses gar nicht vorausgesetzt. Deshalb beantragen wir Übergang zur Tagesordnung. Der Antrag unter Punkt 12 b ist ja die Vorwegnahme des Antrages unter Punkt 12 a und bedarf deshalb überhaupt keiner Begründung mehr. Ich beantrage nochmals Übergang zur Tagesordnung.
Vizerpäsident Dr. Schmid: Wir haben über diesen Antrag abzustimmen. Ich frage, ob dagegen gesprochen wird. — Das ist nicht der Fall. Dann
kommen wir zur Abstimmung über diesen Antrag.
Wer für Übergang zur Tagesordnung ist — das
gilt wohl für die Anträge unter 12 a und 12 b? —,
— den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller angenommen. Punkt 12 der Tagesordnung ist damit erledigt.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
— Ich bitte doch, die Minute noch zu warten; das ist kein sehr schönes Bild! — Wer für Annahme des interfraktionellen Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ange-. nommen.
Nun habe ich noch einen Antrag, den ich an das Haus richte, nämlich morgen auf die Tagesordnung zu setzen die erste, zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes. Es handelt sich praktisch nur um einen Paragraphen. Ist das Haus damit einverstanden?
— Dieser Punkt wird somit auf die morgige Tagesordnung gesetzt.
Ich berufe die nächste, die 159. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Dienstag, den 10. Juli, vormittags 9 Uhr, und schließe die 158. Sitzung des Deutschen Bundestages.