Rede von
Friedrich
Maier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Als am 8. November des vorigen Jahres der Staatssekretär Ritter von Lex dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über einen vorläufigen Organisationsplan des Bundesministeriums des Innern berichtete, war unser Eindruck der, daß der Stellenplan im Verhältnis zu den Aufgaben des Ministeriums als übersetzt anzusehen ist. Zwar hat, wie der Herr Berichterstatter schon erwähnte, der Organisationsausschuß der Ministerpräsidenten für das Bundes-
ministerium des Innern je nach den ihm zukommenden Aufgabenbereichen eine Personenstärke von mindestens 150 und höchstens 290 Köpfen empfohlen, doch waren solche Zahlen, die bei ihrer Veröffentlichung stärkster Kritik ausgesetzt waren, für den Neuaufbau des Bundesinnenministeriums keinesfalls bindend. Es war namentlich die große Zahl der Beamten im höheren Dienste zu beanstanden, die in manchen Fällen auf eine Doppelgleisigkeit bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben zurückgeht. So war beispielsweise das Personalreferat Z 1 zu streichen und seine Aufgaben dem Leiter der Abteilung 2, Beamtenwesen, oder einem der dort beschäftigten Referenten zu übertragen. Das Referat I A 2, das die Bundesgebiets- und Ländergliederung zu bearbeiten hat, könnte unter Einsparung der dafür vorgesehenen Kräfte in das Referat B 2 übernommen werden, da es sich bei beiden Referaten um identische Aufgaben handelt. Das Referat 2 hat die Verwaltungsorganisation in Bund und Ländern zu behandeln. Die Referate I A 3 — Rechtsstellung der Parteien, Wählbarkeit — und I A 4 — Staatsangehörigkeit — sollte man zusammenlegen, wobei dem Ministerialrat eine Hilfsarbeiterstelle zu bewilligen wäre. Dieses Referat wird nur in der ersten Zeit mehr als üblich zu tun haben, sobald aber die im Grundgesetz vorgesehenen Gesetze erlassen sind, dürfte seine Tätigkeit nicht mehr sehr groß sein. Auch die beiden Referate I B 1 und I B 3 dürften zusammengefaßt werden können. B 4 ist kein volles Referat und könnte vom Abteilungsleiter mit übernommen werden.
Besonders übersetzt erscheint uns die Beamtenabteilung II mit 11 höheren Beamten. Das Innenministerium des größten der 11 Länder, das Nordrhein-Westfalens, hat für einen viel größeren Aufgabenbereich, bei der Betreuung eines weit größeren Unterbaues außer dem Leiter nur zwei Ministerialräte und weitere 4 höhere Beamte, kommt also mit der Hälfte der Beamten aus. Das Referat II/3 umfaßt im wesentlichen eine Aufgabe aus Artikel 131 des Grundgesetzes. Es könnte deshalb einem anderen Referat angegliedert werden. Desgleichen ließen sich Einsparungen durch Zusammenlegung der Referate II/4 und II/5 erzielen. Nach Erlaß eines neuen Dienststrafrechts und dem Aufbau eines Dienststrafgerichts sind die Aufgaben des Referats II/6 erschöpft, so daß es vom Leiter der Abteilung wahrgenommen werden könnte.
Begrüßt wurden von meiner Fraktion die beiden Kommunalreferate I B 4 und I B 5. Diesen Referaten wird bei der Gestaltung des zu erwartenden Finanzausgleichs des Bundes besondere Bedeutung zukommen. Um eine stärkere Autonomie der kommunalen Selbstverwaltung zu erreichen, geben wir dem Herrn Bundesminister des Innern zu erwägen anheim, den Ländern beim Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in Form von Auflagen die Abführung gewisser Mindestprozentsätze an die Gemeinden zur Pflicht zu machen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers vom 22. Februar vor dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. In Ihrem Bestreben, den Gemeinden eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen, werden Sie, Herr Bundesinnenminister, unsere Unterstützung finden.
Mit besonderem Beifall wird von meiner Fraktion die Errichtung des Referates I A 5 über die Rechtsstellung der Frau in Gesetzgebung und Verwaltung und die Wahrung der besonderen Belange der Frau in allen Bereichen des öffentlichen Lebens begrüßt. Wir freuen uns darüber, daß es im Haushaltsausschuß gelungen ist, die Bedeutung dieses Referats dadurch zu unterstreichen, daß man die Referentenstelle von einer vorgesehenen A 1 b-Stelle nach A 1 a gehoben hat.
Desgleichen haben wir die Erklärung des Herrn Ministers, der Gleichberechtigung der Frau dadurch sichtbaren Ausdruck zu verleihen, daß er auch in anderen Referaten, besonders auf dem Gebiete des Wohlfahrts- und Gesundheitswesens weibliche Beamte einsetzen wird, mit Befriedigung zur Kenntnis genommen.
Bejaht wird seitens meiner Fraktion auch die Errichtung der Abteilung III für kulturelle Angelegenheiten des Bundes mit den beiden Schulreferaten, die, wenngleich sie informatorischen Charakter haben, doch auch Ordnungsfunktionen ausüben können. Auch das Referat 4, das die besondere Aufgabe hat, die Abwanderung deutscher Kulturschätze in das Ausland zu verhindern, findet unsere Billigung.
Die Absicht der Bundesregierung, für die Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden und die Wahrung der besonderen Belange des Judentums in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ein besonderes Referat III/3 vorzusehen, hat bei den Interessenvertretungen der heute in Deutschland lebenden Juden keinen Anklang gefunden. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang aus der C „Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung" die Erklärung vorlesen, die dort von dem Zentralkomitee der britischen Zone, dem Koordinierungsausschuß und der Jüdischen Interessengemeinschaft Stuttgart abgegeben wurde. Das Blatt schreibt, man habe inzwischen einen Überblick über die Zusammensetzung des hohen und höchsten Beamtenapparats der Bundesregierung bekommen und in fast allen Ministerien an verantwortlicher Stelle Beamte gefunden, „deren politische Vergangenheit uns zumindest keine Veranlassung gibt, sie auch nur als Verhandlungspartner zu betrachten".
Unter diesen Beamten seien ehemalige Mitarbeier an den Kommentaren zu der Nürnberger Rassengesetzgebung sowie Leute, deren aktive Mitarbeit im Dritten Reich verhältnismäßig leicht unter Beweis gestellt werden könne. Man kann es den Juden nicht übelnehmen, wenn sie eindeutig erklären, daß man es keinem Juden zumuten könne, als Referent oder Berater für jüdische Interessen neben Beamten zu sitzen, von denen man weiß oder befürchten muß, daß sie auch der Regierung des Dritten Reiches ihre Mitarbeit nicht versagt haben. Das Blatt erklärt weiter, nach seinen Informationen sei in Kürze eine Besprechung der jüdischen Landes- und Zonenverbände mit dem Bundeskanzler vorgesehen. Es sei nach wie vor davon überzeugt, daß der Bundespräsident und der Kanzler in jüdischen Fragen von gutem Willen beseelt seien. Unter diesen Umständen wird zu prüfen sein, ob im kommenden Haushalt das jetzt mit einem Sperrvermerk versehene Referat III/3 infolge der Ab-
lehnung durch die Betroffenen nicht zu streichen wäre.
das im Referat 4 zusammengefaßt ist, waren wir der Meinung, daß wie beim früheren Reichsinnenministerium das Veterinärwesen im Bundesministerium des Innern ressortieren sollte. Wir haben' uns aber durch die Ausführungen der zuständigen Fachvertreter des Landwirtschaftsministeriums davon überzeugen lassen, daß das Veterinär- und Tiergesundheitswesen durch die Entwicklung immer enger mit der Tierzucht verknüpft werden und daß eine sachliche Trennung des Veterinärwesens von der Tierzucht sich ungünstig auswirken würde. Aus diesem Grunde billigen wir die Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums auch für die Fragen des Veterinärwesens.
Im Rahmen der Diskussion über den Aufbau der Bundesministerien hat sich eine Zuständigkeitsstreitfrage ergeben — die der Herr Berichterstatter schon erwähnte —, die über den Rahmen des Organisatorischen hinaus Bedeutung hat. Es ist die Frage: Wieweit erstreckt sich. der Aufgabenbereich des Bundesministeriums des Innern auf dem Gebiete des Verfassungswesens?
Während es in Deutschland Tradition gewesen ist, daß Verfassungsrecht und Verfassungsschutz in den Zuständigkeitsbereich des Innenministers gehören und diese Übung weitgehend auch in den 11 Ländern fortbesteht, hat das Bundesjustizministerium geltend gemacht, die Handhabung und Auslegung des Grundgesetzes sei eine richterliche Tätigkeit und stehe deshalb eher dem Justizminister zu als dem Innenminister, der als Leiter eines Fachministeriums, eines Verwaltungs- und Polizeiministeriums bei seiner_ Arbeit von politischen Gesichtspunkten ausgehen müsse. Bei der Handhabung des Grundgesetzes sei es aber notwendig, frei von politischen Gesichtspunkten streng nach dem Rechtsstandpunkt vorzugehen.
Im 'Gegensatz zu dieser Auffassung des Herrn Justizministers sind wir der Meinung, daß das Verfassungsrecht und der Verfassungsschutz unteilbar zum Innenministerium gehören.
Eine Zerreißung des Verfassungsschutzes und der Auslegung der Verfassung ist nicht möglich. Gegenüber dem Anspruch der Justiz, die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebungsvorbereitung und der Verwaltungstätigkeit der einzelnen Ressorts zu prüfen, ist festzustellen, daß der Jurist im Justizdienst, der aus der Sphäre des zivilrechtlichen Denkens kommt, wo er Entscheidungen von Ansprüchen des einzelnen gegen den anderen zu treffen hat, viel weniger die Eignung hat, in Verfassungsfragen zu entscheiden, als der Verwaltungsjurist, der schon durch seine berufliche Tätigkeit reiche Erfahrung in der Handhabung öffentlicher Rechtsprobleme besitzt. Probleme, die sich aus der Gewaltenverteilung, aus der Gestaltung und Organisation des öffentlichen Lebens ergeben, sind also vom Verwaltungsrichter leichter zu meistern als von dem reinen Justizjuristen. Bei der Verlagerung der Verfassungsaufgaben auf ,das Justizministerium
liefe der Bund Gefahr, ein Justizstaat, nicht aber ein Rechtsstaat zu werden.
Hinsichtlich der Kompetenzen über das Verfassungsrecht hat, wie der Herr Berichterstatter schon betonte, der Haushaltsausschuß insofern eine Entscheidung getroffen, als er alle in dieses Gebiet gehörenden Referate beim Bundeshaushalt des Bundsministeriums des Innern genehmigte. Wir hätten deshalb an den Herrn Bundesminister des Innern den Wunsch, sich tatkräftig dafür einzusetzen, daß auch die Einrichtungen zum Schutze von Demokratie und Verfassung, wie das Bundeskriminalamt und das Amt zum Schutze der Verfassung, raschesten beim Bundesinnenministerium geschaffen werden.
Zu den Schutzaufgaben für Staat und Verfassung gehört auch eine vorsichtige und kluge Personalpolitik. Von dem Herrn Bundesminister des Innern als dem Beamtenminister erwarten wir, daß er nicht nur die Personalangelegenheiten im eigenen Hause so regelt, daß nur politisch einwandfreie und für die Demokratie zuverlässige Beamte Verwendung finden, sondern daß darüber hinaus Fälle, wie sie in diesem Hause in jüngster Zeit wiederholt zu Sprache kamen, von ihm aufmerksam geprüft und entsprechend behandelt werden. Da nach unserer Auffassung der Hüter der Verfassung dieses höchste Kontrollrecht mit zu seinen vornehmsten Aufgaben zählen sollte, haben wir es bedauert, daß der Herr Bundesminister des Innern zu der von verschiedenen Rednern des Hauses vorgebrachten Klage über die Verwendung ehemaliger Nazi-Aktivisten in höheren Bundesstellen noch nie das Wort ergriffen hat. Ferner mißfällt uns, daß man als wissenschaftlichen Mitarbeiter auf dem Gebiete ,des Verfassungsrechts einen Mann wie Professor Köttgen beschäftigt, der im Nazi-Reich mit zu den Publizisten der Nazi-Rechtsideologie gehörte.
Desgleichen beweist die Berufung eines Exponenten einer militaristischen Sportideologie — wie schon von dem Berichterstatter erwähnt —, des Herrn Professor Dr. Diem, eine Unbekümmertheit, die nicht scharf genug gerügt werden kann. Wenn ich Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur einige wenige Kostproben aus einer großen Sammlung von Zitaten aus Reden des genanten Herrn darbiete, so mögen Sie aus diesen Äußerungen erkennen, daß ein Mann, der im Sport nur das Mittel zur Wehrhaftmachung des jungen Menschen sieht, der den Sturmlauf durch Frankreich und Norwegen als das Ideal einer Lebenshaltung anspricht,
nicht als geeigneter Erzieher für eine neue deutsche demokratische, dem Frieden dienende Jugend angesprochen werden kann.
Herr Dr. Diem hat nicht erst im Dritten Reich, sondern auch schon in der Weimarer Republik diesen militaristischen Geist geatmet. Schon 1917 äußerte er sich wie folgt:
Die deutschen Turn- und Sportvereine würden in viel höherem Maße sich der unmittelbaren Vorbereitung zum Heeresdienst widmem können, wenn ein einheitlicher
Leitfaden vorhanden wäre, bei dessen Gestaltung den Forderungen .der militärischen Schulung Rechnung getragen wird. Dann erst kann für die Schulentlassenen von den Turn-und Sportvereinen neben der mittelbaren Vorbereitung zum Heeresdienst auch unmittelbare Vorbereitung zum Heeresdienst geleistet werden.
Oder 1931 in einem Vortrag an der Heeresschule
in Wünsdorf:
Der Krieg ist der vornehmste, ursprünglichste Sport, der Sport par excellence und die Quelle aller anderen Sportarten.
Oder, wie es 1940 in einem Artikel über den
Sturmlauf durch Frankreich heißt:
Vielerlei sind die Gründe. Eine der Ursachen aber, das dürfen wir stolz verkünden, ist der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist. Das Ideal eines gefahrlosen Daseins, des gut ge-. machten Bettes, des pensionsfähigen Lebensabends ist in der , deutschen Volksseele verschwunden. Statt dessen Freude am Kampf,
Freude an Entbehrungen, Freude an der Gefahr; nur in solcher Lebenshaltung kann Norwegen erobert, Frankreich durchstürmt werden.
Freilich sagt Herr Diem später nichts darüber, wie bei solcher Lebenshaltung Norwegen und Frankreich wieder geräumt werden mußten.
An anderer Stelle sagt dieser Mann, der im Olympischen Komitee saß und künftig wieder sitzen wird,
über den Sinn der olympischen Idee:
Krieg war im Altertum Erfüllung des Manneslebens und Sport und olympische Spiele Vorbereitungen dazu.
Auch die olympischen Spiele von heute sind in mannhaftem Geiste begründet worden. Diesen Geist wollen wir heute festhalten. In diesem Geiste können und werden wir auch während des Krieges weiter Sport treiben. Er ist für uns eine Schule der Vaterlandsverteidigung, die wir auf uns nehmen, bis uns der Ruf zu den Waffen erreicht. Wenn Sport und olympische Spiele uns etwas zu Nutzen gewesen sind, dann haben sie uns diesen Geist des Angriffs und der blitzschnellen Entschlußkraft gelehrt. Der gute Kämpfer greift an und bricht jeden Widerstand.
Solche und ähnliche Worte haben wir in der Zeit von 1933 bis 1945 aus höherem Munde reichlich zu hören bekommen.
Da durch solche Fehlgriffe im Bereich der Personalpolitik nicht nur die demokratische, staatstreue Bevölkerung beunruhigt wird, sondern auch im Ausland Vorstellungen entstehen, die sich zum Schaden der deutschen Bundesrepublik auswirken können,
dürfen wir dein Herrn Bundesminister des Innern gegenüber die Erwartung aussprechen, daß er nach Prüfung der Fälle für die belasteten Bediensteten die entsprechenden Konsequenzen ziehen wird.
Um für den gesamten Bereich. der Bundesministerien zu einheitlichen Richtlinien für ,die Berufung von Beamten und die Einstellung von Angestellten und Arbeitern zu kommen und um dem Bundestag gegenüber eine verantwortliche Stelle für die Beamtenpolitik zu haben, halten wir es für unerläßlich, daß der Bundesinnenminister bei allen Personalangelegenheiten nicht nur mitwirkt, sondern daß darüber hinaus bei der Einzelpersonalie seine Zustimmung erfolgt.
- Ich glaube, daß die Personalangelegenheiten, wenn ich die Einzelministerien überblicke, beim Bundesinnenministerium noch am besten aufgehoben sind.
Desgleichen sind wir der Auffassung, daß dem Bundesinnenministerium die Rolle des Organisationsministeriums schlechthin zukommen sollte. Hingegen haben wir Bedenken gegen seine Mitwirkung bei Fragen der Raumordnung und der Sozialisierung, wie wir auch gewünscht hätten, daß das Gesundheits- und Wohlfahrtswesen in einem eigenen Sozialministerium — schon ihrer Bedeutung wegen — untergebracht worden wären.
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Was die öffentliche Sicherheit anlangt, so gibt das Grundgesetz keine Möglichkeit zu einer Bundesexekutive. Einzig die Bildung einer Grenzpolizei läßt eine gewisse Mitwirkung offen. Die Grenzpolizei sollte nach unserer Auffassung nicht mit dem Zollgrenzschutz gekoppelt werden, da sie als Paßkontrollorgan völlig andere Funktionen hat als der Zolldienst. Um außenpolitischen Schwierigkeiten zu begegnen, könnte sie als Auftragsangelegenheit an die Länder gegeben werden.
In der im Kabinett anscheinend noch strittigen Frage der Aufsicht über das Verfassungsgericht vertritt meine Fraktion die Auffassung, daß die Aufsicht mit Rücksicht auf die Vereinheitlichung des Verfassungsschutzes dem Bundesinnenminister zukommt. Da der Herr Bundesinnenminister nach seinen Ausführungen vor dem zuständigen Ausschuß diesen Standpunkt teilt, bedauern wir es um so mehr, daß er in dieser Frage die Initiative seinem Herrn Ministerkollegen von der Justiz überläßt. Der Bundestag ist schließlich das Forum, vor dem auch ministerielle Machtkämpfe entschieden werden.
Wenn wir die Bilanz der Gesetzgebungsarbeit des Bundesministeriums des Innern für dieses halbe Jahr ziehen, so ergibt sich kein besonders erfreuliches Bild. Neben einigen kleineren formalen Gesetzen war es nur ein einziges größeres Gesetz, das von den beiden Häusern verabschiedet wurde: das Beamtengesetz, das uns und der Welt wenig Freude machte. Mein Kollege Dr. Menzel hat bei der Beratung des Gesetzes unserer Kritik in unübertrefflicher Form Ausdruck gegeben, so daß ich es mir versagen kann, noch einmal näher .darauf einzugehen. Die Pressever-
lautbarungen fast aller politischen Richtungen und Schattierungen des In- und Auslandes wie auch die Resolutionen und Proteste der Gewerkschaften und Angestelltenorganisationen dürften den Vätern dieses auf nationalsozialistischem Grund errichteten Gesetzbaues gezeigt haben, daß sie bei der Federführung keine glückliche Hand hatten.
Wenn selbst der Bundesrat in einer Resolution, die ich dem Hause zur Kenntnis bringen möchte, zum Ausdruck bringt, welche schweren Bedenken er gegen das Gesetz hat, so dürfte allein schon diese Stellungnahme für das endgültige Gesetz wegweisend für den Herrn Bundesminister des Innern sein. Der Bundesrat sagt in dieser Resolution, er bedauere, daß das Gesetz nicht seiner Anregung entsprechend von den öffentlichen Bediensteten ein aktives Eintreten für die demokratische Staatsordnung verlange.
Der § 3 Absatz 2 des Gesetzes genügt in dieser Hinsicht nicht, da er die für den Aufbau der Demokratie erforderlichen Sicherungen nicht enthält. Der Bundesrat bedauert, daß die im Grundgesetz vorgesehene Gleichstellung der Frau bei dieser Änderung des Beamtengesetzes noch nicht verwirklicht worden ist. Er erwartet, daß den Normen des Grundgesetzes bei der endgültigen Fassung des Beamtengesetzes in vollem Umfang Rechnung getragen wird. Der Bundesrat empfiehlt weiter, bei den Vorarbeiten zu dem endgültigen Beamtengesetz die Gewerkschaften und sonstigen Verbände der öffentlichen Bediensteten in stärkerem Maße zur Mitarbeit heranzuziehen, als es bei den Vorarbeiten für dieses Gesetz der Fall sein konnte,
0 Eine noch unglücklichere Hand hatte aber das Ministerium bei der Schaffung der Verordnung auf Grund des Artikels 132 des Grundgesetzes, die einmal zeitlich so spät kam, daß sie in vielen Fällen gar nicht mehr zur Anwendung gebracht werden konnte, die ferner in ihren §§ 3 und 6 einen direkten Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt und in ihrem Inhalt den Geist der Regierung verkörpert. Entgegen dem klaren Wortlaut des Grundgesetzes bestimmt die Verordnung, daß bei der Prüfung über die persönliche Eignung das frühere, vor 1945 gezeigte politische Verhalten des Verwaltungsangehörigen nicht zu berücksichtigen ist.
Damit ist für alle Verwaltungsangehörigen festgestellt, daß die bisherigen Entnazifizierungsentscheidungen voll gültig sind. Damit ist der Wille des Gesetzgebers des Grundgesetzes ebenso in sein Gegenteil verkehrt wie mit der noch bedenklicheren Beseitigung des im Grundgesetz vorgesehenen Schutzes der antifaschistischen Verwaltungsangehörigen. Wer werden uns mit dieser Verordnung, die mit ihrer Befristung zum 7. März inzwischen ihre Gültigkeit verloren hat, noch zu beschäftigen haben, wenn unser zu dieser Verordnung gestellter Antrag behandelt wird. Es würde uns aber interessieren, wieviele Beamte auf Grund dieser Verordnung abgebaut wurden.
Ehe ich zum Schluß komme, möchte ich mich noch kurz mit einem im Hause verteilten Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Leuchtgens und Genossen zum Einzelplan VI beschäftigen. Inzwischen scheinen, wie ich bemerkte, auch Änderungsanträge ähnlichen Inhalts für andere
Einzelpläne verteilt worden zu sein. Sonst wäre mir unverständlich gewesen, wie ein Antrag das Amtsgehalt eines Ministers hätte herabsetzen wollen und gewisse Positionen, die in anderen Haushalten wiederkehren, nur bei einem Ministerium — ausgerechnet beim Bundesministerium des Innern — zu kürzen beabsichtigte. Wenngleich wir, wie ich schon andeutete, auch gewisse Wünsche auf Sparmaßnahmen im Bereich des Ministeriums des Innern haben, so erscheinen uns doch Änderungsanträge, wie sie von Dr. Leuchtgens vorgelegt worden sind, dilettantenhaft, und man müßte sie fast als Kindereien bezeichnen.
Wenn die Antragsteller beispielsweise den Tit. 3 von 45 000 DM auf 30 000 DM kürzen, einen Titel, den sie auf Grund ihrer Auffassung, möglichst viele Länderbeamte in die Bundesministerien zu delegieren, verteidigen müßten, dann zeigt das, wie wenig durchdacht solche Anträge sind und wie man sie schematisch fabriziert, ohne sich ihrer Wirkung bewußt zu sein.
Wenn man in Tit. 13 einem Ministerium von der Bedeutung des Bundesministeriums des Innern die Bücherei streicht, so haben wir für solche Ab-. sichten kein Verständnis mehr. — Wenn man draußen in der öffentlichen Agitation vertritt, kulturelle Förderungsbestrebungen zu unterstützen, während man einen entsprechenden Haushaltstitel von 300 000 DM auf 150 000 DM gekürzt wissen möchte, wie will man dann die deutsche wissenschaftliche Forschung wieder auf ein Niveau bringen, das uns in der Welt Achtung verschaffen soll? Gerade die Herren von der Rechten aber sind es, die sich besonders großtun in der Herausstellung des deutschen Namens und deshalb auch als Bezeichnung für die Bundesrepublik den Namen „Deutsches Reich" wieder einführen wollten. Wenn man dem deutschen Namen Geltung verschaffen will, darf man gerade solche unsinnigen Streichungen nicht vornehmen.
— Ja, vielleicht ist sie für manche gefährlich!)
Wir werden uns mit diesem Antrag nicht weiter beschäftigen und werden über ihn zur Tagesordnung übergehen.
Wenn meine Freunde im Haushaltsausschuß trotz der mancherlei Ausstellungen, die wir an der Tätigkeit des Ministeriums des Innern zu machen hatten, bei der Beratung des Haushalts für das Bundesministerium des Innern positiv mitwirkten und dem Herrn Minister manches umstrittene Referat retten halfen, so taten sie es in der Erwartung, daß die von der Opposition geäußerte Kritik Beachtung finden wird.
Auf dem Wege zu einer echten sozialen Demokratie werden Sie, Herr Bundesminister des Innern, in uns Sozialdemokraten zur Hilfe bereite Weggenossen finden,
in einem Kampfe um die Erhaltung von Verfassung und Demokratie zuverlässige Kampfgefährten; politischem Rückschritt aber würden wir ebenso erbitterten Widerstand entgegensetzen.