Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 50. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte zunächst den Schriftführer Herrn Abgeordneten von Aretin, die fehlenden Mitglieder bekanntzugeben.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Schuler, Dr. Karl Müller, Kemper, Frau Dr. Probst, Frau Dietz, Frau Dr. Gröwel, Schütz, Dr. Gülich, Hennig, Bettgenhäuser, Schönauer, Hermann, Frau Schroeder, Wönner, Dr. Becker, Margulies, Frau Dr. Ilk, Dr. Middelhauve, Dirscherl, Wittmann, Becker, Revenstorff. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Mühlenberg, Hans Schmitz, Naegel, Dr. Henle, Behrisch, Peters, Dr. Koch, Neumann, Dr. Suhr, Brandt, von Knoeringen, Höhne, Bromme, Grundmann, Weickert, Oskar Müller, Niebergall. Außerdem fehlen die Abgeordneten Goetzendorff, Heiland und Wehner.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen weiter mitzuteilen, daß der Herr Bundesminister für Wirtschaft unter dem 21. März 1950 die Anfrage Nr. 59 der Fraktion der SPD betreffend Förderung des Schiffsbaues — Drucksache Nr. 662 — beantwortet hat. Die Antwort wird unter der Drucksache Nr. 748 vervielfältigt.
Ferner habe ich mitzuteilen, daß mit einem bei mir gestern abend eingegangenen Schreiben der beiden Herren die Abgeordneten Wehner und Heiland Einspruch gegen ihren Ausschluß erhoben haben. Nach der einschlägigen Bestimmung der Geschäftsordnung wird dieser Einspruch morgen als erster Punkt auf die Tagesordnung gesetzt.
Ferner hat der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, der Herr Abgeordnete Leddin, gebeten, vor Beginn der heutigen Plenarsitzung bekanntzugeben, daß die heute ausgefallene gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und für Fragen der öffentlichen Fürsorge morgen vormittag, Freitag, den 24. 3., 9 Uhr, im Zimmer 104 stattfindet.
Zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung schlägt Ihnen der Ältestenrat gemäß § 88 der Geschäftsordnung folgende zeitliche Regelung vor: Begründung durch die Antragsteller je 10 Minuten, für die Fraktionen je 8 Minuten Aussprache.
Wir kommen damit zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Erlaß einer Rechtsverordnung zur Verteilung der neu aus den Ostgebieten und der Tschechoslowakei kommenden Deutschen .
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten 15 Jahren sind in der Welt zwei große Verbrechen geschehen. Das eine Verbrechen ist die Ermordung von 6 Millionen Juden durch die Nazis, das andere die Vertreibung von 11 Millionen Deutschen aus ihren alten Gebieten.
— Das sage ich ja; das war das erste Verbrechen.
Wenn solche große Bevölkerungsverschiebungen
gleich nach dem Kriege stattfinden, dann hat man
unter dem Eindruck der Niederlage, unter dem Eindruck auch einer großen Schuld noch Verständnis für
gewisse Bewegungen. Aber- wenn im fünften Jahr nach dem Kriege erneut eine Welle aus dem Osten anströmt, aus den Ostgebieten 300 000 Deutsche, aus
der Tschechoslowakei 80 000 Deutsche, dann ist das einfach die bare Unfähigkeit der Alliierten, den Frieden zu organisieren.
Es ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Wir wollen nun nicht im einzelnen prüfen — wir können das gar nicht —, welche Deutschen kommen, ob sie Vertriebene sind, ob sie zunächst freiwillig zurückblieben, ob sie vielleicht sogar Agenten von Sowjetrußland sind. Wir wissen das nicht. Wir können nur eines tun — die Bundesregierung hat das bereits entschieden —, nämlich sie aufnehmen; denn wenn Deutsche in Not an der Grenze stehen, dann bleibt uns nichts anderes übrig. Es ist unsere Pflicht, daß wir, da wir in einer gemeinsamen deutschen Schicksalsgemeinschaft stehen, sie aufnehmen. Wir wissen, daß sie unsere Arbeitslosigkeit erhöhen. Wir wissen, daß sie die Wohnungsnot verstärken, daß die Finanznot durch dieses Problem besonders verschärft wird, daß ein Gegensatz innerhalb der deutschen Bevölkerung zwischen Einheimischen und Vertriebenen entsteht, daß die Hoffnungslosigkeit, die Verelendung dadurch immer mehr gefördert wird. Die Bolschewisten wollen bewußt diese Not mit solchen Maßnahmen steigern.
Nun sind in Deutschland aber nicht alle Länder gleichmäßig betroffen. Drei Länder stehen in ihrer Not voran: Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, die noch dazu besonders hart unter ihrer Armut leiden, die eine mangelnde Industrialisierung aufweisen und daher eigentlich die geringste Möglichkeit hätten, diese Flüchtlinge aufzunehmen. Die Bonner Verfassung gibt durch Art. 119 die Möglichkeit, daß hier der Bund ausgleichend durch Rechtsverordnungen eingreift. Es ist für den Bund schwer, sich hier durchzusetzen; denn bei den enormen Folgen, die die Aufnahme von Flüchtlingen für die gesamte Wirtschaftsgestaltung, die ganze soziale Lage der Bevölkerung hat, nehmen die Länder naturgemäß die Flüchtlinge nicht gern; der Länderegoismus sträubt sich dagegen. Ich erkenne dabei einen gewissen Länderegoismus an. Er ist schließlich ein Erhaltungstrieb für eine eigene Staatspersönlichkeit. Aber wer sich hier versündigt, wer sich dagegen wehrt, diese Flüchtlinge zu nehmen, wer sie einfach nur gewissen Ländern aufhalsen will, der versündigt sich gegen die deutsche Notgemeinschaft.
Ich möchte nicht wissen, was geschehen wäre, wenn Bayern das Land gewesen wäre, das sich wie Nordrhein-Westfalen und Hessen einfach weigert, einer Rechtsverordnung des Bundes nachzukommen!
Die Presse wäre sicher nur so über uns als „die Landesverräter" und „die Bundesverräter" hergefallen,
wenn wir als armes Land Bedingungen stellen würden, daß zunächst die Häuser mit Krediten von 240 Millionen DM erstellt werden, wenn wir sagen würden, daß wir dann erst in der Lage wären, die Flüchtlinge aufzunehmen, wie es das reichste Land — Nordrhein-Westfalen — tut. Da ist nichts zu entschuldigen!
Man hat gerade uns Bayern so oft vorgeworfen, wir wollten uns den Kriegsfolgen entziehen. Wir denken gar nicht daran. Aber wir wollen nur d e n Teil übernehmen, der uns trifft, und nicht auch noch für die anderen, reichen Länder die Lasten tragen. Es ist uns einfach unmöglich.
Um nun aber weiterzukommen, um einen praktischen Ausweg zu finden, müssen wir hier Entschlüsse fassen. Rechnen wir mit der gegebenen Lage, dem Länderegoismus, dem praktischen Versagen der bisherigen Ausgleiche und der Zusage der Bundesregierung, die Flüchtlinge aufzunehmen! Nun ist der Antrag der Bayernpartei hier das Ei des Kolumbus:
Man bringt einfach die 300 000 Deutschen aus dem Osten und die 80 000 Deutschen aus der Tschechoslowakei sofort in die unterbelegten Länder und trifft die weitere Verteilung von dort aus. Gegen diesen Antrag kann niemand sein. Abgesehen davon ist er notwendig, wenn es nicht zu krisenhaften Erscheinungen kommen soll. Wenn die überbelegten Länder nur das psychologische Wissen haben, daß es nicht mehr schlechter werden kann, sondern daß sie durch allmähliches Abströmen eine gewisse Erleichterung erfahren, dann ist die Situation für Einheimische und Flüchtlinge in diesen Ländern zu ertragen. Wenn sie aber sehen, daß die neu einströmenden Flüchtlinge immer nur wieder in dieselben Länder gepackt werden, dann wird die Situation unerträglich; dann kommt schließlich von den einzelnen Dörfern, Städten und Ländern geradezu ein Aufnahmestreik.
Die anderen Länder sollen sich auch nicht mit irgendwelchen technischen Schwierigkeiten ausreden. Wenn sie glauben, nicht innerhalb von zwei oder drei Wochen die erforderlichen Baracken an den Grenzen ihrer Länder errichten zu können,
dann kann ich für Bayern nur erklären, daß wir sie ihnen in einigen Wochen fix und fertig hinstellen, damit sie diese Ausrede nicht mehr haben, wie das ja zu erwarten ist. Aber wir können es gegenüber unserem bayerischen Staat nicht länger verantworten, daß bei uns in Einzelverträgen die Facharbeiter herausgezogen werden und daß durch die Neuzugänge der Charakter dieser drei Länder als Alters-und Invalidenheim immer mehr in Erscheinung tritt.
Wir haben schon einmal genug darunter gelitten, daß wir der Luftschutzkeller des Dritten Reiches waren. Wir wollen nicht das Altersheim des Bundes werden.
Die Annahme dieses Antrags ist geradezu ein Prüfstein für die Beziehungen zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander, ein Prüfstein für die Existenz des Bundes überhaupt. Zeigt sich der Bund so schwach, daß er dieses deutsche Generalproblem nicht lösen kann, mit dem ja die Lösung der Finanznot, der Wohnungsnot und der Arbeitslosigkeit zusammenhängt, dann wird man auch in anderen Dingen keinen Glauben an die Autorität dieses Bundes haben.
Für eine Lösung der bayerischen Frage, die durch
die Verfassungsfrage nun einmal aufgerissen ist,
ist das Verhalten des Bundes und der anderen Länder geradezu entscheidend. Zeigt sich der Bund hier fähig, die Fragen zu lösen, kann er den unerträglich belasteten Ländern die allzu große Last abnehmen und gerecht verteilen, dann könnte sich auch unsere Auffassung zum Bunde wandeln.
Zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Aufnahme von Deutschen aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und aus der Tschechoslowakei in das Bundesgebiet
erteile ich nunmehr für die Einbringung des Antrags Herrn Abgeordneten Dr. Wenzel das Wort als Sprecher der Herren Antragsteller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die politischen Ereignisse, die den Antrag meiner Fraktion auf Drucksache Nr. 727 notwendig gemacht haben, sind uns allen wohlbekannt. Es gibt keinen anständigen Deutschen, den die Ausweisungen aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und aus der Tschechoslowakei, die in den allerletzten Wochen und Tagen vor sich gegangen sind, nicht aufs tiefste berühren. Diese eben jetzt vor sich gehenden Aktionen der Ausweisung fordern ganz selbstverständlich dazu auf, sich aufs neue daran zu erinnern, daß das, was die Polen und die Tschechen heute tun, nur die letzte Folgerung der verhängnisvollen Beschlüsse von Jalta und Potsdam bedeutet, denen damals auch England und Frankreich ihre Zustimmung nicht verweigert haben. Ohne daß wir nun in eine erneute Aussprache über diese sehr wichtigen und grundsätzlichen politischen Fragen des gesamten Vertriebenenproblems an dieser Stelle eintreten wollen, muß doch sehr klar und eindeutig gesagt werden, daß damals die Alliierten ebenso wie Benesch in der Tschechoslowakei eindringlich gewarnt wurden, die Ausweisungen überhaupt vorzunehmen und anfangen zu lassen. Denn diese Massenausweisungen, von denen Millionen von Deutschen betroffen sind, sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Recht von Anfang an gewesen.
Nun, ebenso klar wie das eben Gesagte anerkennen wir auch die Tatsache, daß das gesamte Vertriebenenproblem ebenfalls zu den unheilvollen Konsequenzen gehört, die der Hitlerkrieg für uns mit sich gebracht hat. Aber gerade deswegen müssen wir den Alliierten gegenüber offen zum Ausdruck bringen, daß ein bestehendes Unrecht, das durch seine Mißachtung von Recht und Menschenwürde unsagbares Elend über die Völker gebracht hat, nicht dadurch wettgemacht wird, daß man ihm neues hinzufügt oder hinzufügen läßt.
Deshalb wenden wir uns gegen die Weisung der Hohen Kommissare an die Bundesregierung, die die Aufnahme der deutschen Menschen, die jetzt aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und aus der Tschechei in das Bundesgebiet kommen wollen, verbietet. Wir erklären ebenso mit Entschiedenheit vor diesem Hause und vor aller Welt, daß wir uns auch gegen die Vorkommnisse stellen, die sich vor wenigen Tagen vor den Toren Friedlands abgespielt haben. Wir erklären uns auch vollkommen solidarisch mit dem niedersächsischen Minister für Heimatvertriebene, Pastor Albertz, der sich gegen die
verhängten unmenschlichen Sperrmaßnahmen gewandt hat, und wir betonen auch unsererseits, daß" uns das Schicksal unserer deutschen Brüder und Schwestern vor dem lebendigen Gott und unserem Gewissen nicht gleichgültig sein kann. Der Tatbestand, den die Hohen Kommissare mit ihrer Weisung geschaffen haben,
bedeutet eine Politik auf Kosten von Menschenschicksalen, die vor dem Grundgesetz, vor Demokratie und Menschenwürde nicht bestehen kann,
die aber ebensowenig vor den von den Alliierten selbst immer vertretenen Ideen und Idealen von Humanität und Menschlichkeit besteht, und auch, ich möchte das zuletzt mit allem Nachdruck hervorheben, vor der von ihnen anerkannten Christlichkeit.
Es ist für keinen, der sich für den Menschen und das Menschliche verantwortlich weiß, eine Frage, daß im Angesichte dieser Menschenschicksale, um die es in unserem Antrag geht, unter allen Umständen und auf jeden Fall das Gebot der Menschlichkeit zur Geltung zu bringen ist. Wir meinen, daß alle Bedenken und Einwände; daß Schwierigkeiten, die auch administrativer Art sein könnten, hier ihre noch so berechtigte Geltung verlieren. Es muß nun endlich einmal im Ernste bewiesen und verwirklicht werden, daß einzig und allein der Mensch in seiner Not und seinen berechtigten Anliegen und sonst nichts anderes ausschlaggebend ist, wenn man sich zu einer Politik bekennt, die auf der Grundlage der Demokratie steht.
Wir wollen auch noch besonders daran erinnern, daß die Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei, um deren Aufnahme in unsere Bundesrepublik es geht, während der letzten 5 Jahre ihres Lebens unter ganz besonderen Leiden, Schwierigkeiten und Nöten in den Ostgebieten gelebt haben. Sie haben äußerlich und innerlich, körperlich und seelisch, länger und mehr unter den bedrückenden Zuständen gelitten als wir anderen Heimatvertriebenen, die wir schon einige Jahre früher die Heimat verlassen mußten. Schon deswegen ist ihr moralischer und menschlicher Anspruch, nun endlich Aufnahme bei uns zu finden, gerechtfertigt, weil es nach jedem sittlichen und religiösen Verständnis überhaupt keinen zwingenden menschlichen Grund gibt, sie nicht bei uns aufzunehmen. Deswegen ist es unmöglich, diese deutschen Brüder und Schwestern draußen vor der Tür stehen zu lassen, und weil wir wissen, daß es sich bei ihnen in der Tat um die Schwächsten von uns handelt, sind wir über die von den Hohen Kommissaren- angeordnete Aufnahmesperre deswegen so besonders erschüttert, weil hier wieder einmal wie selbstverständlich die Unschuldigen und Schwachen am härtesten und schwersten von den Schlägen auf dem Kampffeld des politischen Lebens getroffen werden.
Darum können wir es nicht eindringlich genug sagen, daß der demokratische Gedanke als der Gedanke von der Menschlichkeit und Freiheit und Würde jedes einzelnen Menschen nicht nur in der Theorie und im luftleeren Raum deklamatorischen Ausdruck finden darf, sondern daß er gerade dann praktiziert und in die Tat umgesetzt werden muß, wenn man sich einer ganz besonderen, schweren
und erschütternden menschlichen Not gegenübersieht.
Anordnungen und Maßnahmen, wie die von den Hohen Kommissaren ergangenen, die den in schwerster Not befindlichen deutschen Menschen den Zutritt in ihr Vaterland, als welches doch wohl das Bundesgebiet anzusehen ist, versperren wollen, sind — wir wollen es noch einmal aussprechen — einfach deswegen ein schlechter Dienst bei der Aufrichtung der Demokratie und ihrer Verwirklichung in unserem Volk und in der Welt, weil sie die selbstverständlichen Menschenrechte antasten, von denen wir endlich einmal wissen wollen, daß sie nicht nur auf dem Papier gedruckt stehen, sondern unbedingt und ohne jede Einschränkung auch im äußersten Ernst- und Notfall Geltung haben.
Es ist keine Frage, daß die Auffassung der Hohen Kommissare im Widerspruch zu der Charta der Menschenrechte steht, die vor noch nicht allzu langer Zeit feierlich von den Vereinten Nationen proklamiert und zum Kernpunkt aller christlichen Weltauffassung erhoben wurde. Ich will in diesem Zusammenhang Art. 15 und 16 zitieren, die da lauten:
Jedermann hat das Recht, das Asylrecht vor Verfolgung in anderen Ländern zu suchen und zu genießen.
Jedermann hat das Recht auf eine Staatsbürgerschaft.
Ich muß nun mit allem Nachdruck sagen, daß die hier proklamierten und verbürgten Menschenrechte für die deutschen Menschen aus den Ostgebieten doppelt und dreifach gelten, weil, wie Sie ja alle wissen, die Alliierten die deutschen Behörden schon lange angewiesen haben, jeden Fremden in Deutschland aufzunehmen und ihn unter den Schutz dieser Menschenrechte zu stellen. Wie können aber nun die gleichen Alliierten uns Deutschen zumuten, Deutsche, die sich in bitterster Not und in schwerstem Elend befinden, weil sie ihre Heimat aufgeben mußten, an den Toren der eigenen Heimat abzuweisen?
Wenn wir uns gegen die Anordnung der Hohen Kommissare wenden und alle Bemühungen, die zur Aufnahme dieser deutschen Menschen notwendig werden, unterstützen, wenn wir die Bundesregierung auffordern — sei es durch den Mund des Herrn Bundesflüchtlingsministers oder einer anderen Persönlichkeit —, zu unserem Antrag Stellung zu nehmen, und wenn wir dieses Hohe Haus durch die Aufforderung zur Annahme unseres Antrags ebenfalls dazu aufrufen, alle notwendigen Maßnahmen und Bemühungen zu bejahen und tatkräftig zu fördern, die der Aufnahme der Deutschen aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und der Tschechoslowakei zugute kommen, dann sind wir uns durchaus der Schwierigkeiten, die mit alledem verbunden sind, bewußt. Auch wir sehen die materiellen, sozialen und politischen Schwierigkeiten, die sich für uns nun noch vergrößern werden, gerade weil wir selbst die Arbeitslosigkeit, die Armut und das Millionenheer der Vertriebenen bei uns in der Bundesrepublik haben. Aber wir meinen trotzdem, daß alle diese Nöte keinen Einwand liefern dürfen, uns der Aufnahme unserer deutschen Brüder und Schwestern zu versagen. Wir wissen sehr wohl, daß eine gerechte Verteilung und eine ebensolche Eingliederung der jetzt aufzunehmenden Menschen, die nach einem wohldurchdachten Plan vorgenommen werden muß,
eine der vordringlichsten Aufgaben ist, an deren sofortige Lösung der Bund und die Länder herangehen müssen. Nur wenn dieser und andere Schritte wirklich sofort und jetzt unternommen werden, werden wir verhindern können, daß das Elend vor den Toren Westdeutschlands und damit das zum Himmel schreiende Schicksal der Vertriebenen überhaupt nicht noch furchtbarer, grausamer und unmenschlicher wird.
Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren, unserem Antrag, den zu begründen ich die Ehre hatte, Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die gemeinsame Aussprache über die Drucksachen Nr. 723 und Nr. 727.
Das Wort hat zunächst der Herr Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Bayernpartei, Drucksache Nr. 723, gebe ich folgende Erklärung ab:
Die Notverordnung aus Art. 119 des Grundgesetzes ergeht in allernächster Zeit, und zwar in Übereinstimmung mit den Flüchtlingsverwaltungen der Länder Scheswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern und auch Hessen. Es ist unbedingt notwendig, daß dem Bundesminister ein Weisungsrecht gegeben wird, damit nicht in jedem einzelnen Falle ausgehandelt werden muß, welches Land belegt werden muß und wieviele Menschen in die minderbelegten Länder - d. h. die Länder, die an der Relation zu den besonders betroffenen Grenzländern weniger Flüchtlinge haben — gelegt werden können. Darüber herrscht völlige Klarheit.
- Wir haben ja schon im Bundesrat eine Notverordnung wegen der ostzonalen Flüchtlinge eingebracht. Das Gesetz, das hier vorgelegt ist, wird ja wohl in allernächster Zeit in voller Einigkeit verabschiedet werden.
Gegenüber dem zweiten Satz des Antrags der Bayernpartei habe ich Bedenken. Das ist zu weitgehend. Wenn nämlich Angehörige in einem dieser belegten Länder erklärt haben, daß sie Flüchtlinge aufnehmen und in ihren Wohnungen selbst unterbringen können, dann können wir das Zahlenspiel nicht so treiben, wie es hier verlangt wird, sondern es wird ein allgemeines Weisungsrecht ergehen. Sie wissen doch, daß es sich bei der ganzen „Aktion Link", die auf Grund eines Beschlusses der Herren Ministerpräsidenten angelaufen ist — 45 000 Menschen aus Polen und der Tschechoslowakei, nämlich aus Polen 25 000 und aus der Tschechoslowakei 20 000 —, nur um solche Personen handelt, die Angehörige in der deutschen Republik haben, die erklärt haben, daß sie ohne die Forderung weiteren Wohnraums in ihrer Familie aufgenommen werden.
- Nein, die Kategorie A hat nur eine Liste von
45 000 Menschen, es ist nicht weiter gegangen, und
wir stehen ja jetzt vor dieser Aktion, die etwas
ungeregelt verläuft. Alles das, was über die Aktion
Link hinsichtlich der 45 000 Menschen hinausgeht, I wird also dem Weisungsrecht unterliegen.
— Nein, alle nicht.
— Ich weiß nicht, Herr Abgeordneter Seelos: wenn ich als Angehöriger erklärt habe, ich nehme meinen Bruder aus Polen in meine Wohnung auf, dann kann doch eine Überbelegung nicht mehr eintreten, dann ist doch der benötigte Wohnraum vorhanden!
Zu dem Antrag Drucksache Nr. 727 kann ich nur das eine erklären: Der Standpunkt der Bundesregierung ist ja durch die feierliche Erklärung des Herrn Bundeskanzlers völlig festgelegt. Der Herr Bundeskanzler hat der Hohen Alliieren Kommission gegenüber erklärt, daß er nicht in der Lage sei, und zwar aus Gründen der Menschlichkeit, diese Menschen, die nun hereinkommen, von der Grenze zurückzustoßen. Dieser Standpunkt bleibt unverändert. Diejenigen, die hereinkommen, werden von mir auf Grund des Weisungsrechtes in die minderbelegten Länder geschickt werden. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Ich glaube, daß sich die Bundesregierung in vollem Einvernehmen mit dem Hohen Hause befinden wird.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Aussprache fort. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß die Redezeit für jede Fraktion 8 Minuten beträgt.
Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich würden dem Antrag der Bayernpartei, die nun aus Polen und der Tschechei ausgewiesenen Deutschen unmittelbar auf die mit Flüchtlingen unterbelegten Länder aufzuteilen, mit der einen Einschränkung grundsätzlich zustimmen, daß damit eine Familienzusammenführung nicht ausdrücklich unterbunden wird. Wenn ein Ausgewiesener Verwandte in Bayern, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen hat, dann muß er in diese Länder eingewiesen werden. Das hat auch der Herr Bundesminister Lukaschek ganz deutlich erklärt.
Ohne jede Einschränkung stimmen wir dem Antrag der SPD zu, der sich gegen die Aufnahmesperre gegenüber Ausgewiesenen aus den Ostgebieten durch die Besatzungsmächte wendet.
Ich möchte zu beiden Anträgen etwas Ergänzen-, des sagen. Wenn wir dem Antrag der Bayernpartei grundsätzlich zustimmen, dann wolden wir damit die unhaltbaren Zustände bekämpfen, die sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen in bestimmten Ländern ergeben haben. Die Aufnahme dieser Flüchtlinge wird in manchen Ländern bewußt erschwert, sabotiert und unmöglich gemacht. Wir wissen, daß Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen nicht mehr in der Lage sind, neue
Flüchtlingsmassen aufzunehmen — das ist uns vollständig klar —, abgesehen von der Familienzusammenführung, die wir vom menschlichen Standpunkt aus für richtig halten. Man hat sich im Jahre 1946 der Täuschung hingegeben, daß die Zuwanderung nach Westdeutschland im wesentlichen abgeschlossen sei. Seitdem die Spannung zwischen Osten und Westen zunimmt, hat ein neuer Strom von Flüchtlingen eingesetzt. In den zuständigen Kreisen — auch Herr Kollege Seelos hat das unterstrichen — ist man der Auffassung, daß Polen und die Tschechei die neue Ausweisungsaktion auf Befehl Moskaus durchführen, weil es auffällt, daß beide Staaten parallel und gleichzeitig mit der Ausweisungsaktion einsetzen, um das Flüchtlingsheer in Westdeutschland zu vermehren und noch mehr Arbeitslose zu schaffen, den Staat zu belasten und seine Wirtschaft zu zerstören.
Es ist deshalb unverständlich, daß die Besatzungsmächte gegen die Aufnahme dieser armen Menschen Stellung nehmen und sie verhindern wollen. Für uns als deutsche Volksvertreter ist es untragbar, daß man im Auftrage der Besatzungsmächte die Grenzen sperrt und die Transporte der Elenden und Bedrängten in der Sowjetzone stehen läßt. Hier muß die Bundesregierung den Mut haben — ich muß das nun etwas deutlicher sagen, als der Herr Bundesminister für das Flüchtlingswesen es getan hat —, auch der Hohen Kommission gegenüber ein offenes und ein entschiedenes Wort zu sprechen und zu erklären, was auch einer der Referenten gesagt hat: Wir anerkennen die Haltung des niedersächsischen Flüchtlingsministers Albertz, der den Mut gehabt hat, gegen den Willen der britischen Besatzungsmacht 600 Flüchtlinge über die Grenzen herüberzubringen, und der auch gesagt hat, es werde keinen deutschen Innenminister und keinen deutschen Polizisten geben, der seine Brüder an der Grenze zurückweisen würde.
Das ist eine männliche Sprache.
Hier ist ein Problem der Menschlichkeit aufgerissen worden, und für uns Deutsche handelt es sich zudem noch um eine Probe auf unser in den letzten Jahren stark erschüttertes Zusammengehörigkeitsgefühl, von dem die Heimatvertriebenen ein trauriges Lied zu singen haben. Es erscheint uns unmöglich, daß eine Viertelmillion heimatlose Menschen vor den Toren der ersehnten Heimat ein Schicksal hoffnungsloser Verzweiflung, dem sie seit Kriegsende ohnehin aufgeliefert waren, ertragen müssen. Es ist heute schon gesagt worden: Die Wurzel dieser furchtbaren Tragik, dieser furchtbaren Barbarei liegt in den Abkommen von Potsdam und Yalta und die Verantwortung dafür tragen jene Männer und jene Mächte, die diese Abkommen geschlossen und ihnen zugestimmt haben.
Diese Übereinkommen haben nicht zur Festigung des Friedens beigetragen, sondern bergen die Gefahr eines neuen Krieges. Man wird von der Verantwortung für das Geschehene nicht frei, wenn man wie unlängst McCloy erklärt, das Flüchtlingsproblem sei eine rein deutsche Angelegenheit. Man kauft sich von der Verantwortung auch dann nicht los, wenn man entgegen allen geschichtlichen Tatsachen seine Hände in Unschuld wäscht.
Es ist und bleibt ein Verbrechen, wenn man mitgeholfen hat, daß 12 Millionen Menschen von ihrer angestammten Scholle vertrieben werden,
vertrieben, in einen überfüllten und zerbombten Wirtschaftsraum hineingepreßt und nun ihrem Schicksal überlassen werden. Die Proteste der Alliierten, daß die Oder-Neiße-Linie nicht definitiv sei, sind ohne Sinn und ohne jede Bedeutung, wenn dieselben Alliierten zustimmen, daß Polen ein durch tausend Jahre deutsches Gebiet besetzt hält und ausbeutet und die Deutschen in diesem Gebiet ausrottet.
Man kann vor der Weltgeschichte der Frage der Verantwortung für die riesengroße Not, in die 12 Millionen unschuldige Menschen gestürzt wurden, nicht aus dem Wege gehen. Eines muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden: die Unterzeichner der Abkommen von Yalta und Potsdam sind rechtlich und moralisch verpflichtet, sich der Opfer ihrer Politik, der Heimatvertriebenen, anzunehmen.
Wir erwarten endlich die formelle Anerkennung dieser Verpflichtung von den Westmächten. Wir erwarten ferner, daß dieses Hohe Haus und auch die Bundesregierung genau so wie in der Saarfrage Auch in dieser ernsten Frage in diesen Stunden eines Sinnes und eines Willens ist.
Um einem aufgekommenen Mißverständnis entgegenzutreten, möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, daß sich die vereinbarte Redezeit für jede Fraktion auf die Aussprache über die Punkte 1 und 2 gemeinsam bezieht.
Es sprechen jetzt zwei Redner der CDU/CSU, die sich bitte in die acht Minuten teilen wallen.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge, die dem Hohen Hause heute zur Beschlußfassung vorliegen, lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Geschehnisse in den beiden Grenzorten Friedland und Furth im Wald. Sie verlangen von uns die Entscheidung darüber, was nun mit jenen Menschen geschehen soll, die ohne Aufnahmegenehmigung als Heimatlose und damit als Symbole unserer Zeit endlich vom Zwang, von persönlicher Unfreiheit und dem seelischen Druck der vergangenen fünf Jahre befreit, an der Grenze eingetroffen sind oder in den nächsten Wochen in den großen Auffanglagern voraussichtlich noch eintreffen werden. Wollen wir ihnen, den vielleicht letzten Opfern des Potsdamer Abkommens, nach dem Gebot der Menschlichkeit und der nationalen Anständigkeit die Tore in die Freiheit öffnen und sie als Brüder und Schwestern aufnehmen, oder sollen sich vor ihnen und ihrer Sehnsucht nach Freiheit und nach einem menschenwürdigen Dasein die Schranken unerbittlich schließen? Die Folge des letzteren wäre ohne Zweifel, daß diese Menschen als erstes Erlebnis auf deutschem Boden eine bittere und eine tiefe Enttäuschung erfaßte und daß für sie die drohende Gefahr bestünde, neuerdings der Unfreiheit, der Arbeitsversklavung in den Bergwerken von Aue oder von Joachimsthal, in den Kohlengruben von Oberschlesien oder des Brüx-Duxer-Reviers oder aber in den zwangsent-
eigneten landwirtschaftlichen Kolchosen Innerböhmens zu verfallen.
Gewiß, durch die Aufnahme dieser Menschen werden die auf uns lastenden Tagesschwierigkeiten, nämlich die Wohnungs- und Arbeitsmarktlage, noch drückender. Aber ich bin der Meinung, daß das deutsche Volk, das in den Jahren 1945/46 unter ungleich schwierigeren Verhältnissen, nämlich unmittelbar nach einem total verlorenen Krieg, bei einem total zerstörten Verkehrsnetz und mit Trümmerhaufen in unseren Dörfern und Städten und ohne daß ihm eine Atempause gegönnt wurde, immer wieder Transport um Transport aufnehmen mußte, damit eine organisatorische Leistung vollbracht hat, die nicht nur ohne Beispiel dasteht, sondern uns auch nicht befürchten zu lassen braucht, daß wir diesmal mit den Schwierigkeiten, die mit der Aufnahme von einigen Zehntausenden Menschen nunmehr auftreten, nicht auch fertig würden. Wir müssen damit rechnen, daß die in den nächsten Wochen und Monaten aus Polen und der Tschechoslowakei eintreffenden Transporte die zwischen der Bundesregierung und der Hohen Kommission festgesetzten Aufnahmequoten zahlenmäßig übersteigen. Dahinter dürfte unschwer die hintergründige Absicht der von Moskau ferngesteuerten Regierungen in Prag und in Warschau zu erkennen sein, die Bemühungen der Bundesregierung um eine Konsolidierung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse unter allen Umständen zu verhindern.
Ich bin aber davon überzeugt, daß die Regierung Mittel und Wege finden wird, um der damit verbundenen politischen Gefahr zu begegnen. Unsere Aufgabe und die der Länder wird es sein, sie dabei tatkräftig zu unterstützen.
Die von dem britischen Hohen Kommissar angeordnete Aufnahmesperre für diejenigen Flüchtlinge und Vertriebenen, die nicht in der Liste des Roten Kreuzes erfaßt wurden, erscheint uns keinesfalls als eine geeignete und vom Standpunkt der Menschlichkeit vertretbare Maßnahme und als ein letzter Ausweg zur Lösung eines Problems, das letzten Endes seine Ursache auch in dem von England mit unterzeichneten Potsdamer Abkommen hat.
Wir sind der Bundesregierung und den deutschen Behörden dafür dankbar, daß sie es als ihre selbstverständliche Pflicht angesehen haben, jene aus dem Osten Verwiesenen aufzunehmen, die die Grenzen der Bundesrepublik überschreiten. Wir sind aber der Meinung, daß darüber hinaus alles getan werden müßte, um eine Aufhebung dieser Anordnung zu erreichen, die diese Menschen letzten Endes doch zwingt, auf illegalem Wege in die Bundesrepublik zu kommen, wenn man ihnen den legalen Grenzübertritt verweigert. Wir begründen unsere Forderung einmal mit dem Gebot der Menschlichkeit, das doch das Grundgesetz der Demokratie ist und das die Aufnahme der asylsuchenden Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei erfordert, zum andern damit, daß wir doch letzten Endes gar nicht die Möglichkeit haben, unsere Grenzen hermetisch abzuschließen,' und daß niemand von uns verlangen kann, unsere deutschen Brüder und Schwestern vielleicht durch Polizeikräfte und unter Anwendung von Gewalt über die Grenze zurücktransportieren zu lassen.
Noch einen weiteren Gesichtspunkt möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Ich verweise 'auf die Tatsache, daß wir auch sonst, wie es das Gesetz von uns verlangt, allen Ausländern, die keine Lust mehr verspüren, sich volksdemokratisch verwalten zu
lassen, in unserem Land Asyl geben, und zwar ohne daß jedem vorher eine Zuzugsgenehmigung in sein Herkunftsland entgegengeschickt wird und ohne daß indiskrete Fragen nach dem Vorleben und den eventuellen Zukunftsaussichten gestellt werden. Der illegale Zustrom von Ausländern aus Osteuropa hat gerade in den letzten Wochen einen beachtlichen Höhepunkt erreicht. Bayern mußte allein im Jahre 1949 rund 100 000 Ausländer aufnehmen. Dabei sind in dieser Zahl nur jene enthalten, die sich registrieren ließen, nicht aber jene, die ohne Kontrolle nach Bayern gekommen sind und deren Zahl bestimmt nicht klein ist. Ich wende mich durchaus nicht gegen das Asylrecht, allerdings mit der Einschränkung, daß man diese Ausländer nicht nur der deutschen Versorgung unterstellt, sondern bei nachweisbarer Kriminalität auch der deutschen Gerichtsbarkeit und der deutschen Polizei unterstellen sollte.
Aber wogegen ich mich hier wende, das ist, daß im Hinblick auf die deutschen Flüchtlinge aus dem Osten nicht das gleiche Recht geübt wird.
Meine Damen und Herren, solange der Bund und solange nicht einmal die Alliierten oder die UNO in der Lage sind, die bürgerlichen Rechte und Freiheiten unserer Brüder und Schwestern im fremden Verwaltungsgebiet und im Ausland zu schützen, so lange haben wir die Pflicht, ihnen zu helfen und sie aufzunehmen, wenn sie an unserer Grenze erscheinen, zumal es sich doch in den meisten Fällen nur um Familienzusammenführungen handelt, nachdem durch die „humanen und geordneten Ausweisungsmethoden" diese Familien in den Jahren 1945 und 1946 schmerzlich zerrissen worden sind. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich die Hohen Kommissare unserer Stellungnahme zu dieser Frage und unserer Mißbilligung der angeordneten Aufnahmesperre nicht verschließen werden; und mit dem Hinweis auf die hier bereits erwähnte Ursache dieses neuen Flüchtlingszustroms, nämlich das Potsdamer Abkommen, und auf die europäische Bedeutung des Flüchtlingsproblems, das damit zusammenhängt, werden wir die nicht unbegründete Bitte an die Alliierten richten dürfen, uns doch auf eine andere Weise als durch die Anordnung einer Aufnahmesperre, nämlich durch die tatkräftige Unterstützung bei der Seßhaftmachung und bei der wirtschaftlichen Eingliederung dieser Menschen, behilflich zu sein und gegen den Versuch der osteuropäischen Staaten, durch die restlose Ausweisung der letzten Deutschen vollendete Tatsachen zu schaffen, eindeutig die Erklärung abzugeben, daß sich dadurch nichts, aber auch gar nichts an dem unabdingbaren Recht dieser Menschen an ihrer jahrhundertealten Heimat ändern wird.
Der Redner hat seine
Redezeit erschöpft. Meine Damen und Herren! Ich
erteile Herrn Abgeordneten Dr. Zawadil das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge ergänzen sich sinnvoll. Der Antrag der Sozialdemokratischen Partei behandelt die Frage der unbehinderten Aufnahme der im Augenblick aus Polen und der Tschechoslowakei ausgewiesenen Deutschen. Der zweite Antrag der Bayernpartei behandelt die Ergänzung dazu, die Frage einer planmäßigen und organisch durchdachten Aufteilung innerhalb der Bundesrepublik.
Seit 1945 kommt ein konstanter, stärker oder schwächer auftretender Flüchtlingsstrom aus dem deutschen Osten. Die Vertreibung ging nicht nur 1945 und 1946 vor sich, die Vertreibung dauert heute noch an.
Und das gleichzeitig mit der Forderung nach Menschlichkeit, nach Völkerfrieden und Völkerversöhnung! Dahinter steckt eine abgrundtiefe und furchtbare Absicht.
Was' liegt denn der asiatischen Politik daran, Menschen zu vertreiben, dorthin, wo sie nicht mehr lebensfähig sein können und zusammengepfercht vegetieren, um dadurch wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bereiten. Die dadurch im Osten entstehenden Lücken und dünnen Besiedlungsgebiete können, wenn es notwendig wird, durch" Millionen Asiaten aufgefüllt werden.
Das ist ein Problem von innerdeutscher und europäischer Bedeutung, das uns einmal, wenn es zur Neuordnung Europas kommen wird, große Schwierigkeiten machen wird.
Wenn auf der einen Seite die Hohen Kommissare den nichtdeutschen Emigranten und Ausländern freien Zuzug in das Bundesgebiet ermöglichen, dann wäre es doch eine Selbstverständlichkeit, daß unsere ureigensten Volksgenossen, unsere deutschen Brüder und Schwestern ungehindert nach hier kommen dürfen. Wir werden mit dem Problem fertig werden, weil wir wissen, daß das schlechthin die Schicksalsfrage Deutschlands und des deutschen Volkes ist. Wir müssen daher die eindeutige Forderung an die Hohen Kommissare richten, jedwede Behinderung in dieser Richtung einzustellen.
Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, daß die Tschechoslowakei und auch Polen nicht sehr erfreut sind über die neuerliche Weisung, die von Moskau kommt, Deutsche auszuweisen; denn es sind gerade jene Facharbeiter, die seinerzeit zurückgehalten wurden, und diese Facharbeiter spielen keine geringe Rolle im Wirtschaftsleben. Ich spreche jetzt vor allem von der Tschechoslowakei. Die dort noch zurückgebliebenen Facharbeiter z. B. der Gablonzer Industrie sind einer der letzten Rettungsanker der tschechoslowakischen Exportindustrie. Es wird daher für die beiden Länder nicht ganz einfach sein, dem Befehl vom Osten nachzukommen und sich der Facharbeiter zu entblößen.
Und dann, wenn wir es durchgesetzt haben werden — und das müssen wir von der Bundesregierung verlangen, daß die vorgesehene Zahl von Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei ungehindert nach hier kommen kann —, dann ist es heute bereits an der Zeit und nicht erst, wenn unsere Volksgenossen jahrelang in den Lagern verbracht haben werden, an eine sinnvolle Aufteilung zu denken. Wir haben heute nicht mehr die Jahre 1945 und 1946, sondern das Jahr 1950: wir haben den Verwaltungsapparat, wir haben die eingearbeiteten Instanzen, wir haben die Verkehrsmöglichkeiten, mit deren Hilfe sofort, unabdingbar und schnellstens die Verteilung auf das Bundesgebiet organisch und planmäßig durchgeführt werden kann. Wir wissen, daß diese Frage von einer -Verwaltungsbürokratie niemals gelöst werden kann. Hier müssen sich schon politische Köpfe einschalten,
wie überhaupt das ganze Flüchtlingsproblem heute
bereits besser gelöst wäre, wenn wir es weniger mit der Verwaltungsbürokratie zu tun hätten! — Es besteht wohl kein Zweifel an der Annahme beider Anträge mit überwältigender Mehrheit.
Wir haben uns erst in der vorigen Woche mit den Fragen der innerdeutschen Umsiedlung befaßt, haben die Schwierigkeiten kennengelernt und ernste Worte der Kritik an denjenigen Ländern gehört, die sich trotz ihrer relativen Unterbevölkerung weigern, Heimatvertriebene aus den übervölkerten Gebieten Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern aufzunehmen. Was diese Länder auf diesem Gebiete bisher geleistet haben, ist trotz verschiedener Vorgänge, die bisher noch nicht so recht geklappt haben, anerkennenswert. Diese Länder haben tatsächlich das Schwerste in dieser Hinsicht zu tragen gehabt. Wir dürfen es nicht dulden, daß zu den zeitbedingten Schwierigkeiten, die der innerdeutschen Umsiedlung entgegenstehen, auch noch willkürliche, willensmäßige Schwierigkeiten hinzutreten. Wir wissen ganz genau, was für ein gefährlicher Gedanke dahintersteckt, uns immer neue Menschenmassen hereinzuschicken und hereinzupferchen. Die teuflische Absicht Moskaus ist ziemlich klar. Sie kann nur so verstanden werden, daß man Angst vor uns hat, wir könnten die Probleme tatsächlich schneller lösen, als es dem Osten angenehm wäre.
Wir können mit Stolz sagen, daß wir uns seit 1945 schneller erholt haben, ,als es nach allen Befürchtungen und Anzeichen angenommen werden konnte.
— Jawohl, zwei Millionen Arbeitslose; aber wir
haben heute mehr Menschen als vor dem Kriege in
dem Raum der Bundesrepublik beschäftigt. Täglich
kommen Hunderte, täglich kommen Tausende von
neuem herein. Wir müssen mit dem Problem fertig
werden, und nicht nur durch Worte, sondern durch
Tate n. - Wäre ich Einheimischer, meine Damen
und Herren, ich würde durch das viele Reden und
Schreiben um das Flüchtlingsproblem, das jeden
Tag durch Presse und Rundfunk an uns herangetragen wird, angewidert sein. Wir müssen immer
und immer wieder die schnellste Lösung dieses
dringenden Problems fordern. Es ist kein Gegenwartsproblem, es hängt unser aller Zukunft daran!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.
Paul , (KPD): Meine Damen und Herren! Die Verweigerung der Aufnahme der Deutschen, die nach Westdeutschland einreisen wollen,
die aus der Tschechoslowakei und aus Polen einreisen wollen, wird heute morgen wieder zu einer wüsten Hetze gegen die Völker des Ostens benutzt. Vor nicht langer Zeit wurde von dieser Stelle aus immer und immer wieder gefordert, daß man die letzten Deutschen herüberkommen lassen solle.
Je nach der Situation und je nachdem, wie es einem in den Kram paßt, wird so oder so argumentiert. Heute morgen wird gesagt: ja, man wolle jetzt die Deutschen herüberbringen, um eine schnelle Ge-
sundung Westdeutschlands zu verhindern. Merken Sie nicht selbst, wie lächerlich eine solche Argumentation wirkt?
Bei den Deutschen, denen jetzt die Einreise nach Westdeutschland durch die Hohen Kommissare verweigert wird, handelt es sich gar nicht um Ausgewiesene, sondern es handelt sich um Menschen,
die mit ordentlichen Papieren durch die Westmächte ausgerüstet hier einreisen wollen.
Es handelt sich um Menschen, die wieder mit ihren Angehörigen zusammenleben wollen.
Diesen Menschen wird nunmehr durch die Hohen Kommissare
der Zuzug nach Westdeutschland verweigert. Man hat kein Interesse daran, daß diesen Menschen wirklich geholfen wird, sondern man will diese Gruppe von Menschen nur für die Kriegshetze der Imperialisten gegen die Völker des Ostens ausnutzen. Darum geht es in Wirklichkeit.
Man befürchtet vielleicht, daß diese Menschen hier in Westdeutschland erzählen werden,
wie in der Tschechoslowakei und in Polen eine demokratische Neuordnung im Interesse der Werktätigen vorgenommen wurde.
Sie werden die Tatsache der demokratischen Neuordnung dieser Länder nicht aus der Welt zu schaffen vermögen.
Wenn die Hohen Kommissare diesen Menschen die Einreise verweigern,
dann deshalb, weil sie auf Schritt und Tritt die von
ihnen selbst getroffenen Vereinbarungen mißachten.
Und wenn heute morgen wieder solche schönen geistreichen Reden über die Not der Flüchtlinge hier gehalten wurden,
dann kann ich Ihnen nur sagen: die Not der Flüchtlinge wäre längst behoben, wenn man hier in Westdeutschland jene demokratischen Maßnahmen durchgeführt hätte, die man in der Deutschen Demokratischen Republik durchgeführt hat.
Wenn man hier in Westdeutschland die Bodenreform durchgeführt hätte, hätte man Zehntausende von Bauern ansetzen können.
Wenn man hier die Monopolkapitalisten enteignet hätte, hätte man die Schuldigen für das deutsche Elend getroffen. Man hätte dadurch auch den Flüchtlingen Arbeit und Brot geben können.
Das hat man nicht getan, im Gegenteil, man hat bisher
jegliche demokratische Neuordnung in Westdeutschland- bekämpft und hintertrieben.
Das ist ein Beweis dafür, daß Sie gar nicht ernstlich willens sind, die Not der Flüchtlinge zu beheben.
Ich denke auch an jene Tatsache, daß man die Flüchtlinge in Schweineställen und Scheunen hausen läßt, während man
duldet, daß die Großkapitalisten und die ehemaligen Naziaktivisten nach wie vor in Großwohnungen leben.
Was wurde denn praktisch in den einzelnen Ländern getan?
Und Herr Schmid, wenn Sie hier auf die Flüchtlinge hinweisen und auch in Ihrem Antrag versuchen, erneut diese Situation zu einer Hetze auszunutzen, dann kann ich Ihnen nur eines sagen: Auch Sie verwechseln Ursache und Wirkung.
Die Ausweisung dieser Leute ist das Ergebnis des Hitlerkrieges. Auch die Abtrennung der Ostgebiete. Aber man will über diese wahren Tatsachen einfach hinwegkommen.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, Sie haben noch 1 Minute.
Paul , ( KPD): Wir Kommunisten werden mit den Flüchtlingen auch hier in Westdeutschland für einen demokratischen Neuaufbau kämpfen.
Wir werden dafür sorgen, daß die Bodenreform in der Landwirtschaft durchgeführt wird. Nur solche Maßnahmen werden dann auch das Flüchtlingselend endgültig beseitigen,
Wir werden uns weiter im Interesse des deutschen Volkes bemühen, mit den Völkern des Ostens in freundschaftliche Verbindungen zu kommen. Wir sind der Auffassung, daß nur eine enge Freundschaft mit den Völkern des Ostens dem deutschen Volke seine Einheit, seine Unabhängigkeit und sein soziales Leben sichert.
Ihre Redezeit ist beendet, ich bitte aufzuhören.
Paul , (KPD): Nur dann hat das Volk eine Zukunft, und wir müssen mit Entschiedenheit die Hetze gegen diese Völker zurückweisen.
Präsident Dr. Köhler Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist beendet.
Paul , (KPD): Ich möchte Ihnen zum Schluß sagen:
— Wenn Sie noch soviel brüllen, Sie schaffen diese Tatsache nicht aus der Welt! Der Weg, der in der Deutschen Demokratischen Republik und in den Volksdemokratien gegangen wird, wird ein für allemal neue Kriege vermeiden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Meine Damen und Herren! Dem von der SPD eingereichten Antrag stimmen, wie ich annehme, alle Fraktionen dieses Hauses zu, wobei die Tatsache, daß unter den Ausgewiesenen möglicherweise politische Emissäre sind, uns von den Bahnen der Menschlichkeit nicht abbringen kann. Meine Herren Vorredner haben schon bedeutet, daß darüber die zuständigen Stellen, nachdem wir die Gesamtheit der ° Unglücksmenschen aufgenommen haben, die nötigen Ermittlungen anstellen und die nötigen Folgerungen ziehen sollten. An der Grenze können wir mit Rücksicht auf diese Gefahr die Unglücklichen, die nicht darunter fallen, unter keinen Umständen leiden lassen.
Sachlich und organisatorisch von hoher Bedeutung für dieses Problem, jedenfalls für die drei betroffenen Hauptländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, ist der Antrag der Bayernpartei; dazu möchte ich einige Worte sagen. Die tragende Säule dieses Antrags — das, was Herr Dr. Seelos vielleicht etwas volltönig „das Ei des Kolumbus" — ich möchte glauben, es ist nur ein Spatzenei — nannte — ist das Verlangen, daß die Auffanglager nicht in den überbelasteten Ländern eingerichtet werden sollen. Das ist in der Tat eine außerordentlich wesentliche Forderung.
Noch nicht gerade ein Ei! Aber immerhin ein Gedanke, Herr Dr. Baumgartner, der in jeder Beziehung wichtig ist und auf den zu meinem Bedauern Herr Minister Lukaschek gar nicht weiter eingegangen ist. Denn Herr Dr. Zawadil hat es zwar verlangt: Die Aufteilung in endgültige Niederlassungsorte hat schnell zu erfolgen. Wie schnell das aber vor sich geht und wielange sich das eine oder andere Land dann mit mehr oder weniger guter Begründung sträuben mag, das können wir heute nicht übersehen. Auf jeden Fall aber ist es ausgeschlossen, daß zunächst wieder einmal die überbelasteten Länder diese Auffanglager mit 350 000 Menschen einrichten sollen. Es muß vielmehr zunächst einmal die erste Unterbringung unmittelbar von der Grenze weg in Lägern erfolgen, die allein in den bisher von Flüchtlingen nicht belasteten Ländern einzurichten sind. Um dieses entscheidenden Inhalts willen halten wir die Beschlußfassung im Sinne des Antrags der Bayernpartei für eine unbedingte Notwendigkeit in einem föderativen, sich über seine Aufgaben einigen deutschen Bundes.
Die Bayernpartei hat nun ihren Antrag mit einem Schlußsatz belastet, nämlich mit der Forderung, für alle in die belasteten Länder aufgenommenen Familienangehörigen kollektiv eine gleiche Anzahl von Altflüchtlingen auszutauschen. Das geht dem Herrn Minister, meines Erachtens mit Recht, zu weit. Aber der Gedanke, der darin liegt, ist dennoch außerordentlich beachtlich. Denn Familienzusammenführungen von Neu-Einwanderern können natürlich nur in Ländern mit Alt-Einwanderern stattfinden. Die Länder, die zur Zeit keine oder nur ganz wenig Flüchtlinge haben, werden auch nur sehr wenig Familienangehörige aufzunehmen haben. Dagegen strömen in die heute überbelasteten Länder auch noch die Verwandten ein. Daß das so nicht ohne weiteres hingenommen werden kann, ist klar.
Ich habe daher den Antrag zu stellen, den letzten Satz des Antrages der Bayernpartei zu streichen und durch folgende etwas biegsamere Bestimmung zu ersetzen:
Da im Laufe der Familienzusammenführung naturgemäß verhältnismäßig viele Ausgewiesene in die schon überbelasteten Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern verbracht werden, ist insoweit ein besonderer Ausgleich vorzusehen.
Aus den Worten des Herrn Bundesministers Lukaschek habe ich entnommen, daß er für einen solchen Antrag volles Verständnis hat. Ich bitte daher, den Antrag der Bayernpartei in dieser Fassung anzunehmen. Ich beantrage also diese Änderung und überreiche den Antrag dem Herrn Präsidenten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Richter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Daß die Vorlage der beiden Anträge, denen wohl jeder in diesem Hause seine Zustimmung `geben wird, überhaupt notwendig war, zeigt, in welcher vor Humanität überfließenden Zeit wir heute eigentlich leben. Daß diejenigen — und deshalb muß dem Antrag der SPD unbedingt zugestimmt werden —, die für das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Ausweisung von Millionen Deutscher aus ihren altangestammten Ostgebieten, verantwortlich zeichnen, die letzten Reste dieser Deutschen, die man als Facharbeiter zurückhalten mußte, weil sonst gewisse Wirtschaftszweige in diesen kulturell besonders hochstehenden Gebieten des Ostens zusammengebrochen wären, heute abweisen und nicht mehr aufnehmen wollen, ist ein Zeichen für die „Aufrichtigkeit" jener Kräfte, die sonst von Humanität den Mund nicht voll genug nehmen können.
Wenn in dem Antrag der Bayernpartei mit Recht darauf hingewiesen wurde, daß die Schwierigkeiten . in gewissen Ländern immer größer werden, in den Ländern, die infolge ihrer Lage an sich schon durch Flüchtlinge, durch Ostvertriebene, überfüllt sind, dann ist es, glaube ich, höchste Zeit, daß man — und diese Bitte möchten wir der gierung dringlichst unterbreiten — zu einem geordneten Austausch der Vertriebenen kommt und daß eine wirklich geordnete Umsiedlung durchgeführt wird nach jenen Gebieten, die nicht unter einer solchen Übervölkerung leiden, damit einmal die übervölkerten Gebiete es etwas leichter haben, ihren wirtschaftlichen Aufbau durchzuführen, und damit zum andern auch gewisse Wirtschaftszweige, die in anderen Gebieten mit Hilfe von Facharbeitern leichter aufgebaut werden können, dort eine Heimstätte, eine Wirkungsmöglichkeit finden, die letzten Endes der gesamten deutschen Wirtschaft zugute kommen kann.
Aus diesem Grunde möchten auch wir beiden Anträgen unsere Zustimmung geben und um ihre Annahme bitten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krause.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte mit ihrer erfreulichen Einmütigkeit muß schließlich ein praktisches Ergebnis auslösen. Ich darf mir daher erlauben, dem Bundestag einen dementsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Zunächst aber darf ich mit Freude feststellen, daß der bisherige Verlauf der Debatte politisch die Wege geebnet hat zu der für uns alle so schwierig zu entscheidenden Frage der Notaufnahme-Verordnung. Den Herrn Kollegen Hugo Paul von der KPD darf ich bitten, seine Fürsorge für die Ostvertriebenen doch dahin zu erweitern, daß er seine politischen Beziehungen zum Kreml dazu ausnutzen möge, um sich einmal für die Rückführung der über eine Million nach Rußland verschleppten und seitdem spurlos verschwundenen Angehörigen unserer Ostvertriebenen einzusetzen.
Zu den Anträgen selbst kurz folgendes: Ich bin der Meinung, der Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Erlaß einer Rechtsverordnung zur Verteilung der neu aus Ostdeutschland und aus der Tschechoslowakei kommenden Deutschen sollte dem Ausschuß überwiesen werden, und zwar dem Ausschuß für Heimatvertriebene, vor allem, nachdem vorhin der Herr Kollege Ewers von der Deutschen Partei den von ihm verlesenen Abänderungsantrag eingebracht hat. In diesem Zusammenhang ist auch noch darauf hinzuweisen, daß die Vorwürfe Bayerns gegen die nach seiner Ansicht nicht überbelegten Länder nicht ganz zutreffen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß weiteste Bevölkerungsschichten 'des ausgebombten Industriegebiets von Nordrhein-Westfalen auf dem Lande gewohnt haben und noch heute wohnen müssen, daß also auch wir in Nordrhein-Westfalen unter ganz anderen Umständen leben mußten und leben müssen, als es zum Beispiel in dem zu weiten Teilen erhalten gebliebenen Bayern der Fall ist. Im übrigen aber wären wir dankbar, wenn man sich auch in Bayern, ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen, einmal um die ostvertriebenen Beamten und Wartegeld-Empfangsberechtigten kümmern würde, indem man endlich auch in Bayern den Beamten aus Ostdeutschland die vollen Pensionen zahlt.
- Das tue ich ja gar nicht. Ich stelle nur Tatsachen fest, auch dann, wenn sie Ihnen, meine Herren, begreiflicherweise nicht gerade angenehm sein sollten.
Der Antrag der SPD über die Aufnahme von Deutschen aus dem Gebiet jenseits der Oder-Neiße-Linie ist von so großer grundsätzlicher Bedeutung, daß ich der Meinung sein möchte, daß wir diesen Antrag, ohne ihn erst an den Ausschuß zu überweisen, heute hier sofort annehmen können, damit endlich auch einmal praktisch dabei etwas herauskommt. Ich darf aber die Bundesregierung bitten, besonderen Wert auf den Teil des Antrags auf Drucksache Nr. 727 zu legen, in dem es heißt, daß die Bundesregierung ersucht werden soll, bei den Hohen Kommissaren mit allem Nachdruck die deutsche Auffassung zu vertreten. Ich bin weiter der Meinung, daß es bezüglich Ziffer 3 im Sinne der Antragsteller und hoffentlich im Sinne des ganzen Hauses liegt, daß alle Maßnahmen zur Aufnahme dieser deutschen Menschen umfassend und schnellstens eingeleitet werden.
Abschließend darf ich sagen, daß der Antrag Drucksache Nr. 727 der Auffassung des Zentralverbandes heimatvertriebener Deutscher und damit der Spitzenorganisation der vertriebenen Deutschen entspricht, die in der Vorstandssitzung vom 18. März durch eine Entschließung schärfsten Einspruch gegen die Zurückweisung der Deutschen aus den von Polen verwalteten Gebieten erhoben hat, weil diese Zurückweisung den Grundsätzen der Menschlichkeit und des Völkerrechts widerspricht. Der Zentralverband der heimatvertriebenen Deutschen fordert in dieser Entschließung weiter — um das noch zum Schluß zu sagen —, daß die Bundesregierung alle notwendigen Schritte unternimmt, um die Aufnahme unserer Brüder und Schwestern, die aus unserer angestammten Heimat kommen in das Gebiet der Bundesrepublik, unverzüglich sicherzustellen. Von den alliierten Hohen Kommissaren erwarten wir, daß sie sich der Berechtigung dieser Forderung nicht verschließen werden.
Ich darf also zusammenfassen: Ich beantrage Überweisung des Antrags der Bayernpartei — auch schon aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen — an den Ausschuß für Heimatvertriebene.
— Das ist ja, Herr Kollege Baumgartner, nach der Geschäftsordnung erforderlich,
da ein Abänderungsantrag eingebracht worden ist. Ich habe die Geschäftsordnung ja nicht erfunden. Ich bean trage weiterhin die sofortige Annahme des Antrags der SPD ohne Ausschußüberweisung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Strauß zu seinem Abänderungsantrag.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich der Auffassung des Abgeordneten Krause, daß der Antrag Drucksache Nr. 723 erst noch einmal einem Ausschuß zu überweisen ist, nicht anschließen.
Denn anders läge der Fall, wenn es sich hier um einen Initiativgesetzentwurf handeln würde, der dann rasch in zweiter und dritter Lesung ohne Ausschußberatung durchgepeitscht werden sollte. Das geht nicht. Hier handelt es sich um eine Rechtsverordnung, die von der Regierung mit Zustimmung des Bundesrats zu erlassen ist, und für den Erlaß dieser Rechtsverordnung geben wir der Bundesregierung das Ersuchen dieses Hauses mit auf den Weg.
Es handelt sich hier um ein Ersuchen. Nach der Geschäftsordnung können wir einen Auftrag oder eine Anweisung an die Regierung, eine Rechtsverordnung zu erlassen, ja gar nicht geben. Stellen Sie sich jetzt einmal den praktischen Weg bei einem Ersuchen vor. Die Regierung macht die Rechtsverordnung. Daneben berät der Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen. Vor den Toren stehen die Hunderttausende von Menschen, die eine Regelung dieser Angelegenheit wollen. Im Innern warten die Menschen, die neue Beschlagnahmungen
fürchten, ungewiß darüber, wie diese Menschen verteilt werden. Für eine solche Ausschußüberweisung hat man in Deutschland und bei den Menschen, die draußen diese Angelegenheit geregelt wissen und zu uns herein wollen, kein Verständnis.
Wir müssen der Regierung die Wünsche des Hauses zur Ausarbeitung und zum Erlaß der Rechtsverordnung, die ja obendrein noch vom Bundesrat genehmigt werden muß, mit auf den Weg geben. Ich bin der Meinung, daß der letzte Satz des Antrags Drucksache Nr. 723 — ich glaube, es ist mit den Antragstellern schon darüber gesprochen worden; der letzte Satz könnte vielleicht zu irreführenden Folgerungen führen — eine redaktionelle Änderung erfahren muß, die den gleichen Sinn hat, aber die Praxis der Durchführung erleichtert.
Erlauben Sie, Herr Kollege Krause, noch eines zu sagen. Es ist eine Ungerechtigkeit gegenüber Bayern — Sie wissen, ich sehe die Dinge nicht engstirnig an —, wenn Sie sagen, man sollte sich in Bayern der heimatvertriebenen Beamten genau so annehmen, wie es in Nordrhein-Westfalen geschehen ist. Dabei haben Sie zwei Tatsachen übersehen: Erstens, daß aus der britischen Zone, besonders aus Nordrhein-Westfalen, sich noch einige Hunderttausend Menschen, darunter einige Tausend Beamte in Bayern befinden und auf Kosten der bayerischen Steuerzahler unterhalten werden.
Das ist eine Tatsache. Und zweitens haben Sie dabei übersehen, daß die Steuerkraft in Bayern ein Drittel der Steuerkraft in Nordrhein-Westfalen beträgt. Das ist kein Vorwurf gegen Nordrhein-Westfalen, aber Bast eine Tatsache, unter der wir genau so leiden, wie Sie darüber glücklich sein sollten. Ich wollte vorschlagen, dann in einer ähnlichen Fassung, wie sie Kollege Ewers vorgetragen hat, den Antrag vielleicht so zu fassen, daß wir da, wo es heißt „wird Zug um Zug", also statt dieses Hauptsatzes nach dem Nebensatz folgende Formulierung bringen: „so sind diese Mehrbelastungen im Rahmen des gesamten Flüchtlingsausgleichs zu berücksichtigen, der mit größter Beschleunigung durchzuführen ist."
Ich habe die Formulierung hier und kann sie Ihnen, Herr Präsident, sofort geben.
Damit wäre diese von den Kollegen Ewers und Seelos aufgezeigte natürliche Mehrbelastung wiederum im Rahmen der laufenden Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt. Eine Sonderzuweisung von jeweils 50 zu 50 Ausgewiesenen ist praktisch nicht durchführbar. Ich sehe, daß die Antragsteller damit einverstanden sind. Das schwierige Problem — ich bitte die Herren von der Bayernpartei, das richtig zu verstehen — ist in dem Falle nicht der böse Wille des Bundes oder des Bundesflüchtlingsministers, sondern die größte Gefahr für den Föderalismus ist die unföderalistische Haltung gewisser Länder. Diese Gefahr ist größer als diejenige, die vom Bund droht.
Meine Damen und Herren! Ich habe eine Frage an das Haus zu richten. Wir hatten ja bekanntlich für alle Fraktionen eine gleichmäßige Redezeit von acht Minuten festgesetzt. Der Herr Abgeordnete Clausen hat mich gebeten, die Frage an das Haus zu richten, ob er noch im
Rahmen von zwei Minuten einige Fragen an den
zuständigen Herrn Ressortminister richten dürfe.
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Clausen das Wort.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesflüchtlingsminister meinte, daß der Satz 2 des Antrages der Bayernpartei nicht durchführbar sei. Ich stelle die Frage: Was. ist unter „Familienzusammenführung" gemeint? Sind es nur die Ehegatten, oder sieht man hier eine Zusammenführung bis ins zweite und dritte Glied vor? Wir haben in Schleswig-Holstein die Erfahrung gemacht, daß eine solche Zusammenführung bis ins zweite und dritte Glied zu einer ungeheuren Belastung des Landes führt, und falls das durchgeführt wird, halte ich den zweiten Satz des Antrages der Bayernpartei für durchaus gerechtfertigt.
Es liegt der Abänderungsantrag vor, — —
- Ich darf feststellen, Herr Abgeordneter Ewers, daß Sie Ihren Antrag zugunsten des soeben von Herrn Abgeordneten Strauß eingereichten Antrages zurückziehen. Sind die Herren Antragsteller einverstanden?
Das Wort hat noch einmal der Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen.
Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen; Man kann die Frage der Familienzusammenführung nicht eng und bürokratisch gestalten, sondern man muß fragen, ob noch ein wirklicher Familienzusammenhang besteht. Man kann nicht sagen, daß der Ehemann und die Ehefrau zusammengeführt werden müssen; es können ebenso Vater und Kind, auch Großvater und Enkelkind in Betracht kommen.
Das muß man letzten Endes dem billigen Ermessen der Verwaltung überlassen,
denn man kann sich hier nicht unter ein Joch begeben, wodurch härteste Ungerechtigkeiten entstehen.
Damit sind wir am Schluß der Besprechung.
Wir kommen nunmehr zunächst zur Abstimmung über den Abänderungsantrag des Abgeordneten Strauß zu der Drucksache Nr. 723, den er eben vorgelesen hat. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Abänderungsantrag des Abgeordneten Strauß ist gegen eine kleine Minderheit angenommen.
Wer nunmehr für die Drucksache Nr. 723 in der soeben durch den angenommenen Abänderungsantrag umgestalteten Form im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 727. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 727 ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag auf Drucksache Nr. 727 ist gegen eine kleine Minderheit angenommen.
- Meine Damen und Herren, ich kann sachliche
Bemerkungen nicht durch Zwischenrufe entgegennehmen!
— Herr Abgeordneter Renner, für diese Bemerkung rufe ich Sie zur Ordnung! Es ist meine Angelegenheit, in welcher Form ich eine Abstimmung durchführen lasse.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun-
mehr zum dritten Punkt der Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Drucksachen Nr. 682 und 223) mit den Mündlichen Berichten des Haushaltsausschusses (Drucksachen Nr. 670 bis 681).
Wir haben uns vorhin im Ältestenrat über folgende Dinge Klarheit verschafft: Es ist gestern abgestimmt worden über das Haushaltsplangesetz, die Einzelpläne I, II, III und IV, und die Berichterstattung über den Einzelplan V ist erfolgt.
Die Aussprache zum Einzelplan V steht noch offen und ist noch nachzuholen.
Ich bitte alle Damen und Herren, die Drucksachen Nr. 734 und Nr. 743 zur Hand zu nehmen. — Meine Damen und Herren! Es ist heute früh im Ältestenrat einmütig darüber Übereinstimmung erzielt worden, daß wir über die Ziffern 1 , 2 und 3 der Drucksache Nr. 734 und der Drucksache Nr. 743, die sich mehr oder weniger auf alle Einzelpläne beziehen, noch insgesamt abstimmen. Wer fir die Drucksache Nr. '734 Ziffern t 2 und 3 und die gleichlautende Ziffer 1 der Drucksache Nr. 734 ist. — --
— Nr. 734 von der SPD, Nr. 743 vom Zentrum.
— Meine Damen und Herren! Wenn Einzelabstimmung gefordert ist, stimmen wir einzeln ab.
Wir haben uns heute früh im Ältestenrat darüber unterhalten.
— Schön! — Wir stimmen zunächst über die Drucksache Nr. 734 Ziffer 1 ab. Wer für die Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, ich bin nicht in der Lage, zu entscheiden, was die Mehrheit war. Infolgedessen schreiten wir zum Hammelsprung. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die für Annahme der Ziffer 1 auf Drucksache Nr. 734 sind, durch die Ja-Tür, die sie ablehnen wollen, durch die Nein-Tür, diejenigen, die sich der Stimme enthalten wollen, durch die Mitteltür den Sitzungssaal wieder zu betreten.
Ich bitte die Damen und Herren, den Saal zu verlassen, und die Schriftführer, sich zum Auszählen an ''e Türen zu begeben.
Die Türen des Saales mit Ausnahme der Abstimmungstüren sind zu schließen.
Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, mit der Zählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich erkläre die Abstimmung für beendet und bitte die Schriftführer, das Ergebnis zu ermitteln.
Das Abstimmungsergebnis ist folgendes. Für Ziffer 1 der Drucksache Nr. 734 haben gestimmt 134 Abgeordnete, .dagegen 164 bei 12 Stimmenthaltungen. Damit ist Ziffer 1 der Drucksache Nr. 734 abgelehnt. Gleichzeitig darf ich wohl die Zustimmung des Hauses dazu feststellen, daß der gleichlautende Antrag auf Drucksache Nr. 743 Ziffer 1, der bereits in Ziffer 1 der Drucksache Nr. 734 enthalten war, als abgelehnt zu betrachten ist.
Meine Damen und Herren, dann stimmen wir jetzt über die Drucksache Nr. 743 Ziffer 1 ab. Wer für diese Ziffer ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Nach dem Abstimmungsergebnis von vorhin stelle ich fest, daß der Antrag mit Mehrheit abgelehnt ist.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 734 Ziffer 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 3. Wer für Ziffer 3 der Drucksache Nr. 734 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Herr Abgeordneter Dr. Bertram, darf ich Sie um Aufklärung bitten. Sie haben in Drucksache Nr. 743 Ziffer 2 noch einen allgemeinen Antrag, der für alle Titel 24 gilt.
— Schön! Über den wird jetzt auch noch abgestimmt, weil er für alle Pläne gilt. Ich rufe also auf: wer für Ziffer 2 der Drucksache Nr. 743 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit treten wir nunmehr in die Aussprache des
Einzelplanes V — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans — ein, dessen Berichterstattung gestern in Verbindung mit Drucksache Nr. 675 und den dazu anliegenden Abänderungsanträgen erfolgte, die wir ja praktisch jetzt alle bereits erledigt haben. Ich eröffne die Aussprache. Wer wünscht das Wort zu Einzelplan V? Bitte, Herr Abgeordneter Kalbitzer.
Meine Damen und Herren! Das Marshallplanministerium hat innerhalb des Kabinetts außenpolitische Aufgaben zu erfüllen. Es hat ständig Verhandlungen mit den USA und den Teilnehmerländern der OEEC. Das sind außenpolitische Arbeiten, die ausdrücklich dem Bundeskanzler vorbehalten sind. Dadurch, daß die Außenpolitik, die nach der Regierungserklärung dem Bundeskanzler vorbehalten war, außerdem dem Marshallplanministerium übertragen ist, kommen wir zu einer Vielgleisigkeit in unserer außenpolitischen Aktivität, die dem Ergebnis nicht günstig sein kann. Wir sind der Meinung, daß alle Außenpolitik in einer Hand leitend vereinigt sein müßte. Darüber hinaus hat das ERP-Ministerium wirtschaftspolitische Aufgaben zu erfüllen. Es hat die ERP-Einfuhrpläne, die Verteilung der Gegenwertmittel in Deutschland und Außenhandelsaufgaben mit auszuführen. Alle diese Aufgaben, die dem ERP-Ministerium mit übergeben worden sind, sind andererseits erklärtermaßen Aufgaben des Wirtschaftsministeriums. Wir haben auch auf diesem Sektor des Marshallplanministeriums eine Mehrgleisigkeit zu verzeichnen, die dem Erfolg der Regierungsarbeit nicht günstig sein kann. Wir haben daraus den Eindruck, daß das ERP-Ministerium eine Verlegenheitslösung der gegenwärtigen Regierungskoalition ist.
Wir kennen entsprechende Reibereien innerhalb des
Kabinetts, und wir sind nicht gesonnen, dem augenblicklichen Kabinett aus seinen inneren Schwierigkeiten herauszuhelfen. Wir lassen uns bei unseren
Überlegungen über die Zweckmäßigkeiten des Verwaltungsaufbaus nur von sachlichen Notwendigkeiten leiten; und bei der sachlichen Beurteilung
dieses Ministeriums müssen wir feststellen, daß es
ein Zwitter ist, eben eine Verlegenheitslösung der
augenblicklichen Koalition. Deshalb beantragen
wir, den Etat des ERP-Ministeriums abzulehnen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ein Blick auf die Ministerbank zeigt uns, daß der zuständige Herr Minister nicht vertreten ist. Ich glaube, es ist schon das höchste Maß an Nichtachtung, was man dem Hause gegenüber zum Ausdruck bringen kann, wenn der zuständige Minister bei der Beratung seines Haushaltsplans nicht zugegen ist. Ich beantrage daher erstens, den Herrn Minister herbeirufen zu lassen, und zweitens, die Beratung so lange auszusetzen, bis der Herr Minister im Hause erschienen ist.
Meine Damen und Herren! Der eben von Herrn Abgeordneten Mellies gestellte Antrag bedarf der Unterstützung von 30 Mitgliedern. Darf ich fragen, ob diese 30 Mitglieder vorhanden sind?
— Ja! Es ist nunmehr die Entscheidung des Bundestages darüber herbeizuführen.
— Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Der zuständige Minister ist in einer Sitzung der Ruhrbchörde in Düsseldorf. Ich habe selbstverständlich nichts dagegen, daß wir die Dinge so lange vertagen, nur mache ich darauf aufmerksam, daß die Verabschiedung des Einzelplans V dann heute voraussichtlich nicht erledigt werden kann.
Meine Damen und Herren! Durch die Erklärung, die wir soeben gehört haben, ist wohl eine gewisse Änderung der Situation eingetreten,
ohne daß ich damit dem Antragsteller entgegentreten will; das liegt mir völlig fern. Der Herr Antragsteller hat selbst in zweiter Linie beantragt, daß dann eine Vertagung eintreten soll, bis der zuständige Herr Ressortminister da ist. Ich habe doch Ihren Antrag so richtig verstanden?
— Bitte, Herr Abgeordneter Mellies! 0
Meine Damen und Herren! Durch die Erklärung wird der erste Teil meines Antrags nicht aufgehoben. Ich glaube, der Herr Minister sollte sich darüber klar sein, die Anwesenheit hier im Hause bei seiner Haushaltsplanberatung ist wichtiger als seine Anwesenheit bei der Ruhrbehörde,
weil er drüben einen Vertreter hat. Aber hier bei der Haushaltsplanberatung müßte er zugegen sein. Ich bedaure außerordentlich, daß, wenn die Tatsache bekannt war, man dann nicht so viel Respekt vor dem Hause gehabt hat, daß das mitgeteilt wurde.
Ich lasse nunmehr über
den ersten Teil des Antrags des Herrn Abgeordneten Mellies abstimmen, den zuständigen Ressortminister zu Einzelplan V herbeizuholen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Minderheit.
Zweitens darf ich nunmehr über den zweiten Teil Ihres Antrags abstimmen, die Beratung des Haushaltsplans V so lange auszusetzen, bis der zuständige Ressortminister anwesend ist. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Das ist die Mehrheit. Damit ist die Beratung des Einzelplans V vorläufig ausgesetzt.
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu
Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministerium des Innern .
Ich erteile Herrn Abgeordneten Erler das Wort als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan VI des Bundesministeriums des Innern war einer derjenigen Pläne, die den Haushaltsausschuß am längsten beschäftigt haben, weil wir an ihm eine ganze Reihe von grundsätzlichen Fragen geklärt haben, die nachher bei den anderen Ministerien der Marschrichtung des Ausschusses bei seinen Arbeiten zugrunde gelegt wurden. Ich darf Sie bitten. zunächst einmal das Vorwort auf Seite 2 der Vorlage Drucksache Nr. 676 zur Hand zu nehmen. Dort finden Sie die Abschlußzahlen des Ministeriums und den Zuschußbedarf. Das Ministerium rechnet insgesamt mit Einnahmen von 100n DM denen Ausgaben von 2 269 400 DM gegenüberstehen. Der Personalbestand von 219 Köpfen gliedert sich in 122 Beamte und 97 Angestellte und Arbeiter; davon sind 33 Arbeiter.
Fs wird Sie vielleicht wundern. in der Übersicht Tiber die Einsparungen und die Mehrausgaben. die die Beratungen des Haushaltsplans im Ausschuß ergeben haben, festzustellen, daß der Zuschußbedarf jetzt nach den Beratungen des Haushaltsausschusses anscheinend größer als vorher geworden ist. Das ist eine optische Täuschung. Wir haben nämlich bei diesem Ministerium zum ersten Male damit begonnen und es dann nachher bei allen anderen Ministerien auch angewendet, im Interesse einer Vergleichbarkeit mit dem nächsten Jalire den Personalbedarf nach der Zahl der bewilligten Stellen zu bemessen, ohne Rücksicht darauf, ob diese Stellen im einzelnen jetzt schon besetzt sind oder ob alle in dem vergangenen Halbjahr besetzt waren. Allein auf Grund dieses Unterschiedes ergab sich bei den Beamten und Angestellten eine Summe von 238 9000 PM die ursprünglich im alten Haushaltsplan als Ersparnisse abgesetzt waren die aber keine echten Ersparnisse sind: denn Sie müssen die bewilligten Stellen zugrunde legen. die der Minister ia auch besetzt, und im nächsten Jahr ist das die Grundlage für die Beratungen des neuen Haushaltsplanes. Wir würden keine vergleichbaren Grundlagen für unsere nächsten Beratungen haben, wenn wir an Stelle der genehmigten Stellen von den nur tatsächlich in Anspruch genommenen Positionen ausgingen.
Dann darf ich Sie noch darauf hinweisen, daß, wie auch bei vielen anderen Ministerien eine ganze Reihe von Aufgaben zweifellos zeitbedingt sind. Der Haushaltsausschuß hat Wert darauf gelegt, daß durch klare Zusätze im Organisations- und Stellenplan und auch entsprechend bei den Positionen I, 1 der Ausgaben des Haushalts erkennbar gemacht wurde, daß die Stellen für solche vorübergehenden Aufgaben künftig wegfallen, um damit von Anfang an zu bekunden, daß bei jeder Haushaltsplanberatung immer wieder darauf zu achten ist, ob diese Aufgabe künftig noch bewältigt werden muß oder nicht, damit wir es hier bei den künftigen Beratungen leichter haben, beizeiten auf einen Abbau derartiger not- und zeitbedingter Aufgabenkreise hinzuwirken.
Es ist im Ausschuß eine Frage angeschnitten worden, die ich Ihnen hier gleichfalls mitbeantworten kann. Ein Mitglied des Ausschusses wies darauf hin, daß im Jahre 1929 das damalige Reichsministerium des Innern weniger höhere Beamte gehabt hätte als das jetzige Bundesministerium des Innern für einen wesentlich kleineren Hoheitsbereich. Daraufhin konnte uns über den Personalbestand des Ministeriums des Innern aus dem Krisenjahr 1931 die Auskunft gegeben werden,
nach der wir festgestellt haben, daß damals das gesamte Ministerium 305 Köpfe zählte, denen jetzt nur 219 Köpfe gegenüberstehen; und das doch unbestreitbar in einer Zeit, in der es jetzt wesentlich mehr an gesetzgeberischer Arbeit als selbst im Jahre 1931 zu lösen gibt. Bei der Durcharbeitung des Organisationsplanes des Ministeriums werden Sie auf eine ganze Reihe derartiger Fragen stoßen, auf die wir jetzt noch kurz eingehen müssen. Immerhin gab die Debatte über diesen Punkt Veranlassung zu einem Beschluß des Ausschusses, dem sich die Regierungsvertreter anschlossen und der dahin ging, daß Neueinstellungen nur im Rahmen des zur Zeit unbedingt Erforderlichen zugesagt wurden, bis die Haushaltsplanberatungen im Bundestag endgültig mit der Annahme des Haushaltsplans abgeschlossen sind, um zu vermeiden, daß das Haus auch nur in einem einzigen Punke etwa vor vollendete Tatsachen gestellt werden könnte.
Es wird Sie im Zusammenhang mit dem gesamten Personalbestand noch interessieren, daß nach den Schlangenbader Empfehlungen des Organisationsbüros der Ministerpräsidenten-Konferenz -und die Empfehlungen sind anerkanntermaßen sehr sparsam gehalten — für das gesamte Ministerium ein Bestand von 220 Beamten und Angestellten vorgesehen war — dazu kämen also noch die Arbeiter —, während es jetzt 219 Kräfte einschließlich der 33 Arbeiter sind, woraus also wohl entnommen werden darf, daß sich der Organisations- und Stellenplan sowie auch der sonstige Aufwand des Ministeriums nach der Meinung des Haushaltsausschusses in durchaus vertretbaren Grenzen hält.
Die Vorschläge des Bundesrats sind bei den Beratungen des Haushaltsausschusses zu einem Teil berücksichtigt worden. Ganz war das nicht möglich, weil es eine Reihe von Aufgaben gibt, bei denen sich der Haushaltsausschuß zu einer so weitgehenden Beschränkung der Aufgaben des Ministeriums, wie sie der Bundesrat vorgesehen hat, nicht bereit finden konnte. So hat sich, um nur ein einziges Beispiel für viele andere zu erwähnen, der Haushaltsausschuß nicht dazu bereit finden können, die Leitung der sehr wichtigen Abteilung Gesundheitswesen nur einem Ministerialdirigenten zu übertragen, sondern er hat in vollem Bewußtsein dessen, was er tat, darauf beharrt, daß diese für die gesamte Gesundheitspolitik des Bundes sehr entscheidende Stelle von einem Mann wahrgenommen wird, der dann auch in seiner Kapaziat entsprechend herausgehoben werden und die Stellung eines Ministerialdirektors einnehmen muß.
Nun will ich Ihnen einen Überblick über die Organisation des Ministeriums geben. Sie haben ja selbst den Organisations- und Stellenplan bei der Hand. Es wird trotzdem gut sein, daß wir uns einen Überblick über die Aufgaben verschaffen, die das Innenministerium als das Organisationsministerium der gesamten Bundesregierung wahrzunehmen hat.
Um Klarheit zu schaffen: einen eigenen Verwaltungsunterbau besitzt das Innenministerium nicht. Es ist wieder wie in der Weimarer Republik eine Dame ohne Unterleib, wie man damals scherzhaferweise sagte. An der Spiteze steht der Minister. Hier wurde im Haushaltsausschuß die allgemeine Frage entschieden, ob die persönlichen Referenten des Ministers Regierungsdirektoren oder Oberregierungsräte sein sollten. Der Haushaltsausschuß hat sich für den Oberregierungsrat entschieden,
und Sie finden daher nun bei. allen Plänen diese Stelle nur in dieser Position besetzt. Dem Minister zur Seite steht der Staatssekretär. Dann folgt die Zentralabteilung, die mit 4 echten Referaten und einm Referat, das in Wahrheit von einem anderen Beamten wahrgenommen ist, besetzt ist und die üblichen internen Angelegenheiten des Ministeriums, also das eigene Personal-, Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, Registratur-, Kanzlei- und technischen Dienst, Information von Presse und Rundfunk und dergleichen bearbeitet, wobei für Information und Presse kein besonderer Referent vorgesehen ist, sondern diese Aufgabe von einem ,anderen Sachbearbeiter wahrgenommen wird. Auch das Ministerialblatt der inneren Verwaltung wird in der Zentralabteilung herausgegeben, der gleichfalls die Bücherei untersteht.
Dann kommt die große Hauptabteilung I: Verfassung, Verwaltung und öffentliche Sicherheit, die unter der Leitung eines Ministerialdirektors steht. Sie gliedert sich in Unterabteilungen. Die erste Unterabteilung Verfassung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in 6 Referate gegliedert. Bei dieser Abteilung haben wir im Haushaltsausschuß eine Kontroverse miterleben und mitentscheiden müssen, die schon in verschiedenen anderen Ausschüssen des Bundestages eine Rolle gespielt hat, und zwar die: Welches Ministerium ist eigentlich das erfassungsministerium? Verfassungsministerium nicht im Sinne der Gerichtsbarkeit — das ist selbstverständlich Sache des Verfassungsgerichtshofes —, sondern in dem Sinne: Welches Ministerium hat die praktische, konkrete Gestaltung der Verfassungswirklichkeit in unserm Lande in der Hand? Es herrschte sowohl im Ausschuß für den Haushalt wie auch im Ausschuß für die innere Verwaltung Einmütigkeit darüber, daß diese Aufgabetnach Herkommen und Zweckmäßigkeit beim Innenministerium zu verbleiben habe, und daher finden Sie auch hier unter dem Referat I A 1 das Generalreferat für Verfassungsangelegenheiten, die Grundrechte, den Bundestag usw., für all die Dinge des Verfassungsrechtes, auch das Verhältnis von Bund und Ländern, weil das ja weitgehend eine Frage der Behördenorganisation ist, die gleichzeitig zusammen mit den rechtlichen Fragen zu behandeln ist.
Ich darf Ihre Aufmerksamkeit noch auf das Referat I A 6 lenken. Es wird insbesondere die Damen im Hause interessieren, daß dieses die Rechtsstellung der Frau in Gesetzgebung und Verwaltung und die Wahrung der besonderen Belange der Frau in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zur Aufgabe hat. Hier ist der Haushaltsausschuß von seiner üblichen Linie abgewichen. Er hat der Verwaltung im allgemeinen nie mehr aufgezwungen, als sie selber haben wollte; aber in diesem Punkte waren wir der Meinung, daß wir, verglichen mit andëren Referaten, nicht gut zu einer Unterbewertung dieses Referates kommen dürften. Wir haben verlangt, und die Regierung hat dies dann selbstverständlich auch konzediert, daß dieses Referat mit einer Ministerialrätin und nicht wie vorgesehen mit einem weiblichen Regierungsdirektor zu besetzen ist.
Damit komme ich zur Unterabteilung I B: Verwaltung und öffentliche Sicherheit. Hier handelt es sich um insgesamt 8 Referate, von denen sich 3 mit den Fragen der öffentlichen Sicherheit befassen. In diesem Zusammenhang hat es eine kleine Aussprache über das Referat I B 3 gegeben, bezüglich dessen Sie auf Seite 4 des Materials über den Organisations- und Stellenplan entnehmen kön- nen, daß die Raumordnung dort hineingehört. Wir haben uns überlegt, ob hier — das ist ja eine der Grundfragen bei jeder Haushaltsberatung — nicht Überschneidungen mit einem anderen Ministerium, in diesem Falle mit dem Wohnungsbauministerium, vorliegen. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß es sich hier beim Innenministerium um die Aufgaben der Gesetzgebung auf diesem Gebiet. handelt, und zwar der Gesetzgebung nach Artikel 74 des Grundgesetzes, während beim Wohnungsbauministerium die technischen bzw. praktischen Fragen der Raumordnung zu behandeln sind. Das ist zweierlei. Federführend für die Aufgaben der Gesetzgebung muß und wird voraussichtlich das Innenministerium bleiben.
Besonders gefreut hat es uns, daß, wenn auch vielleicht etwas über den Wortlaut des Grundgesetzes hinaus, die Regierung sich entschlossen hat, Kommunalreferate einzurichten. Es hat im Haushaltsausschuß lediglich eine Unterhaltung darüber gegeben, ob man die 2 vorgesehenen Referate bei gleicher Kopfzahl der Besetzung in eines zusammenfassen solle, um ihre Schlagkraft zu erhöhen. Es blieb aber dann doch bei den zwei Referaten, und zwar dem Referat I B 4: Allgemeine Kommunalangelegenheiten, Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und Vertretung der kommunalen Belange gegenüber den Fachressorts, und gesondert davon dem Referat I B 5: Kommunalfinanzangelegenheiten und Mirtwirkung beim Finanzausgleich. Warum hat uns das gefreut? Natürlich sind die Kommunalangelegenheiten Sache der Länder; aber der Haushaltsausschuß war der Meinung, daß es notwendig ist, auch vom Bund her besonders den Fragen der Gemeindefinanzen, die möglicherweise von den Länderfinanzministern stiefmütterlich behandelt werden, große Aufmerksamkeit zu widmen, und daß es darüber hinaus im ganzen Bundesgebiet Fragen gleichartiger kommunaler Interessen gibt, denen ein Referent auf den verschiedensten Gebieten der gesetzgeberischen und praktischen Arbeit des Bundes den nötigen Nachdruck verleihen muß. Wir haben ja auch die kommunalen Spitzenverbände auf dem gesamten Bundesgebiet und nicht nur in den einzelnen Ländern. Sie brauchen einen Gesprächspartner, um ihre Belange auf der Bundesebene wirksam wahren zu können.
Ich darf Sie dann auf das Referat I B 8 — Verfassungsschutz — aufmerksam machen. Hier ist die Notwendigkeit der-Bundesoberbehörde für den Verfassungsschutz eingehend erörtert worden, die ja nicht mit diesem Referat identisch ist; aber dieses Referat hat die Aufsicht über die noch nicht bestehende aber zu schaffende Bundesoberbehörde. Det Ausschuß drückte den Wunsch aus, daß die Behörde möglichst bald ihre praktische Arbeit aufnehmen kann.
Die Abteilung II — Beamtenwesen — steht unter der Leitung eines Ministerialdirigenten und gliedert sich in sechs Referate. Gestatten Sie mir nur einen kurzen Streifzug durch ihre Aufgaben: das gesamte Beamtenrecht, die Versorgung, soweit nicht das Finanzministerium aus Gründen der Finanzen federführend ist, die sehr schwierige Gesetzgebung nach Artikel 131 des Grundgesetzes bezüglich all der Beamten, die sich augenblicklich nicht im Dienst befinden, der Versorgung der Flüchtlinge und dergleichen mehr, die Frage der Beamtenbesoldung, die Frage der Betriebsräte, die Frage der Wiedergut-
machung an den durch die Nationalsozialisten aus dem Amt entfernten Beamten. Sie sehen, es ist ein recht umfangreiches Arbeitsgebiet.
Ich komme nun zu einer Abteilung, die im Haushaltsausschuß eine Aussprache in erster Linie mit den Vertretern der Bayernpartei auslöste; das ist die Hauptabteilung III — Kulturelle Angelegenheiten des Bundes —. Es wurde darauf hingewiesen, daß es auch im Gebiete des Bundes eine Reihe von Fragen gibt, denen sich der Bund nicht entziehen darf, selbst wenn die Länder die Fragen der Kulturpolitik nach dem Grundgesetz selber zu entscheiden haben. Bei der Durcharbeitung des Planes werden Sie entdecken, daß die Förderung der Wissenschaft und die Unterrichtung über die Angelegenheiten des Hochschul- und Studentenwesens z. B. in einem solchen Referat vereinigt sind. Es gibt eine ganze Reihe von Instituten, die praktisch dem Bund gehören. Diese können nicht von den Ländern betreut werden. Es handelt sich um Bundesvermögen. Dann aber soll der Bund doch nicht bloß als Konkursverwalter auftreten, sondern muß sich auf diesem Gebiet auch als Kulturförderer betätigen.
Auch auf dem Gebiet des Schulwesens wird es, selbst wenn die Länder die Gesetzgebung haben, nicht ohne eine gewisse Koordinierung der Ländermeinungen abgehen, weil wir nicht ewig bei dem Zustand bleiben können, daß man beim Umzug einer Familie von einem Ende des Bundesgebiets ins andere für die Kinder keinen Schulanschluß mehr findet, und zwar infolge der völligen Verschiedenheiten des Schulsystems der einzelnen Länder. Hier braucht man besonders qualifizierte Referenten, weil sie nicht entscheiden können. Es ist leichter, zu befehlen als zu überzeugen. Daher hat sich der Haushaltsausschuß durchgängig damit einverstanden erklärt, daß auch in dem Stellenplan die Referenten entsprechend qualifiziert aufgenommen worden sind.
Ich darf noch auf das Referat III 3 aufmerksam machen über die Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden, soweit der Bund zuständig ist, und die Wahrung der besonderen Belange des Judentums in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Dieses Referat wird zwar nur ehrenamtlich versehen;, aber der Haushaltsausschuß hat die Stelle dennoch ausgebracht, um zu bekunden, daß es ein vollwertiges Referat ist, nur mit dem Vermerk, daß die Stelle ehrenamtlich besetzt ist, uns also praktisch nichts kostet.
Das Referat IV — Gesundheitswesen — unter der Leitung eines Ministerialdirektors, wie ich vorhin schon ausführte, und mit sieben Referaten besetzt, gab Anlaß zu einer Reihe von Aussprachen über die Abgrenzung der Abteilung Veterinärwesen mit dem Landwirtschaftsministerium. Nach längerem Hin und Her einigte man sich darauf, den zwischen den beiden Ministerien unmittelbar zustande gekommenen Kompromiß gutzuheißen, wonach die Überwachung von Lebensmitteln tierischer Herkunft sowie das tierärztliche Prüfungswesen und die Zulassung zu tierärztlichen Heilberufen beim Innenministerium verbleiben, im übrigen die Fragen des Veterinärwesens beim Landwirtschaftsministerium bearbeitet werden. Das Referat wurde, nachdem es ursprünglich gestrichen war, in dieser Fassung wiederhergestellt. Es wurde auch anerkannt, daß die Abteilung Gesundheitswesen eines qualifizierten 'Justitiars für die Erledigung ihrer Arbeiten bedarf.
Die Abteilung V — Öffentliche Fürsorge und Leibesübungen — steht unter der Leitung eines Ministerialdirigenten und umfaßt vier Referate. Ich darf
Sie darauf aufmerksam machen, daß es viel Geld kosten wird, wenn wir dieses Referat schlecht besetzen; denn allein die Kriegsfolgelasten des Bundes werden jährlich rund 2 Milliarden DM betragen, die in ihrer gesetzgeberischen Konsequenz an dieser Stelle der Verwaltung bearbeit werden.
Das Referat V 4 — Wahrung gesamtdeutscher Interessen auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen —, für das keine Stelle ausgebracht worden ist, sondern das nur als Referat vorhanden ist, erregte eine Aussprache im Hinblick auf die zur Zeit vorhandene ehrenamtliche Besetzung mit Herrn Dr. Diem. Im Ausschuß wurden Bedenken vorgebracht, ob die Besetzung dieses Referats gerade
mit Herrn Dr. Diem von einer besonders glücklichen Hand des Herrn Ministers in der Personalpolitik zeuge.
Ich darf Ihnen noch sagen, daß für die 219 Stellen des Innenministeriums insgesamt 20 000 Bewerbungen eingegangen sind. Es war sicher nicht einfach, aus diesen Bewerbungen die geeignetsten Bewerber herauszufinden. Am 16. Januar waren von den 219 Stellen 147 besetzt. Der Haushaltsausschuß hat mich ausdrücklich beauftragt, dem Hause davon Mitteilung zu machen, daß 40 % aller Stellen des Ministeriums mit Flüchtlingen, mit Heimatvertriebenen besetzt sind. Von den 42 Beamten des höheren Dienstes sind 14 Heimatvertriebene, von den 32 Beamten des mittleren Dienstes 21, von den 49 Angestellten 22 und von den 24 Arbeitern erklärlicherweise nur 6, weil die Arbeiter größtenteils aus den ansässigen Bonner Einwohnern entnommen wurden.
Nun darf ich Sie noch bitten, die Anlage zur Drucksache 676 zur Hand zu nehmen und Seite 11 aufzuschlagen. Unter Titel 7 sind für Trennungsentschädigungen 190 000 DM eingesetzt. Der urursprüngliche Betrag belief sich auf 200 000 DM. Der Betrag ist verhältnismäßig hoch; er konnte dadurch auf 190 000 DM herabgesetzt werden, daß wir uns hier überzeugt haben, der voraussichtliche Bedarf werde nur in dieser Höhe liegen. Trotz allem sehen Sie hier, um welche nicht unerheblichen Aufwendungen wir nicht herumkommen, bis die Beamten und Angestellten in Bonn untergebracht sind. Es wird daher eine Aufgabe der Bundesregierung sein, dafür zu sorgen, daß möglichst bald alle Familien hierherkommen.
Auf Seite 13 darf ich Sie noch auf die Position 11 — Geschäftsbedürfnisse — aufmerksam machen. Wir haben hier 20 000 DM ansetzen müssen, weil sich herausgestellt hat, daß die ursprünglich vorgesehenen 12 000 DM mit Abstand nicht ausreichen. Der Bedarf an Schreib- und Zeichenmaterialien, an Druck- und Buchbinderarbeiten und ähnlichem ist wesentlich höher, als ursprünglich vorgesehen war.
Umgekehrt war es möglich, bei Position 14 6 000 DM an Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren abzusetzen. Wir haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, um der Behörde von Anfang an ein gewisses Limit zu geben, damit sie weiß, daß wir es nicht gern sehen, wenn mehr telegraphiert und telefoniert wird, als unbedingt nötig ist.
Auf Seite 15 haben sich Veränderungen ergeben zum Beispiel bei Position 18. Dort hat das Ministerium eine Erhöhung der Beträge für Dienstkraftwagen und Krafträder beantragt. Dieser Erhöhung hat der Haushaltsausschuß nicht zugestimmt.
Die Reisekosten unter Tit. 19 sind vom Haushaltsausschuß von 30 000 DM auf 15 000 DM herabgesetzt worden. Wir bitten, dieser Herabsetzung zuzustimmen.
Gleichfalls haben wir die Kosten für Sachverständige von 25 000 DM auf 10 000 DM herabgesetzt, weil wir der Meinung waren, daß auch mit diesem Posten die noch anfallenden Arbeiten bewältigt werden können.
Zu Tit. 23, vermischte Ausgaben, darf ich Sie noch darauf aufmerksam machen, daß der Zuschuß an die Gemeinschaftsküche ebenfalls um 10 000 DM gekürzt werden konnte, ohne den Bedürfnissen der Gefolgschaft wehezutun. E, stellte sich heraus, daß der tatsächliche Aufwand für diese Einrichtung nicht höher liegen wird als 14 200 DM an Stelle der ursprünglich vorgesehenen 24 200 DM.
Dann kommen noch einige größere Beträge, die eine lebhaftere Aussprache herbeigeführt haben. und zwar zunächst auf Seite 17 Tit. 31: Zuschüsse zur Förderung von Bestrebungen von gesamtdeutscher oder internationaler Bedeutung auf dem Gebiete der kulturellen Angelegenheiten, des Gesundheitswesens, der Fürsorge, de
Jugendwohlfahrt und der Leibesübungen. Der hier vorgesehene Betrag von 300 000 DM ist unter der Voraussetzung in den Plan eingestellt worden, daß es sich wirklich nur um Förderung von Bestrebungen von gesamtdeutscher oder internationaler Bedeutung handelt, weil nicht gewünscht wird, daß der Bund sich hier in Institute oder Bestrebungen hineinmengt, die eindeutig Sache der Länder sind. Es muß sich also auch der Sache nach um eine Aufgabe des
Bundes handeln. Außerdem hat der Ausschuß hier unmißverständlich zu erkennen gegeben daß er es wünscht, bei der Haushaltsplanberatung für das Jahr 1950/51 eine sehr genau detaillierte Aufstellung darüber zu bekommen, welche Zuschüsse im einzelnen aus diesem Fonds geleistet werden. Zu dieser Beratung war das bisher noch nicht in aller Genauigkeit zu erfahren.
Tit. 32, Zuschüsse für Verwaltungsbehörden und Einrichtungen, die auf Grund des Artikels Nr. 130 des Grundgesetzes dem Bundesministerium des Innern unterstellt werden, in Höhe von 100 000 DM, passierte auch den Ausschuß, nachdem sich der Ausschuß davon überzeugt hat, daß es eine ganze Reihe solcher Institute gibt, die auf die Hilfe des Bundes angewiesen sind, zum Beispiel das Institut für Erdvermessung, das Institut zur Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in München und einige andere Institute, die der Aufgabenstellung nach nicht mehr Ländersache sind und daher auch der Hilfe vom Bund bedürfen.
Für Zwecke des Verfassungsschutzes hat der Haushaltsausschuß ebenfalls ein zweites Mal seine ursprüngliche Linie verlassen und den ersten Ansatz aus eigener Initiative von 50 000 DM auf 100 000 DM erhöht. Die Gründe brauche ich hier dem Hause nicht näher vorzutragen. Ich glaube, daß die Mehrheit des Ausschusses und die Mehrheit des Hauses der Auffassung sind, daß es hier erforderlich ist, einen Betrag auszuwerfen, der es gestattet, die Bundesoberbehörde so schnell wie nur irgend möglich aktionsfähig zu machen, und das war mit der ursprünglichen Verfügungssumme nicht möglich. Dieser Betrag ist deswegen in der Form einer Verfügungssumme ausgeworfen worden, weil die Behörde noch nicht da ist, sondern erst eingerichtet werden muß. Im nächsten Haushaltsplan werden Sie eine solche Verfügungssumme nicht mehr finden. An ihre Stelle wird dann ein ordentlicher Stellenplan der gesamten Behörde treten, sofern sie dann, hoffentlich, eingerichtet ist.
Nun komme ich zu den letzten Bemerkungen. Ich bitte, Seite 19 aufzuschlagen. Da finden Sie unter „Einmalige Ausgaben" den Tit. 3, erste Einrichtung der Bücherei. Auch hier hat sich der Ausschuß zu einer Erhöhung des Betrages, und zwar auf 30 000 DM veranlaßt gesehen, weil wir genau wissen, daß es außerordentlich schwierig ist, anständige, brauchbare juristische und Verwaltungs-Handbüchereien zusammenzubekommen. Es war dem Ministerium möglich, hier einige Erwerbungen zu machen, die aus Zweckmäßigkeitsgründen unbedingt auch gemacht werden mußten.
Tit. 4, Einbau der Fernsprechanlage, löste eine Debatte aus; wir waren der Meinung, daß bei verschiedenen anderen Ministerien für den gleichen Zweck vielleicht gleichfalls Beträge veranschlagt waren. Die Meinung stellte sich als richtig heraus. Ich darf Sie also davon unterrichten, daß diese 200 000 DM hier für den Einbau der Anlage in der ganzen Kaserne gedacht sind, also nicht nur für das Innenministerium, sondern gleichzeitig auch für die anderen dort mit untergebrachten Ministerien, also das der Justiz und das für Heimatvertriebene. Der Haushaltausschuß hat daher die dort ausgebrachten Summen von je 30 000 DM gestrichen. Das macht dann bei den betreffenden Ministerien selber eine Ersparnis von 60 000 DM, für die wir hier dann jetzt den Betrag in der ursprünglichen Höhe haben stehen lassen können.
Bei den Kraftwagen — das darf ich Ihnen noch sagen. — ist es selbstverständlich — Sie finden die Dinge auf Seite 20 —, daß der Ausschuß der Regierung den Wunsch mit auf den Weg gegeben hat, bei künftigen Fahrzeuganschaffungen — es handelt sich insgesamt um sechs Fahrzeuge, hier war nichts mehr zu ändern, diese Fahrzeuge sind von der Beschaffungsstelle übernommen worden — weniger auf gebrauchte Wagen als auf neue Wagen zurückzugreifen, weil es im Endergebnis billiger ist, und zweitens auch darauf zu achten, daß die Zahl der Typen beschränkt wird, weil damit die gesamte Kraftfahrzeughaltung sich wesentlich verbilligt.
Damit kann ich meinen Bericht schließen. Der Haushaltausschuß bittet Sie, nun der eingebrachten Vorlage in dieser Form zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Maier.
Meine Damen und Herren! Als am 8. November des vorigen Jahres der Staatssekretär Ritter von Lex dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über einen vorläufigen Organisationsplan des Bundesministeriums des Innern berichtete, war unser Eindruck der, daß der Stellenplan im Verhältnis zu den Aufgaben des Ministeriums als übersetzt anzusehen ist. Zwar hat, wie der Herr Berichterstatter schon erwähnte, der Organisationsausschuß der Ministerpräsidenten für das Bundes-
ministerium des Innern je nach den ihm zukommenden Aufgabenbereichen eine Personenstärke von mindestens 150 und höchstens 290 Köpfen empfohlen, doch waren solche Zahlen, die bei ihrer Veröffentlichung stärkster Kritik ausgesetzt waren, für den Neuaufbau des Bundesinnenministeriums keinesfalls bindend. Es war namentlich die große Zahl der Beamten im höheren Dienste zu beanstanden, die in manchen Fällen auf eine Doppelgleisigkeit bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben zurückgeht. So war beispielsweise das Personalreferat Z 1 zu streichen und seine Aufgaben dem Leiter der Abteilung 2, Beamtenwesen, oder einem der dort beschäftigten Referenten zu übertragen. Das Referat I A 2, das die Bundesgebiets- und Ländergliederung zu bearbeiten hat, könnte unter Einsparung der dafür vorgesehenen Kräfte in das Referat B 2 übernommen werden, da es sich bei beiden Referaten um identische Aufgaben handelt. Das Referat 2 hat die Verwaltungsorganisation in Bund und Ländern zu behandeln. Die Referate I A 3 — Rechtsstellung der Parteien, Wählbarkeit — und I A 4 — Staatsangehörigkeit — sollte man zusammenlegen, wobei dem Ministerialrat eine Hilfsarbeiterstelle zu bewilligen wäre. Dieses Referat wird nur in der ersten Zeit mehr als üblich zu tun haben, sobald aber die im Grundgesetz vorgesehenen Gesetze erlassen sind, dürfte seine Tätigkeit nicht mehr sehr groß sein. Auch die beiden Referate I B 1 und I B 3 dürften zusammengefaßt werden können. B 4 ist kein volles Referat und könnte vom Abteilungsleiter mit übernommen werden.
Besonders übersetzt erscheint uns die Beamtenabteilung II mit 11 höheren Beamten. Das Innenministerium des größten der 11 Länder, das Nordrhein-Westfalens, hat für einen viel größeren Aufgabenbereich, bei der Betreuung eines weit größeren Unterbaues außer dem Leiter nur zwei Ministerialräte und weitere 4 höhere Beamte, kommt also mit der Hälfte der Beamten aus. Das Referat II/3 umfaßt im wesentlichen eine Aufgabe aus Artikel 131 des Grundgesetzes. Es könnte deshalb einem anderen Referat angegliedert werden. Desgleichen ließen sich Einsparungen durch Zusammenlegung der Referate II/4 und II/5 erzielen. Nach Erlaß eines neuen Dienststrafrechts und dem Aufbau eines Dienststrafgerichts sind die Aufgaben des Referats II/6 erschöpft, so daß es vom Leiter der Abteilung wahrgenommen werden könnte.
Begrüßt wurden von meiner Fraktion die beiden Kommunalreferate I B 4 und I B 5. Diesen Referaten wird bei der Gestaltung des zu erwartenden Finanzausgleichs des Bundes besondere Bedeutung zukommen. Um eine stärkere Autonomie der kommunalen Selbstverwaltung zu erreichen, geben wir dem Herrn Bundesminister des Innern zu erwägen anheim, den Ländern beim Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in Form von Auflagen die Abführung gewisser Mindestprozentsätze an die Gemeinden zur Pflicht zu machen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers vom 22. Februar vor dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. In Ihrem Bestreben, den Gemeinden eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen, werden Sie, Herr Bundesinnenminister, unsere Unterstützung finden.
Mit besonderem Beifall wird von meiner Fraktion die Errichtung des Referates I A 5 über die Rechtsstellung der Frau in Gesetzgebung und Verwaltung und die Wahrung der besonderen Belange der Frau in allen Bereichen des öffentlichen Lebens begrüßt. Wir freuen uns darüber, daß es im Haushaltsausschuß gelungen ist, die Bedeutung dieses Referats dadurch zu unterstreichen, daß man die Referentenstelle von einer vorgesehenen A 1 b-Stelle nach A 1 a gehoben hat.
Desgleichen haben wir die Erklärung des Herrn Ministers, der Gleichberechtigung der Frau dadurch sichtbaren Ausdruck zu verleihen, daß er auch in anderen Referaten, besonders auf dem Gebiete des Wohlfahrts- und Gesundheitswesens weibliche Beamte einsetzen wird, mit Befriedigung zur Kenntnis genommen.
Bejaht wird seitens meiner Fraktion auch die Errichtung der Abteilung III für kulturelle Angelegenheiten des Bundes mit den beiden Schulreferaten, die, wenngleich sie informatorischen Charakter haben, doch auch Ordnungsfunktionen ausüben können. Auch das Referat 4, das die besondere Aufgabe hat, die Abwanderung deutscher Kulturschätze in das Ausland zu verhindern, findet unsere Billigung.
Die Absicht der Bundesregierung, für die Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden und die Wahrung der besonderen Belange des Judentums in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ein besonderes Referat III/3 vorzusehen, hat bei den Interessenvertretungen der heute in Deutschland lebenden Juden keinen Anklang gefunden. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang aus der C „Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung" die Erklärung vorlesen, die dort von dem Zentralkomitee der britischen Zone, dem Koordinierungsausschuß und der Jüdischen Interessengemeinschaft Stuttgart abgegeben wurde. Das Blatt schreibt, man habe inzwischen einen Überblick über die Zusammensetzung des hohen und höchsten Beamtenapparats der Bundesregierung bekommen und in fast allen Ministerien an verantwortlicher Stelle Beamte gefunden, „deren politische Vergangenheit uns zumindest keine Veranlassung gibt, sie auch nur als Verhandlungspartner zu betrachten".
Unter diesen Beamten seien ehemalige Mitarbeier an den Kommentaren zu der Nürnberger Rassengesetzgebung sowie Leute, deren aktive Mitarbeit im Dritten Reich verhältnismäßig leicht unter Beweis gestellt werden könne. Man kann es den Juden nicht übelnehmen, wenn sie eindeutig erklären, daß man es keinem Juden zumuten könne, als Referent oder Berater für jüdische Interessen neben Beamten zu sitzen, von denen man weiß oder befürchten muß, daß sie auch der Regierung des Dritten Reiches ihre Mitarbeit nicht versagt haben. Das Blatt erklärt weiter, nach seinen Informationen sei in Kürze eine Besprechung der jüdischen Landes- und Zonenverbände mit dem Bundeskanzler vorgesehen. Es sei nach wie vor davon überzeugt, daß der Bundespräsident und der Kanzler in jüdischen Fragen von gutem Willen beseelt seien. Unter diesen Umständen wird zu prüfen sein, ob im kommenden Haushalt das jetzt mit einem Sperrvermerk versehene Referat III/3 infolge der Ab-
lehnung durch die Betroffenen nicht zu streichen wäre.
das im Referat 4 zusammengefaßt ist, waren wir der Meinung, daß wie beim früheren Reichsinnenministerium das Veterinärwesen im Bundesministerium des Innern ressortieren sollte. Wir haben' uns aber durch die Ausführungen der zuständigen Fachvertreter des Landwirtschaftsministeriums davon überzeugen lassen, daß das Veterinär- und Tiergesundheitswesen durch die Entwicklung immer enger mit der Tierzucht verknüpft werden und daß eine sachliche Trennung des Veterinärwesens von der Tierzucht sich ungünstig auswirken würde. Aus diesem Grunde billigen wir die Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums auch für die Fragen des Veterinärwesens.
Im Rahmen der Diskussion über den Aufbau der Bundesministerien hat sich eine Zuständigkeitsstreitfrage ergeben — die der Herr Berichterstatter schon erwähnte —, die über den Rahmen des Organisatorischen hinaus Bedeutung hat. Es ist die Frage: Wieweit erstreckt sich. der Aufgabenbereich des Bundesministeriums des Innern auf dem Gebiete des Verfassungswesens?
Während es in Deutschland Tradition gewesen ist, daß Verfassungsrecht und Verfassungsschutz in den Zuständigkeitsbereich des Innenministers gehören und diese Übung weitgehend auch in den 11 Ländern fortbesteht, hat das Bundesjustizministerium geltend gemacht, die Handhabung und Auslegung des Grundgesetzes sei eine richterliche Tätigkeit und stehe deshalb eher dem Justizminister zu als dem Innenminister, der als Leiter eines Fachministeriums, eines Verwaltungs- und Polizeiministeriums bei seiner_ Arbeit von politischen Gesichtspunkten ausgehen müsse. Bei der Handhabung des Grundgesetzes sei es aber notwendig, frei von politischen Gesichtspunkten streng nach dem Rechtsstandpunkt vorzugehen.
Im 'Gegensatz zu dieser Auffassung des Herrn Justizministers sind wir der Meinung, daß das Verfassungsrecht und der Verfassungsschutz unteilbar zum Innenministerium gehören.
Eine Zerreißung des Verfassungsschutzes und der Auslegung der Verfassung ist nicht möglich. Gegenüber dem Anspruch der Justiz, die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebungsvorbereitung und der Verwaltungstätigkeit der einzelnen Ressorts zu prüfen, ist festzustellen, daß der Jurist im Justizdienst, der aus der Sphäre des zivilrechtlichen Denkens kommt, wo er Entscheidungen von Ansprüchen des einzelnen gegen den anderen zu treffen hat, viel weniger die Eignung hat, in Verfassungsfragen zu entscheiden, als der Verwaltungsjurist, der schon durch seine berufliche Tätigkeit reiche Erfahrung in der Handhabung öffentlicher Rechtsprobleme besitzt. Probleme, die sich aus der Gewaltenverteilung, aus der Gestaltung und Organisation des öffentlichen Lebens ergeben, sind also vom Verwaltungsrichter leichter zu meistern als von dem reinen Justizjuristen. Bei der Verlagerung der Verfassungsaufgaben auf ,das Justizministerium
liefe der Bund Gefahr, ein Justizstaat, nicht aber ein Rechtsstaat zu werden.
Hinsichtlich der Kompetenzen über das Verfassungsrecht hat, wie der Herr Berichterstatter schon betonte, der Haushaltsausschuß insofern eine Entscheidung getroffen, als er alle in dieses Gebiet gehörenden Referate beim Bundeshaushalt des Bundsministeriums des Innern genehmigte. Wir hätten deshalb an den Herrn Bundesminister des Innern den Wunsch, sich tatkräftig dafür einzusetzen, daß auch die Einrichtungen zum Schutze von Demokratie und Verfassung, wie das Bundeskriminalamt und das Amt zum Schutze der Verfassung, raschesten beim Bundesinnenministerium geschaffen werden.
Zu den Schutzaufgaben für Staat und Verfassung gehört auch eine vorsichtige und kluge Personalpolitik. Von dem Herrn Bundesminister des Innern als dem Beamtenminister erwarten wir, daß er nicht nur die Personalangelegenheiten im eigenen Hause so regelt, daß nur politisch einwandfreie und für die Demokratie zuverlässige Beamte Verwendung finden, sondern daß darüber hinaus Fälle, wie sie in diesem Hause in jüngster Zeit wiederholt zu Sprache kamen, von ihm aufmerksam geprüft und entsprechend behandelt werden. Da nach unserer Auffassung der Hüter der Verfassung dieses höchste Kontrollrecht mit zu seinen vornehmsten Aufgaben zählen sollte, haben wir es bedauert, daß der Herr Bundesminister des Innern zu der von verschiedenen Rednern des Hauses vorgebrachten Klage über die Verwendung ehemaliger Nazi-Aktivisten in höheren Bundesstellen noch nie das Wort ergriffen hat. Ferner mißfällt uns, daß man als wissenschaftlichen Mitarbeiter auf dem Gebiete ,des Verfassungsrechts einen Mann wie Professor Köttgen beschäftigt, der im Nazi-Reich mit zu den Publizisten der Nazi-Rechtsideologie gehörte.
Desgleichen beweist die Berufung eines Exponenten einer militaristischen Sportideologie — wie schon von dem Berichterstatter erwähnt —, des Herrn Professor Dr. Diem, eine Unbekümmertheit, die nicht scharf genug gerügt werden kann. Wenn ich Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur einige wenige Kostproben aus einer großen Sammlung von Zitaten aus Reden des genanten Herrn darbiete, so mögen Sie aus diesen Äußerungen erkennen, daß ein Mann, der im Sport nur das Mittel zur Wehrhaftmachung des jungen Menschen sieht, der den Sturmlauf durch Frankreich und Norwegen als das Ideal einer Lebenshaltung anspricht,
nicht als geeigneter Erzieher für eine neue deutsche demokratische, dem Frieden dienende Jugend angesprochen werden kann.
Herr Dr. Diem hat nicht erst im Dritten Reich, sondern auch schon in der Weimarer Republik diesen militaristischen Geist geatmet. Schon 1917 äußerte er sich wie folgt:
Die deutschen Turn- und Sportvereine würden in viel höherem Maße sich der unmittelbaren Vorbereitung zum Heeresdienst widmem können, wenn ein einheitlicher
Leitfaden vorhanden wäre, bei dessen Gestaltung den Forderungen .der militärischen Schulung Rechnung getragen wird. Dann erst kann für die Schulentlassenen von den Turn-und Sportvereinen neben der mittelbaren Vorbereitung zum Heeresdienst auch unmittelbare Vorbereitung zum Heeresdienst geleistet werden.
Oder 1931 in einem Vortrag an der Heeresschule
in Wünsdorf:
Der Krieg ist der vornehmste, ursprünglichste Sport, der Sport par excellence und die Quelle aller anderen Sportarten.
Oder, wie es 1940 in einem Artikel über den
Sturmlauf durch Frankreich heißt:
Vielerlei sind die Gründe. Eine der Ursachen aber, das dürfen wir stolz verkünden, ist der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist. Das Ideal eines gefahrlosen Daseins, des gut ge-. machten Bettes, des pensionsfähigen Lebensabends ist in der , deutschen Volksseele verschwunden. Statt dessen Freude am Kampf,
Freude an Entbehrungen, Freude an der Gefahr; nur in solcher Lebenshaltung kann Norwegen erobert, Frankreich durchstürmt werden.
Freilich sagt Herr Diem später nichts darüber, wie bei solcher Lebenshaltung Norwegen und Frankreich wieder geräumt werden mußten.
An anderer Stelle sagt dieser Mann, der im Olympischen Komitee saß und künftig wieder sitzen wird,
über den Sinn der olympischen Idee:
Krieg war im Altertum Erfüllung des Manneslebens und Sport und olympische Spiele Vorbereitungen dazu.
Auch die olympischen Spiele von heute sind in mannhaftem Geiste begründet worden. Diesen Geist wollen wir heute festhalten. In diesem Geiste können und werden wir auch während des Krieges weiter Sport treiben. Er ist für uns eine Schule der Vaterlandsverteidigung, die wir auf uns nehmen, bis uns der Ruf zu den Waffen erreicht. Wenn Sport und olympische Spiele uns etwas zu Nutzen gewesen sind, dann haben sie uns diesen Geist des Angriffs und der blitzschnellen Entschlußkraft gelehrt. Der gute Kämpfer greift an und bricht jeden Widerstand.
Solche und ähnliche Worte haben wir in der Zeit von 1933 bis 1945 aus höherem Munde reichlich zu hören bekommen.
Da durch solche Fehlgriffe im Bereich der Personalpolitik nicht nur die demokratische, staatstreue Bevölkerung beunruhigt wird, sondern auch im Ausland Vorstellungen entstehen, die sich zum Schaden der deutschen Bundesrepublik auswirken können,
dürfen wir dein Herrn Bundesminister des Innern gegenüber die Erwartung aussprechen, daß er nach Prüfung der Fälle für die belasteten Bediensteten die entsprechenden Konsequenzen ziehen wird.
Um für den gesamten Bereich. der Bundesministerien zu einheitlichen Richtlinien für ,die Berufung von Beamten und die Einstellung von Angestellten und Arbeitern zu kommen und um dem Bundestag gegenüber eine verantwortliche Stelle für die Beamtenpolitik zu haben, halten wir es für unerläßlich, daß der Bundesinnenminister bei allen Personalangelegenheiten nicht nur mitwirkt, sondern daß darüber hinaus bei der Einzelpersonalie seine Zustimmung erfolgt.
- Ich glaube, daß die Personalangelegenheiten, wenn ich die Einzelministerien überblicke, beim Bundesinnenministerium noch am besten aufgehoben sind.
Desgleichen sind wir der Auffassung, daß dem Bundesinnenministerium die Rolle des Organisationsministeriums schlechthin zukommen sollte. Hingegen haben wir Bedenken gegen seine Mitwirkung bei Fragen der Raumordnung und der Sozialisierung, wie wir auch gewünscht hätten, daß das Gesundheits- und Wohlfahrtswesen in einem eigenen Sozialministerium — schon ihrer Bedeutung wegen — untergebracht worden wären.
.,
Was die öffentliche Sicherheit anlangt, so gibt das Grundgesetz keine Möglichkeit zu einer Bundesexekutive. Einzig die Bildung einer Grenzpolizei läßt eine gewisse Mitwirkung offen. Die Grenzpolizei sollte nach unserer Auffassung nicht mit dem Zollgrenzschutz gekoppelt werden, da sie als Paßkontrollorgan völlig andere Funktionen hat als der Zolldienst. Um außenpolitischen Schwierigkeiten zu begegnen, könnte sie als Auftragsangelegenheit an die Länder gegeben werden.
In der im Kabinett anscheinend noch strittigen Frage der Aufsicht über das Verfassungsgericht vertritt meine Fraktion die Auffassung, daß die Aufsicht mit Rücksicht auf die Vereinheitlichung des Verfassungsschutzes dem Bundesinnenminister zukommt. Da der Herr Bundesinnenminister nach seinen Ausführungen vor dem zuständigen Ausschuß diesen Standpunkt teilt, bedauern wir es um so mehr, daß er in dieser Frage die Initiative seinem Herrn Ministerkollegen von der Justiz überläßt. Der Bundestag ist schließlich das Forum, vor dem auch ministerielle Machtkämpfe entschieden werden.
Wenn wir die Bilanz der Gesetzgebungsarbeit des Bundesministeriums des Innern für dieses halbe Jahr ziehen, so ergibt sich kein besonders erfreuliches Bild. Neben einigen kleineren formalen Gesetzen war es nur ein einziges größeres Gesetz, das von den beiden Häusern verabschiedet wurde: das Beamtengesetz, das uns und der Welt wenig Freude machte. Mein Kollege Dr. Menzel hat bei der Beratung des Gesetzes unserer Kritik in unübertrefflicher Form Ausdruck gegeben, so daß ich es mir versagen kann, noch einmal näher .darauf einzugehen. Die Pressever-
lautbarungen fast aller politischen Richtungen und Schattierungen des In- und Auslandes wie auch die Resolutionen und Proteste der Gewerkschaften und Angestelltenorganisationen dürften den Vätern dieses auf nationalsozialistischem Grund errichteten Gesetzbaues gezeigt haben, daß sie bei der Federführung keine glückliche Hand hatten.
Wenn selbst der Bundesrat in einer Resolution, die ich dem Hause zur Kenntnis bringen möchte, zum Ausdruck bringt, welche schweren Bedenken er gegen das Gesetz hat, so dürfte allein schon diese Stellungnahme für das endgültige Gesetz wegweisend für den Herrn Bundesminister des Innern sein. Der Bundesrat sagt in dieser Resolution, er bedauere, daß das Gesetz nicht seiner Anregung entsprechend von den öffentlichen Bediensteten ein aktives Eintreten für die demokratische Staatsordnung verlange.
Der § 3 Absatz 2 des Gesetzes genügt in dieser Hinsicht nicht, da er die für den Aufbau der Demokratie erforderlichen Sicherungen nicht enthält. Der Bundesrat bedauert, daß die im Grundgesetz vorgesehene Gleichstellung der Frau bei dieser Änderung des Beamtengesetzes noch nicht verwirklicht worden ist. Er erwartet, daß den Normen des Grundgesetzes bei der endgültigen Fassung des Beamtengesetzes in vollem Umfang Rechnung getragen wird. Der Bundesrat empfiehlt weiter, bei den Vorarbeiten zu dem endgültigen Beamtengesetz die Gewerkschaften und sonstigen Verbände der öffentlichen Bediensteten in stärkerem Maße zur Mitarbeit heranzuziehen, als es bei den Vorarbeiten für dieses Gesetz der Fall sein konnte,
0 Eine noch unglücklichere Hand hatte aber das Ministerium bei der Schaffung der Verordnung auf Grund des Artikels 132 des Grundgesetzes, die einmal zeitlich so spät kam, daß sie in vielen Fällen gar nicht mehr zur Anwendung gebracht werden konnte, die ferner in ihren §§ 3 und 6 einen direkten Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt und in ihrem Inhalt den Geist der Regierung verkörpert. Entgegen dem klaren Wortlaut des Grundgesetzes bestimmt die Verordnung, daß bei der Prüfung über die persönliche Eignung das frühere, vor 1945 gezeigte politische Verhalten des Verwaltungsangehörigen nicht zu berücksichtigen ist.
Damit ist für alle Verwaltungsangehörigen festgestellt, daß die bisherigen Entnazifizierungsentscheidungen voll gültig sind. Damit ist der Wille des Gesetzgebers des Grundgesetzes ebenso in sein Gegenteil verkehrt wie mit der noch bedenklicheren Beseitigung des im Grundgesetz vorgesehenen Schutzes der antifaschistischen Verwaltungsangehörigen. Wer werden uns mit dieser Verordnung, die mit ihrer Befristung zum 7. März inzwischen ihre Gültigkeit verloren hat, noch zu beschäftigen haben, wenn unser zu dieser Verordnung gestellter Antrag behandelt wird. Es würde uns aber interessieren, wieviele Beamte auf Grund dieser Verordnung abgebaut wurden.
Ehe ich zum Schluß komme, möchte ich mich noch kurz mit einem im Hause verteilten Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Leuchtgens und Genossen zum Einzelplan VI beschäftigen. Inzwischen scheinen, wie ich bemerkte, auch Änderungsanträge ähnlichen Inhalts für andere
Einzelpläne verteilt worden zu sein. Sonst wäre mir unverständlich gewesen, wie ein Antrag das Amtsgehalt eines Ministers hätte herabsetzen wollen und gewisse Positionen, die in anderen Haushalten wiederkehren, nur bei einem Ministerium — ausgerechnet beim Bundesministerium des Innern — zu kürzen beabsichtigte. Wenngleich wir, wie ich schon andeutete, auch gewisse Wünsche auf Sparmaßnahmen im Bereich des Ministeriums des Innern haben, so erscheinen uns doch Änderungsanträge, wie sie von Dr. Leuchtgens vorgelegt worden sind, dilettantenhaft, und man müßte sie fast als Kindereien bezeichnen.
Wenn die Antragsteller beispielsweise den Tit. 3 von 45 000 DM auf 30 000 DM kürzen, einen Titel, den sie auf Grund ihrer Auffassung, möglichst viele Länderbeamte in die Bundesministerien zu delegieren, verteidigen müßten, dann zeigt das, wie wenig durchdacht solche Anträge sind und wie man sie schematisch fabriziert, ohne sich ihrer Wirkung bewußt zu sein.
Wenn man in Tit. 13 einem Ministerium von der Bedeutung des Bundesministeriums des Innern die Bücherei streicht, so haben wir für solche Ab-. sichten kein Verständnis mehr. — Wenn man draußen in der öffentlichen Agitation vertritt, kulturelle Förderungsbestrebungen zu unterstützen, während man einen entsprechenden Haushaltstitel von 300 000 DM auf 150 000 DM gekürzt wissen möchte, wie will man dann die deutsche wissenschaftliche Forschung wieder auf ein Niveau bringen, das uns in der Welt Achtung verschaffen soll? Gerade die Herren von der Rechten aber sind es, die sich besonders großtun in der Herausstellung des deutschen Namens und deshalb auch als Bezeichnung für die Bundesrepublik den Namen „Deutsches Reich" wieder einführen wollten. Wenn man dem deutschen Namen Geltung verschaffen will, darf man gerade solche unsinnigen Streichungen nicht vornehmen.
— Ja, vielleicht ist sie für manche gefährlich!)
Wir werden uns mit diesem Antrag nicht weiter beschäftigen und werden über ihn zur Tagesordnung übergehen.
Wenn meine Freunde im Haushaltsausschuß trotz der mancherlei Ausstellungen, die wir an der Tätigkeit des Ministeriums des Innern zu machen hatten, bei der Beratung des Haushalts für das Bundesministerium des Innern positiv mitwirkten und dem Herrn Minister manches umstrittene Referat retten halfen, so taten sie es in der Erwartung, daß die von der Opposition geäußerte Kritik Beachtung finden wird.
Auf dem Wege zu einer echten sozialen Demokratie werden Sie, Herr Bundesminister des Innern, in uns Sozialdemokraten zur Hilfe bereite Weggenossen finden,
in einem Kampfe um die Erhaltung von Verfassung und Demokratie zuverlässige Kampfgefährten; politischem Rückschritt aber würden wir ebenso erbitterten Widerstand entgegensetzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Zur Frage der Mittagspause: Heute morgen hat der Ältestenrat auch dieses Problem beraten und war allgemein der Meinung, keine Mittagspause einzulegen. Es werden bis drei Uhr keine Abstimmungen erfolgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion sieht sich veranlaßt, die stärksten Bedenken gegen den Haushaltsplan des Innenministeriums zu äußern. Sie wendet sich. damit nicht gegen das Bestehen eines Innenministeriums beim Kabinett; sie wendet sich auch nicht gegen die Person des Innenministers; aber sie lehnt den weitgehend zentralistischen Aufbau des Ministeriums ab, einen Aufbau, der auf so breiter Basis geplant ist und so weitgehende Zuständigkeiten der Länder und Zuständigkeiten, die in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung fallen, für sich in Anspruch nimmt, daß man sagen kann: das Innenministerium wird zu einem Träger und Faktor des Zentralismus.
Die Referate I B 2, Verwaltungsorganisation in Bund und Ländern, und I B 5, Kommunalfinanzangelegenheiten, beschäftigen sich mit Sachgebieten, die durch die konkurrierende Gesetzgebung den Ländern vorbehalten sind. Weiterhin fallen darunter die Abteilung II Referat 4, Mitwirkung auf dem Gebiet des Beamtenbesoldungsrechts, und II 6, Rahmenvorschriften für das Dienststrafrecht der Länder, der Gemeinden und der anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Vor allem aber haben wir stärkste Bedenken gegen die Abteilung III des Ministeriums, die sich mit der Kulturpolitik befaßt. Wenn bei der Bezeichnung der Referate in abschwächender, ich möchte geradezu sagen, in schönfärberischer Absicht vor die Bezeichnung die Worte „Mitwirkung" oder „Unterrichtung" gestellt werden, wie zum Beispiel in der Formulierung „Unterrichtung über Angelegenheiten des Volksschulwesens", so muß ich sagen: Der Zucker um diese Pille ist nicht so dick, daß man den Inhalt der Pille nicht gleich schmeckt.
Meine Fraktion hat gerade dadurch besonders starke Bedenken bekommen, daß die Linke des Hauses, die sonst so sehr zurückhaltend ist, sich hier gar nicht genug tun konnte, die Referate mit hohen und höchsten Rangstellen zu besetzen.
Für die Abteilung III, die doch in der Hauptsache der „Mitwirkung und der Unterrichtung" dienen soll, ist als Leiter ein Ministerialdirektor vorgesehen; für die meisten Referate sind Ministerialräte in Aussicht genommen. Schon daraus ergibt sich, daß der Apparat dieser Abteilung viel zu umfangreich und viel zu gewichtig ist, als daß sich diese Abteilung nur auf die vorgegebene Unterrichtung und Mitwirkung beschränken könnte. Es ist eben so, man läßt sich hier gerade auf der Linken den Zentralismus durchaus etwas kosten.
Ich möchte betonen, daß nicht der Föderalismus
teuer ist, sondern der föderalistisch getarnte Zentralismus, bei dem eine Sache an vielen Stellen gleichzeitig behandelt wird.
Ich verweise nur auf die Flüchtlingsfrage. Da gibt es ein Referat beim Innenministerium, eines beim Ministerium für gesamtdeutsche Angelegenheiten und zufälligerweise auch noch ein ganzes Flüchtlingsministerium; auch die Länderstellen sind noch dafür da.
— Sehr richtig! Es sind eben sehr viele Köche, die sich hier um den Brei bemühen,
und ich bezweifle, daß der Brei gut wird, wenn so viele Köche darin herumrühren.
Sinngemäß gilt das gleiche für die Abteilung IV und die Abteilung V. Meine Fraktion lehnt die Tendenzen, die in dem derzeitigen Organisations- und Stellenplan des Bundesministeriums des Innern zum Ausdruck kommen, ab und wird daher auch gegen diesen Haushaltsplan stimmen, gegen einen Haushaltsplan, der den Aufbau und den Betrieb eines Apparates ermöglicht, dem die verfassungswidrige Usurpation von Zuständigkeiten sowie die Entwicklung zum Zentralismus sozusagen ins Gesicht geschrieben sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehlers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist etwas seltsam, wenn bei einem Ministerium, dem ja von den verschiedensten Seiten die Aufgabe des Verfassungsschutzes zugebilligt wird, unterstellt wird, wie es eben geschehen ist, daß seine Organisations- und seine Arbeitsformen die Aufgabe hätten, entgegen der Verfassung und dem Grundgesetz gewaltsam Zuständigkeiten an sich zu ziehen.
Der Haushaltsausschuß hat keineswegs den Eindruck gehabt, daß das Innenministerium von diesem Bestreben geleitet ist. Der Ausschuß hat gerade bei dem Innenministerium als dem ersten klassischen Ministerium, mit dem er sich befaßt hat, sehr gründlich und genau sowohl die Zuständigkeiten wie die Stellenpläne überprüft und eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Abänderung gemacht.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich
auch angesichts der imponierenden Besetzung des Hauses — kurz fassen. Die Lage ist doch so, daß wir — und ich kann mich da völlig auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Maier beziehen — uns mit Anträgen, wie sie von Herrn Dr. Leuchtgens gestellt worden sind, zweckmäßigerweise nicht befassen, sondern über sie zur Tagesordnung übergehen sollten.
Es ist völlig unerträglich — ich nehme das Wort
auf, das hier ausgesprochen wurde —, wenn in
dieser dilettantischen Weise versucht wird, vor der Öffentlichkeit irgendeinen Kredit zu erreichen, indem man Anträge stellt, von denen man weiß, daß sie weder durchführbar noch überhaupt durchdacht sind.
Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um noch einmal darauf hinzuweisen - was ja in der Öffentlichkeit merkwürdigerweise weithin auch nicht bekannt ist —, daß die Bundesminister und der Herr Bundeskanzler von ihren Gehältern Steuern zahlen müssen. Es werden da häufig Beträge ausgerechnet, die eine merkwürdige Verkennung der gegenwärtigen Rechtslage erkennen lassen und die deutlich machen, daß viele Menschen immer noch unter dem Eindruck leben, als ob Hitler mit seinem Sonderfinanzamt noch am Werke wäre.
Lassen Sie mich auf den Antrag Leuchtgens zunächst nur mit einigen Sätzen eingehen. Es wird generell beantragt, z. B. statt 122 Beamtenstellen 100 einzusetzen. Nun würde man doch wohl erwarten können, daß wenigstens ein Vorschlag gemacht wird, wo diese Stellen gestrichen werden sollen, ob man bei den Regierungsassistenten oder bei den Staatssekretären anfangen will. Diese Mühe hat sich der Antragsteller nicht gemacht. Das kennzeichnet das ganze System, aus dem heraus diese Anträge gestellt sind.
Wir haben im Haushaltsausschuß diese Dinge einzeln durchgearbeitet und wissen, welche Anforderungen gestellt werden, welche Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Ersparnis gegeben sind. So, wie der Antragsteller will, geht es jedenfalls nicht.
Zum Thema der Bücherei ist bereits etwas gesagt worden. Ich möchte aber noch ein Wort zu dem Titel 23 b sagen, zu dem beantragt wird, die Zuschüsse zur Gemeinschaftsküche herabzusetzen. Es ist, glaube ich, gemeinsame Überzeugung des Haushaltsausschusses in allen seinen Beratungen gewesen, daß es außerordentlich erwünscht ist, für die Ermöglichung der Einnahme von Mahlzeiten möglichst in unmittelbarer Nähe der Behörden staatliche Zuschüsse zu geben. Wir haben alle den Eindruck, daß bei den gegenwärtigen schwierigen Arbeiten des Anfangs die Beamten, Angestellten und Arbeiter durchweg genötigt sind, nicht nur die Mittagspause ausfallen zu lassen, sondern auch über die Arbeitsstunden hinaus bis in die Nächte hinein zu arbeiten. Ich meine, es ergibt sich aus sozialer Verpflichtung die Aufgabe, dafür aus öffentlichen Mitteln die erforderlichen Zuschüsse zu gewähren.
Lassen Sie mich jetzt noch etwas Grundsätzliches zu diesem Ministerium sagen. Der Begriff des Innenministeriums ist bei uns durch eine lange Reihe von Jahrzehnten hindurch durch seine Aufgabe als Verfassungsministerium und Beamtenministerium geprägt worden. Die Vorlage des Haushaltsausschusses macht deutlich, daß
sowohl das Ministerium als auch der Haushaltsausschuß der Auffassung sind, daß diese Position des Ministeriums und seine Aufgabensetzung erhalten werden sollten. Wir haben von der Arbeit des -Innenministeriums den Eindruck gehabt, daß es an die außerordentlich schwierigen Aufgaben, die von einer Weiträumigkeit und Schwierigkeit sind, wie es vielleicht nicht bei allen Ministerien der Fall ist, mit großer Energie und mit großer Sachkenntnis herangegangen ist. Ich begrüße es, daß der Herr Kollege Maier dem Herrn Bundesinnenminister wenigstens attestiert hat, daß er, wenn schon Kritik an anderen Ministern zu üben sei, jedenfalls in der Personalpolitik der beste sei. Ich unterstreiche diese Auffassung in ganz besonderer Weise und möchte sie durch etwas unterstützen, was mir die Gesamtverpflichtung des Ministeriums und die Art und Weise, in der sie wahrgenommen ist, zu beleuchten scheint. Wir haben mit großer Freude davon Kenntnis genommen, daß der Herr Bundesinnenminister kürzlich in einer Versammlung darauf hingewiesen hat, daß die beste- Art und Weise, den Vertriebenen zu dienen, die sei, ihnen Beschäftigung zu geben.
Ich habe vor mir die Aufstellung über die Zusammensetzung des Innenministeriums nach Beamten, Angestellten und Lohnempfängern. Daraus ergibt sich, daß von 186 Beamten, Angestellten und Lohnempfängern 80 Vertriebene sind, d. h. 43 %. Ich halte das für einen besonders erfreulichen Prozentsatz. Wenn man dabei berücksichtigt, daß sich far den höheren Dienst ein Prozentsatz von 43 % ergibt, für den gehobenen und mittleren Dienst von 57 % und für die Angestellten von 42 %, für die Lohnempfänger, die normalerweise aus der ortsansässigen Bevölkerung genommen werden, von 24 %, dann glaube ich, daß der Herr Bundesinnenminister der Aufgabe, die Vertriebenen, soweit es überhaupt möglich ist, heranzuziehen, gerecht geworden ist.
Ich möchte noch auf folgendes hinweisen, was auch grundsätzliche Bedeutung hat. Es wird immer wieder, auch in den Anträgen des Herrn Abgeordneten Dr. Leuchtgens, die Forderung aufgestellt, alle Zulagen und Dienstaufwandsentschädigungen zu streichen. Es ist für jeden Beamten der öffentlichen Verwaltung in den Ländern — früher im Reich und jetzt im Bund — eine besondere Ehre und ein erstrebenswertes Ziel gewesen, Aufgaben in einer Zentralbehörde wahrnehmen zu können. Er hat für die Erfüllung dieser Aufgaben und die damit verbundene Belastung, die häufig weit über das hinausgeht, was normalerweise in Mittel- und Unterbehörden gefordert werden muß, eine besondere Zulage bekommen. Ich glaube, daß das eine gerechtfertigte Handhabung ist, die für die Gewinnung der geeigneten und hochqualifizierten Beamten und Angestellten, die wir in den Zentralinstanzen brauchen, unausweichlich ist.
Es ist die Erfahrung gemacht worden, daß eine große Zahl von Länderbeamten, die sich in festen Positionen in den Ländern befanden, nicht chne weiteres bereit gewesen sind, auf diese übersehbaren, ihnen gewohnten und festen Positionen zu verzichten, um in die außerordentlich unerfreuliche, in ihrer Dauer und in den Aufgaben-
Setzungen oft unklare und häufig umstrittene Bundesverwaltung zu gehen. Ich möchte gerade die Gelegenheit der Behandlung des Haushaltsplans des Bundesinnenministeriums benutzen, um an dieser Stelle der Gesamtheit der Beamten zu danken, die sich - häufig unter außerordentlich schwierigen persönlichen Umständen, unter Lebensverhältnissen, die keineswegs eine Verbesserung gegenüber Ihrem bisherigen Zustand dargestellt haben - für diese Aufbauarbeit des Bundes in dieser Weise zur Verfügung gestellt haben.
Ich komme zu einzelnen Fragen, die schon angeschnitten sind und zu denen ich nur in Kürze Stellung zu nehmen habe. Ebenso wie Herr Kollege Maier vertrete ich den Standpunkt, daß entsprechend der deutschen Tradition die Aufgaben des Verfassungsschutzes und die Verfassungsangelegenheiten zur Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums gehören. Nach den Debatten der letzten Wochen scheint mir öfter der Gedanke vertreten worden zu sein, daß die Zuweisung dieser Fragen an das Bundesjustizministerium mit einer Erledigung in richterlicher Unabhängigkeit gleichbedeutend sei. Diesem Irrtum müssen wir entgegentreten. Das Bundesjustizministerium ist in gleicher Weise wie das Bundesinnenministerium ein Verwaltungsministerium und steht den Dingen in gar keiner Weise unabhängiger oder sachlich objektiver gegenüber als das Innenministerium. Das heißt nicht in irgendeiner Weise gegen die Qualitäten oder den Willen des Bundesjustizministeriums zu opponieren, sondern es heißt nur, daß in der Gesamtstruktur der öffentlichen Ordnung und der Verfassungsangelegenheiten das Innenministerium diese Zuständigkeiten behalten sollte, die es bei uns — keineswegs zum Nachteil des deutschen Verfassungslebens — in verfassungsmäßig geordneten Zeiten gehabt hat.
Der Herr Kollege Maier hat einige Anregungen zur Zusammenlegung von Referaten gegeben. Ich möchte mich darauf nicht im einzelnen einlassen, weil ich glaube — und das ist auch bereits aus dem Bericht des Herrn Berichterstatters, des Kollegen Erler, hervorgegangen —, daß der Haushaltsausschuß gerade dieses Ministerium in sehr gründlicher Weise überprüft hat. Der Haushaltsausschuß hat dem Innenministerium von vornherein nahegelegt, ganz bestimmte Verminderungen der Beamtenstellen vorzunehmen und Referate zusammenzulegen; und das Innenministerium hat Gelegenheit genommen, diesen Dingen Rechnung zu tragen und Vorschläge zu machen.
In einer Zeit, die so aus einer allgemeinen Verwüstung der öffentlichen Ordnung, der verfassungsmäßigen Zustände und des Rechts kommt wie die unsere, müssen die anfallenden Aufgaben gründlich, sachverständig und so wahrgenommen werden, daß wirklich etwas Ersprießliches und Dauerhaftes dabei herauskommt.. Darum meine ich, daß wir die Zuständigkeiten, die jetzt vorgesehen sind, beibehalten sollten. Wir behalten uns selbstverständlich vor -- ich nehme an, daß der Herr Minister das in gleicher Weise tut —, wenn sich aus praktischen Erfahrungen Veränderungen ergeben sollten, dem im nächsten oder übernächsten Haushalt Rechnung zu tragen. Zunächst muß dem Ministerium und der ihm obliegenden Arbeit überhaupt erst einmal ein Start
ermöglicht werden, und ich glaube, daß das, was Ihnen vorliegt, der Rahmen ist, in dem das geschehen kann.
Meine Damen und Herren, ich begrüße es, selbst auf die Gefahr hin, bayerischer Kritik zu begegnen, daß die Kommunalangelegenheiten hier in zwei Referaten wahrgenommen werden. Der Ausschuß für innere Verwaltung hat insbesondere auch aus einem Referat des Herrn Bundesinnenministers zur Frage der kommunalen Finanzen entnommen, daß hier in einem Maße Fragen auftauchen, die einer beobachtenden und, wenn Sie so wollen, vorsichtig leitenden und anregenden Tätigkeit des Innenministeriums unbedingt bedürfen. Das gilt für die allgemeinen Kommunalangelegenheiten, das gilt insbesondere für die Kommunalfinanzangelegenheiten, und
lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit gleich etwas vorgreifen — das gilt nach meiner festen Überzeugung auch für die Kulturfragen, insbesondere für das Gebiet des Schulwesens. Wir stehen vor der Tatsache, daß die Zuständigkeiten in diesen Angelegenheiten durch das Grundgesetz eindeutig geregelt sind. Wir beabsichtigen nicht, von diesen Zuständigkeitsregelungen des Grundgesetzes abzuweichen. Der Herr Kollege von Merkatz hat uns gestern in sehr eindringlicher Weise darüber belehrt, daß Föderalismus Einheit in der Freiheit sei. Wir haben aus einem Referat, das der Herr Kollege Dr. Edert vor wenigen Tagen im. Kulturausschuß des Bundestages gehalten hat, entnommen, daß die gegenwärtigen Zustände des Schulwesens im Gesamtgebiet des deutschen Bundes keineswegs mehr die Beurteilung verdienen, daß es sich hierbei um Einheit in der Freiheit handele, sondern wir haben das Gefühl, daß es sich um eine unerhörte Zersplitterung in einer mißbrauchten Freiheit handelt.
Der Bund hat dafür zu sorgen, daß wir nicht nur von einer Bundesrepublik Deutschland r e d en, daß wir nicht nur von einer Freizügigkeit reden und dabei durch die Gestaltung unseres öffentlichen Schulwesens aus den verschiedensten politischen, weltanschaulichen, kulturellen und schulpolitischen Vorstellungen heraus eine Zersplitterung schaffen, die es langsam unmöglich macht, daß ein Beamter von Schaumburg-Lippe nach Lippe-Detmold übersiedelt. Hier liegen Aufgaben, die der Bund wahrzunehmen hat, und ich meine, daß das Bundesinnenministerium eine gute Aufgabe hat, wenn es klärend und anregend in diese Dinge eingreift und dafür sorgt, daß wir hier wirklich zu einer Einheit in der Freiheit kommen.
Eine Frage, mit der wir befaßt worden sind, ist die Frage der Zuständigkeit des Bundes für das Paßwesen, für die Fragen des Bundesgrenzschutzes usw. Ich möchte, da diese Dinge alle noch in der Entwicklung begriffen sind, nur das eine hier anmerken. Es sieht etwas seltsam aus, wenn im Referat I B 7 b Ausweiswesen, Paßwesen usw. aufgeführt sind, und wenn wir immer wieder die Feststellung machen müssen, daß auch heute noch das Paßwesen von der Hohen Kommission behandelt wird, als ob wir ein inner-afrikanischer Negerstamm wären.
Es wäre sehr dienlich, wenn uns in diesen Dingen,
die nun einmal zu den selbstverständlichen und
im übrigen ja auch gar nicht außerordentlich gefährlichen Vorrechten eines Staates gehören, die kleinen, selbstverständlichen .Freundlichkeiten erwiesen würden, die den Willen deutlich machen, uns auf dem Wege zu einem souveränen Staate weitergehen zu lassen. Wir müssen diesem Wunsch außerordentlich dringlich und wiederholt Ausdruck geben.
Ich möchte nichts weiter über die Fragen der Zuständigkeit etwa hinsichtlich des Bundesgrenzschutzes sagen, obwohl auch da einiges zu sagen wäre und ich den Wunsch hätte, daß bei der Ordnung dieser Dinge auch durch Bundesgesetz die zum Teil unerträglichen Zersplitterungen und Doppelgleisigkeiten, in denen wir uns befinden, beseitigt würden.
Aber ein Wort muß zur Frage des Beamtenwesens gesagt werden. Der Herr Kollege Maier hat beanstandet, daß diese ganze Abteilung zu groß sei, und er hat darauf hingewiesen, welch große Zahl von Beamten beschäftigt würde. Sie sehen im Stellenplan, der Ihnen vorliegt, daß im Referat II 3, im Referat Gesetzgebung auf Grund der Artikel 131 und 132 des Grundgesetzes fünf Referenten beschäftigt werden, von denen alle fünf als künftig wegfallend bezeichnet sind, nämlich dann, wenn diese Aufgaben geregelt sind. Wir haben die Hoffnung, und ich möchte das mit großer Prononciertheit hier aussprechen, daß die Arbeit, die, wie ich weiß, im Bundesministerium des Innern auf diesem Gebiet geleistet wird, möglichst bald zu einer Regelung führt, die wir vertreten können und die den dringenden Anliegen der Beamten, insbesondere der vertriebenen Beamten, Rechnung trägt.
Die Lage ist so — ich möchte das bei dieser Gelegenheit sehr deutlich aussprechen —, daß die Aufgaben, die sich aus Artikel 131 ergeben, nicht zuerst unter finanziellen Gesichtspunkten gesehen werden dürfen. Es ist selbstverständlich, daß der Herr Bundesfinanzminister ein sehr wesentliches Wort mitreden muß und kann, denn es kann kein Staat Gelder ausgeben, die er nicht hat. Aber mir scheint das Anliegen der Gesetzgebung nach Artikel 131 in erster Linie zu sein, daß es hier um die Regelung ganz bestimmter Rechtsansprüche und die Sicherung dieser Ansprüche geht.
Erst wenn das geschehen ist und hier klare Rechtspositionen geschaffen sind, wird man sich darüber unterhalten müssen, was nach der Gesamtlage — ich sage ausdrücklich der Gesamtlage - der Finanzen des Bundes und der Länder möglich und erträglich ist. Es wäre gut, wenn der Herr Bundesinnenminister auf die vordringliche und in dieser Richtung besonders bei ihm liegende Verantwortung für die Regelung dieser Dinge nicht verzichtete.
Zur Frage der kulturellen Angelegenheiten ist noch ein Wort zu sagen. Ich begrüße es sehr, daß das Referat III 3, Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden, hier ausdrücklich als besonderes Referat aufgeführt ist. Wir sind uns, glaube ich, einig darüber — auch wenn die Bedenken, die der Herr Kollege Maier vorgetragen hat, durchaus bestehen mögen —, daß die gegenwärtige 'Situation und die Vergangenheit der jüdischen Menschen in Deutschland in den letzten
Jahren es erfordern, daß hier keine Ordnung nach irgendwelchen Prozentsätzen der Bevölkerung erfolgt, sondern daß hier Regelungen getroffen werden müssen, die der Vernichtung und der Not und — ich sage das sehr ausdrücklich — dem Verbrechen, das von Deutschen an den Juden begangen worden ist, gerecht- werden.
Darum begrüße ich die Heraushebung dieses Referates für die Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden ganz besonders. Wir würden es außerordentlich bedauern, wenn dieses Referat etwa deswegen verschwinden würde, weil keine Möglichkeit gefunden wird, es ehrenamtlich wahrzunehmen, wie es vorgesehen ist; ich stehe da völlig im Gegensatz zu dem Herrn Kollegen Maier. Ein solches Referat sollte ständig hauptamtlich besetzt werden.
Die Rechtsangelegenheiten der Kirchen und Religionsgesellschaften sollten zunächst, wie es beim Aufbau des Ministeriums im Interesse der nötigen Sparsamkeit geschehen ist, in einem Referat zusammengefaßt bleiben. Es ist aber unsere Auffassung, daß wir im zukünftigen Aufbau dieses Staates dem Verhältnis zu den Kirchen auf der Ebene des Bundes sehr große Beachtung beizumessen haben. Es kann sich darum in Zukunft vielleicht als nötig erweisen, hier eine Erweiterung vorzunehmen und dafür zu sorgen, daß die Regelung des Verhältnisses sowohl zur evangelischen wie zur katholischen Kirche in je einem Referat wahrgenommn wird. Aus dieser Zusammenfassung in einem Referat glauben wir nicht schließen zu sollen, daß schon der Zustand wieder erreicht sei, in dem man die Bedeutung, die die Kirchen haben, als überlebt und überholt ansieht. Ich glaube vielmehr, daß es sich hier bei dieser Zusammenfassung nur darum handelt, die nötigen Ersparnisse zu machen und dem Rechnung zu tragen, daß zweifellos eine nicht geringe Anzahl von Aufgaben, die mit den Kirchen im Zusammenhang stehen, in den Ländern auf Länderbasis erledigt werden müssen.
— Herr Renner, ich glaube, davon verstehen Sie eigentlich verhältnismäßig wenig.
Herr Renner, melden Sie sich bitte zum Wort!
Ich möchte zur Abteilung V, Öffentliche Fürsorge und Leibesübungen, noch eines sagen. Ich habe keine Veranlassung, auf die Personalfragen einzugehen, die angeschnitten worden sind, da der Herr Minister dazu zweifellos seine Erklärung selbst abgeben wird. Ich möchte aber auf eines hinweisen, meine Damen und Herren: es gehört zu den Aufgaben des Bundesinnenministeriums, dem Auftrag, den der Bundestag im Dezember erteilt hat, möglichst bald ein Gesetz zum Schutze der Jugend gegen Schmutzschriften vorzulegen, nun auch möglichst bald zu entsprechen.
Ich habe mit Bedauern zur Kenntnis genommen, daß unter der Parole — der sehr überholten und uns nur zu bekannten Parole — der Freiheit der Kunst und der Freiheit der Meinungsäußerung versucht wird, diesen Auftrag des Bundestags in sein Gegenteil zu verkehren. Es haben ja prominente Mitglieder des Bundestags auch in der Öffentlichkeit dazu Stellung genommen. Meine Damen und Herren, wir halten es für unausweichlich, daß in dem Rahmen, der durch den Beschluß des Bundestages gezogen ist, und auf Grund der Erfahrungen, die gemacht sind, möglichst bald ein Gesetz dieser Art dem Bundestag zugeleitet wird. Die Aufgabe des Schutzes unserer Jugend gegen das, was sich an Zeitungskiosken und in Zeitschriften an Schweinereien dartut und sich fälschlich auf die Pressefreiheit beruft, ist groß und bedeutend. Angesichts dieser Aufgabe haben wir nicht die Absicht, uns durch eine mißbräuchliche Auslegung von Bestimmungen des Grundgesetzes über die Freiheit der Meinungsäußerung darin beschränken zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir unter diesen Gesichtspunkten der Vorlage des Haushaltsausschusses zum Einzelplan des Bundesministeriums des Innern ohne jede Einschränkung zustimmen können, und ich empfehle ebenfalls die Annahme dieses Haushaltsplans.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wenn ich weiterhin zu den Einzelplänen Ersparnisanträge stelle, so muß ich zunächst einem Einwand begegnen, der wiederholt geäußert worden ist — wenn auch nicht von dieser Stelle —, daß nämlich die Ersparnisse jetzt gar keine Bedeutung mehr hätten, weil die Zeit, für die dieser Etat vorliegt, nun in 8 Tagen .abgelaufen ist, daß mit anderen Worten die Ausgaben, die hier gefordert worden sind, bereits geleistet worden seien. Diese Einwendung gegen die Ersparnisanträge ist nicht richtig. Gewiß werden viele der angeforderten Ausgaben geleistet worden sein, und es können dann in dieser Beziehung auch keine Ersparnisse mehr gemacht werden. Aber es muß festgehalten werden, daß sehr viele Beträge, die hier gefordert werden, noch nicht ausgegeben sind, und daß sich im Hinblick darauf Ersparnisanträge doch rechtfertigen.
Die weitere Rechtfertigung von Ersparnisanträgen liegt darin, daß dieser Etat für die nächsten Monate die Grundlage der Ausgabenwirtschaft der Regierung bilden wird. Wir täuschen uns wohl nicht, wenn wir feststellen, daß es wahrscheinlich Herbst oder noch später wird, bis der Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1950 fertiggestellt ist, und solange das nicht geschehen ist, werden die Grundlagen dieses Haushaltsplanes von Monat zu Monat weiterwirken, und deswegen ist es auch wichtig, weiterhin Ersparnisanträge zu stellen. Schließlich möchte ich noch sagen, daß es in diesem ersten Etat des Bundestages auch gilt, Richtlinien für die kommende Haushaltsgestaltung und für die gesamte Regierungspolitik festzulegen, und deshalb fragt es sich, in welchem finanziellen Umfang das geschehen soll. Auch aus diesem Grunde sind weitere Ersparnisanträge nicht zwecklos, sondern haben einen großen inneren Sinn.
Ich gehe nun nicht auf die Einwürfe ein, die Herr Maier und Herr Ehlers zu machen sich bemüßigt fühlten. Sie nannten meine Anträge nicht sachgemäß, sie nannten sie dilettantisch, und was meinen Anträgen noch mehr an herabwürdigenden Prädikaten nachgesagt wurde. Es ist mir wirklich zu billig, auf derartige Anwürfe überhaupt zu reagieren. Wer einen Mann, der hier seine Anträge stellt, mit solchen Mittelchen herabwürdigen will, ,der mag das vor seinem eigenen Gewissen verantworten. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß jeder, der hier seine Anträge stellt, mag er sein, wer er will, eine innere Berechtigung dazu hat. Woher nun der Herr Ehlers und der Herr Maier ihre Berechtigung zu der Behauptung nehmen wollen, sachverständiger zu sein als ich, das überlasse ich ihnen. Ich stehe bereits 40 Jahre im politischen Leben,
abgesehen von der nationalsozialistischen Zeit.
Ich habe jedenfalls in sehr vielen Fällen in der Kommunal-, Kreis- und Landespolitik erheblich mit Etatdingen zu tun gehabt, und wenn ich also hier Anträge stelle, so kann man die nicht damit abtun, daß man sie als dilettantisch und unsachverständig hinstellt. Das überlasse ich den Leuten, die solche Behauptungen aufstellen. Ich überlasse es im übrigen dem Hause, was es davon hält, und auch wenn das Haus meine Anträge ähnlich beurteilen sollte, wie einzelne Herren es getan haben, so fühle ich mich vor meinem Gewissen und vor der Wählerschaft doch berechtigt,
diese Anträge zu stellen, und zwar aus dem einfachen Grunde zu stellen, weil die dringende Not unserer Wirtschaft, die hohe Steuerbelastung, die beinahe ins Unerträgliche geht, und überhaupt die gesamten Verhältnisse es erfordern, daß wir alles tun müssen, um die Ausgaben zu vermindern. Jeder mag das auf seine Weise tun. Glauben Sie nicht, daß ich mich jetzt auf die herabwürdigenden Beurteilungen meiner Herren Vorredner einlassen werde!
Ich habe meine Anträge weiter gestellt und werde sie weiter stellen. Ob sie berechtigt sind oder nicht, wird sich ja in den nächsten Monaten und Jahren erweisen. Ich glaube, daß wir früher oder später auf diese Anträge im einzelnen wieder zurückkommen werden und daß auch von anderer Seite ähnliche Anträge gestellt werden, wenn wir erst ein halbes Jahr oder ein Jahr weiter sind.
Nun zu den Einzelpunkten, die von einzelnen Herren auch wieder in unglaublicher Weise entstellt worden sind. Ich komme zunächst zu Kap. 1 Tit. 1. Hier fordere ich, daß das Amtsgehalt eines Bundesministers von 36 000 auf 24 000 DM ermäßigt werden soll. Ich stelle natürlich zu allen Einzelplänen diesen Antrag, und es ist selbstverständlich eine Lächerlichkeit, zu behaupten, das bezöge sich nur auf den Innenminister. Im
übrigen bin ich weiter der Meinung, daß auch diejenigen Gehälter, die um die Ministergehälter kreisen, derart vermindert werden müssen, wie es die Finanzlage heute gebietet.
- Ich habe es bei dem Bundeskanzler und bei dem Bundespräsidenten beantragt, die Gehälter entsprechend herabzusetzen, und das andere wird sich dann ja von selbst ergeben.
— Wenn dieser Antrag angenommen wird, wird es ja nachher die Aufgabe des Haushaltsausschusses sein, auch die entsprechenden Folgerungen daraus zu ziehen.
— An diesen Formalien können wir die Dinge jedenfalls nicht scheitern lassen. Ich überlasse es Ihnen, da die entsprechenden Anträge auf Herabsetzung der Staatssekretärgehälter und der anderen Gehälter zu stellen.
Wenn Sie wirklich die Vertreter des Arbeiterstandes und des arbeitenden Volkes sein wollen, dann müssen 'Sie diese Anträge stellen; wenn Sie Sie nicht stellen, dann tun Sie etwas, was Ihrer vorgegebenen Absicht nicht entspricht.
Zu Kap. 1 Tit. 1 habe ich weiter den Antrag gestellt, die Zahl der Beamtenstellen von 122 auf 100 zu senken. Ich habe das in der bewußten Erkenntnis getan, daß heute im Innenministerium auch Staatsaufgaben übernommen werden, die dort nicht erledigt zu werden brauchten. Wenn da kritisiert worden ist, ich hätte das im einzelnen noch begründen müssen, so hat der Herr Ehlers — dieser ist es, glaube ich, gewesen — gerade damit bewiesen, daß er vom Haushaltsrecht unid vom Recht des Haushaltsausschusses keine Ahnung hat; denn wenn er wirklich weiß, wie sich der Haushaltsausschuß und das Plenum gegenüber der Regierung verhalten, so weiß er ganz genau, daß die Regierung mit den gegebenen Stellen eine Organisation durchführen soll und daß das nicht die Aufgabe des Plenums und des Haushaltsausschusses ist. Ich beantrage also hier ohne nähere Begründung — denn die würde ja viel zu weit führen —, diese Stellenzahl zu vermindern.
Unter den Ausgaben sind in Kap. 1 Tit. 3 45 000 DM für Hilfsleistungen durch Beamte angesetzt. Zu Tit. 4 werden 97 Stellen angefordert. Ich beantrage, diese Zahl auf 80 zu vermindern,
so daß wir insgesamt 180 Beamte im Innenministerium haben.
Daraus erklärt sich dann auch die beantragte Herabsetzung von 45 000 auf 30 000 DM.
Bei Tit. 7a dreht es sich um die Trennungsentschädigungen. Hierfür sind 190 000 DM angefordert. Ich habe schon gestern bei meinen Anträgen zu den Einzelplänen hervorgehoben, daß diese Trennungsgelder vermindert werden können, nachdem wir Gemeinschaftsküchen und gemeinsame Unterkunft eingeführt haben. Die Ausgaben für Trennungsgelder können deshalb auf die Hälfte ermäßigt werden. Ich beantrage, den Betrag von 190 00b DM auf 95 000 DM zu senken.
In Tit. 11 wird ein Betrag von 20 000 DM angefordert, den ich auf 10 000 DM zu ermäßigen bitte,
da solche hohe Ausgaben für die Geschäftsbedürfnisse nicht gerechtfertigt sind, auch wenn man die Erläuterungen berücksichtigt.
In Tit. 12 bitte ich, statt des Betrages von 6000 DM die Summe von 4000 DM einzusetzen. Da es sich um die Erhaltung und Ergänzung von Geräten und Ausstattungsgegenständen in den Diensträumen, die alle neu eingerichtet worden sind, handelt, ist ein solch hoher Betrag nicht zu rechtfertigen.
Zu Tit. 13 — Bücherei — habe ich beantragt, den angesetzten Betrag zu streichen.
Ich habe gestern dazu schon Ausführungen gemacht, wiederhole sie aber für die Herren, die gestern nicht anwesend waren. Ich habe gesagt, daß für die Büchereien alle Beträge gestrichen werden sollen, um schließlich eine einheitliche Bibliothek für alle Regierungsstellen, für alle Ministerien einzurichten,
die dann wirklich etwas Großes und Bedeutendes leisten kann, jedenfalls mehr leisten kann, als wenn wir uns hier bei den einzelnen Regierungsstellen und Behörden zersplittern und da-. durch die für die Büchereien vorgesehenen Ausgaben doch nicht dazu ausreichen,
um eine Bibliothek von besonderer Güte und großem Umfang entstehen zu lassen.
— Es ist ja ganz selbstverständlich, daß von der linken Seite gesagt wird, wir seien kulturfeindlich und hätten für Bücher, Büchereien oder Bibliotheken nichts übrig.
Ich wünschte nur, daß die Herren, die sich heute als Kritiker aufwerfen, schon soviel in Bibliotheken und Büchereien gearbeitet hätten, wie ich das getan habe;
dann würden Sie verstehen, daß ich ein Freund und nicht ein Gegner der Bücher und der Büchereien bin. Das nur nebenbei! Es wird ja vergeblich sein, die Herren über meine Absichten belehren zu wollen.
Sie können auch denken und sagen, was Sie wollen; mir ist das ganz egal.
Ich bitte, den Redner nicht allzusehr durch Zwischenrufe zu stören.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei Titel 15 bitte ich, den Betrag von 10 000 DM auf 5000 DM zu ermäßigen, weil für die Unterhaltung oder Instandsetzung der Dienstgebäude jedenfalls kein höherer Betrag erforderlich ist.
In Tit. 16 sind für die Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen 40 000 DM angefordert. Ich beantrage, diesen Betrag auf 25 000 DM zu senken, da das reichlich genug ist.
In Tit. 18, meine Damen und Herren, haben wir es mit den Ausgaben für Dienstkraftwagen und -krafträder zu tun. In dem Etat für das Innenministerium sind sechs Dienstkraftwagen angefordert. Ich habe die Überzeugung, daß drei Dienstkraftwagen vollständig genügen.
Darf ich die Herren Zwischenrufer bitten, sich gegebenenfalls zum Wort zu melden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Infolgedessen haben wir statt der vorgesehenen 12 000 DM nur 8000 DM angesetzt. Wenn Sie es begründen wollen, daß mehr Dienstkraftwagen benötigt werden, dann können Sie das tun; ich überlasse Ihnen das.
In Tit. 20 sind an Kosten für Sachverständige 10 000 DM ausgeworfen. Dieser Betrag ist nach meiner Auffassung überflüssig; denn was hier vor mir sitzt, sind ja alles Sachverständige,
und diese arbeiten ja kostenlos im Rahmen ihrer
Aufwandsentschädigungen. Da brauchen wir nicht
noch besondere Sachverständige zu bezahlen. Diese
würden ja schließlich auch nichts anderes sagen als
das, was die Mehrheit gern hört und wünscht.
In Tit. 23 zu b) haben wir den Zuschuß an die Gemeinschaftsküche, die ich durchaus bejahe; aber der Zuschuß braucht doch nicht so hoch zu sein. Man war ja auch im Haushaltsausschuß der Meinung, daß die Kosten dieser Gemeinschaftsküche von denjenigen aufgebracht werden sollen, die sie benutzen. Deshalb ist der Zuschußbetrag von 7 100 DM, den wir beantragen, ausreichend.
In Tit. 24 werden zur Verfügung des Bundesministers für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen 10 000 DM gefordert. Ich beantrage, diesen Betrag zu streichen, und zwar aus dem einfachen Grund, daß wir keinen außergewöhnlichen Aufwand zu treiben brauchen.
Der Herr Bundesinnenminister hat noch weniger Anlaß als irgendein anderer Minister, so etwas zu tun. Mehr will ich darüber nicht sagen. Wer den dienstlichen Aufwand auf Kosten unseres Volkes unterstützen will, soll meinen Antrag ablehnen.
In Tit. 31 sind Zuschüsse von 300 000 DM zur Förderung von Bestrebungen von gesamtdeutscher oder internationaler Bedeutung auf dem Gebiete der kulturellen Angelegenheiten, des Gesundheitswesens, der Fürsorge, der Jugendwohlfahrt und der Leibesübungen angesetzt. Der Betrag dieser Zuschüsse ist exorbitant hoch und kann unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht befürwortet werden.
Ich habe deshalb beantragt, die Summe auf die Hälfte herabzusetzen.
In Tit. 32 dreht es sich um Zuschüsse für Verwaltungsbehörden und Einrichtungen, die auf Grund des Art. 130 des Grundgesetzes dem Bundesministerium des Innern unterstellt werden sollen. Auch dieser Betrag ist viel zu hoch gegriffen. Es genügt die Hälfte.
Und nun kommen wir zu den einmaligen Ausgaben unter Kap. E 11, zunächst in Tit. 1, die erstmalige Beschaffung von Büromöbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen, die auf 80 000 DM festgesetzt ist. Es ist im Haushaltsausschuß wiederholt davon gesprochen worden, daß diese Summen zu hoch sind. Ich beantrage deshalb, sie auf 60 000 DM herabzusetzen.
Im weiteren sind im Tit. 3 desselben Kapitels für die erste Einrichtung von Büchereien 30 000 DM angesetzt. Ich beantrage, diese Summe zu streichen, und beziehe mich da auf das, was ich vorhin über die Büchereien überhaupt gesagt habe.
Unter Kap. E 11 Tit. 5 stehen 55 000 DM zur Anschaffung von 6 Kraftfahrzeugen. Wenn wir die Zahl auf drei herabsetzen, wie ich das beantragt habe, so genügt natürlich ein Betrag von 30 000 DM.
Damit bin ich am Ende meines Antrages,
und ich bitte Sie, trotz gegenteiliger Versicherung
bei näherer Überlegung diesen Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zinn.
Fürchten Sie nicht, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen auch einen derart langen Waschzettel vorlege.
Ich habe nur eine kurze Bemerkung zu machen. Der Herr Bundeskanzler hat, als er noch Präsident des Parlamentarischen Rates war, kurz vor oder nach Verabschiedung des Grundgesetzes einmal in einem persönlichen Gespräch die Bemerkung gemacht, er habe das Grundgesetz als Ganzes noch nicht gelesen. Ich weiß nicht, ob dieses Wort wahr oder falsch ist. Aber man kann manchmal versucht sein anzunehmen, daß man zum mindesten im Bundesinnenministerium das Grundgesetz noch nicht oder jedenfalls recht spät gelesen hat.
Die Verordnung zur Durchführung des Art. 132, von der bereits mein Freund Maier sprach und die nur bis zum 6. März dieses Jahres durchgeführt werden konnte, hat man erst wenige Tage vorher erlassen. Es waren also zur Durchführung dieser Verordnung, über deren Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit ich im Augenblick nichts sagen will, nur wenige Tage Zeit. Ich weiß nicht, ob es Absicht war, sich selbst in Zeitnot zu bringen. Der Eindruck
könnte immerhin entstehen. Aber der Kollege Maier hat vorhin erklärt, daß wir demnächst bei der Stellungnahme zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Verordnung die Frage an den Herrn Bundesinnenminister richten würden, welches Ergebnis die Durchführung dieser Verordnung hatte. Bei der mir eigenen Neugier möchte ich diese Frage heute bereits stellen; und ich glaube, daß der Herr Bundesinnenminister in der Lage ist, uns zu sagen, jedenfalls noch im Laufe des Tages mitzuteilen, wieviel Beamte der Hunderttausende von Beamten und Angestellten bis zum 6. März mangels persönlicher oder fachlicher Eignung entlassen worden sind.
Vor etwa einem Jahre hat der leider verstorbene, der CDU angehörende frühere Reichsfinanzminister, zuletzt Finanzminister des Landes WürttembergBaden, Herr Dr. Köhler, eine sehr scharfe Kritik an der Überbesetzung der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, aber auch an der vielfach fehlenden fachlichen Eignung dort tätiger Beamter und Angestellter geübt. Dieser Umstand ist es gewesen, der dazu Veranlassung gegeben hat, den Art. 132 in das Grundgesetz aufzunehmen. Der Parlamentarische Rat hat sich damals an die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, auch an den Präsidenten des Wirtschaftsrats gewendet, um zu verhüten, daß man im letzten Augenblick noch Beamte in das lebenslängliche Beamtenverhältnis überführt, wie das geschehen ist. Man hat in Frankfurt, insbesondere im Wirtschaftsrat
selbst durch den Präsidenten des Wirtschaftsrates, den jetzigen Bundestagspräsidenten, vierzehn Tage bis drei Wochen, ehe sich der Bundestag hier versammelte, noch schnell eine ganze Reihe von Angestellten, bei denen man bei näherer Nachprüfung nicht ohne weiteres von der fachlichen Qualität und Eignung überzeugt sein kann, in das lebenslängliche Beamtenverhältnis überführt.
Um so mehr befremdet es, daß das Bundesinnenministerium, das ja als das Verfassungsministerium hier gepriesen wurde und von dem man infolgedessen eine besondere Kenntnis des Grundgesetzes erwarten sollte, diese Verordnung erst im letzten Augenblick vorgelegt hat. Wir sind gespannt zu hören, was dabei herausgekommen ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Niemand in diesem Hause und niemand, der von praktischer Verwaltung eine Ahnung hat, —
— Sie wissen ja noch nicht, was ich sagen will, Herr Kollege Ritzel. Also meinetwegen auch: fast niemand — wenn Sie ausgenommen werden wollen — wird den Herrn Bundesinnenminister um sein Amt und seine Aufgabe beneiden;
denn der Neuaufbau — —
— Ich weiß nicht, ob Sie dabei waren, Herr Dr. Greve.
— Nun hätten Sie nur noch sagen müssen: leider!
Meine Damen und Herren! Die Aufgabe, die dem Herrn Bundesinnenminister beim Neuaufbau eines deutschen Bundesstaates gestellt ist, ist so groß und umfangreich, daß er hierfür zweifellos einer gut ausgebildeten und gut durchgebildeten Verwaltung bedarf. Aber diese Verwaltung muß unter zwei Grundsätzen stehen, dem äußerster Sparsamkeit und dem der Wahrung der Zuständigkeiten, die das Grundgesetz dem Bund einerseits und den Ländern andererseits gibt.
Aus dem Haushaltsplan selber vermögen Sie darüber ja weniger zu ersehen. Aber wenn Sie Gelegenheit hatten, einen Blick in den Organisations- und Stellenplan des Ministeriums zu werfen — was mir selbst erst heute vormittag möglich war, und ich glaube, viele von Ihnen haben es überhaupt noch nicht getan —,
dann bekommen Sie Zweifel, ob diesen Geboten voll Rechnung getragen ist. Es scheint mir so, als ob, ich will nicht sagen: in der Vorstellung, aber doch im Unterbewußtsein einiger Herren des Ministeriums die Meinung bestände, daß es sich hier nicht um ein neues Ministerium des Bundesstaates, sondern sozusagen um ein irgendwie gewandeltes und wiedererstandenes Reichs- und Preußisches Innenministerium unseliger Zeiten handele.
Verwunderlich ist es für jeden, der draußen in der Verwaltung gestanden ist, daß hier zwei Referate für das Gebiet der Kommunalpolitik geschaffen werden, obwohl doch eigentlich — ich glaube, vom Herrn Berichterstatter wurde schon darauf hingewiesen, daß das Bundesinnenministerium ein Ministerium ohne untere Verwaltung ist — gar keine Fälle zur Entscheidung an das Ministerium herangetragen werden. Auch Aufgaben der Gesetzgebung obliegen auf dem Gebiete der Kommunalverwaltung nicht diesem Ministerium. Wir haben von einer Reichsgemeindeordnung genug und benötigen keine zweite!
Wenn wir hier schon einige Bedenken haben, so sind diese Bedenken um so stärker, wenn wir den Stellenplan der Abteilung III des Ministeriums sehen, der Abteilung, die sich den kulturellen Angelegenheiten des Ministeriums zuwendet.
Fünf der Gebiete, die hier aufgezeigt sind, gehören zur Zuständigkeit des Bundes, das Gebiet der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, des Schutzes des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland, das Bundesarchiv und die Rahmengesetzgebung über die Presse und über den Film. Was sonst noch darin steht, das gehört nicht in die Zuständigkeit des Bundes, das gehört in die Zuständigkeit der Länder: das Schulwesen, das Hochschulwesen, die Kirchen, das Archivwesen und der Rundfunk sind Landes- und nicht Bundesangelegenheiten!
Für diese insgesamt zehn Gebiete, bei denen aber bloß für fünf die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist, sind nicht weniger als sieben höhere Beamte unter Führung eines Ministerialdirektors tätig. Man will uns die Sache schmackhaft machen, indem man auf den Gebieten, wo unstreitig der Bund nichts zu
sagen hat, von Mitwirkung und Beobachtung spricht.
— Wenn Sie das Grundgesetz gelesen haben, Herr
Dr. Greve, wird es auch für Sie unstreitig sein. Dieses Grundgesetz ist ja in vieler Hinsicht unvollkommen, vor allem vom Standpunkt föderalistischer
Wünsche aus, aber auf dem kulturpolitischen Gebiet
gibt es eindeutig den Ländern die Zuständigkeit, die
sie seit jeher — mit Ausnahme des Nazireiches —
in Deutschland gehabt haben und für alle Zukunft
behalten müssen. Wenn man uns die Sache schmackhaft machen will, indem man von Beobachtung
spricht, dann muß ich sagen: in einem Zeitalter, in
dem wir sparen müssen, können wir uns nicht wahl-
los sieben höhere Beamte zur Beobachtung leisten.
Außerdem wissen wir gar nicht, wozu diese Männer da sein sollen. Man sagt: um diesem Hohen Haus Auskunft über kulturpolitische Dinge zu geben. Dieses Hohe Haus hat so viel Arbeit, daß es gar nicht dazu kommen wird, sein Interesse noch auf Gebiete zu lenken, für die es nicht zuständig ist. Außerdem hat sich die Konferehz der deutschen Kultusminister bereitgefunden, auf jede Frage, die aus diesem Hause oder dem Bundesrat an sie gerichtet wird, so schnell wie möglich eine Antwort zu geben, so daß sie auch hier bekanntgegeben werden kann.
Aus diesen Gründen, die ich dargelegt habe, hat die Landesgruppe der Christlich-Sozialen Union einen Antrag eingebracht, den ich gleich dem Herrn Präsidenten überreichen darf, wenn er ihn noch nicht erhalten haben sollte, in dem beantragt wird, zu kürzen, und zwar die Ministerialdirektorstellen von 3 auf 2, die Ministerialratsstellen von 26 auf 25, die Regierungsdirektorstellen von 5 auf 4, die Oberregierungsratstellen von 18 auf 17 — wir sind also sehr bescheiden und kürzen nur das, was auf dem Kultursektor überflüssig ist — und die Amtsratsstellen von 23 auf 21.
Meine Damen und Herren! Ich möchte zusammenfassend — nachdem Sie offenbar, Herr Dr. Greve, nicht geneigt sind, auf diesem Gebiet längere Ausführungen zu hören, und es auch gar nicht notwendig ist, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit die Debatte weiter fortzusetzen — in Klarheit und Deutlichkeit feststellen, daß wir der Person des Innenministers des Bundes und seiner großen Aufgabe Vertrauen entgegenbringen und ihn unterstützen; gegenüber einem Bundeskultusminister, möge er heißen, wie er wolle, möge er offen oder getarnt auftreten, werden wir von der Christlich-Sozialen Union stets energische Opposition anmelden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine Damen und Herren! Was sich eben in diesem Hause abgespielt hat, war eigentlich hochinteressant : Ein Redner der CDU/ CSU kommt herauf und macht große Töne, wie überbesetzt das ganze Innenministerium sei, wie hier viel zuviel Beamtenstellen, hohe Beamtenstellen, geschaffen sind, weil nämlich gar keine Zuständigkeit für diese Beamten da ist. — Und dann kommt sein Antrag. Da kommt nun nicht mal ein lächerliches Mäuslein aus dem Berg heraus, da
kommt nur noch ein Würmlein aus dem Berg oder ein Erdfloh!
Etwas anderes ist es wirklich nicht mehr! Er, der
CSU-Vertreter, will kürzen — man höre und
staune! —, er will die 26 Ministerialratsposten auf
25 kürzen! Herr Collega von der CDU/CSU, vielleicht ist es Ihnen gar nicht zum Bewußtsein gekommen, wie lächerlich diese ganze Kürzung, dieser Antrag ist,
der so gut wie gar keine Kürzungen bringt! Denn ob Sie in diesem weit übersetzten Ministerium 26 Ministerialratsstellen oder 25 haben, da beißt die Maus keinen Faden ab, wie wir in Bayern sagen!
W i r haben Ihnen etwas anderes vorzulegen: einen Antrag der WAV; er ist dem Herrn Präsidenten bereits überreicht. Ich möchte Ihnen vortragen, wie w i r hier diese wahnsinnig übersetzten Ministerialratsstellen kürzen wollen. Wir wollen statt
26 Ministerialräten 12 Ministerialräte in diesem Ministerium haben,
und das reicht noch bis in die Haut hinein! Es ist hier keineswegs nötig, daß man hergeht und in diesem Ministerium schon eine so große Zahl von Ministerialdirektoren und Ministerialdirigenten hat. Wir wollen ein en Ministerialdirektor und zwei Ministerialdirigenten an Stelle von drei Ministerialdirektoren und vier Ministerialdirigenten. Das ist unser Antrag, und das genügt voll und ganz! Wenn man weiß, daß ein Bundesminister und ein Staatssekretär in diesem Ministerium vorhanden sind — wenn dann noch ein Ministerialdirektor und zwei Ministerialdirigenten hinzukommen, die auch nichts anderes sind als Ministerialdirektoren, so genügt das bis obenhinaus in einem Ministerium, dessen Kompetenzen nach der Verfassung zum allergrößten Teil in den Händen der Länder liegen.
Die Kürzung bei den Ministerialräten habe ich Ihnen schon genannt. Zwölf Ministerialräte sind schon zuviel.
— Ja, Sie werden vielleicht noch sparen lernen müssen, Herr Kollege, namentlich wenn die Marshallplangelder versiegt sein werden, im Jahre 1952 oder schon vorher; dann werden Sie vielleicht lernen, eisern zu sparen! Ich befürchte aber, Sie werden es niemals mehr lernen,
sondern Sie wollen nur möglichst viele Posten haben; damit möglichst viele Ihrer Parteifreunde und der Freunde Ihrer Parteifreunde dort untergebracht werden können, denn sonst würden Sie uns einen so wahnsinnig übersetzten Haushaltsplan für das Innenministerium nicht vorlegen.
Wir beantragen einen Ministerialdirektor, zwei Ministerialdirigenten, zwölf Ministerialräte, vier Regierungsdirektoren, die ebenfalls im Range eines Ministerialrats stehen, und zwölf Oberregierungsräte. Das langt in Hülle und Fülle, und jeder, der etwas von innerer Verwaltung versteht
und von der Leitung eines Ministeriums schon mal was gehört hat, weiß, daß eine solche Zahl höherer und höchster Beamten bis obenrauf genügend ist und daß, je mehr hohe und höchste Beamte in einem Ministerium sich befinden, je mehr Sie Einzelreferate schaffen, um so größer die Reibungsflächen zwischen den Referaten werden und um so größer
die Chance wird, daß das Ministerium im Leerlauf arbeitet.
Wir wollen auch das Amtsgehalt des Bundesministers nicht auf 36 000 jährlich festgesetzt wissen, sondern wir glauben, daß ein Betrag von 24 000 DM, zu dem dann noch Aufwandsentschädigungen mit allem anderen hinzukommen, schon zuviel ist und schon fast nicht mehr verantwortet werden kann. Aber wir wollen Ihnen keineswegs die Möglichkeit geben zu sagen, wir stellten hier irgendwie Anträge, die im Volk draußen nicht von jedem verstanden werden könnten. Ich glaube, jeder, auch der eingefleischteste CDU-Anhänger wird diesen Betrag, dieses Grundgehalt bereits als völlig genügend erachten.
Meine Damen und Herren! Ich möchte generell zum Kapitel Innenministerium des Bundes folgendes sagen. Ich habe die große Befürchtung, daß diese sogenannten Beobachtungsreferate und ihre Dezernenten, von denen heute schon mal die Rede war, nichts anderes sein werden als ein Hemmschuh gerade auf dem Wege einer richtigen Auslegung der Bundesverfassung. Ich glaube, daß alle diese Referate in kürzester Zeit in Kompetenzstreitigkeiten mit den einzelnen Länderbehörden geraten werden und daß sich hieraus noch mehr unnütze Leerlaufsarbeit in den betreffenden Behörden ergeben wird.
Wir von der WAV können nicht verstehen, meine Herren von den Regierungsparteien, wie Sie heute angesichts dieser ungeheuerlichen Not unseres Volkes ein solches Budget, einen solchen weit übersetzten Stellenplan des Innenministeriums überhaupt aufstellen konnten. Und wenn heute einer aus Ihren Reihen, der Herr Dr. Jaeger, hergegangen ist und so getan hat, als würde er dagegen meckern, dann zeigt uns das deutlicher als alles andere,
wie sehr hier die öffentliche Meinung gewisse Abgeordnete von Ihnen bereits unter Druck gesetzt hat. Denn wenn e i n Ministerium in seinem Aufbau hypertrophisch genannt werden muß — es müssen alle in diesem Budget genannt werden, ich habe darüber schon gestern gesprochen —, aber wenn eines besonders hypertrophiert ist, dann ist es der Haushaltsplan des Innenministeriums!
Wir legen Ihnen deshalb den Antrag der WAV ganz besonders ans Herz, hier rücksichtslos in dem von uns vorgeschlagenen Umfang zu streichen. Dann werden Sie nicht bloß eine viel bessere Arbeit des Ministeriums bekommen, sondern Sie werden darüber hinaus Tausende und Hunderttausende von D-Mark an Gehältern ersparen können, und mit diesen Gehältern können Sie dann etwas für Wohnungsbauten, für Flüchtlingshilfe, für die Ausgebombten und für die Kriegsversehrten leisten. Das ist der Antrag, den die WAV Ihnen in puncto Bundesinnenministerium zu überreichen hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Fink.
Dr. Fink : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich möchte nur ganz kurz zu einem Punkt in den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Leuchtgens Stellung nehmen, nicht deswegen, weil ich glaube, daß dieser Posten, um den es sich hier handelt, der wichtigste ist, sondern weil ich der Überzeugung bin, daß er doch zu den wichtigsten Posten in einem Haushaltsplan, sei es nun
des Innenministeriums, sei es anderer Ministerien oder des Bundestages, gehört.
Herr Kollege Leuchtgens hat, wie auch schon gestern bei anderen Ministerien, den Betrag, der für die Bücherei des Innenministeriums angesetzt ist, bemängelt und seine Streichung beantragt. Ich möchte doch darauf hinweisen, daß eine Bücherei zu den dringenden Erfordernissen jeder Behörde, mithin auch eines Ministeriums, gehört, um die Arbeits- und Leistungsfähigkeit einer solchen Behörde zu gewährleisten. Gerade hier zu sparen, finde ich am falschen Fleck gespart, denn was hier eingespart wird, muß auf der anderen Seite wieder draufgezahlt werden. Es geht nicht an, daß man sagt, wie Herr Kollege Leuchtgens ausgeführt hat, eine einzige Bibliothek genüge für den Bedarf des Bundestages und der Ministerien in ihrer Gesamtheit. Dann könnte man schließlich auch einfach sagen: wir schaffen eine Enzyklopädie an, ein Konversationslexikon, woraus jeder das, was zu seinem Fach gehört, auswendig lernt und woraus sich sein Wissen für seinen Arbeitsbereich und sein Geschäftsgebahren rekrutiert. Soweit dürfen wir mit der Sparsamkeit nicht gehen. Denn eine gut ausgestattete Bibliothek und ein entsprechend ausgestattetes Archiv gehören zum Handwerkszeug auch des Politikers, des Staatsmanns, des Ministers, des Abgeordneten, genau wie das Handwerkszeug auch für den Gewerbetreibenden und den Handwerker notwendig ist.
Ich möchte Sie also bitten, gerade in diesem Punkt keine Sparsamkeit walten zu lassen. Denn jede Mark, die hier mehr aufgewendet wird, wird auf der anderen Seite eine Ersparnis in der so reichlichen und überreichlichen Arbeit des Bundestages und der Ministerien bringen, und wir wollen doch, daß die Regierung und der Bundestag auch arbeitsfähig sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gaul. — Er ist offenbar nicht da.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hamacher.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Jaeger geben mir Veranlassung, zu dem Thema Kulturpolitik das Wort zu nehmen.
Ich würde es aufs tiefste bedauern, wenn die Mehrheit des Hauses die von Herrn Dr. Jaeger verlangte Streichung des Ministerialdirektors für Kulturpolitik vornehmen würde.
Warum? Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten auf einen Aufsatz aufmerksam machen, der am 22. Oktober vorigen Jahres von Justiz- und Kultusminister Dr. Süsterhenn im „Rheinischen Merkur" veröffentlicht worden ist unter dem Titel „Die Länder als Träger deutscher Kulturpolitik". Wer diesen in seinem Inhalt und in seiner Formulierung sehr bedeutsamen Aufsatz aufmerksam durchliest, wird — und das hat mir der Verfasser selber zugegeben — diesem Aufsatz auch die Überschrift geben können „Bund und Länder als Träger deutscher Kulturpolitik". Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wenige Sätze zur Erhärtung dieser Behauptung vorlesen. Da heißt es:
Eine neue Situation ist für die Kulturverwaltung der deutschen Länder auch insofern geschaffen worden, als nunmehr das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist und die Organe der deutschen Bundesrepublik konstituiert sind. Nach dem Grundgesetz bleibt die Kulturhoheit der Länder grundsätzlich aufrechterhalten. — Wir wollen wohl bedenken, welche außenpolitischen Kräfte bei dieser Festlegung der Kulturpolitik auf dem Bereich der Länder nun mitgewirkt haben, und das könnte bedenklich stimmen für die Gestaltung der deutschen Kulturpolitik schlechthin. —
Und dann heißt es weiter:
Auf dem Gebiete der Gesetzgebung hat der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung das Recht, Gesetze über den Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland sowie über die Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu erlassen. Im Rahmen der Bedarfs- und Grundsatzgesetzgebung kann der Bund die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films sowie den Naturschutz und die Landschaftspflege regeln. Im übrigen enthält das Grundgesetz im Grundrechte-Abschnitt eine Reihe von Rahmenvorschriften, wie zum Beispiel die über die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Freiheit der Religionsausübung, die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, die Freiheit der Lehre, das elterliche Erziehungsrecht, den Religionsunterricht in den höheren Schulen, das Recht zur Errichtung von Privatschulen und im Artikel 140 über die Rechtsstellung der Kirchen.
Diese wenigen Sätze mögen genügen, meine sehr
verehrten Damen und Herren, um darzulegen, daß
es auch eine gesamtdeutsche Kulturpolitik geben
muß und daß es zumindest eine maßgebende Instanz im Innenministerium geben muß, die die
Aufgabe hat, diesen ganzen Fragenbereich so sorgfältig zu behandeln, wie es für die Gestaltung einer neuen deutschen Kulturpolitik unbedingt notwendig ist.
Ich mache aber auf einen weiteren Übelstand aufmerksam, der sehr bedenkliche Formen anzunehmen scheint. Das ist das ganze Gebiet der Schulpolitik. Wer die Schulpolitik in den einzelnen Ländern — nicht nur das Gebiet der Volksschulen und der Fachschulen, sondern vor allem das Gebiet der höheren Schulen und der Hochschulen — in den einzelnen Ländern mit Aufmerksamkeit betrachtet und beobachtet, der wird mir nicht widersprechen können, wenn ich sage: wenn die Länder als Träger deutscher Kulturpolitik und insbesondere der Schulpolitik noch weiter so selbständig und ohne koordinierende Gesetzgebung des Bundes fortfahren, dann wird die Freizügigkeit Tausender und aber Tausender Eltern und Familien zum Schaden der Kinder unmöglich sein, und dann werden sich die Länder so auseinanderregieren, daß wir uns nach 10 oder 20 Jahren auf dem Gebiet der deutschen Kulturpolitik überhaupt nicht mehr wiederfinden.
(Abg. Dr. Baumgartner: Warum immer
das Mißtrauen gegen die Länder?)
— Darf ich bitten, den Zuruf nochmals zu wiederholen?
— Ich habe absolut kein Mißtrauen gegen die Länder, und man wird mir nach meiner jahrelangen Mitgliedschaft im Reichsrat nicht den Vorwurf machen können, daß ich irgendein Gegner des Föderalismus sei. Im Gegenteil, wenn ich weiter auf den Zwischenruf eingehen darf, dann möchte ich Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß gerade das Verhältnis zwischen Zentralgewalt und Teilgewalt, zwischen Einheit und Vielheit, zwischen Reich und Ländern das Thema der tausendjährigen deutschen Geschichte ist, und daß die in Betracht kommenden Stellen im Laufe der letzten Jahrhunderte es leider nicht verstanden haben, zwischen diesen Polaritäten eine sogenannte Spannungseinheit herbeizuführen. Wir wissen, daß dieser tausendjährige Kampf zwischen Reich und Ländern, zwischen Zentralgewalt und Teilgewalt zugunsten der Vielheit in Deutschland ausgegangen ist, während in unserem Nachbarlande das gerade Gegenteil der Fall war. Und gerade diese Tatsache hat die Gestaltung der Kulturpolitik, hat aber auch
— um das nebenbei zu erwähnen; das gehört allerdings zu einem anderen Thema — die Gestaltung unserer Grenzlandpolitik wesentlich beeinflußt. Diese Spannungseinheit, die wohl, wie gesagt, keine Spaltung ist, sondern eine Einheit, die gilt es nicht nur auf dem Gebiete der Wirtschaft, der Finanzen und der anderen sachlichen Aufgabengebiete zu erhalten, sondern vor allem auf dem Gebiete der gesamten deutschen Kulturpolitik. Denn es gibt nun mal nicht n u r eine Kultur der Länder. Und ich denke gar nicht daran, irgendwie die kulturpolitischen Leistungen eines Landes wie Bayern etwa verkleinern zu wollen, abgesehen davon, daß wir mehrere Länder haben, von denen wir noch nicht wissen, ob sie in der bisherigen Form bestehen bleiben oder nicht. Aber niemand wird bestreiten können, daß das gesamte deutsche Volk im Laufe seiner mehr als tausendjährigen Geschichte auch eine große gesamtdeutsche Kulturpolitik getrieben hat
und daß auch vom Ausland her warnende, mahnende Stimmen in immer steigender Zahl kommen, unter allen Umständen dafür zu sorgen, daß auf dem Gebiet der höheren Schulen und der Hochschulen die geistige Höhe des deutschen Volkes nicht nur wiederhergestellt, sondern möglichst noch gesteigert wird.
Meine Damen und Herren, wenn wir nur auf einem Gebiet die Möglichkeit sehen, zur vollen politischen Gleichberechtigung und zur politischen Freiheit des deutschen Volkes wieder emporzusteigen, dann eben auf dem Gebiet der Pflege der höheren Schulen und der Hochschulen. Denn von den Hochschulen, von den Universitäten aus müssen wir das gesamte deutsche Bildungswesen sehen und es von unten auch dementsprechend aufbauen. Und wenn auf diesem Gebiet diese Spannungseinheit erhalten bleibt, dann bleibt den Ländern, und vor allem auch Bayern und Nordrhein-Westfalen und auch Niedersachsen — und wie all die Länder heißen mögen — ein solch großes Feld der Entfaltung, der freien Gestaltung der Kulturpolitik auf allen Gebieten, daß die Föderalisten über irgendeine Neigung zum Zentralismus nicht zu klagen haben. Aber auch für die Länder
und auch für Bayern — und ich denke hier an einen Ausspruch des bayerischen Ministerpräsidenten Ehard — gilt auch, daß über dem Ganzen, über der Vielheit der Länder die Einheit des Bundes stehen muß, und daß wir alle von diesem Bund aus, von diesem Parlament aus, danach trachten müssen, daß diese Spannungseinheit der deutschen .Geschichte zwischen Zentralgewalt und Teilgewalt, zwischen Bund und Ländern nicht zuungunsten des Bundes und damit zum Schaden des deutschen Volkes gefährdet wird.
Herr Dr. Baumgartner, über die Zeit der Zensuren sind wir doch alle hinaus!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bergstraeßer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist beantragt worden, den im Tit. 31 ausgeworfenen Betrag um die Hälfte zu kürzen. Man scheint sich darüber gar nicht klar zu sein, was dieser Titel überhaupt bedeutet oder bedeuten wird. Ich möchte ein wenig überspitzt sagen: im nächsten Etat werden wir eine Null anhängen müssen, denn unter diesem Titel gehen Dinge wie die Max-Planck-Gesellschaft und ähnliche Institute. Unsere Wissenschaft und mit unserer Wissenschaft auch unsere Ausfuhr hängen davon ab, daß diese Institute so gut wie nur irgend möglich ausgestattet sind
und daß diese Institute so gut wie möglich arbeiten können. Ich erinnere mich dabei noch einer komischen Geschichte, die einmal in Elsaß-Lothringen passiert ist, wo der Rechnungshof anfragte, warum für ein chemisches Institut eine Schale in Silber angeschafft worden sei, worauf dann der Rechnungshof die Antwort bekam: weil sie in Gold zu teuer war. Es sollte für derartige Aufgaben nichts zu teuer sein. Wir brauchen das unumgänglich, sonst kommen wir noch mehr zurück, als wir zurückgekommen sind. Denken Sie daran, daß jedes neue Patent, das wir bekommen werden, uns Devisen bringen wird.
Es gibt übrigens jetzt schon eine ganze Menge von Anstalten, die sich an uns gewendet haben, die nun wirklich von gesamtdeutschem Interesse sind. Denken Sie etwa an das Goethehaus. Wir haben das Goethejahr hinter uns. Ich will keine Kritik an diesem Goethejahr üben, aber immerhin sollten wir die Verpflichtung haben, daß wir das Goethehaus mit seinen wertvollen Beständen wieder in Ordnung bringen.
Ich will nun noch ein Zweites besprechen, denn das scheint mir doch im Augenblick notwendig zu sein. Ich komme zu dem Herrn Kollegen Ehren. Herr Kollege Ehren, glauben Sie, daß es richtig ist, eine Autorität zu schaffen als Scheinautorität, die nicht wirkt? Jede Schmutz- und Schundgesetzgebung hat nur den einzigen Effekt, daß sie die Leute, die bisher vielleicht gleichgültig gewesen sind, reizt, verbotene Schriften in die Hand 'zu nehmen. — Ich habe jetzt einen wundervollen Fall gehabt. Ich habe mich an die Oberstaatsanwaltschaft in Mannheim, die eine Schrift wegen Schmutzes verurteilt hat, gewandt und habe sie gebeten, mir diese Schrift zu schicken. Diese Schrift ist eingezogen, und es war das letzte Exemplar, wie man mir schrieb. Vierzehn Tage später kam ich nach Mainz und fand diese Schrift in allen möglichen Kiosken. Da sehen Sie schon die äußere Unmöglichkeit, einzugreifen.
Nun noch etwas Weiteres. Was ist nun eigentlich Schund? Kein Mensch hat je irgendwie definieren können, was Schund ist. Wenn man als Schund etwa bezeichnen würde das, was im Menschen eine lächerliche Illusion entwickelt, dann wäre der ganze Nationalsozialismus Schund gewesen. Ich stimme dem gern zu. Aber es wäre ja auch vieles andere Schund — zum Beispiel die meisten Kinovorstellungen, in denen den Menschen ein Leben vorgetäuscht wird, das doch völlig unwirklich ist.
Und nun zum Schmutz. Schmutz bezieht sich auf das Verhältnis der Geschlechter; so ist es definiert im Strafgesetzbuch.
Können Sie aber damit denn wirklich etwas anfangen? Wer kauft denn schon derartige Schriften? Doch nur die, die schon irgendwie dazu angeregt sind; andere berührt es nicht. Im Gegenteil, je mehr man diese Dinge frei läßt, desto besser. Sonst kommen so schöne Dinge vor wie diese, daß Tizians „Himmlische und irdische Liebe" beschlagnahmt wird — Tatsache! — oder daß die „Römischen Elegien" von Goethe verboten werden, die doch immerhin vielleicht die schönsten deutschen Liebesgedichte sind, und ähnliches mehr. Glauben Sie, daß es irgendjemand schadet, wenn er diese Gedichte liest? Ich glaube es nicht.
Dann hat man eine große Untersuchung darüber angestellt, ob nun der nackte weibliche Körper eine ganz große Gefahr für den Menschen sei. Meine Damen und Herren, ich habe in diesem Büchlein, das in Mannheim beschlagnahmt wurde, Fotografien gesehen; es sind Aktfotografien. Nun macht man die diffizile Unterscheidung, Aktfotografien seien unsittlich, der durch den Künstler gestaltete Akt sei nicht unsittlich. Ich habe diese Fotografien gesehen; ich kann beim besten Willen nicht finden, daß sie unsittlich oder auch nur sexuell anreizend sind.
Aber was ist sexuell anreizend? Man muß von diesen Dingen einmal sprechen. Wenn Sie heute in eine Bahnhofsbuchhandlung gehen — ich bin in Frankfurt, in Mainz, in Darmstadt in Buchhandlungen gewesen —, dann finden Sie Dutzende von diesen sogenannten illustrierten Wochenschriften, die nichts weiter sind als nun wirklich ganz übles Zeug, und deren Reißerei besteht nicht darin, daß sie auf dem Titelblatt eine nackte weibliche Figur zeigen, sondern eine zu 20% angezogene weibliche Figur, und wenn irgend etwas wünschenswert wäre, so wäre es vielleicht das, daß der Herr Verkehrsminister — ----
Der Herr Abgeordnete hat es nicht so gemeint!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— daß der Herr Verkehrsminister etwas darauf schaute, daß er Verträge machte mit den Bahnhofsbuchhandlungen, die ihnen die Möglichkeit geben, anständige und billige Unterhaltungsliteratur zu liefern. Sehen Sie, wenn Sie in England mit der Eisenbahn fahren, so fin-
den sie in jeder Bahnhofsbuchhandlung die billigen sogenannten Pinguin-Bände; in Deutschland finden Sie weder Insel-Bände noch Pieper-Bände noch Reclam-Bände, sondern Sie finden nur ein paar ganz teure Romane oder besagten Schund. Da könnte man eingreifen.
Aber das braucht man nicht durch Gesetz zu tun, sondern das kann man auf einem anderen Wege tun; das ist möglich und ist nützlich.
Ich will gerade gegenüber dem Herrn Kollegen Ehren noch einen Kronzeugen erwähnen, der Ihnen vielleicht ein Kronzeuge ist: das ist nämlich der Kultusminister Dr. Stein von der CDU in Hessen. Der Kultusminister Dr. Stein hat kürzlich eine Rede gehalten, in der er auf das schärfste jede Schmutz- und Schundgesetzgebung ablehnt. Er hat in dieser Rede gesagt, daß nachweislich, seitdem in einem anderen Lande nach dieser Literatur gefahndet wird, der Vertrieb dieser Literatur auch im angrenzenden Hessen zugenommen hat. Die Folge einer solchen Gesetzgebung wäre also keine andere, als daß diese Literatur im Wert, in der Anschaffungsmöglichkeit, im Begehren steigt und daß Sie genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie erreichen wollen.
Nun ist die Sache so: Wenn man ein Gesetz beschlossen hat und es nicht wirklich durchführen kann, so kompromittiert man nicht nur Gesetz und Gesetzgeber, sondern im Grunde genommen kompromittiert man den ganzen Staat, und dieser Gesichtspunkt scheint mir doch heute sehr wichtig zu sein. Nach der ungeheuren Erschütterung des Rechtsempfindens hat es gar keinen Sinn, daß man noch Gesetze macht, die doch nicht durchgeführt werden und das Rechtsempfinden erschüttern.
Ich will noch zu einem ganz anderen Punkt etwas sagen. Es ist hier vom Paßwesen die Rede gewesen. Ich möchte auch dazu einige Bemerkungen machen. Ich glaube, es wäre im Interesse der Besatzungsmächte selbst, wenn sie das Paßwesen möglichst bald in deutsche Hände gäben; denn das Paßwesen ist so, wie es jetzt gehandhabt wird, derartig, daß die deutsche Bevölkerung — ich kann das durchaus offen aus vielfacher Erfahrung sagen — es als eine ganz üble Schikane empfindet. Man muß selbst bei dringenden Angelegenheiten wochenlang warten, bis man überhaupt noch einen Paß bekommt. Diese Behörde ist nämlich — wenigstens in der amerikanischen Zone nicht dem Landeskommissar unterstellt, sondern sie ist eine selbständige Behörde, und ihre Selbständigkeit besteht darin, daß sie alles einfach willkürlich hinauszieht. Das schafft nur eine völlig unsinnige Animosität, und es schafft sie sogar mit Recht. Infolgedessen wäre es im Interesse der Besatzung selbst besser, wenn das unterbliebe.
Nun noch zu der Abteilung III! Es ist hier ein merkwürdiges Wort gefallen, nämlich die Abteilung III sei zu teuer. Wenn man die Abteilung III auch in- den Dingen richtig arbeiten läßt, in denen nicht eine unmittelbare Zuständigkeit des Bundes vorhanden ist, wenn man ihr die Möglichkeit gibt, in Verbindung mit dem Kulturpolitischen Ausschuß des Bundesrats sowie in Verbindung mit dem Kulturpolitischen Ausschuß des Bundestags dahin zu arbeiten, daß gewisse äußere Dinge koordiniert werden — und das wäre ja schon eine sehr wichtige Aufgabe —, dann würde der deutschen Bevölkerung sehr viel Geld erspart werden.
Es wurde hier von der Freizügigkeit geredet, die nicht mehr besteht. Ich möchte wohl wissen, wieviele Beamtenkinder oder sonstige Kinder, deren Eltern den Aufenthalt wechseln müssen, ein halbes Jahr oder ein Jahr oder noch mehr verlieren, weil sie nicht unmittelbar in die geeignete Schule gehen können. In der einen wird Französisch gelehrt, in der anderen fängt man -mit Englisch an. Ich brauche Ihnen das alles ja nicht darzulegen. Wenn man diese Abteilung ein wenig taktvoll arbeiten läßt — und ich zweifle nicht daran, daß sie taktvoll arbeiten wird —, dann wird sich das viel mehr rentieren, als wenn man in einer, ich möchte doch sagen, sehr kleinlichen Weise spart.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gaul.
Meine Damen und Herren! Alle Herren Vorredner haben zu der Abteilung III gesprochen, und so ist es eigentlich zum ersten Mal, daß kulturpolitische Fragen von dieser Stelle aus behandelt worden sind. Aber bei der Behandlung hat man doch deutlich an einzelnen Stellen gemerkt, daß überall auf den erhobenen Finger hingeblickt wurde: die Kulturhoheit ist Sache der Länder, und dem Bund ist nur das Allgemeine nach Artikel 7 und insbesondere nach Artikel 74 Ziffer 5 und Ziffer 13 zugewiesen. Nun, ich meine: so ängstlich wie der Herr Kollege Dr. Jaeger sollten wir gar nicht sein. Ich bin persönlich der Meinung, daß wir an dieser Stelle einmal zu einer ganz großen kulturpolitischen Debatte kommen müssen, und zwar im Interesse unseres Bundes, der Ausbildung und Erziehung unserer Kinder im Bund. Wir wollen den Bayern ihre Eigenart nicht nehmen, den Hessen und auch den anderen nicht. Aber über den Bayern und den Hessen steht uns doch der Deutsche. Wir haben so viel wertvolles, gutes Bildungsgut, das wir allen unseren Kindern gleichmäßig vermitteln wollen, damit sie es annehmen und weiterbringen und weiterfördern.
Ich wundere mich ein wenig über die Ausführungen meines verehrten Herrn Kollegen Dr. Decker, der im Kulturpolitischen Ausschuß so fleißig und so ordentlich mit uns gearbeitet hat, der aber heute den Kultusetat, den Etat für die Kulturabteilung rundweg abgelehnt hat.
— Ganz etwas anderes! Das habe ich mir gedacht. — Ich hatte bei seiner Rede den Eindruck, er hätte vorher noch einmal die Entschließung der Ständigen Konferenz der Kultusminister vom Oktober 1949 gelesen. Sie werden sich entsinnen: kaum war der Kulturpolitische Ausschuß hier verfassungsrechtlich mit einer starken Mehrheit geschaffen worden, da bekamen wir alle eine Entschließung der Ständigen Konferenz der Kultusminister, die in dem wunderschönen Städtchen Bernkastel gefaßt worden war. In dieser Entschließung war uns gesagt worden: die Kulturhoheit ist ausschließlich Sache der Länder, und wir werden darüber wachen, daß unsere Verantwortlichkeit, unsere Verantwortung nicht von irgendeiner anderen Stelle geschmälert wird. Ich las ein paar Tage danach in der „Frankfurter Neuen Presse" einen Aufsatz mit der Überschrift: „Das trojanische Pferd". Auch da war der Zeigefinger erhoben und gesagt worden: Aus dem Kulturpolitischen Ausschuß beim Bundestag kann heute oder morgen das Bundeskultusministerium werden, und das wollen wir unter keinen Umständen. Das ist
genau das, was der Herr Kollege Dr. Jaeger heute sagte: wir brauchen nur die Minister in der Ständigen Konferenz zu fragen; sie alle werden uns auf unsere Fragen Antwort geben. Die Ständige Konferenz der Kultusminister soll bestehen bleiben. Aber der Bundesrat hat sich nun auch noch einen Kulturausschuß des Bundesrats geschaffen, und wenn es bis dahin noch nicht offensichtlich war, daß eine solche Stelle geschaffen werden mußte, nämlich unser Kulturpolitischer Ausschuß beim Bundestag, dann wäre dieser Beschluß des Bundesrats, einen Kulturpolitischen Ausschuß zu schaffen, der beste Beweis dafür.
Meine Damen und Herren! Wir wollen in unserem Ausschuß ja keine Streitereien. Uns kommt es nicht auf Kompetenzstreitigkeiten an. Zu Streitigkeiten haben wir keine Zeit und auch keine Lust. Wir wollen hier die Möglichkeit schaffen, die Kulturabteilung wirklich pfleglich und gut zu verwalten. Wir wollen dafür sorgen, daß die zweite Lehrerprüfung, die in Bayern abgelegt wird, nun auch in anderen Ländern gilt oder daß die zweite Lehrerprüfung, die in Hessen abgelegt wird, auch in Bayern gilt. Es muß verhindert werden, daß Leute, die in Hessen die Lehrerprüfung abgelegt haben, etwa in Bayern nicht zur Anstellung kommen können. Das sind Aufgaben, die wir tatsächlich einer Stelle, die nicht Befehle oder Weisungen geben soll, sondern die eine empfehlende Stelle, eine Ordnungsstelle ist, wie hier von einem Redner gesagt wurde, übertragen wollen. Wir wollen hoffen, daß sie diese Aufgaben wirklich mit Verantwortungsbewußtsein für unsere Kultur löst. Die Mittel dafür wollen wir ihr zur Verfügung stellen.
Wenn wir für die Förderung der Forschung und der Wissenschaft Geld ausgeben — und wir werden heute oder morgen einen Antrag einreichen, in dem wir 50 Millionen aus den ERP-Mitteln dafür fordern —, so meine ich, daß wir noch viel mehr Mittel für diese Stelle ausgeben sollten; denn die alte Binsenwahrheit — und Binsenwahrheiten sind am Ende ja die Wahrheit — ist die, daß die Forschung von heute der Fortschritt von morgen ist. Wohin sollen wir kommen, wenn wir überall dort, wo es sich um kulturelle Ausgaben handelt, immer ganz fest die Hand auf den Beutel legen? Was nützt uns alles, wenn schließlich die Menschen, die heranwachsen und für die wir tatsächlich durch diese Stelle etwas wie eine Förderungsstelle schaffen wollen, Leib und Seele verlieren, d. h. wenn wir irgendwelche Güter gewinnen und für den Nachwuchs, für die Erziehung unserer Kinder, für unsere Kultur sowenig Sinn haben.
Deswegen habe ich für meine Fraktion zu sagen: wir stimmen der Bildung dieser Abteilung zu und werden ihr auch Mittel, wenn auch in unserer Lage bescheidene Mittel zubilligen, damit sie ihre Aufgaben für jetzt und für die Zukunft glücklich lösen kann.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wohltuende mittägliche Gelassenheit, die so lange über diesem Hause gelegen hat, ist ja nun wieder gewichen. Ich möchte deshalb einigen der Sprecher auf ihre Ausführungen eine kurze Antwort geben.
Ich glaube feststellen zu dürfen, daß im ganzen der Etat des Bundesinnenministeriums eine wohlwollende und positive Beurteilung erfahren hat, bis in den Bereich der Opposition hinein. Es sind von verschiedenen Sprechern Anregungen gegeben worden. Wenn ich ,auf diese Anregungen jetzt nicht sofort im einzelnen eingehe, so bedeutet das in keiner Weise die Mißachtung dieser Anregungen. Ich darf versichern, daß ich diese Anregungen sehr wohl zur Notiz genommen habe und daß sie ihre ernste Würdigung finden werden.
Ich möchte nur zu der einen Anregung, die von meinem Freund Ehlers bezüglich der Vorlage eines Schmutz- und Schundgesetzes vorgebracht wurde, weil darüber eine breitere Debatte stattgefunden hat, sagen, daß die Vorlage in aller Kürze da sein wird. Sie ist deshalb lange vorbereitet worden, um eine öffentliche Meinungsbildung zu ermöglichen, ehe die Sache in feste Form und zur endgültigen Entscheidung kommt.
— Zwickelerlaß? Den brauchen wir nicht.
Nun möchte ich den Kritikern einiges sagen. Es sind hier wohl drei Gruppen von Kritikern zu Wort gekommen.
Die erste Gruppe waren die sozialdemokratischen Sprecher Maier und Zinn. Es ist u. a. bemängelt worden, daß die Verordnung zu Artikel 132 des Grundgesetzes einen bestimmten Inhalt hat und daß sie zeitlich recht spät gekommen ist. Was das erstere anbelangt, so darf ich in aller Bescheidenheit des Demokraten sagen, daß nicht ich die Verordnung erlassen habe, daß es vielmehr die beiden gesetzgebenden Körperschaften getan haben. Was den Zeitpunkt anbelangt, so darf ich Sie, Herr Zinn, versichern, daß das recht späte Herauskommen der Verordnung darin seinen Grund hat, daß die Landesregierungen ihre Stellung zu dieser Verordnung erst sehr spät fixiert haben. Anfänglich war bei den Landesregierungen keine Neigung, überhaupt an einer Verordnung aus Artikel 132 mitzuarbeiten. Man war überwiegend ablehnend. Dann haben um Neujahr herum eine Reihe von Landesregierungen diesen ihren ablehnenden Standpunkt revidiert und gesagt, es möchte doch eine Verordnung gemacht werden. Erst damit begann sich die Möglichkeit abzuzeichnen, daß im Bundesrat eine Mehrheit für die Verordnung sein würde.
Herr Zinn hat nach der Zahl der Anwendungsfälle gefragt. Darauf kann ich im Augenblick sicherlich keine abschließende Antwort geben, einfach deshalb, weil die Meldungen darüber noch nicht da sind. Aus dem Bereich des Bundesverkehrsministeriums sind bisher 318 Fälle einer Versetzung in den Ruhestand, 63 Fälle einer Versetzung in den Wartestand, 136 Fälle einer Herunterstufung in den Bezügen mitgeteilt worden, alles in allem also eine Anwendung in 517 Fällen. Aus dem Bereich der Zollverwaltung liegen 14 Fälle einer Versetzung in den Ruhestand, 5 Fälle einer Versetzung in den Wartestand, 17 Fälle einer Herabstufung, insgesamt 36 Fälle vor. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Insbesondere fehlen alle Anhaltspunkte dafür, in welchem Ausmaß Landes- oder Kommunalverwaltungen von dieser Verordnung Gebrauch gemacht haben.
Ich schlage vor, die weitere Behandlung dieser Verordnung aus Artikel 132 dem zuständigen Aus-
schuß im Bundestag zu überlassen, der ja auf Grund des SPD-Antrages, den wir in der vergangenen Woche hier behandelt haben, sowieso mit diesem Thema befaßt ist. Dort wird über alles eine volle Auskunft und Aufklärung gegeben werden.
Herr Maier hat dann unter den Personalien sonderlich den Fall des Sportreferenten Diem zur Kritik gestellt. Auf diesen Fall möchte ich hier eingehen. Zunächst ist festzustellen, daß Herr Professor Diem lediglich ein nebenamtlicher Referent im Bundesinnenministerium ist. Er war kein Parteigenosse und genießt in beachtenswerter Weise das Vertrauen weitester Kreise und amtlicher Stellen in Deutschland und im Ausland. Zum Beleg dafür erwähne ich aus Vorgängen der letzten Vergangenheit lediglich folgendes. Professor Diem wurde noch im vergangenen Jahr von allen Sportfachverbänden einstimmig zum Schriftführer des Nationalen Olympischen Komitees gewählt. Er wurde im Februar dieses Jahres einstimmig zum ersten Vorsitzenden des Rheinischen Turnerbundes wiedergewählt. Er wurde von den zuständigen Stellen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen nach dem Kriege zum Rektor der Sporthochschule in Köln und zum Professor für Körpererziehung an der Universität in Köln bestellt.
Er war 1948 der einzige deutsche Ehrengast auf der Olympiade in London, er war 1949 deutscher Gast auf dem Internationalen Stockholmer Turnfest. Er ist heute noch Mitglied der Amerikanischen Akademie für Körpererziehung. Er ist also ein Mann, über den man nicht so einfach urteilen kann, wenngleich ich unumwunden zugebe, daß die von Herrn Maier verlesenen Zitate mir einen wenig erfreulichen Eindruck machen.
Die andere Gruppe von Kritikern hat sich vornehmlich mit der Abteilung III, d. h. mit den kulturellen Angelegenheiten im Bundesinnenministerium, befaßt. Da möchte ich Herrn Decker und meinem Fraktionskollegen Jaeger folgendes sagen. Es ist nicht richtig, daß nur fünf der in der Abteilung III vorgesehenen Arbeitsgebiete eine ausdrückliche, buchstäbliche Fundierung im Grundgesetz haben. Es wird zum Beispiel übersehen, daß doch sicherlich eine Bundeszuständigkeit für das Archivwesen nicht zweifelhaft sein kann. Der Bund braucht sein eigenes Archiv, und der Bund wird eine große Anstrengung daran wenden müssen, daß die vielfältigen Archivmaterialien Deutschlands, die nach dem Kriege ins Ausland verbracht worden sind, wieder zu uns zurückkehren. Wichtigste Stücke zur Erkenntnis unserer eigenen deutschen Geschichte sind uns fortgenommen. Wir werden sie wiedererlangen müssen, wenn wir überhaupt einmal zu einem lückenlosen Bild über unsere eigene Vergangenheit kommen wollen.
Es ist sodann u. a. gesagt worden, auf dem Gebiete der kirchlichen Dinge hätte der Bund keine Zuständigkeit. Ja, meine Damen und Herren, so einfach kann man das nicht erklären, selbst wenn es eindeutig ist, daß der Schwerpunkt dieser Dinge bei den Ländern liegt. Die beiden großen christlichen Kirchen begegnen uns auch auf Bundesebene,
bezüglich der katholischen Kirche im Rahmen der Konkordatsfragen, bezüglich der evangelischen Kirche einfach auf Grund der Tatsache, daß sie ja doch in der „Evangelischen Kirche in Deutschland" auch einen gesamtdeutschen Zusammenschluß darstellt. Auch ihr müssen wir einen Gesprächspartner auf der Bundesebene gegenüberstellen können. Also so einfach kann man die Zusammensetzung der Arbeitsgebiete in der Abteilung III nicht zerpflücken.
Der Schwerpunkt der Kritik lag offensichtlich bei den schulischen und hochschulischen Informationsreferaten oder Teilreferaten. Ich brauche hier nicht mehr viel zu sagen, nachdem dankenswerterweise verschiedene Sprecher aus dem Hause schon positiv zu den Dingen Stellung genommen haben. Insbesondere Herrn Dr. Hamacher bin ich für das, was er aussprach, sehr dankbar. Ich möchte nur das eine hinzufügen, daß die Verweisung auf eine Hilfsstellung der Kultusministerkonferenz, die ja auch ausgesprochen wurde, nicht ziehen wird. Die Kultusministerkonferenz hat mir in der Tat angeboten, nötigenfalls alle derartigen Materialien dem Bund anzudienen, wenn man darum bitten würde. Nun bin ich aber in der Tat der Meinung, daß der Bund auf diesen wichtigsten Gebieten des kulturellen und, ich möchte auch ruhig sagen, des nationalen Lebens in Deutschland eigene Informationsquellen haben muß.
— Das Präsidium, nein, es ist sogar die ganze Konferenz der Kultusminister, meine sehr verehrten Herren aus dem Bayernlande, hat bisher nach meiner Meinung das gebotene Maß an Zusammenarbeit mit einem Bundesministerium des Innern leider vermissen lassen.
Es wird unter den Kultusministern der deutschen Bundesländer nicht für selbstverständlich gehalten, daß man das Bundesinnenministerium überhaupt an den Beratungen der Kultusministerkonferenz beteiligt.
Man lädt uns bisher zu diesen Konferenzen nicht ein, obwohl nun wahrlich kein Zweifel darüber sein kann, daß der Bund in diesem Falle eine ganze Reihe von unbestreitbaren Arbeitsgebieten hat.
— Haben will? Herr Dr. Baumgartner, Sie können doch nicht bestreiten, daß im Grundgesetz eine Reihe von kulturellen Angelegenheiten dem Bund bündig zugesprochen sind.
Das können Sie z. B. weder bezüglich des Films noch bezüglich der Presse noch bezüglich der Abwanderung deutschen Kulturguts noch bezüglich des Rundfunks — mit bestimmten Einschränkungen natürlich — bestreiten.
— Darüber wollen wir zu gegebener Zeit im einzelnen sprechen. Ich bin der Meinung, daß auch da gewisse Mitwirkungen des Bundes gegeben sind. Im übrigen hat sich ja der Bundestag längst mit diesen Dingen befaßt. Ich erinnere nur an die Diskussion über den Stockholmer Wellenplan.
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Ich bitte, den Herrn Bundesinnenminister anzuhören.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte diesen Teil meiner Antwort abschließen, indem ich nur noch sage: wenn die deutsche Kultur in ihrer nationalen und internationalen Repräsentanz auf der Bundesebene nicht auch einen Ministerialdirektor wert ist, dann möchte mir das nur leid tun!
Was schließlich noch die dritte Gruppe meiner Kritiker anbelangt, nämlich die Herren Dr. Leuchtgens und Loritz, so bin ich der Meinung, daß deren Kürzungsvorschläge erwägenswert werden würden, wenn ich als Ausgleich für die dann im Bundesinnenministerium wegfallenden Stellen vielleicht die Mitarbeit dieser beiden erfahrenen Herren ins Auge fassen dürfte.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Aussprache über Einzelplan VI in Verbindung mit Drucksache Nr. 676.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die Abänderungsanträge. Wir stimmen zuerst über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 752 der Herren Abgeordneten Dr. Leuchtgens und Genossen ab.
— Es schellt im ganzen Haus. — Wer für diesen Abänderungsantrag Drucksache Nr. 752 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist fast einstimmig abgelehnt.
— Pardon, Frau Abgeordnete, ich glaube, meine Feststellung war zutreffend.
Wir kommen dann zu der Drucksache Nr. 759, Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen dann zu dem bisher noch nicht verteilten Abänderungsantrag der Fraktion der WAV, von dem ich annehmen darf, daß er von dem Herrn Antragsteller im einzelnen vorgetragen ist, so daß sich seine Verlesung erübrigt. Wer für diesen Abänderungsantrag der Fraktion der WAV ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich glaube, eine Gegenprobe erübrigt sich.
-- Die Gegenprobe wird gewünscht. Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist eindeutig die Mehrheit.
Meine Damen und Herren, die übrigen Abänderungsanträge — ich richte diese Frage an die Herren Antragsteller von der SPD — sind heute früh bereits durch die Vorabstimmung erledigt? — Wir können infolgedessen nunmehr über den Einzelplan VI einschließlich der in Drucksache Nr. 676 ausgeworfenen Einnahmen- und Ausgabesummen im ganzen abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um
die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist dieser Einzelplan VI angenommen.
Wir treten nunmehr in die Beratung von Einzelplan VII, Bundesministerium der Justiz, in Verbindung mit der Drucksache Nr. 677 ein:
Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz für das Rechnungsjahr 1949 21. September 1949 bis 31. März 1950).
Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Steinhörster das Wort.
Ich darf vorher noch die geschäftliche Mitteilung machen: Der Herr Bundesminister für ERP-Angelegenheiten hat mir inzwischen Nachricht zukommen lassen, daß er zwischen vier und fünf Uhr erscheinen wird.
Bitte, Herr Abgeordneter Steinhörster!
Meine Damen und Herren! Die vorliegende Drucksache Nr. 677 enthält in der Anlage den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz. Ich bitte, die Anlage zur Hand zu nehmen.
Bei einer Personalstärke von 67 Beamten und 73 Angestellten schließt dieser Haushalt ab in Einnahmen mit 183 300 DM und in Ausgaben mit 1 518 600 DM. Es ergibt sich somit ein Zuschußbedarf von 1 335 300 DM. Gegenüber dem ersten Entwurf des Ministeriums bedeutet das eine Erhöhung des Zuschußbedarfs um 41 900 DM.
Im einzelnen werden die Beträge verwendet für persönliche Verwaltungsausgaben mit 631 600 DM, für sächliche Verwaltungsausgaben mit 188 000 DM, für allgemeine Haushaltsausgaben mit 500 000 DM und für einmalige Ausgaben mit 149 000 DM. Das ergibt insgesamt eine Summe von 1 468 600 DM, und hinzu kommt noch ein Ausgabebetrag von 50 000 DM für die Bundesgerichte.
Dieses Ergebnis, meine Damen und Herren, ist das Resultat eingehender und mehrfacher Beratungen. Der Haushaltsausschuß hat sich vor Eintritt in die Einzelberatungen über den von der Regierung vorgelegten Haushaltsvoranschlag intensiv mit dem Stellen- und Organisationsplan befaßt. Zunächst war in einer allgemeinen Aussprache über die Aufgaben und über den Aufbau des Ministeriums die insgesamt angeforderte Stellenzahl vom Ausschuß als zu hoch angesehen worden. Bei der Erörterung dieses Einwandes gegen die Höhe der Stellenzahl wurde vom Vertreter des Ministeriums darauf hingewiesen, daß man sich bei dem Aufbau des Ministeriums im wesentlichen an die Organisation des früheren Reichsjustizministeriums, wie es vor 1933 bestand, gehalten habe. Dieses habe man deshalb getan — so wurde dem Ausschuß erklärt —, weil auch die heutigen Aufgaben auf dem Gebiete der Justiz in etwa die gleichen geblieben seien, wenn sich auch der Umfang der Aufgaben wesentlich erhöht habe.
Es ist dem Ausschuß weiter gesagt worden, daß es früher zur Zeit des Reichsjustizministeriums eine Arbeitsteilung gegeben habe, die darin bestanden hätte, daß es bei der Vorbereitung von Gesetzentwürfen zwischen dem damaligen preußischen Justizministerium und dem Reichsjustizministerium zu gemeinsamer Arbeit gekommen sei, und aus dem Grunde sei der Personalbestand des früheren Reichsjustizministeriums relativ gering gewesen. Der Ausschuß stellte in diesem Zusammenhang die Frage, ob nicht eine gleiche oder ähnliche Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern
möglich sei, um eine Reduzierung dies Verwaltungsapparates zu ermöglichen.
Eine weitere Frage des Ausschusses an das Ministerium war die, ob nicht durch die Abordnung von Hilfskräften aus den Ländern oder durch die Verlagerung von Aufgaben auf die Länder eine solche angestrebte und wünschenswerte Verkleinerung der Verwaltung möglich sei. Eine solche Lösung schien nach der Meinung des Vertreters des Ministeriums nicht durchführbar, und dieser Auffassung hat sich dann auch der Ausschuß im wesentlichen angeschlossen.
Was nun die Relation innerhalb der Stellen des höheren Dienstes betrifft, so wurde insbesondere die Frage aufgeworfen, welche Begründung für das außerordentliche Überwiegen der Oberregierungsrats- und Ministerialratsstellen gegeben werden könne. Dem Ausschuß wurde eine Erklärung dahin gegeben, daß gerade im Justizministerium die Arbeit als eine Art Kunsthandwerk zu betrachten sei und daß dieses Handwerk heute leider nur wenige Kräfte ganz beherrschten; es fehle gerade hier an geeignetem Nachwuchs. Der Haushaltsausschuß ist im wesentlichen auch dieser Argumentation gefolgt, weil die Verhältnisse zur Zeit tatsächlich so zu liegen scheinen. Der Ausschuß glaubt jedoch, dem Ministerium ganz ernsthaft empfehlen zu müssen, sofort Anstrengungen zu unternehmen, um geeigneten Nachwuchs heranzubilden.
Außerordentlich interessant war 'dem Ausschuß die Bemerkung, daß es dem Ministerium leichter gewesen wäre, Fachkräfte aus den Ländern nach Frankfurt zu ziehen; denn nach dort zu gehen, lag eine größere Bereitschaft vor, als es für Bonn der Fall war.
Der Ausschuß hat mit aller Deutlichkeit zu erkennen gegeben, daß auch das Bundesjustizministerium die Zahl der Ministerialkräfte so gering wie möglich halten solle.
Zum Organisations- und Stellenplan allgemein hat der Ausschuß den Wunsch nach einer strafferen Zusammenfassung geäußert, und das Ministerium ist auch im wesentlichen dieser Aufforderung insofern nachgekommen, als es von der ursprünglich vorgesehenen Anzahl von 23 Referaten abgewichen ist. Es darf in diesem Zusammenhang auf die Ihnen vorliegende Übersicht zu den Drucksachen Nr. 670 his 682, Seite 18, verwiesen werden, die das Ergebnis der Veränderungen im Stellenplan aufweist. Ich darf daher bitten, auf weitere Einzelausführungen in diesem Zusammenhang verzichten zu wollen.
Eine besondere Erörterung bei den Beratungen im Haushaltsausschuß erfuhr das vom Bundesjustizministerium geforderte Dolmetscherbüro. Der Haushaltsausschuß vertrat die Ansicht, daß es sich auch bei dieser Stelle nur um eine Übergangseinrichtung handeln dürfe, da nicht nur die hier anfallenden Arbeiten, sondern überhaupt alle Übersetzungs- und Dolmetscherarbeiten bei dem beim Bundeskanzleramt eingerichteten Sprachendienst bei der Verbindungsstelle zur Hohen Kommission wahrzunehmen sein. Eine nochmalige Überprüfung aber hat dann ergeben, daß es sich beim Justizministerium tatsächlich um einen Sonderfall handelt, und der Ausschuß hat sich den Anforderungen deshalb nicht verschließen können, weil er davon überzeugt wurde, daß die Übersetzer gerade dieses Ministeriums doch sehr weitgehend mit den Ausdrucksformen der ausländischen Rechtssprache vertraut sein müssen.
Der Ausschuß hat im Verlauf der Beratung als Vergleichsmaßstab zur Kenntnis nehmen können, daß der Personalhaushalt beim ehemaligen Zentraljustizamt in Hamburg etwa die gleiche Stärke aufwies wie jetzt der des Ministeriums. Vielleicht ist es auch für Sie interessant, zu erfahren, daß in Hamburg 152 Bedienstete, davon 78 Beamte, beschäftigt wurden, während wir im jetzigen Personaletat eine Anzahl von 67 Beamten und 73 Angestellten finden. Diese Zahl ist also tatsächlich geringer. Das Ministerium aber hat schon heute für 1950 Personalmehranforderungen mit der Begründung in Aussicht gestellt, daß etwa 50 Gesetzentwürfe anstehen, da alle Rechtsgebiete überarbeitet werden müßten. Der Ausschuß wird sich also zu gegebener Zeit erneut mit diesen Fragen zu befassen haben.
Bei der Beratung der im Einzelplan enthaltenen Einnahmepositionen in Kap. 1 hat sich ergeben, daß unter Tit. 4 ein Betrag von 30 000 DM eingestellt werden kann. Diese Einnahmen haben sich aus dem Vertrieb des Bundesgesetzblattes ergeben.
Bei den Ausgaben wies ich bereits auf die in der Ihnen vorliegenden Übersicht enthaltenen Änderungen bei Kap. 1 Tit. 1 hin. Das gleiche ergibt sich bei den Titeln 2 und 4. Weitere Veränderungen bzw. Erhöhungen finden Sie ebenfalls in der Ihnen vorliegenden Übersicht, deren Ergebnis schließlich einen Mehrbetrag von 41 900 DM aufweist. Den Grund dieser Erhöhungen gegenüber den Voranschlägen der Regierung finden Sie ebenfalls dort angegeben.
Ich möchte noch einmal ganz besonders auf Tit. 32 von Kap. 1 hinweisen. Der Ausschuß hält die Einsetzung eines Betrages für Rechtschutzmaßnahmen für im Ausland festgehaltene Deutsche für besonders wichtig.
Bei der unter Kap. 3 veranschlagten Verfügungssumme für den Aufbau der Bundesgerichte in Höhe von 50 000 DM, über die ich schon sprach, hat der Ausschuß die Erklärung des Vertreters des Ministeriums mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß beabsichtigt sei, die Bundesgerichte möglichst bereits zum 1. April 1950 zur Aufnahme ihrer Tätigkeit instand zu setzen.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, noch ein Hinweis auf den im Einzelplan unter Kap. E 11 Tit. 5 veranschlagten Betrag von 35 000 DM für die Einzahlung auf die Stammeinlage der Verlagsgesellschaft des Bundesanzeigers, einer GmbH. Hier hatte der Ausschuß die Genehmigung dieses Titels zurückgestellt, weil die Rechtsverhältnisse hinsichtlich der Beteiligung an der Verlagsgesellschaft des Bundesanzeigers nicht klar genug dargestellt werden konnten und weil auch der diesem Rechtsverhältnis zugrunde liegende Vertrag den Mitgliedern des Ausschusses zum Zeitpunkt der Beratung nicht bekannt war. Bei der zweiten Beratung hat dann das Ministerium eingehende Darstellungen über diese Frage und auch den genannten Vertrag vorgelegt. Der Ausschuß konnte sich von den Verhältnissen ein klares Bild verschaffen, und er hat schließlich auch einer Beteiligung am Stammkapital der Verlagsgesellschaft zugestimmt.
Das, meine Damen und Herren, ist es, was im wesentlichen zu dem Einzelplan VII zu berichten ist. Im Namen des Haushaltsausschusses darf ich Sie bitten, diesem Einzelplan Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat zu dem Etat des Bundesministeriums der Justiz keine Abänderungsanträge gestellt. Das bedeutet nicht, daß die sozialdemokratische Fraktion etwa mit der Politik des Herrn Bundesjustizministers besonders einverstanden wäre.
Nicht aus diesem Grunde hat meine Fraktion darauf verzichtet, Abänderungsanträge zu stellen, sondern das geschah aus dem Grunde, weil wir der Auffassung sind, daß das Bundesministerium der Justiz sachlich gerechtfertigt ist, daß der uns vorgelegte Haushaltsplan sachlich in Ordnung ist und daß auch die in diesem Haushaltsplan enthaltenen Kostenansätze sachlich gerechtfertigt sind. Ich kann es mir deshalb ersparen, im einzelnen auf das einzugehen, was in der Drucksache Nr. 677 enthalten ist.
Nur auf eines möchte ich hinweisen, was auch in den Ausführungen des Herrn Berichterstatters bei der Erörterung von Kap. 3 Tit. 31 zum Ausdruck gekommen ist. In diesem Titel ist für den Aufbau der Bundesgerichte die Summe von 50 000 DM zur Verfügung gestellt worden. Nach meiner Ansicht ist nicht damit zu rechnen, daß die Vorbereitungen in der Organisation der oberen Bundesgerichte so weit abgeschlossen sind, daß die Inangriffnahme der Arbeit durch die oberen Bundesgerichte bereits bis zum 1. April dieses Jahres erfolgen kann. Ich habe für meine Fraktion nur zu erklären: wir haben den Wunsch, daß man sich nicht nur im Bundesministerium der Justiz, sondern in der Regierung endlich darüber klar wird, wie und vor allem wo diese Bundesgerichte eingerichtet werden sollen. Es geht auf die Dauer nicht an, daß man vielleicht lediglich deswegen die Sache ungeklärt läßt, weil man nicht weiß, welche Stadt man mit dem Geschenk eines dieser oberen Bundesgerichte bedenken soll. Wir sind auch der Auffassung, daß die Bundesregierung endlich einmal dem Bundestag einen Plan vorlegen sollte, wohin sie nicht nur die oberen Gerichte, sondern überhaupt die oberen Instanzen der deutschen Bundesrepublik zu legen gedenkt.
Das ist das einzige, was ich zu dem Inhalt des uns vorgelegten Haushaltsplans zu sagen habe. Sie brauchen aber noch nicht zur Abstimmung zu klingeln, Herr Präsident; denn ich habe noch weitere Ausführungen zu machen. Diese befassen sich nicht mit dem, was im Haushaltsplan steht, sondern mit der Politik des Herrn Bundesjustizministers bzw. der Bundesregierung.
Zu dem Abänderungsantrag des Herrn Kollegen Dr. Leuchtgens möchte ich nichts weiter erwähnen. Ich glaube, daß dazu bereits bei der Behandlung des Haushaltsplans des Bundesministeriums des Innern das gesagt worden ist, was auch hier bei dem vorliegenden Haushaltsplan zu sagen wäre.
Meine Damen und Herren, die Ausführungen, die ich zu dem Haushaltsplan ganz allgemein zu machen habe, sind die folgenden. Ich möchte für das Bundesministerium der Justiz das gleiche sagen, was mein Kollege Erler heute bereits für das Bundesministerium des Innern gesagt hat, als er den Ausspruch des früheren Reichsjustizministers Erich Koch-Weser zitierte, daß es sich bei dem Ministerium des Innern um eine Dame ohne Unterleib handle. Das gleiche trifft für das Bundesministerium der Justiz zu. Sie wissen, daß die im Jahre 1934 vollendete, aber in ihren Anfängen und auch in ihrer Vorbereitung weit in die Zeit der Weimarer Republik zurückreichende Justizeinheit, die wir damals in der Verwaltung bekommen haben, mit der Zerschlagung des Deutschen Reiches verloren gegangen ist, daß nach 1948 die Justizhoheit der Länder auf dem Gebiete der Verwaltung wiederhergestellt worden ist und darüber hinaus die Länder mangels einer höheren Einheit weithin auch auf dem Gebiete der Legislative tätig geworden sind, und zwar in einer Art und Weise, daß dabei die Rechtseinheit in Deutschland weithin verloren gegangen ist.
Es ist bedauerlich, daß nach 1945 die Zersplitterung des deutschen Rechts ein derartiges Maß angenommen hat, daß manche Schwierigkeiten heute noch nicht überwunden werden können. Es ist dankenswert, daß der Parlamentarische Rat durch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland wenigstens auf dem Gebiete der Legislative die Einheit des Rechts in Deutschland wiederherzustellen unternommen hat. Da gerade auf dem Gebiet der Administration die Hoheit bei den Ländern liegt, hat das Bundesjustizministerium nach meiner Auffassung eine um so wichtigere Aufgabe in der Behandlung der legislatorischen Angelegenheiten, um die Einheit des Rechts in der Bundesrepublik zu sichern.
Meine verehrten Anwesenden, allein die Anwendung des Rechts und der Gesetze macht bei der heutigen Konstruktion unseres Rechtswesens schon deswegen besondere Schwierigkeiten, weil bei den Gerichten ein verschiedenartiger Aufbau vorhanden ist, selbst dann, wenn die Gesetzeseinheit vorhanden ist. Ich erinnere hier nur an die Schwurgerichte. Wir haben in Bayern andere Schwurgerichte, als wir sie in Nordrhein-Westfalen oder überhaupt in der britischen Zone und in anderen Ländern haben. Gerade weil das so ist, ist die Aufgabe, die das Bundesjustizministerium von der Seite der Legislative her zu erfüllen hat, im Hinblick auf die Sicherung der Rechtseinheit besonders bedeutsam.
Das gleiche gilt selbstverständlich für die Richterausbildung und für die Richterauswahl. Meine Damen und Herren, wenn es dem Bundesjustizministerium nicht gelingt — und wir haben auf diesem Gebiet bisher nichts vernommen, was darauf schließen ließe, daß es ihm gelingt —, in Deutschland die Ausbildung des juristischen Nachwuchses, gleichviel in welchen Sparten die Juristen später einmal tätig sind, und die Auswahl der Richter in allen Ländern der Bundesrepublik nach einheitlichen Gesichtspunkten regeln zu lassen, dann ist allein schon durch die Differenziertheit auf diesem Gebiete die Rechtseinheit in Deutschland, auch wenn sie in der Legislative besteht, gefährdet und wahrscheinlich auf die Dauer 'nicht gegeben.
Diese Sicherung der Rechtseinheit, die wir als eine der wichtigsten Aufgaben des Bundesjustizministeriums betrachten, vermissen wir bisher.
Wir vermissen aber besonders, Herr Bundesjustizminister, daß Sie uns bisher noch nicht bekanntgegeben haben, welches eigentlich die Linie Ihrer Rechtspolitik ist. Wir bedauern das um so mehr, weil Sie ja auf dem Gebiet der hohen Politik durch die Ausflüge, die Sie in dieses Gebiet gemacht haben, besondere Fähigkeiten entwickelt haben. Wir sind der Auffassung, daß Sie besser in der Lage wären, uns auf dem Gebiet der Rechtspolitik konkrete und wichtige Vorschläge zu machen, damit
wir uns zumindest mit ihnen beschäftigen können, damit wir wissen, ob wir Ihrer Rechtspolitik zu folgen in der Lage sind oder ob das bei uns nicht der Fall sein würde. Wir bedauern das um so mehr, weil wir der Auffassung sind, daß die Ausstrahlungen der Rechtspolitik auf alle Gebiete unseres staatlichen Lebens so bedeutsam sind, daß eben mit der Bekanntgabe dieser Ihrer rechtspolitischen Grundsätze nun nicht mehr länger gewartet werden sollte.
Wir haben auch in diesem Hause sehr viel davon gehört — und zwar bei allen möglichen Gelegenheiten —, daß man den Boden des Rechtsstaates nicht verlassen dürfe. Ich glaube, daß ich wohl die richtige Empfindung habe, wenn ich betone, daß sehr oft durch die vielen Ausführungen auf diesem Gebiete durchgeklungen ist, insbesondere wir Sozialdemokraten seien geneigt, den Boden des Rechtsstaatlichen zu verlassen. Ich sagte es in - diesen Tagen gelegentlich einer anderen Erörterung schon: auch wir sind ein gebranntes Kind, das das Feuer scheut. Wir sind nicht gewillt, irgendwie den Boden des Rechtsstaates zu verlassen, weil wir der Auffassung sind, daß dann das nicht aufzuhalten wäre, was wir in Deutschland schon einmal erlebt haben.
Aber, meine sehr verehrten Anwesenden, ist denn überhaupt von uns aus der Rechtsstaat in Gefahr? Wer will denn überhaupt diesem Rechtsstaat zu Leibe? — Ich darf für meine Freunde und mich erklären, daß wir in keiner Weise den Rechtsstaat als solchen irgendwie anzugreifen gewillt sind, daß wir auch nicht gewillt sind, es zuzulassen, den Rechtsstaat als solchen anzugreifen.
Aber der Rechtsstaat ist für uns nichts Abstraktes. Der Rechtsstaat bedeutet für uns nicht nur den Schutz für die Unabhängigkeit und die lebenslängliche Versorgung von manchmal falsch ausgewählten Richtern. Der Rechtsstaat ist nach unserer Auffassung nur dann vorhanden, wenn das Volk als Ganzes Vertrauen zu dem Recht seines Staates hat und auch Vertrauen zur richtigen, und zwar subjektiv ungetrübten Anwendung desselben durch die Richter dieses Staates. Daß wir hier, Herr Bundesjustizminister, besondere Bedenken haben im Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Richter, die ja zu einem großen Teil nicht Ihnen unterstehen, sondern den Länderjustizverwaltungen, das zu wiederholen ist im Hinblick auf die Bedeutsamkeit dieser Angelegenheit auch bei der Beratung des Justizetats die Pflicht meiner Fraktion.
In dem Sinne, wie ich es Ihnen eben skizzierte, haben wir nach unserer Auffassung heute keinen Rechtsstaat, weil das Volk kein uneingeschränktes Vertrauen zu seinen Richtern hat und auch nicht haben kann; denn, meine Damen und Herren, der Staat ist kein Rechtsstaat, in dem die Handhabung des Rechtes schlechthin und des in den Gesetzen seinen Niederschlag findenden Rechtes durch Richter erfolgt, deren gesellschaftliche Zugehörigkeit auch heute noch verdammt einseitig ist, und zwar weithin, und die zu einem beträchtlichen Teil nach ihrer politischen Substanz nicht die geeigneten Garanten für die Anwendung des Rechtes in einem demokratischen Staate und die deswegen auch zu einem Teil nicht brauchbar sind, weil sie eben aus der Vergangenheit her auch noch — und das muß ich ganz offen sagen — politisch belastet sind, und zwar oft in einer Art und Weise, daß wir fürchten, den Rechtsstaat so lange nicht zu bekommen, als das Volk zu diesen Richtern kein Vertrauen haben kann.
In der gesamten Justiz, nicht nur bei den Richtern, auch bei den übrigen Justizbeamten, bei Anwälten, bei Notaren sind sicher noch weithin Relikte aus der Zeit der standesgemäßen Eingruppierung der Richter vorhanden. Das weiß jeder, der wie ich selbst Jurist ist, am allerbesten; und wer von den Juristen, die hier sonst noch im Hause vorhanden sind, das nicht zugeben, sondern bezweifeln wollte, der kommt mit seinem Gewissen, mit seinem Innern, wenn er es ehrlich meint, bestimmt in Konflikt.
Es ist tatsächlich so, daß unsere Richter weithin die sozialen Spannungen, die nun einmal in den letzten Jahrzehnten aufgetreten und auch heute noch vorhanden sind, weder zu erkennen noch zu meistern vermögen, und zwar insbesondere dann nicht, wenn sie Recht und Gesetz anwenden müssen, das noch aus einer — sagen wir mal — überwundenen Zeit her stammt, und ihnen gar keine Möglichkeit gegeben ist, dieses Recht und diese Gesetze nicht anzuwenden. Die Richter haben eben oft dieses Spezifikum nicht, das sie benötigen, wenn die sozialen Spannungen auch zum Kriterium dessen gemacht werden müssen oder sollen, was Inhalt ihrer Urteilsfindung und ihrer Urteile selbst sein sollte.
Und nun frage ich Sie, Herr Bundesjustizminister: was ist auf diesem Gebiet, das ja bestimmt ein rechtspolitisches zu nennen ist, bisher von Ihnen getan, um hier gewisse Änderungen vorzubereiten oder gar schon zu treffen, damit das erreicht werden kann, was sicher auch Ihr Wunsch ist, nämlich daß dieses Vertrauensverhältnis zwischen dem Volk und seinen Richtern hergestellt wird, ohne das es nach unserer Auffassung keinen Rechtsstaat geben kann. Wir haben bis heute noch keine Gesetzesvorlage aus dem Bundesjustizministerium erhalten, in der wir etwa einen besonders fortschrittlichen oder überhaupt nur einen fortschrittlichen rechtspolitischen Geist verspürt hätten, selbst wenn wir uns die für einen Juristen und auch für alle anderen immerhin nüchternen Vorlagen der Novellen zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung, der Strafprozeßordnung betrachten. Ja, meine Damen und Herren, da ist nichts Neues drin, obwohl selbst in diesen Novellen manches Neue hätte enthalten sein können. Hier ist lediglich alt auf neu gemacht worden, und uns erscheint, daß eine fortschrittliche Rechtspolitik, deren Sinn und deren Wesen unserer Zeit entspricht, auch gar nicht möglich ist, wenn man eben nichts anderes tut, nichts anderes tun kann oder tun will, als veraltete, erkaltete Methoden wieder aufzuwärmen.
Herr Bundesjustizminister, wir richten an Sie in diesem Zusammenhang den 'dringenden Appell, mit neuen Gedanken rechtspolitischer Art an Ihre Arbeit zu gehen, an Ihre Arbeit im Großen und auch an Ihre Arbeit im Kleinen. Ich sage Ihnen ganz offen im Auftrage meiner Freunde und auch in meinem eigenen Namen, daß Sie Schiffbruch erleiden werden - und mit Ihnen leider das deutsche Recht in seiner Gesamtheit, die deutsche Justiz und der Gedanke des richtig verstandenen Rechtsstaates —, wenn Sie nicht bald an eine völlige Reorganisation im Sinne einer materiellen und personellen Erneuerung unseres Justizwesens herangehen.
Ich darf Sie nur in diesem Zusammenhang an das Problem der richtigen Richterauswahl erinnern, einer Richterauswahl, die uns vielleicht einen ganz anderen Richterstand bringt, als wir ihn bisher
Rede von: Unbekanntinfo_outline
DM 4 000,— DM zu setzen, In Tit. 24 ist der Betrag zu streichen. In Kap. 3 Tit. 31 sind statt 50 000,— DM 40 000,— DM zu setzen. In Kap. E 13 sind bei den einmaligen Ausgaben in Tit. 1 statt 32 000,— DM 20 000,— DM zu. setzen. In Kap. E 11 Tit. 3 ist der Betrag zu streichen, in Tit. 4 sind statt 35 000,— DM 20 000,— DM zu setzen.
Zum Wort gemeldet haben sich noch die Herren Abgeordneten Ewers und Dr. Wuermeling. — Erst Herr Abgeordneter Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, die Debatte würde ins Leere verlaufen, wenn nicht auf die Ausführungen des Herrn Dr. Greve, auch wenn wir heute eine Generaldebatte an sich grundsätzlich nicht führen wollten, von anderer politischer Seite eine Antwort käme.
Er hat zunächst auf unsere Rechtszersplitterung hingewiesen, aber in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, daß das Bundesjustizministerium eine Vorlage mit langen Anlagen eingebracht hat, die durchzuarbeiten etwa einen Tag beansprucht, in der dieser Zersplitterung in allen Justizangelegenheiten nunmehr endgültig ein Riegel vorgeschoben wird, eine gesetzestechnische Arbeit, die in diesem Hause noch nicht das richtige Wort der Anerkennung gefunden hat, das hiermit auszusprechen ich mich, wie ich glaube, namens aller Juristen dieses Hauses berufen fühlen darf.
Diese Vorlage bearbeitet einen Rechtsstoff, der seit
Beginn der Nazirechtsetzung über die Kriegsgesetzgebung und die wesentlich unübersichtlichere
Nachkriegsgesetzgebung in allen deutschen Ländern einen unübersehbaren Wandel erfahren hat,
und baut daraus nun das neue Gebäude der neuen
Einheit unserer Prozeßgesetze auf. Sie behandelt
dabei auch, was Herr Dr. Greve offenbar mangels
Studiums dieser Vorlage noch gar nicht erkannt
hat, insbesondere die Nachwuchsfrage, nämlich im
Gerichtsverfassungsgesetz, indem sie auch hier aus
den verschiedenen Methoden, die sich inzwischen
in den Ländern eingeführt haben, versucht, eine Einheit zu ziehen.
Wenn man also in diesem Sinne über die Notwendigkeit der Vereinheitlichung unseres auseinandergespaltenen, bedauerlich verworrenen Rechts ein Wort spricht, hätte es sich gehört, daß man diese Leistung des Justizministeriums, die in bemerkenswert kurzer Zeit hergestellt worden ist; dankend anerkannt hätte.
Ich hoffe, daß der Bundestag mit derselben Raschheit diese eminent umfangreiche Vorlage verabschieden wird.
Dagegen hat Herr Dr. Greve kritisch bemerkt, daß in dieser Vorlage neue Rechtsgedanken noch nicht hinreichend zu Raume kämen, eine Berner- kung, die unzweifelhaft zutreffend ist. Das hätte ihn nicht merkwürdig berühren können, wenn er auch nur die ersten Worte der Begründung dieser Vorlage flüchtig durchgelesen hätte. Denn da heißt es ausdrücklich, daß in dieser Vorlage, die eilbedürftig ist, weil wir 'uns sonst im Rechtswesen immer mehr auseinander-, statt zusammenleben, nicht Zweifelsfragen angeschnitten werden können, soweit sie sich nicht in dein einen oder anderen Lande in dem einen oder anderen Sinne bewährt haben, daß daher mit Absicht davon abgesehen ist, völlig neues Recht zu schaffen, sondern daß nur beabsichtigt sei, aus den Erfahrungen der letzten 25 Jahre seit der Emmingerschen Novelle im Jahre 1924 die Konsequenzen zu ziehen, also nach einem Vierteljahrhundert wieder unser Recht zu kodifizieren, wie es sich einheitlich darstellt, ohne neues Recht zu setzen. Hätte Herr Dr. Greve noch ein bißchen weiter gelesen, würde er allerdings gefunden haben, daß das Ministerium durchaus der Meinung ist, daß dieses wiederhergestellte und neugefaßte alte Recht nicht der Weisheit letzter Schluß sein könne. Es steht ausdrücklich in der Vorlage, daß allerdings eine große Novelle nötig sei, daß allerdings modernes Recht geschaffen werden müsse, daß dazu aber eine wissenschaftliche und auch eine gewisse Aussprachevorbereitung in den beteiligten Juristenkreisen notwendig ist, um wirklich reife Vorlagen zu schaffen, wobei die Frage, wieweit der Augenblick für solche gesetzliche Neuarbeit der geeignete sein kann, immerhin angeschnitten und erwogen wird. Ich meine daher, daß insofern, was die Modernisierung, darf ich sagen, die Aktualisierung unseres Rechts anlangt, den Herrn Justizminister keinerlei Vorwurf treffen kann, sondern daß wir hier im Hause ihm für das bisher Geleistete, was das allgemeine Recht anlangt, nur dankbar sein können.
Sodann aber hat Herr Dr. Greve wiederholt unter Hervorhebung der außerordentlichen Rechtsbeflissenheit seiner Fraktion das Wort „Rechtsstaat" in den Mund genommen, und ich kann mich des peinlichen Gefühls nicht erwehren, daß auch hier, wie mit dem Wort „Demokratie", wenn man dieselben Silben ausspricht, der eine dies, der andere das meint. Unter Rechtsstaat kann man meines Erachtens, ohne den Begriff zu biegen, nichts anderes verstehen, als daß alle Staatsbürger vor dem Rechte gleich sind, dein gesetzlichen Richter nicht entzogen werden dürfen und daß den Staatsbürgern ebenso wie der Staatsgewalt das Recht gesprochen und zugeteilt wird nach Maßgabe der bestehenden Gesetze durch unabhängige, von keiner
Weisung oder von keiner Richtlinie irgendwie in Zaum zu haltende Richter, die ihrem Gewissen, dem Gesetz und ihrer Verfassungstreue untertan sind.
Das allein ist ein Rechtsstaat. Wieso dieser Rechtsstaat Selbsthilfen, zuläßt, wie wir es im eigenen Saale mit bedrohenden Aktionen und draußen mit direkten Schlägereien erlebt haben, und wie das mit einem Rechtsstaat vereinbar sein soll, ist mir und meinen Freunden unverständlich.
Nun, der Rechtsstaat soll durch- Gerichte gewährleistet werden, die leider oder Gott sei Dank —
— Ganz und gar nicht! Wenn es geschehen sein sollte, was ich nicht weiß, wird es selbstverständlich geahndet werden müssen, das unterliegt überhaupt gar keinem Zweifel, aber von den zuständigen Richtern oder von den Staatsorganen, die nach den Gesetzen dazu berufen sind, nicht aber von Ihnen und nicht von diesem Hause!
Herr Dr. Greve hat nun gebeten, daß der Herr Minister seine rechtspolitische Auffassung über die Frage der Richterernennung bekanntgeben möge. Dieses Gebiet untersteht dem Herrn Minister nur, soweit es die höchsten Bundesgerichte anlangt. Im übrigen ist das nun einmal, wie ich schon sagte, leider oder Gott sei Dank Sache der Länder. Darauf hat also der Herr Bundesjustizminister keinen oder nur höchst geringfügigen Einfluß.
— Das ist er ja gewesen. Heute ist er kein Richter mehr; das war er. Was' aber nun die Frage der Richterpersönlichkeiten anlagt, so bin ich mit Herrn Dr. Greve — zu meinem Erstaunen, darf ich sagen — in einem Punkte einig: Unser Rechtssystem läßt sich nicht überall durch königliche Richter besetzen, wenn wir für unsere Gerichte, so wie heute, eine Überfülle von Richtern nötig haben. Ich weiß nicht, ob das britische System, das man aus der Entfernung vielleicht ziemlich hoch- schätzen möchte, das man aber, wenn man's im eigenen Lande besieht, doch etwas skeptisch zu betrachten sich gewöhnt hat, für deutsche Verhältnisse ohne weiteres erträglich wäre. Jedenfalls sollte man aber den höheren Richtern nur bedeutsame richterliche Aufgaben anvertrauen. Insbesondere müßte man die unleidlicherweise in Preußen eingeführte Justizverwaltung durch Richter abschaffen. Ein wirklicher Richter ist für Verwaltungsaufgaben viel zu schade, er hat allein die Aufgabe höchster Rechtsprechung und sonst nichts. Dias sollte mehr zum Zuge kommen. Wenn wir aber diese „königlichen Richter" in höheren Stele len haben wollen, werden wir sie aus dem Beamtenetat herausnehmen müssen. Herr Dr. Greve und ich,, die wir beide Anwälte sind, wissen ja, daß man als freier Jurist in der Sparte des Rechts immerhin mehr verdienen kann als als festangestellter Richter. Wenn man schon Richter aus Anwaltskreisen wählen will, muß man ihnen deshalb auch eine Lebensstellung geben, die ihrem bisherigen Stan dard wenigstens einigermaßen entspricht„ sofern es tüchtige und gesuchte Anwälte waren. Diese
Tatsache bedingt in der Tat eine gewisse Umstellung, die bei der zukünftigen Reform in Erwägung gezogen werden mag.
Was aber den gegenwärtigen Zustand anlangt, so mochte ich — und hier spreche ich nicht nur für meine Person, sondern, wie ich glaube, auch im Namen sehr vieler Juristen — es sehr in Frage ziehen, ob die uns von den Besatzungsmächten aufgezwungene Tatsache, daß ein Richter sich nicht in ein Parlament wählen lassen darf, also der Politik höchstens am Rande, nicht aber mit Leib und Leben angehören darf, richtig ist. Das ist eine Auffassung, die davon diktiert ist, daß zwischen den Parteien schärfste Grenzen gezogen sind, daß die Parteigrenzen menschlich nicht übersprungen werden können und daß es „objektive" Parteipolitiker gar nicht geben kann. Diese Auffassung teilen wir in keiner Weise. Die Parteien sollten nichts anderes als Gesinnungsunterschiede in letzten Grundfragen darstellen und die gegenseitige menschliche Achtung überhaupt nicht berühren. Ich wünschte, daß das, was sich in den Ausschüssen dieses Hauses doch mehr und mehr anbahnt an persönlicher Achtung der zusammenarbeitenden und meistens nicht gegeneinander streitenden Mitglieder, im Persönlichen und in der sachlichen Arbeit auch hier im Leben dieses Hauses einen gewissen Ausdruck fände.
Ist das der Fall, dann spricht aber auch gar nichts dagegen, daß ein Richter, der dieser oder jener Partei angehört, gleichzeitig richten kann, wie wir es ja doch bei gewissen großen Richtern — ich denke etwa an Herrn Dr. Spahn, den Zentrumsführer oder andere, die man sofort nennen könnte — im alten Reichstag vor und nach dem ersten Weltkrieg erlebt haben. Es ist nicht so, daß der gerecht denkende, objektiv beobachtende und beurteilende Richter Schaden leidet, wenn er gleichzeitig der Politik hingegeben ist. Aber es ist so, daß Sie den Richterstand als ganzes aus der politischen Linie, die hoffentlich nie mehr eine Drecklinie werden wird, völlig herausnehmen und ihn daher gegen unser politisches Denken sozusagen immun machen, wenn Sie ihn grundsätzlich verhindern, sich aktiv um politische Dinge zu kümmern. Das gebe ich zu bedenken. Das ist eine sehr große Gefahr, zwar nicht so groß, daß es deshalb eine Justizkrise geben müßte. Aber man sollte den Richter nicht von einem Metier fernhalten das in der Demokratie weiß Gott nicht schimpflich sein darf, nämlich sich politisch aktiv zu betätigen.
Nun aber, was die Unabhängigkeit anlangt! Herr Dr. Greve sprach immer davon, die Beziehungen des Richters zum „Volk" müßten gut sein. Ich sage Ihnen: der Richter, der ein gerechter Richter sein will, hat keine Beziehungen zu haben, d. h. nicht irgendwelche Unterströmungen von oben oder von unten.
Er hat unabhängig zu sein von der Staatsführung, aber auch von der Straße!
Und da muß ich nun eins bemerken:
Wenn wir den Rechtsstaat haben wollen — und den wollen wir doch alle, jedenfalls nach den Worten —, dann sollten wir uns den englischen Begriff des „contempt of court" etwas zu Herzen nehmen, d. h. auf deutsch: den Begriff der Verächtlichmachung des Gerichtshofes. Wir sollten es verhindern, daß über einen Fall, der noch so sehr politische Leidenschaften aufgerührt haben mag, vor seiner rechtskräftigen Entscheidung in dei Öffentlichkeit überhaupt kritisch gesprochen wird. Das ist in einem alten Rechtsstaat wie England nicht möglich. Jede Zeitung, die eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung auch nur leise kritisiert, wird dort bestraft; mit Recht!
Sie setzt dadurch die nächste Instanz unter einen Druck, indem sie ihr mitteilt, wie maßlos erbitternd angeblich in breiten Volksschichten ein Urteil gewirkt hat. Das sind aber Druckmittel, die die Unabhängigkeit des Richters geradezu ausschließen.
Ich sage daher: Wir haben auf diesem Gebiet alle zusammen noch sehr viel zu lernen, zu beachten und uns angelegen sein zu lassen. Wir hier im Saal sind alle Politiker und sind alle von Leidenschaften nicht frei. Diese haben wir, wenn wir an den Aufbau eines Rechtsstaates denken, soweit es dem Temperament möglich ist, zu zügeln. Und wir müssen uns darüber klar sein, daß die Demokratie eine Demokratie des Rechtsstaats sein wird oder, wie Herr Kollege Kiesinger sagte, eine Barbarei. Wir aber wollen einen schönen, dem Herzen des deutschen Volkes nahen deutschen demokratischen Staat der Zukunft langsam und sicher aufbauen, und dazu helfe — —
— Langsam aber sicher! Lebenswichtige Sachen reifen nur langsam, und wir wollen hoffen, daß die Demokratie nicht, wie das „Tausendjährige Reich", nur 12 Jahre besteht, sondern daß sie zwar langsam wächst, aber unabsehbar dauert. Wir, die Älteren, werden die Erreichung dieses Zieles schwerlich mehr erleben. Davon bin ich überzeugt. Bei unserer Arbeit helfe uns die Justiz, dazu helfe uns ein Justizministerium unter der Leitung unseres verehrten Herrn Justizministers.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen des gestrigen und heutigen Tages haben etwas unter dem Motto gestanden: Je kleiner die Partei, die der Redner vertritt, um so länger die Anträge und die Begründungen,
und je größer die Partei, um so kürzer die Anträge und die Begründungen: Da die kürzeren und die präziseren Reden die Arbeit dieses Hauses fördern und die großen Parteien mit gutem Beispiel vorangehen sollen, beschränke ich mich auf die nachfolgenden ganz kurzen Ausführungen zum Justizetat.
Es hat uns gefreut, daß Herr Kollege Greve von der SPD zum Ausdruck gebracht hat, daß er sachlich gegen die Zahlen des Justizetats nichts einzuwenden hat, weil er sie für angemessen hält. Das erinnert mich daran, zu sagen, daß wir überhaupt
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den Wunsch haben, die Öffentlichkeit erlebte doch einmal die wirkliche Arbeit des Parlaments etwas mehr in anderer Form als es sich hier im Plenum im allgemeinen abzuspielen pflegt.
Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns alle dankbar der sachlichen Zusammenarbeit der Mitglieder des Haushaltsausschusses, wie das gerade hier eben in den Ausführungen des Kollegen Greve zum Ausdruck gekommen ist. Ich möchte dem herzlichen Wunsch Ausdruck geben, daß es uns doch endlich gelingen möge, die Atmosphäre der sachlichen Arbeit, die in den Ausschüssen herrscht, auch in das Plenum zu übertragen, damit unser Volk draußen sieht, daß hier im Parlament wirklich ernsthaft gearbeitet wird.
Meine Damen und Herren! Was den Haushalt des Ministeriums der Justiz angeht, so begrüßen wir darin besonders die Auswerfung eines Betrages von 500 000 DM für Rechtsschutzmaßnahmen für im Ausland festgehaltene Deutsche, eines Betrages, der nahezu die Hälfte -des Zuschußbedarfs des ganzen Justizministeriums ausmacht und damit beweist, wie wichtig diese Aufgabe von der Bundesregierung und vom Parlament genommen wird. Sie ist auch unendlich wichtig, zumal die Methoden der Justiz jenseits unserer Grenzen vielfach einen besonders starken Einsatz der Heimat erfordern,.
um den dort Verfolgten zu ihrem Recht und zu rechtsschutzmäßiger Behandlung zu verhelfen.
Herr Kollege Greve hat über das Vertrauensverhältnis zwischen der SPD und dem Herrn Minister der Justiz gesprochen. Wir von der CDU/CSU Können uns der von Herrn Kollegen Greve vertretenen Auffassung nicht anschließen. Wir sind primär der Auffassung, daß gerade das Amt des Justizministers in besonderer Weise mit Idealismus und Hingabe geführt werden muß, weil es eines der wichtigsten Amter innerhalb der Bundesregierung ist. Und da wir diese Eigenschaften bei unserem Herrn Justizminister kermen und oft genug erlebt haben, genießt seine Arbeit unser Vertrauen.
Meine Damen und Herren! Dann hat Herr Kollege Greve einige grundsätzliche Ausführungen zum Justizetat gemacht, die ich auch nur ganz kurz beantworten möchte. Die Justiz ist im besonderen Maße berufen, Hüterin des Rechts im demokratischen Staatswesen zu sein, des Rechts, dessen unparteiische Handhabung die Voraussetzung für den dauernden Bestand nicht zuletzt auch einer demokratischen Staatsordnung ist. Und das Merkmal, das die Justiz zur Erreichung dieses Zieles haben muß, ist die unbedingte Unabhängigkeit des Richtertums. Wir bedauern, daß in der letzten Zeit aus einzelnen Anlässen unseres Erachtens weit übertriebene Angriffe gegen, das Richtertum in der Öffentlichkeit laut geworden sind, Angriffe, die sich in dieser Art als Angriffe auf die Unabhängigkeit des Richters selbst darstellen,
zumal wenn sie in einem Zeitpunkt laut werden, in dem die entsprechenden Verfahren überhaupt noch nicht abgeschlossen sind.
Es wurde die Frage aufgeworfen: Wer wolle dem Rechtsstaat zuleibe? Dem Rechtsstaat zuleibe will derjenige, der die Bestrafung des Richters fordert, wenn dieser nach seinem Gewissen eine Entscheidung getroffen hat.
— Wenn er das Recht gebeugt hat, dann kann er disziplinarisch durch die zuständigen Stellen bestraft werden; dann kann er aber nicht bestraft werden durch aufgepeitschte Volksmassen, die irgendwelchen politischen Strömungen und Stimmungen folgen.
Meine Damen und Heren, es wurde weiter gesagt, unsere Richter vermöchten soziale Spannungen nicht zu meistern. Es würde mich interessieren — und ich bitte die Kollegen von der SPD, dafür doch einmal Belege aus der Praxis der Gerichte zu bringen —, wo soziale Spannungen nicht gemeistert sind. Ich möchte allerdings dabei Wert darauf legen, daß „sozial" und „sozialdemokratisch" nicht als identisch angesehen wird,
denn wir wollen nicht ein parteipolitisch beeinflußtes Richtertum, sondern von echter sozialer Gesinnung getragene Richter.
Meine Damen und Herren! Wenn ein Prozeß entschieden ist, dann ist es im allgemeinen so, daß einer der Prozeßbeteiligten unzufrieden ist, weil er verloren hat. Es darf dann nur eines nicht passieren, daß er auf den Richter schimpft, nur deswegen, weil er Unrecht bekommen hat.
Ich habe das Gefühl, daß heute bei manchen Prozessen, die als politisch angesehen werden, der Grundsatz gehandhabt wird, daß man lediglich deshalb auf den Richter schimpft, weil nicht das herausgekommen: ist, was man selber wünschte.
Meine Damen und Herren, wir müssen die Achtung vor der Gewissensfreiheit des Richters haben, der den Tatbestand aus dem Prozeßverlauf bis zum letzten genauestens kennt und viel genauer kennt als diejenigen, die aus der Ferne oder aus der Zeitung oder nur vom Hörensagen über die Dinge erfahren haben. Wir legen jedenfalls Gewicht darauf, daß die Unparteilichkeit des Richters, die Objektivität der Rechtsprechung in keiner Weise durch politische Strömungen beeinflußt wird, weder von der einen noch von der anderen Seite.
Das Wort hat der Abgeordnete Nuding.
Meine Damen und Herren! Die letzte Diskussionsrede gibt mir Veranlassung, einige Worte namens meiner Fraktion zu sagen. Sie sprachen davon, daß der Richter unabhängig sein soll. Das ist ein schönes Prinzip, das Si e auf-. gestellt haben. Wir wissen aus der Statistik, daß zum Teil über 90 % der Richter, die heute urteilen, auch in den zwölf Jahren des „Dritten Reiches" geurteilt haben.
Ein Teil davon hat auch in der Weimarer Zeit geurteilt. Damals haben sie das Volk im Namen der Weimarer Verfassung verurteilt, dann haben sie es im Namen des Führers verurteilt und jetzt im Namen des Volkes. Nun gestatten Sie eine Gegenfrage: Zu einem Stand, der in der Lage ist, in einer Generation dreimal nach verschiedenen Gesetzen zu urteilen, muß man doch ein wenig Mißtrauen haben.
Wenn Sie doch soviel von der westlichen Demokratie aufnehmen wollten, was für eine herrliche Änderung könnten Sie auf dem Gebiet der Justiz schaffen, eine wirkliche Verbundenheit der Richter mit dem Volk, daß das Volk seine Richter achtet und ehrt, indem Sie diese Richter, wie es einige westliche Staaten machen, die Ihrem System, das Sie verteidigen, angehören, wählen ließen und der Volkskritik durch die Wahl unterwürfen. Dann hätten Sie vielleicht nicht solche Zustände, daß ein Richter, wenn er Hedler freispricht, von der Masse mit Recht angegriffen wird. — Das ist die eine Sache.
Ich möchte eine zweite Bemerkung machen: Sie sprachen vom Rechtsstaat, auf dessen Boden Sie stehen. Haben wir schon einen Rechtsstaat? Es
wäre interessant gewesen, wenn man die Schwächen dieses Staates aufgezeigt hätte. Ist das ein Rechtsstaat, wenn es möglich ist, daß die Besatzungsbehörde die deutsche Behörde anweisen kann, die Grundrechte, das Grundgesetz zu brechen? Heute nacht ist es passiert. daß in Niedersachsen nachts um ein Uhr ein englischer Offizier und ein deutscher Polizeibeamter ein en Landtagsabgeordneten aus dem Bett heraus verhafteten, den Landtagsabgeordneten Landwehr, und bis zur Stunde wissen wir noch nicht, wo er ist.
Ist das ein Rechtsstaat? Wo ist denn die Justiz, die vom Bund aus dafür sorgt?
— Ja, lieber Herr, ich sehe an Ihrem Lächeln, daß Ihnen das Recht ist, weil es Ihnen nützt. Diese Justiz, die das Recht verteidigt, das Ihnen nützt, ist Ihre Justiz.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zinn.
Meine Damen und Herren! In diesem Hause ist bei mancherlei Gelegenheiten, vor allem von Angehörigen der Regierungsmehrheit der Geist Montesquieu's beschworen warden, der Geist jenes Mannes, der vor dem Mißbrauch der richterlichen Macht gewarnt hat. Es hat in den letzten eineinhalb Jahrhunderten vielleicht niemanden gegeben, der von dem Mißtrauen gegen den Richter so durchdrungen war wie Montesquieu, der stets die
ungeheure Macht des Richters und die Gefahr ihres Mißbrauchs vor Augen hatte.
— Dann kennen Sie Montesquieu nicht.
Er sprach stets davon, daß die richterliche Gewalt wegen der Gefahr ihres Mißbrauchs eine Gewalt en quelque facon nulle sein müsse. Aus dieser Erwägung hat er den Berufsrichter schlechthin abgelehnt, deshalb kam er zu der Ansicht, daß der Richter ständig wechseln müsse, daß niemand ständig auf dem Richterstuhl sitzen dürfe, weil er sonst gar zu leicht in die Gefahr geraten könne, die ihm anvertraute ungeheure Gewalt zu mißbrauchen.
Das Grundgesetz ist einen anderen Weg gegangen. Es hat zum ersten Mal in der deutschen Verfassungsgeschichte aus der richterlichen Gewalt so etwas wie eine eigene, selbständige dritte Gewalt gemacht. Es spricht davon, daß die richterliche Gewalt den Richtern anvertraut sei, die sie unmittelbar im Namen des Volkes ausüben. Gewiß; eine solche Gewalt können nur unabhängige Richter ausüben, aber nicht Richter, die nur äußerlich, sondern nur Richter, die vor allem innerlich unabhängig sind.
Ich frage Sie: Besitzen alle Richter, die heute tätig sind und die wir als Nachlaß der Vergangenheit übernommen haben — wer daran schuld ist, mag im Augenblick dahingestellt bleiben —, jene innere Unabhängigkeit? Trägt nicht — wir haben schon einmal darüber gesprochen — gerade der deutsche Richterstand, der im Grunde ohne sein Verschulden gar keine Stand von Richtern, sondern ein Stand von kleinen richtenden Beamten war,
ein gerüttelt Maß Schuld an dem, was man Justizkrise nennt, von der ich durchaus zugebe, daß sie Bestandteil einer viel größeren Krise, einer Rechtskrise schlechthin ist, die auch noch völlig andere Ursachen hat?
Ich habe gelegentlich einer Aussprache, die neulich in diesem Hohen Hause stattfand, mich auf einen der Ihren berufen, nämlich auf .Herrn Dr. von Brentano. Ich zitiere wiederum einen der Ihren. Ich zitiere den Fuldaer Oberbürgermeister Dr. Raabe, den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, der dort bei der Erörterung der Stellung der Justiz im heutigen Staate folgendes ausgeführt hat:
Wir stehen in diesem Punkt vor einer entscheidenden Frage, die uns die Pflicht auferlegt, dafür zu sorgen, daß die werdende Demokratie nicht von vornherein durch die Rechtsprechung illusorisch gemacht wird. Wer die Entwicklung von 1918 bis 1933 mitgemacht hat, weiß, daß der damalige Richterstand in ganz außerordentlich starkem Maße — um ein politisches Schlagwort zu gebrauchen — reaktionär gewesen ist, daß er sich nicht auf den Boden der Weimarer Republik gestellt hat. Es ist auch nicht die Tatsache zu bestreiten, daß im Jahre 1933 unser Richterstand mit vollen Segeln in das nationalsozialistische Fahrwasser- eingeschwenkt ist.
Ich referiere nur und gebe das nicht etwa als meine eigene Auffassung wieder.
Der berühmte katholische Publizist Theodor Häcker schrieb am 15. Februar 1946 in seinen „Tag- und Nachtbüchern" den erschütternden Satz.
Was einem am kältesten ans Herz greift, .ist der geistige Zustand unid das Gebaren der deutschen Richter.
Sie werden mir sicherlich mit gutem Recht sagen. unter den Tausenden von deutschen Richtern befinden sich Hunderte und vielleicht auch Tausende ausgezeichneter Männer, die nicht nur hervorragende Juristen, sondern auch Männer sind, die wirklich um das Recht ringen. Aber das ist ja nicht das Entscheidende. Die Entscheidung eines einzigen Richters, die den Geist des Rechtes verletzt, fügt dem Recht mehr Schaden zu und erschüttert das Vertrauen des Volkes in die Justiz mehr, als hundert gute Richter wieder gutzumachen verstehen.
Die Zahl derjenigen aber, die den Geist des Rechts verletzt haben, die also zu den Wölfen gehören, ist leider nicht so gering, daß man von Einzelfällen sprechen kann. Ich habe erlebt, daß im Jahre 194 ein deutsches Gericht Angehörige einer KZ-Bewachungsmannschaft wegen Mißhandlung von Juden
— eine 17jährige Jüdin war stundenlang an einen Pfahl gebunden und ausgepeitscht worden —
abzuurteilen hatte. Deshalb wurden zwei Angehörige der Bewachungsmannschaft bestraft, jawohl, bestraft: der eine mit 3 oder 4 Monaten Gefängnis und der andere mit einer Geldstrafe von
— ich weiß es nicht mehr ,genau — 150 oder 300 DM.
Vor demselben Gericht, in einer allerdings anderen Besetzung, stand ein Regierungsinspektor, einst ' Feldwebel der ehemaligen Wehrmacht. der in einem russischen Kriegsgefangenenlager der Lagerleitung angehört hat. Dieser Mann hat als Werkzeug der russischen Lagerverwaltung deutsche Kriegsgefangene mißhandelt. Er ist verurteilt worden, mit Recht.
- Meines Wissens ist keiner umgekommen. Er ist mit Recht zu einer hohen Zuchthausstrafe verurteilt worden. Ich, glaube, es waren 12 Jahre Zuchthaus. Beachten Sie bitte das Mißverhältnis zwischen dieser Strafe und jener, die in dem anderen Fall verhängt wurde. Es ist bezeichnend für den Geist, der in manchem unserer Richter steckt.
Ich selber habe im Mai 1933 vor dem Sonder- gericht in Kassel folgendes erlebt: Die Richter, um die es sich handelte, kennen Sie, Herr Kollege Euler. Einer ist jetzt genau wie sein späterer Beisitzer im Sondergericht wegen Mordes in Anklage versetzt worden. Man stelle sich vor, gegen Richter muß eine Mordanklage erhoben werden. Ein in der deutschen Rechtsgeschichte unerhörter Vorgang! Im Mai 1933 standen zwei Männer vor Gericht; sie wurden des Vergehens oder Verbrechens gegen das Heimtückegesetz beschuldigt. Sie sollten irgendwelche unwahre Behauptungen über die Greuel der SA verbreitet haben. Der eine hatte einen Verteidiger, der zweite nicht. An demselben Vormittag fand die Verhandlung vor ein und demselben Gericht in gleicher Besetzung statt. Der Anwalt bot den Wahrheitsbeweis an. Sein Mandant, der inhaltlich dasselbe wie der andere über die I berüchtigten Vorgänge in den Bürgersälen in Kassel verbreitet hatte, wurde freigesprochen. Der andere, dem kein Verteidiger zur Seite stand, der auch nicht den Mut hatte oder nicht in der Lage war, den Wahrheitsbeweis anzutreten, wurde verurteil:
In dem berühmten Prozeß — es war ein Zivilprozeß, eine Unterlassungsklage oder einstweilige Verfügung —, den Braun und Severing wegen der Millionen, die sie angeblich veruntreut hatten, angestrengt hatten, hat ein deutsches Gericht, die zweite Zivilkammer des Kasseler Landgerichts, im Juni 1933 gemäß dem Antrag der Antragsteller Braun und Severing erkannt. Dieselbe zweite Zivilkammer hat den gleichen Antrag gegen einen anderen Antragsgegner, allerdings Monate später mit einer etwas anderen Besetzung, mit der Begündung abgewiesen, auf Grund der eidesstattlichen Versicherung des damaligen Vizekanzlers von Papen stehe zwar fest, daß es unwahr sei, daß hier irgendwelche Gelder veruntreut oder bestimmungswidrig verwendet worden seien; die Lüge sei aber im politischen Kampf ein erlaubtes Mittel, besonders wenn sie der Vorbereitung oder Sicherung der Machtergreifung diene; deshalb müsse der Antrag der Antragsteller abgewiesen werden.
Ich will nicht auf all das eingehen, was sich im Dritten Reich abgespielt hat. Ich bedaure im Grunde, daß wir immer wieder zu diesen Debatten kommen. Sie entstehen dadurch, daß man hier im Hause auf einer gewissen Seite so tut, als sei all das nicht gewesen.
aber kennzeichnend für den Geist und vielleicht auch die Tradition,
die auch heute noch manche Kreise unseres Richterstandes auszeichnet. Nur wenn man dieses Wort umkehrt, bekommt es einen guten Sinn. Ich möchte deshalb sagen, Herr Bundesjustizminister: „Es gibt nicht nur eine Justiz, sondern es gibt auch ein Recht." Das sollte die Richtschnur all unseres Denkens und Handelns bei der Betrachtung der Verhältnisse -in der deutschen Justiz sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Zinn veranlassen mich, doch noch ein paar grundsätzliche Worte zu dieser Angelegenheit zu sagen, die uns allen am Herzen liegt. Der Herr Kollege Zinn hat, indem er einige außerordentlich betrübliche Beispiele deutscher richterlicher Rechtsprechung zitiert hat, doch wieder ein-
mal glaube ich, den Teufel an die Wand, gemalt.
könnte Ihnen dafür Tausende von Ut teilen sagen, die von deutschen Richtern streng und gut nach dem Recht gesprochen worden sind. Ich will ja gar nicht allen Bemühungen entgegentreten. derartige Urteile in Zukunft möglichst unmöglich zu machen, aber ich fühle mich zur Ehre des deutschen Richterstandes verpflichtet, auf einige Dinge hinzuweisen.
Ich darf vielleicht mit dem Hinweis darauf beginnen, daß es Adolf Hitler war, der vielleicht keinen deutschen Berufsstand so sehr in jener berüchtigten Rede verunglimpft hat, wie gerade den hat, wie gerade den deutschen Richterstand.
Ich weiß genau, daß es ein großer Teil der deutschen Richter war, die in ihrer Rechtsprechung wirklichen energischen Widerstand gegen die Tendenzen des Dritten Reiches geleistet haben. Es wäre nicht nötig gewesen, Leute, nachdem sie von einem deutschen Strafgericht freigesprochen worden waren, an der Treppe des Gerichts von den Schergen ins KZ abholen zu lassen, wenn diese Richter so schlecht gewesen wären, wie Sie sie jetzt machen wollen. Ich- sage das aus folgenden Gründen. Die Justizkrise, von der nun schon so lange in Deutschland die Rede ist, wird nicht dadurch verbessert, daß wir die Dinge übertreiben. Wir müssen doch die Kirche im Dorf lassen. Wir müssen sehen, wie die Dinge wirklich liegen, wo die Wahrheit ist, und da sollten wir uns nicht auseinanderreden.
Sie haben den Geist Montesquieus beschworen. Sie haben recht, Herr Kollege Zinn: Montesquieu hat seinen Ruf „tout serait perdu" auch dagegen geschleudert, daß der Richter unabsetzbar sei, aber gerade in diesem Punkt hat ihm die Geschichte unrecht gegeben. Während das 19. Jahrhundert sonst seine ganze politische Konzeption angenommen hat: diese hat es abgelehnt, und ich glaube_ — die Geschichte hat uns darüber belehrt —: mit Recht abgelehnt. Auch in England gibt es noch jene Klausel, daß Richter unabsetzbar seien, „quamdiu se bene gesserint" — solange sie sich recht aufführen. Aber seit Jahrhunderten hat man drüben die Unabhängigkeit eines Richters nicht angetastet, obwohl theoretisch das Recht dazu bestand, weil dieses politisch kluge Volk weiß, was es daran hat, daß seine Richter wirklich königliche, wirklich unabhängige Richter sind.
Nun aber sagen Sie: was nützen uns unabhängige Richter, wenn diese unabhängigen Richter nicht innerlich unabhängig sind? Sie haben recht, Herr Kollege Zinn; aber wie schwer haben es diese Richter gehabt! Darf ich Sie daran erinnern, daß nicht zuletzt auch aus dem Kreis der sozialdemokratischen Rechtstheoretiker, wenn ich so sagen darf, jene furchtbare Lehre von der normativen Kraft des Faktischen entwickelt worden ist? Jene Lehre, die da sagte: Recht hat, wer die Macht hat.
Denn das bedeutete es ja. Es war erschütternd für mich, zu sehen —
- doch, so war es letztlich! —, wie ein von mil
verehrter Mann wie Gustav Radbruch am Ende
seines Lebens nun doch mutig eine Vorlesung ansetzte, die wieder jenes alte verpönte Wort vom
Naturrecht aufnahm, das ein „anständiger" Jurist am Ende des vergangenen Jahrhunderts gar nicht mehr in den Mund nehmen durfte, wenn er nicht von seinen Kollegen verachtet werden wollte. Es ist doch jene Lehre von der ewigen Wandelbarkeit des Rechts nach den jeweiligen Auffassungen der jeweiligen Mehrheit, die das Unheil geschaffen hat, die das Recht entleert hat und die das Recht zum Spielball der politischen Machthaber gemacht hat. Wie schwer haben es daher diese Richter gehabt, die, von einem politischen System ins andere hinüberwechselnd, das Recht anzuwenden hatten. Die Krise liegt in der Tat tiefer, als das hier in den Diskussionen mitunter in Erscheinung zu treten vermag. Es liegt an der großen weltanschaulichen Krise unserer Zeit, die eben auch das Richtertum mit erfaßt hat. Gerade im Richtertum muß es sich am allerstärksten zeigen.
Ich habe jüngst in diesem Hause davon gesprochen, daß wir, wenn wir alle es mit der Demokratie ernst meinen, dann wirklich versuchen sollten, uns ein ideologisches Existenzminimum zu erarbeiten. Das gilt auch für die Rechtsprechung. Ich will nicht Herrn Kollegen Greve den Vorwurf machen, daß er seine Anklage gegen das Richtertum allgemein nur etwa aus parteipolitischen Gesichtspunkten vorgetragen hätte. Aber natürlich klang bei ihm, es kann ja gar nicht anders sein, sehr stark durch — er sagte, daß die Richter die sozialen Spannungen nicht begriffen -, daß er nun einmal eine sozialistische Konzeption der Demokratie hat. Das ist sein gutes Recht. Aber es ist auch das gute Recht der anderen, eine andere Konzeption der Demokratie zu haben.' Was verlangen Sie denn vom Richter? Der Richter, der unabhängig sein soll, muß wirklich über der Parteien Streit und Haß stehen. Das ist ein unendlich schweres Amt, und wir sollten ihm dieses Amt nicht noch dadurch schwer machen, daß wir eine übertriebene Kritik an seiner Arbeit üben.
Nichts soll uns daran hindern. bei der jetz kommenden Arbeit der Justizreform, etwa gemeinsam in den Ausschüssen, alles zu tun, um derartige furchtbare Beispiele richterlicher Verirrung - und vielleicht sogar richterlicher Verbrechen — in Zukunft in unserem Volk unmöglich zu machen. Aber ein ernstes Wort muß ich noch einmal wiederholen. Es ist nun einmal nicht anders möglich, das Recht zu achten, als dadurch, daß man sich entschließt, einen Rechtspruch hinzunehmen, auch wenn er einem zunächst nicht paßt. Das ist eben das Wesen der Rechtskraft, die um des Friedens, um des Gemeinsamen willen in Kauf nimmt, daß einmal im einzelnen richterlichen Spruch Unbill gesprochen wird. Das ist das Wesen der Rechtskraft, und das muß uns alle zusammenhalten; denn wir werden immer und immer wieder in einer ganzen Reihe von Fragen sachlich auseinandergehen. Hier liegt wirklich eine Gefahr, und, Herr Kollege Zinn, ich sage Ihnen, daß der Warnruf Montesquieus „Alles wäre verloren" in unseren Tagen aufgegriffen werden muß, wenn die Neigung wüchse, aus vielleicht berechtigten und verständlichen Motiven heraus, voreilig von Instanzen Recht sprechen zu lassen, die dazu nicht berufen sind.
Die Legislative soll ihre Aufgabe der Kontrolle, der Überwachung der Justiz, der Überwachung dessen, was in Deutschland an Recht gesprochen wird, ruhig wahrnehmen, aber sie soll sie ruhig, das heißt: in Ruhe und mit Würde wahrnehmen;
und zu allerletzt dürfte es die Legislative sein, die selbst ein Beispiel gibt, daß sie da zur Selbsthilfe greift, wo das Recht diese Selbsthilfe nicht erlaubt. Wenn wir uns nicht gemeinsam dieser wichtigen Haltung erinnern -- denn es ist ja unser Jahrhundert, das doch dazu drängt, diese Schranken zu durchbrechen, diese Ordnungsschranken, die wahrhaftig schwach und kümmerlich genug sind, um den gewaltigen chaotischen Kräften, die in unserer Zeit stecken, Widerpart zu bieten —, wenn wir diese schwachen Schranken niederreißen, kommen wir gar nicht mehr zur Arbeit, denn dann wird das Chaos früher über uns hereinbrechen, als uns lieb ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, daß sich die Diskussion im Eifer für oder gegen den Richterstand von dem eigentlichen Thema der Erörterung, nämlich von der Debatte um den Etat, reichlich weit entfernt hat. Es sind die Vergangenheit und große Ideen von Leuten beschworen worden, die reformierend auf dem Gebiete des öffentlichen und privaten Rechts tätig gewesen sind. Wir sollten uns nach meiner Meinung mehr Gedanken darüber machen, wie wir für die Zukunft den Richterstand so ausgestalten und so einrichten und so erziehen und geistig führen können, daß er in größerer Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit und in größerer Übereinstimmung mit der Stimmung der Bevölkerung ist, als das gegenwärtig der Fall ist. Dabei spreche ich nicht bloß von dem Richterstand. Alle, die sich bisher mit der Justiz befaßt haben, scheinen zu vergessen, daß es darüber hinaus noch andere juristische Berufe gibt, mit denen wir uns hier auch intensiv zu befassen haben, nämlich vorzüglich mit den Staatsanwälten.
Wenn man sich die Tätigkeit dieser weisungsgebundenen 'Staatsanwälte zur Zeit einmal etwas näher ansieht, von denen ungefähr alle im Amt geblieben sind, die es während der Nazizeit auch waren, dann ist es gar nicht verwunderlich, daß der Stein, der von ihnen ins Rollen gebracht wird, in einem Sinne läuft, wie er keineswegs dem Chef dieser Verwaltung und der öffentlichen Meinung heute entspricht. Es ist eine auffällige Erscheinung, daß seit 1945 eine reichlich große Zahl von Strafverfahren gegen solche Leute in Gang gebracht wird, von denen man glaubt, daß sie sich in irgendeinem Sinne vergangen haben. Aber gerade mit besonderem Eifer werden diese Vorwürfe herausgesucht, wenn es sich um solche handelt, die irgendwie gegen den Nationalsozialismus aufgetreten sind. Ich habe es selbst wiederholt erlebt, daß man gerade mit f r ü h e r en Nazis mit großer Nachsicht verfährt. Wenn der gleiche, wenn ein schwerwiegender Verdacht ihnen gegenüber auftaucht, so neigen die Staatsanwaltschaften viel eher dazu, das Verfahren als belanglos und nebensächlich einzustellen, als wenn ein Nazi schwört und sich das Verfahren gegen einen Antinazi richtet. Woher kommt z. B. die in ganz Deutschland notorisch bekannte Welle von Einschüchterungen gegenüber der Entnazifizierung und gegenüber Belastungszeugen, die gegen die Nazis aussagen sollen. Es kommt doch lediglich daher, daß sich die Staatsanwaltschaften bereit gefunden haben, Anklagen
zu erheben und zum mindesten die Untersuchungen, soweit es nur möglich ist, in den Fällen
voranzutreiben, wo sich Belastungszeugen — es
war wirklich schwer genug, überhaupt welche
aufzutreiben - bereit fanden, über Vergehen,
Verbrechen und politische Schand- und Übeltaten von früheren Nazis überhaupt auszusagen.
Es gehört inzwischen Mut dazu, noch etwas gegen Nazis auszusagen. Denn wenn Sie sich heute etwa unterstehen sollten, gegenüber einem früheren sogenannten Ortsgruppen- oder Kreisleiter noch zu bekunden, er habe in der Kristallnacht dies oder das getan oder er habe diesen oder jenen angezeigt, dann müssen Sie damit rechnen, daß dieser Mann aus der „Verschworenen Gemeinschaft", wie Adolf Hitler seinen Klub nannte, einen, einen zweiten oder dritten aufbringt, der sich bereit erklärt, als Zeuge auszusagen, das wäre alles nicht wahr, was die Belastungszeugen gesagt haben. Dann gibt es mit tödlicher Sicherheit gegen sie ein Meineidsverfahren, noch bevor die anderen geschworen haben. Ich habe sowohl als früherer Vorsitzender des Justizausschusses im Lande Nordrhein-Westfalen wie auch als Anwalt gerade auf diesem Gebiet reichlich Erfahrungen gemacht. Kritik in dieser Hinsicht ist durchaus angebracht. Gerade vor diesem Forum muß es einmal gesagt werden, daß nicht bloß heute von richterlicher Unabhängigkeit die Rede sein darf, sondern daß auch in der Nazizeit die Rede davon gewesen sein sollte. Dieselben Richter, die sich heute auf ihre Unabhängigkeit berufen, haben damals allzu oft vergessen, daß sie die Unabhängigkeit auch in Anspruch nehmen konnten. Ich erinnere mich noch sehr genau an den Richter, vor dem NaziReferendare ihre Verachtung zum Ausdruck brachten, weil er am Tase nach dem 30. Juni sich mit ihnen über die Mörderei des Adolf Hitler unterhalten hatte, im nächsten Augenblick aber einen Haftbefehl unterschrieb, als ihm ein Mann vorgeführt wurde, der dasselbe gesagt hatte.
Es ist mir immer wieder unangenehm aufgefallen, daß in Erwiderung auf ungerechtfertigte Angriffe gegen den Stand der Juristen eine noch ungerechtfertigtere Verteidigung gekommen ist. Dagegen wehre ich mich. Ich will keineswegs verkennen, daß sich die große Zahl der Juristen wie auch der Verwaltungsbeamten — sagen wir einmal — so durchgeschlängelt hat, um schlecht und recht in der Nazizeit ihre Pflicht zu tun. Aber man soll die Dinge nun nicht so hinstellen,
a) als hätte es in der Nazizeit nur gute Richter und nicht auch böse Staatsanwälte gegeben, und
b) als wäre alles, was damals geschehen ist, in Ordnung. Denn wovon sind schließlich die regulären Gefängnisse mit politischen „Verbrechern und Vergehern" gefüllt worden? Das waren doch Resultate der ordentlichen Justiz.
Aber gestatten Sie mir auch, auf die Gegenwart jetzt noch in anderer Hinsicht, als es bisher geschehen ist _einen Blick zu werfen. Es fällt doch schließlich dem ganzen Haus auf, daß nach und nach alle prominenten Vertreter der bayerischen Nicht-Regierungsparteien in Immunitätssachen vor das Forum dieses Hohen Hauses kommen. Das kann doch nicht nur daran liegen, daß sich die Kriminellen bloß bei der Opposition in Bayern befinden. Ich kann mich des Gedankens
nicht erwehren, daß es der richterlichen Unabhängigkeit nicht ganz entspricht, wenn hier bloß Immunitätsanträge a) aus Bayern und b) gegen Abgeordnete der Nicht-Regierungsparteien vorgetragen werden.
Es scheint mir aber auch noch einer weiteren Erwähnung wert, daß man den richterlichen Stand hier übermäßig betont. Wir müssen dabei folgendes unterscheiden: den Richterstand, wie er ist, und den Richterstand, wie er sein sollte. Wir haben zur Zeit einen Richterstand, der der Zahl nach viel zu groß ist, als daß er von der Qualität sein könnte, wie er in der Idealvorstellung der deutschen Menschen lebt. Die Folge davon ist, daß die große Mehrzahl der Mitglieder dieses Standes durchaus mittelmäßig ist und sogar mit subalternen Arbeiten beschäftigt wird, so daß diese Richter im Drange der täglichen kleinlichen Geschäfte den Blick für das Große verlieren. Von ,dem überlasteten Richter, von dem Richter, der mit Kleinkram zugepackt wird, können Sie nicht erwarten, daß er sich in den großen und entscheidenden Fragen so einstellt, wie Sie es von einem souveränen Richterkönig erwarten sollten, und wenn Sie dieses souveräne Richterkönigtum gerade auf solche Leute übertragen, dann kann das nichts als eine große Verstimmung, eine große Enttäuschung zur Folge haben. Wir bedürften deswegen - und das ist mein Appell an den Herrn Justizminister — einer Justizreform, die den Spruchrichter von dem verwaltenden Richter unterscheidet, die die freiwillige Gerichtsbarkeit deutlich von der Spruchtätigkeit der Gerichte absetzt, die aber auch die Sachverteilung so vornimmt, daß eine Überlastung
der einzelnen Richter nicht mehr stattfindet. Es ist außerdem erforderlich, daß namentlich bei den Strafgerichten die Beteiligung des Laienelementes in einer ganz anderen und viel intensiveren Art und Weise wieder eingeführt wird, als das zur Zeit der Fall ist. Jetzt kommen die Bagatellen an das Schöffengericht. Die mittleren Sachen, und zwar solche von erheblicher Bedeutung, werden fernab von jeder Beteiligung des Volkes vor den Strafkammern erledigt, und zwar in einer trockenen, behördenmäßigen Art und Weise, die aber auch alles zu wünschen übrig läßt.
Und was für Richter sitzen dort? Es ist eben mit Recht gesagt worden, daß 90 % der Richter dieselben sind, die sich in der Nazizeit nicht auf ihre richterliche Unabhängigkeit berufen haben. Aber mit welcher Befangenheit stehen sie heute diesen Fragen der gegenwärtigen Zeit gegenüber? Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung ein Beispiel zeigen. Es klagte eine Persönlichkeit, die im öffentlichen Leben steht, privat. Darauf war sie angewiesen, weil sich kein Staatsanwalt für ausreichend interessiert hielt, um eine öffentliche Klage zu erheben —, weil man die verleumderische Behauptung verbreitet hatte, in der Nazizeit als prominentes Parteimitglied verdient zu haben. Da sagte der Richter, als ich mit ihm über den Fall sprach, zu mir: Das ist doch keine Beleidigung, wenn er Parteimitglied gewesen sein soll; das ist ein ganz neutraler Tatbestand; ich bin ja auch Parteimitglied gewesen. Ich habe weiter gesagt, es sei doch wohl zweckmäßig, daß er sich unter diesen Umständen für befangen erkläre, und das hat er dann getan.
Da sehen Sie, meine Damen und Herren, daß man keineswegs mit der nötigen Unvoreingenommenheit an diese Fragen herantritt. Denken Sie sich selber einmal in diese Lage hinein. Glauben Sie nicht, daß das eine Beleidigung ist, wenn Sie etwa in einem KZ oder einem Gefängnis gesessen haben, wenn Sie die ganze Zeit gegen den Nationalsozialismus gestanden haben, wenn Ihnen einer sagt, Sie seien Pg gewesen? Halten Sie das nicht für eine Beleidigung? Der Richter sagt: Nee, ich war selber einer; das war keine Beleidigung für mich.
Wenn man also jetzt die Justiz neu aufbauen will, so halten wir es für erforderlich, daß man bei dieser Gelegenheit die Laienbeteiligung in ganz anderer, intensiver Art und Weise einschaltet, als es bisher der Fall ist.
Wir vermissen in der jetzigen Vorlage des Herrn Bundesjustizministers neue, schöpferische Ideen für die Neugestaltung des Prozeßrechts. Es ist eben gesagt worden, daß das nicht beabsichtigt gewesen sei. Wir rügen aber, daß es nicht beabsichtigt gewesen ist. Wir wünschen für diese Gelegenheit von dem Herrn Justizminister zumindest in den Grundzügen, wenn auch noch nicht in allen Details, daß er das Prozeßrecht in gewissem Sinne reformatorisch ausgestaltet. Wir haben insbesondere zu den Grundzügen einige Forderungen anzumelden, die von der bisherigen Praxis der deutschen Gerichte abweichen. Es ist hier nicht die Zeit, im einzelnen darauf einzugehen; wir möchten aber hier zum Ausdruck bringen, daß wir es unter Anerkennung der Schnelligkeit der Arbeit doch bedauern, daß schöpferische Gedanken in dem jetzt vorgelegten Entwurf nicht enthalten sind. Vor allem bedauern wir es auch, daß sich der Bundesjustizminister ebensowenig wie die Länderjustizminister um die geistige Heranführung des Richterstandes an die Demokratie und an die gegenwärtigen Verhältnisse bemüht hat. Er hat sich, wie uns scheint, in einer Verteidigung des Richterstandes, so wie er ihn vorgefunden hat, erschöpft und verausgabt. Er hat bislang in seinem Amt noch nicht die Initiative gefunden, auf eine Entwicklung des Richterstandes und überhaupt der Justizbeamtenschaft und der Justizeinrichtungen zum Neuen hinzusteuern.
Lassen Sie mich nun mit dem Bedauern darüber abschließen, daß gerade der Justizminister es gewesen ist, der im Anschluß an die Debatte Hedler die Veranlassung zu einer Erörterung gerade jenes Falles gab, und zwar dadurch, daß er selber von dem bewährten Grundsatz abgewichen ist, daß man nichtrechtskräftige Entscheidungen nicht zur Debatte stellt. Indem er seinerzeit dazu überging, das Gericht zu verteidigen, hat er. die Angriffe gegen dieses Gericht gerade heraufbeschworen, und zwar in einer Situation zu verteidigen, in der die Verteidigung hoffnungslos war. Was inzwischen über den mündlich verkündeten Inhalt der Entscheidung des ersten Gerichts bekannt geworden ist, ist ein ganz böses Zeichen für den Geist jener Richter, die zu verteidigen der Herr Justizminister für nötig befunden hat. Wir möchten ihm deswegen bei dieser Generaldebatte, die sich nun in der Etatberatung unbeabsichtigt und gegen die getroffenen Abreden entwickelt hat, zurufen, daß er in Zukunft seine Aufmerksamkeit darauf lenken möge, wie er die Justiz an das
Volk heranführe, und nicht darauf, wie er die bestehenden Zustände verteidige, die uns keineswegs konservierenswert erscheinen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren, zunächst einiges zum Haushaltsvoranschlag selbst. Wenn Sie ihn genau durchgelesen haben, werden Sie vielleicht festgestellt haben, daß man beim Bundesjustizminister, der doch zweifelsohne eine größere Aufgabenkompetenz hat als der Herr Innenminister, im Etat schon mit 13 Ministerialräten und 13 Oberregierungsräten auskommt. Das entspricht fast der Zahl, die wir mit 12 Ministerialräten und 12 Oberregierungsräten heute für genügend für das Innenministerium erklärt haben, woraufhin sich der Herr Innenminister unter dem Beifall seiner Regierungsparteien billigen Spott gegen mich leisten zu können geglaubt hat. Diese Zahlen beim Bundesjustizministerium scheinen aber geradezu zu bestätigen, daß die Stellenpläne beim Innenministerium außerordentlich übersetzt sind.
Wir haben deshalb beim Bundesjustizministerium nicht allzuviel zur Streichung beantragt. Immerhin, wir können nicht unterschreiben, was der Abgeordnete Dr. Greve namens der SPD-Fraktion erklärt hat, daß er und seine Fraktion an dem Etat gar nichts auszusetzen hätten. Wir haben immerhin an der Höhe des Gehalts des Bundesjustizministers etwas auszusetzen und glauben, daß hier genau wie für den Innenminister ein Grundgehalt von 24 000 DM bereits mehr als genügend ist. Wir haben auch auszusetzen, daß man hier drei Ministerialdirektoren in Gruppe B 4 einsetzen will. Ich glaube, wir kommen auch mit zwei Ministerialdirektoren aus.
In personeller Hinsicht wollen wir sonst dem Bundesjustizministerium keine weiteren Abstriche machen, weil wir wissen, daß eine große Anzahl von Gesetzen in kürzester Zeit dem Hause vorzulegen sind, weil wir wissen, daß hierzu eine Reihe von fachlich qualifizierten höheren Beamtenkräften absolut notwendig ist. Immerhin, wir glauben, daß die Zahl von 13' Ministerialräten plus 13 Oberregierungsräten plus einer Anzahl von Regierungsdirektoren absolut genügend ist.
Aber nun zu etwas anderem, was anläßlich der Haushaltsberatungen überall gesagt wird. Wir möchten hier eines erklären: Wir sind mit der Geschäftsführung des Bundesjustizministers und sein-es Ministeriums zutiefst unzufrieden. Das Bundesjustizministerium hat uns bisher immer noch nicht ein Gesetz zur Strafrechts- und Strafprozeßrechts-Reform vorgelegt, das dringendst notwendig wäre. Wir haben aus der Hitler-Zeit her immer noch die Beschränkungen bezüglich der Berufungsmöglichkeiten gegen Urteile der Gerichte. Wenn hier die Regierung nicht bald mit einer Gesetzesvorlage kommt, wird es höchste Zeit sein, daß sich in diesem Hause Fraktionen finden werden, -die das beantragen. Und sollte sich keine andere Fraktion finden, so wird auch hier die WAV voranzugehen haben und einen solchen Antrag stellen müssen,
obwohl sie es gerne Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, überlassen würde, hier mit einem Antrag zu kommen, da auch die Juristen, die bei Ihnen sind, weiß Gott, wissen müßten, wie schädlich sich die Beschneidung der Instanzen bei der Rechtsprechung ausgewirkt hat und noch auswirkt. Ich wiederhole es: wir sind zutiefst unzufrieden, daß nicht gleich von Anfang an dem Hohen Hause diese Vorlage gemacht worden ist. Schon im Oktober-November vorigen Jahres wäre der richtige Zeitpunkt dazu gewesen!
Wir sind ferner mit der Person des Bundesjustizministers selbst bzw. mit seinen Äußerungen, die er in letzter Zeit machte, unzufrieden. Wir glauben, daß sich der Bundesjustizminister wie sonst kein anderer Bundesminister aus der Tagespolitik und auch aus der Außenpolitik herauszuhalten hat. Der Bundesjustizminister muß bei Äußerungen doppelt vorsichtig sein,
(Zuruf: Sie sollten sich mehr um Ihre
eigenen Angelegenheiten kümmern!)
Wir empfehlen gerade dem Herrn Bundesjustizminister die größtmögliche Distanzierung von der Tagespolitik und von jeglicher Parteipolitik, und wir empfehlen dem Herrn Bundesjustizminister ganz besonders, nicht etwa aus einem falsch verstandenen Kollegialitätsgefühl heraus sich schützend hinstellen zu wollen vor gewisse Richter, die seinen Schutz, weiß Gott, nicht verdienen, vor gewisse Richter, die leider in ihre Ämter wieder hineingekommen sind, obwohl sie dessen keineswegs würdig sind. Ich sage keineswegs, daß a 11 e Richter so seien, keineswegs! Wir haben in allen deutschen Gerichten eine Reihe vorzüglicher Richter aufzuweisen. Das weiß jeder, der selbst im Rechtsleben steht. Aber wir haben auch Fälle, wo Leute drinnen sitzen in den Ämtern, die. entweder unfähig sind bis zum Schreien oder aber sogar unwürdig sind des Amtes, das sie heute bekleiden.
Wir warnen insbesondere vor einer Politisierung der Justiz, nicht bloß nach der einen Seite hin, sondern auch nach der anderen Seite! Wir warnen vor all diesen Dingen. Wir brauchen gerade bei der Justiz Leute, Richter und auch Staatsanwälte, die über den Parteien stehen und die möglichst wenig mit Parteipolitik aller Art zu tun haben und die am besten gar keiner politischen Partei anzugehören haben, weil gerade das Amt des Richters und des Staatsanwaltes es erfordern, daß er unabhängig ist von allen Parteirichtungen und daß er über allen Parteien steht. Da haben wir leider in soundsovielen Gerichten sehr üble Erfahrungen in den letztvergangenen Jahren gemacht! Wir haben gesehen, wie Leute Richter wurden, die ihren Kenntnissen
und Fähigkeiten nach noch keineswegs diese Posten bekommen hätten, wenn sie nicht glänzende Beziehungen zu gewissen Stellen und leider auch zu gewissen deutschen Parteipolitikern im Jahre 1945 und nachher gehabt hätten. Gerade hier müssen wir warnen, denn die Justiz ist besonders empfindlich gegenüber jeder politischen Einwirkung. Hier auf dem Gebiete der Justiz gerade müssen Sie anfangen, überparteiliche Richter einzusetzen, Leute, die möglichst keiner Partei als Mitglieder angehören, Leute, die deswegen das Vertrauen aller Parteien genießen können. Das ist es, was wir zum Justizetat im besonderen zu sagen haben. Lassen 'Sie mich zusammenfassen:
Eine Aufforderung an den Herrn Bundesjustizminister, jetzt endlich einmal die Justizreformgesetze vorzulegen und namentlich eine Reform der Strafprozeßordnung durchzuführen, aber auch der Zivilprozeßordnung! Eine Reform der Strafprozeßordnung ist aber noch doppelt so nötig wie die der Zivilprozeßordnung. Eine Reform der Strafprozeßordnung, die raschestens kommen muß, wenn Sie nicht wieder hinnehmen wollen, daß Fehlurteile, die einmal ausgesprochen worden sind, gerade bei besonders schwerwiegenden Delikten nicht mehr in der Berufungsinstanz korrigiert werden können.
Ferner fordern wir den Herrn Bundesjustizminister auf, sich endlich aus den Fragen der Tagespolitik herauszuhalten. Wir ersuchen ihn ebenso höflich wie dringend, endlich einmal daran zu denken, daß er als Justizminister bei all seinen Äußerungen ganz besonders kritisch im Ausland unter die Lupe genommen wird und daß gerade Äußerungen seinerseits auf außenpolitischem Gebiet doppelt und dreifach soviel Scherben anrichten wie die von manchem seiner Ministerkollegen.
Das ist es, was die WAV zum Etat des Justizministeriums zu sagen hat.
Die Kürzungen, die ich Ihnen vorgelegt habe, überreiche ich hier in dem Abänderungsantrag noch dem Präsidenten. Ich habe Ihnen das Wesentliche hieraus bereits vorgetragen. Die anderen Aufforderungen, die ich an den Herrn Justizminister richtete, mögen bitte, wenn auch insgeheim, bald von Ihnen im vertrauten Gespräch mit dem Herrn Bundesjustizminister unterstützt werden, bevor noch weiterer außenpolitischer und innenpolitischer Schaden aus den Äußerungen des obersten Justizministers zu erwarten ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Platz des Herrn Bundesjustizministers ist leer. Aber seien Sie unbesorgt; ich habe nicht die Absicht, den Antrag zu stellen, den Herrn Bundesjustizminister herbeizurufen, denn auch ein leerer Stuhl kann unter Umständen eine ominöse Bedeutung haben.
Meine Damen und Herren, als ich den Herrn Kollegen Kiesinger hörte, war ich in Versuchung, ihm zu applaudieren; denn alles, was der Herr Kollege Kiesinger positiv gesagt hat, deckt sich im wesentlichen mit den Auffassungen, die meine
Freunde und ich vertreten, mit einer einzigen Ausnahme, Herr Kollege Kiesinger, daß die Lehre von der normativen Kraft des Faktischen eine sozialdemokratische ist.
Das Ist Ihnen wahrscheinlich in dem Augenblick eingefallen, als Sie hier sprachen. Georg Jellinek ist ganz sicherlich kein Sozialdemokrat gewesen, und im übrigen wissen Sie, daß diese Lehre zurückgeht auf die konservative Staatsauffassung, auf den Positivismus und bis auf Stahl zurück, der alles andere als Sozialdemokrat war. Ich nehme das nur als einen lapsus linguae.
— Das ist mir sehr zweifelhaft, ob sie Anhänger des Positivismus gewesen sind. Aber das ist ja wohl überhaupt die juristische Zeitkrankheit bis 1945 gewesen, und heute, glaube ich, sollten wir alle oder fast alle über den Positivismus hinweg sein.
Aber wenn ich mich bei dieser ohnehin schon sehr langen Debatte hier doch noch zum Wort gemeldet habe, so deshalb, weil ich glaube, nicht unwidersprochen lassen zu können, was Sie negativ gesagt haben, Herr Kollege Kiesinger, oder was Sie wenigstens haben durchblicken lassen, indem immer so getan wird, als ob der Rechtsstaat und die richterliche Unabhängigkeit die Domäne der Rechten sei und auf der Linken lauter böse wilde Männer sitzen, die nun alles das nicht zu schätzen wissen.
Ich werde das gleich kurz beweisen, daß es doch weitgehend so ist. Wenn Sie sagen, wir müßten endlich lernen, ein Urteil hinzunehmen, auch wenn es uns nicht gefiele, auch wenn es uns als unbillig erschiene, dann ist das zweifellos richtig. Aber darum hat es sich ja hier heute und in der jüngsten Vergangenheit nicht gehandelt, denn Urteile, die Verbrechen sind — und wir haben solche Urteile vor 1933, nach 1933 und auch heute gehabt —, sind wir unter gar keinen Umständen hinzunehmen gewillt.
Auch heute ereignen sich ja noch solche Dinge.
Meine Damen und Herren, ich bin im Besitze eines deutschen Urteils aus dem Februar dieses Jahres. Ich kann es Ihnen hier vorlegen. Aus ihm ergibt sich der Sachverhalt, daß in einem kleinen bayerischen Ort in einer Mietstreitigkeit zwischen zwei Einwohnern, von denen der eine das Unglück hatte, jüdisch zu sein, der Rechtsanwalt des nichtjüdischen Teiles schriftsätzlich vorgetragen hat, es sei unter Juden üblich, ihren Osterkuchen mit einem Tropfen Christenblut zu würzen.
Nun, was meinen Sie, was ist mit dem Anwalt da geschehen? Van der Anklage der Aufforderung zum Rassenhaß, oder nach dem besonderen bayerischen Gesetz, das gegen Rassenwahn ergangen ist, wurde er freigesprochen. Eine Anklage wegen Verleumdung wurde gar nicht erst erhoben und von der Anklage wegen übler Nachrede wurde er amnestiert, da es zu einem Straf-
maß von mehr als sechs Monaten nicht ausreichte. Das ist ein Urteil aus dem Februar dieses Jahres. Das ist nicht bloß unbillig, oder es ist nicht bloß so, daß das Urteil uns nicht gefällt, sondern ein solches Urteil müssen wir zur Sprache bringen
und müssen es als das kennzeichnen, was es ist. Genau das hat auch mein Kollege Zinn hier getan.
Nach Ihrer nicht so direkt ausgesprochenen Unterstellung, als ob er „die" Richter angriffe, als ob wir den Teufel an die Wand malten, als ob wir eigentlich unsererseits kein Recht hätten, hier zu diesen Fragen zu sprechen, wozu noch diese Sache mit der sogenannten Selbsthilfe kommt, die Sie, Herr Kollege Kiesinger, haben anklingen lassen, wird uns so ungefähr das Existenzrecht abgesprochen,
weil es das gerade nicht gewährt, was Sie das ideologische Existenzminimum zu nennen pflegen — Herr Kollege von Brentano, Sie brauchen nicht mit dem Kopf zu schütteln; ich komme gleich noch in diesem Zusammenhang auf gewisse Ausführungen zurück, die Sie von dieser Stelle aus gestern gemacht haben.
Es handelt sich darum, dies aufzuzeigen, weil das maßgebend für die Rechtspolitik des wieder anwesenden Herrn Bundesjustizministers und für die Gedanken sein muß, die er sich um eine große Justizreform machen sollte, die er uns zwar in Aussicht gestellt, über die er aber uns Näheres bisher nicht gesagt hat, wozu doch eigentlich die Etatdebatte der Anlaß gewesen wäre. Wogegen ich mich aber immer wehren muß, sind gewisse Unterstellungen, ist z. B. die Gegenüberstellung dessen, was hier mein Kollege Greve in seiner Rede ausführte, in der er sich zum Rechtsstaat bekannte, aber forderte, daß dieser Rechtsstaat auch verwirklicht werden müsse, während Herr Kollege Ewers von der Deutschen Partei dann mit einer sehr deutlichen Angriffsrichtung erwidert hat: der rücke dem Rechtsstaat zu Leibe, der die Bestrafung eines Richters fordere, der nach seinem Gewissen Recht gesprochen habe! Als ob es hier im Hause Abgeordnete gäbe, die etwas Derartiges gefordert hätten. Es kann eine solche Forderung nur erhoben werden, wenn der Richter nicht nach dem Gesetz gerichtet hat. Das lag der Forderung zugrunde. Das ist es, was wir fordern, und hier wird die Anklage erhoben, aber gegen keinen Richter, der nach dem Gesetz Recht gesprochen hat; denn der Richter ist dem Gesetz unterworfen, und es steht weder im Grundgesetz noch in den Verfassungen, abgesehen von der Verfassung von Rheinland-Pfalz, etwas darüber drin, daß der Richter nach seinem Gewissen vom Gesetz abweichen dürfe. Auch darüber hätten wir allerdings gerne etwas von dem Herrn Bundesjustizminister . gehört; denn einer seiner nächsten Mitarbeiter, Herr Senatspräsident Rotberg, hat soeben in einer Schrift über das kommende Richtergesetz geschrieben, das Richtergesetz müsse die Vorschrift bringen, daß ein Richter, der das Gesetz nicht vor seinem Gewissen verantworten könne, nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sei, sowohl im Einzelfalle als auch in ganzen
Gruppen von Fällen von dem Gesetz abzuweichen.
Sehen Sie, Herr Kollege Kiesinger, das ist ein Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit. Denn eine solche Auffassung realisiert, wirkt wie Dynamit und würde dahin führen, daß wir hier einen Konflikt bekämen zwischen dem verfassungsmäßig zur Gesetzgebung berufenen Organ und einer Richterschaft, die es sich herausnehmen würde, die Anwendung dieser Gesetze, da sie mit ihrem Gewissen nicht übereinstimmen, zu verweigern.
Aber sonst müßte ich Sie bitten, Ihre freundlichen Aufforderungen wie die des Herrn Kollegen Ewers, daß wir hier doch zu einer gegenseitigen Achtung kommen sollten, die des Herrn Kollegen Wuermeling, man sollte endlich im Plenum eine Atmosphäre der sachlichen Arbeit schaffen, die des Herrn Kollegen Kiesinger, daß ein ideologisches Existenzminimum notwendig wäre — diese Auffassungen auch zu realisieren und nicht Selber immer dadurch zu torpedieren, daß man gerade der Oppositionspartei allen guten Willen und alle guten Grundsätze abspricht, daß man sie der „Sabotage" bezichtigt und daß man erklärt, sie befleißige sich einer Verantwortungslosigkeit, die an Gewissenlosigkeit grenze.
Sehen Sie, das sind Töne, die wir ja auch von dem Herrn Kanzler zu hören gewohnt sind, der uns zu sagen pflegt, daß der Mangel an Pflichtbewußtsein, den wir an den Tag legten, ihn auf das tiefste zu erschüttern pflegte. Ich möchte meinerseits auch, nicht annähernd ein solches Wort gegen die Regierung auszusprechen wagen, denn es werden ja hier im Hause sehr leicht Ordnungsrufe erteilt
und auch speziell dafür, daß man eine Meinung äußert, zum Ausschluß gegriffen.
— Nun, der Herr Kollege Seuffert ist ausgeschlossen worden wegen einer Äußerung, die, wenn Sie das Protokoll nachlesen, nie und nimmer dazu hätte Anlaß geben können,
daß man ihn hier aus dem Saale verwies. Aber es wird da eben zweierlei Recht geübt. Wenn Sie also hier ein ideologisches Existenzminimum wünschen, Herr Kollege Kiesinger, dann richte ich doch den dringenden Appell an Sie: Hören Sie zuerst einmal hier im Hause damit a, daß hier immer zweierlei Recht gilt, und dann -sorgen Sie in Zukunft, daß solche tiefbedauerlichen Äußerungen unterbleiben, wie sie Ihr Nachbar Herr von Brentano getan hat, der von der Verantwortungslosigkeit sprach, die an Gewissenlosigkeit grenze.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache über den Einzelplan VII ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen zunächst zwei Abänderungsanträge vor: der Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Leuchtgens
und Genossen, Drucksache Nr. 553, und der Abänderungsantrag der Fraktion der WAV, der durch den Herrn Abgeordneten Loritz vorhin während seiner Ausführungen Ihnen vorgetragen worden ist.
Wir stimmen zunächst über den Antrag Leuchtgens ab. Ich bitte diejenigen, die für Annahmedieses Abänderungsantrags sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zu dem Abänderungsantrag Loritz. Ich bitte diejenigen, die für diesen Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Vorlage Einzelplan VII, Anlage zur Drucksache Nr. 677 in Verbindung mit Drucksache Nr. 677, über den Haushaltsplan des Bundesjustizministeriums in Einnahme mit 183 300 DM, in Ausgabe mit 1 518 600 DM. Ich bitte diejenigen, die der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist die Vorlage Einzelplan VII angenommen.
Meine Damen und Herren! Heute vormittag ist die Beratung über Einzelplan V wegen Abwesenheit des zuständigen Bundesministers vertagt worden. Ich möchte Ihnen vorschlagen, daß wir nunmehr in die Beratung des
Einzelplans V - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans
eintreten.
Die Berichterstattung ist bereits erfolgt. Wir treten also sofort in die Beratung ein.
Das Wort hat. der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Heute morgen erlebten wir die ganze Würdelosigkeit dieser Regierung.
Herr Abgeordneter,
wegen dieses Ausdrucks rufe ich Sie zur Ordnung.
Ich muß darauf verweisen, daß das Hohe Haus den Beschluß fassen mußte, den verantwortlichen Bundesminister für die Angelegenheiten des Marshallplans aus einer Sitzung der Ruhrbehörde in Düsseldorf nach Bonn zu zitieren, und ich stehe nicht an, auch nur einen Deut von meiner vorhergegangenen Erklärung zurückzunehmen.
Herr Abgeordneter Rische, ich rufe Sie wegen der Wiederholung Ihrer beleidigenden Äußerung zum zweiten Male zur Ordnung und mache Sie auf die Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam.
Meine Damen und Herren! Die wahre Regierung für Westdeutschland — das hat sich heute morgen erwiesen - sitzt nicht hier auf dieser Regierungsbank, sondern sie sitzt in Düsseldorf. Es ist die Ruhrbehörde.
Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten müssen in aller Deutlichkeit erklären,
Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst, Platz zu nehmen. Es ist unmöglich, die Ordnung im Hause aufrechtzuerhalten, wenn soviele Damen und Herren in den Gängen herumstehen.
Meine Damen und Herren! Die Vorlage Einzelplan V zeigt uns mit aller Deutlichkeit, daß die Bundesregierung in Westdeutschland in ihren Entscheidungen und Entschlüssen in der Wirtschaftspolitik nicht nach deutschen Gesichtspunkten, sondern einzig und allein nach Befehlen ausländischer Mächte und der Hohen Kommission handeln muß.
Bei der Bildung des Bundesministeriums für die Angelegenheiten des Marshallplans wurde in der westdeutschen Öffentlichkeit darauf verwiesen, daß es aus Gründen wirtschaftlicher Notwendigkeit geschaffen werden müsse. Der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion erklärte mir heute zum Einzelplan V, daß dieses Ministerium neben den Aufgaben der Wirtschaftspolitik noch sehr wichtige außenpolitische Funktionen wahrnehmen müsse. Wir Kommunisten können nun gar nicht einsehen, worin gerade diese außenpolitischen Funktionen des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans in Wirklichkeit bestehen sollen.
Es ist doch eine Tatsache, meine Damen und Herren, daß alles das, was wir im Rahmen des Marshallplans in Westdeutschland durchführen bzw. hinnehmen müssen, auf Befehl von Mr. Hoffman in Paris geschieht. Mr. Hoffman in Paris diktiert uns in allen Fragen der deutschen Wirtschaft seinen amerikanischen Standpunkt, den Standpunkt der amerikanischen Monopole.
Wir Kommunisten stellen darum fest — und die wirtschaftliche Entwicklung beweist es uns —, daß wir heute keine unabhängige Wirtschaftspolitik mehr haben, daß wir in Westdeutschland die amerikanische Wirtschaftspolitik mit all ihren Folgen hinnehmen müssen.
Meine Damen und Herren! Das Ministerium für Angelegenheiten des Marshallplans wurde — das ging auch aus den deutschen und internationalen Veröffentlichungen hervor — auf Wunsch der Amerikaner gebildet. Ich will nur auf die Diskussion selbst in Kreisen der Regierung hinweisen; das ist in diesem Hause schon des öfteren geschehen. Es war der Wunsch der Amerikaner, daß dieses besondere Ministerium für die Durchführung der amerikanischen Wirtschaftspolitik in Westdeutschland gebildet wurde. Der Befehl der Amerikaner wurde also erfüllt. Und das Ergebnis der Politik
dieses Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans? Das Ergebnis dieser Politik ist heute den werktätigen Menschen in Westdeutschland, jedem einzelnen Menschen, bekannt. Die Ergebnisse der Marshallplanpolitik sind die 2 Mil-honen Arbeitlosen, sind die Kurzarbeiter, sind die demnächst erfolgenden Angriffe auf die gegenwärtigen Löhne der Arbeiter und Angestellten. Die Marshallplanpolitik findet ihren Ausdruck auch in der Politik der verbrannten Erde,
in der Politik der Zerstörung deutscher Wirtschaftsanlagen an den verschiedensten Punkten Westdeutschlands. Diese Politik findet ihren Ausdruck auch in der nach wie vor erzwungenen Ausfuhr von Rohstoffen aus dem Ruhrgebiet. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an eine Unmasse von Exportbehinderungen, die für Westdeutschland im Zeichen des Marshallplans nach wie vor Geltung haben. Und, meine Damen und Herren, im Verlaufe dieser Marshallplanpolitik in Westdeutschland, im Verlaufe der Politik des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans wurde die amerikanische Krise mit all ihren Folgen nach Westdeutschland gebracht.
Wir haben schon oft, gerade von dieser Stelle, den Schreckensruf „1952!" gehört, den Ruf, daß im Jahre 1952 diese angeblichen Hilfsbeträge von drüben über dem großen Teich nicht mehr fließen, daß dann das deutsche Volk nur noch das verzehren kann, was es sich selbst erarbeitet.
Es ist nun interessant, zu verfolgen, mit welchen Methoden die Regierung ihre Politik der Verlängerung des Marshallplans, der sogenannten Hilfeleistungen aus den USA, betreibt. Der deutschen und internationalen Öffentlichkeit sind die Dokumente, die Memoranden der Bundesregierung bekannt. In diesen Dokumenten und Memoranden wird das „Gespenst" des wirtschaftlichen Niedergangs in aller Kraßheit an die Wand gemalt. Hier sagt man der Weltöffentlichkeit, da es der Bundesregierung und ihrem Wirtschaftsministerium nach 1952, wenn die amerikanische sogenannte Hilfe nicht mehr fließt, nicht mehr möglich sein wird, überhaupt noch eine wirkliche Wirtschaftspolitik durchzuführen. Meine Damen und Herren, wir Kommunisten wissen Ihren Schreckensruf vom Jahre 1952 sehr wohl einzuschätzen. Wir verstehen Ihre Sorgen, denn wir wissen ganz genau, daß das Jahr 1952 letzten Endes nichts anderes bringt als den Beginn der Zinszahlungen, die das deutsche Volk als Ergebnis der Marshallplanpolitik zu leisten hat.
Dann haben wir noch die Politik der erzwungenen „Liberalisierung", die ebenfalls von dem Herrn Bundesminister für Angelegenheiten des Marshall-plans in Westdeutschland so begeistert durchgeführt wird. Wir Kommunisten möchten doch auch einmal klarstellen, daß dieses Wort „Liberalisierung" in Wirklichkeit den ganzen Sachverhalt nicht trifft, denn die „Liberalisierung" bedeutet in Wirklichkeit nichts anderes als die Durchführung der amerikanischen Kolonialisierung in Westdeutschland.
Zu diesem Zweck hat die Regierung Adenauer mit der Hohen Kommission den sogenannten ECA-Vertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag ist sozusagen das erste Werk des Ministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans gewesen. In diesem Vertrag ist vorgesehen, daß deutsche Arbeitskräfte zukünftig für den Bedarf der Amerikaner zur Verfügung gestellt werden sollen. In diesem Vertrag ist ferner vorgesehen, daß deutsche Rohstoffe, daß deutsche Vorräte und daß deutsche Patente auf Anforderung der Amerikaner den amerikanischen Monopolen zur Verfügung gestellt werden sollen.
Meine Damen und Herren! Dieser Vertrag ist auch wiederum ein Beispiel dafür, welche Kräfte in Westdeutschland Wirtschaftspolitik betreiben.
In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant, auch an die Adenauerschen Wirtschaftsunionspläne mit der französischen Regierung zu erinnern. Diese Vorschläge wurden nach der Rückkehr McCloys aus den USA bekannt.
Es ,ist anzunehmen, daß hier irgendwelche Inspirationen vorliegen. Denn es ist uns sehr aufgefallen, daß die Forderung Adenauers auf Errichtung einer Union Frankreich und Westdeutschland — das sage ich mit Absicht: Frankreich und Westdeutschland — in Wirklichkeit nichts anderes bedeutet als die Verwirklichung der amerikanischen Pläne zur Schaffung eines einheitlichen Marktes auf dem westeuropäischen Kontinent. Dann hörten wir von Adenauer, daß England heute schon zu müde geworden ist, um kühne Pläne zu verwirklichen. Diese kühnen Pläne hat aber die Regierung Adenauer, und diese kühnen Pläne laufen darauf hinaus, Westdeutschland restlos an die amerikanischen Monopole zu verschachern.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß das deutsche Volk im Zuge der Durchführung der Marshallplanpolitik in Westdeutschland weder nationale Unabhängigkeit noch Souveränität hat, noch eine eigene deutsche Wirtschaftspolitik durchführen kann. Westdeutschland ist im Zuge der Marshallplanpolitik nicht mehr als ein deutsches Wirtschaftsgebiet anzusprechen, sondern Westdeutschland ist heute nur noch ein Operationsgebiet der Expansionsgelüste der amerikanischen Monopole.
Sie werden sagen, daß muß man beweisen. Das läßt sich glänzend beweisen an der Politik der erzwungenen Durchführung des Stahlembargos gegen die Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik.
Die deutsche Öffentlichkeit wurde nämlich durch Äußerungen westdeutscher industrieller Kreise auf die eigentlichen Hintergründe dieses Stahlembargos verwiesen, und es stimmt, daß die Hohe Kommission der Bundesregierung am 10. Februar 1950 den Befehl gab, dieses Stahlembargo zum Schaden der westdeutschen Wirtschaft, der westdeutschen Stahlwerke durchzuführen. In westdeutschen Industriezweigen ist man der Meinung, daß durch das Verbot die Einschaltung der Pariser Marshallplanorganisation in den innerdeutschen Handel ermöglicht werden soll. Das heißt nichts anderes, als Kontrollbefugnisse der Marshallplanadministration in Paris in ursächliche Angelegenheiten der deutschen Menschen in Ost- und Westdeutschland, in der Angelegenheit der Aufrechterhaltung des innerdeutschen Handels, der seit Jahrhunderten zwischen den deutschen Stämmen in West- und Ostdeutschland gepflegt wurde und immer gepflegt werden muß.
Der „Industriekurier" vom 16. Februar 1950 erwähnt einen Geheimbeschluß, wonach Westdeutschland zum 10. Februar die Stahllieferungen in die
ein eigenes Konto unterhalten müssen. Hoffentlich bedeutet dies einen Fortschritt in der Aufspürung aller derjenigen Dinge, die im Zeichen des Marshallplans seit 1945 in Westdeutschland vor sich gegangen sind.
Dabei wird im Vorwort zum Einzelplan V in den einzelnen Abschnitten der Anschein erweckt, als ob es sich hier wirklich um unabhängige deutsche Missionen, um ein unabhängiges deutsches Kontor handelt. In Wirklichkeit ist es doch so — und das beweist doch die tägliche Praxis des Marshallplans nicht nur in Westdeutschland, sondern in allen Ländern, die dem Marshallplan untertänig sind —, daß Washington diktiert bzw. Mr. Hoffman von Paris aus diktiert, was zu geschehen hat.
Meine Damen und Herren! Nun einige Bemerkungen zu den einzelnen Kapiteln. Auf Seite 16 der Anlage — Kap. 1 Tit. 20 — sind Kosten für Sachverständige in Höhe von 75 000 DM ausgewiesen. Veranschlagt ist für einen Sonderauftrag an das Institut für Weltwirtschaft in Kiel ein Be- trag von 10 000 DM. Leider ist, glaube ich, der Leiter des Instituts, Professor Baade, nicht anwesend, sonst hätte er uns einmal diesen Sonderauftrag näher erklären und uns sagen können, warum ausgerechnet dieser Betrag für sein Institut zur Verfügung gestellt wurde.
Und dann haben wir außerdem noch einen weiteren Betrag von 65 000 DM, der ausgegeben werden soll für sonstige Gutachten auf völkerrechtlichem und auf wirtschaftspolitischem Gebiet.
Wir haben es wahrlich nötig — Sie haben recht —: in der Frage des Marshallplans muß man stündlich und minütlich nach dem Völkerrecht fragen.
Obwohl alles, was mit dem Marshallplan zusammenhängt, lediglich auf die Befehle von Washington und Paris zurückgeht,
stelle ich die Frage: Wie kann man bei der Durchführung der Politik der amerikanischen Monopole überhaupt von Völkerrecht sprechen?
— Ach, reden Sie doch nicht von Moskau; das ist die Hauptstadt eines Volkes,
das mit allen Völkern der Erde gute Beziehungen unterhält
und die besten politischen Beziehungen mit dem deutschen Volk unermüdlich anstrebt.
Meine Damen und Herren, nun zu Seite 18, Kap. 1, Tit. 31 und 32. Da ist der schon vorher von mir genannte Beitrag zu den Ausgaben für die ständige OEEC-Organisation, für den Ausschuß für europäische Zusammenarbeit in Paris. Dieser Beitrag beträgt rund 1,6 Millionen DM. Und dann kommt ein besonders interessanter Posten — Tit. 32 —: „Kosten der Publizitätsverpflichtungen aus dem ERP-Vertrag", der mit einem Betrag von 25 000 DM ausgewiesen ist. Da heißt es dann in der Erläuterung zu Tit. 32: „1. Für Veröffent(Rische)
Deutsche Demokratische Republik solange zu sperren habe, bis die technischen Voraussetzungen für eine Kontrolle des innerdeutschen Warenverkehrs durch die OEEC geschaffen seien. Wörtlich schreibt die Zeitung:
Man verrät kein Geheimnis mehr, daß dieser Geheimbeschluß den interessierten deutschen Kreisen frühzeitig bekannt wurde. Diese Indiskretion, die der geplanten Aktion naturgemäß jede Schlagkraft nehmen mußte, veranlaßte dann die Träger des ERP, der Bundesregierung tatsächlich die Empfehlung zu übermitteln, das Stahlembargo zum 10. Februar auszusprechen und gleichzeitig für diese Maßnahmen eine Begründung zu formulieren.
Es blieb somit der Adenauer-Regierung vorbehalten, die Begründung für eine Maßnahme gegen die
deutsche Wirtschaft selbst zu formulieren. Und dies
ist nicht eine Feststellung irgendeines kommunistischen Abgeordneten, eines kommunistischen Funktionärs, sondern der Zeitung der westdeutschen
Schwerindustrie.
An diesem Beispiel, Kollege Strauß, zeigt sich, wie sehr die Adenauer-Regierung von der Gnade Mr. Hoffmans in Paris, von der Gnade des Marshallplans abhängig ist,
und wie unheilvoll die Auswirkungen des Marshall- plans für die ganze westdeutsche Wirtschaft sich heute schon erweisen. Sie tun Ihren Parteifreunden Lehr und Kost — und wie sie alle heißen - wirklich einen schlechten Dienst, wenn Sie hier glauben, gegen die Kritik am Stahlembargo Einwendungen erheben zu müssen.
Meine Damen und Herren! Von diesen grundsätzlichen Gesichtspunkten her muß man bei der Beratung des Einzelplans V an die aufgeworfenen Probleme selbst herangehen.
Im Einzelplan V ist ausgewiesen, daß rund 3,9 Millionen DM für das Marshallplanministerium ausgegeben werden sollen. 3,9 Millionen DM aus den Steuergroschen des westdeutschen Volkes und davon allein 1,6 Millionen DM als Beitrag zu den Ausgaben für die ständige Organisation in Paris, also für das Marshallplanbüro Mr. Hoffmans, für das Büro eines Vertreters der amerikanischen Monopole, die mit aller Gewalt darauf drängen, sich Westeuropa und damit Westdeutschland wirtschaftlich, politisch und militärisch untertan zu machen! Dafür werden die Steuergroschen der westdeutschen Bevölkerung hergegeben.
Wie aus dem Einzelplan V, aus der Anlage zu Drucksache Nr. 675 hervorgeht, unterhalten wir zur Zeit eine Marshallplan-Mission in Washington — der Leiter ist übrigens ein Sozialdemokrat, bei der Marshallplanfreudigkeit der Sozialdemokraten kein Wunder! — und unterhalten eine ständige Vertretung in Paris, die wahrscheinlich die zitierten außenpolitischen Interessen des deutschen Volkes im Büro von Mr. Hoffman wahrzunehmen hat. Aber außerdem haben wir in Frankfurt noch ein ständiges Büro, ein sogenanntes ERP-Kontor, das den Nachweis über den Verbleib der aus der Marshallplanhilfe zur Verfügung gestellten Mittel prüfen muß. Es ist oft sehr mysteriös; wo diese Mittel aus dem Marshallplan hinfließen, wo sie bleiben, und es ist. interessant, daß wir dafür sogar
lichungen in der New York Herald Tribune: 20 000 DM."
Es wäre sehr interessant, einmal zu erfahren, um was für Veröffentlichungen es sich hier handelt. Sind es etwa Annoncen der notleidenden westdeutschen Exportwirtschaft, oder handelt es sich hier um Propagandaartikel zur Propagierung des Marshallplans, also der Politik der Unterdrückung in Westdeutschland?
Weiterhin ist ein Posten von 3600 DM ausgewiesen für die Drucklegung des dritten ERP-Vierteljahresberichts 1949, eines Berichts, den man wohlweislich einigen Abgeordneten dieses Hauses verschweigt und unterschlägt. Meine Damen und Herren, es ist auch bezeichnend für die Politik der Durchführung des Marshallplanes, daß man es vorgezogen hat, Kommunisten nicht in den Ausschuß für sogenannte ERP-Fragen hineinzunehmen, um möglichst unter sich zu bleiben,
um möglichst die Politik der Amerikaner unkontrolliert vom Volke in Westdeutschland durchführen zu können.
Meine Damen -und Herren! Drittens ist noch ein Betrag von 1400 DM ausgewiesen für die Vorbereitung von Ausstellungen, Drucksachen und Plakaten. In diesem Zusammenhang verweise ich auf eine Verpflichtung im ECA-Vertrag, wonach die westdeutsche Regierung gezwungen ist, für den ERP-Plan, also für die Politik der amerikanischen Monopole, für die Politik der wirtschaftlichen Unterdrückung in Westdeutschland noch die notwendige Propaganda zu machen, und soweit ich unterrichtet bin, ist ja ein erklecklicher Betrag von '7,5 Millionen Dollar aus den ERP-Mitteln für die Propaganda des Marshallplans in Westdeutschland vorgesehen. Hier rundet sich immer mehr das Bild der Abhäneigkeit der westdeutschen Regierung von den amerikanischen Monopolen ab.
Meine Damen und Herren! Schließlich und endlich wird auf Seite 32 im Kap. E 12 Tit. 3 ein Betrag von 300 000 DM ausgewiesen für den Umbau des Delegationsgebäudes in Paris und für die erstmalige Beschaffung von Büromöbeln, Geräten und Ausstattungsgegenständen für dieses Delegationsgebäude. Wie heißt es da so schön in den Erläuterungen unter Nr. 3 und 4 zu Tit. 3 auf Seite 33? Es heißt dort:
Für die vollständige Ausstattung der Empfangshalle im Erdgeschoß des Treppenhauses, des Vorraumes im 1. Stock und des Sitzungssaales im 1. Stock, zwei Repräsentationszwecken dienenden Räumen in der Dienstwohnung des Missionschefs und den Gast-und Arbeitszimmern im 3. Stock 85 000 DM, für die vollständige Ausstattung von rund 20 Büroräumen weitere 20 000 DM.
Also Repräsentation bei der Tatsache, daß wir de facto das ärmste Volk ganz Europas sind!
Das können Sie nicht bestreiten. Sie besitzen ja einen Lebensstandard, der nur teilweise aus der eigenen Arbeit bezahlt ist, sondern der auf Pump beruht, auf einer 'unerhörten Schuldenlast, die den Betrag von rund 15 Milliarden bereits erreicht hat.
Meine Damen und Herren! Das ist, wenn Sie wollen, unsere grundsätzliche Stellungnahme zum
Einzelplan V, zum Etat des Bundesministeriums für Fragen des Marshallplans. Unsere grundsätzliche Stellungnahme ist erfüllt von der Sorge um die deutsche Wirtschaft,
von der Sorge um die Unabhängigkeit unseres Volkes, um die Selbstentscheidung in allen Fragen der Wirtschaft und unseres Lebens.
So lange der Marshallplan, so lange der ECA-Vertrag mit der Regierung in Washington besteht, so lange können Sie weder von Unabhängigkeit der deutschen Wirtschaft, noch von der Selbstentscheidung des deutschen Kaufmanns, noch von der Freiheit des deutschen Menschen sprechen.
Meine Damen und Herren! Wir haben darum einige grundsätzliche Anträge gestellt. Der erste Antrag grundsätzlicher Natur ergibt sich aus meinen Ausführungen, ergibt sich aus unserer ganzen Stellungnahme gegen dieses Instrument der Unterdrückung in Westdeutschland. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Einzelplan V wird gestrichen.
In diesem Zusammenhang ein Wort zum SPD-Antrag! Die Marshallplanfreudigkeit der SPD ist uns bekannt, obwohl sehr viele SPD-Funktionäre und Gewerkschaftler heute auch schon offen von der Krise des Marshallplanes sprechen und in den Chorus der Rechts-Parteien einstimmen und auch schon Furcht haben vor . der Entwicklung des Jahres 1952. Aber wir verstehen durchaus nicht, daß die SPD zwar die Streichung des Einzelplans V fordert, aber die Befugnisse des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplanes an das Bundeskanzleramt oder an eine entsprechende Einrichtung im Bundeswirtschaftsministerium binden will. Was zeigt sich hier, meine Herren Kollegen der Sozialdemokratischen Partei? Es zeigt sich, daß Sie allzuoft mehr oder weniger mit dieser reaktionären Regierung einen einheitlichen Standpunkt einnehmen, und dies geschieht ganz besonders klar in der Frage des Marshall-planes, obschon auch Ihnen bewußt ist, daß dieser Marshallplan zu den zwei Millionen Arbeitslosen geführt hat, obschon Sie auch genau so gut wissen, daß dadurch die Unabhängigkeit der deutschen Wirtschaft verloren ging.
Wir wissen ganz genau, daß Ihre Herren und auch die übrigen Herren von der rechten Seite dieses Hauses diesen unseren grundsätzlichen Standpunkt ablehnen werden.
— Reden Sie nicht immer vom deutschen Volk! Verteidigen Sie das deutsche Volk in dieser Angelegenheit des nationalen Notstandes, der nationalen Freiheit.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, doch' die ewigen Unterbrechungen durch Zwischenrufe zu unterlassen.
Meine Fraktion hat dann noch zu den von mir vorhin kritisierten einzelnen Kapiteln Abänderungsanträge gestellt:
1. Die Position Kap. 1 Tit. 20 mit 75 000 DM ist zu streichen.
2. Die Position Kap. 1 Tit. 3 mit 1 620 000 DM und Tit. 32 (Kosten der Publizitätsverpflichtungen aus dem ERP-Vertrag) mit 25 000 DM sind zu streichen.
3. Kap. E 12 Tit. 3 mit 300 000 DM ist zu streichen.
Diese Beträge sind darum zu streichen, weil wir
ein armes Volk sind und weil wir die deutsche
Wirtschaft frei und unabhängig entwickeln wollen.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird auch noch zu den anderen Vorlagen in der dritten Lesung Abänderungsanträge stellen.
— Sie sollen es nicht so leicht haben bei der Durchführung der Politik des Kampfes gegen die Interessen des werktätigen Volkes!
Sie sollen sich in all den Fragen entscheiden, in denen es darum geht, das Volk gegen eine Regierung und gegen eine Politik zu schützen, die nichts anderes bedeutet, als daß die Lasten des Krieges, di e Lasten der amerikanischen Wirtschaftspolitik auf die Schultern der Werktätigen geladen werden.
Das Wort hat der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers und Bundesminister für Angelegenheiten des Marshall-plans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir zunächst eine selbstverständliche Pflicht, auf den heutigen Vormittag zurückzukommen. Ich habe das Meinige versucht, um von vornherein ungefähr die zeitliche Disposition dieses Hohen Hauses festzustellen. Gerade deswegen hatte ich die Fortsetzung der Beratungen in Düsseldorf nicht am heutigen Nachmittag, sondern am heutigen Vormittag beantragt. Ich glaube, der Herr Kollege Mellies — wenn mir dieses persönliche Wort gestattet ist — wird mich wahrhaftig nicht als jemanden kennen, der eine Verletzung der Formen, am allerwenigsten gegenüber dem höchsten Vertreter des deutschen Volkes, anstrebt oder auch nur sie zu begehen fähig wäre.
Verzeihung, ich hatte das vorher bekanntgegeben, Herr Mellies.
Zur Sache möchte ich aber folgendes sagen. Es wird in der heutigen Zeit — auch die Herren Abgeordneten kennen ja die ewige Überschneidung verschiedener Aufgaben — sehr oft vorkommen, daß Pannen passieren. Und wenn gefragt wird, ob das heute morgen so nötig war, so sage ich Ihnen: jawohl, es war notwendig. Denn es war mir heute morgen in jenem Düsseldorfer Gremium zum erstenmal möglich, ernstlich über die Frage der deutschen Stahlerzeugungskapazität, über die Notwendigkeit der Wiedererrichtung einer Breitbandstraße, über die Zusammenhanglosigkeit unseres Produktionsprogramms für Spezialbleche usw. zu sprechen.
— Herr Kollege Rische, solche Zwischenrufe von Ihnen sind für die Fortführung der von mir vorzutragenden Gedanken unerheblich, im übrigen allein deswegen, weil die Beschäftigung mit „gelobten Ländern" Herrn Rische in die Lage. versetzt hat, daß er nicht einmal weiß, wo der Sitz der Ruhrbehörde ist, und daß er weiter bei den Erzählungen über den Inhalt des ECA-Vertrages ganz offenbar in eine falsche Schublade geraten ist.
Denn er hat Dinge erzählt, die überhaupt nicht drinstehen. Ich glaube also, es verlohnt sich, auf die Äußerungen von Herrn Rische nur insofern einzugehen, als sie bestrebt sind, von den üblichen, bekannten Deklamationen abgesehen, Dinge bewußt falsch darzustellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aus ganz bekannten propagandistischen Gründen das Wort von der Rohstoffausfuhr gefallen. Ich möchte demgegenüber feststellen, jeder von uns im Hause — außer Ihnen — freut sich, wenn wir auf dem Weltmarkt unseren Platz bei der Ausfuhr von Kohle, von bestimmten Stählen usw. behalten. Man soll doch dem deutschen Volk eine solche Unkenntnis der Dinge nicht zumuten. Der deutsche Arbeiter weiß von diesen Dingen mehr als Sie, Herr Rische.
Dann ist wieder einmal ein zweites Wort gesagt worden. Ich weiß, daß es Ihnen nicht paßt, wenn dieses Land sich selbst hilft. Ich weiß, daß es Ihnen nicht paßt, wenn man den Raub im Osten mit Darlehen oder Geschenken aus dem Westen vergleicht. Darüber bin ich mir im klaren. Aber Sie sollten doch bestimmte Tatbestände nicht so entstellend darzustellen versuchen. Wenn wir liberalisieren, dann tun wir das in keiner Weise auf den Befehl der anderen, sondern weil wir wissen, nur auf diese Weise können wir die gewerbliche Produktion soweit wie immer möglich ausdehnen.
Nur wenn wir das können, werden wir für die vielen, vielen Menschen, die als Opfer des gelobten Landes des Herrn Rische zu uns flüchten müssen, zusätzlich Brot bekommen.
— Es kommt der übliche Zwischenruf mit der Landwirtschaft. Daß nun plötzlich die Kommunistische Partei sich als Sachwalter der Landwirtschaft aufführt, das dürfte von der Landwirtschaft selber am lautesten abgewehrt werden.
Aber ich will mich ja nur mit Dingen befassen, die für Sie ganz charakteristisch sind. Da kommt zum Beispiel eine Frage, die ins Persönliche geht, die also deswegen in dieses Hohe Haus nicht hineingehört, Herr Rische, wenn man politischen Anstand wahren will. Das ist die Frage derjenigen Beträge, die an das Weltwirtschaftliche Institut in Kiel überwiesen worden sind. Sie sind deswegen überwiesen worden, weil wir in Deutschland keine
andere wissenschaftliche Anstalt haben, die die dort behandelten Fragen mit solcher Gründlichkeit, Sachkenntnis und Qualität behandelt.
— Nicht meiner Ansicht nach, sondern nach der Ansicht dieses ganzen Hauses, soweit es sich mit diesen Dingen befaßt. Im übrigen mag die Einbeziehung von Männern, die wahrhaftig für Deutschland, auch draußen, schon allerhand geleistet haben, mit ihrem' Namen in eine derartige persönliche Verdächtigung Ihnen vorbehalten bleiben.
Ein zweiter, ganz klassischer Fall ist die Behauptung: Ja, es wird uns ja gar keine Möglichkeit der Einsicht gegeben; da wird irgendwo ein geheimnisvolles Kontor aufgemacht.
— Was ich aus Washington mitgebracht habe, Herr Rische, das hatte allerdings eine Unbefangenheit des Geistes zur Voraussetzung, die Ihnen verboten ist, weil sie für Sie zu gefährlich wäre.
Dieses Kontor würde nämlich eine gewisse Arbeit erfordern, wenn man seine Aufgabe verstehen wollte. Es hat gar nichts anderes zu tun, als die von den sachlich verantwortlichen, federführenden Ministerien gegebenen Anweisungen hinsichtlich des Einkaufs, der Einfuhr, der Bezahlung und Verrechnung auszuführen; weiter gar nichts. Das ist also dieses geheimnisvolle Kontor.
Was im übrigen den Verbleib der Mittel betrifft, so bin ich hier bei einem Thema, das ich ganz kurz behandeln darf. Die Gegenwertmittel werden ebenso in einem eigenen, von meinem Ministerium vorzulegenden Gesetz hinsichtlich ihrer Behandlung wie das Gegenstück zu der Verbleibskontrolle behandelt werden, was ebenfalls im Gesetz sein wird.
— Was wir schuldig bleiben, das kommt auf die Klugheit des deutschen Volkes an. Wenn es sehr klug ist, dann werden wir 'zu Ihrem Entsetzen vielleicht den größten Teil dieser Zuwendungen geschenkt bekommen.
Aber wenn wir dumme Reden halten, und wenn wir Leute dafür, daß sie uns helfen, in einer derart unflätigen Weise behandeln, dann könnte es Ihnen passieren, daß Sie tatsächlich bezahlen müssen.
— Herr Renner, handeln Sie — ich kenne doch Ihre Intelligenz —
handeln Sie doch nun nicht auf Befehl gegen besseres Wissen. Dann würde ich an Ihrer Stelle lieber schweigen.
— Ich weiß, daß über gute Manieren zwischen uns immer Meinungsverschiedenheiten bestanden haben.
Meine Damen und Herren! Dabei bin ich aber bei der Frage der Existenz des Ministeriums. Von
den großen Parteien hat die Sozialdemokratische Partei den schon von meinem Vorredner erwähnten Antrag gestellt. Es ist daher notwendig, über die Aufgaben dieses Ministeriums einiges zu sagen. Es ist nicht so, daß Doppelarbeit zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem meinen geleistet wird. Es ist vielmehr so, daß die Entwicklung in der Bearbeitung des Marshallplans und seiner Folgen
immer stärker von der Vorlage rein nationaler autarker Programme zu der Bearbeitung gesamteuropäischer wirtschaftlicher Angelegenheiten fortgeschritten ist. Gerade das, was wir zu besorgen haben, ist heute nicht mehr das, was Sie einmal so sehr im Jahre 1948 gequält hat, mit all diesen unmöglichen Prophezeiungen von long-term-Plänen und anderen. Was wir heute zu tun haben, das sind Untersuchungen an Dutzenden von Stellen über die Möglichkeit der Zusammenfassung europäischer wirtschaftlicher Bemühungen.
Das ist das eine, und wenn wir dabei wirklich amerikanische Finanzhilfe bekommen, will ich Europa gratulieren.
Das zweite, was zu tun ist: wir stehen, wie Sie alle im Hause wissen, vor der ganz entscheidenden Aufgabe. die übelsten Folgen der letzten beiden großen Kriege zu beseitigen. Es ist also praktisch die Frage die, wie schaffen wir wieder in einem möglichst großen Teile der Welt einen funktionierenden Verrechnungsverkehr.
Was wir weiter zu tun haben, ist das folgende. Sie wissen, daß diese außerordentliche umfangreiche Hilfe nur gegeben wird, wenn die Gewähr dafür 'besteht, daß tatsächlich nach den Anträgen die gegebene Hilfe — sowohl was die Materialien, als auch was die aus den Gegenwerten hergegebenen Darlehen betrifft — verwendet wird. Es kommt darauf an, diese Dinge bis ins Äußerste zu kontrollieren.
Intern ist aber die Hauptaufgabe, daß nicht eine divergierende Politik der verschiedensten Stellen gemacht wird, sondern daß an einer Stelle immer wieder einträchtig die Ressorts zusammenarbeiten und den gesamten großen Durchschnitt durch die Volkswirtschaft unseres Landes legen und daß wir unsere Stellungnahme, gemeinschaftlich von einem zusammengefaßt, zu den Problemen der Liberalisierung, der europäischen Zahlungsunion usw. erarbeiten. Daß diese Dinge dann draußen vertreten werden müssen, ist selbstverständlich, einmal in Paris bei der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, auf der andern Seite aber auch in Washington.
Washington hat seit Januar die weitere große Aufgabe, Einkauf und Verschiffung der Einfuhrwaren, die immer mehr in unsere Hände übergehen, vorbereitend zu organisieren, damit sie später völlig unbeeinflußt von den deutschen Importeuren übernommen werden können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich z. B. nur zahlenmäßig die Ergebnisse der selbständigen Verfrachtung in den letzten wenigen Wochen Ihnen vorrechnen würde, dann bliebe schon jetzt nach 3 oder 4 Wochen Anlauf, seitdem unsere eigenen Kontrakte abgewickelt werden, von Aufwendungen für dieses Ministerium nichts mehr übrig. Im Gegenteil, es käme noch ein ganz schöner Überschuß heraus, und den wollen wir einmal auf
das Jahr umrechnen. Daß wir auf der anderen Seite — das sage ich mit allem Nachdruck — nicht in der Lage sind, die deutschen Interessen ebenso zu vertreten, wie die anderen Marshallplanländer dies tun, wenn wir nicht angemessen ausgestattete und zusammengestellte Vertretungen in Paris und Washington haben, ist eine Selbstverständlichkeit, die ich nur anzudeuten brauche. Wer hier am schlechtesten arbeitet, wird auch am allermeisten zurückbleiben.
Wer an die Zukunft denkt, der sieht noch etwas anderes. Diese ganze Pariser Arbeit kann nicht nur im Zeichen des Marshallplans gesehen werden. Diese ganze Pariser Arbeit ist nach meiner Auffassung die allerbeste Vorarbeit für die wirtschaftliche Integrierung Europas.
In dieser Richtung wächst sie von Tag zu Tag und von Woche zu Woche, und in dieser Beziehung steigt auch erfreulicherweise die Qualität der einzelnen Arbeitsergebnisse.
Meine Damen und Herren! Daß diese eigenartige Position des Ministeriums auch mir nur einen Wunsch übrig läßt, daß es nämlich in dem Augenblick überflüssig wird, in dem wir auf eigenen Füßen stehen können und eine organisierte außenpolitische Vertretung haben, das leugne ich am allerwenigsten. Im Augenblick brauchen wir es.
Ein weiteres Wort. Ich sage das, was mich persönlich betrifft, höchst ungern — ich könnte mir für mich persönlich reizvollere Aufgaben vorstellen —, aber ich bin dienstlich gezwungen, hier auch etwas auszusprechen, was mir selbst für mich persönlich nicht verlockend erscheint. Und daher die Feststellung: Sachlich hat die Arbeit nichts im Wirtschaftsministerium zu tun. Denn sonst bekämen wir sehr leicht zwei Möglichkeiten nicht, nämlich die ebenso starke Berücksichtigung der gesamteuropäischen Zusammenhänge u n d das Überwinden aller nun einmal bei dem Aufbau einer jeden menschlichen Einrichtung zu befürchtenden Ressort-Sehnsüchte. Es muß koordiniert werden, und es muß hier eine speziell auf die europäischen Dinge ausgerichtete Einrichtung bestehen; es muß aber vor allen Dingen die Kenntnis der deutschen wirtschaftlichen Dinge, die Kenntnis der deutschen wirtschaftlichen Bedürfnisse, die Kenntnis der Vorgänge hier im Lande und ihrer Gründe, soweit sie auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Finanzen liegen, in Paris und in Washington vertreten werden. Dazu wird von uns erwartet, daß wir dasselbe an Material aufbringen wie die anderen Länder.
Sie sehen diese nicht alltägliche Verteilung der Aufgaben am besten an den Ausgaben: Nehmen Sie den Gesamtetat dieses Ministeriums, dann entfallen auf Deutschland rund 700 000 DM auf die Organisation für europäische Zusammenarbeit, also auf die OEEC, die eben wiederholt genannten 1620 000 DM, und es entfallen auf die Auslandsvertretungen einschließlich der einmaligen Aufwendungen — damit sie eine Bleibe haben — rund 1 600 000 DM. Das ist kein Zufall, daß die Kosten dieses meines Ministeriums im Lande nur bei 700 000 DM liegen. Es ergibt sich aus der ganzen Zielsetzung und den Aufgaben.
Ich darf schließen. Ich glaube, wir würden, wenn wir nicht ein Äußerstes täten, um unsere Arbeit so zu leisten, wie sie von uns erwartet wird, ein gutes Stück für die Fundierung eines wirtschaftlich( einigen Europas nicht tun.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Worte einzugehen, die mein Herr kommunistischer Vorredner hier vor uns gesprochen hat, halte ich für ziemlich überflüssig. Ich möchte dem Hohen Hause nur eines zu überlegen geben. Wir alle essen schließlich von den 31/2 Millionen Tonnen Weizen, die a conto des Marshallplans und der Army-Funds herüberkommen. Auch Herr Rische ißt von diesem Weizen und er ist ihm nicht schlecht bekommen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur noch eines feststellen: Wenn dieser Weizen nicht einträfe, würden mindestens 10 bis 15 Millionen in dieser Zone zum Hungertode verurteilt sein. Denn niemand wird sich doch wohl einbilden, daß eine Hilfe, die dann nachher aus dem Osten eintreffen sollte, technisch überhaupt möglich wäre. Denn, Herr Kollege Rische, eines können Sie nicht leugnen, Ihre Politik und Ihre Eisenbahnschienen sind verdammt eingleisig geworden.
Lassen Sie mich zu einigen Punkten Stellung nehmen, die vor allen Dingen der Herr Minister vor uns ausgebreitet hat. Ich muß ihm eines bestätigen: Auf Grund der eingehenden Beratungen seines Planes im Ausschuß haben wir feststellen müssen — ich glaube, diese Feststellung ist einmütig erfolgt, denn der Herr kommunistische Vertreter ließ sich bei diesen Dingen nie sehen, wast auch die völlige Ahnungslosigkeit seiner Ausführungen hier einigermaßen erklärt —:
dieser Stellenplan ist wirklich sparsam aufgestellt worden, und ich glaube, wir hatten im allgemeinen keine Beanstandungen daran vorzunehmen.
Etwas anderes war es mit den Kosten, die uns die Washingtoner und die Pariser Delegation auferlegt -haben. Es ist natürlich für den Ausschuß ungemein schwer gewesen, sich hier von der Notwendigkeit der Ausgaben irgendein Bild zu gestalten. Denn wir standen ja hier — bei der Auswahl, bei der Entsendung, bei der Möblierung und Behausung dieser Delegation — vor völlig neuen Aufgaben. Wer nach der Katastrophe von 1945 im Auslande war, weiß, wie ungemein schwierig es überhaupt ist, in den Hauptstädten ein Unterkommen und dort neue Maßstäbe für die Besoldung und für die Ausstattung deutscher Auslandsdelegationen zu finden. Wir trafen hier auf die Probleme, die uns in allernächster Zukunft ja noch in einem weitaus größeren Maßstab beschäftigen werden. Ich glaube, daß es deswegen einmal ganz nützlich ist, Ihnen jetzt schon einen kleinen Einblick von dem zu vermitteln, was zum Beispiel die Kosten der Delegation in Paris ausmachen.
Ich habe hier vor mir eine Aufstellung der Pariser Delegation über die Kosten, die zum Beispiel die bloße Unterbringung der Beamten in Paris selbst verursachen. Die Monatsmiete für eine Zweizimmerwohnung mit Bad und Küche beträgt 482 DM monatlich. Die Monatsmiete für weitere zwei kleine Zimmer eines anderen Beamten beträgt 434 DM. Die Monatsmiete eines Einzelzim-
mers ohne Bad und Küche einer Angestellten nach Gehaltsgruppe 6 b beträgt 181 DM. Sie sehen also, daß sich die Dinge gegenüber der Vorkriegszeit ungemein gewandelt haben, daß infolgedessen diese hohen Ziffern für die Auslandszuschüsse, die im Haushaltsplan ausgewiesen worden sind, keineswegs ungerechtfertigt sind. Ich glaube, es wäre nichts törichter, als wenn wir unsere Auslandsvertretungen nicht so einrichten und ausstatten würden, daß sie in der Lage sind, einigermaßen zu leben und vor allen Dingen ihre Arbeitskraft uneingeschränkt dem deutschen Volke zur Verfügung stellen zu können.
Herr Minister Blücher hat bei der Behandlung der Delegationen von Washington und Paris allerdings einen Punkt übergangen, der uns im Ausschuß besonders bewegt hat. Es ist die Frage der Unterstellung dieser beiden Delegationen. Ich darf hier wohl als bekannt voraussetzen, daß er bei der Behandlung der Washingtoner Delegation vor dem Ausschuß bereits unter einmütigem Beifall erklärt hatte, über die sachliche Weisungsberechtigung seines Ministeriums bestehe kein Zweifel. Wir waren aber im Ausschuß wohl einmütig der Meinung, daß die fachliche Auswahl bzw. die personelle Unterstellung aller deutschen Auslandsvertretungen nach Möglichkeit von einer Stelle aus geschehen sollte, um die Gefahr einer Zweigleisigkeit in der Zukunft ein für allemal auszuscheiden; denn wir haben aus vielen Jahren der Vorkriegszeit, vor allen Dingen auch aus der Zeit vor 1914 von der Rolle der Marine- und Militärattachés keine überwältigenden Eindrücke gewonnen, und wir wünschen, daß die deutsche Auslandspolitik und die personelle Auswahl nach Möglichkeit von einer Stelle aus gelenkt wird. Ich glaube, in dieser Be ziehung bestand im Haushaltsausschuß Einmütigkeit.
Was nun die Kosten dieser einzelnen Delegationen anlangt, so bin ich glücklich, Ihnen sagen zu können, daß die Pariser Delegation jetzt in einem Hause untergebracht ist, das außergewöhnlich billig erworben worden ist, daß sie dort also nicht mehr zur Miete zu wohnen braucht, und daß, ich glaube, auch die Ausstattung dieses Hauses sich durchaus in dem Rahmen bewegt, den uns unsere beschränkten, armseligen Verhältnisse auferlegen.
Auf einen Punkt, der mir von sehr großer Bedeutung zu sein scheint, lassen Sie mich noch hinweisen. Herr Minister Blücher hat Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, daß durch die Hände dieser Auslandsmissionen bzw. durch das ERP-Kontor ungewöhnlich große Summen gehen. Das bedingt auch eine ungewöhnlich große Verantwortung der mit der Handhabung dieser Summen betrauten Menschen. Aus diesem Grunde allein schon ist es beinahe bedenklich, wenn zum Beispiel das ERP-Kontor nur einer Persönlichkeit im Range eines Oberregierungsrats unterstellt ist, während die dort durchlaufenden Summen in die Milliarden gehen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit mit Nachdruck unterstreichen, daß dieses Hohe Haus sicher erwartet, daß die Kontrolle all dieser gewaltigen Mittel, über die hier ständig verfügt wird, mit äußerster Sorgsamkeit, ja mit äußerster Peinlichkeit erfolgt. Wir haben zum Beispiel, um nur ein einziges Problem herauszugreifen, in den letzten Tagen und Wochen auch die teilweise Verfügung über die Verfrachtung von den Vereinigten Staaten nach Deutschland erlangt. Aber die Verfügung über einen so großen Betrag führt naturgemäß auch zu einer Verantwortungslast der damit betrauten Menschen, um die sie niemand beneiden wird. Wir alle hoffen also wohl, daß sich diese Dinge mit dem äußersten Maß an Korrektheit vollziehen werden, das wir von deutschen Auslandsvertretungen erwarten dürfen.
Wir sind alle bereit, den Damen und Herren, die jetzt draußen als erste den Schritt in das Neuland getan haben und die draußen eine ungemein schwierige und ungemein verantwortungsvolle Arbeit zu leisten haben, für das, was sie gort zu tun haben, zu danken. Ich habe mich in Paris selbst davon überzeugen können, daß die Arbeitszeit der dort tätigen Mitglieder der deutschen Delegation weit über das hinausgeht, was normalerweise von einem Beamten im Inland verlangt wird, und ich glaube, daß die Anforderungen, die von Seiten des Marshallplanministeriums in Zukunft auch an diese Delegationen gestellt werden, noch über das hinausgehen dürften, was sie bis jetzt tun mußten. Denn vor allen Dingen von der Tätigkeit der OEEC-Delegation in Paris wird es im wesentlichen abhängen, welche Rolle wir in einem hoffentlich vereinten Europa künftig einmal spielen werden. Wir wollen hoffen, daß diese Rolle nicht gering ist.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang allerdings auch ein offenes Wort sagen. Deutschland leistet zu den Kosten des OEEC-Büros in Paris einen Beitrag von 13,4%. Das ist ein relativ sehr hoher Betrag. Unter den 900 Angestellten des OEEC-Büros sind wir allerdings bis jetzt nur mit drei vertreten, und über den Eintritt weiterer acht Deutscher schweben, glaube ich, Verhandlungen. Ich denke, ich gehe mit Ihnen völlig einig, wenn ich der Erwartung Ausdruck gebe, daß der deutsche Anteil an diesem OEEC-Buro recht bald dem Umfang der Kosten entsprechen möchte, diet wir zu diesem Büro beitragen. Das ist eine Frage des Entgegenkommens der anderen Seite, möchte ich sagen. Es wäre wünschenswert, wenn sich dieses Entgegenkommen rasch und möglichst reibungslos zeigen würde.
Gerade in den nächsten Wochen und Monaten, während deren in Washington über die neuen Summen entschieden wird, wird von den Delegationen eine wichtige Arbeit zu leisten sein. Wir werden in den nächsten zwei oder drei Jahren wahrscheinlich zu sehr großen Entschlüssen gelangen müssen, wenn wir die Integration Europas ernstlich in Angriff nehmen wollen. Wir werden zu Entschlüssen kommen müssen, die an Kühnheit weit über das hinausgehen, was bis jetzt auf diesem Gebiet gewagt worden ist,
oder wir werden uns, und zwar nicht wir allein, sondern ganz Europa, im Jahre 1951 in der Tat einer Situation gegenübergestellt sehen, die wir nicht als wünschenswert betrachten können. Ich glaube, daß, allein von der Größe dieser Aufgabe her gesehen, dieses Ministerium sehr wohl seine Daseinsberechtigung hat und haben muß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.
Es liegt der Abänderungsantrag der KPD-Fraktion Drucksache Nr. 756 vor. Ich bitte diejenigen, die für diesen Abänderungsantrag sind, die Hand
zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans für das Rechnungsjahr 1949, Anlage zur Drucksache Nr. 675, und über die Drucksache Nr. 675, wonach der Haushaltsplan in Ausgabe mit 3 919 000 DM abschließt.
- Ihr Antrag ist gestern bei der Abstimmung zu § 2 bereits zur Abstimmung gestellt und abgelehnt worden.
- Der Antrag stand gestern zur Debatte. Es ist über eine Reihe von Anträgen bei § 2 — das ist die Tabelle mit den einzelnen Ministerien — abgestimmt worden.
Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt über den eben aufgerufenen Antrag Drucksache Nr. 675 ab. Ich bitte diejenigen, die für die Vorlage sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Damit ist der Antrag Drucksache Nr. 675 be- treffend Einzelplan V angenommen.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Sitzung heute abend um 19 Uhr zu beenden. Ich möchte Ihnen vorschlagen, und zwar auch auf Grund von Anregungen, die aus dem Hause an mich gelangt sind, die Sitzung jetzt zu schließen, da es unmöglich ist, noch einen neuen Einzelplan in Behandlung zu nehmen.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittag 10 Uhr ein. Die Tagesordnung ist durch Umdruck bekanntgegeben.
Ich schließe die Sitzung.