Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn der Bundesminister der Finanzen von einem Mitglied dieses Hauses im Zuhören gestört wird, hört er doch, was gesprochen wird,
und kann infolgedessen auch dazu Stellung nehmen und m u ß in diesem Falle sogar dazu Stellung nehmen.
Der Gesetzentwurf, der als Initiativantrag eingereicht wurde, kommt ungefähr gleichzeitig mit einem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorlegen wird, der in den Ressortbesprechungen und in Besprechungen mit der Stadt Berlin vorbereitet, in diesen Tagen fertiggestellt und dem Kabinett zugeleitet und über Kabinett und Bundesrat dem Bundestag zugehen wird. Dieser Gesetzentwurf der Regierung unterscheidet sich allerdings in Einzelheiten von dem Gesetzentwurf, der hier als Initiativantrag vorgelegt ist.
Der kommende Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht auch die Gleichstellung der Stadt Berlin mit den übrigen 11 Ländern der Bundesrepublik vor. Man muß allerdings davon ausgehen, daß eine solche Gleichstellung immer im Guten wie im Bösen zu erfolgen ' hat und daß eine Teilung, Gleichstellung nur im Guten, Gleichstellung aber nicht im Bösen, schon rein finanziell, wirtschaftlich und vom Standpunkt der Gerechtigkeit gegenüber den anderen 11 Ländern aus nicht gut möglich ist. Der Regierungsentwurf unterscheidet sich infolgedessen in den Bestimmungen von dem Initiativgesetzentwurf, die in dessen § 3 enthalten sind, insofern, als der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Rechtsangleichung der Stadt Berlin an das Bundesgebiet etwas schärfer betont als der Initiativgesetzentwurf.
Es wird weiter ein Unterschied gegeben sein gegenüber dem § 8 des Initiativantrags. Der § 8 dieses Gesetzentwurfs, so wie er heute vorgesehen ist, hat für den Bundeshaushalt außerordentlich schwerwiegende Auswirkungen. Es ist nicht meine Aufgabe, die Geschäftsordnung dieses Hauses zu wahren und auf ihren § 48 a hinzuweisen. Es dürfte dem Hohen Hause heute in dieser Stunde bekannt sein, wie eng und begrenzt die finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushalts sind. Es ist deswegen wohl auch immer wert zu überlegen, welche Auswirkungen einzelne Gesetzentwürfe auf den Bundeshaushalt und damit auf den Steuerzahler des Bundesgebiets haben. Die Übernahme der Berliner Kriegsfolgelasten und Sozialausgaben auf den Bundeshaushalt bedeutet eine Mehrbelastung von rund 740 Millionen DM. Dabei ist davon ausgegangen, daß die auf Bahn und Post entfallende Mehrbelastung aus Art. 131 des Grundgesetzes von Bahn und Post selbst getragen wird und infolgedessen den Bundeshaushalt nicht unmittelbar berührt. Das ist eine optimale Voraussetzung. Mittelbar würde der Bundeshaushalt auf alle Fälle berührt sein.
Auf der andern Seite ergibt sich durch die Übernahme der Berliner Bundessteuern für den Bundeshaushalt eine Mehreinnahme von rund 500 Millionen DM. Im Ergebnis bedeutet mithin die Einbeziehung Berlins in das Überleitungsgesetz nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlung eine Netto-Mehrbelastung des Bundeshaushalts , von mindestens 240 Millionen DM, die der deutsche Steuerzahler tragen muß. Dabei darf ich auf folgendes hinweisen: Wenn man daran denken würde, die Frage im Wege des horizontalen Finanzausgleichs zu lösen, dann hätte ich Steuermöglichkeiten außerhalb des Gebiets der indirekten, also außerhalb des Gebiets der Verbrauchssteuern. Wenn ich alles unmittelbar auf den Bundeshaushalt zukommen lasse, dann muß sich das Hohe Haus darüber bewußt sein, daß das Mehraufkommen entweder durch eine Erhöhung des Berliner Notopfers oder durch eine Erhöhung der Verbrauchssteuern im Bunde geschaffen werden muß. Das ist die Konsequenz, die sich aus dieser Rege-
lung ergibt. Deswegen wird auch die Regelung im Gesetzentwurf der Bundesregierung eine andere sein und eine andere Lösung vorschlagen, um gerade diesen Folgerungen ausweichen zu können. Der Gesetzentwurf nach dem Initiativantrag geht davon aus, daß das Berliner Notopfer, das semerzeit eingeführt worden ist, wegen der besonderen Zerstörungen, die durch Krieg und Kriegsfolgen unmittelbar und mittelbar in Berlin eingetreten sind, aus der Kraft Berlins allein nicht zu leisten war und deshalb das gesamte Bundesgebiet einen Sonderzuschuß leisten sollte. Es ist in dieser Stunde an die Unterscheidung Länderhaushalt und Bundeshaushalt überhaupt noch nicht zu denken gewesen, sondern es war eine Hilfe für die besondere durch den Krieg geschaffene Notlage der Stadt Berlin. Der Gesetzentwurf geht in § 8 davon aus, daß das gesamte Aufkommen des Berliner Notopfers nur dem Landes- und Stadthaushalt Berlins zugute kommen dürfte und daß alles, was auf Grund der Kriegsfolgen — auch auf den Bund übergehende Lasten — in Berlin mehr anfällt und von den Bundessteuern, die aus Berlin fließen, nicht gedeckt ist, allein von den Steuerzahlern des übrigen Bundesgebiets außerhalb Berlins zu decken sei. Das ist der Grundgedanke. Ich kann dem nicht zustimmen, daß das Berliner Notopfer allein für den Landes- und Stadthaushalt Berlins unbedingt bestimmt werden müßte und daß eine andere Regelung überhaupt nicht möglich sei, und ich muß vom Standpunkt des Bundeshaushalts erklären: Irgendeine Möglichkeit für eine Mehrbelastung von 240 Millionen, sei es durch Einsparungen auf irgendeinem Gebiet, sei es durch Neueinnahmen, sehe ich zur Zeit nicht. Wenn Neueinnahmen geschaffen werden müßten, wenn sie auf dem durch den Getzentwurf vorgesehenen Weg geschaffen werden müßten, dann -müßten sie erzielt werden entweder durch Erhöhung des Berliner Notopfers oder durch Erhöhung der Verbrauchsteuerbelastung im gesamten deutschen Bundesgebiet.
Meine Damen und Herren! Ich weise auf das hin, damit man bei den Beratungen über den Ge-. setzentwurf, die nun im Ausschuß beginnen werden, von vornherein nicht nur an die eine Seite, sondern auch an die andere Seite der Medaille denkt und damit sich jeder, der den Antrag stellt, Berlin zu helfen, gleichzeitig bewußt ist, daß er damit einen Anspruch auf die Opferbereitschaft der Bevölkerung des deutschen Bundesgebiets erhebt. Ich darf darauf hinweisen, daß das deutsche Bundesgebiet in Erkenntnis der Berliner Notlage gerade in den Tagen, seit die Bundesrepublik besteht, sehr viel für die Stadt Berlin geleistet hat; und ich glaube, es wird niemand in diesem Hohen Hause sein, der nicht anerkennen muß, daß der deutsche Steuerzahler für die Stadt Berlin unendlich viel getragen hat.
Und gerade weil ich darauf verweise, würde ich auch bitten, alle Maßnahmen zugunsten der Stadt Berlin in einer Art und Weise durchzuführen, durch die das innere, psychologische, seelische Verhältnis zwischen dem Bundesgebiet und der Stadt Berlin möglichst gestärkt und verbessert und ja nicht getroffen wird.