Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wir hätten unter bestimmten Umständen gegen einen solchen Paragraphen gar keine Einwendungen gehabt, wenn es sich etwa um eine klare Vorschrift gehandelt hätte, daß derjenige bestraft wird, der den Bundespräsidenten beschimpft. Die Fassung „Beschimpfung" ist auch im alten Republik-Schutzgesetz enthalten gewesen. Die Fassung „Verunglimpfung" ist eine Neuerung, die auf die Intentionen des Herrn Bundesinnenministers zurückgeht, wahrscheinlich deshalb, weil hier nicht eine Verächtlichmachung oder Beschimpfung im Sinne des alten Gesetzes gemeint ist, sondern eine politische Kritik. Aus diesem Grunde haben wir Einwände zu erheben gegen die Fassung des § 95.
Wir haben außerdem beantragt, den Abs. 3 in I § 95 zu streichen, und zwar aus derselben Überlegung heraus, aus der wir beantragt haben, den § 94 zu streichen, nämlich deshalb, weil hier eine Zweiteilung der Menschen vorgenommen wird, eine Teilung in diejenigen, die eine bestimmte staatsgenehme Auffassung haben, und in die andere Sorte von Menschen, die eine politische Auffassung haben, die der herrschenden Regierung n ich t paßt. Hier in diesem Fall wird der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz offensichtlich gebrochen. Hier wie in § 94 wird die Bestrafung ganz deutlich mit der Gesinnung gekoppelt, einer Gesinnung, die hier umschrieben wird als Absicht, Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik zu fördern. Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik sind aber alle Bestrebungen, die darauf abzielen, die Bundesrepublik durch ein geeintes Deutsch-' land abzulösen. Meine Damen und Herren, weil hier ein Gesinnungsstrafrecht vorliegt, weil derjenige, der eine bestimmte politische Überzeugung hat, härter bestraft werden soll als ein anderer, der diese politische Überzeugung nicht hat, darum lehnen wir den Abs. 3 des § 95 ebenso ab wie den vorangegangenen § 94 und beantragen die Streichung.