Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr eigenartig, daß Sie ausgerechnet bei einer solchen Vorlage, bei der es bekanntermaßen um die. Grundlage für die Verhängung von Tausenden von Jahren Zuchthaus geht, in der Bereitstellung von Zeit so bescheiden sind. Sie haben bei Bagatellangelegenheiten sehr viel Zeit gehabt.
Also müssen Sie wohl erlauben, daß man zu diesen Dingen hier etwas sagt. Im übrigen ist es völlig unangebracht, hierbei auf Vorgänge außerhalb der Bundesrepublik zu verweisen.
Sie haben es vorhin abgelehnt, in die Reihe der Verfassungsgrundsätze, die zu schützen sind, die Grundrechte aufzunehmen. Sie haben damit erklärt, daß der Schutz der Grundrechte nicht die elementare Pflicht dieses Staatsgebildes sei. Wer das tut, der hat kein Recht, sich darüber zu beklagen, wenn man ihn der Willkür und des Verfassungsbruchs bezichtigt.
In § 92 wird sehr harmlos über das verbotene „Sammeln von Nachrichten" gesprochen. Es handelt sich hier keineswegs um Delikte des Landesverrats — ich möchte das unterstreichen; denn die sind erst im kommenden Abschnitt behandelt —, sondern um „Nachrichtensammlung", die wiederum verbunden ist mit einem Gesinnungstatbestand, der Absicht, die Bundesrepublik abzulösen' durch ein geeintes demokratisches Deutschland. Solche Art Nachrichtensammlung soll also verboten sein, die der Werbung und der Tätigkeit für die Herbeiführung eines geeinten Deutschlands dienen soll.
Man spricht davon, daß unter dieses Verbot der Sammlung von Nachrichten zu zählen seien auch Nachrichten über Verwaltungen, Dienststellen, ja sogar über einzelne Personen, die sich „im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes" befinden. Was soll das heißen? Das soll wohl heißen, daß man in Zukunft dem Wunsche des Propagandaministeriums zufolge jede Tätigkeit für Zeitungen oder Rundfunkstationen „außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes", mit anderen Worten in der Deutschen Demokratischen Republik unterbinden möchte. Das soll doch wohl heißen, daß man die Anprangerung gewisser Tatbestände, deren Veröffentlichung der Regierung unangenehm ist, mit Gefängnis- und Zuchthausandrohung unterbinden möchte. Ich möchte daran erinnern, daß im letzten Absatz für besonders schwere Fälle eine Strafe von bis zu fünf Jahren Zuchthaus angedroht ist. Wer also tatbestandsgemäß Nachrichten über die illegale Aufrüstung, über die illegale Aufstellung militaristischer Verbände sammelt, wer etwa eine Meinung äußert und sie veröffentlicht,
über bestimmte Funktionen, sagen wir einmal, der „Dienststelle für die Unterbringung auswärtiger Truppenbestände", der Dienststelle Blank also, wer die Dinge beim Namen nennt und sagt, was diese eigenartige Dienststelle im Rahmen des Atlantik-Generalstabs zu tun hat, der kann mit Hilfe des § 92 zu Gefängnis und Zuchthaus verurteilt werden. Selbstverständlich — das wurde auf Anfrage bestätigt — fallen unter die Strafbestimmungen nicht die Versuche zur Sammlung oder Weitergabe von Nachrichten an die Agenten der Besatzungsmacht. Gemäß bestimmten politischen Grundauffassungen wird solcherlei Nachrichtensammlung wahrscheinlich sogar als eine ehrenvolle Tat bezeichnet. Wir haben für solche
ehrenvollen Taten kein Verständnis. Wir verlangen die uneingeschränkte Achtung des Grùndrechts der Meinungs- und Pressefreiheit und darum die Streichung des § 92.