Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(WAV)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine Damen und Herren, zunächst einiges zum Haushaltsvoranschlag selbst. Wenn Sie ihn genau durchgelesen haben, werden Sie vielleicht festgestellt haben, daß man beim Bundesjustizminister, der doch zweifelsohne eine größere Aufgabenkompetenz hat als der Herr Innenminister, im Etat schon mit 13 Ministerialräten und 13 Oberregierungsräten auskommt. Das entspricht fast der Zahl, die wir mit 12 Ministerialräten und 12 Oberregierungsräten heute für genügend für das Innenministerium erklärt haben, woraufhin sich der Herr Innenminister unter dem Beifall seiner Regierungsparteien billigen Spott gegen mich leisten zu können geglaubt hat. Diese Zahlen beim Bundesjustizministerium scheinen aber geradezu zu bestätigen, daß die Stellenpläne beim Innenministerium außerordentlich übersetzt sind.
Wir haben deshalb beim Bundesjustizministerium nicht allzuviel zur Streichung beantragt. Immerhin, wir können nicht unterschreiben, was der Abgeordnete Dr. Greve namens der SPD-Fraktion erklärt hat, daß er und seine Fraktion an dem Etat gar nichts auszusetzen hätten. Wir haben immerhin an der Höhe des Gehalts des Bundesjustizministers etwas auszusetzen und glauben, daß hier genau wie für den Innenminister ein Grundgehalt von 24 000 DM bereits mehr als genügend ist. Wir haben auch auszusetzen, daß man hier drei Ministerialdirektoren in Gruppe B 4 einsetzen will. Ich glaube, wir kommen auch mit zwei Ministerialdirektoren aus.
In personeller Hinsicht wollen wir sonst dem Bundesjustizministerium keine weiteren Abstriche machen, weil wir wissen, daß eine große Anzahl von Gesetzen in kürzester Zeit dem Hause vorzulegen sind, weil wir wissen, daß hierzu eine Reihe von fachlich qualifizierten höheren Beamtenkräften absolut notwendig ist. Immerhin, wir glauben, daß die Zahl von 13' Ministerialräten plus 13 Oberregierungsräten plus einer Anzahl von Regierungsdirektoren absolut genügend ist.
Aber nun zu etwas anderem, was anläßlich der Haushaltsberatungen überall gesagt wird. Wir möchten hier eines erklären: Wir sind mit der Geschäftsführung des Bundesjustizministers und sein-es Ministeriums zutiefst unzufrieden. Das Bundesjustizministerium hat uns bisher immer noch nicht ein Gesetz zur Strafrechts- und Strafprozeßrechts-Reform vorgelegt, das dringendst notwendig wäre. Wir haben aus der Hitler-Zeit her immer noch die Beschränkungen bezüglich der Berufungsmöglichkeiten gegen Urteile der Gerichte. Wenn hier die Regierung nicht bald mit einer Gesetzesvorlage kommt, wird es höchste Zeit sein, daß sich in diesem Hause Fraktionen finden werden, -die das beantragen. Und sollte sich keine andere Fraktion finden, so wird auch hier die WAV voranzugehen haben und einen solchen Antrag stellen müssen,
obwohl sie es gerne Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, überlassen würde, hier mit einem Antrag zu kommen, da auch die Juristen, die bei Ihnen sind, weiß Gott, wissen müßten, wie schädlich sich die Beschneidung der Instanzen bei der Rechtsprechung ausgewirkt hat und noch auswirkt. Ich wiederhole es: wir sind zutiefst unzufrieden, daß nicht gleich von Anfang an dem Hohen Hause diese Vorlage gemacht worden ist. Schon im Oktober-November vorigen Jahres wäre der richtige Zeitpunkt dazu gewesen!
Wir sind ferner mit der Person des Bundesjustizministers selbst bzw. mit seinen Äußerungen, die er in letzter Zeit machte, unzufrieden. Wir glauben, daß sich der Bundesjustizminister wie sonst kein anderer Bundesminister aus der Tagespolitik und auch aus der Außenpolitik herauszuhalten hat. Der Bundesjustizminister muß bei Äußerungen doppelt vorsichtig sein,
(Zuruf: Sie sollten sich mehr um Ihre
eigenen Angelegenheiten kümmern!)
Wir empfehlen gerade dem Herrn Bundesjustizminister die größtmögliche Distanzierung von der Tagespolitik und von jeglicher Parteipolitik, und wir empfehlen dem Herrn Bundesjustizminister ganz besonders, nicht etwa aus einem falsch verstandenen Kollegialitätsgefühl heraus sich schützend hinstellen zu wollen vor gewisse Richter, die seinen Schutz, weiß Gott, nicht verdienen, vor gewisse Richter, die leider in ihre Ämter wieder hineingekommen sind, obwohl sie dessen keineswegs würdig sind. Ich sage keineswegs, daß a 11 e Richter so seien, keineswegs! Wir haben in allen deutschen Gerichten eine Reihe vorzüglicher Richter aufzuweisen. Das weiß jeder, der selbst im Rechtsleben steht. Aber wir haben auch Fälle, wo Leute drinnen sitzen in den Ämtern, die. entweder unfähig sind bis zum Schreien oder aber sogar unwürdig sind des Amtes, das sie heute bekleiden.
Wir warnen insbesondere vor einer Politisierung der Justiz, nicht bloß nach der einen Seite hin, sondern auch nach der anderen Seite! Wir warnen vor all diesen Dingen. Wir brauchen gerade bei der Justiz Leute, Richter und auch Staatsanwälte, die über den Parteien stehen und die möglichst wenig mit Parteipolitik aller Art zu tun haben und die am besten gar keiner politischen Partei anzugehören haben, weil gerade das Amt des Richters und des Staatsanwaltes es erfordern, daß er unabhängig ist von allen Parteirichtungen und daß er über allen Parteien steht. Da haben wir leider in soundsovielen Gerichten sehr üble Erfahrungen in den letztvergangenen Jahren gemacht! Wir haben gesehen, wie Leute Richter wurden, die ihren Kenntnissen
und Fähigkeiten nach noch keineswegs diese Posten bekommen hätten, wenn sie nicht glänzende Beziehungen zu gewissen Stellen und leider auch zu gewissen deutschen Parteipolitikern im Jahre 1945 und nachher gehabt hätten. Gerade hier müssen wir warnen, denn die Justiz ist besonders empfindlich gegenüber jeder politischen Einwirkung. Hier auf dem Gebiete der Justiz gerade müssen Sie anfangen, überparteiliche Richter einzusetzen, Leute, die möglichst keiner Partei als Mitglieder angehören, Leute, die deswegen das Vertrauen aller Parteien genießen können. Das ist es, was wir zum Justizetat im besonderen zu sagen haben. Lassen 'Sie mich zusammenfassen:
Eine Aufforderung an den Herrn Bundesjustizminister, jetzt endlich einmal die Justizreformgesetze vorzulegen und namentlich eine Reform der Strafprozeßordnung durchzuführen, aber auch der Zivilprozeßordnung! Eine Reform der Strafprozeßordnung ist aber noch doppelt so nötig wie die der Zivilprozeßordnung. Eine Reform der Strafprozeßordnung, die raschestens kommen muß, wenn Sie nicht wieder hinnehmen wollen, daß Fehlurteile, die einmal ausgesprochen worden sind, gerade bei besonders schwerwiegenden Delikten nicht mehr in der Berufungsinstanz korrigiert werden können.
Ferner fordern wir den Herrn Bundesjustizminister auf, sich endlich aus den Fragen der Tagespolitik herauszuhalten. Wir ersuchen ihn ebenso höflich wie dringend, endlich einmal daran zu denken, daß er als Justizminister bei all seinen Äußerungen ganz besonders kritisch im Ausland unter die Lupe genommen wird und daß gerade Äußerungen seinerseits auf außenpolitischem Gebiet doppelt und dreifach soviel Scherben anrichten wie die von manchem seiner Ministerkollegen.
Das ist es, was die WAV zum Etat des Justizministeriums zu sagen hat.
Die Kürzungen, die ich Ihnen vorgelegt habe, überreiche ich hier in dem Abänderungsantrag noch dem Präsidenten. Ich habe Ihnen das Wesentliche hieraus bereits vorgetragen. Die anderen Aufforderungen, die ich an den Herrn Justizminister richtete, mögen bitte, wenn auch insgeheim, bald von Ihnen im vertrauten Gespräch mit dem Herrn Bundesjustizminister unterstützt werden, bevor noch weiterer außenpolitischer und innenpolitischer Schaden aus den Äußerungen des obersten Justizministers zu erwarten ist.