Meine Damen und Herren! Dem von der SPD eingereichten Antrag stimmen, wie ich annehme, alle Fraktionen dieses Hauses zu, wobei die Tatsache, daß unter den Ausgewiesenen möglicherweise politische Emissäre sind, uns von den Bahnen der Menschlichkeit nicht abbringen kann. Meine Herren Vorredner haben schon bedeutet, daß darüber die zuständigen Stellen, nachdem wir die Gesamtheit der ° Unglücksmenschen aufgenommen haben, die nötigen Ermittlungen anstellen und die nötigen Folgerungen ziehen sollten. An der Grenze können wir mit Rücksicht auf diese Gefahr die Unglücklichen, die nicht darunter fallen, unter keinen Umständen leiden lassen.
Sachlich und organisatorisch von hoher Bedeutung für dieses Problem, jedenfalls für die drei betroffenen Hauptländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, ist der Antrag der Bayernpartei; dazu möchte ich einige Worte sagen. Die tragende Säule dieses Antrags — das, was Herr Dr. Seelos vielleicht etwas volltönig „das Ei des Kolumbus" — ich möchte glauben, es ist nur ein Spatzenei — nannte — ist das Verlangen, daß die Auffanglager nicht in den überbelasteten Ländern eingerichtet werden sollen. Das ist in der Tat eine außerordentlich wesentliche Forderung.
Noch nicht gerade ein Ei! Aber immerhin ein Gedanke, Herr Dr. Baumgartner, der in jeder Beziehung wichtig ist und auf den zu meinem Bedauern Herr Minister Lukaschek gar nicht weiter eingegangen ist. Denn Herr Dr. Zawadil hat es zwar verlangt: Die Aufteilung in endgültige Niederlassungsorte hat schnell zu erfolgen. Wie schnell das aber vor sich geht und wielange sich das eine oder andere Land dann mit mehr oder weniger guter Begründung sträuben mag, das können wir heute nicht übersehen. Auf jeden Fall aber ist es ausgeschlossen, daß zunächst wieder einmal die überbelasteten Länder diese Auffanglager mit 350 000 Menschen einrichten sollen. Es muß vielmehr zunächst einmal die erste Unterbringung unmittelbar von der Grenze weg in Lägern erfolgen, die allein in den bisher von Flüchtlingen nicht belasteten Ländern einzurichten sind. Um dieses entscheidenden Inhalts willen halten wir die Beschlußfassung im Sinne des Antrags der Bayernpartei für eine unbedingte Notwendigkeit in einem föderativen, sich über seine Aufgaben einigen deutschen Bundes.
Die Bayernpartei hat nun ihren Antrag mit einem Schlußsatz belastet, nämlich mit der Forderung, für alle in die belasteten Länder aufgenommenen Familienangehörigen kollektiv eine gleiche Anzahl von Altflüchtlingen auszutauschen. Das geht dem Herrn Minister, meines Erachtens mit Recht, zu weit. Aber der Gedanke, der darin liegt, ist dennoch außerordentlich beachtlich. Denn Familienzusammenführungen von Neu-Einwanderern können natürlich nur in Ländern mit Alt-Einwanderern stattfinden. Die Länder, die zur Zeit keine oder nur ganz wenig Flüchtlinge haben, werden auch nur sehr wenig Familienangehörige aufzunehmen haben. Dagegen strömen in die heute überbelasteten Länder auch noch die Verwandten ein. Daß das so nicht ohne weiteres hingenommen werden kann, ist klar.
Ich habe daher den Antrag zu stellen, den letzten Satz des Antrages der Bayernpartei zu streichen und durch folgende etwas biegsamere Bestimmung zu ersetzen:
Da im Laufe der Familienzusammenführung naturgemäß verhältnismäßig viele Ausgewiesene in die schon überbelasteten Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern verbracht werden, ist insoweit ein besonderer Ausgleich vorzusehen.
Aus den Worten des Herrn Bundesministers Lukaschek habe ich entnommen, daß er für einen solchen Antrag volles Verständnis hat. Ich bitte daher, den Antrag der Bayernpartei in dieser Fassung anzunehmen. Ich beantrage also diese Änderung und überreiche den Antrag dem Herrn Präsidenten.