Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
— Eine Begründung? — Haben Sie eine Begründung? — Es gibt auch ein Sprichwort, das besagt, daß die Kinder sich oft ihrer Väter schämen.'
Ich hoffe, daß unsere Kinder sich dieser Dinge erinnern und sich der „Demokraten" schämen werden, die uns das Gesetz hier vorlegen.
Aber hier geht es ja um sehr wichtige Begriffe der Verfassung.
Es geht unter anderem darum, welche Auslegung man im Parlamentarischen Rat dem Art. 18 Satz 2 gegeben hat. Nach Art. 18 Satz 2 werden, so heißt es in einem bekannten Kommentar zum Bonner Grundgesetz, die „Rechtsfolgen durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen". Nun folgt in diesem Kommentar ein Vergleich dieser neuen Regelung mit dem Herrenchiemseer Entwurf und der hessischen Verfassung. Dazu heißt es in diesem — selbstverständlich von bürgerlichen Juristen geschriebenen — Kommentar:
Nach dieser Regelung konnten also die öffentlichen Gewalten, d. h. im wesentlichen die Verwaltungsbehörden, die dem Rechtsträger an sich zustehenden Grundrechte außer acht lassen . . .
Nach dem Wortlaut des Art. 18 Satz 2 ergibt sich eindeutig, daß nicht die Verwaltungsbehörden, kein Polizeiminister und nicht, wie das in der Praxis heute draußen ist, irgendein Polizeiinspektor irgendeine Handlung oder Äußerung als verfassungswidrig ansprechen und daraus Konsequenzen ziehen kann, die zum Teil sich schon so auswirken, daß mit einer Brutalität, wie wir sie auch unter Hitler nicht schlimmer gekannt haben, auf die Friedenskämpfer eingehauen wird. Diese Gesetzwidrigkeiten müssen beseitigt werden.
Ferner heißt es in diesem Kommentar:
Bei der Frage, welche Bedeutung diesem Ausspruch begrifflich beizumessen ist, scheint der — lapidar gefaßte — zweite Halbsatz von Art. 18 Satz 1 auf eine deklaratorische Bedeutung hinzudeuten.
Es heißt dann am Schluß:
Bis zu diesem Ausspruch vermag der Halbsatz 2 — und darin liegt die entscheidende Abweichung vom Herrenchiemseer Entwurf — keinerlei Wirkungen zeitigen. Der Ausspruch der Verwirkung ähnelt damit einem Gestaltungsurteil, für das es charakterstisch ist, daß es die — bis dahin nicht in Erscheinung getretene — Rechtsfolge erst beachtlich macht, d. h. herbeiführt. Während also im Falle der Herrenchiemseer Fassung das Bundesverfassungsgericht nur auszusprechen hätte, was ist, enthält der nach Maßgabe des Art. 18, Satz 2 erfolgende Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts in Wahrheit die Feststellung, wäs (erst) wird.
Hier haben wir einen eindeutigen Beweis dafür, daß alle Maßnahmen angefangen von der „Empfehlung" der Bundesregierung vom Herbst des vorigen Jahres, Beamte, Angestellte und Arbeiter, wenn sie Kommunisten sind, aus dem öffentlichen Dienst hinauszuwerfen, bis zu den letzten Maßnahmen Verfassungsbruch sind. Uns kommt es darauf an, diesen Verfassungsbruch aufzuzeigen und aus Ihrem Gesetz Dinge auszumerzen, die offensichtlich gegen Ihr eigenes Grundgesetz verstoßen. Ich bin mir darüber klar, daß wir mit unserer Beweisführung, die Sie ja dem Inhalt nach nicht bestreiten können, weil unsere Beweise sich auf Rechtsauffassungen bürgerlicher Staatsrechtswissenschaftler aufbauen, bei Ihnen im Augenblick kein Glück haben. Hier geht es nicht darum, irgendeine verfassungswidrige Bewegung niederzuschlagen, hier geht es darum, alles niederzuknüppeln, was Ihnen im Wege steht, um den Ihnen anbefohlenen amerikanischen Krieg durchzuführen. Darum geht es. Sie scheuen in dieser Frage vor nichts zurück, am allerwenigsten vor einem Rechtsbruch.