Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf die Behandlung der §§ 129 und 129 a beschränken. In § 129 wird dasselbe Prinzip vertreten, wie es in § 90 a bereits formuliert ist, zu dem ich mich bei der Debatte über den Zweiten Abschnitt der Vorlage schon geäußert habe. In § 129 wird gleichfalls wie in § 90 a ein offener Bruch des Art. 18 des Grundgesetzes legalisiert. Im Art. 9 des Grundgesetzes wird ausdrücklich davon gesprochen, daß die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit garantiert ist. In Abs. 2 des Art. 9 sind dann bestimmte Einschränkungen vorgesehen. Aber in jedem Falle muß die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen des Abs. 2 des Art. 9 vorliegen, ob also die Beeinträchtigung des Grundrechts der Vereins- und Koalitionsfreiheit berechtigt ist oder nicht, dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten sein. Dieser Grundsatz des Art. 18 des Grundgesetzes ist hier gebrochen. Aus diesem Grunde hat meine Fraktion den Antrag auf Streichung des ganzen § 129 gestellt.
Als besondere Delikatesse dieses § 129 möchte ich noch erwähnen, daß hier eine Vorschrift geschaffen ist, durch welche ein System der Zilchtung von Spitzeln, Provokateuren und Denunzianten direkt kultiviert wird.
Wo gab es denn das, daß in irgendeiner anderen strafrechtlichen Bestimmung der Mittäter dann straffrei war, wenn er seine Gesinnungs- oder Tatgenossen rechtzeitig „verzinkte"? Seit wann ist es üblich, daß etwa im kriminellen Strafrecht der Dieb dann straffrei ist, wenn er seine Mitganoven vorher angezeigt hat? Das, was Sie also im kriminellen Strafrecht für unzulässig halten, das wollen Sie jetzt hier im politischen Strafrecht kultivieren, indem Sie das verabscheuungswürdigste Element des politischen Lebens, den Spitzel und bezahlten Denunzianten, den „Achtgroschenjungen", durch das Versprechen der Straffreiheit ausdrücklich belohnen.
In § 129 a hat man eine Notlösung gefunden, ein Kompromiß geschaffen, das nichts Halbes und nichts Ganzes darstellt. Die ursprüngliche Fassung des Regierungsentwurfes sah vor, daß ein Verwaltungsakt, d. h. ein Verbot durch irgendeine Behörde keiner gerichtlichen Nachprüfung bedarf, um rechtmäßig zu werden. Das heißt: eine jede Polizeibehörde soll in der Lage sein, sozusagen rechtmäßige Verbotserlasse herauszugeben, die Rechtsfolgen insoweit haben, als jede Zuwiderhandlung mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft werden kann. Gegen diesen ungeheuerlichen Grundsatz wurde Einspruch erhoben, und zwar nicht nur von meiner Seite. Ich erkenne an, daß es auch aus den Reihen der FDP hier sehr heftigen Widerspruch gegeben hat. Aber was ist dabei herausgekommen? Nicht der Grundsatz, der in Art. 18 des Grundgesetzes festgelegt ist, nämlich daß über die Verwirkung eines Grundrechts allein das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden habe, sondern das Bundesverwaltungsgericht bzw. das oberste Verwaltungsgericht eines Landes wurde eingeschaltet. Wir können weder dem Bundesverwaltungsgericht noch dem obersten Verwaltungsgericht eines Landes das Recht einräumen, über die Rechtmäßigkeit des Entzuges eines Grundrechtes zu bestimmen. Hierfür ist laut Grundgesetz einzig und allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Wer also vorhat, mit dem § 129 a diese Bestimmung des Grundgesetzes abzuändern, macht sich des Bruches des Grundgesetzes schuldig und muß sich darum gefallen lassen, daß draußen im Lande alle seine Verbote, die er rechtfertigt oder befürwortet, als verfassungswidrig, als dem Grundgesetz widersprechend bezeichnet werden.