Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf Grund der ausgezeichneten und eingehenden Berichterstattung des Herrn Kollegen Kneipp sehr kurz fassen.
Die beiden Anträge, die wir vorgelegt haben, betreffen nicht Fragen der Zweckmäßigkeit, sondern Fragen des Rechts. Vor allem der erste Antrag, der die Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener in dem Umfang, in dem sie bis 1938 steuerfrei waren, von der Besteuerung ausgenommen wissen will, ist ein Antrag, der ausgesprochen nur eine Frage des Rechtes hier zur Entscheidung stellen will, und nicht Fragen der Zweckmäßigkeit.
Wenn der Kollege Kneipp als Gründe, die den Finanzausschuß bewogen hätten, diesem Antrag nicht zuzustimmen, angegeben hat, daß die Kirchen diesen Zustand schon 13 Jahre lang ertrügen, so ist das richtig. Sie ertragen 13 Jahre lang einen Zustand des Unrechts, das wir jetzt auch nach 13 Jahren noch wiedergutmachen können; es ist nie zu spät, ein Unrecht wiedergutzumachen. Wenn darauf hingewiesen wird, daß die Gemeinden besondere Not litten, so ist demgegenüber zu erwähnen, daß das ganze Objekt für beide Kirchen zusammen nach einer überschlägigen Schätzungirund 4 Millionen ausmacht, während allein die Erhöhung des Gewerbesteueraufkommens für die Gemeinden im laufenden Jahr ein Mehr von 250 Millionen DM ergibt. Man sieht aus der Größenordnung, daß es nicht um die Existenz, um Sein oder Nichtsein der Gemeindefinanzen gehen kann.
Wenn schließlich darauf hingewiesen wird, es sei ein buntscheckiges Bild bei der Grundsteuer, so ist zu sagen: dieses buntscheckige Bild bei der Grundsteuer gab es für lange Zeiträume. Da es sich um ein lokales Recht handelt und die Grundsteuer außerdem eine Objektsteuer ist, ist es gar nicht schlimm, wenn es sich bei den einzelnen Grundstücken, die auch in benachbarten Gemeinden liegen mögen, um verschiedene Rechtsfiguren handelt. Das ist ja im ganzen Staatskirchenrecht so. Wir haben kein einheitliches Staatskirchenrecht und können deshalb die hier vorliegenden Grundsteuerbefreiungen auch nicht vereinheitlichen; wir müssen nämlich sonst die Pfarrerbesoldungsordnung ändern. Die Grundsteuerbefreiungen sind praktsch nichts anderes als ein Teil der Pfarrerbesoldung, und nehmen wir hier die Grundsteuerbefreiungen, dann nehmen wir einen Teil der Pfarrerbesoldung weg. Um nichts anderes handelt es sich. Das hat die Weimarer Reichsverfassung in Art. 138 anerkannt. In Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung ist der Kirche dieses' Recht ausdrücklich garantiert, und zwar wie folgt:
Die auf Gesetz, Vertrag . . . beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst.
D. h., nur dann können sie fortgenommen werden, wenn sie abgelöst werden.
Die Grundsätze stellt das Reich auf.
Abs. 2 des Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung:
Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften . . . werden gewährleistet. Gegen diesen Grundsatz hat der nationalsozialistische Gesetzgeber verstoßen.
Man kann nicht mehr gut daran zweifeln, daß es sich bei der Beseitigung dieser Steuerbefreiungen um eine negative Staatsleistung handelt. Der Rechtsausschuß hat auch keineswegs — Herr Kollege Kneipp, Sie konnten das nicht wissen — nur oberflächlich etwa auf Grund eines kurzen Referates der Herren Kollegen Arndt und Wahl darüber beschlossen, sondern die Vertreter der Regie-
rung sind eingehend zu Worte gekommen. Es hat eine sehr hitzige Debatte gegeben. In dieser Debatte war einstimmige Meinung sämtlicher Mitglieder des Rechtsausschusses — die alle Entscheidungen und Materialien zur Kenntnis bekommen hatten —, daß es sich hier um eine sogenannte negative Staatsleistung handelt. Auch in der Literatur, in der später gefestigten Rechtsprechung des Reichsgerichts ist diese Rechtstatsache als feststehend anzusehen.
Ich will Sie mit den Einzelheiten nicht langweilen; damit hat sich der Rechtsausschuß befaßt. Er ist zu dem Gutachten gekommen, das sich mit dem Gutachten deckt, welches das Bundesjustizministerium in der Zwischenzeit angefertigt hat. Das Justizministerium dürfte als unser Verfassungsministerium ja mehr Autorität in derartigen grundgesetzlichen Fragen haben als die Referenten des Bundesfinanzministeriums. Es ist deshalb auch nicht richtig, wenn der Kollege Kneipp sagte, die Bundesregierung sei in dieser Frage einig.
— Nein, Sie hatten „Bundesregierung" gesagt. — Im Gegenteil, das Bundesjustizministerium vertritt hier die gleiche Ansicht wie der Rechtsausschuß des Bundestages und wie Literatur und Rechtsprechung ganz überwiegend auch vertreten.
Dieses Recht der Religionsgesellschaften ist also 1936 entschädigungslos, d. h. ohne Ablösung fortgenommen worden. Nun kann man natürlich sagen, das, was durch diesen Rechtsbruch von 1936 geschaffen wurde, sei kraft Gewohnheitsrechts Recht geworden. Aber es handelt sich doch um eine ganz typisch nationalsozialistische Maßnahme.
— einen Augenblick bitte, ich werde mich bemühen, mich noch kürzer zu fassen! —,
um eine typisch nationalsozialistische Maßnahme; denn das ist doch das Entscheidende: man hat gleichzeitig für Parteigebäude Steuerfreiheit gewährt und hat nur solche Besonderheiten des Grundsteuerrechtes beseitigt, die nicht besonders geschützt waren. Bei den Kirchenleistungen stand aber noch der Art. 138 der Weimarer Verfassung im Wege, und darüber hat man sich großzügig hinweggesetzt.
Und zweitens — das ist meiner Ansicht nach ein ebenso wichtiges Argument —: Das Grundgesetz hat in voller Kenntnis dieser Entwicklung in Art. 140 den Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung wieder in Kraft gesetzt. Damit ist spätestens seit diesem Zeitpunkt, mit dem Erlaß des Grundgesetzes, die alte Rechtslage wiederhergestellt worden. Seit diesem Zeitpunkt spätestens — ganz unabhängig davon, wie man die vergangene Rechtsperiode auch beurteilen mag — bestehen diese Rechtsansprüche, die nur durch Ablösung beseitigt werden können. Was ist die Konsequenz? Setzen wir uns darüber hinweg, so machen wir uns schadenersatzpflichtig. Meine Damen und Herren, Sie können dem Bundesgesetzgeber nicht zumuten, hier ein Gesetz zu erlassen, das gegen das Grundgesetz verstößt. Da macht sich nämlich der Bundesgesetzgeber schadenersatzpflichtig und nicht etwa die Länder, die von seiten der Bundesfinanzverwaltung als die möglichen Träger oder Gegner etwaiger Ansprüche angesehen werden.
Meine Damen und Herren, ich will Sie mit den rechtlichen Ausführungen nicht weiter aufhalten.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
— Unser aller Antrag! Ich bestätige ausdrücklich: es ist kein Zentrumsantrag, es ist ein interfraktioneller Antrag.
Es sind Gott sei Dank sehr viel mehr Unterschriften unter dem Antrag, als unsere Partei in diesem Hause Mitglieder hat.
Trotzdem bitte ich Sie, „unserem" Antrag, d. h. dem Antrag der Unterzeichner dieser Drucksache, zuzustimmen. Es handelt sich nicht um eine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern es handelt sich um eine Frage des Rechts.
Mit dem zweiten Antrag, den wir vorgelegt haben, bitten wir, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Es handelt sich darum, daß durch einen Beschluß des Ausschusses in der Regierungsvorlage bei der Steuerbefreiung für Unterrichtsanstalten, Erziehungsanstalten und Schulen von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, von Orden der religiösen Genossenschaften, jüdischen Kultusgemeinden und einigen ihrer Verbände nur diejenigen Institute von der Steuerfreiheit ausgenommen worden sind, die als nicht anerkannt im Sinne des Art. 7 Ziff. 4 des Grundgesetzes gelten. Nach Art. 7 Ziff. 4 des Grundgesetzes sind aber nur solche Institute staatlich anerkannt, die mit den übrigen Schulen in Wettbewerb stehen, während es sich bei diesen kirchlichen Instituten ja um einen wesentlich weiteren Kreis von Grundbesitz handelt. Infolgedessen ist hier eine Einschränkung erfolgt, die mit dem Grundgedanken des Gesetzes nicht in Übereinstimmung steht. Die Regierung hat selbst ausgeführt:
Bei der veränderten Einstellung des Staates zu den Kirchen und ihren Einrichtungen kann unterstellt werden, daß der Benutzungszweck des von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Einrichtungen für Zwecke der Wissenschaft, der Erziehung und des Unterrichts benutzten Grundbesitzes im Rahmen der öffentlichen Aufgaben liegt. Dieser Grundbesitz soll deshalb hinsichtlich des Verzichts auf eine Anerkennung genau so behandelt werden wie der Grundbesitz des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes.
— Das ist die Begründung, die die Regierung ihrer Vorlage gegeben hat; sie spricht für sich selbst. Stellen Sie die Vorlage der Regierung nicht wieder her, so wird immer der Verdacht bleiben, daß dieser Beschluß auf einer ebenso wenig kirchenfreundlichen Haltung beruht, wie sie seinerzeit, im Dritten Reich, in dessen Gesetz zum Ausdruck gekommen ist.