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ID0105009100

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    Vokabeln: 7
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    7. Loritz.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. März 1950 1749 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 1749D, 1750A Anfrage Nr. 59 der Fraktion der SPD betr. Förderung des Schiffsbaues (Drucksachen Nr. 662 und 748) 1750A Einsprüche der Abg. Wehner und Heiland gegen ihren in der 49. Sitzung erfolgten Ausschluß 1750A Beratung des Antrages der Fraktion der Bayernpartei betr. Erlaß einer Rechtsverordnung zur Verteilung der neu aus den Ostgebieten und der Tschechoslowakei kommenden Deutschen (Drucksache Nr. 723) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Aufnahme von Deutschen aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und aus der Tschechoslowakei in das Bundesgebiet (Drucksache Nr. 727) . . 1750B, 1751C Dr. Seelos (BP), Antragsteller . . . 1750B Dr. Wenzel (SPD), Antragsteller . . 1751C Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten d. Vertrieb. 1753A, 1760D Tichi (WAV) 1753D Dr. Götz (CDU) 1754D Dr. Zawadil (FDP) 1755D Paul (Düsseldorf) (KPD) 1756D Ewers (DP) 1758A Dr. Richter (DRP) 1758C Krause (Z) 1759A Strauß (CSU) 1759D Clausen (SSW) 1760C Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Vorläufige Haushaltsordnung und vorläufiges Haushaltsgesetz 1949) (Drucksachen Nr. 682 und 223) mit den Mündlichen Berichten des Haushaltsausschusses (Drucksachen Nr. 670 bis 681) . . . . 1761A Abstimmungen über die Anträge Drucksachen Nr. 734 und 743 1761B Einzelplan V — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans (Drucksache Nr. 675) . 1762A, 1802A Kalbitzer (SPD) 1762A Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 1762BD Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäfts- ordnung) 1762C Rische (KPD) 1802B Blücher, Bundesminister für Angelegenheiten des Marshallplans . . . 1806B Dr. Vogel (CDU) 1808C Abstimmungen 1809D Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern (Drucksache Nr.1762D Erler (SPD), Berichterstatter . . 1763A Maier (SPD) 1766D Dr. Decker (BP) 1771A Dr. Ehlers (CDU) 1771D Dr. Leuchtgens (DRP) 1775B Zinn (SPD) 1777D Dr. Jaeger (CSU) 1778B Loritz (WAV) 1779B Dr. Fink (BP) 1780B Dr. Hamacher (Z) 1780D Dr. Bergstraeßer (SPD) 1782A Gaul (FDP) 1783C Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 1784B Abstimmungen 1786A Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz (Drucksache Nr.1786C Steinhörster (SPD), Berichterstatter 1786C Dr. Greve (SPD) 1788A Dr. Leuchtgens (DRP) 1790B Ewers (DP) 1790D Dr. Wuermeling (CDU) 1792D Nuding (KPD) 1794A Zinn (SPD) 1794B Kiesinger (CDU) 1795D Dr. Reismann (Z) 1797A Loritz (WAV) 1799A Dr. Arndt (SPD) 1800B Abstimmungen 1801D Nächste Sitzung 1810C Die Sitzung wird um 10 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, daß sich die Diskussion im Eifer für oder gegen den Richterstand von dem eigentlichen Thema der Erörterung, nämlich von der Debatte um den Etat, reichlich weit entfernt hat. Es sind die Vergangenheit und große Ideen von Leuten beschworen worden, die reformierend auf dem Gebiete des öffentlichen und privaten Rechts tätig gewesen sind. Wir sollten uns nach meiner Meinung mehr Gedanken darüber machen, wie wir für die Zukunft den Richterstand so ausgestalten und so einrichten und so erziehen und geistig führen können, daß er in größerer Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit und in größerer Übereinstimmung mit der Stimmung der Bevölkerung ist, als das gegenwärtig der Fall ist. Dabei spreche ich nicht bloß von dem Richterstand. Alle, die sich bisher mit der Justiz befaßt haben, scheinen zu vergessen, daß es darüber hinaus noch andere juristische Berufe gibt, mit denen wir uns hier auch intensiv zu befassen haben, nämlich vorzüglich mit den Staatsanwälten.
    Wenn man sich die Tätigkeit dieser weisungsgebundenen 'Staatsanwälte zur Zeit einmal etwas näher ansieht, von denen ungefähr alle im Amt geblieben sind, die es während der Nazizeit auch waren, dann ist es gar nicht verwunderlich, daß der Stein, der von ihnen ins Rollen gebracht wird, in einem Sinne läuft, wie er keineswegs dem Chef dieser Verwaltung und der öffentlichen Meinung heute entspricht. Es ist eine auffällige Erscheinung, daß seit 1945 eine reichlich große Zahl von Strafverfahren gegen solche Leute in Gang gebracht wird, von denen man glaubt, daß sie sich in irgendeinem Sinne vergangen haben. Aber gerade mit besonderem Eifer werden diese Vorwürfe herausgesucht, wenn es sich um solche handelt, die irgendwie gegen den Nationalsozialismus aufgetreten sind. Ich habe es selbst wiederholt erlebt, daß man gerade mit f r ü h e r en Nazis mit großer Nachsicht verfährt. Wenn der gleiche, wenn ein schwerwiegender Verdacht ihnen gegenüber auftaucht, so neigen die Staatsanwaltschaften viel eher dazu, das Verfahren als belanglos und nebensächlich einzustellen, als wenn ein Nazi schwört und sich das Verfahren gegen einen Antinazi richtet. Woher kommt z. B. die in ganz Deutschland notorisch bekannte Welle von Einschüchterungen gegenüber der Entnazifizierung und gegenüber Belastungszeugen, die gegen die Nazis aussagen sollen. Es kommt doch lediglich daher, daß sich die Staatsanwaltschaften bereit gefunden haben, Anklagen
    zu erheben und zum mindesten die Untersuchungen, soweit es nur möglich ist, in den Fällen
    voranzutreiben, wo sich Belastungszeugen — es
    war wirklich schwer genug, überhaupt welche
    aufzutreiben - bereit fanden, über Vergehen,
    Verbrechen und politische Schand- und Übeltaten von früheren Nazis überhaupt auszusagen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es gehört inzwischen Mut dazu, noch etwas gegen Nazis auszusagen. Denn wenn Sie sich heute etwa unterstehen sollten, gegenüber einem früheren sogenannten Ortsgruppen- oder Kreisleiter noch zu bekunden, er habe in der Kristallnacht dies oder das getan oder er habe diesen oder jenen angezeigt, dann müssen Sie damit rechnen, daß dieser Mann aus der „Verschworenen Gemeinschaft", wie Adolf Hitler seinen Klub nannte, einen, einen zweiten oder dritten aufbringt, der sich bereit erklärt, als Zeuge auszusagen, das wäre alles nicht wahr, was die Belastungszeugen gesagt haben. Dann gibt es mit tödlicher Sicherheit gegen sie ein Meineidsverfahren, noch bevor die anderen geschworen haben. Ich habe sowohl als früherer Vorsitzender des Justizausschusses im Lande Nordrhein-Westfalen wie auch als Anwalt gerade auf diesem Gebiet reichlich Erfahrungen gemacht. Kritik in dieser Hinsicht ist durchaus angebracht. Gerade vor diesem Forum muß es einmal gesagt werden, daß nicht bloß heute von richterlicher Unabhängigkeit die Rede sein darf, sondern daß auch in der Nazizeit die Rede davon gewesen sein sollte. Dieselben Richter, die sich heute auf ihre Unabhängigkeit berufen, haben damals allzu oft vergessen, daß sie die Unabhängigkeit auch in Anspruch nehmen konnten. Ich erinnere mich noch sehr genau an den Richter, vor dem NaziReferendare ihre Verachtung zum Ausdruck brachten, weil er am Tase nach dem 30. Juni sich mit ihnen über die Mörderei des Adolf Hitler unterhalten hatte, im nächsten Augenblick aber einen Haftbefehl unterschrieb, als ihm ein Mann vorgeführt wurde, der dasselbe gesagt hatte.
    Es ist mir immer wieder unangenehm aufgefallen, daß in Erwiderung auf ungerechtfertigte Angriffe gegen den Stand der Juristen eine noch ungerechtfertigtere Verteidigung gekommen ist. Dagegen wehre ich mich. Ich will keineswegs verkennen, daß sich die große Zahl der Juristen wie auch der Verwaltungsbeamten — sagen wir einmal — so durchgeschlängelt hat, um schlecht und recht in der Nazizeit ihre Pflicht zu tun. Aber man soll die Dinge nun nicht so hinstellen,
    a) als hätte es in der Nazizeit nur gute Richter und nicht auch böse Staatsanwälte gegeben, und
    b) als wäre alles, was damals geschehen ist, in Ordnung. Denn wovon sind schließlich die regulären Gefängnisse mit politischen „Verbrechern und Vergehern" gefüllt worden? Das waren doch Resultate der ordentlichen Justiz.
    Aber gestatten Sie mir auch, auf die Gegenwart jetzt noch in anderer Hinsicht, als es bisher geschehen ist _einen Blick zu werfen. Es fällt doch schließlich dem ganzen Haus auf, daß nach und nach alle prominenten Vertreter der bayerischen Nicht-Regierungsparteien in Immunitätssachen vor das Forum dieses Hohen Hauses kommen. Das kann doch nicht nur daran liegen, daß sich die Kriminellen bloß bei der Opposition in Bayern befinden. Ich kann mich des Gedankens


    (Dr. Reismann)

    nicht erwehren, daß es der richterlichen Unabhängigkeit nicht ganz entspricht, wenn hier bloß Immunitätsanträge a) aus Bayern und b) gegen Abgeordnete der Nicht-Regierungsparteien vorgetragen werden.
    Es scheint mir aber auch noch einer weiteren Erwähnung wert, daß man den richterlichen Stand hier übermäßig betont. Wir müssen dabei folgendes unterscheiden: den Richterstand, wie er ist, und den Richterstand, wie er sein sollte. Wir haben zur Zeit einen Richterstand, der der Zahl nach viel zu groß ist, als daß er von der Qualität sein könnte, wie er in der Idealvorstellung der deutschen Menschen lebt. Die Folge davon ist, daß die große Mehrzahl der Mitglieder dieses Standes durchaus mittelmäßig ist und sogar mit subalternen Arbeiten beschäftigt wird, so daß diese Richter im Drange der täglichen kleinlichen Geschäfte den Blick für das Große verlieren. Von ,dem überlasteten Richter, von dem Richter, der mit Kleinkram zugepackt wird, können Sie nicht erwarten, daß er sich in den großen und entscheidenden Fragen so einstellt, wie Sie es von einem souveränen Richterkönig erwarten sollten, und wenn Sie dieses souveräne Richterkönigtum gerade auf solche Leute übertragen, dann kann das nichts als eine große Verstimmung, eine große Enttäuschung zur Folge haben. Wir bedürften deswegen - und das ist mein Appell an den Herrn Justizminister — einer Justizreform, die den Spruchrichter von dem verwaltenden Richter unterscheidet, die die freiwillige Gerichtsbarkeit deutlich von der Spruchtätigkeit der Gerichte absetzt, die aber auch die Sachverteilung so vornimmt, daß eine Überlastung
    der einzelnen Richter nicht mehr stattfindet. Es ist außerdem erforderlich, daß namentlich bei den Strafgerichten die Beteiligung des Laienelementes in einer ganz anderen und viel intensiveren Art und Weise wieder eingeführt wird, als das zur Zeit der Fall ist. Jetzt kommen die Bagatellen an das Schöffengericht. Die mittleren Sachen, und zwar solche von erheblicher Bedeutung, werden fernab von jeder Beteiligung des Volkes vor den Strafkammern erledigt, und zwar in einer trockenen, behördenmäßigen Art und Weise, die aber auch alles zu wünschen übrig läßt.
    Und was für Richter sitzen dort? Es ist eben mit Recht gesagt worden, daß 90 % der Richter dieselben sind, die sich in der Nazizeit nicht auf ihre richterliche Unabhängigkeit berufen haben. Aber mit welcher Befangenheit stehen sie heute diesen Fragen der gegenwärtigen Zeit gegenüber? Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung ein Beispiel zeigen. Es klagte eine Persönlichkeit, die im öffentlichen Leben steht, privat. Darauf war sie angewiesen, weil sich kein Staatsanwalt für ausreichend interessiert hielt, um eine öffentliche Klage zu erheben —, weil man die verleumderische Behauptung verbreitet hatte, in der Nazizeit als prominentes Parteimitglied verdient zu haben. Da sagte der Richter, als ich mit ihm über den Fall sprach, zu mir: Das ist doch keine Beleidigung, wenn er Parteimitglied gewesen sein soll; das ist ein ganz neutraler Tatbestand; ich bin ja auch Parteimitglied gewesen. Ich habe weiter gesagt, es sei doch wohl zweckmäßig, daß er sich unter diesen Umständen für befangen erkläre, und das hat er dann getan.
    Da sehen Sie, meine Damen und Herren, daß man keineswegs mit der nötigen Unvoreingenommenheit an diese Fragen herantritt. Denken Sie sich selber einmal in diese Lage hinein. Glauben Sie nicht, daß das eine Beleidigung ist, wenn Sie etwa in einem KZ oder einem Gefängnis gesessen haben, wenn Sie die ganze Zeit gegen den Nationalsozialismus gestanden haben, wenn Ihnen einer sagt, Sie seien Pg gewesen? Halten Sie das nicht für eine Beleidigung? Der Richter sagt: Nee, ich war selber einer; das war keine Beleidigung für mich.
    Wenn man also jetzt die Justiz neu aufbauen will, so halten wir es für erforderlich, daß man bei dieser Gelegenheit die Laienbeteiligung in ganz anderer, intensiver Art und Weise einschaltet, als es bisher der Fall ist.
    Wir vermissen in der jetzigen Vorlage des Herrn Bundesjustizministers neue, schöpferische Ideen für die Neugestaltung des Prozeßrechts. Es ist eben gesagt worden, daß das nicht beabsichtigt gewesen sei. Wir rügen aber, daß es nicht beabsichtigt gewesen ist. Wir wünschen für diese Gelegenheit von dem Herrn Justizminister zumindest in den Grundzügen, wenn auch noch nicht in allen Details, daß er das Prozeßrecht in gewissem Sinne reformatorisch ausgestaltet. Wir haben insbesondere zu den Grundzügen einige Forderungen anzumelden, die von der bisherigen Praxis der deutschen Gerichte abweichen. Es ist hier nicht die Zeit, im einzelnen darauf einzugehen; wir möchten aber hier zum Ausdruck bringen, daß wir es unter Anerkennung der Schnelligkeit der Arbeit doch bedauern, daß schöpferische Gedanken in dem jetzt vorgelegten Entwurf nicht enthalten sind. Vor allem bedauern wir es auch, daß sich der Bundesjustizminister ebensowenig wie die Länderjustizminister um die geistige Heranführung des Richterstandes an die Demokratie und an die gegenwärtigen Verhältnisse bemüht hat. Er hat sich, wie uns scheint, in einer Verteidigung des Richterstandes, so wie er ihn vorgefunden hat, erschöpft und verausgabt. Er hat bislang in seinem Amt noch nicht die Initiative gefunden, auf eine Entwicklung des Richterstandes und überhaupt der Justizbeamtenschaft und der Justizeinrichtungen zum Neuen hinzusteuern.
    Lassen Sie mich nun mit dem Bedauern darüber abschließen, daß gerade der Justizminister es gewesen ist, der im Anschluß an die Debatte Hedler die Veranlassung zu einer Erörterung gerade jenes Falles gab, und zwar dadurch, daß er selber von dem bewährten Grundsatz abgewichen ist, daß man nichtrechtskräftige Entscheidungen nicht zur Debatte stellt. Indem er seinerzeit dazu überging, das Gericht zu verteidigen, hat er. die Angriffe gegen dieses Gericht gerade heraufbeschworen, und zwar in einer Situation zu verteidigen, in der die Verteidigung hoffnungslos war. Was inzwischen über den mündlich verkündeten Inhalt der Entscheidung des ersten Gerichts bekannt geworden ist, ist ein ganz böses Zeichen für den Geist jener Richter, die zu verteidigen der Herr Justizminister für nötig befunden hat. Wir möchten ihm deswegen bei dieser Generaldebatte, die sich nun in der Etatberatung unbeabsichtigt und gegen die getroffenen Abreden entwickelt hat, zurufen, daß er in Zukunft seine Aufmerksamkeit darauf lenken möge, wie er die Justiz an das


    (Dr. Reismann)

    Volk heranführe, und nicht darauf, wie er die bestehenden Zustände verteidige, die uns keineswegs konservierenswert erscheinen.

    (Beifall beim Zentrum, bei der WAV, der SPD und der BP.)



Rede von Fritz Schäffer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine Damen und Herren, zunächst einiges zum Haushaltsvoranschlag selbst. Wenn Sie ihn genau durchgelesen haben, werden Sie vielleicht festgestellt haben, daß man beim Bundesjustizminister, der doch zweifelsohne eine größere Aufgabenkompetenz hat als der Herr Innenminister, im Etat schon mit 13 Ministerialräten und 13 Oberregierungsräten auskommt. Das entspricht fast der Zahl, die wir mit 12 Ministerialräten und 12 Oberregierungsräten heute für genügend für das Innenministerium erklärt haben, woraufhin sich der Herr Innenminister unter dem Beifall seiner Regierungsparteien billigen Spott gegen mich leisten zu können geglaubt hat. Diese Zahlen beim Bundesjustizministerium scheinen aber geradezu zu bestätigen, daß die Stellenpläne beim Innenministerium außerordentlich übersetzt sind.
    Wir haben deshalb beim Bundesjustizministerium nicht allzuviel zur Streichung beantragt. Immerhin, wir können nicht unterschreiben, was der Abgeordnete Dr. Greve namens der SPD-Fraktion erklärt hat, daß er und seine Fraktion an dem Etat gar nichts auszusetzen hätten. Wir haben immerhin an der Höhe des Gehalts des Bundesjustizministers etwas auszusetzen und glauben, daß hier genau wie für den Innenminister ein Grundgehalt von 24 000 DM bereits mehr als genügend ist. Wir haben auch auszusetzen, daß man hier drei Ministerialdirektoren in Gruppe B 4 einsetzen will. Ich glaube, wir kommen auch mit zwei Ministerialdirektoren aus.
    In personeller Hinsicht wollen wir sonst dem Bundesjustizministerium keine weiteren Abstriche machen, weil wir wissen, daß eine große Anzahl von Gesetzen in kürzester Zeit dem Hause vorzulegen sind, weil wir wissen, daß hierzu eine Reihe von fachlich qualifizierten höheren Beamtenkräften absolut notwendig ist. Immerhin, wir glauben, daß die Zahl von 13' Ministerialräten plus 13 Oberregierungsräten plus einer Anzahl von Regierungsdirektoren absolut genügend ist.
    Aber nun zu etwas anderem, was anläßlich der Haushaltsberatungen überall gesagt wird. Wir möchten hier eines erklären: Wir sind mit der Geschäftsführung des Bundesjustizministers und sein-es Ministeriums zutiefst unzufrieden. Das Bundesjustizministerium hat uns bisher immer noch nicht ein Gesetz zur Strafrechts- und Strafprozeßrechts-Reform vorgelegt, das dringendst notwendig wäre. Wir haben aus der Hitler-Zeit her immer noch die Beschränkungen bezüglich der Berufungsmöglichkeiten gegen Urteile der Gerichte. Wenn hier die Regierung nicht bald mit einer Gesetzesvorlage kommt, wird es höchste Zeit sein, daß sich in diesem Hause Fraktionen finden werden, -die das beantragen. Und sollte sich keine andere Fraktion finden, so wird auch hier die WAV voranzugehen haben und einen solchen Antrag stellen müssen,

    (Zuruf rechts)

    obwohl sie es gerne Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, überlassen würde, hier mit einem Antrag zu kommen, da auch die Juristen, die bei Ihnen sind, weiß Gott, wissen müßten, wie schädlich sich die Beschneidung der Instanzen bei der Rechtsprechung ausgewirkt hat und noch auswirkt. Ich wiederhole es: wir sind zutiefst unzufrieden, daß nicht gleich von Anfang an dem Hohen Hause diese Vorlage gemacht worden ist. Schon im Oktober-November vorigen Jahres wäre der richtige Zeitpunkt dazu gewesen!
    Wir sind ferner mit der Person des Bundesjustizministers selbst bzw. mit seinen Äußerungen, die er in letzter Zeit machte, unzufrieden. Wir glauben, daß sich der Bundesjustizminister wie sonst kein anderer Bundesminister aus der Tagespolitik und auch aus der Außenpolitik herauszuhalten hat. Der Bundesjustizminister muß bei Äußerungen doppelt vorsichtig sein,

    (Abg. Kiesinger: Das hat aber doch mit der Frage des Haushaltsplans gar nichts zu tun!)

    (Zuruf: Sie sollten sich mehr um Ihre
    eigenen Angelegenheiten kümmern!)
    Wir empfehlen gerade dem Herrn Bundesjustizminister die größtmögliche Distanzierung von der Tagespolitik und von jeglicher Parteipolitik, und wir empfehlen dem Herrn Bundesjustizminister ganz besonders, nicht etwa aus einem falsch verstandenen Kollegialitätsgefühl heraus sich schützend hinstellen zu wollen vor gewisse Richter, die seinen Schutz, weiß Gott, nicht verdienen, vor gewisse Richter, die leider in ihre Ämter wieder hineingekommen sind, obwohl sie dessen keineswegs würdig sind. Ich sage keineswegs, daß a 11 e Richter so seien, keineswegs! Wir haben in allen deutschen Gerichten eine Reihe vorzüglicher Richter aufzuweisen. Das weiß jeder, der selbst im Rechtsleben steht. Aber wir haben auch Fälle, wo Leute drinnen sitzen in den Ämtern, die. entweder unfähig sind bis zum Schreien oder aber sogar unwürdig sind des Amtes, das sie heute bekleiden.
    Wir warnen insbesondere vor einer Politisierung der Justiz, nicht bloß nach der einen Seite hin, sondern auch nach der anderen Seite! Wir warnen vor all diesen Dingen. Wir brauchen gerade bei der Justiz Leute, Richter und auch Staatsanwälte, die über den Parteien stehen und die möglichst wenig mit Parteipolitik aller Art zu tun haben und die am besten gar keiner politischen Partei anzugehören haben, weil gerade das Amt des Richters und des Staatsanwaltes es erfordern, daß er unabhängig ist von allen Parteirichtungen und daß er über allen Parteien steht. Da haben wir leider in soundsovielen Gerichten sehr üble Erfahrungen in den letztvergangenen Jahren gemacht! Wir haben gesehen, wie Leute Richter wurden, die ihren Kenntnissen


    (Loritz)

    und Fähigkeiten nach noch keineswegs diese Posten bekommen hätten, wenn sie nicht glänzende Beziehungen zu gewissen Stellen und leider auch zu gewissen deutschen Parteipolitikern im Jahre 1945 und nachher gehabt hätten. Gerade hier müssen wir warnen, denn die Justiz ist besonders empfindlich gegenüber jeder politischen Einwirkung. Hier auf dem Gebiete der Justiz gerade müssen Sie anfangen, überparteiliche Richter einzusetzen, Leute, die möglichst keiner Partei als Mitglieder angehören, Leute, die deswegen das Vertrauen aller Parteien genießen können. Das ist es, was wir zum Justizetat im besonderen zu sagen haben. Lassen 'Sie mich zusammenfassen:
    Eine Aufforderung an den Herrn Bundesjustizminister, jetzt endlich einmal die Justizreformgesetze vorzulegen und namentlich eine Reform der Strafprozeßordnung durchzuführen, aber auch der Zivilprozeßordnung! Eine Reform der Strafprozeßordnung ist aber noch doppelt so nötig wie die der Zivilprozeßordnung. Eine Reform der Strafprozeßordnung, die raschestens kommen muß, wenn Sie nicht wieder hinnehmen wollen, daß Fehlurteile, die einmal ausgesprochen worden sind, gerade bei besonders schwerwiegenden Delikten nicht mehr in der Berufungsinstanz korrigiert werden können.
    Ferner fordern wir den Herrn Bundesjustizminister auf, sich endlich aus den Fragen der Tagespolitik herauszuhalten. Wir ersuchen ihn ebenso höflich wie dringend, endlich einmal daran zu denken, daß er als Justizminister bei all seinen Äußerungen ganz besonders kritisch im Ausland unter die Lupe genommen wird und daß gerade Äußerungen seinerseits auf außenpolitischem Gebiet doppelt und dreifach soviel Scherben anrichten wie die von manchem seiner Ministerkollegen.
    Das ist es, was die WAV zum Etat des Justizministeriums zu sagen hat.

    (Zuruf von der CDU: Ist genug!)

    Die Kürzungen, die ich Ihnen vorgelegt habe, überreiche ich hier in dem Abänderungsantrag noch dem Präsidenten. Ich habe Ihnen das Wesentliche hieraus bereits vorgetragen. Die anderen Aufforderungen, die ich an den Herrn Justizminister richtete, mögen bitte, wenn auch insgeheim, bald von Ihnen im vertrauten Gespräch mit dem Herrn Bundesjustizminister unterstützt werden, bevor noch weiterer außenpolitischer und innenpolitischer Schaden aus den Äußerungen des obersten Justizministers zu erwarten ist.

    (Beifall bei der WAV.)