Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit der Drucksache Nr. 2403 legt Ihnen die KPD-Fraktion heute einen Antrag vor, der fordert, das von der Bundesregierung am 26. Juni 1951 ausgesprochene Verbot der FDJ und die gegen ihre Organe ergriffenen Maßnahmen für rechtsunwirksam zu erklären und demzufolge sofort aufzuheben. Das Verbot der FDJ ist verfassungswidrig, weil die Bundesregierung nicht befugt ist, in die Zuständigkeit der Rechtsprechung einzugreifen, soweit diese durch Gesetz begründet ist. Das ergibt sich aus dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Dreiteilung der Gewalten und aus der Bestimmung, daß die Gerichte unabhängig sind, d. h. daß die Staatsorgane sich nicht in die Rechtsprechung einmischen dürfen. Es ist aber eindeutig bestimmt, daß die Feststellung, ob eine Vereinigung nach Art. 9 des Grundgesetzes verboten ist, dem Gericht, nämlich dem Bundesverfassungsgericht, vorbehalten ist. Das ergibt, sich aus Art. 18 Satz 2 des Grundgesetzes.
Ich muß ebenso wie mein Kollege Fisch darauf hinweisen, daß es der Bundesjustizminister Dr. Dehler war, der die Aufnahme dieser Bestimmung mit der Begründung gefordert hat, daß der ganze Artikel ohne den Satz 2 wertlos sei und in den Polizeistaat gehöre. Dr. Dehler führte dazu aus, daß jede Polizeibehörde die Grundrechte außer Kraft setzen könne, wenn nicht die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Entscheidung über die Grundrechtsverwirkung begründet werde. Daraufhin stimmten der Hauptausschuß und das Plenum des Parlamentarischen Rates der jetzigen. Formulierung zu, die wie folgt lautet:
Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.
In der Begründung zum Verbot der FDJ wird die FDJ als eine Vereinigung bezeichnet, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Ich frage Sie, meine Herren und Damen: Ist es gegen die verfassungsmäßige Ordnung, wenn eine Jugendorganisation für Frieden und Völkerverständigung kämpft?
Ist es gegen die verfassungsmäßige Ordnung, wenn eine Jugendorganisation nach ihrem Programm ihre ganze Tätigkeit auf die Verwirklichung der 4 Grundrechte richtet, die wie folgt lauten: politische Freiheit für die Jugend, Wahlrecht ab 18 Jahre, Recht auf Bildung, Recht auf Arbeit und Arbeitsschutz und Recht auf kulturelle Betätigung? Wenn das, meine Herren und Damen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist — das ist nämlich die Tätigkeit der FDJ —,
dann haben Sie allerdings recht mit Ihrem Verbot.
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Die Vorgeschichte des Verbots verdient aber auch beachtet zu werden. Bereits Monate vorher, beginnend im Oktober vorigen Jahres, wurden zur Verhinderung des „Tages der Hunderttausend" willkürlich Mitglieder der FDJ aus dem Ruhrgebiet aus ihren Wohnungen, aus ihren Betrieben heraus verhaftet.
Seit Monaten werden Kulturveranstaltungen der FDJ provozierend durch die Polizei gestört und aufgelöst,
und wahllos wird auf Frauen, Kinder und Jugendliche eingeschlagen, damit daraus ein Widerstand der FDJ gegen die Staatsgewalt konstruiert werden kann. Meine Herren und Damen, dieses Zeichen der Demokratie, dieses Zeichen Ihrer Demokratie, Herr Dr. Lehr, den Gummiknüppel, den habe ich selbst dermaßen zu spüren bekommen, daß ich in den Krankenwagen gelegt werden mußte.
— Schämen Sie sich, meine Herren und Damen!
Und so war es auch bei der Kundgebung der jungen deutschen Patrioten hier in der Nähe des Petersberges, hier vor der westdeutschen Zwingburg, als die Polizei eingegriffen hat. Das sollte nämlich der äußere Anlaß zum Verbot der FDJ werden, wie es der Innenminister Dr. Lehr hier im Bundestag sehr deutlich und für meine Begriffe, Herr Dr. Lehr, zynisch und brutal gesagt hat.
Meine Herren und Damen, warum aber wurde die Verfassung gebrochen, und warum wurde dieses Verbot ausgesprochen? Damit hier ein Polizeistaat nach Herrn Dr. Lehr, nach Herrn Dr. Dehler geschaffen wurde, weil die im Grundgesetz verankerten sehr bescheidenen Rechte für das Volk Hindernisse sind für die Verwirklichung der Kriegspläne und für die Aufstellung einer deutschen Wehrmacht, von Ihnen schamhaft „Sicherheitsbeitrag" genannt. Hunderttausende junger Menschen in Westdeutschland sagen heute nicht mehr nur „Ohne uns" dazu, sondern sie sind bereit, ihr eigenes Leben, ihre Zukunft und unsere deutsche Heimat aktiv gegen die Kriegshetzer zu verteidigen.
Die Freie Deutsche Jugend steht an der Spitze des besten Teils der deutschen Jugend im Kampf für die Erhaltung des Friedens
und für die Wahrung der demokratischen Rechte entsprechend ihrem Programm. Ich dachte, es müßte Ihnen selbst langsam langweilig und primitiv sein, immer wieder dieselben lapidaren Zwischenrufe zu machen.
Unaufhörlich ist der Zustrom aus allen Teilen der westdeutschen Jugend, die sich zur FDJ, ihren Zielen und ihrem Freiheitskampf bekennen und zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten nach Berlin fahren und damit den Willen der westdeutschen Jugend für Völkerverständigung und Frieden unter Beweis stellen werden.
Darum wurde das Verbot ausgesprochen, weil die Regierung und alle Kriegstreiber diese Jugend fürchten und sie in ihrem Friedenskampf behindern wollen. Die westdeutsche Jugend aber will keinen
Krieg, und darum wird Ihnen dieses Verbot nichts nützen. Im Gegenteil, immer mehr junge Menschen werden den Charakter dieses Staates erkennen.
Niemals wird es einer solchen volksfremden und volksfeindlichen Regierung gelingen, eine Jugend zu verbieten, die das Beste im deutschen Volke repräsentiert.
Und nun hören Sie gut zu — lachen Sie lieber nicht! —: So wie Adolf Hitler und seine Schergen in der Verachtung aller Völker und auch des deutschen Volkes untergegangen sind, wird jede Regierung enden, die sich anmaßt, die Freiheit des deutschen Volkes zu verschachern. Heute schon trifft die Verachtung — —
— Ich kann warten, meine Herren! — Heute schon trifft die Verachtung alle diejenigen, die mit Terror und Unterdrückung den Boden für die Rekrutierung der ersten 250 000 jungen Deutschen
für den neuen amerikanischen Krieg in Europa vorbereiten.
Die Jugend in Westdeutschland gibt Ihnen heute schon ihre Antwort darauf. Das zeigen die zugemauerten und damit unbrauchbar gemachten Sprenglöcher an der Loreley. Das zeigen die täglich sich mehrenden Abstimmungsergebnisse zur Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für einen Friedensvertrag im Jahre 1951.
Die Freie Deutsche Jugend wird immer und unaufhörlich diese Friedensliebe der gesamten westdeutschen Jugend zum Ausdruck bringen und dem deutschen Volk die Pläne der Kriegstreiber enthüllen und den Charakter dieser Regierung aufzeigen. Die blaue Fahne des stolzen Verbandes der FDJ, der heute schon mehr als 3 Millionen Mitglieder zählt, wird in Berlin bei den Weltfestspielen der Jugend und der Studenten auch vor den hunderttausend westdeutschen Jugendlichen vorangetragen werden. Diese blaue Friedensfahne, diese Friedensfahne der 'deutschen Jugend wird so lange in Westdeutschland das Banner der friedliebenden Jugend sein, bis ein einiges, friedliebendes, unabhängiges, demokratisches
Deutschland wiederhergestellt und damit der Friede in Europa gesichert ist.