Rede von
Hermann
Nuding
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die letzte Diskussionsrede gibt mir Veranlassung, einige Worte namens meiner Fraktion zu sagen. Sie sprachen davon, daß der Richter unabhängig sein soll. Das ist ein schönes Prinzip, das Si e auf-. gestellt haben. Wir wissen aus der Statistik, daß zum Teil über 90 % der Richter, die heute urteilen, auch in den zwölf Jahren des „Dritten Reiches" geurteilt haben.
Ein Teil davon hat auch in der Weimarer Zeit geurteilt. Damals haben sie das Volk im Namen der Weimarer Verfassung verurteilt, dann haben sie es im Namen des Führers verurteilt und jetzt im Namen des Volkes. Nun gestatten Sie eine Gegenfrage: Zu einem Stand, der in der Lage ist, in einer Generation dreimal nach verschiedenen Gesetzen zu urteilen, muß man doch ein wenig Mißtrauen haben.
Wenn Sie doch soviel von der westlichen Demokratie aufnehmen wollten, was für eine herrliche Änderung könnten Sie auf dem Gebiet der Justiz schaffen, eine wirkliche Verbundenheit der Richter mit dem Volk, daß das Volk seine Richter achtet und ehrt, indem Sie diese Richter, wie es einige westliche Staaten machen, die Ihrem System, das Sie verteidigen, angehören, wählen ließen und der Volkskritik durch die Wahl unterwürfen. Dann hätten Sie vielleicht nicht solche Zustände, daß ein Richter, wenn er Hedler freispricht, von der Masse mit Recht angegriffen wird. — Das ist die eine Sache.
Ich möchte eine zweite Bemerkung machen: Sie sprachen vom Rechtsstaat, auf dessen Boden Sie stehen. Haben wir schon einen Rechtsstaat? Es
wäre interessant gewesen, wenn man die Schwächen dieses Staates aufgezeigt hätte. Ist das ein Rechtsstaat, wenn es möglich ist, daß die Besatzungsbehörde die deutsche Behörde anweisen kann, die Grundrechte, das Grundgesetz zu brechen? Heute nacht ist es passiert. daß in Niedersachsen nachts um ein Uhr ein englischer Offizier und ein deutscher Polizeibeamter ein en Landtagsabgeordneten aus dem Bett heraus verhafteten, den Landtagsabgeordneten Landwehr, und bis zur Stunde wissen wir noch nicht, wo er ist.
Ist das ein Rechtsstaat? Wo ist denn die Justiz, die vom Bund aus dafür sorgt?
— Ja, lieber Herr, ich sehe an Ihrem Lächeln, daß Ihnen das Recht ist, weil es Ihnen nützt. Diese Justiz, die das Recht verteidigt, das Ihnen nützt, ist Ihre Justiz.