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ID0105010700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. März 1950 1749 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 1749D, 1750A Anfrage Nr. 59 der Fraktion der SPD betr. Förderung des Schiffsbaues (Drucksachen Nr. 662 und 748) 1750A Einsprüche der Abg. Wehner und Heiland gegen ihren in der 49. Sitzung erfolgten Ausschluß 1750A Beratung des Antrages der Fraktion der Bayernpartei betr. Erlaß einer Rechtsverordnung zur Verteilung der neu aus den Ostgebieten und der Tschechoslowakei kommenden Deutschen (Drucksache Nr. 723) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Aufnahme von Deutschen aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und aus der Tschechoslowakei in das Bundesgebiet (Drucksache Nr. 727) . . 1750B, 1751C Dr. Seelos (BP), Antragsteller . . . 1750B Dr. Wenzel (SPD), Antragsteller . . 1751C Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten d. Vertrieb. 1753A, 1760D Tichi (WAV) 1753D Dr. Götz (CDU) 1754D Dr. Zawadil (FDP) 1755D Paul (Düsseldorf) (KPD) 1756D Ewers (DP) 1758A Dr. Richter (DRP) 1758C Krause (Z) 1759A Strauß (CSU) 1759D Clausen (SSW) 1760C Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Vorläufige Haushaltsordnung und vorläufiges Haushaltsgesetz 1949) (Drucksachen Nr. 682 und 223) mit den Mündlichen Berichten des Haushaltsausschusses (Drucksachen Nr. 670 bis 681) . . . . 1761A Abstimmungen über die Anträge Drucksachen Nr. 734 und 743 1761B Einzelplan V — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans (Drucksache Nr. 675) . 1762A, 1802A Kalbitzer (SPD) 1762A Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 1762BD Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäfts- ordnung) 1762C Rische (KPD) 1802B Blücher, Bundesminister für Angelegenheiten des Marshallplans . . . 1806B Dr. Vogel (CDU) 1808C Abstimmungen 1809D Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern (Drucksache Nr.1762D Erler (SPD), Berichterstatter . . 1763A Maier (SPD) 1766D Dr. Decker (BP) 1771A Dr. Ehlers (CDU) 1771D Dr. Leuchtgens (DRP) 1775B Zinn (SPD) 1777D Dr. Jaeger (CSU) 1778B Loritz (WAV) 1779B Dr. Fink (BP) 1780B Dr. Hamacher (Z) 1780D Dr. Bergstraeßer (SPD) 1782A Gaul (FDP) 1783C Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 1784B Abstimmungen 1786A Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz (Drucksache Nr.1786C Steinhörster (SPD), Berichterstatter 1786C Dr. Greve (SPD) 1788A Dr. Leuchtgens (DRP) 1790B Ewers (DP) 1790D Dr. Wuermeling (CDU) 1792D Nuding (KPD) 1794A Zinn (SPD) 1794B Kiesinger (CDU) 1795D Dr. Reismann (Z) 1797A Loritz (WAV) 1799A Dr. Arndt (SPD) 1800B Abstimmungen 1801D Nächste Sitzung 1810C Die Sitzung wird um 10 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Franz Blücher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir zunächst eine selbstverständliche Pflicht, auf den heutigen Vormittag zurückzukommen. Ich habe das Meinige versucht, um von vornherein ungefähr die zeitliche Disposition dieses Hohen Hauses festzustellen. Gerade deswegen hatte ich die Fortsetzung der Beratungen in Düsseldorf nicht am heutigen Nachmittag, sondern am heutigen Vormittag beantragt. Ich glaube, der Herr Kollege Mellies — wenn mir dieses persönliche Wort gestattet ist — wird mich wahrhaftig nicht als jemanden kennen, der eine Verletzung der Formen, am allerwenigsten gegenüber dem höchsten Vertreter des deutschen Volkes, anstrebt oder auch nur sie zu begehen fähig wäre.

    (Zuruf des Abg. Mellies.)

    Verzeihung, ich hatte das vorher bekanntgegeben, Herr Mellies.

    (Abg. Mellies: Nein!)

    Zur Sache möchte ich aber folgendes sagen. Es wird in der heutigen Zeit — auch die Herren Abgeordneten kennen ja die ewige Überschneidung verschiedener Aufgaben — sehr oft vorkommen, daß Pannen passieren. Und wenn gefragt wird, ob das heute morgen so nötig war, so sage ich Ihnen: jawohl, es war notwendig. Denn es war mir heute morgen in jenem Düsseldorfer Gremium zum erstenmal möglich, ernstlich über die Frage der deutschen Stahlerzeugungskapazität, über die Notwendigkeit der Wiedererrichtung einer Breitbandstraße, über die Zusammenhanglosigkeit unseres Produktionsprogramms für Spezialbleche usw. zu sprechen.

    (Abg. Rische: Während man in Watenstedt-Salzgitter demontiert!)

    — Herr Kollege Rische, solche Zwischenrufe von Ihnen sind für die Fortführung der von mir vorzutragenden Gedanken unerheblich, im übrigen allein deswegen, weil die Beschäftigung mit „gelobten Ländern" Herrn Rische in die Lage. versetzt hat, daß er nicht einmal weiß, wo der Sitz der Ruhrbehörde ist, und daß er weiter bei den Erzählungen über den Inhalt des ECA-Vertrages ganz offenbar in eine falsche Schublade geraten ist.

    (Zurufe von der KPD: Sie!)

    Denn er hat Dinge erzählt, die überhaupt nicht drinstehen. Ich glaube also, es verlohnt sich, auf die Äußerungen von Herrn Rische nur insofern einzugehen, als sie bestrebt sind, von den üblichen, bekannten Deklamationen abgesehen, Dinge bewußt falsch darzustellen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aus ganz bekannten propagandistischen Gründen das Wort von der Rohstoffausfuhr gefallen. Ich möchte demgegenüber feststellen, jeder von uns im Hause — außer Ihnen (zur KPD) — freut sich, wenn wir auf dem Weltmarkt unseren Platz bei der Ausfuhr von Kohle, von bestimmten Stählen usw. behalten. Man soll doch dem deutschen Volk eine solche Unkenntnis der Dinge nicht zumuten. Der deutsche Arbeiter weiß von diesen Dingen mehr als Sie, Herr Rische.

    (Abg. Renner: Sehr billig!)

    Dann ist wieder einmal ein zweites Wort gesagt worden. Ich weiß, daß es Ihnen nicht paßt, wenn dieses Land sich selbst hilft. Ich weiß, daß es Ihnen nicht paßt, wenn man den Raub im Osten mit Darlehen oder Geschenken aus dem Westen vergleicht. Darüber bin ich mir im klaren. Aber Sie sollten doch bestimmte Tatbestände nicht so entstellend darzustellen versuchen. Wenn wir liberalisieren, dann tun wir das in keiner Weise auf den Befehl der anderen, sondern weil wir wissen, nur auf diese Weise können wir die gewerbliche Produktion soweit wie immer möglich ausdehnen.

    (Abg. Renner: Siehe Landwirtschaft!)

    Nur wenn wir das können, werden wir für die vielen, vielen Menschen, die als Opfer des gelobten Landes des Herrn Rische zu uns flüchten müssen, zusätzlich Brot bekommen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Siehe Landwirtschaft!)

    — Es kommt der übliche Zwischenruf mit der Landwirtschaft. Daß nun plötzlich die Kommunistische Partei sich als Sachwalter der Landwirtschaft aufführt, das dürfte von der Landwirtschaft selber am lautesten abgewehrt werden.

    (Zuruf von der KPD: Seien Sie vorsichtig!)

    Aber ich will mich ja nur mit Dingen befassen, die für Sie ganz charakteristisch sind. Da kommt zum Beispiel eine Frage, die ins Persönliche geht, die also deswegen in dieses Hohe Haus nicht hineingehört, Herr Rische, wenn man politischen Anstand wahren will. Das ist die Frage derjenigen Beträge, die an das Weltwirtschaftliche Institut in Kiel überwiesen worden sind. Sie sind deswegen überwiesen worden, weil wir in Deutschland keine


    (Bundesminister Blücher)

    andere wissenschaftliche Anstalt haben, die die dort behandelten Fragen mit solcher Gründlichkeit, Sachkenntnis und Qualität behandelt.

    (Abg. Rische: Ihrer Ansicht nach!)

    — Nicht meiner Ansicht nach, sondern nach der Ansicht dieses ganzen Hauses, soweit es sich mit diesen Dingen befaßt. Im übrigen mag die Einbeziehung von Männern, die wahrhaftig für Deutschland, auch draußen, schon allerhand geleistet haben, mit ihrem' Namen in eine derartige persönliche Verdächtigung Ihnen vorbehalten bleiben.
    Ein zweiter, ganz klassischer Fall ist die Behauptung: Ja, es wird uns ja gar keine Möglichkeit der Einsicht gegeben; da wird irgendwo ein geheimnisvolles Kontor aufgemacht.

    (Abg. Rische: Was haben Sie aus Washington mitgebracht? — Abg. Renner: Erkenntnisse!)

    — Was ich aus Washington mitgebracht habe, Herr Rische, das hatte allerdings eine Unbefangenheit des Geistes zur Voraussetzung, die Ihnen verboten ist, weil sie für Sie zu gefährlich wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dieses Kontor würde nämlich eine gewisse Arbeit erfordern, wenn man seine Aufgabe verstehen wollte. Es hat gar nichts anderes zu tun, als die von den sachlich verantwortlichen, federführenden Ministerien gegebenen Anweisungen hinsichtlich des Einkaufs, der Einfuhr, der Bezahlung und Verrechnung auszuführen; weiter gar nichts. Das ist also dieses geheimnisvolle Kontor.
    Was im übrigen den Verbleib der Mittel betrifft, so bin ich hier bei einem Thema, das ich ganz kurz behandeln darf. Die Gegenwertmittel werden ebenso in einem eigenen, von meinem Ministerium vorzulegenden Gesetz hinsichtlich ihrer Behandlung wie das Gegenstück zu der Verbleibskontrolle behandelt werden, was ebenfalls im Gesetz sein wird.

    (Abg. Rische: Erzählen Sie, was Sie schuldig bleiben!)

    — Was wir schuldig bleiben, das kommt auf die Klugheit des deutschen Volkes an. Wenn es sehr klug ist, dann werden wir 'zu Ihrem Entsetzen vielleicht den größten Teil dieser Zuwendungen geschenkt bekommen.

    (Ei! Ei! bei der KPD.)

    Aber wenn wir dumme Reden halten, und wenn wir Leute dafür, daß sie uns helfen, in einer derart unflätigen Weise behandeln, dann könnte es Ihnen passieren, daß Sie tatsächlich bezahlen müssen.

    (Abg. Renner: Das nennt man Pumpen mit der Absicht, nicht zurückzuzahlen!)

    — Herr Renner, handeln Sie — ich kenne doch Ihre Intelligenz —

    (Heiterkeit)

    handeln Sie doch nun nicht auf Befehl gegen besseres Wissen. Dann würde ich an Ihrer Stelle lieber schweigen.

    (Abg. Renner: Ich kann Ihnen Ihr Kompliment nicht zurückgeben! — Heiterkeit.)

    — Ich weiß, daß über gute Manieren zwischen uns immer Meinungsverschiedenheiten bestanden haben.

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Renner: Aber zu meinem Glück!)

    Meine Damen und Herren! Dabei bin ich aber bei der Frage der Existenz des Ministeriums. Von
    den großen Parteien hat die Sozialdemokratische Partei den schon von meinem Vorredner erwähnten Antrag gestellt. Es ist daher notwendig, über die Aufgaben dieses Ministeriums einiges zu sagen. Es ist nicht so, daß Doppelarbeit zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem meinen geleistet wird. Es ist vielmehr so, daß die Entwicklung in der Bearbeitung des Marshallplans und seiner Folgen

    (Abg. Rische: Seiner Folgen?)

    immer stärker von der Vorlage rein nationaler autarker Programme zu der Bearbeitung gesamteuropäischer wirtschaftlicher Angelegenheiten fortgeschritten ist. Gerade das, was wir zu besorgen haben, ist heute nicht mehr das, was Sie einmal so sehr im Jahre 1948 gequält hat, mit all diesen unmöglichen Prophezeiungen von long-term-Plänen und anderen. Was wir heute zu tun haben, das sind Untersuchungen an Dutzenden von Stellen über die Möglichkeit der Zusammenfassung europäischer wirtschaftlicher Bemühungen.

    (Abg. Rische: Und amerikanischer Bemühungen!)

    Das ist das eine, und wenn wir dabei wirklich amerikanische Finanzhilfe bekommen, will ich Europa gratulieren.
    Das zweite, was zu tun ist: wir stehen, wie Sie alle im Hause wissen, vor der ganz entscheidenden Aufgabe. die übelsten Folgen der letzten beiden großen Kriege zu beseitigen. Es ist also praktisch die Frage die, wie schaffen wir wieder in einem möglichst großen Teile der Welt einen funktionierenden Verrechnungsverkehr.

    (Abg. Rische: Mr. Hoffman hat befohlen!)

    Was wir weiter zu tun haben, ist das folgende. Sie wissen, daß diese außerordentliche umfangreiche Hilfe nur gegeben wird, wenn die Gewähr dafür 'besteht, daß tatsächlich nach den Anträgen die gegebene Hilfe — sowohl was die Materialien, als auch was die aus den Gegenwerten hergegebenen Darlehen betrifft — verwendet wird. Es kommt darauf an, diese Dinge bis ins Äußerste zu kontrollieren.
    Intern ist aber die Hauptaufgabe, daß nicht eine divergierende Politik der verschiedensten Stellen gemacht wird, sondern daß an einer Stelle immer wieder einträchtig die Ressorts zusammenarbeiten und den gesamten großen Durchschnitt durch die Volkswirtschaft unseres Landes legen und daß wir unsere Stellungnahme, gemeinschaftlich von einem zusammengefaßt, zu den Problemen der Liberalisierung, der europäischen Zahlungsunion usw. erarbeiten. Daß diese Dinge dann draußen vertreten werden müssen, ist selbstverständlich, einmal in Paris bei der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, auf der andern Seite aber auch in Washington.
    Washington hat seit Januar die weitere große Aufgabe, Einkauf und Verschiffung der Einfuhrwaren, die immer mehr in unsere Hände übergehen, vorbereitend zu organisieren, damit sie später völlig unbeeinflußt von den deutschen Importeuren übernommen werden können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich z. B. nur zahlenmäßig die Ergebnisse der selbständigen Verfrachtung in den letzten wenigen Wochen Ihnen vorrechnen würde, dann bliebe schon jetzt nach 3 oder 4 Wochen Anlauf, seitdem unsere eigenen Kontrakte abgewickelt werden, von Aufwendungen für dieses Ministerium nichts mehr übrig. Im Gegenteil, es käme noch ein ganz schöner Überschuß heraus, und den wollen wir einmal auf


    (Bundesminister Blücher)

    das Jahr umrechnen. Daß wir auf der anderen Seite — das sage ich mit allem Nachdruck — nicht in der Lage sind, die deutschen Interessen ebenso zu vertreten, wie die anderen Marshallplanländer dies tun, wenn wir nicht angemessen ausgestattete und zusammengestellte Vertretungen in Paris und Washington haben, ist eine Selbstverständlichkeit, die ich nur anzudeuten brauche. Wer hier am schlechtesten arbeitet, wird auch am allermeisten zurückbleiben.
    Wer an die Zukunft denkt, der sieht noch etwas anderes. Diese ganze Pariser Arbeit kann nicht nur im Zeichen des Marshallplans gesehen werden. Diese ganze Pariser Arbeit ist nach meiner Auffassung die allerbeste Vorarbeit für die wirtschaftliche Integrierung Europas.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    In dieser Richtung wächst sie von Tag zu Tag und von Woche zu Woche, und in dieser Beziehung steigt auch erfreulicherweise die Qualität der einzelnen Arbeitsergebnisse.
    Meine Damen und Herren! Daß diese eigenartige Position des Ministeriums auch mir nur einen Wunsch übrig läßt, daß es nämlich in dem Augenblick überflüssig wird, in dem wir auf eigenen Füßen stehen können und eine organisierte außenpolitische Vertretung haben, das leugne ich am allerwenigsten. Im Augenblick brauchen wir es.
    Ein weiteres Wort. Ich sage das, was mich persönlich betrifft, höchst ungern — ich könnte mir für mich persönlich reizvollere Aufgaben vorstellen —, aber ich bin dienstlich gezwungen, hier auch etwas auszusprechen, was mir selbst für mich persönlich nicht verlockend erscheint. Und daher die Feststellung: Sachlich hat die Arbeit nichts im Wirtschaftsministerium zu tun. Denn sonst bekämen wir sehr leicht zwei Möglichkeiten nicht, nämlich die ebenso starke Berücksichtigung der gesamteuropäischen Zusammenhänge u n d das Überwinden aller nun einmal bei dem Aufbau einer jeden menschlichen Einrichtung zu befürchtenden Ressort-Sehnsüchte. Es muß koordiniert werden, und es muß hier eine speziell auf die europäischen Dinge ausgerichtete Einrichtung bestehen; es muß aber vor allen Dingen die Kenntnis der deutschen wirtschaftlichen Dinge, die Kenntnis der deutschen wirtschaftlichen Bedürfnisse, die Kenntnis der Vorgänge hier im Lande und ihrer Gründe, soweit sie auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Finanzen liegen, in Paris und in Washington vertreten werden. Dazu wird von uns erwartet, daß wir dasselbe an Material aufbringen wie die anderen Länder.
    Sie sehen diese nicht alltägliche Verteilung der Aufgaben am besten an den Ausgaben: Nehmen Sie den Gesamtetat dieses Ministeriums, dann entfallen auf Deutschland rund 700 000 DM auf die Organisation für europäische Zusammenarbeit, also auf die OEEC, die eben wiederholt genannten 1620 000 DM, und es entfallen auf die Auslandsvertretungen einschließlich der einmaligen Aufwendungen — damit sie eine Bleibe haben — rund 1 600 000 DM. Das ist kein Zufall, daß die Kosten dieses meines Ministeriums im Lande nur bei 700 000 DM liegen. Es ergibt sich aus der ganzen Zielsetzung und den Aufgaben.
    Ich darf schließen. Ich glaube, wir würden, wenn wir nicht ein Äußerstes täten, um unsere Arbeit so zu leisten, wie sie von uns erwartet wird, ein gutes Stück für die Fundierung eines wirtschaftlich( einigen Europas nicht tun.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Worte einzugehen, die mein Herr kommunistischer Vorredner hier vor uns gesprochen hat, halte ich für ziemlich überflüssig. Ich möchte dem Hohen Hause nur eines zu überlegen geben. Wir alle essen schließlich von den 31/2 Millionen Tonnen Weizen, die a conto des Marshallplans und der Army-Funds herüberkommen. Auch Herr Rische ißt von diesem Weizen und er ist ihm nicht schlecht bekommen.

    (Sehr gut! und Heiterkeit.)

    Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur noch eines feststellen: Wenn dieser Weizen nicht einträfe, würden mindestens 10 bis 15 Millionen in dieser Zone zum Hungertode verurteilt sein. Denn niemand wird sich doch wohl einbilden, daß eine Hilfe, die dann nachher aus dem Osten eintreffen sollte, technisch überhaupt möglich wäre. Denn, Herr Kollege Rische, eines können Sie nicht leugnen, Ihre Politik und Ihre Eisenbahnschienen sind verdammt eingleisig geworden.

    (Heiterkeit.)

    Lassen Sie mich zu einigen Punkten Stellung nehmen, die vor allen Dingen der Herr Minister vor uns ausgebreitet hat. Ich muß ihm eines bestätigen: Auf Grund der eingehenden Beratungen seines Planes im Ausschuß haben wir feststellen müssen — ich glaube, diese Feststellung ist einmütig erfolgt, denn der Herr kommunistische Vertreter ließ sich bei diesen Dingen nie sehen, wast auch die völlige Ahnungslosigkeit seiner Ausführungen hier einigermaßen erklärt —:

    (Abg. Rische: Nicht so überheblich!)

    dieser Stellenplan ist wirklich sparsam aufgestellt worden, und ich glaube, wir hatten im allgemeinen keine Beanstandungen daran vorzunehmen.
    Etwas anderes war es mit den Kosten, die uns die Washingtoner und die Pariser Delegation auferlegt -haben. Es ist natürlich für den Ausschuß ungemein schwer gewesen, sich hier von der Notwendigkeit der Ausgaben irgendein Bild zu gestalten. Denn wir standen ja hier — bei der Auswahl, bei der Entsendung, bei der Möblierung und Behausung dieser Delegation — vor völlig neuen Aufgaben. Wer nach der Katastrophe von 1945 im Auslande war, weiß, wie ungemein schwierig es überhaupt ist, in den Hauptstädten ein Unterkommen und dort neue Maßstäbe für die Besoldung und für die Ausstattung deutscher Auslandsdelegationen zu finden. Wir trafen hier auf die Probleme, die uns in allernächster Zukunft ja noch in einem weitaus größeren Maßstab beschäftigen werden. Ich glaube, daß es deswegen einmal ganz nützlich ist, Ihnen jetzt schon einen kleinen Einblick von dem zu vermitteln, was zum Beispiel die Kosten der Delegation in Paris ausmachen.
    Ich habe hier vor mir eine Aufstellung der Pariser Delegation über die Kosten, die zum Beispiel die bloße Unterbringung der Beamten in Paris selbst verursachen. Die Monatsmiete für eine Zweizimmerwohnung mit Bad und Küche beträgt 482 DM monatlich. Die Monatsmiete für weitere zwei kleine Zimmer eines anderen Beamten beträgt 434 DM. Die Monatsmiete eines Einzelzim-


    (Dr. Vogel)

    mers ohne Bad und Küche einer Angestellten nach Gehaltsgruppe 6 b beträgt 181 DM. Sie sehen also, daß sich die Dinge gegenüber der Vorkriegszeit ungemein gewandelt haben, daß infolgedessen diese hohen Ziffern für die Auslandszuschüsse, die im Haushaltsplan ausgewiesen worden sind, keineswegs ungerechtfertigt sind. Ich glaube, es wäre nichts törichter, als wenn wir unsere Auslandsvertretungen nicht so einrichten und ausstatten würden, daß sie in der Lage sind, einigermaßen zu leben und vor allen Dingen ihre Arbeitskraft uneingeschränkt dem deutschen Volke zur Verfügung stellen zu können.
    Herr Minister Blücher hat bei der Behandlung der Delegationen von Washington und Paris allerdings einen Punkt übergangen, der uns im Ausschuß besonders bewegt hat. Es ist die Frage der Unterstellung dieser beiden Delegationen. Ich darf hier wohl als bekannt voraussetzen, daß er bei der Behandlung der Washingtoner Delegation vor dem Ausschuß bereits unter einmütigem Beifall erklärt hatte, über die sachliche Weisungsberechtigung seines Ministeriums bestehe kein Zweifel. Wir waren aber im Ausschuß wohl einmütig der Meinung, daß die fachliche Auswahl bzw. die personelle Unterstellung aller deutschen Auslandsvertretungen nach Möglichkeit von einer Stelle aus geschehen sollte, um die Gefahr einer Zweigleisigkeit in der Zukunft ein für allemal auszuscheiden; denn wir haben aus vielen Jahren der Vorkriegszeit, vor allen Dingen auch aus der Zeit vor 1914 von der Rolle der Marine- und Militärattachés keine überwältigenden Eindrücke gewonnen, und wir wünschen, daß die deutsche Auslandspolitik und die personelle Auswahl nach Möglichkeit von einer Stelle aus gelenkt wird. Ich glaube, in dieser Be ziehung bestand im Haushaltsausschuß Einmütigkeit.
    Was nun die Kosten dieser einzelnen Delegationen anlangt, so bin ich glücklich, Ihnen sagen zu können, daß die Pariser Delegation jetzt in einem Hause untergebracht ist, das außergewöhnlich billig erworben worden ist, daß sie dort also nicht mehr zur Miete zu wohnen braucht, und daß, ich glaube, auch die Ausstattung dieses Hauses sich durchaus in dem Rahmen bewegt, den uns unsere beschränkten, armseligen Verhältnisse auferlegen.
    Auf einen Punkt, der mir von sehr großer Bedeutung zu sein scheint, lassen Sie mich noch hinweisen. Herr Minister Blücher hat Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, daß durch die Hände dieser Auslandsmissionen bzw. durch das ERP-Kontor ungewöhnlich große Summen gehen. Das bedingt auch eine ungewöhnlich große Verantwortung der mit der Handhabung dieser Summen betrauten Menschen. Aus diesem Grunde allein schon ist es beinahe bedenklich, wenn zum Beispiel das ERP-Kontor nur einer Persönlichkeit im Range eines Oberregierungsrats unterstellt ist, während die dort durchlaufenden Summen in die Milliarden gehen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit mit Nachdruck unterstreichen, daß dieses Hohe Haus sicher erwartet, daß die Kontrolle all dieser gewaltigen Mittel, über die hier ständig verfügt wird, mit äußerster Sorgsamkeit, ja mit äußerster Peinlichkeit erfolgt. Wir haben zum Beispiel, um nur ein einziges Problem herauszugreifen, in den letzten Tagen und Wochen auch die teilweise Verfügung über die Verfrachtung von den Vereinigten Staaten nach Deutschland erlangt. Aber die Verfügung über einen so großen Betrag führt naturgemäß auch zu einer Verantwortungslast der damit betrauten Menschen, um die sie niemand beneiden wird. Wir alle hoffen also wohl, daß sich diese Dinge mit dem äußersten Maß an Korrektheit vollziehen werden, das wir von deutschen Auslandsvertretungen erwarten dürfen.
    Wir sind alle bereit, den Damen und Herren, die jetzt draußen als erste den Schritt in das Neuland getan haben und die draußen eine ungemein schwierige und ungemein verantwortungsvolle Arbeit zu leisten haben, für das, was sie gort zu tun haben, zu danken. Ich habe mich in Paris selbst davon überzeugen können, daß die Arbeitszeit der dort tätigen Mitglieder der deutschen Delegation weit über das hinausgeht, was normalerweise von einem Beamten im Inland verlangt wird, und ich glaube, daß die Anforderungen, die von Seiten des Marshallplanministeriums in Zukunft auch an diese Delegationen gestellt werden, noch über das hinausgehen dürften, was sie bis jetzt tun mußten. Denn vor allen Dingen von der Tätigkeit der OEEC-Delegation in Paris wird es im wesentlichen abhängen, welche Rolle wir in einem hoffentlich vereinten Europa künftig einmal spielen werden. Wir wollen hoffen, daß diese Rolle nicht gering ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang allerdings auch ein offenes Wort sagen. Deutschland leistet zu den Kosten des OEEC-Büros in Paris einen Beitrag von 13,4%. Das ist ein relativ sehr hoher Betrag. Unter den 900 Angestellten des OEEC-Büros sind wir allerdings bis jetzt nur mit drei vertreten, und über den Eintritt weiterer acht Deutscher schweben, glaube ich, Verhandlungen. Ich denke, ich gehe mit Ihnen völlig einig, wenn ich der Erwartung Ausdruck gebe, daß der deutsche Anteil an diesem OEEC-Buro recht bald dem Umfang der Kosten entsprechen möchte, diet wir zu diesem Büro beitragen. Das ist eine Frage des Entgegenkommens der anderen Seite, möchte ich sagen. Es wäre wünschenswert, wenn sich dieses Entgegenkommen rasch und möglichst reibungslos zeigen würde.
    Gerade in den nächsten Wochen und Monaten, während deren in Washington über die neuen Summen entschieden wird, wird von den Delegationen eine wichtige Arbeit zu leisten sein. Wir werden in den nächsten zwei oder drei Jahren wahrscheinlich zu sehr großen Entschlüssen gelangen müssen, wenn wir die Integration Europas ernstlich in Angriff nehmen wollen. Wir werden zu Entschlüssen kommen müssen, die an Kühnheit weit über das hinausgehen, was bis jetzt auf diesem Gebiet gewagt worden ist,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    oder wir werden uns, und zwar nicht wir allein, sondern ganz Europa, im Jahre 1951 in der Tat einer Situation gegenübergestellt sehen, die wir nicht als wünschenswert betrachten können. Ich glaube, daß, allein von der Größe dieser Aufgabe her gesehen, dieses Ministerium sehr wohl seine Daseinsberechtigung hat und haben muß.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)