Rede von
Dr.
Hugo
Decker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion sieht sich veranlaßt, die stärksten Bedenken gegen den Haushaltsplan des Innenministeriums zu äußern. Sie wendet sich. damit nicht gegen das Bestehen eines Innenministeriums beim Kabinett; sie wendet sich auch nicht gegen die Person des Innenministers; aber sie lehnt den weitgehend zentralistischen Aufbau des Ministeriums ab, einen Aufbau, der auf so breiter Basis geplant ist und so weitgehende Zuständigkeiten der Länder und Zuständigkeiten, die in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung fallen, für sich in Anspruch nimmt, daß man sagen kann: das Innenministerium wird zu einem Träger und Faktor des Zentralismus.
Die Referate I B 2, Verwaltungsorganisation in Bund und Ländern, und I B 5, Kommunalfinanzangelegenheiten, beschäftigen sich mit Sachgebieten, die durch die konkurrierende Gesetzgebung den Ländern vorbehalten sind. Weiterhin fallen darunter die Abteilung II Referat 4, Mitwirkung auf dem Gebiet des Beamtenbesoldungsrechts, und II 6, Rahmenvorschriften für das Dienststrafrecht der Länder, der Gemeinden und der anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Vor allem aber haben wir stärkste Bedenken gegen die Abteilung III des Ministeriums, die sich mit der Kulturpolitik befaßt. Wenn bei der Bezeichnung der Referate in abschwächender, ich möchte geradezu sagen, in schönfärberischer Absicht vor die Bezeichnung die Worte „Mitwirkung" oder „Unterrichtung" gestellt werden, wie zum Beispiel in der Formulierung „Unterrichtung über Angelegenheiten des Volksschulwesens", so muß ich sagen: Der Zucker um diese Pille ist nicht so dick, daß man den Inhalt der Pille nicht gleich schmeckt.
Meine Fraktion hat gerade dadurch besonders starke Bedenken bekommen, daß die Linke des Hauses, die sonst so sehr zurückhaltend ist, sich hier gar nicht genug tun konnte, die Referate mit hohen und höchsten Rangstellen zu besetzen.
Für die Abteilung III, die doch in der Hauptsache der „Mitwirkung und der Unterrichtung" dienen soll, ist als Leiter ein Ministerialdirektor vorgesehen; für die meisten Referate sind Ministerialräte in Aussicht genommen. Schon daraus ergibt sich, daß der Apparat dieser Abteilung viel zu umfangreich und viel zu gewichtig ist, als daß sich diese Abteilung nur auf die vorgegebene Unterrichtung und Mitwirkung beschränken könnte. Es ist eben so, man läßt sich hier gerade auf der Linken den Zentralismus durchaus etwas kosten.
Ich möchte betonen, daß nicht der Föderalismus
teuer ist, sondern der föderalistisch getarnte Zentralismus, bei dem eine Sache an vielen Stellen gleichzeitig behandelt wird.
Ich verweise nur auf die Flüchtlingsfrage. Da gibt es ein Referat beim Innenministerium, eines beim Ministerium für gesamtdeutsche Angelegenheiten und zufälligerweise auch noch ein ganzes Flüchtlingsministerium; auch die Länderstellen sind noch dafür da.
— Sehr richtig! Es sind eben sehr viele Köche, die sich hier um den Brei bemühen,
und ich bezweifle, daß der Brei gut wird, wenn so viele Köche darin herumrühren.
Sinngemäß gilt das gleiche für die Abteilung IV und die Abteilung V. Meine Fraktion lehnt die Tendenzen, die in dem derzeitigen Organisations- und Stellenplan des Bundesministeriums des Innern zum Ausdruck kommen, ab und wird daher auch gegen diesen Haushaltsplan stimmen, gegen einen Haushaltsplan, der den Aufbau und den Betrieb eines Apparates ermöglicht, dem die verfassungswidrige Usurpation von Zuständigkeiten sowie die Entwicklung zum Zentralismus sozusagen ins Gesicht geschrieben sind.