Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau hat in der westdeutschen Bundesrepublik nach dem Krieg seit der Währungsreform überraschende Fortschritte gemacht, was sich allein aus der Zahl ergibt, daß der Produktionsindex den Satz von 136 % im Verhältnis zum Jahre 1936 erreichte. Dieser Aufschwung ist aber nicht gleichmäßig in sämtlichen Zweigen und Gebieten der Produktion möglich gewesen. Der Nachholbedarf nach dem Krieg ist zunächst überwiegend auf dem Gebiet der Konsumgüterindustrie befriedigt worden. Diese konnte ihren Wiederaufbau weitgehend im Weg der Selbstfinanzierung durchführen, da durch die Aufhebung der Preisbindungen die wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen wurden. Die Grundstoffindustrie und die Energiewirtschaft kamen dagegen mit dem Wiederaufbau nicht in demselben Maße mit, da sie durch die Preisbindungen in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beschränkt waren.
Durch dieses Zurückbleiben ist nun aber auch die weitere Aufwärtsentwicklung der von den Grundstoffindustrien ja abhängigen Produktions- und Konsumgüterindustrien in Frage gestellt. Im übrigen muß, wenn nicht unverzüglich Hilfe geleistet wird, mit der Möglichkeit sehr großer Schwierigkeiten insbesondere auch auf dem Gebiet der Kohlenversorgung gerechnet werden. Auch für die Er-
langung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit gegenüber dem Ausland ist die Beseitigung dieser Engpässe unbedingte Voraussetzung.
Zur Behebung der Engpässe kämen an sich, nachdem die ERP-Mittel nicht mehr im gleichen Umfang wie früher zur Verfügung stehen, in Frage öffentliche Mittel, private Mittel auf dem allgemeinen Kapitalmarkt, Selbstfinanzierung der Grundstoffindustrien oder Belastung der anderen Industrien zugunsten der Grundstoffindustrien. Die Wege Nr. 1 bis 3 müssen von vornherein ausscheiden. Öffentliche Mittel stehen nicht zur Verfügung. Der freie Kapitalmarkt ist erschöpft, und die Selbstfinanzierung wäre nur über den Preis, d. h. über Preiserhöhungen möglich, die sich heute ohne weiteres verbieten. Als Weg bleibt hiernach nur der vierte der oben aufgeführten Möglichkeiten. In dieser Richtung wurde früher der sogenannte Abschreibungsplan erwogen, der eine steuerliche Belastung der Wirtschaft zugunsten der Engpaßindustrie in erster Linie auf der Grundlage der Nichtanerkennung von Abschreibungen vorsah. Hiergegen hat sich jedoch der Gemeinschaftsausschuß der deutschen gewerblichen Wirtschaft ausgesprochen, da dieser Plan die Produktionsgüterindustrien in ungleich schärferem Maße als den Handel belasten würde.
In Würdigung der Schwierigkeiten der Engpaßindustrien hat die gewerbliche Wirtschaft in der Bundesrepublik — repräsentiert durch den Gemeinschaftsausschuß der deutschen gewerblichen Wirtschaft — beschlossen, zur Deckung des vordringlichen Investitionsbedarfs Mittel in Höhe von 1 Milliarde DM im Jahre 1951/52 im Weg der Selbsthilfe durch eine Umlage aufzubringen. Sinn dieser Umlage ist auf der einen Seite, Mittel für die Finanzierung der vordringlichen Engpaßinvestitionen zu gewinnen, auf der andern Seite in entsprechendem Umfang Mittel der gewerblichen Wirtschaft, die sonst für eigene Investitionen zur Verfügung gestanden hätten, für einige Zeit in Anspruch zu nehmen.
Aus dieser Grundidee heraus erklärt sich der Aufbau des Gesetzes. Die Mittel müssen in der Weise aufgebracht werden, daß die aufbringungspflichtigen Unternehmer die normalerweise für eigene Investitionen verfügbaren Beträge entnehmen. Die Bemessungsgrundlage ist nach dem Vorschlag des Gemeinschaftsausschusses so gewählt worden, daß auf die für Neu- oder Ersatzinvestitionen zur Verfügung stehenden liquiden Mittel des Unternehmens abgestellt worden ist. Die Investitionshilfe ist keine Steuer, da die aufbringenden Unternehmer ein Entgelt in Form von Wertpapieren erhalten. Trotz des in Würdigung der dringenden Notwendigkeiten freiwilligen Beschlusses der Repräsentanten der deutschen gewerblichen Wirtschaft ist eine Regelung durch Gesetz notwendig, um die ordnungsmäßige und gleichmäßige Aufbringung sicherzustellen.
Bei der Verwaltung und Verwendung der Mittel gestattet das Gesetz die finanzielle Abwicklung nach Grundsätzen, die den auf dem Kapitalmarkt geltenden Regeln angepaßt sind. Die Aufbringung der Mittel erfolgt in der Weise, daß der Aufbringungsschuldner gegenüber dem zuständigen Finanzamt eine Aufbringungserklärung abgibt, welche die zur Überprüfung der richtigen Anwendung der Bemessungsgrundlage erforderlichen Angaben enthält. Abgesehen hiervon soll derjenige, der seiner Aufbringungspflicht nachkommt, nur mit dem üblichen Apparat des Kapitalmarktes, insbesondere also mit Banken, zu tun haben. Auf dem Wege über den Bankenapparat fließen die Mittel an die Industriekreditbank und bilden dort ein Sondervermögen. Die Industriekreditbank vérgibt die Mittel im Rahmen von Quoten, die das Bundeswirtschaftsministerium festlegt, und nach Weisung des für die Verwaltung und Verwendung bestellten Kuratoriums.
Der Bundesrat hat nun eine völlige Neufassung des Gesetzentwurfes vorgelegt, die jedoch in ihrem Aufbau der Vorlage der Bundesregierung entspricht und zum großen Teil nur redaktionelle und technische Änderungen enthält. Die Bundesregierung erklärt sich mit den Änderungen des Bundesrats in den meisten Punkten einverstanden, sie stimmt jedoch mit ihm insoweit nicht überein, als er die Befreiung unter anderem auch auf alle Versorgungsb etriebe der öffentlichen Hand erstrecken will "und den Bemessungsmaßstab des Gemeinschaftsausschusses, den die Bundesregierung dem Gesetzentwurf zugrunde gelegt hatte, durch einen völlig neuen Maßstab ersetzen will.
Im einzelnen darf bemerkt werden: Nach § 1 wird die Verwendung der Mittel auf Kohle, Eisen, Stahl und Energie beschränkt, ist jedoch nach § 29 Abs. 2 in Höhe von 10 % des Aufbringungsbetrages auch für andere Engpaßindustrien möglich. Im § 1 ist ferner der Aufbringungsbetrag mit einer Milliarde DM festgelegt. Nach §§ 2 bis 4 schließen sich Aufbringungspflicht und Befreiungen von der Aufbringung grundsätzlich an das Gewerbesteuerrecht an.
Im Gegensatz zum Bundesrat möchte die Bundesregierung die Rundfunkunternehmen im Hinblick auf ihre erheblichen Investitionen und ihre erheblichen Einkünfte in die Aufbringungspflicht einbeziehen.
Im Gegensatz zum Bundesrat hat die Bundesregierung ferner Bedenken gegen die vom Bundesrat vorgeschlagene Befreiung der Hochsee- und Küstenschiffahrt, jedoch nicht gegen die Befreiung der Hochsee- und Küstenfischerei.
Gegen die Hinzufügung des § 3 Ziffer 9, Befreiung der Versorgungsbetriebe der öffentlichen Hand, hat die Bundesregierung vor allem deshalb die stärksten Bedenken, weil durch sie gewisse Betriebe der öffentlichen Hand anderen Wettbewerbsbedingungen unterstellt würden als die Privatbetriebe und die gemischtwirtschaftlichen Betriebe.
Es muß darauf verwiesen w erden, daß in allen den vorgenannten Fällen die §§ 20 und 20 a eine hinreichende Möglichkeit für eine Stundung oder einen Erlaß im Falle einer wirtschaftlichen Notwendigkeit und zudem die notwendige Gleichstellung der in Betracht kommenden Wirtschaftszweige sichern.
Die im § 6 des Regierungsentwurfs enthaltene Bemessungsgrundlage war auf Grund des Vorschlags des Gemeinschaftsausschusses im wesentlichen auf den Unternehmeranteil an der Nettowertschöpfung — added value — nur im Betrieb abgestellt. Von der gesamten Betriebseinnahme 1951 ist der Aufwand für Wareneinsatz für Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens abgesetzt. Abgesetzt werden ferner Löhne, Gehälter, gezahlte Zinsen, Verbrauchssteuern und gewisse Leistungsentgelte und Pauschbeträge für eigene Mitarbeit der Unternehmer. Der Bundesrat hat demgegenüber als Schlüssel des Betriebsgewinnes 1950 zuzüglich der Abschreibungen die nach dem § 7 und § 7 e des Einkommensteuergesetzes abgesetzten Be-
träge vorgeschlagen. Dieser Schlüssel hat den Vorteil, bei der Einkommensteuerveranlagung 1950 überprüfbar zu sein. Durch ihn werden die Finanzämter nicht mehr auf eine passive Rolle beschränkt. Es handelt sich um einen gewohnten Schlüssel ohne besondere Abgrenzungsschwierigkeiten.
Der Vorteil des Schlüssels der Regierungsvorlage liegt jedoch einmal darin, daß er zeitnahe ist; weiter stellt er bei Industrie und Handel in geeigneter Weise auf die Liquidität ab und vermeidet die Möglichkeit des Abzuges von Spesenunkosten. Der Gemeinschaftsausschuß hat diesen Schlüssel im Namen der gewerblichen Wirtschaft selbst vorgeschlagen. Bei Abstellung auf den Gewinn 1950 wäre zu befürchten, daß die Gewinne in der Erklärung 1950 angesichts ihrer gesteigerten Bedeutung vielleicht von der gewerblichen Wirtschaft besonders gedrückt würden und das Steueraufkommen dadurch beeinflußt würde.
Die Bundesregierung hat aus diesen Gründen an dem Grundsatz der alten Vorlage festgehalten. Sie muß insbesondere betonen, daß der Aufbringungsumsatz von 5 % nach § 7 des Gesetzes bei Annahme des Vorschlages des Bundesrates nicht nur auf acht vom Hundert, sondern sogar auf zehn vom Hundert erhöht werden muß.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf diese kurzen Bemerkungen über die Grundlinien des Gesetzes beschränken und möchte zum Schluß nur einen Wunsch aussprechen: Es handelt sich hier um eine Selbsthilfe der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands; möge sich diese Selbsthilfe in der Ausführung des Gesetzes wirklich als das betätigen, was wir alle hoffen.