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ID0115803100

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    Vokabeln: 13
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 158. Sitzung. Bonn, Montag, den 9., Juli 1951 6291 158. Sitzung Bonn, Montag, den 9. Juli 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 6292C, 6311C, 6320C, 6332B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Investitionshilfe der deutschen gewerblichen Wirtschaft (Nr. 2450 der Drucksachen) 6292D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6292D Cramer (SPD) 6294B Ausschußüberweisung 6294C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Land Berlin (Nr. 2417 der Drucksachen) 6294C Dr. Bucerius (CDU), Antragsteller 6294C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6295B Ausschußüberweisung 6296C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzen zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von GroßBerlin (West) (Nr. 2451 der Drucksachen) 6296C Ausschußüberweisung 6296C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur einstweiligen Regelung des Treuhandverhältnisses in den Unternehmen des Kohlenbergbaues und der Eisen-und Stahlindustrie (Nr. 2424 der Drucksachen) 6296C Ausschußüberweisung 6296D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker ,(Zuckergesetz) (Nr. 2431 der Drucksachen) 6296D Ausschußüberweisung 6296D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 2448 der Drucksachen) 6297A Ausschußüberweisung 6297A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreide- gesetz) (Nr. 2449 der Drucksachen) . . 6297A Ausschußüberweisung 6297A Zweite Beratung des Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes (Nrn. 563, 1307 der Drucksachen); Erster Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 2414 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 269, 270, 272, 273) 6297B Dr. Laforet (CSU): als Berichterstatter 6297B als Abgeordneter 6324A Dr. Arndt (SPD): als Berichterstatter 6398B als Abgeordneter . . . . 6303B, 6306C, 6317B, 6325C Fisch (KPD) . 6298D, 6307B, 6311D, 6312B, 6315B, 6316B, 6319D, 6325D Dr. Wahl (CDU), als Berichterstatter 6303C Clausen (SSW) 6306C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 6309A, 6314D Dr. Kopf (CDU): als Abgeordneter . . . . 6309D, 6318D als Berichterstatter 6328B von Thadden (DRP) . . . . 6310D, 6315B, 6316D, 6331A Renner (KPD): zur Abstimmung . . . . 6311A, 6314C zur Sache 6313D Ehren (CDU) 6313C Matthes (FDP) (zur Geschäftsordnung) 6314C Ewers (DP) 6318A, 6324B Neumayer (FDP), Berichterstatter . 6320D Abstimmungen . . . . . . . . 6303C, 6311A, 6312B, 6314C, 6315A, 6316A, C, 6317A, 6320C, 6327C, 6331D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des GrundSteuergesetzes (Nrn. 1787, 1947, 2013 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2408 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 268, 271) . 6332B Dr. Kneipp (FDP), Berichterstatter . 6332B Dr. Bertram (Z) 6337B Morgenthaler (CDU) 6338D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 6339B Abstimmungen 6337B, 6339A, C zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel-und Saatgutversorgung (Nr. 2216 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr 2422 der Drucksachen) 6339D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU), Berichterstatter 6339D Beschlußfassung 6340A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Nrn. 2242, 2362 der Drucksachen); Zweiter Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2407 der Drucksachen; Umdruck Nr. 274) in Verbindung mit der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Besteuerung des Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1951 (Nr 2452 der Drucksachen) 6340A Dr. Kneipp (FDP): als Berichterstatter 6340B als Antragsteller 6340D Beschlußfassung 6340D 'Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Antrag beim Bundesverfassungsgericht auf Verbot faschistischer und militaristischer Organisationen (Nr. 2402 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Verfassungswidrigkeit des Verbots der Freien Deutschen Jugend (Nr. 2403 der Drucksachen) 6341B Paul (Düsseldorf) (KPD), Antragsteller 6341B Frau Thiele (KPD), Antragstellerin 6342C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 6344A Majonica (CDU) 6344D Übergang zur Tagesordnung 6344D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 259) 6345A Beschlußfassung 6345A Nächste Sitzung 6345C Die Sitzung wird um 14 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Clausen irrt mit seiner Auslegung des § 88. § 88 hat ja aus den dann folgenden Vorschriften nur das geschützte Rechtsgut ausgeklammert. In jedem Falle aber kann eine Bestrafung nur nach §§ 89 ff. erfolgen. Es ist also immer notwendig, daß dieses Rechtsgut mit den Methoden der §§ 89 ff. angegriffen wird, so daß eine bloße Erörterung der dänischen Minderheit etwa darüber, daß sie lieber zu Dänemark wolle, nach diesem Gesetz, soweit ich sehe, nicht unter Strafe gestellt ist.

    (Abg. Dr. Laforet: Richtig!)

    Infolgedessen sind die gesamten Ausführungen des Herrn Kollegen Clausen völlig neben der Sache, und es besteht keine Veranlassung, seinem Antrage zu entsprechen.
    Dagegen habe ich den Bericht des Herrn Berichterstatters dahin zu ergänzen, daß § 88 im Gegensatz zu den allermeisten übrigen Vorschriften leider nicht einhellig, sondern gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses angenommen worden ist. Denn § 88 Abs. 3 ist für die sozialdemokratische Fraktion unannehmbar, und wenn § 88 Abs. 3 bestehen bleiben sollte, würde für uns auch das Gesetz im ganzen nicht annehmbar sein, da wir dem Abs. 3 eine erhebliche Bedeutung beimessen, da vor allen Dingen nach unserer Überzeugung mit diesem dritten Absatz rechtsstaatliche Grundsätze verlassen werden. Ich darf Ihnen noch einmal die Geschichte dieses Absatzes ins Gedächtnis rufen. Ursprünglich hieß es in § 88, daß geschützt werden solle die freiheitliche demokratische Grundordnung. Dagegen erhoben sich allgemeine Bedenken, weil der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar erschien. Er würde teilweise enger, teilweise weiter sein, als es das Grundgesetz ist. Man kann es aber bei einem solchen Strafgesetz nicht erst den Richtern überlassen, einen Begriff wie diesen zu entwickeln. Damit würde man sich auch zu dem Verfassungsgrundsatz in Widerspruch setzen, daß die Strafbarkeit einer Handlung vor der Tat bestimmt sein muß.
    Aus diesen Erwägungen heraus war der gesamte Ausschuß einhellig bestrebt, nun die Verfassungsgrundsätze zu entwickeln und klarzustellen, die


    (Dr. Arndt)

    nach gemeinsamer Überzeugung die freiheitliche demokratische Grundordnung ausmachen. Das sind die Grundsätze 1 bis 5 in Abs. 2. Mit denen stimmen wir' auch vollkommen überein. Erst in einem sehr späten Stadium der Beratungen ist dann der Abs. 3 hineingekommen. Abs. 3 Ziffer 2 — der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft — ist aber wiederum lediglich ein politisches Prinzip, nicht dagegen ein strafrechtlich hinreichend bestimmtes Schutzgut. Das ersehen Sie schon daraus, daß plötzlich von der positiven Begriffsbestimmung im zweiten Abschnitt zu einer negativen Bestimmung übergegangen wird. Ja, man kann sagen: wir hätten uns die ganze Arbeit beim zweiten Abschnitt des § 88 sparen können; denn letztlich ist ja der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft nichts anderes als das negative Spiegelbild der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Hätte man das gewollt, dann hätte man von vornherein in Abs. 2 den positiven Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehenlassen können. Wir sind daher der Auffassung, daß hier rechtsstaatliche Grundsätze verlassen sind und es nicht angeht, eine derartige mehr politische Formel zum Inhalt eines Strafgesetzes zu machen.
    Das gleiche gilt für § 88 Abs. 3 Ziffer 1. Sicherlich wünschen wir alle die Grundrechte geschützt zu sehen. Wir haben uns aber einhellig überzeugt, daß es wegen der Eigenart der Grundrechte nicht möglich ist, sie als solche in den Katalog der geschützten Rechtsgüter aufzunehmen; denn mit Ausnahme des einzigen Grundrechts auf Leben gibt es kein Grundrecht, das absolut wäre, sondern alle Grundrechte sind in ihren Grenzen mehr oder minder unbestimmt und dem Einfluß der Gesetzgebung unterworfen. Wir haben deshalb mit Recht davon abgesehen, die Grundrechte hier positiv zum strafrechtlichen Schutzobjekt zu machen. Wir können es aber auch nicht in der Weise tun, daß wir etwas Negatives einführen, nämlich eine Methode, mit der die Grundrechte nicht angegriffen werden dürfen. Auch hier sehen Sie wieder den Bruch in der Methode. Während nämlich § 88 Abs. 2 die positiven Schutzgüter sehr klar aufzählt, werden in Abs. 3 Ziffer 1 gar nicht die Grundrechte als die eigentlichen Schutzgüter genannt, sondern die Abwesenheit von Schrecken, Einschüchterung und Gewalt. Das kann man in dieser Art und Weise auch nicht machen. Wenn wir diese Bestimmungen dann mit den eigentlichen Tatbeständen der §§ 89, 90 usw. zusammennehmen, so kommen wir zu einem äußerst unbestimmten und unbestimmbaren Strafrecht. Einen solchen Weg zu betreten, weigert sich die sozialdemokratische Fraktion. Wir legen deshalb das allergrößte Gewicht darauf, daß dieser Abs. 3 gestrichen wird. Sollte auf der einen oder andern Seite des Hauses gleichwohl die Auffassung bestehen, daß hier noch weiter nach der Möglichkeit strafrechtlicher Vorschriften gesucht werden müsse und könne, so mag das ja unseren weiteren Beratungen im Ausschuß überlassen bleiben, die noch nicht abgeschlossen sind. Wir warnen Sie davor, eine derartige politische Fassung in ein Strafgesetz hineinzubringen, und bitten Sie, unserem Streichungsantrage zuzustimmen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat zur Begründung des Antrags der kommunistischen Fraktion Herr Abgeordneter Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Im vorliegenden zweiten Abschnitt des Zuchthausgesetzes wird eine neue Abart des politischen Gesinnungsstrafrechts geschaffen, wie wir es bisher in dieser Weise nur in der Strafjustiz des Naziregimes gekannt haben.

    (Zurufe in der Mitte und rechts: Und in der Ostzone!)

    Im ersten Abschnitt ist immerhin noch die Rede von den traditionellen Begriffen des Hochverrats, also von den Begriffen der Gewaltanwendung oder der Drohung mit Gewalt, wobei es j a auch dem Richter jeweils überlassen bleibt, was er nach freiem Ermessen als „Drohung mit Gewalt" bezeichnen möchte. Hier aber spielt das Moment der Gewalt überhaupt keine Rolle, sondern es wird mit Gefängnis und Zuchthaus bestraft, wer eine andere Gesinnung, eine andere politische Ideologie, eine andere politische Zielsetzung sein eigen nennt als die, die im westdeutschen Staatsgebilde als amtlich, als erwünscht angesehen wird. Zu diesem Zweck wird ein neues Delikt geschaffen, das es in der bisherigen deutschen Justizgeschichte noch nicht gegeben hat: der Verfassungsverrat.
    Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß der Bundesrat, der sich im Juni des vergangenen Jahres insbesondere mit dem damaligen § 90 und jetzigen § 88 dieses Abschnitts befaßt hat, mit aller Entschiedenheit diese Schaffung einer neuen Willkürjustiz bekämpft hat und auf Vorschlag seines Generalberichterstatters, des bayerischen Justizministers Dr. Josef Müller, zu dem Entschluß gekommen ist, den damaligen § 90, heutigen § 88 abzulehnen.
    Was ist das für ein neues strafwürdiges Delikt: die „Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik"? Was soll damit überhaupt bestraft werden, welche Abirrungen von der offiziell erwünschten politischen Gesinnung? In dem offiziellen Kommentar zum Grundgesetz ist dieses Wort „Beeinträchtigung" noch etwas deutlicher angesprochen. Man meint dort, schon eine beabsichtigte „Modifizierung" des Grundgesetzes sei ein strafwürdiger Tatbestand. Es würde mich sehr interessieren, wie es die SPD-Fraktion mit ihrer Treue zu den Bestimmungen dieses Zuchthausgesetzes vereinbaren will, wenn sie, wie sie sagt, auf friedliche Weise einmal das bestehende Grundgesetz oder die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik „modifizieren" will.
    Man muß sagen, diese Paragraphen von § 88 angefangen sind typische Kautschukbestimmungen in der Hand des jeweiligen Richterkollegiums, sind die Vollmacht zur Ausübung jeder Willkür. Man kann unter Berufung auf § 88 und folgende jede politische Kritik am politischen System, jede Kritik an der Politik der Besatzungsmächte unter Strafe stellen, indem man erklärt, diese Kritik — mündlich oder gedruckt — beinhalte eine „Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik" und verstoße gegen die „verfassungsmäßigen Grundsätze". Mit diesen Bestimmungen werden die entscheidenden Grundrechte einfach hinweggefegt, und auch der Schutz der Grundrechte, der in Art. 18 des Grundgesetzes ausdrücklich ausgesprochen ist, wird in der Praxis für null und nichtig erklärt.
    Man hat den Eindruck, wenn man die Texte studiert, als ob sich die Verfasser dieser Vorlage, bevor sie den Text zu Papier brachten, außerordentlich eifrig mit den Nazi-Sondergesetzen befaßt haben, beispielsweise mit der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat, mit dem Heimtückegesetz, mit dem Parteiengesetz. Man findet


    (Fisch)

    an verschiedenen Stellen nicht nur sinngemäße,
    sondern auch wortwörtliche Übereinstimmungen

    (Hört! Hört! bei der KPD)

    mit jenen Vorlagen, die das Nazi-System geschaffen hat, um die Grundsätze der Demokratie zu erwürgen und das System des Zuchthauses und der Konzentrationslager zu legalisieren.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Im Osten!) Aber das Regime hatte wenigstens noch die Courage, offen zu erklären, daß man damit das faschistische Diktatursystem sichern wolle. Damals erklärte man in § 1 der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat ganz offen, daß man die Grundrechte der persönlichen Freiheit, der freien Meinungsäußerung, der Vereins- und Versammlungsfreiheit als durch diese Notverordnung aufgehoben betrachte. Heute geniert man sich ein wenig, die Dinge so beim Namen zu nennen. Um so schlimmer, wenn man das gleiche wie die Faschisten in verschleierter Form, mit der gleichen Absicht tut.

    Die Ungeheuerlichkeit des ganzen Abschnitts über die sogenannte Staatsgefährdung liegt erstens darin, daß sie den Kautschukbegriff der „Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik" als entscheidendes Kriterium für die Bestrafung von Gesinnungstätern, für die Bestrafung von Überzeugungen, für die Bestrafung politischer Zielsetzungen festsetzt. Zweitens beruht die Ungeheuerlichkeit in der Zusammenstellung eines Katalogs sogenannter Verfassungsgrundsätze, der die Grundrechte einfach als nicht existierend betrachtet und eine neue Serie willkürlicher sogenannter „Verfassungsgrundsätze" konstituiert. Drittens besteht die Ungeheuerlichkeit darin, daß der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz aufgehoben wird, und zwar dadurch, daß ein jedes Delikt mit der Gesinnung gekoppelt wird, mit einer strafwürdigen Absicht, die darauf abzielt, den Bestand der Bundesrepublik zu beeinträchtigen.
    In § 88 wird dem ganzen Abschnitt ein Katalog derjenigen Objekte vorangestellt, die zu schützen sind und gegen welche Verstöße mit Zuchthaus und Gefängnis bestraft werden sollen. Es ist interessant, daß in der ursprünglichen Fassung der Regierungsvorlage ein Verfassungsgrundsatz mit aufgezählt war, der im wesentlichen die Sammlung der wichtigsten Grundrechte des Grundgesetzes enthielt. Dieser Punkt ist in der letzten Fassung nicht mehr enthalten. Meine Fraktion erlaubt sich, zu beantragen, die ursprüngliche Fassung des Grundsatzkatalogs wiederherzustellen. Sie möchte das Haus dazu zwingen, zu erklären, wie es zu den eigentlichen Grundrechten des Grundgesetzes steht, ob es die Beachtung der Grundrechte als das entscheidende Gebot ansieht oder nicht, ob man glaubt, daß die Mißachtung der Grundrechte ein strafwürdiges Delikt darstelle oder eine lobenswerte Tat. Meine Fraktion beantragt deshalb, die folgende, ursprünglich im Text enthaltene, aber dann auf Veranlassung der Regierungsvertreter gestrichene Fassung wiederaufzunehmen: Als Verfassungsgrundsatz soll demnach bezeichnet werden
    die Unantastbarkeit der Würde des Menschen,
    die Wahrung der Grundrechte auf Leben und
    körperliche Unversehrtheit, auf Freiheit der
    Person, Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit
    des Glaubens und des Gewissens, Freiheit des
    religiösen und des weltanschaulichen Bekenntnisses, Freiheit der Meinungsäußerung, Ver-
    sammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit.

    (Zuruf von der Mitte: Siehe Ostzone!)

    — Meine Damen und Herren, Sie brauchen nicht über die Ostzone zu reden! Sie haben die Freiheit der Entscheidung in eigenen Händen,

    (Zurufe von der Mitte und rechts)

    indem Sie darüber abstimmen, ob diese Grundrechte als unabdingbarer Verfassungsgrundsatz in den Gesetzentwurf aufgenommen werden soll oder nicht.

    (Erneute Zurufe.)

    Der Herr Kollege Arndt hat sich mit einer rechtlichen Begründung gegen Abs. 3 gewandt. Ich möchte ihn etwas ergänzen. Ich halte eine solche Ergänzung für erforderlich, weil uns die Regierungsvertreter im Ausschuß in einer begrüßenswert offenen Art und Weise dargelegt haben, warum sie unter allen Umständen den Abs. 3 in § 88 haben wollen, warum sie auf keinen Fall auf ihn verzichten zu können glauben. Die Vertreter des Justiz- und des Innenministeriums erklärten: Wenn wir es bei der Aufzählung von Verfassungsgrundsätzen in der positiven Art, wie in Ziffer 1 bis 5 dargetan, belassen, dann würden wir „eine zu einengende" Formulierung für den Richter schaffen,

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    „Um das Gesetz ,praktikabel zu machen", d. h. anwendbar zu machen — so sprach der Vertreter des Herrn Justizministers — „brauchen wir den Abs. 3", jene Generalklausel, in die ein jeder Richter hineinlegen und aus der er herauslesen kann, was er will, um einen Vorwand, um eine Begründung für die Verurteilung zu haben.

    (Zuruf von der KPD.)

    Der Herr Ministerialdirigent erklärte: „Wenn wir diese Generalklausel" — die so kautschukartig alles unter Strafe stellt, was eine un-petersbergische Gesinnung zum Inhalt hat — „nicht haben, ja, dann müßte ja der Richter verpflichtet sein, in jedem einzelnen Falle den Nachweis für eine tatsächlich erfolgte Verletzung von Verfassungsgrundsätzen zu erbringen." Diese Mühe des Nachweises, daß ein Verfassungsgrundsatz verletzt worden ist, möchte der Herr Justizminister den Richtern ersparen.
    Der Vertreter des Herrn Innenministers ermahnte die Ausschußmitglieder, sie möchten doch an den Ernst der Zeit denken und sich auch dessen bewußt sein, daß man „kein übertriebenes Maß an Ängstlichkeit bei der Fixierung strafbarer Tatbestände" anlegen dürfe.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Der Herr Regierungsvertreter wußte, als er das aussprach, noch nicht, daß sich ein kommunistischer Abgeordneter im Saal befand; sonst hätte er sich wahrscheinlich etwas eleganter ausgedrückt. Wir sind ihm dankbar für diese Offenheit und wissen nun, was die Direktive des Innenministeriums ist, nämlich: keine Ängstlichkeit bei der Fixierung von Tatbeständen. Eine Generalklausel, allgemeine Gesinnungsstrafdelikte schaffen, Verurteilungen nur vom Ansehen her und der Wunsch, der Verpflichtung enthoben zu sein, einen strafbaren Tatbestand zu fixieren und aus dem bestehenden Recht abzuleiten. Das möchte der Herr Innenminister abgeschafft wissen.

    (Zurufe von der KPD.)

    Ich möchte gern, daß er sich hier offen zu dem Grundsatz bekennt, den sein Vertreter im Rechts-


    (Fisch)

    ausschuß proklamiert hat. Ich möchte das, weil wir kein uferloses Gesinnungsstrafrecht, keine Willkürakte

    (Große Erregung in der Mitte. — Zurufe: Ostzone!)

    zulassen wollen. Deshalb beantragt meine Fraktion die Streichung des Abs. 3 des § 88.

    (Beifall bei der KPD. — Abg. Renner: Der Herr Innenminister lächelt!)