Protokoll:
18043

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 43

  • date_rangeDatum: 26. Juni 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:17 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/43 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 43. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Vizepräsi- dentin Ulla Schmidt sowie der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und Christoph Strässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3831 A Wahl des Abgeordneten Sven-Christian Kindler als stellvertretendes Mitglied für das Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ . . . . . . . . . . . 3831 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3831 B Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 3831 D Tagesordnungspunkt II: (Fortsetzung) II.14 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Drucksachen 18/1009, 18/1023 . . . . . . 3832 A Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3832 B Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3833 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3835 B Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3836 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3839 B Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . 3840 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3840 D Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3843 D Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3845 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3847 C Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3848 B Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 3849 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 3850 C Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3851 D Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3853 C Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3854 C Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3855 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3857 B Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3858 A Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 3859 A II.15 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/1020, 18/1023 . . . . . . 3860 B Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3860 C Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3861 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3863 C Dr. Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . 3865 A Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 3866 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3867 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3869 D Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3872 A René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3873 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3875 C Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3876 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 3878 B Katrin Albsteiger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3879 C Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3881 A Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3882 B Tagesordnungspunkt VIII: a) Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Ge- setzes zur Änderung des Weingesetzes Drucksache 18/1780 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3884 A b) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Bad Bank für Atom – Rückstellungen der Atomwirtschaft in öffentlich-rechtli- chem Fonds sicherstellen Drucksache 18/1465 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3884 B c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung nach Arti- kel 5 des Gesetzes zur Regelung von De- Mail-Diensten und zur Änderung weite- rer Vorschriften Drucksache 17/10720 . . . . . . . . . . . . . . . . 3884 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungs- hofes: Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2013: – Einzel- plan 20 – Drucksache 18/1560 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3884 C Tagesordnungspunkt IX: a)–g) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammel- übersichten 60, 61, 62, 63, 64, 65 und 66 zu Petitionen Drucksachen 18/1632, 18/1633, 18/1634, 18/1635, 18/1636, 18/1637, 18/1638 . . 3884 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses: zu Einsprü- chen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. Septem- ber 2013 Drucksache 18/1710 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3885 B Tagesordnungspunkt II: (Fortsetzung) II.16 a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Drucksachen 18/1007, 18/1023. . . . 3885 C b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/1017 . . . . . . . . . . . . 3885 C Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 3885 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3886 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3888 B Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3889 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3891 B Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3892 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3893 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3895 B Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 3896 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3896 C Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3897 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3898 B Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3899 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 3901 A Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 3902 A Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3903 B II.17 Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Drucksachen 18/1006, 18/1023 . . . . . . 3904 C Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 3904 D Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3906 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3908 B Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3909 C Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3912 C Dr. André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 3914 C Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . 3915 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3917 D Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 3919 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 III Michaela Engelmeier-Heite (SPD) . . . . . . . . . 3920 C Dr. André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 3921 C Oswin Veith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 3922 D Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3924 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 3925 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Katarina Barley (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/1847) zum Gesetz- entwurf der Bundesregierung über die Feststel- lung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2014 – (Haushaltsgesetz 2014) – hier: Einzelplan 23 – Geschäftsbereich des Bun- desministeriums für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung (42. Sitzung, Ta- gesordnungspunkt II.12) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3925 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 3831 (A) (C) (D)(B) 43. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 Beginn: 9.00 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 3925 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 26.06.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 26.06.2014 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.06.2014 Beermann, Maik CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 26.06.2014 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.06.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 26.06.2014 Dr. De Ridder, Daniela SPD 26.06.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Felgentreu, Fritz SPD 26.06.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 26.06.2014 Gröhe, Hermann CDU/CSU 26.06.2014 Heinrich, Gabriela SPD 26.06.2014 Dr. Hendricks, Barbara SPD 26.06.2014 Hintze, Peter CDU/CSU 26.06.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 26.06.2014 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.06.2014 Künast, Renate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.06.2014 Kunert, Katrin DIE LINKE 26.06.2014 Leutert, Michael DIE LINKE 26.06.2014 Maag, Karin CDU/CSU 26.06.2014 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.06.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.06.2014 Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Sieling, Carsten SPD 26.06.2014 Dr. Sütterlin-Waack, Sabine CDU/CSU 26.06.2014 Thönnes, Franz SPD 26.06.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 26.06.2014 Zdebel, Hubertus DIE LINKE 26.06.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Katarina Barley (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/1847) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung (42. Sitzung, Tagesordnungspunkt II.12) An der 4. namentlichen Abstimmung am 25. Juni 2014 zum Thema Bundeshaushalt BMWZ habe ich teil- genommen und mit „Nein“ gestimmt. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 43. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 09 Wirtschaft und Energie Epl 30 Bildung und Forschung TOP VIII, ZP 1 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP IX, ZP 2 Abschließende Beratungen ohne Aussprache Epl 07, 19 Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht Epl 06 Innen Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804300000

Die Sitzung ist eröffnet. Bitte nehmen Sie Platz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Ta-
gesordnung eintreten, haben wir einige bedeutsame Ge-
burtstage zu würdigen, die in den letzten Tagen stattge-
funden haben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt hat ihren
65. Geburtstag gefeiert,


(Beifall)


der Kollege Hans-Christian Ströbele seinen 75. Ge-
burtstag


(Beifall)


und der Kollege Christoph Strässer ebenfalls seinen
65. Geburtstag. Ihnen allen die geballten guten Wünsche
des ganzen Hauses für die nächsten Jahre.


(Beifall)


Vor Eintritt in die Tagesordnung müssen wir auch
noch eine Wahl durchführen. Die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen schlägt vor, für das Kuratorium der Stif-
tung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ den
Kollegen Sven-Christian Kindler als stellvertretendes
Mitglied für den ausgeschieden Kollegen Jerzy Montag
zu wählen. Sind Sie mit diesem Vorschlag einverstan-
den? – Das ist offensichtlich der Fall. Damit ist der Kol-
lege Kindler als stellvertretendes Mitglied des Kurato-
riums gewählt.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufge-
führten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Weitere Überweisung im vereinfachten Ver-
fahren
Ergänzung zu TOP VIII

Beratung des Antrags des Präsidenten des Bun-
desrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2013

– Einzelplan 20 –
Drucksache 18/1560
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

ZP 2 Weitere abschließende Beratung ohne Aus-
sprache
Ergänzung zu TOP IX

Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des
Wahlprüfungsausschusses

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am
22. September 2013

Drucksache 18/1710

Dabei soll von der Frist für den Beginn der Beratun-
gen – soweit erforderlich – abgewichen werden.

Darüber hinaus mache ich auf eine nachträgliche
Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste
aufmerksam:

Der am 5. Juni 2014 (39. Sitzung) überwiesene nach-
folgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Sportaus-
schuss (5. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen
werden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stär-

(Tarifautonomiestärkungsgesetz)


Drucksache 18/1558
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Das ist offensichtlich der Fall. Dann können wir so ver-
fahren.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Wir setzen nun die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt II – fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für

(Haushaltsgesetz 2014)


Drucksachen 18/700, 18/702

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017

Drucksachen 17/14301, 18/1026

Dazu rufe ich Tagesordnungspunkt II.14 auf:

Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-
gie

Drucksachen 18/1009, 18/1023

Berichterstatter sind die Abgeordneten Thomas Jurk,
Andreas Mattfeldt, Roland Claus und Anja Hajduk.

Zu diesem Einzelplan liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Aussprache 125 Minuten dauern. – Auch dazu sehe ich
keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Roland Claus.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804300100

Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe

Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst die
Bundeskanzlerin als Kronzeugin bemühen. Sie hat in der
gestrigen Aussprache gesagt: Haushaltspolitik ist nur
dann gute Haushaltspolitik, wenn sie auch vorausschau-
ende Haushaltspolitik ist. – Sie hat das ein bisschen bü-
rokratischer gesagt; aber im Kern trifft das zu. Das führt
mich zu einer ausdrücklichen Aufforderung an Bundes-
minister Gabriel, in diesem Fall als Bundesenergiemi-
nister, und an die Koalitionsfraktionen. Diese lautet:
Stoppen Sie die antiparlamentarische Attacke beim Er-
neuerbare-Energien-Gesetz!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Gesetz soll morgen abschließend beraten werden.
Am Dienstag haben Sie durch die Vorlage eines 200-sei-
tigen Änderungsantrages gewissermaßen die Geschäfts-
grundlage, die wir bisher hatten, verlassen. So kann man
mit dem Parlament nicht umgehen. Lassen Sie sich das
gesagt sein.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bundesminister Gabriel, wir sind uns bei einer
ganzen Reihe von parlamentarischen Treffen begegnet,
bei denen Sie vor Vertretern der Wirtschaft und des öf-
fentlichen Lebens über das Erneuerbare-Energien-Ge-
setz gesprochen haben. Dabei haben Sie immer und im-
mer wieder betont, das alles sei mit der EU-Kommission
abgestimmt. Sie waren über alle Zweifel erhaben und
haben das, wie ich fand, auch ziemlich glaubwürdig vor-
getragen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was ist „ziemlich“?)


Und nun 200 Seiten Änderungsantrag. Ich sage Ihnen ei-
nes, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen
Koalition:


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das hat er sich noch nicht einmal angeguckt! Haben Sie sich das überhaupt angeguckt?)


Sie können die Opposition natürlich überstimmen. Wenn
Sie das hier betreiben, ist das die Entmündigung Ihrer
selbst. Sie entmündigen sich selbst am meisten durch
diesen Vorgang. Das müssen Sie sich sagen lassen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Bundesminister, Sie müssen ja erwidern. Ich
bitte Sie ausdrücklich: Kommen Sie uns nicht mit der
Ausrede, das Gesetz sei ja jetzt in der Hand des Bundes-
tages und Sie hätten damit quasi nichts mehr zu tun. Es
ist ja nun völlig unbestritten, dass diese 200 Seiten eben
nicht aus der Mitte des Parlaments, sondern aus Ihrem
Hause kommen. Deshalb müssen Sie sie auch verant-
worten. Wir sagen Ihnen: Leiten Sie ein ordnungsgemä-
ßes, geregeltes parlamentarisches Verfahren ein und
nicht so einen Überfall, wie Sie ihn hier vorhaben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben ja selbst die Bedenken, die von Ihrem eige-
nen Haus und von der Bundesnetzagentur vorgetragen
wurden, ignoriert. Darüber kann man nicht so einfach
hinweggehen. Ich sage das deshalb, weil dieses Gesetz
natürlich auch enorme Auswirkungen auf die ostdeut-
sche Wirtschaft hat, die ja einen besonders hohen Anteil
an erneuerbaren Energien vorzuweisen und mit diesen
Auswirkungen umzugehen hat.

Ich komme nun zum zentralen Problem des Bundes-
haushaltes für das Jahr 2014. Das zentrale Problem des
Wirtschaftsetats heißt: Es ist ein Viermonatshaushalt.
Wir haben nur eine Frist von August bis November, um
die in diesen Haushalt eingestellten investiven Vorhaben
tatsächlich zu realisieren und zu finanzieren. Das ist für
alle Etats ein Problem, aber für den Wirtschaftsetat na-
türlich ein besonderes. Nun pflegen Sie ja mit Ihrem
Haushalt insbesondere staatsnahe Monopolisten, also
Großunternehmen, die durch gute Verbindungen zu den
Ministerien sehr wohl in der Lage sein werden, diese
Mittel rechtzeitig abzurufen. Um die Luft- und Raum-
fahrtindustrie muss ich mir da keine Sorgen machen,
aber gerade der Mittelstand in Gestalt vieler Kleinunter-
nehmen wird große Probleme haben, in diesen vier Mo-





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

naten an die bereitgestellten Mittel zu kommen. Deshalb
frage ich Sie an dieser Stelle auch: Welche Vorsorge ha-
ben Sie getroffen, damit die im Zentralen Innovations-
programm Mittelstand eingestellten Mittel dann auch
wirklich abgerufen werden können?


(Thomas Jurk [SPD]: Dafür gibt es VEs!)


Ich will das noch einmal an einem Beispiel verdeutli-
chen. Für die Subventionierung von Luft- und Raum-
fahrt haben Sie etwa 1,5 Milliarden Euro in den Etat ein-
gestellt, für die Mittelstandsunterstützung nur etwa ein
Drittel davon, also 500 Millionen Euro. Das ist natürlich
viel zu wenig. Deshalb ist es wichtig, dass das, was ein-
gestellt ist, auch tatsächlich abgerufen und ausgegeben
wird.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Bundesminister Gabriel hat am 10. April 2014 bei der
Einbringung seines Etats hier gesagt: „Wir sind ein
Land, das nicht über Reindustrialisierung reden muss.“
Im Vergleich zu Großbritannien hat er damit ja nicht un-
recht.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da hat er recht!)


Aber nun wurde vor zwei Tagen im Bundeswirtschafts-
ministerium der sogenannte Atlas der Industrialisierung
der Neuen Bundesländer vorgestellt. Wenn man diesen
Atlas auf eine Deutschlandkarte überträgt, dann bildet
sich bei allen wesentlichen wirtschaftlichen Fakten nach
wie vor die DDR-Karte ab. Es gibt keine einzige Kon-
zernzentrale im Osten. Wir haben einen hohen Anteil
von Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Wenn Sie sich
insbesondere die kunststoffverarbeitende Industrie in
Sachsen und Thüringen anschauen, dann werden Sie
feststellen, dass wir einen hohen Anteil von Zeit- und
Leiharbeit haben, der doppelt so hoch wie im Bundes-
durchschnitt ist. Wir haben unzureichendes Potenzial in
Forschung und Entwicklung.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Immer die gleiche Leier!)


– Na ja, wenn die Probleme die gleichen bleiben, muss
die Kritik die gleiche bleiben, Herr Kollege. So ist das
nun mal. Was denken Sie denn?


(Beifall bei der LINKEN)


Wir werden doch deshalb nicht verstummen.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die Probleme werden kleiner!)


D
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1804300200
„Wir brauchen eine auf Ost-
deutschland ausgerichtete Industriepolitik.“ Das ist ja
durchaus richtig. Aber genau das findet sich in diesem
Haushalt nicht wieder. Darauf bezieht sich unsere Kritik.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich habe in der ersten Lesung die Gemeinschaftsauf-
gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
angesprochen. Ich habe gesagt: Das ist ein richtiges In-
strument. Hierfür müssen wir mehr tun. – Da hat mir der
Kollege Hubertus Heil mit einem Zwischenruf Hoffnung
gemacht. Er hat nämlich gerufen: Diese Aufgabe ver-
stärken wir. – Das habe ich mir gemerkt. Ich habe mir
das Ganze noch einmal angeschaut und herausgefunden,
wie diese Verstärkung konkret aussah: Statt 593 Millio-
nen Euro wurden 596 Millionen Euro bereit gestellt. Das
ist eine Steigerung um 0,5 Prozent, mein Kollege
Hubertus Heil. Eine tolle Verstärkung, kann man dazu
nur sagen. Das ist doch keine vernünftige Wirtschafts-
politik.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, auch dieser Etat beweist:
Wir haben es zu tun mit einem Haushalt der sozialen
Spaltung, mit einem Haushalt der Zukunftsunfähigkeit
und mit einem Haushalt, durch den der Osten weiter ab-
gehängt wird. Deshalb können Sie mit der Zustimmung
der Linken zu diesem Etat nicht rechnen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Erstaunlich! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Erschütternd!)


Machen Sie sich auf den Weg! Bessern Sie sich, und
bringen Sie endlich Ihre Hausaufgaben zu Ende!


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804300300

Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Jurk für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Thomas Jurk (SPD):
Rede ID: ID1804300400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Ich wollte eingangs eigentlich noch-
mal zum Mittelvolumen des Einzelplans 09 sprechen,
aber Kollege Claus, Sie haben etwas gesagt, was ich
unbedingt widerlegen muss. Sie sind auf die Novellie-
rung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes eingegangen,
da muss ich Sie schon mal fragen: Welchen Popanz
bauen Sie hier eigentlich auf? Wenn wir über 204 Seiten
sprechen, dann sprechen wir über eine Synopse zum
EEG.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Er hat es nicht gelesen!)


Und Änderungen machen einen Bruchteil dieses Geset-
zes aus, und sie sind in diesen Vorlagen deutlich hervor-
gehoben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wollen Sie sich eingestehen, dass Sie mit diesen Än-
derungen nicht umgehen können? Es ist doch so wichtig,
dass die Menschen in diesem Land, Unternehmen und
Privatpersonen, Klarheit über die Änderungen bekom-
men. Dringend notwendig ist auch, dass beispielsweise
die Besondere Ausgleichsregelung durchgesetzt werden
kann und dass die entsprechenden Bescheide verschickt
werden können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht als Tischvorlage!)






Thomas Jurk


(A) (C)



(D)(B)

Diejenigen, die sich heute hier beschweren, sollten
vielleicht einmal mit ihren Abgeordneten im Europäi-
schen Parlament reden und sie fragen, was sich die EU-
Kommission dort geleistet hat.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)


Ich will mich auf diese Debatte gar nicht tiefer einlassen.
Für mich ist jedoch unerklärlich, dass binnen kurzer Zeit
ständig neue Verhandlungspositionen aufgemacht wer-
den, die uns und insbesondere der Bundesregierung das
Agieren erschweren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Sie können gern eine Zwischenfrage stellen.

Zum Einzelplan 09. Ich stelle zunächst einmal fest:
Dieser Einzelplan wächst auf, und zwar um rund
1,3 Milliarden Euro auf nunmehr 7,4 Milliarden Euro.
Das resultiert insbesondere aus Zuständigkeitsverlage-
rungen und neuen Aufgaben, verbunden mit mehr Geld
für Personal.

Trotz allem, was mein Vorredner gerade gesagt hat,
sehe ich in diesem Haushalt drei Schwerpunkte realisiert,
Stichpunkte: Innovation, Investition und Mittelstand. Da-
bei setzen wir durchaus Bewährtes fort. Kollege Claus, es
ist doch so, dass insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe
GRW und das Förderprogramm ZIM durch Verpflich-
tungsermächtigungen, die wir im Haushaltsausschuss
gemeinsam beschlossen haben, fortgeführt werden kön-
nen. Ich glaube, das ist gut und wichtig, um das Förder-
verfahren zügig fortführen zu können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Nachdem ich als Neuling in diesem Haus die Debatte
der letzten Tage verfolgt habe, will ich eines einmal fest-
stellen: Politik und insbesondere Wirtschaftsförderung
erschöpfen sich nicht im Geldausgeben.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Richtig!)


Es kommt immer darauf an, wie sinnvoll man Geld ein-
setzt. Insbesondere bei der Wirtschaftsförderung ist es
mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir mit öffent-
lichem Kapital private Investitionen anstoßen wollen.
Hier geht es mir insbesondere um die Hebelwirkung.
Wir alle müssen uns doch um die wirtschaftliche Ent-
wicklung in diesem Land Gedanken machen; denn wir
wissen, dass sie die Basis für künftige Steuereinnahmen
ist und dafür, dass wir ab dem Jahr 2015 einen Haushalt
mit einer schwarzen Null abschließen können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist es so wichtig, dass wir in diesem Land die
richtigen Rahmenbedingungen setzten, auf die sich In-
dustrie, Gewerbe und Handwerk verlassen können.

Für mich ist auch wichtig, dass eine gerechte Wettbe-
werbsordnung herrscht. Da haben wir im nachgeordne-
ten Bereich des Bundeswirtschaftsministeriums eine Be-
hörde – das Bundeskartellamt –, und diese sorgt aktuell
beispielsweise für Mehreinnahmen in dreistelliger Mil-
lionenhöhe. Diese Behörde ist erfolgreich Kartellabspra-
chen nachgegangen. Rechtskräftig ist bereits ein Be-
scheid gegen die Zuckerindustrie über 280 Millionen
Euro. Auch die Bierbrauer sind zur Kasse gebeten wor-
den – das ist noch nicht rechtskräftig – mit einem Be-
scheid über 231 Millionen Euro. Ich finde es gut, dass es
in unserem Land Behörden gibt, die für eine gerechte
und faire Wettbewerbsordnung eintreten. Ich glaube, das
sind wir den Menschen in unserem Land schuldig.

Während der Haushaltsberatungen kam immer wieder
der Ruf nach mehr Personal. Dazu will ich ausdrücklich
sagen, dass insbesondere die Novellierung des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Kronzeu-
genregelung dazu beigetragen hat, dass das Bundeskar-
tellamt ein schärferes Schwert in die Hand bekommen
hat.

Nachdem ich während der ersten Lesung hier Kritik
an der Mittelausstattung der Beauftragten für die neuen
Bundesländer geäußert habe, haben wir es gemeinsam
– da schließe ich die Opposition gern ein – im Haus-
haltsausschuss geschafft, dass wir mehr Geld bereitstel-
len können. Insbesondere haben wir 5 Millionen Euro
für die „Germany Trade & Invest“ – Aktivitäten Ost – si-
cherstellen können, und 1 Million Euro werden wir für
Projekte der Investorenwerbung über die Wirtschaftsför-
dergesellschaften der Länder bereitstellen können.

Bei allen positiven Entwicklungen – Kollege Claus,
da sind wir nicht so weit auseinander – stellen wir nach
der Vorlage des Industrieatlas durch Frau Gleicke fest,
dass der Industriebesatz im Osten noch ein ganzes Stück
geringer ist als im Westen – trotz aller positiven Ent-
wicklungen. Wir haben momentan einen Industrieanteil
von 16 Prozent. Der gesamtdeutsche Durchschnitt be-
trägt 23 Prozent. Die EU stellt sich übrigens eine Grö-
ßenordnung von 20 Prozent vor. Das heißt, hier haben
wir nach wie vor Handlungsbedarf. Deshalb ist es wich-
tig, dass es gezielte Investitionsförderung für den Osten
gibt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für die Umsetzung der Novelle des Erneuerbare-
Energien-Gesetzes treffen wir die nötige Vorsorge. Es
gibt mehr Stellen beim Bundeswirtschaftsministerium,
bei der BAFA und bei der Bundesnetzagentur. Das ist
notwendig.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 60 zusätzliche Stellen für die Ausnahmen!)


– Herr Kollege, auch Sie können eine Zwischenfrage
stellen, wenn Sie etwas sagen wollen.

Das Stellenplus ist notwendig, um die Aufgabenerfül-
lung insbesondere bei der Besonderen Ausgleichsrege-
lung sicherzustellen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hier so, dass man dazwi Thomas Jurk schenrufen darf! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schlecht geschlafen, oder was?)





(A) (C)


(D)(B)


– Sie müssen sich wirklich einmal darüber klar werden,
was Sie wollen.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie scheinen das ja nicht zu wissen!)


Bundesminister Gabriel hat bereits die Überprüfung
aller Förderprogramme in seinem Haus angekündigt.
Das haben wir ausdrücklich begrüßt.

Ich will deutlich sagen, dass es für die Arbeit des
Haushaltsausschusses, aber natürlich auch für die des
gesamten Parlaments wichtig wäre, dass wir auch schon
zu den Haushaltsberatungen 2015, also im kommenden
Herbst, erste valide Ergebnisse dieser Überprüfung, ins-
besondere für den Energiebereich, vorgelegt bekommen.
Hier möchte ich das Stichwort „Energieeffizienz“ noch
einmal in den Raum stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns liegt
sehr daran, dass der Kraftakt Energiewende gelingt.
Dazu müssen wir in verschiedenen Bereichen durch ge-
zielte Förderung partiell Unterstützung leisten.

Wir haben noch zwei Baustellen, die deutlich ma-
chen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Ich nenne
da den EKF, den Energie- und Klimafonds, und seine
Zukunft, und ich nenne die globale Minderausgabe, die
das Ministerium durchaus in erheblicher Weise bedrückt.

Wir haben jetzt noch ein halbes Jahr Zeit zum Geld-
ausgeben. Ich glaube, es sind gute Ausgaben, die wir
heute beschließen können. Dann können wir uns ab dem
Herbst dem Haushalt 2015 widmen. Ich sehe sehr gute
Gründe dafür, heute diesem Haushaltsplan entschlossen
zuzustimmen, und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804300500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Die Grünen freuen sich innerlich!)



Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804300600

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kollegen! Die wirtschaftliche Lage in Deutsch-
land ist im Moment durch eine positive Reallohnent-
wicklung gekennzeichnet. Es gibt einen insgesamt
durchaus positiven Trend beim Geschäftsklimaindex.
Wir haben gute Steuereinnahmen. Wir haben ein sehr
hohes Beschäftigungsniveau. Angesichts dessen darf
man sich schon die Frage stellen: Was machen wir ei-
gentlich bei dieser ausgesprochen guten Basis, bei die-
sem Potenzial, um uns auf die Herausforderungen, die
vor uns liegen, die insbesondere vor Deutschland liegen,
vorzubereiten?

Auf die Frage „Was machen Sie?“ muss ich eingangs
feststellen: Auf die unmittelbar vor uns liegende demo-
grafische Veränderung, die sich leider schon im Fach-
kräftemangel ausdrückt, reagieren Sie mit einer kontra-
produktiven Rente ab 63. Es gibt noch eine durchaus
große Herausforderung. In den letzten 40 Jahren haben
wir nicht nur eine Menge Schulden gemacht, die wir ein-
grenzen müssen, sondern wir haben auch unsere Infra-
struktur auf Verschleiß gefahren. Darauf antworten Sie
mit einer sinkenden Investitionsquote. Das sind zwei
ganz grobe Gründe dafür, dass man sagen kann: Auf die
wirtschaftlichen, aber auch auf die gesellschaftlichen
Herausforderungen reagiert diese Große Koalition nur
mit langweiligen Kompromissen, aber sie nutzt nicht die
Möglichkeiten, die die Potenziale dieser Gesellschaft
bieten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Gabriel, das hätte Sie eigentlich antreiben müssen,
diese Tendenzen anders zu beeinflussen.

Aber schauen wir einmal genauer auf den Wirt-
schaftsetat im engeren Sinne. Das Wirtschaftsministe-
rium – Kollege Jurk hat darauf hingewiesen – ist ein
Ministerium, das fördert. Es soll durch Förderinstru-
mente Innovationen unterstützen. Aber wenn wir schon
Steuermittel in die Hand nehmen, dann muss das auch
zielgenau sein, dann müssen wir sicher sein, dass Mit-
nahmeeffekte verhindert werden. Deswegen sind wir da-
von überzeugt, Herr Gabriel, dass es wichtig ist – das
fordern wir auch –, dass Sie in Ihrem Ministerium end-
lich eine einheitliche Mittelstandsdefinition umsetzen.
Es geht bei Ihnen nämlich lustig durcheinander. Wir
wollen, dass Sie die Definition der EU-Kommission nut-
zen – 249 Beschäftigte und 50 Millionen Euro Jahres-
umsatz – und sie nicht beliebig ausweiten. Ich erwähne
das, weil Herr Jurk von der Hebelwirkung von Wirt-
schaftsförderinstrumenten gesprochen hat.

Schauen wir uns einmal an, was wir fördern. Wir för-
dern kleine und mittlere Unternehmen im Bereich zivile
Luft- und Raumfahrt mit gerade einmal 4 Prozent. Wir
fördern kleine und mittlere Unternehmen im Bereich
neue Verkehrstechnologien mit gerade einmal 12 Pro-
zent. Herr Minister, wo ist eigentlich Ihr Einfluss? Was
haben Sie in den letzten Monaten getan, um zu errei-
chen, dass wir eine zielgenauere und bessere Wirt-
schaftsförderung durchführen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


die Innovationen freisetzt und verhindert, dass große
Unternehmen Mitnahmeeffekte einstecken? Subventio-
nierung von Tiefseebergbau und anderen Dingen können
wir uns auch schenken. Wir Grünen sehen das nicht ein-
seitig. Wir beantragen, die Fördermittel für das Pro-
gramm ZIM zu erhöhen. Aber Sie lehnen sich zurück
und ruhen sich aus auf einer schlechten und ungenauen
Wirtschaftsförderung Ihres Vorgängers.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kommen wir zum Bereich Energie. Ich sagte es schon
in der ersten Lesung: Der schlafende Riese Energieeffi-
zienz bleibt in Ihrem Haushalt ein Zwerg, Herr Minister,
und – das muss ich auch den Fraktionen sagen – leider
auch nach den Haushaltsberatungen. Dabei sind wir uns





Anja Hajduk


(A) (C)



(D)(B)

doch einig: Eine Steigerung der Energieeffizienz verrin-
gert die Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Ener-
gieträgern. Sie senkt auch Energiekosten, über die wir
hier so viel reden. Der Minister scheint diese Einschät-
zung auch zu teilen. So schreibt er zusammen mit Frau
Hendricks an die EU, dass Deutschland sich verpflichtet
fühlt, die Einhaltung des Einsparziels von minus 20 Pro-
zent bei der Energieeffizienz durchsetzen zu wollen.
Aber diese Erkenntnis findet sich in keiner Weise in Ih-
rem Haushalt wieder. Im Gegenteil: Sie kürzen die ent-
sprechenden Programme. Sie schreiben Briefe. Aber Ih-
ren geschriebenen Worten folgen keine Taten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deutschland riskiert sogar ein Vertragsverletzungsver-
fahren bei der Energieeffizienz. Das ist eine Blamage für
Sie, Herr Minister.

Unsere grüne Antwort darauf ist ein 3 Milliarden star-
ker Energieeinsparfonds. Es ist wichtig, dass wir Ener-
giestandards für Geräte und Gebäude haben. Das ist alles
nicht neu. Es muss finanzielle Anreize, marktwirtschaft-
liche Instrumente geben. Auch für qualifizierte Beratung
und Information von Unternehmen und Verbrauchern
muss gesorgt sein. Wir schlagen einen solchen Fonds
vor, selbstverständlich gegenfinanziert. Der wäre auch
ökonomisch für unsere Wirtschaft mit einer nachhaltigen
Perspektive die richtige und sinnvolle Antwort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, ich möchte nicht vorwegnehmen, was
wir morgen zum Thema erneuerbare Energien und den
entsprechenden neuen Regelungen diskutieren. Es war
sicherlich keine Glanzleistung, in welche Wirren Sie die-
ses Parlament angesichts des Verfahrens gestürzt haben.
Aber ich möchte noch einmal auf zwei Punkte eingehen.

Erster Punkt: Industrieausnahmen. Seien Sie gewiss
und nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Grünen das
Thema differenziert angehen. Wir wissen um den Wert
der Arbeitsplätze in Deutschland. Wir kennen auch die
Problematik, dass die Energiewende ein negatives Image
bekommt, wenn Arbeitsplätze nicht ausreichend ge-
schützt werden.


(Marcus Held [SPD]: Das ist schon einmal eine gute Voraussetzung!)


In den Haushaltsberatungen habe ich Sie eingehend ge-
fragt. Wir haben leider keine Antwort darauf bekommen,
ob es durch die Ausnahmeregelungen eine Doppelförde-
rung geben wird. Diese würde dadurch zustande kom-
men, dass wir nicht nur umfangreiche EEG-Ausnahmen
haben, sondern Sie zusätzlich einen neuen Strompreis-
kompensationsfonds von 350 Millionen Euro – das sind
22 Prozent des Energie- und Klimafonds – vorsehen. Ihr
Staatssekretär konnte nicht plausibel machen, wie ausge-
schlossen werden soll, dass Unternehmen doppelt entlas-
tet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein zweiter Punkt: Herr Minister, ich muss noch ein-
mal darauf kommen. Sie haben sich hier vor einiger Zeit
sehr über meinen Kollegen Oliver Krischer empört, als
er Sie damit konfrontiert hat, dass Waffenhersteller in
der Liste der stromkosten- oder handelsintensiven Bran-
chen stehen, die unter die Besondere Ausgleichsrege-
lung fallen. Sie haben sich empört, hier werde die Un-
wahrheit gesagt, weil Sie ja schließlich sagen könnten:
Wenn eine Branche erwähnt sei, heiße das nicht, dass die
Unternehmen von dieser Ausnahme Gebrauch machen
können. – Die Antwort Ihres eigenen Staatssekretärs auf
meine Frage im Haushaltsausschuss war: Die Handelsin-
tensität – ein Kriterium – ist schon per se abgeprüft,
wenn die Branche in der Liste steht, und wenn ein Unter-
nehmen das Kriterium der Stromkostenintensität erfüllt,
hat man keine Chance, etwa einen Waffenhersteller von
dieser Ausnahmeregelung auszunehmen. – Angesichts
des Vorwurfs, den Sie meinem Kollegen Krischer ge-
macht haben, müssten Sie hier eine Garantieerklärung
abgeben, dass Sie die Waffenhersteller doch von der Re-
gelung ausnehmen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Rechtlich können Sie es nicht. Insofern gilt: Die Aus-
nahmen – so schwer sie auch zu verhandeln sind – sind
im Hinblick auf Zielgenauigkeit und damit auch Ange-
messenheit leider nicht überzeugend.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804300700

Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas Mattfeldt (CDU):
Rede ID: ID1804300800

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr

Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr
Claus, wir wollen heute den vorausschauenden Etat des
Bundeswirtschaftsministeriums mit einem Gesamtvolu-
men von 7,4 Milliarden Euro beschließen. Dabei blicken
wir – auch wenn eben ein anderer Eindruck erweckt
worden ist – auf recht ruhige parlamentarische Beratun-
gen zurück. Sie waren nicht nur von einer verlässlichen
Zusammenarbeit mit dem Ministerium geprägt; auch der
Minister selbst und sein Staatssekretär, Herr Dr. Sontowski,
haben dazu beigetragen. Ganz besonders möchte ich
mich an dieser Stelle bei den Mitarbeitern des Haushalts-
referates bedanken, die mit enormem Arbeitseinsatz zum
Erfolg der Haushaltsberatungen beigetragen haben. Er-
wähnen möchte ich auch die gute sachliche und vor al-
lem menschlich angenehme Zusammenarbeit mit den
Kollegen aller Fraktionen.

Meine Damen und Herren, wir von der Koalition ha-
ben uns erlaubt, ein paar Verbesserungen am Entwurf
des Haushalts von Herrn Minister Gabriel vorzunehmen.
So haben wir beispielsweise den Finanzierungsbeitrag
für Projekte des Forschungsverbunds „Maritime Sicher-
heit“ dauerhaft fixiert. Damit sorgen wir dafür, dass zu-
mindest das Bundeswirtschaftsministerium weiterhin die
seinerzeit zugesagten 3 Millionen Euro dafür zur Verfü-
gung stellt. Diese Projekte sind für die Sicherheit in





Andreas Mattfeldt


(A) (C)



(D)(B)

Nord- und Ostsee, ganz besonders aber in ausgewählten
internationalen Gewässern von enormer Bedeutung.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Ich habe eingangs von einer guten Zusammenarbeit
mit dem Ministerium und mit Ihnen, Herr Gabriel, ge-
sprochen. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass Sie,
Herr Gabriel, und ich gerade in unserer niedersächsi-
schen Zeit nicht immer auf der gleichen Seite des Ti-
sches gesessen haben. Heute hingegen sind wir uns dan-
kenswerterweise, nicht nur was den Etat angeht, einig;
ich freue mich – sehr viele wissen, dass ich für dieses
Thema besonders sensibilisiert bin –, dass wir uns hin-
sichtlich einer sicheren Erdgasförderung und Geother-
mie, die zu einem großen Teil in Ihr Ressort fallen, zu-
mindest erheblich angenähert haben.

Herr Minister, es ist kein Geheimnis, dass ich Ihr Ent-
gegenkommen beim Bergschadensrecht sehr begrüße.
Mittlerweile ist wohl bewiesen, dass Erdgasförderung
Erdbeben auslöst. Ihre Ankündigung, meine Forderun-
gen nach einer Beweislastumkehr zugunsten der Erdbe-
bengeschädigten umzusetzen und die Bergschadensver-
mutung explizit auch auf die Erdgasförderung und
Geothermie zu beziehen,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das? Wo wird das behandelt?)


hat mich – ich darf das sagen – sehr positiv überrascht.
Ich hoffe, dass wir uns auch bei der Aufbereitung des
giftigen Lagerstättenwassers einig werden.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo haben Sie das denn her?)


– Herr Krischer, Sie können eine Frage stellen. Wir er-
klären das nachher. Hören Sie vielleicht einmal zu.

Änderungen zugunsten einer sicheren Erdgasförde-
rung und Geothermie müssen selbstverständlich mit Än-
derungen im Wasserhaushaltsgesetz einhergehen, für das
die Kollegin Hendricks zuständig ist. Es darf eben nicht
nur, wie im Koalitionsvertrag festgehalten, das soge-
nannte Fracking im Schiefergas betreffen – nur darüber
diskutieren Sie von den Grünen. Nein, ich sage hier
deutlich: Auch die konventionelle Erdgasförderung ist
hier mit einzubeziehen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie mal was vor!)


Sie findet bereits seit mehreren Jahrzehnten auch unter
Einsatz der Frackingtechnologie statt. Auch hier brau-
chen wir Regelungen zum Schutz von Mensch und Um-
welt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich weiß, Herr Minister, dass Ihr Parteifreund in Nie-
dersachsen, Wirtschaftsminister Lies, und vor allen Din-
gen – das geht an die Adresse der Grünen – der grüne
Umweltminister Wenzel das natürlich ganz anders se-
hen.

(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Als Betroffener sage ich Ihnen, dass es auch im Bereich
der konventionellen Erdgasförderung – Herr Krischer,
das möchten Sie nicht hören – in Niedersachsen in der
jüngeren Vergangenheit zu großen Verschmutzungen ge-
kommen ist.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn in Niedersachsen regiert?)


Erst kürzlich wieder, in der vergangenen Woche, gab es
eine erhebliche Quecksilberverseuchung des Erdbodens
mit einer zigfachen Grenzwertüberschreitung. Die Land-
wirte dort sind sensibilisiert.


(Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich sage auch in aller Deutlichkeit, dass diese mittler-
weile immer wieder auftretenden Fälle nicht mehr pas-
sieren dürfen. Deshalb fordere ich, viel konkreter, als Sie
das in Ihrer grünen Partei machen, mit sehr vielen Uni-
onskollegen ein Verbot des Verpressens des giftigen La-
gerstättenwassers. Wir fordern ungiftige Frackfluide, wir
fordern eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprü-
fung, inklusive Vetorecht für die zuständigen Wasser-
behörden, und wir fordern eine Beweislastumkehr im
Bergschadensrecht.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Oettinger und Herr Fuchs wollen nichts davon hören! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das schon einmal in Ihrer Fraktion diskutiert?)


All diese Fragen gilt es durch das Ressort des Wirt-
schaftsministeriums und durch die heute zur Verfügung
gestellten Haushaltsmittel in klugen Gesetzes- bzw. Ver-
ordnungsentwürfen zur Regelung für eine sichere Erd-
gasförderung abzuarbeiten, damit die Menschen wieder
Vertrauen in die heimische Erdgasförderung, die ja be-
kanntlich eine große wirtschaftliche Bedeutung für unser
Land hat, bekommen. Mich jedenfalls, Herr Minister
Gabriel, als Ihren Haushälter finden Sie an Ihrer Seite.

Sehr begrüßt habe ich auch die Tatsache, dass Ihr
Haus nun, entgegen den ersten Antworten aus Ihrem
Ministerium, die ich hier im Plenum in einer der vergan-
genen Fragestunden erhalten habe, doch noch eine au-
ßenwirtschaftliche Prüfung des Verkaufes der RWE/Dea
an einen russischen Oligarchen eingeleitet hat.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plötzlich!)


Ich halte den Verkauf vor dem Hintergrund der ak-
tuellen Debatte um die Versorgungssicherheit für nicht
vereinbar mit deutschen Interessen. Ich sage deutlich:
Wir können nicht auf der einen Seite darüber diskutie-
ren, wie wir russisches Gas ersetzen können, und auf der
anderen Seite tatenlos zusehen, dass in diesen mit Russ-
land schwierigen Zeiten die Geschicke eines deutschen
Unternehmens, das bei uns in Deutschland Erdgas för-
dert, sich weltweit Vorkommen gesichert hat und da-





Andreas Mattfeldt


(A) (C)



(D)(B)

rüber hinaus zahlreiche Gasspeicher betreibt, in russi-
sche Hände gelegt werden.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir Ihnen schon vor Monaten gesagt!)


Meine Damen und Herren, auch wenn viele im Zuge
der Ukraine-Krise schon ein Einbrechen unserer Wirt-
schaft befürchteten, so ist es zurzeit so, dass sich die
deutsche Wirtschaft weiter im Aufschwung befindet.
Verglichen mit dem Wachstum der Weltwirtschaft – in-
sofern, Frau Hajduk, haben wir nicht alles falsch ge-
macht –


(Lachen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Nicht alles falsch gemacht“ ist jetzt schon das Qualitätsmerkmal!)


ist die Entwicklung der deutschen Wirtschaft erheblich
positiver. Auch die Erholung im Euro-Raum ist weiter
fragil. Sie kommt zwar voran, aber von einer Entwar-
nung oder von einem Ende der Verschuldungskrise und
deren Ursachen im Euro-Raum möchte zumindest ich
noch nicht sprechen.

Als Halbfranzose bin ich natürlich oft in Frankreich
und verfolge die Lage dort selbstverständlich sehr auf-
merksam. Dort ist die Wirtschaftskrise noch sehr deut-
lich für die Menschen, auch in meiner Familie, und vor
allem in den Unternehmen spürbar. Erst im April dieses
Jahres ist die Arbeitslosigkeit in Frankreich auf ein Re-
kordhoch gestiegen. Das zeigt mir ganz persönlich, dass
rein sozialistische Ideen zur Bewältigung einer Wirt-
schaftskrise für die Menschen nur Nachteile bringen.
Deshalb ist und war der deutsche Weg, der die Hand-
schrift unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt,
der richtige, um derartige Krisen dauerhaft zu bewälti-
gen. Ich warne eindringlich vor einem Aufweichen der
Stabilitätskriterien.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Unser deutscher wirtschaftlicher Erfolg basiert nicht
zuletzt auf einem sehr gut aufgestellten Mittelstand, das
ist richtig. Der Mittelstand ist stark und wird in den
nächsten Jahren hoffentlich noch weiter gestärkt. Hierfür
gilt es auch mit diesem Haushalt die Rahmenbedingun-
gen zu schaffen.

Eben ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittel-
stand, kurz ZIM, genannt worden. Dieses Programm hat
einen kontinuierlichen Mittelanstieg zu verzeichnen, so
auch in diesem Jahr: Rund 513 Millionen Euro sind es
2014, und das sind 3 Millionen Euro mehr als im vergan-
genen Jahr. Dieses Programm unterstützt mit einem sehr
unbürokratischen Angebot – das sage ich auch als Mit-
telständler – die forschenden Mittelstandsunternehmen.

Gerade der Mittelstand spielt in unserer heutigen For-
schungslandschaft eine enorm wichtige Rolle. In unse-
rem rohstoffarmen Land ist die Forschung ein wichtiges
Standbein unserer Wirtschaft. Nicht zuletzt deshalb hat
diese Große Koalition in den Verhandlungen zum Koali-
tionsvertrag zusätzlich 3 Milliarden Euro für Forschung
vorgesehen. Nach meinem Dafürhalten ist es sehr wich-
tig, dass von diesen Geldern auch der Etat des Bundes-
wirtschaftsministeriums profitiert. Hier denke ich an die
Forschung im Luft- und Raumfahrtbereich, auch wenn
Sie das kritisieren. Ganz besonders denke ich aber an
Forschungsvorhaben der mittelständischen Industrie in
den verschiedensten Bereichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dabei ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass das Geld, mit
dem wir vom Bund Projekte fördern, zu einem Zuwachs
bzw. zu einer Sicherung von Arbeitsplätzen in den unter-
stützten Unternehmen führt. Deshalb begrüße ich es
sehr, dass das Wirtschaftsministerium über eine fortlau-
fende Kontrolle die Erfolge dieses Programms misst.

Wir stehen kurz vor dem Beginn der Beratungen für
den kommenden Bundeshaushalt. Frau Hajduk, ich sage
Ihnen zu, dass wir Koalitionshaushälter im Zuge dieser
Beratungen sorgfältig prüfen werden – das habe ich im
Ausschuss schon gesagt –, ob der Mittelansatz für das
ZIM angepasst werden muss. Dieses Programm muss
möglicherweise mit mehr Geldern als bisher ausgestattet
werden.

Wenn Unternehmen forschen, dann dient das uns al-
len. Wir müssen aber darauf achten, dass die Produkte
bis zur Marktreife entwickelt und dann auch vertrieben
werden können. Das heißt, wir müssen den Unterneh-
men auch dann zur Seite stehen, wenn es zum Beispiel
um Patentanmeldungen geht. Deshalb freue ich mich,
dass der Bundeswirtschaftsminister 17,1 Millionen Euro
für die Patentinitiative SIGNO bereitgestellt hat.

Deutschland muss offen bleiben für Investitionen und
neue Technologien. Es muss auch offen bleiben für
Großprojekte und große Unternehmen; denn auch diese
Unternehmen sind – auch das mögen Sie nicht gerne hö-
ren – Standbeine der Versorgung und Grund dafür, dass
Deutschland besser dasteht als manch andere europäi-
sche Nationen.

In diesem Zusammenhang denke ich auch an die
Luft- und Raumfahrtindustrie. Natürlich erhält sie mit
insgesamt 1,4 Milliarden Euro eine erhebliche Summe.
Ich sage hier: Die deutsche Luft- und Raumfahrtindus-
trie spielt aufgrund ihrer internationalen Technologie-
führerschaft eine führende Rolle; sie hat weltweit Erfolg.
Somit ist sie ein erheblicher Wachstumsmotor für die
deutsche Wirtschaft. 105 000 Menschen waren 2013 in
diesem Bereich beschäftigt. Das entspricht im Vergleich
zu 2005 einem Anstieg um 24 000 Arbeitsplätze. Ich
verrate doch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass uns,
der Unionsfraktion, die Luft- und Raumfahrtindustrie
sehr am Herzen liegt. Sie liegt uns nicht zu Unrecht am
Herzen. Das wird deutlich, wenn man auf die Beschäfti-
gungszuwachszahlen und die Erfolge blickt. Gerade des-
halb ist es von strategischer Bedeutung, Herr Gabriel,
wie sich Deutschland auf der anberaumten Ministerrats-
konferenz Ende dieses Jahres hierzu aufstellt. Ganz kon-
kret müssen wir uns die Frage stellen: Will Europa wei-
terhin einen Zugang zum All, oder bedienen wir uns
Trägerraketen Dritter? Für mich ist die Antwort klar: Ich





Andreas Mattfeldt


(A) (C)



(D)(B)

bekenne mich ganz klar zum europäischen Raumfahrt-
programm.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Noch ein Wort zum Stellenplan – ich muss das sa-
gen –: Wir haben im Haushaltsausschuss der Schaffung
von zahlreichen neuen Stellen im Wirtschaftsministe-
rium zugestimmt. Knapp 100 neue Stellen werden dort
entstehen, um die Umsetzung des reformierten EEG
durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass in Verbindung
mit der von uns morgen zu beschließenden EEG-Novelle
die Energiewende zu einem Erfolg geführt wird. Herr
Minister, ich sage aber auch: Angesichts dieser Großzü-
gigkeit beim Stellenaufwuchs ist der Erfolgsdruck natür-
lich enorm.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen alle, dass wir mit einem enormen Kraftakt
die Umsetzung der Energiewende stemmen müssen.
Neue Stromleitungen müssen gebaut und bei der Förde-
rung des Bereichs der erneuerbaren Energien müssen
neue Wege gegangen werden. Wir als Koalitionshaus-
hälter von CDU/CSU und SPD stellen uns dieser He-
rausforderung. Wir werden die Energiewende in den
kommenden Jahren erfolgreich umsetzen. Dies wird ein
zentrales, wahrscheinlich das zentrale Projekt dieser Le-
gislaturperiode sein. Lassen Sie uns das gemeinsam an-
packen. Ich werbe dafür, dass wir alle mit breiter Mehr-
heit diesem Haushalt zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804300900

Das Wort hat nun der Bundesminister für Wirtschaft

und Energie, Sigmar Gabriel.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich zuerst ein paar Bemerkungen zu den
Fragen bzw. zu der Kritik des Kollegen von der Linken
und der Kollegin von den Grünen sagen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Lohnt eigentlich nicht!)


– Doch, so viel Fairness muss sein. – Sie haben zuerst
kritisiert, dass wir ein umfangreiches Änderungspaket
zum EEG eingebracht hätten. Ich finde, ehrlich gesagt,
das Lesen von fünf Seiten, auf denen präzise steht, wo-
rum es bei den Änderungen geht, ist keine intellektuelle
Überforderung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: 204 Seiten! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht hat die SPD die Kurzfassung bekommen! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 204 Seiten!)


– Ist doch gut! Ihr habt doch morgen noch eine Gelegen-
heit, zu schimpfen.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach überheblich! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Arrogant!)


Aber das Ergebnis ist: Es geht um fünf Seiten, die erklä-
ren, was gesetzestechnisch in einer Synopse umgesetzt
wurde, wo ganz häufig „Der Text bleibt unverändert“
steht. Daraus machen Sie einen Riesenpopanz.

Viel wichtiger wäre, dass Sie sich beide mit der Frage
auseinandersetzen, ob wir eigentlich diese Querinterven-
tion der Europäischen Union nicht im Gesetz hätten be-
antworten sollen. Sie setzen sich gar nicht mit dem In-
halt auseinander.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Sorge!)


Ich kenne die Position der Linkspartei dazu nicht, aber
eigentlich müssten die Grünen der Bundesregierung sa-
gen: Es ist richtig, dass Sie sich weigern, Stromimporte
nach Deutschland von der EEG-Umlage zu befreien. Sie
wissen doch, dass Teile der Kommission seit Jahren das
Ziel haben, nationale Fördersysteme wie das EEG zu
zerstören.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihr Kommissar Oettinger!)


Dies ist – das wissen Sie doch – ein weiterer Angriff in
dieser Richtung. Das hat die Kommission am 17. Juni
und am 22. Juni gemacht, nachdem wir sechs Monate
von der Kommission – –


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihr Kommissar Oettinger!)


– Herr Krischer, ich weiß ja, dass es mit dem Zuhören
bei Ihnen schwierig ist.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Trotzdem bin ich aber wirklich ganz ruhig. Ich will nur
versuchen, zu erklären, dass ich glaube, dass Sie darüber
froh sein müssen,


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass die anderen schuld sind! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, die anderen sind schuld!)


dass wir diesen Angriff zur Zerstörung des EEG nicht
mitmachen, Herr Krischer.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804301000

Herr Minister, der Kollege Schlecht würde Ihnen

dazu gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die
zu?






(C)



(D)(B)

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Selbstverständlich, gerne.


Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804301100

Herr Minister, in der Stuttgarter Zeitung steht heute

die Meldung, dass EU-Kommissar Günther Oettinger
verlautbart hat, dass der Streit zwischen Brüssel und
Berlin in dieser Woche nicht mehr beigelegt werden
kann. Wenn das so stimmt, wie wollen Sie dann guten
Gewissens morgen eine entsprechende Gesetzesverein-
barung hier durch das Parlament bringen? Das ist doch
abenteuerlich – ganz abgesehen von dem Schweinsga-
lopp, der hier kritisiert worden ist. Aber rein sachlich:
Sie wollen morgen etwas beschließen, obwohl im
Grunde die Inhalte noch gar nicht ausverhandelt sind.
Das ist doch wirklich abenteuerlich.

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Kollege, es gibt bei der Frage, ob der Deutsche
Bundestag oder die Koalitionsfraktionen einen Angriff
der EU zur Zerstörung des EEG zulassen sollen, keine
Verhandlungsmöglichkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir sagen hier im Deutschen Bundestag und gegen-
über der Kommission, dass wir die Position der Kom-
mission für rechtswidrig halten und dass wir deshalb bei
der Position bleiben, die wir jetzt im Gesetzentwurf so-
zusagen noch einmal hervorgehoben haben. Das ist im
Wesentlichen die Änderung. Es gibt bezüglich der Frage
der Möglichkeit der Förderung erneuerbarer Energien in
Deutschland nichts zu verhandeln.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Herr Kollege, ich verstehe es deswegen nicht, dass
Sie angeblich Zeit zur Beratung dieser Frage brauchen.
Wenn Sie dafür Zeit brauchen, halten Sie die Zerstörung
des EEG für denkbar und möglicherweise sinnvoll. Das
unterscheidet uns ganz erheblich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Bezüglich des zweiten Punktes gehe ich eigentlich
davon aus, dass uns die Grünen – auch da kenne ich die
Position der Linkspartei nicht – unterstützen und dem
Änderungsantrag zustimmen. Frau Hajduk, die Kommis-
sion hat am 17. und 22. Juni erstmals mitgeteilt, dass sie
Bestandsanlagen mit 100 Prozent Eigenstrom belegen
will. Insofern müssen Sie sich entscheiden, ob Sie diese
Position richtig oder falsch finden. Ich habe Sie so ver-
standen, dass Sie die Industriestrukturen in Deutschland
nicht infrage stellen wollen. Dann können Sie das kurz-
fristige Einbringen eines Änderungsantrages, mit dem
wir abwehren können, was da kommt, doch nicht als
Schweinsgalopp und Überforderung des Parlaments ver-
urteilen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Ihre Worte!)

Frau Hajduk, damit stellen Sie Ihr Licht derart unter den
Scheffel, dass jeder weiß, dass es dabei nur um Klamauk
geht und nicht um Beurteilung der Sache selbst.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804301200

Darf der Herr Krischer jetzt noch einmal eine Zwi-

schenfrage stellen?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir haben morgen das Thema auch noch einmal!)


Aber dann würde ich es auch wirklich gerne dabei be-
lassen; denn wir müssen uns entweder darauf verständi-
gen, dass wir die Redezeiten, die wir beschlossen haben,
einhalten oder dass wir – was natürlich auch eine denk-
bare Alternative ist – den jeweiligen Minister zu einer
Fragestunde nötigen; dann muss aber eine Reihe der
Wortmeldungen zurückgenommen werden, die in dem
Rahmen, den wir beschlossen haben, zeitlich nicht zu
bewerkstelligen wären – das wäre die Konsequenz.

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Darf ich nur anmerken, Herr Präsident: Ich würde
mich gar nicht genötigt fühlen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804301300

Das leuchtet mir sofort ein. – Also, darf der Kollege

Krischer jetzt die Zwischenfrage stellen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Ja, sicher.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804301400

Bitte schön, Herr Krischer.


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Wir wollen doch ein lebendiges Parlament haben!)


– Sie wissen, dass Sie mich da sofort an Ihrer Seite ha-
ben, aber das gilt im Rahmen der Beschlüsse, die dieses
Parlament selber trifft, und wir haben gerade einen ge-
troffen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt Pause, es folgt Herr Krischer! – Heiterkeit – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Krischer, Ihnen wurde gerade das Wort erteilt!)



Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804301500

Herr Kauder, Sie sollten still sein!

Herr Gabriel, ich habe das so wahrgenommen, dass
diese Koalition sich mindestens seit drei Wochen um das
Thema EEG-Umlage auf Eigenstrom – man kann auch
sagen: Sonnensteuer – streitet,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Quatschkopf!)


dass Sie keine einheitliche Linie gefunden haben, dass
wir wöchentlich, täglich andere Positionen gehört haben.

(A)






Oliver Krischer


(A) (C)



(D)(B)

Jetzt schieben Sie diesen Streit auf die EU-Kommis-
sion, bauen darum einen Popanz auf und erzählen uns
urplötzlich, die EU-Kommission mache das Thema
EEG-Umlage auf Eigenstrom zum Problem, deshalb
müsse eine Änderung vorgelegt werden – eine Ände-
rung, die Sie beantragt haben und die so aussieht, dass
zwar jeder 40 Prozent EEG-Umlage auf Eigenstrom zah-
len soll, aber über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
der Satz für die Industrie – und nur für die Industrie! –
wieder auf 15 Prozent reduziert werden soll. Also, wenn
das die Politik der EU-Kommission sein sollte, dann ver-
kaufen Sie die EU-Kommission für dumm. Ich glaube
eher, dass das ein billiger großkoalitionärer Kompromiss
ist, um den Streit um die EEG-Umlage auf Eigenstrom,
die Sonnensteuer, zu lösen; darum geht es.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Krischer, Sie erhalten nachher einen Ausdruck
meiner Antwort auf den Kollegen und meiner Ansprache
an Frau Hajduk; lesen Sie das im Protokoll noch einmal
nach. Ich habe nämlich gesagt, dass vor wenigen Tagen
der Angriff der Kommission auf die Bestandsanlagen er-
folgt ist, dass wir sie mit 100 Prozent EEG-Umlage bele-
gen sollen.

Worüber Sie eben geredet haben, betrifft die Neuanla-
gen. Darüber habe ich gar nicht im Zusammenhang mit
der Kommission gesprochen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum dann der Änderungsantrag?)


– Herr Krischer, ich antworte jetzt auf Ihre Frage. Ich
weiß, dass das ganz doll wehtut.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber wenn Sie mich fragen, kann ich nichts anderes tun,
als Ihnen den Sachverhalt zu erläutern. Ich habe hier ge-
genüber Frau Hajduk – nachzulesen im Wortprotokoll
meiner Rede von vor drei, vier Minuten – erklärt: Die
Kommission hat am 17. und am 22. Juni zum ersten Mal
die Forderung aufgestellt, Bestandsanlagen mit 100 Pro-
zent EEG-Umlage zu belegen. – Das kann eigentlich,
wenn ich Frau Hajduk ernst nehme in ihrem Bemühen,
Industriestrukturen in Deutschland zu erhalten, nicht ak-
zeptiert werden.

Sie haben eine Frage zu einem ganz anderen Sachver-
halt gestellt. Da geht es um die Frage: Wie gehen wir mit
dem Eigenstrom um, der durch Neuanlagen erzeugt
wird? – Niemand bestreitet, dass darüber eine Debatte in
der Koalition geführt wurde. Niemand bestreitet, dass
die Koalition – nicht völlig unabhängig von den Hinwei-
sen der Brüsseler, dass man, das wissen wir übrigens
schon länger, nicht akzeptieren könne, dass zwei unter-
schiedliche Fördersätze gewählt werden – sich erst,
wenn ich mich daran richtig erinnere, Montagabend ver-
ständigt hat. Das hat niemand bestritten. Das ist übrigens
auch kein ungewöhnlicher Vorgang. Warten Sie einmal
ab, wenn Sie morgen hier einen Geschäftsordnungsan-
trag oder Ähnliches stellen zur Frage der Einmaligkeit
dieses Vorgangs, was es da alles für Vorgängerverhalten
gibt!


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht besser!)


– Nein, das nicht; aber es macht ein bisschen das Theater
deutlich, das hier aufgeführt wird.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bloß weil die Vorgänger Fehler gemacht haben, muss man sie nicht wiederholen! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Diese ganzen Gesetze haben so geendet, dass man sie nachbessern musste!)


Herr Krischer, ich bitte Sie nur um eines: Machen Sie
das, was ich mit Ihnen mache: Ich höre immer genau zu,
was Sie sagen. Das wäre auch umgekehrt ein ganz gutes
Verfahren und ersparte uns die Beantwortung solcher
Zwischenfragen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Frau Hajduk, ich werde Ihnen morgen auch nochmals
erläutern – notfalls auch schriftlich –, warum wir natür-
lich nicht die Absicht haben, Waffenexporte von der
EEG-Umlage zu befreien.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht haben Sie nur die Instrumente nicht mehr!)


– Auch das werden wir Ihnen mitteilen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sagen Sie jetzt nichts dazu?)


Nun zu den Fragen, die vorhin zu den kleinen und
mittelständischen Unternehmen und zur Luft- und
Raumfahrt gestellt worden sind. Denjenigen, die sich
über die Luft- und Raumfahrtförderung beschweren,
möchte ich sagen: Herr Mattfeldt hat, wie ich finde, mit
Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und
Europas bei diesen Technologien die richtige Antwort
gegeben. Was glauben Sie eigentlich, wie viele mittel-
ständische Zulieferer davon abhängig sind, dass Airbus
ein erfolgreiches Unternehmen ist und im Bereich der
Luft- und Raumfahrt vorankommt? Dieses Unternehmen
hat doch nicht nur ein großes Werk in Toulouse und ein
paar kleine Werke im übrigen Europa, sondern es geht
auch um Tausende von Zulieferern, die von dem, was
wir in der Luft- und Raumfahrtforschung tun, profitie-
ren.

Sie haben natürlich recht, dass der Industriebesatz in
Ostdeutschland absolut nicht zufriedenstellend ist. Das
ist eine Entwicklung, der wir entgegenzusteuern versu-
chen – das sollten Sie sagen –, indem wir die Mittel für
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur“ anheben. Wir haben mit den Koali-
tionsfraktionen übrigens verabredet, dass sie weiter stei-
gen werden. Bis zu 80 Prozent dieser Mittel – ich habe
Frau Gleicke danach gefragt – fließen in den Osten. Ich
finde, Sie sollten sagen, dass dies eine der Maßnahmen
ist, die wir ergreifen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)






Bundesminister Sigmar Gabriel


(A) (C)



(D)(B)

Ich glaube, auch mindestens 40 Prozent der Mittel des
ZIM fließen nach Ostdeutschland.


(Beifall des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/ CSU] – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: 60!)


– Oder sogar 60 Prozent. – Wir stellen also einen erheb-
lichen Anteil der Mittel für Ostdeutschland zur Verfü-
gung.

Frau Hajduk, was ich überhaupt nicht nachvollziehen
kann, ist Ihre Definition von Mittelstand. Sie sagen, wir
sollen die europäische Definition heranziehen: bis zu
249 Beschäftigte. Was unsere Volkswirtschaft so stark
macht, ist aber, dass es in diesem Land im Unterschied
zu Resteuropa einen außerordentlich starken und inter-
national aufgestellten Mittelstand gibt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wollen Sie ernsthaft, dass man ein Unternehmen mit
300, 400 oder 500 Beschäftigten nicht mehr fördern darf,
weil die Schwelle bei 249 Beschäftigten liegt? Das ist
doch nicht sinnvoll. Wir müssen uns fragen: Was zeich-
net unsere Volkswirtschaft in besonderem Maße aus?
Anders als der Mittelstand in Frankreich ist unser Mittel-
stand eben nicht klein und nicht national, sondern relativ
stark, relativ groß und international aufgestellt. Dabei
muss es auch bleiben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Insofern: Es gibt hinreichend viele Themen, über die wir
noch miteinander zu reden haben; keine Frage.

Lassen Sie mich wenigstens ein paar Minuten auf die
Herausforderungen eingehen, die trotz der sehr guten
wirtschaftlichen Entwicklung, die Frau Hajduk beschrie-
ben hat, aus meiner Sicht auf uns zukommen. Ich glaube,
der Grund für die gute Entwicklung liegt vor allen Din-
gen darin, dass wir unfassbar innovative und flexible
Unternehmen und hochqualifizierte Beschäftigte haben,
die den Aufschwung erarbeiten. Es ist ja nicht die Poli-
tik, die das tut, sondern es sind die Menschen, die Unter-
nehmen, die Kreativen, die Forscher und die Entwickler,
die den Aufschwung in diesem Land ermöglicht haben.

Aber man darf sich, glaube ich, nicht täuschen: Es
gibt natürlich auch eine ganze Reihe von Herausforde-
rungen, und es stellt sich die Frage, ob wir diesen derzeit
guten Zustand erhalten können. Dazu zählen innenpoliti-
sche Herausforderungen – da hat Frau Hajduk völlig
recht – wie die Investitionen; ich glaube, Sie haben die-
ses Thema auch angesprochen. Die Nettoinvestitionen
unserer Wirtschaft in unserem Land sind zu niedrig, so-
wohl die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur als
auch die privaten Ausrüstungsinvestitionen. Aber, Frau
Hajduk, wenn Sie fragen: „Wie gehen wir mit der guten
Situation um?“, dann dürfen Sie nicht verschweigen:
9 Milliarden Euro investiert diese Koalition in Bildung,
Forschung und Entwicklung


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


und 5 Milliarden Euro zusätzlich in die Infrastruktur.
Was tun wir angesichts der guten Entwicklung noch?
Wir sorgen für ausgeglichene Haushalte. Was kann man
für dieses Land eigentlich Besseres tun, als dafür zu sor-
gen, dass wir solide Finanzen haben, sodass auch bei
steigenden Zinsen nicht immer mehr Steuergelder für
Schulden ausgegeben werden müssen? Das ist Zukunfts-
vorsorge. Da kann man doch nicht sagen, das sei nichts.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Eine weitere Herausforderung ist die Gewinnung von
Fachkräftenachwuchs. Immer noch schließen mehr als
50 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund
keine duale Berufsausbildung und kein Hochschulstu-
dium ab. Hier haben wir ein Riesenpotenzial, das wir he-
ben müssen. Wir dürfen nicht nur über die Frage disku-
tieren: Wen holen wir aus dem Ausland? Wir müssen
auch dafür sorgen, dass wir die jungen Leute im eigenen
Land vernünftig qualifizieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Deswegen ist es richtig, dass der Bund die Länder ent-
lastet. Aber wir wollen, dass die Länder diese Entlastung
nutzen, um in Bildung zu investieren; das ist dabei das
Entscheidende.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Eine weitere Herausforderung ist die Infrastruktur.
Zwei Drittel der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen
tätigen die Kommunen.


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: 50 Prozent!)


– Na klar, gucken Sie mal nach: Zwei Drittel der öffent-
lichen Investitionen sind kommunale Investitionen und
keine Investitionen der Länder oder des Bundes.


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: 50 Prozent, weil Sie die Kommunen schon so heruntergeprügelt haben!)


Was haben wir beim letzten Mal, noch in der alten
Koalition, gemacht? Durch die Übernahme der Grund-
sicherung im Alter haben wir im Vermittlungsausschuss
für eine Entlastung von 4,5 Milliarden Euro gesorgt. Die
jetzige Koalition hat verabredet, im Sommer mit dem
Bundesteilhabegesetz noch einmal eine Entlastung von
5 Milliarden Euro pro Jahr zu schaffen, und im Vorgriff
darauf entlasten wir die Kommunen in den Haushalten
2015 und 2016 nochmals jeweils um 1 Milliarde Euro.
Das ist die reale Förderung von öffentlicher Infrastruktur
und Investitionen


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


und nicht nur eine Förderung in Reden.

Ich glaube, dass das nicht reicht; das ist keine Frage.
Die Debatte wird aber weniger darüber geführt werden,
welche öffentlichen Investitionen wir noch tätigen, son-
dern darüber, wie wir privates Kapital für Investitionen
und die öffentliche Infrastruktur mobilisieren können. Es
gibt Geld genug, aber es fließt nicht in die Realwirt-
schaft und auch nicht in die Infrastruktur. Darüber haben
wir zu reden.





Bundesminister Sigmar Gabriel


(A) (C)



(D)(B)

Daneben haben wir natürlich auch über das Thema
Energie zu sprechen, und zwar nicht nur in Bezug auf
das EEG, aber das werden wir morgen ja noch ausführ-
lich tun.

Meine Damen und Herren, die größte Sorge ist nach
wie vor die weitere europäische Entwicklung. Ich
glaube, dass wir uns alle miteinander einig sind, dass Eu-
ropa neben vielen anderen Ländern der Welt für
Deutschland natürlich von großer Bedeutung ist; denn
wir werden es nur schaffen, unsere ökonomische Stärke
aufrechtzuerhalten, wenn es anderen in Europa auch gut
geht. Es ist ja nicht so, dass Deutschland der Lastesel der
Europäischen Union ist, sondern wir sind die großen
Profiteure der Europäischen Union; denn man wird nicht
Exporteuropameister und Exportweltmeister, ohne dass
andere Menschen die Produkte kaufen. Deswegen geht
es auch darum, dafür zu sorgen, dass es diesen Men-
schen so gut geht, dass sie sich unsere Produkte leisten
können.

Wir haben gesehen, dass die Europawahl fatale Er-
gebnisse gebracht hat. Es kann uns nicht gleichgültig
sein, was in Ländern wie Frankreich passiert. Es kann
uns nicht gleichgültig sein, dass in Frankreich eine popu-
listische Partei wie die Front National immer stärker
wird und eine Antieuropäerin, Frau Le Pen, die Chance
hat, nächste französische Präsidentin zu werden.

Wir müssen uns hier darüber im Klaren sein: Damit
diese Länder aus der Strukturkrise herauskommen, sind
Strukturreformen notwendig. Wer sich diesen dauerhaft
verweigert, der wird am Ende keinen Erfolg haben. Ich
glaube, dass Deutschland das beste Beispiel dafür ist.
Was immer man von der Agenda 2010 halten mag, eines
ist, glaube ich, unbestritten: Sie hat in weiten Teilen ei-
nen großen Einfluss auf die gute wirtschaftliche Ent-
wicklung unseres Landes gehabt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wahr ist aber auch, dass Deutschland zum gleichen
Zeitpunkt, 2003, die Defizitkriterien der Europäischen
Union gebrochen hat, was vielfach kritisiert wurde.
Hätte Deutschland damals aber neben den harten Refor-
men aufgrund der Agenda 2010 auch noch 20 Milliarden
Euro einsparen müssen, dann wäre das Ergebnis doch
nicht gewesen, dass sich die Agenda durchgesetzt hätte,
sondern ich bin mir sicher, dass sie dann überhaupt nicht
zustande gekommen wäre. Eines geht nämlich nicht:
Wenn man Reformen macht, kann man nicht zeitgleich
auf Investitionen verzichten. Das funktioniert nicht. Re-
formen und Investitionen gehören zusammen. Deswegen
heißt der Pakt übrigens nicht Stabilitätspakt, sondern
Stabilitäts- und Wachstumspakt.

Ich glaube, dass man an diesem Beispiel schön sehen
kann, wo der Unterschied zwischen Deutschland und
Frankreich ist. Frankreich hat die Defizitkriterien zum
gleichen Zeitpunkt auch gebrochen, aber es hat sich kein
Reformprogramm auferlegt, sondern einfach so weiter-
gemacht wie bisher. Das ist der große Unterschied zwi-
schen Deutschland und Frankreich.

Im Umkehrschluss bedeutet das – das hat die Bundes-
kanzlerin in der Generaldebatte gestern zu Recht noch
einmal gesagt –: Niemand, auch nicht in der SPD, will
den Stabilitäts- und Wachstumspakt angreifen. Wir wol-
len ihn auch nicht kreativ umdefinieren oder die Defizit-
kriterien aufweichen. Darum geht es nicht. Der Pakt
steht, und ich bin froh, dass das in Europa inzwischen
alle – jedenfalls in meiner Parteifamilie – akzeptiert ha-
ben.

Innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gibt
es aber eben eine Vielzahl von Möglichkeiten, dafür zu
sorgen, dass Reformen mit Investitionen Hand in Hand
gehen können. Wenn der italienische Staat 15 Milliarden
Euro aus Fonds der EU nicht abrufen kann, weil er nicht
kofinanzieren kann, da er sonst die Defizitkriterien nicht
erfüllen würde, dann frage ich: Warum ist es nicht mög-
lich, die 15 Milliarden Euro aus den Fonds auszuzahlen
und auf die Kofinanzierung durch den italienischen Staat
zu verzichten? Warum schaffen wir nicht solche Flexibi-
litäten?

Das erwarte ich von der nächsten Kommission. Wer
Reformen macht, muss Luft zum Atmen für Investitio-
nen und Wachstum haben. Ich erwarte aber nicht eine
irgendwie ideologisch geprägte Debatte um den Sta-
bilitäts- und Wachstumspakt. Ohne nachhaltige Struktur-
reformen gibt es kein Wachstum, aber ohne Wachstums-
impulse wirken nachhaltige Strukturreformen eben auch
nicht. Das ist die Diskussion, die wir in Europa führen
müssen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin sicher, dass man das deutsche Beispiel von 2003
offensiv verkaufen kann. Aber die eigentlich schwierige
Debatte ist: Was eigentlich sind die notwendigen Struk-
turreformen? Das ist die entscheidende Debatte. Da darf
niemand der Härte der Diskussion ausweichen; das müs-
sen alle wissen.

Deswegen bin ich der Überzeugung, dass wir noch
eine Menge Arbeit vor uns haben. Aber auch Deutsch-
land wird seine gute wirtschaftliche Entwicklung nicht
beibehalten, wenn es uns nicht gelingt, Europa zu stabili-
sieren: ökonomisch, aber auch politisch und kulturell. Es
ist – da hat die Kanzlerin recht – das größte Projekt, das
wir geerbt haben. Es gibt eine Menge zu tun, damit wir
in den nächsten Jahren dieses Erbe in Europa nicht ver-
spielen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804301600

Das Wort hat nun der Kollege Michael Schlecht für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804301700

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Minister, da Sie eine Erfolgsbilanz der deutschen
Wirtschaftspolitik aufgemacht haben, ist das Erste, wor-
auf man Sie in dieser Debatte hinweisen müsste, dass





Michael Schlecht


(A) (C)



(D)(B)

wir bei den Löhnen nach wie vor eine vollkommen de-
saströse Entwicklung haben,


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Kennen Sie die Zahlen nicht?)


dass heute die Löhne trotz einer leichten Verbesserung in
den letzten Jahren nach wie vor um 3,6 Prozent niedriger
sind als im Jahr 2000. Das heißt, ein Durchschnittsver-
diener verdient heute preisbereinigt deutlich weniger als
im Jahr 2000;


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie hoch sind die deutschen Löhne eigentlich im europäischen Vergleich?)


denn mit der gesamten Politik der Agenda 2010 sind die
Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften massiv
unterminiert worden.

Es ist erfreulich, dass Sie nächste Woche den Entwurf
eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vorle-
gen werden. Wir werden dann allerdings sehen, ob die
darin enthaltenen Regelungen nicht nur in extrem ho-
möopathischer Weise wirken werden.

Ich möchte gerne noch auf einen anderen Punkt – ich
habe ja nicht so viel Redezeit – eingehen.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Die Situation heute ist Folgende: Die Infrastruktur in
Deutschland verrottet. Die Hälfte der Brücken in
Deutschland ist marode. Die Zahl der Schlaglöcher auf
den Straßen steigt. Bereits heute sprechen Gerichte Au-
tofahrern Schadensersatz zu, wenn durch das Holpern
durch die Schlaglöcher Schäden entstanden sind. An den
Hochschulen fällt der Putz von der Decke usw. usw. Sie
lassen die Infrastruktur Deutschlands faktisch vergam-
meln. Dafür sind die Regierungen der letzten zehn bis
zwölf Jahre verantwortlich. Was hier geschehen ist, ist
wirklich skandalös.


(Beifall bei der LINKEN)


Es wurde in den letzten zehn Jahren auf Teufel komm
raus gekürzt, um so gleichzeitig Reichen und Vermögen-
den 500 Milliarden Euro zu schenken. Hätten wir noch
heute die Steuergesetzgebung von Helmut Kohl, dann
hätte es eine ganz andere Entwicklung gegeben. Seit
2003 sind die öffentlichen Investitionen viel zu niedrig,
um den Verschleiß der Infrastruktur auszugleichen. Das
gibt es in keinem anderen europäischen Land, nur in
Deutschland, vollkommen desaströs. Das Land wird fak-
tisch abgebaut und nicht aufgebaut.


(Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])


Neben dem Thema Infrastruktur gibt es einen weite-
ren Skandal, und zwar im Dienstleistungsbereich: Der
Ausbau von Krippen und Kindertagesstätten reicht bei
weitem nicht aus. In der Bildung wird verstärkt gekürzt,
statt mehr Geld einzusetzen. Es gibt einen guten Grund,
warum in diesen Tagen wieder zu Bildungsstreiks aufge-
rufen wird und die jungen Leute sich wehren. Dafür
kann man ihnen nur viel Mut und Erfolg wünschen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

In den Krankenhäusern gibt es zu wenig Pflegeperso-
nal. Die Länder alleine können den Unterhalt überhaupt
nicht stemmen. Ältere Menschen in Heimen werden zu
oft schlecht betreut. Es reicht häufig nur noch für die
Satt-und-sauber-Pflege. Auch das ist in so einem reichen
Land wie diesem schlichtweg menschenunwürdig und
ein Skandal.


(Beifall bei der LINKEN)


Die jetzige Regierung ändert an dieser Politik nichts.
Haushaltskonsolidierung über alles – das ist zurzeit
große Mode und die Devise in Deutschland. Das ist
falsch. Dabei ginge es auch anders, auch ohne neue
Schulden zu machen: Man müsste sich nur einmal dazu
entschließen, Reiche und Superreiche wieder stärker zu
besteuern, zumindest die Steuern auf das Niveau der Re-
gierungszeit Helmut Kohls anzuheben. Insoweit bin ich
fast ein Fan des Altbundeskanzlers.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Er war ein sehr guter Kanzler!)


Aber wir sind der Auffassung: Man müsste mehr ma-
chen.

Die Linke hat ein steuerpolitisches Konzept, mit dem
die staatlichen Einnahmen um 180 Milliarden Euro pro
Jahr erhöht werden könnten. Der wichtigste Baustein ist
die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, mit der
wirklich Reiche mit ihrem Vermögen deutlich zur Be-
steuerung herangezogen werden. Wir wollen die Millio-
närssteuer. Das heißt, alle Menschen, die weniger als
1 Million Euro besitzen, werden davon nicht betroffen
sein. Man könnte einmal eine Umfrage machen, wer in
diesem Hohen Hause davon betroffen wäre.

Die Linke will das Vermögen besteuern. Die Millio-
närssteuer würde vor allen Dingen für die Länder eine
deutliche Verbesserung bedeuten. Denn die Vermögen-
steuer ist eine Steuer, die vor allem den Ländern zufließt.
Die Länder hätten die Möglichkeit, in dem Bereich Bil-
dung und dem Bereich Soziales vieles voranzubringen.
Sie hätten vor allen Dingen auch die Möglichkeit, die
Zuweisungen an die Kommunen wieder deutlich auszu-
weiten. Denn die Kommunen sind in der Tat das große
Problem.

Herr Gabriel, ich will auf einen Punkt hinweisen: Die
Kommunen tragen als öffentliche Auftraggeber nicht
mehr zwei Drittel der Investitionen, sondern nur noch
50 Prozent,


(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Stimmt!)


gerade deshalb, weil in den letzten zehn Jahren die Si-
tuation durch Kürzungen bei den Kommunen und ver-
schiedene andere Ursachen, die ich jetzt nicht ausführen
kann, so desaströs geworden ist. Die Kommunen, in de-
nen lebensnah entschieden werden kann, was für die
Bürgerinnen und Bürger sinnvoll ist, müssen durch Zu-
weisungen insbesondere aus den Ländern und andere
Maßnahmen wieder deutlich mehr Geld bekommen, da-
mit dort wieder die Investitionsquoten steigen und 60 bis
70 Prozent der Investitionen in den Kommunen ent-
schieden werden können.





Michael Schlecht


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der LINKEN)


Um all diese Missstände bei der Infrastruktur, aber
auch gerade im sozialen Bereich auf Bund-, Länder- und
Gemeindeebene anzugehen, plädieren wir dafür, ein um-
fassendes nationales Zukunftsprogramm aufzulegen.
Wir wollen ein Zukunftsprogramm in einer Größenord-
nung von 100 Milliarden Euro jährlich für Bund, Länder
und Kommunen. Das muss man abstimmen.

Wir sind für dieses sozial-ökologische Zukunftspro-
gramm, um die öffentlichen Investitionen in Bildung,
Bauten, Verkehr und vor allem auch in die Energie-
wende zu erhöhen. Es müssen mehr staatliche Gelder in
die Energiewende fließen. Alleine dafür sollte ungefähr
die Hälfte der Mittel, also 50 Milliarden Euro, aufge-
wendet werden. Die übrigen 50 Milliarden Euro müssten
in Bildung, Erziehung und die Pflege älterer Menschen
fließen.

Wenn man das machen würde, dann hätte man die
Chance – Sie halten sich ja immer die Erfolge am Ar-
beitsmarkt zugute; diese „Erfolge“ bestehen im Regelfall
nur in der Ausweitung der Prekarisierung –, mit einem
solchen Zukunftsprogramm 2 Millionen Arbeitsplätze
zu schaffen, und zwar anständige Arbeitsplätze: tariflich
abgesicherte Vollzeitarbeitsplätze, von denen man leben
kann, statt Arbeitsplätze in Hunger- und Niedriglohnbe-
reichen, die in den letzten Jahren so schrecklich grassie-
ren.

Wenn man von staatlicher Seite den Hungerkurs der
letzten zehn Jahre zurücknimmt – auf das daneben beste-
hende Lohnproblem kann ich jetzt nicht weiter einge-
hen – und ein Zukunftsprogramm auflegt, dann wäre das
ein wichtiger Schritt, um den verhängnisvollen Außen-
handelsüberschuss Deutschlands abzubauen. Wir wür-
den die Binnennachfrage stärken und die Möglichkeit
schaffen, dass andere Länder, die heute unter der Über-
macht Deutschlands leiden, verstärkt nach Deutschland
exportieren. Wir hätten auch die Möglichkeit, dass Ar-
beitsleistung, die heute dem Exportsektor zugutekommt,
für die Binnenwirtschaft eingesetzt wird.

Insoweit wäre das auch ein Beitrag, um die Euro-
Krise an den Wurzeln zu packen, indem der Außenhan-
delsüberschuss verringert und am besten auf null ge-
bracht wird.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804301800

Herr Kollege.


Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804301900

Ich bin fertig.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804302000

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege

Michael Fuchs das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1804302100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will als Al-
lererstes betonen, dass es uns richtig gut geht. Nach dem,
was Herr Kollege Schlecht eben von sich gegeben hat,
kann es einem ja schlecht werden. So schlecht geht es
diesem Land Gott sei Dank nicht.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Es geht Deutschland so gut wie nie. Wir haben – ne-
benbei – die allerhöchsten Steuereinnahmen, die dieses
Land jemals gehabt hat. Die Länder haben die höchsten
Einnahmen, die sie jemals gehabt haben. Das sollten wir
nicht einfach wegdiskutieren. Das ist schließlich ein Er-
folg.


(Beifall bei der CDU/CSU)


42 Millionen Menschen in Deutschland haben Be-
schäftigung. Eine solch hohe Beschäftigtenzahl hat es
noch nie gegeben. Es gibt fast 30 Millionen sozialversi-
cherungspflichtig Beschäftigte. Auch das hatten wir
noch nie. Die Zahl der arbeitslosen Menschen nähert
sich 2,5 Millionen. So niedrig war die Arbeitslosigkeit
nach der Wiedervereinigung Deutschlands noch nie. Wir
haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit zu verzeich-
nen. In vielen Regionen Deutschlands gibt es kaum noch
Jugendliche, die in Ausbildungsverhältnisse gebracht
werden können.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Auch das hat es noch nicht gegeben. Vergleichen Sie das
einmal mit der Jugendarbeitslosigkeit in allen anderen
europäischen Ländern! Vergleichen Sie bitte einmal das
Lohnniveau Deutschlands mit dem in allen anderen
europäischen Ländern! Dann sehen Sie, wie gut es
Deutschland geht. Nur, Sie können und wollen das nicht
zur Kenntnis nehmen, weil es nicht in Ihre kommunisti-
sche Ideologie hineinpasst.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir stehen vor großen, heftigen Aufgaben. Diese ge-
hen wir gemeinsam an. Wir wollen den Bundeshaushalt
zum ersten Mal nach langer Zeit wieder ausgleichen.
Seit 46 Jahren war der Bundeshaushalt nie ausgeglichen.
Der Letzte, der das geschafft hat, war Franz Josef Strauß
1969.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mit Karl Schiller!)


Ältere Menschen wie ich können sich noch daran erin-
nern.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Keine Beleidigungen!)


Aber die meisten, die hier sitzen, können das nicht mehr.
Unser Ziel muss wieder sein, ausgeglichene Haushalte
aufzustellen. Wir müssen endlich wieder in der Lage
sein, Zukunft zu gestalten, und dürfen die Last der Zin-
sen und Zinseszinsen, die unsere Kinder und Kindeskin-
der zu zahlen haben, nicht weiter erhöhen. Das ist Auf-
gabe dieser Regierung. Das haben wir uns gemeinsam
vorgenommen. Wir wollen das alles ohne Steuererhö-





Dr. Michael Fuchs


(A) (C)



(D)(B)

hungen erreichen. Das kann man einfach machen, wie
Sie es wollen, und die Steuern erhöhen. Aber das bringt
gar nichts. Sie sehen es ja: Dort, wo die Steuern zu hoch
sind, sind die Unternehmen weg. Das können Sie in vie-
len Ländern beobachten.

Wir wollen des Weiteren unsere internationale Wett-
bewerbsfähigkeit stärken; das ist unsere Aufgabe. Das
ist nicht einfach. Die gesamte Europäische Union muss
wettbewerbsfähiger werden. Dabei müssen wir aufpas-
sen, dass wir nicht zu viel ausgeben und dass zusätzliche
Sozialleistungen zuallererst gegenfinanziert sein müs-
sen. In dieser Hinsicht sind wir in dieser Legislatur-
periode noch ein klein bisschen auf dem falschen Weg.
Aber ich gehe davon aus, dass sich das jetzt ändert.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es gibt nichts, was nicht noch besser gemacht werden kann!)


Wir haben es geschafft, Europa zu stabilisieren. Herr
Minister, ich bin Ihnen dankbar für das, was Sie eben ge-
sagt haben, nämlich dass es kein Rütteln an diesem Sta-
bilitätspakt geben darf.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Stabilitätsund Wachstumspakt!)


Der Euro ist stabil. Er liegt im Verhältnis zum Dollar
momentan bei 1,36. Mittlerweile hören wir von unseren
exportstarken Firmen, die in den Dollarbereich exportie-
ren, hin und wieder die Bemerkung, der Euro-Kurs
könnte ein bisschen niedriger sein, weil es dann einfa-
cher ist. Nein, der Euro ist stabil, weil wir einen Stabili-
tätspakt und eine Europäische Zentralbank haben, die
dafür sorgt, dass die Stabilitätskriterien eingehalten wer-
den. Man kann über den berühmten Satz von Herrn
Draghi „Whatever it takes“ nachdenken und sich fragen,
ob das der richtige Weg ist, nämlich bei der Übernahme
von Schulden quasi alles möglich zu machen. Das muss
vielleicht noch ein Stück weit korrigiert werden. Aber
wir sind jetzt auf einem stabilen Weg in Europa, und
auch die meisten Länder haben es kapiert.

Die Programmlösungen, die wir für die einzelnen
Länder gefunden haben, nämlich Leistungen nur dann zu
gewähren, wenn die Länder entsprechende Vorleistun-
gen erbracht haben, sind richtig. Das sieht man schon da-
ran, dass die meisten Länder mittlerweile aus den Hilfs-
programmen heraus sind; Irland ist heraus, Spanien ist
heraus. Ob eine Steuersenkung zu diesem Zeitpunkt
richtig ist, wird sich zeigen. Auf jeden Fall darf eine
Steuersenkung nicht zu einer höheren Neuverschuldung
führen; das muss jeder beachten. Auch Griechenland ist
schon ein gutes Stück weitergekommen. Aber es hat
noch einen langen Weg zu gehen; denn eine schwarze
Null, die sich ohne Berücksichtigung des Zinsbereichs
ergibt, reicht sicherlich à la longue nicht aus. Eines steht
fest: Könnte man mit Staatsausgaben auf Pump Wachs-
tum kaufen, wäre Griechenland sicherlich die wachs-
tumsstärkste Nation Europas. Ginge die Gleichung
„Mehr Schulden gleich mehr Wachstum“ auf, dann wäre
Italien die Lokomotive und nicht das Schlusslicht der
Währungsunion. Dann wären wir das Schlusslicht. Wir
sind es aber nicht. Wir sind tatsächlich die Nation in
Europa, die das größte Wachstum zu verzeichnen hat.
Unser Wachstum wird am Ende des Jahres wahrschein-
lich bei 2,5 Prozent liegen. Für eine reife Volkswirt-
schaft eine Erfolgsstory!


(Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da hätte auch unser Koalitionspartner klatschen können!)


Deswegen dürfen wir auch nicht in alte Denkmuster
verfallen und glauben, dass wir das in irgendeiner Weise
verändern könnten. Nein, wir müssen dafür sorgen, dass
dieses Wachstum stabil bleibt und dass die Haushalte in
allen europäischen Staaten ausgeglichen werden. Ich bin
der Bundeskanzlerin ausgesprochen dankbar dafür, dass
sie diese Politik so weiterführt.

Eines muss uns in Deutschland besonders bewusst
sein: Deutschland ist das Land, das am stärksten vom
Euro profitiert. Kein anderes Land hat so viele Vorteile
durch den Euro gehabt wie wir, und zwar deswegen,
weil wir über viele Jahre eine stabile Währung mit einer
extrem niedrigen Inflationsrate haben.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig! Euro-Bashing schadet der Wirtschaft!)


Das heißt für uns, dass auch das Geld unserer Bürgerin-
nen und Bürger sicher ist. Das sollte eigentlich jeder
wissen.

Stellen Sie sich bitte einfach einmal vor, wir hätten
besonders zu den Zeiten, als die Finanzkrise 2008 und
2009 tobte, den Euro nicht gehabt, sondern wir hätten
die D-Mark gehabt. Wir hätten es mit Aufwertungsten-
denzen zu tun bekommen, wie sie die Schweiz schmerz-
voll gespürt hat. Dann wäre es mit Deutschland als Ex-
portweltmeister ganz schnell zu Ende. Deswegen sind
wir froh, dass wir den Euro haben. Wenn irgendwelche
kruden Parteien propagieren, den Euro wieder abzu-
schaffen, dann haben die anscheinend nicht verstanden,
wovon Deutschland profitiert hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein Schlaufuchs, der Fuchs!)


Wir müssen das Wachstum in Europa stärken, aber
wir müssen auch das Wachstum in der Welt stärken. Ich
bin froh, dass die Wirtschaft hierzulande so wächst, wie
sie es tut, aber wir müssen uns darum kümmern, dass das
auch so bleibt. Deswegen, Herr Minister, sehe ich schon
die Notwendigkeit, dass wir uns sehr stark dafür enga-
gieren, dass die Doha-Runde weitergeführt wird und
dass die Welthandelsrunden weitergeführt werden. Am
liebsten sind mir natürlich multilaterale Vereinbarungen,
nicht bilaterale; denn multilaterale Vereinbarungen sind
gerade für unsere mittelständische Wirtschaft, die Sie
eben angesprochen haben, wesentlich besser, weil die
mittelständische Wirtschaft sich nicht riesige Anwalts-
stäbe leisten kann, die sich mit den Regeln und Normen
in jedem einzelnen Land beschäftigen. Ich würde Sie bit-
ten, dass wir uns in den nächsten Wochen und Monaten
– wir haben, wenn das EEG morgen verabschiedet ist,
wieder ein bisschen mehr Zeit, auch einmal etwas ande-
res zu tun – etwas mehr mit den multilateralen Handels-





Dr. Michael Fuchs


(A) (C)



(D)(B)

systemen beschäftigen. Bali war ein guter Ansatz. Der
muss weitergeführt werden. Ich könnte mir vorstellen,
dass wir unsere Hausaufgaben gut erledigen.

Wir müssen uns aber auch dafür einsetzen, dass das
TTIP, das transatlantische Partnership-Agreement, um-
gesetzt wird, dass es vorankommt. Wenn wir es schaffen,
hier ein Abkommen auszuhandeln, dann werden die
Normen, die zwischen den USA und Europa gelten,
Weltgeltung haben. Wir alle wissen, dass die Amerika-
ner zurzeit auch über ein transpazifisches Abkommen
verhandeln. Wer als Erster fertig ist, der setzt die Nor-
men. Wenn die Amerikaner zuerst mit den pazifischen
Ländern die Normen gesetzt haben, werden sie sie mit
uns nicht noch einmal ändern, sondern sagen: Dann
nehmt doch bitte die Normen, die wir mit den pazifi-
schen Ländern vereinbart haben. – Das darf nicht der
Fall sein. Ich bin dafür, dass wir schnell machen und da-
für sorgen, möglichst zügig dieses transatlantische Part-
nership-Agreement umzusetzen. Daran müssen wir alle
arbeiten.

Es darf nicht sein, dass mit einem wenig verständli-
chen Antiamerikanismus gearbeitet wird. Das stört mich
ganz gewaltig; denn das ist nicht richtig und nicht in
Ordnung. Jeder von uns kann sich darüber ärgern, dass
es die NSA gibt. Aber glaubt denn irgendjemand von
uns, dass die Russen nicht mindestens das Gleiche tun?
Oder glaubt denn irgendjemand von uns, dass die Chine-
sen nicht mindestens das Gleiche tun? Und kein Mensch
redet darüber.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht besser!)


– Dass Sie, Herr Hofreiter, das nicht verstehen, kann ich
verstehen,


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine völlige Unverschämtheit! Ich habe gesagt: Das macht es nicht besser!)


weil das Ihrem Weltbild nicht entspricht.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was fällt Ihnen ein, solche Unterstellungen zu machen!)


Ich sage Ihnen eines: Dieser Antiamerikanismus muss
zurückgewiesen werden. Das TTIP ist eine Chance für
uns alle, engere Wirtschaftsbeziehungen mit Amerika zu
bekommen und dadurch größere Chancen zu erhalten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804302200

Darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen?


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1804302300

Die muss ich nicht ernst nehmen, aber mache ich.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804302400

Na ja. – Es empfiehlt sich eigentlich, nur dann eine

Zwischenfrage zuzulassen, wenn man auch beabsichtigt,
sie ernst zu nehmen, Herr Kollege.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1804302500

Wir schauen einmal.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804302600

Herr Präsident, ich danke Ihnen für diesen Hinweis. –

Sie haben sich gerade dahin gehend geäußert, dass es
sich bei denjenigen, die Kritik am transatlantischen Han-
delsabkommen üben, um Antiamerikanismus handeln
würde. Wie stellen Sie sich denn zu der Aussage unseres
Wirtschaftsministers, der insbesondere den Investoren-
schutz, der die Rechtsordnung der Bundesrepublik
Deutschland und übrigens auch Rechtsordnungen ande-
rer Staaten in Europa mehr oder weniger außer Kraft set-
zen würde, durchaus kritisch sieht?


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Diese Frage muss man wirklich nicht ernst nehmen!)


Er hat auf einer Veranstaltung, bei der ich selber war, ge-
sagt, dass zwischen Partnern, Deutschland, Europa und
Amerika, bei denen es funktionierende Rechtssysteme
gibt, kein besonderer Investorenschutz mit einer beson-
deren Gerichtsbarkeit notwendig ist. Sehen Sie das ähn-
lich? Wenn Sie das ähnlich sehen würden, würde das ja
eher eine Kritik an diesem Handelsabkommen und nicht
einen Antiamerikanismus bedeuten. Oder wollen Sie un-
serem Wirtschaftsminister Antiamerikanismus unterstel-
len?


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1804302700

Erstens. Das werde ich nicht tun.

Zweitens. Dieses Abkommen ist, wie Sie wissen,
noch nicht endverhandelt. Dass man beim Thema Inves-
torenschutz durchaus anderer Meinung sein kann, halte
ich für völlig in Ordnung. Wir werden ja noch weiter
verhandeln. Ich habe nur gesagt, dass wir dieses Abkom-
men möglichst zügig zu Ende verhandeln sollten. Daran
werden wir alle arbeiten und in der nächsten Zeit hof-
fentlich weiterkommen.

Es kann nicht sein, dass wir uns ausschließlich über
Chlorhühnchen oder Ähnliches unterhalten. Dazu hat es
vor kurzem diverse Untersuchungen gegeben, die besa-
gen, dass das sowieso eine Fehlinformation gewesen ist.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Ich will nur herausgreifen, dass wir darüber diskutieren,
ob Blinklichter rot oder gelb sind. Allein solche Han-
delshemmnisse führen dazu, dass die Automobilindus-
trie in großem Stil zusätzliches Geld investieren muss,
wenn sie Autos nach Amerika exportieren will. Das
muss geändert werden. Dafür ist ein solches Abkommen
da. Wir müssen gemeinsam mit den Amerikanern die
richtigen Normen setzen. Ich glaube, wir sind auf einem
guten Weg.

Meine Damen und Herren, über die Energiepolitik
werden wir morgen diskutieren. Deswegen werde ich
nicht näher darauf eingehen. Eines steht für mich fest:





Dr. Michael Fuchs


(A) (C)



(D)(B)

Ich habe Verständnis dafür, das die Opposition Schwie-
rigkeiten damit hat, dass diverse Punkte nun schnell erle-
digt werden müssen. Der Minister hat aber eben völlig
zu Recht erklärt, dass es keine Alternative dazu gab. Wir
alle müssen wissen: Steht das Gesetz nicht am 1. August
im Gesetzblatt, dann hat die deutsche Wirtschaft ein rie-
sengroßes Problem, weil das BAFA keine Bescheinigun-
gen mehr ausstellen darf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das darf nicht passieren. Ich möchte die deutsche Wirt-
schaft schonen. Es muss die deutsche Wirtschaft auch im
nächsten Jahr Anträge zur EEG-Befreiung stellen kön-
nen. Dafür ist es dringend notwendig, dass das Gesetz
morgen durch den Deutschen Bundestag kommt. Wir
werden das hinbekommen. Ich bin allen, die daran betei-
ligt waren, sehr dankbar.

Wir wissen, dass es ein erster Schritt ist, es ist ein ers-
tes EEG-Reformgesetz. Aber nach der Reform ist vor
der Reform. Wir müssen das Strommarktdesign ange-
hen,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


wir müssen die Ausschreibung bei erneuerbaren Ener-
gien organisieren, wir brauchen einen Energieeffizienz-
Aktionsplan. Ich bin mir mit Frau Hajduk darin einig,
dass wir noch einiges zu tun haben.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was? – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Das ist eine große Aufgabe, die vor uns liegt. Ich gehe
davon aus, dass wir sie gemeinsam angehen werden, und
freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Michael, mit Frau Hajduk?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804302800

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der

Kollege Dieter Janecek das Wort.


Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804302900

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Fuchs, ich
freue mich, dass es Ihnen so gut geht. Der Energiewende
geht es nicht so gut. Das hat auch damit zu tun, Minister
Gabriel, was Sie in den letzten Wochen und Monaten ge-
macht haben. Man kann es natürlich auch mit Humor
nehmen, dass Sie sich hier als Fels in der Brandung hin-
stellen, während wir im Bundestag in der parlamentari-
schen Beratung das größte Chaos erleben, das wir in den
letzten Jahren erlebt haben.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na! Wie lange sind Sie denn dabei? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind noch nicht so lange dabei!)


– Da kann noch mehr kommen, sagen Sie? Da bin ich
aber gespannt.
Als Wirtschaftsminister ist man auch dafür da, Inves-
titionen anzuregen. Die Wahrheit ist aber doch: Was Sie
in den letzten Monaten gemacht haben, ist, Investitionen
in Milliardenhöhe auf Halde zu legen. Allein in meiner
Heimatregion Niederbayern sind in diesem Jahr in
Windkraft 100 Millionen Euro nicht investiert worden.
Das ist doch die Wahrheit, was die Energiewende an-
geht: Das ist Abbruchstimmung, nicht Aufbruchstim-
mung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit Verlässlichkeit hat das gar nichts zu tun.

Wir reden hier auch über Gründungsdynamik. Sie sel-
ber haben jetzt einen Gründungsmonitor für die Erneuer-
baren herausgegeben. Die Zahl der Gründungen hat sich
verdreifacht. Ob das bei dieser Politik so weitergeht, da-
rauf bin ich ja sehr gespannt. Wenn man dann den Haus-
halt anschaut, stellt man fest, dass 20 Prozent Ihres Etats
für die Steinkohleförderung vorgesehen sind. Sie strei-
chen bei der Effizienz. Sie tun nichts beim Breitbandaus-
bau. Da wäre 1 Milliarde Euro nicht schlecht gewesen,
liebe SPD.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie tun nichts bei der steuerlichen Forschungsförderung.
Da fehlt es doch. Da fehlt es doch wirklich, was das
Thema Innovation angeht.

Jetzt kommen wir einmal zu der Frage nach Zukunfts-
trends im Haushalt. Wir müssen ja über den Tellerrand
hinausschauen. Schauen wir einmal, was die Welt so
macht: Google baut das selbstfahrende Auto, Tesla
macht das elektrische Fahren attraktiv, und wir in
Deutschland kriegen die Nationale Plattform Elektromo-
bilität nicht auf die Reihe. Es kann doch nicht sein, dass
wir bei so einem zentralen Zukunftsthema nicht voran-
kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Bezug auf das Thema Digitalwirtschaft, Minister
Gabriel, habe ich registriert, dass Sie nach vorne gehen
wollen und dass Sie erkannt haben, dass die Venture-Ca-
pital-Bedingungen verbessert werden müssen. Wir wa-
ren ja mit einigen Mitgliedern des Ausschusses Digitale
Agenda und des Wirtschaftsausschusses im Silicon Val-
ley. Dort hat jedes Unternehmen 32-mal so viel Kapital
zur Verfügung wie in Deutschland. Das müssen wir jetzt
nicht ausgleichen, aber es wäre nicht schlecht, ein biss-
chen näher an diesen Wert heranzukommen.

Wir müssen eines verstehen: Die Wertschöpfungsket-
ten verschieben sich: von der Hardware zur Software.
Industrie 4.0 wird ein großes Leitthema. Das ist nicht nur
ein Thema für Fachpolitiker, sondern das muss auch ein
Thema für den Wirtschaftsausschuss werden. Deswegen
noch einmal: Breitband ist ja ein wichtiges Thema – die
Milliarde wäre ganz gut; die könnten wir gebrauchen –,
aber es geht eben nicht nur um technologische Innova-
tion, sondern es geht auch um soziale Innovation. Die
Crowdfunding-Szene hier in Berlin ist sehr stark gewor-
den. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Auch die
Sharing-Plattformen – ich war jetzt in San Francisco und
Seoul, den beiden führenden Städten der Welt, die die





Dieter Janecek


(A) (C)



(D)(B)

Ökonomie des Teilens vorantreiben – sind ein Thema,
bei dem nichts getan wird und bei dem wir wirklich ein-
mal in die Offensive gehen müssten, um auch die digita-
len Potenziale auszuschöpfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Sinne glaube ich wirklich: Es geht darum,
dass wir nicht die Vergangenheit verteidigen. Ich habe
übrigens Ihren Beitrag in der FAZ, den Sie zur digitalen
Ökonomie geschrieben haben, sehr stark so gelesen, dass
Sie die Deutschland AG gegen die Internetfirmen aus
den USA verteidigen wollen. Aber so wird der Weg
nicht gehen.


(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Aber nicht richtig gelesen!)


– Ich habe den so gelesen, und viele andere haben den so
gelesen. – So wird das nicht gehen. Am Ende müssen
Sie gestalten. Wir arbeiten ja zusammen. Ich meine, das
Industriewerk in Michigan machen Siemens und Google
ja zusammen, Ford 4.0 sozusagen. Es geht wirklich auch
um Kooperation und darum, nach vorne zu denken. Das
Ganze funktioniert doch nur, wenn Nachhaltigkeit, Ener-
gieeffizienz und Ressourcenschonung im Vordergrund
stehen. Das tun sie nicht. Dazu fehlen die Ansätze im
Haushalt. Da müssen wir hinkommen. Ich bitte Sie herz-
lich, dass wir in diesem Bereich an die Spitze kommen;
denn da liegt unsere Marktführerschaft auf der Welt. Da
müssen wir etwas tun.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: An der Amerika-Begeisterung sollten sich die Linken mal ein Beispiel nehmen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804303000

Wolfgang Tiefensee ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1804303100

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Will man die Wirtschaftskraft eines Landes
messen, will man sich über Wirtschaft streiten und über
das, was die Politik beizutragen hat, um die Wirtschaft
voranzubringen, dann kann man die Zahlen der Wirt-
schaftsinstitute zurate ziehen oder zu den Unternehme-
rinnen und Unternehmern, den Arbeitnehmern, den Ge-
werkschaften gehen und fragen: Wie sieht es aus?

Wir haben jetzt von der Opposition gehört, nament-
lich von Ihnen, Herr Claus, dass alles ziemlich düster
aussieht. Herr Schlecht hat die wirtschaftliche Lage und
die Situation auf dem Arbeitsmarkt als negativ und
schlecht dargestellt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nomen est omen!)

Ich möchte am Anfang ganz gerne einmal ein paar
Zahlen ins Gedächtnis rufen, die das widerlegen.
Schauen wir auf die Entwicklung des Bruttoinlandspro-
dukts. Wir verzeichnen in diesem Jahr wahrscheinlich
ein BIP-Wachstum von 2 Prozent, für das nächste Jahr
sind 2,2 Prozent prognostiziert. Herr Claus, wenn wir
immer wieder nur Ost und West vergleichen und damit
letztlich die positive Entwicklung der letzten Jahre und
Jahrzehnte schlechtmachen, dann nehmen wir gerade
den Menschen aus Ostdeutschland Motivation und
Schub.


(Roland Claus [DIE LINKE]: Aber der Atlas kam aus dem Wirtschaftsministerium und nicht aus unserer Fraktion!)


Es geht darum, dass wir nicht nur Ost und West mitei-
nander vergleichen, sondern uns mit Blick auf das Brut-
toinlandsprodukt einmal die einzelnen Bundesländer an-
sehen. Herr Claus, da wird Ihnen auffallen, dass
zwischen den westdeutschen und den ostdeutschen Bun-
desländern eben nicht mehr die Lücke von vor zehn Jah-
ren besteht, sondern dass Sachsen und Thüringen mitt-
lerweile zu Schleswig-Holstein aufgeschlossen haben.

Schauen wir uns einmal die Arbeitslosenquote an.
Wie oft haben wir früher davon gesprochen, dass sie im
Osten deutlich höher ist als in Westdeutschland, nämlich
doppelt so hoch? Was können wir jetzt für Mai 2014
feststellen? In ganz Deutschland beträgt die Arbeitslo-
senquote 6,6 Prozent, in Westdeutschland etwa 5,8 Pro-
zent, in Ostdeutschland 9,7 Prozent. Herr Claus, in den
letzen zehn Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit – nicht
nur in meiner Heimatstadt – halbiert. Man muss einmal
deutlich sagen: Das ist nicht zuletzt das Ergebnis des
Aufbaus Ost – Ärmelaufkrempeln im Osten, Solidarität
durch den Westen – und eben auch einer beherzten Poli-
tik, nicht zuletzt hier im Bundestag. Wer das ver-
schweigt, der sagt eben nur die Hälfte der Wahrheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die vorliegenden Zahlen sagen auch etwas über die
Schwierigkeiten und Defizite, die wir noch zu beseitigen
haben. Dabei ist einmal die Frage der Investitionsquote
zu betrachten. Sie ist in den letzten 15 Jahren – 1999 lag
sie bei etwa 20 Prozent – leider auf 17 Prozent gefallen.
Aber es zeichnet sich ab, dass die Politik der letzten
Jahre greift. Das Rheinisch-Westfälische Institut für
Wirtschaftsforschung, RWI, prognostiziert für das lau-
fende Jahr ungefähr 4,9 Prozent mehr Anlageinvestitio-
nen und für das nächste Jahr ungefähr 4,5 Prozent mehr
Anlageinvestitionen. Noch viel wichtiger ist: Die Aus-
rüstungsinvestitionen, also die Investitionen in Maschi-
nen, werden in diesem Jahr um etwa 6 Prozent und im
nächsten Jahr um etwa 8 Prozent steigen. Das heißt, in
dem Bereich, in dem es für uns dringend nötig ist, findet
ein Aufwuchs statt, nämlich bei den Investitionen in An-
lagen und Ausrüstung. Das ist ein Ergebnis kluger Poli-
tik der Unternehmen, aber eben auch der politischen
Rahmenbedingungen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)






Wolfgang Tiefensee


(A) (C)



(D)(B)

Das eine ist, die Statistiken zu bemühen; das andere
ist, zu den Unternehmerinnen und Unternehmern zu ge-
hen. Traut man einer Umfrage, die der Bundesverband
mittelständische Wirtschaft gerade durchgeführt hat, so
gibt es einige schwerwiegende Probleme in den Unter-
nehmen, die wir im Blick behalten müssen. Der Fach-
kräftemangel auf dem Arbeitsmarkt ist bereits mehrfach
angesprochen worden. Was Frau Ministerin Nahles
macht, was der Wirtschaftsminister tut, was die Fami-
lienministerin in Angriff genommen hat, das alles sind
Bausteine zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Fami-
lie und Beruf. Wir möchten, dass Schulabbrechern eine
zweite Chance gegeben wird, dass Arbeitslose wieder
berufstätig werden, dass mehr Ältere in den Arbeits-
markt integriert sind. Schließlich müssen wir darüber
nachdenken, wie wir ausländische Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, die in Europa, aber auch anderswo
leben, nach Deutschland holen. Das ist eine unserer we-
sentlichen Herausforderungen. Diese Bundesregierung
und namentlich der Wirtschaftsminister verschreiben
sich ihrer Bewältigung.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])


Außerdem geht es darum, in die Infrastruktur zu in-
vestieren. Wenn die Mittel für die Kommunen einen
Aufwuchs von 6 Milliarden Euro erfahren, wenn wir
9 Milliarden Euro in Bildung investieren, wenn wir mehr
Mittel für die Wirtschaftsförderprogramme zur Verfü-
gung stellen – für ZIM 513 Millionen Euro, ein deutli-
cher Posten im Etat, und für GRW reichliche 580 Millio-
nen Euro; also ebenfalls ein namhafter Posten im Etat –,
dann leisten wir einen Beitrag dazu, dass in Deutschland
insgesamt mehr investiert wird, dass geforscht wird und
dass Innovationen stattfinden. Darauf ist der Mittelstand
– und nicht nur er – in den nächsten Jahren angewiesen.
Die Bundesregierung stellt die Weichen richtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Neben der Verbesserung der Infrastruktur und der
Förderung von Innovationen ist das Thema Energie ein
drittes wichtiges Thema. Wir werden morgen ausführ-
lich darüber debattieren. Das, was hier seitens der Oppo-
sition gemacht wird, nämlich die Energiewende
schlechtzureden, führt gerade nicht dazu, dass in den
kommenden Jahren mehr Investitionen getätigt werden.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht die Energiewende ist schlecht, sondern Ihre Politik ist falsch!)


Ein Investitionsprogramm ist auch, Herr Hofreiter, dass
Deutschland als führende Nation auf diesem Gebiet neue
Produkte, neue Technologien im Bereich der erneuerba-
ren Energien nicht nur ausprobiert, sondern auch markt-
fähig macht. Das ist ein Investitionsprogramm par excel-
lence. Wir werden morgen die Weichen dafür stellen,
dass das Ganze auch gelingt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Etwas anderes, was im Bereich der Energiewende
wichtig ist, sind natürlich die Energiekosten, die nicht
zuletzt den Mittelstand belasten. Mit dem „Erneuerbare-
Energien-Gesetz 2.0“ stellen wir morgen die Weichen
dafür, dass der Anstieg der EEG-Umlage gedämpft wird,
dass Planungssicherheit besteht, dass sich die Unterneh-
men auch in der Zukunft auf unsere Entscheidungen ver-
lassen können. Das ist eine richtige Weichenstellung.

Aus diesem Grund sage ich an die Opposition gerich-
tet: Mäßigen Sie sich in Ihrer Kritik! Schauen Sie auf die
Fakten! Hören Sie auf das, was Unternehmerinnen und
Unternehmer sagen! Sie werden feststellen, auch im eu-
ropäischen Kontext: Deutschland geht es gut. Dazu trägt
die Politik nicht unbeträchtlich bei.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804303200

Das Wort erhält nun die Kollegin Eva Bulling-

Schröter für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804303300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! „Deutschlands Zukunft gestalten“, das ist der
Titel des Koalitionsvertrags der Regierungsparteien.
Dann nehmen wir die Bundesregierung einmal beim
Wort!

In den Bereichen erneuerbare Energien, Energiefor-
schung und Steigerung der Energieeffizienz soll der Um-
stieg auf eine saubere und bezahlbare Energieversorgung
in die Wege geleitet werden. Nun hat sich Rot-Schwarz
gerade beim Thema Energieeffizienz einiges vorgenom-
men. Die Versprechungen der Großen Koalition lesen
sich gar nicht so schlecht. Da steht auf Seite 37 der Ko-
alitionsvereinbarung:

Die Senkung des Energieverbrauchs durch mehr
Energieeffizienz muss als zentraler Bestandteil der
Energiewende mehr Gewicht erhalten.

Da sagen wir: Bravo! Richtig! Das wollen wir auch. –
Sogar von der Effizienz als zweite Säule der Energie-
wende ist die Rede. Unter einer Säule versteht man mei-
nes Erachtens etwas wirklich Großes. Wenn ich dann
aber sehe, was die Bundesregierung im Einzelplan 09,
Kapitel „Energie und Nachhaltigkeit“, vorhat – es gibt
so gut wie keine neuen Mittel und weiter das alte Pro-
gramm –, dann erkenne ich da keine tragende Säule, son-
dern eher lahme Gäule.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage Ihnen: Kommen Sie endlich einmal auf Trab!
Wenn nur darauf gewartet wird, dass Häuslebauer und
Wirtschaft von ganz alleine in eine ressourcensparende
Zukunft investieren, dann können wir die Energiewende
vergessen; das ist einfach so.

Jetzt kann man natürlich argumentieren wie Sie: Die
Haushaltsmittel reichen aus. – Das Beispiel „energeti-
sche Gebäudesanierung“ zeigt aber perfekt, wie die





Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)

Energiewende nicht angegangen werden darf. Wie bei
der Ökostrom-Novelle, die Sie durchs Parlament peit-
schen – ich muss sagen: das ist ein wirklich unwürdiges
Schauspiel – und mit der Sie das EEG in der alten Form
beerdigen, so setzen Sie auch bei der Energieeffizienz
blindlings auf den Markt. Bis 2050 80 Prozent des Pri-
märenergieeinsatzes im Gebäudebereich einzusparen, ist
mit einem Weiter-so leider nicht machbar.

Wir haben es bei der Gebäudeeffizienz ganz klar mit
einem Versagen des Marktes zu tun. Das ist kein offenes
Geheimnis; das ist Erkenntnis, und zwar nicht nur bei
der Opposition, meine Damen und Herren. Sogar die ei-
genen Leute treten der Bundeskanzlerin und ihren Mi-
nistern auf die Füße, wie zum Beispiel Stephan Kohler,
Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur, die im-
merhin zur Hälfte staatlich finanziert ist. Er hat einen
Brandbrief an Frau Merkel geschrieben, und ich unter-
stütze das. Das Handelsblatt zitiert, für ihn sei es „kaum
verständlich“, dass die Quote bei der energetischen Mo-
dernisierung seit Jahren bei mickrigen 1 Prozent sta-
gniert und dass die Regierung die Hände weiter in den
Schoß legt.

Auch wir fragen uns natürlich: Warum passiert da
überhaupt nichts? Ich kann nur sagen: Meiner Meinung
nach fehlt hier der politische Wille zur Gestaltung. Der
Markt richtet es eben nicht; das wissen wir.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie so weitermachen, dann verschenken Sie die
Zukunft auf Kosten von Klima und Infrastruktur.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nun wollen wir es nicht dramatisieren!)


Ich sage Ihnen: Gerade im Bereich Klima halte ich das
für absolut unverantwortlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Dabei ist Energieeffizienz der ungehobene Schatz der
Energiewende. Für ein Gelingen der Energiewende ist
der Gebäudebereich der zentrale Faktor; das erzählen Sie
uns auch immer wieder. Über ein Drittel des Energiebe-
darfs in Deutschland wird für Heizen und Warmwasser
verwendet. Da wäre ein Rieseneinsparpotenzial. 2 bis
4 Prozent aller Häuser und Wohnungen in Deutschland
müssten im Jahr modernisiert werden. Wir brauchen also
eine Verdoppelung der dafür vorgesehenen Mittel. Das
Marktpotenzial für Wohngebäude und Nichtwohnge-
bäude wird auf jährlich 66 Milliarden Euro geschätzt;
das ist ein riesiger Jobmotor. Mit den 1,8 Milliarden
Euro im Haushalt schafft man das selbstgesteckte Ziel
von 2 Prozent jedenfalls nicht; das sagen alle Experten.

Die Energiewende im Gebäudebereich haben Sie
fahrlässig verpennt, meine Damen und Herren. Wir for-
dern Sie auf, jetzt etwas zu tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir fordern die Auflösung des Energie- und Klima-
fonds. Das empfiehlt auch der Bundesrechnungshof,
nachdem der Emissionshandel als marktbasiertes Ele-
ment zur CO2-Reduzierung grandios gescheitert ist. Die
vorhandenen 1,1 Milliarden Euro für Gebäudesanierung
wollen wir aus diesem Fonds in den Haushalt überführen
und die Mittel auf insgesamt 5 Milliarden Euro aufsto-
cken. Nur so kann es gehen. Das wäre ein klares Signal.
So fördert man Investitionen, und so schafft man auch
Akzeptanz für die Energiewende. Die Menschen müssen
sehen, wofür die Mittel verwendet werden.

An diesem Anspruch – so habe ich das Gefühl –
scheint die Bundesregierung zunehmend zu scheitern,
auch beim EEG. Wir haben dazu schon viel gesagt. Wir
werden morgen weiter darüber diskutieren. Ich glaube in
Bezug auf die Verhandlungen mit der EU-Kommission,
Herr Gabriel: Sie wollen hier katholischer sein als der
Papst.


(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Ich bin evangelisch! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der ist doch evangelisch! Das ist ja das Drama!)


Sie wollen die Marktliberalisierung auf Teufel komm
raus. – Das ist mein Gefühl.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ihr Gefühl täuscht Sie sehr!)


„Deutschlands Zukunft verwalten“ – und das auch
noch schlecht – wäre eindeutig der bessere Titel für Ihre
Koalitionsvereinbarung.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804303400

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Joachim

Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mach es uns nicht so schwer, zu klatschen! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/ CSU]: Lass ihn doch erst mal anfangen! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre schon mal ein Ansatz!)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1804303500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

beraten in dieser Woche den neunten Bundeshaushalt,
der von einer unionsgeführten Bundesregierung seit
2005 aufgestellt wird. Man kann in der Tat sagen, dass
das eine Erfolgsgeschichte ist.


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Sie können ruhig lachen. Seit Sie nicht mehr dabei
sind, ist es eine Erfolgsgeschichte. – Die Aussichten sind
sonnig. Deutschland wird in diesem Jahr ein Wirt-
schaftswachstum von – es wurde gerade nach oben kor-
rigiert; ein halbes Jahr ist ja bereits um – wahrscheinlich
über 2 Prozent erreichen; 2015 wird es voraussichtlich
bei 2,2 Prozent liegen. Der Arbeitsmarkt – auch das ist
heute bereits angeklungen – bleibt dynamisch. Bei den
Beschäftigtenzahlen jagen wir von einem Allzeithoch
zum nächsten: Wir haben fast 43 Millionen Erwerbstä-
tige, und zwar entgegen anderslautenden Unkenrufen
von den Linken – es war ja klar; die kommen immer –





Dr. Joachim Pfeiffer


(A) (C)



(D)(B)

sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das sind
mehr als 3 Millionen sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigte mehr als 2005, als die Union die Regierung
übernommen hat.

Dass dies so ist, hat vor allem damit zu tun, dass wir
solide gewirtschaftet haben, dass der Bundeshaushalt
heute so solide aufgestellt ist wie schon lange nicht
mehr. Die Wirtschaft gedeiht eben am besten, wenn sie
verlässliche Rahmenbedingungen und genug Freiheit zur
kreativen Entfaltung hat. Deshalb möchte ich zu Beginn
meiner Ausführungen das Thema Staatsquote, das früher
häufig diskutiert wurde, ansprechen. Sie ist nämlich ein
Maß dafür, wie es um diese Freiheit steht. Bei der Staats-
quote gilt, anders als bei Wachstum und Beschäftigung:
weniger ist mehr. Je niedriger die Ausgaben der öffentli-
chen Haushalte sind, umso positiver ist es; denn umso
weniger mischt sich der Staat in die Wirtschaftsprozesse
ein. Weniger staatliche Steuerung bedeutet mehr Frei-
raum für Wachstum, Innovation und Beschäftigung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Staatsquote sinkt; Wachstum, Beschäftigung und
Wettbewerbsfähigkeit steigen. Wir haben heute in
Deutschland eine Staatsquote von unter 45 Prozent, mit
weiter sinkender Tendenz. Ende der 90er-Jahre lag sie
bei über 50 Prozent. In der Krise ist sie temporär wieder
etwas nach oben gegangen und auf über 48 Prozent an-
gestiegen, und zwar durch die Konjunkturpakete und
den Einbruch im privaten Bereich, den wir 2008, 2009
und Anfang 2010 erlebt haben. Aber jetzt stimmt die
Richtung wieder.

Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt signifikant,
dass die Lage in den Ländern, in denen die Staatsquote
hoch ist, nämlich in Frankreich mit 57 Prozent, in Italien
mit über 51 Prozent und in Griechenland mit immer
noch über 50 Prozent – dort waren es ja einmal fast
60 Prozent –, weitaus schlechter ist als bei uns. Das
heißt, der Weg, den wir in Deutschland eingeschlagen
haben, ist auch der richtige Weg – das ist keine Besserwis-
serei oder Arroganz; das ist unsere eigene Erfahrung – für
Europa. Das ist verschiedentlich angeklungen; auch der
Wirtschaftsminister hat das vorhin angesprochen. An
Konsolidieren und Wachsen werden wir auch in Europa
nicht vorbeikommen. Insofern ist schon die Diskussion
über die Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstums-
paktes gefährlich; denn das sendet falsche Signale aus.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist flexibel ge-
nug. Frankreich und Italien haben jetzt mehr Zeit für die
Umsetzung bekommen. Diese Flexibilität gilt es zu nut-
zen. Aber es muss natürlich schon mit Strukturreformen
begonnen werden. Frankreich ist leider immer noch sehr
zögerlich.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist aber höflich ausgedrückt!)


Wenn man weniger schnell in die falsche Richtung geht,
dann geht man immer noch in die falsche Richtung. Man
muss in die richtige Richtung gehen. Es sind entspre-
chende Strukturreformen an den Märkten vorzunehmen,
am Arbeitsmarkt und auch an den Gütermärkten, damit
es in die richtige Richtung geht und mittelständische Un-
ternehmen eine Chance bekommen und Innovationen
gefördert werden. Wir dürfen insofern nicht den Zeige-
finger erheben, sondern müssen mit Überzeugungsarbeit
in Europa dafür werben und demonstrieren, dass der bei
uns eingeschlagene Weg auch für den Rest Europas der
richtige ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber auch wir sollten uns keinesfalls auf unseren Lor-
beeren ausruhen; denn es gilt ganz klar: Wer nicht immer
besser wird, hört auf, gut zu sein. – Deshalb müssen
auch wir weitere Schritte unternehmen.

Da wir über den Haushalt sprechen, will ich hier fest-
halten: Den eingeschlagenen Weg – Konsolidieren und
Wachsen – gilt es auch bei uns weiterzugehen, insbeson-
dere was die Maastricht-Kriterien angeht. Wir haben es
in den vergangenen vier, fünf Jahren geschafft, den
Haushalt mehr oder weniger stabil zu halten; das Volu-
men ist dieses Jahr sogar geringer als im letzten Jahr.
Das heißt, wir müssen keine schmerzhaften Einschnitte
vornehmen, können es uns aber – bei anhaltendem
Wachstum im privaten Sektor und einem starken Bin-
nenkonsum, der mittlerweile eine mindestens genauso
wichtige Säule des Wachstums ist wie der Export –
gleichzeitig erlauben, das Staatsdefizit zu drücken. Die
Verschuldung liegt bei uns bereits deutlich unter 80 Pro-
zent des Bruttoinlandsprodukts, und wir werden in die-
ser Legislaturperiode eine Verschuldung unter 70 Pro-
zent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Ziel ist, in der
nächsten Legislatur eine Verschuldung von 60 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. Das ist der rich-
tige Weg für Deutschland; das ist auch der richtige Weg
für Europa.


(Beifall des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/ CSU])


Wir investieren in Bildung und Forschung. 2014 ste-
hen 14 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur
Verfügung. Das ist fast doppelt so viel wie 2005, als wir
die Regierung übernommen haben; damals waren es
7,5 Milliarden Euro. Von den im Koalitionsvertrag ver-
einbarten zusätzlichen 9 Milliarden Euro für Bildung
und Forschung – der Wirtschaftsminister hat es vorhin
angesprochen – fließen 5 Milliarden Euro in Schulen
und Hochschulen, 1 Milliarde Euro in den Kitaausbau
und 3 Milliarden Euro in den Bereich „Forschung und
Entwicklung“. Das Ziel, 3 Prozent des Bruttoinlandspro-
dukts für Forschung und Entwicklung aufzuwenden,
wird damit dauerhaft gesichert.

Mit neuen Impulsen wird das Zentrale Innovations-
programm Mittelstand, das hervorragend läuft und das
wir auch mit diesem Haushalt weiter stabilisiert haben,
damit möglichst alle sinnvollen Projekte gefördert wer-
den können, auf höchstem Niveau mit 500 Millionen
Euro fortgeführt. Ich will wiederholen, was der Kollege
Mattfeldt vorhin gesagt hat –: Aus Sicht der Union ist
das ZIM das zentrale Förderinstrument für den Mittel-
stand, für Innovationen, für Anwendungsorientierung.





Dr. Joachim Pfeiffer


(A) (C)



(D)(B)

Sollte sich erweisen, dass wir die Mittel noch erhöhen
müssen, dann werden wir dies im Haushalt 2015 und da-
rüber hinaus berücksichtigen; denn die Mittel sind dort
gut angelegt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Marcus Held [SPD])


Wir investieren auch in den Ausbau der Infrastruktur,
nicht nur im Bereich der Verkehrswege – dafür stellt der
Bundeshaushalt 5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung –,
sondern auch im Bereich der Breitbandinfrastruktur, und
zwar intelligent, nämlich nicht nur durch Steuer- und
Haushaltsmittel, sondern auch durch die Digitale Divi-
dende II. Hier müssen auch die Länder mitmachen. Ich
denke, wir sind da auf einem guten Weg. Wir nutzen
nicht mehr benötigte Frequenzen für den Breitbandaus-
bau, damit über Funk neben Kabel und anderen Breit-
bandinfrastrukturen neue Wege ermöglicht werden. Mit
dem eingenommenen Geld beschleunigen wir den Breit-
bandausbau, der dringend notwendig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Fakt ist – auch das ist vorhin angeklungen –: Wir ha-
ben einen Investitionsstau, den wir nicht nur mit öffentli-
chen Mitteln, weder auf Bundes- noch auf Länder- oder
kommunaler Ebene, beheben können. Vielmehr müssen
wir uns ganz genau anschauen, warum nicht nur bei den
energieintensiven Unternehmen die Abschreibungen hö-
her sind als die Investitionen, warum also – auf gut
Deutsch – eine Deindustrialisierung stattfindet, warum
wir von der Substanz leben, auch im Verkehrsinfrastruk-
turbereich. Die ganze Welt will im Moment in Deutsch-
land investieren, aus Sicherheitsgründen und auch weil
die Rahmenbedingungen attraktiv und verlässlich sind.
Wir müssen deshalb das Modell der Public-private-Part-
nership so organisieren, dass das Geld, das nach
Deutschland will, auch nach Deutschland fließen kann.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804303600

Herr Kollege!


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1804303700

Wir müssen uns im steuerlichen Bereich – Stichwort

„kalte Progression“ oder in Bezug auf die Abschrei-
bungsbedingungen – entsprechend ausrichten.

Herr Präsident, es gäbe in der Tat noch viele Punkte
zu nennen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804303800

Das habe ich mir gedacht, jawohl.


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1804303900

Diese werden wir in der morgigen Debatte über den

Energiebereich diskutieren bzw. bleiben anderen Wirt-
schaftsdebatten, zum Beispiel über Fachkräfte, Wachs-
tum, Gründungsfinanzierung oder Freihandel, vorbehal-
ten.

Ich komme zum Schluss. Mit dem vorliegenden
Haushalt, den wir heute diskutieren und morgen verab-
schieden, schaffen wir mehr Wirtschaftswachstum, för-
dern Innovationen und erfolgreiches Unternehmertum
und stärken die Fachkräftegewinnung. Damit werden
wir unserer Verantwortung für Deutschland und für
Europa gerecht.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804304000

Das Wort erhält nun die Kollegin Julia Verlinden für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804304100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren!

Besonders wichtig ist mir, dass wir unsere Finanzen
der nächsten Generation geordnet übergeben, dass
wir die Energiewende zum Erfolg führen …

Das sagte Frau Bundeskanzlerin Merkel in ihrer diesjäh-
rigen Neujahrsansprache.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das machen wir auch! – Dr. Michael Fuchs [CDU/ CSU]: Gerade das machen wir!)


Das ist, wie ich finde, ein frommer Wunsch; denn Ihre
Regierungsrealität sieht ganz anders aus.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was? Das stimmt doch gar nicht!)


Sie fahren die Energiewende an die Wand, Frau Merkel,
und Ihre Haushaltspolitik ist unsolide und zukunftsver-
gessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Held [SPD]: Hört! Hört!)


Schauen wir doch einmal ganz genau hin. Fließt das
Geld eigentlich für oder gegen die Energiewende? Wo-
hin fließt das Geld, und wo fehlt Geld für die Energie-
wende?

Herr Gabriel behauptet ja, die Energieeffizienz sei die
zweite Säule der Energiewende. Ich sage Ihnen, wie
diese Säule bei Ihnen aussieht: Sie ist schmal, brüchig
und innen hohl. Bei der Energieeffizienz kündigen Sie
an, versprechen etwas und halten Sonntagsreden. Aber
wenn wir einmal etwas Konkretes über Ihre Pläne erfah-
ren, dann stellen wir fest: Sie schreiben ein paar alte Pro-
gramme neu zusammen und rechnen sich die Ergebnisse
schön. Die andere Säule der Energiewende, die erneuer-
baren Energien, sägen Sie mit der EEG-Novelle gerade
ab. Ich sage es einmal so: Ein Haus, auch ein Ministe-
rium, kann nicht auf zwei kaputten Säulen stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie reden von Energiewende. Herr Tiefensee hat be-
hauptet, wir redeten sie schlecht. Im Gegenteil: Wir wol-
len die Energiewende, aber wir wollen sie auch wirklich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Julia Verlinden


(A) (C)



(D)(B)

Ich erlebe bei der Regierung keinen politischen Mut für
zukunftsfähige Entscheidungen für Energieeffizienz und
erneuerbare Energien. Geld wollen Sie auch nicht dafür
ausgeben. Sie haben stattdessen umso mehr Geld für die
Kohle. Für die Steinkohleförderung und -stilllegung
wollen Sie dieses Jahr immer noch 1,3 Milliarden Euro
ausgeben.


(Zuruf von der SPD: Das sind doch alte Verträge!)


Sie fördern fleißig die Energie von gestern. So ist es.

Hinzu kommen die indirekten staatlichen Förderun-
gen in Form von Steuererleichterungen und Ausnahme-
regelungen im Energiesektor. Das Umweltbundesamt hat
ausgerechnet, dass im Jahr 2010 allein im Bereich der
Energiebereitstellung und -nutzung mehr als 21 Milliar-
den Euro umweltschädliche Subventionen flossen. Die
besondere Ausgleichsregelung für die Industrie beim
EEG macht nur einen Teil aus. Hinzu kommen Begünsti-
gungen für die Braunkohlewirtschaft, Energiesteuerver-
günstigungen für Kohle, kostenfreie Zuteilung von CO2-
Zertifikaten und, und, und. Das ist ein unhaltbarer Zu-
stand.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sind 21 Milliarden Euro für ökologisch schädli-
che Subventionen allein im Energiesektor. Hinzu kom-
men noch hohe Subventionen im Verkehrssektor wie
zum Beispiel die Privilegierung von schweren Dienstwa-
gen oder die milliardenschwere Bevorzugung des Flug-
verkehrs gegenüber der Bahn. Mit diesen Anreizen ge-
lingt die Energiewende im Verkehrsbereich wohl kaum.

Das Umweltbundesamt berechnet für das Jahr 2010
insgesamt 51,5 Milliarden Euro ökologisch schädlicher
Subventionen – allein im Bundeshaushalt; das muss man
hinzufügen. Diese Ausgaben sind für die Energiewende
und den Klimaschutz kontraproduktiv und müssen kon-
sequent reduziert werden;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


denn ökologisch schädliches Verhalten darf nicht noch
finanziell belohnt werden. Stattdessen sollten wir in die
Zukunft investieren. Aber die 3 Milliarden Euro, die wir
für unseren grünen Energiesparfonds vorschlagen, wol-
len Sie nicht zur Verfügung stellen, Herr Gabriel. Daran
sieht man, wo Ihre Prioritäten liegen: Kohle für die
Kohle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Durch unser Konzept eines Energiesparfonds – Frau
Hajduk hat schon darauf hingewiesen – würden wir un-
abhängiger von fossilen Brennstoffen werden. In unserer
Volkswirtschaft würde Geld, das bisher noch in Energie-
importe fließt und das Klima anheizt, in Zukunft wieder
für andere Dinge zur Verfügung stehen. Aber offensicht-
lich sind Ihnen die Energieträger von gestern viel mehr
wert als die Energieeinsparung, die technologische Inno-
vation und der Klimaschutz von morgen. Das lässt doch
tief blicken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie die Energiewende wirklich wollen, dann
stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu. Unterstüt-
zen Sie damit zum Beispiel die Aufstockung des so wich-
tigen KfW-Gebäudesanierungsprogramms auf 2 Milliar-
den Euro, und stimmen Sie für unseren Antrag zum
grünen Klimaschutzhaushalt!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804304200

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Marcus

Held das Wort.

(Beifall bei der SPD)



Marcus Held (SPD):
Rede ID: ID1804304300

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unserer
Wirtschaft in Deutschland geht es gut. Das kann man sa-
gen, wenn man sich die Situation im Jahr 2014 ansieht.
Dafür sind viele verantwortlich: verantwortungsbe-
wusste Unternehmerinnen und Unternehmer, motivierte
und engagierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
aber auch mutige Entscheiderinnen und Entscheider auf
der politischen Ebene, die für zukunftsorientierte Wei-
chenstellungen in der Wirtschaftspolitik gesorgt haben
und auch in der Gegenwart sorgen.

Vergleicht man die Situation in vielen Ländern Euro-
pas mit der in Deutschland, so kann man heute sagen:
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.


(Beifall bei der SPD)

Die SPD stand bereits in der Zeit von 1998 bis 2005

mit der Agenda 2010 für eine Politik mit Weitblick. Von
diesem Weitblick profitieren wir noch heute, in der Ge-
genwart. Die Verantwortlichen in europäischen Ländern
wie beispielsweise Frankreich werden dort gegenwärtig
für Massenarbeitslosigkeit und fehlendes Wirtschafts-
wachstum verantwortlich gemacht, obwohl ihre Vorgän-
ger in den zurückliegenden 20 Jahren hätten handeln
müssen, dies aber nicht getan haben. Auch und gerade
im Interesse der deutschen Wirtschaft als Exportmeister
und der Arbeitsplätze hier müssen wir die Länder unter-
stützen, die jetzt bereit sind, zukunftsorientierte Refor-
men auf den Weg zu bringen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])


Die von den europäischen Sozialdemokraten am letz-
ten Wochenende in Paris angestoßene Diskussion und
die damit verbundenen Vorschläge unseres Ministers
Sigmar Gabriel sind sinnvoll. Sie stellen einen Weg dar,
wie wir den radikalen politischen Auswüchsen in leider
viel zu vielen europäischen Nachbarländern endlich be-
gegnen können. Wir müssen ihnen begegnen, meine Da-
men und Herren, weil diese politischen Auswüchse
durch wirtschaftlichen Niedergang, Massenarbeitslosig-
keit und Perspektivlosigkeit bei den Jugendlichen verur-
sacht worden sind. Wir müssen dem entgegentreten,
wenn wir es mit Frieden, Freiheit und Wohlstand in ganz
Europa ernst meinen.


(Beifall bei der SPD)






Marcus Held


(A) (C)



(D)(B)

Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen zu Deutsch-
land als Industrienation. Wir wollen die Bundesregie-
rung und unseren Minister Sigmar Gabriel dabei unter-
stützen, wenn er neue wirtschaftliche Akzente setzt,
nachdem das Wirtschaftsministerium in der zurücklie-
genden Legislaturperiode bekanntlich eher ein Schatten-
dasein führte. Wir tun dies mit der Reform des EEG, in-
dem wir die im internationalen Wettbewerb stehenden
Industriebetriebe auch in Zukunft vor zusätzlichen Um-
lagen schützen und damit viele Hunderttausende wich-
tige Arbeitsplätze hier in Deutschland sicherstellen und
für die Zukunft erhalten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir tun dies aber auch als Bundesregierung, wenn es
um die Stärkung des Handwerks und des Mittelstandes
geht. Wir wollen dem Fachkräftemangel begegnen und
gerade jüngere Menschen für eine Ausbildung im Hand-
werk begeistern. Hier müssen wir auch das Bewusstsein
in der Gesellschaft verändern und den Wert des Hand-
werks sowie die Bedeutung der Handwerksberufe in der
Gesellschaft herausstellen.


(Beifall bei der SPD)


Auch müssen wir die wachsende Bürokratie bekämpfen
und endlich dafür sorgen, dass sich junge Handwerks-
meister um ihre Kunden kümmern können und nicht den
ganzen Tag Formulare ausfüllen müssen, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir wollen neue Wirtschaftszweige erschließen, die
in Deutschland bisher leider viel zu wenig Beachtung
gefunden haben, so zum Beispiel den Bereich des Tou-
rismus. Meine Damen und Herren, ich komme aus der
wunderschönen Region Rheinhessen in Rheinland-Pfalz,
wo mit Worms als eine der ältesten Städte in Deutsch-
land Historie greifbar wird und mit den Nibelungen-
Festspielen ein bundesweit einzigartiges kulturelles
Highlight existiert,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das war der Werbeblock! Okay!)


wo mit Oppenheim und der weltbekannten Weinlage
„Krötenbrunnen“, Herr Kauder, ein Aushängeschild be-
steht, das seit Jahrzehnten für exzellente Rebsäfte steht,
und wo mit der typischen rheinhessischen Hügelland-
schaft rund um Alzey eine einzigartige Landschaft zum
Verweilen und Entspannen einlädt. Solche wunder-
schöne Regionen gibt es in ganz Deutschland.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Diese Regionen müssen wir touristisch fördern und ge-
meinsam im In- und Ausland – europaweit und interna-
tional – dafür werben, um zusätzliche innovative, mo-
derne Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür wollen wir uns
einsetzen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


In der derzeitigen Niedrigzinsphase muss es möglich
sein, dafür zu sorgen, für solche neuen wirtschaftlichen
Ansätze günstige Kredite zur Verfügung zu stellen.
Die Niedrigzinsphase stellt uns aber auch vor Pro-
bleme, so beispielsweise bei der Altersvorsorge. Die Al-
tersvorsorge für zwei Generationen ist in Gefahr. Hier
müssen wir gemeinsame Kraftanstrengungen unterneh-
men und nach neuen Rezepten suchen, damit es in
Deutschland wieder wie früher heißen kann: Unser Ziel
ist Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Deshalb
fordere ich Banken, Versicherungen und natürlich auch
die Wirtschaft und die Politik auf, gemeinsam nach
neuen Produkten zu suchen, diese in den kommenden
Jahren zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen.

Möglich wird dies mit einer starken deutschen Wirt-
schaft im Rücken sein, die zusammen mit den Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern entsprechende Finanz-
mittel erwirtschaften kann und auch in Zukunft
Innovation und soziale Gerechtigkeit verbindet.

Für Innovation und soziale Gerechtigkeit stehen wir,
meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen
auch in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass Ent-
scheidungen in Deutschland im Konsens getroffen wer-
den, im Konsens zwischen Arbeiternehmern, Arbeitge-
bern und Politik. Dann bin ich mir auch sehr sicher, dass
wir weiterhin positiv gestimmt sein können, wenn es um
die Zukunft der Wirtschaft in Deutschland geht.

Deshalb sollten wir dem heute vorgelegten Haushalts-
entwurf zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804304400

Das war die erste Rede des Kollegen Marcus Held.

Herr Kollege, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu die-
ser ersten Rede.


(Beifall)


Als nächster Redner hat der Kollege Peter Ramsauer
das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1804304500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Deutschland ist die fünftgrößte Volkswirt-
schaft der Welt. Alles, was damit zusammenhängt, was
uns dazu gemacht hat, ist schon vielfach gepriesen wor-
den: Rekordbeschäftigung, Rekordtiefstand bei der
Arbeitslosigkeit, großartige Wachstumserwartungen,
Nullverschuldung, Rekordsteuereinnahmen, dass wir
Wachstumslokomotive und Stabilitätsanker in Europa
sind, all das ist wahr. Aber so eindrucksvoll diese Bilanz
auch ist, so wenig dürfen wir uns damit zufriedengeben
und so wenig dürfen wir uns darauf ausruhen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ja, wir sind die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Wahr ist aber auch, dass unser Anteil an der Weltwirt-
schaft im Jahr 2005 noch bei 4,6 Prozent lag, während er
derzeit bei 3,7 Prozent liegt. Allein diese Zahlen ver-
deutlichen, dass sich gewisse Relationen verschieben.





Dr. Peter Ramsauer


(A) (C)



(D)(B)

Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass wir den Vor-
sprung, den wir gerade in Europa haben, sichern. Eine
Selbstermahnung darf hier auch sein: Wir dürfen uns
auch nicht in einer großkoalitionären Selbstzufriedenheit
ergehen. Nein, wir müssen alles tun, um unsere Wettbe-
werbsfähigkeit zu sichern, und alles unterlassen, was
diesem Ziel entgegensteht, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mir ist dies sehr deutlich geworden, als ich vor eini-
gen Monaten meinen Antrittsbesuch als Vorsitzender des
Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen
Bundestags bei meinem Pendant in der französischen
Assemblée nationale, beim Vorsitzenden des dortigen
Wirtschaftsausschusses, gemacht habe. Er hat zu mir
Folgendes gesagt: Unsere französische Bitte an euch
Deutsche ist, dass ihr weitermacht – er hat immer gesagt:
Continuez! –


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


bei der Erhöhung der Energiekosten, macht bitte weiter
bei der Erhöhung eurer Arbeitskosten, und macht bitte
weiter bei der Erhöhung eurer Sozialkosten! – Ich habe
mich gefragt: Was will er mir damit sagen? – Dann kam
die Begründung, er hat gesagt: Dadurch schmälert ihr
Deutschen eure Wettbewerbsfähigkeit, und wir Franzo-
sen brauchen uns nicht mehr so anzustrengen, um mit
euch mithalten zu können.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber kein kluger Mann! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: So kann er sein, der Franzose!)


– Das war kein kluger Mann, sagen Sie. Also, das war
ein Sozialist.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eben!)


Aber er hat gesagt, er sei von der Rocard-Sorte, also
– wer das noch weiß – ein anständiger Sozialdemokrat,
würden wir auf Deutsch sagen.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: „Sozialdemokrat“ ist in Frankreich ein Schimpfwort!)


Das gibt einem natürlich zu denken. Wir werden in
der nächsten Woche die Mindestlohngesetzgebung ab-
schließen. Wir haben das Rentenpaket abgeschlossen.
Ich muss sagen: Aus wirtschaftlicher Sicht gehen wir
hier an die alleräußerste Grenze dessen, was die Wirt-
schaft verkraften kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir können es uns nicht leisten – so viel sei schon jetzt
gesagt –, mit der Mindestlohngesetzgebung einen Lohn-
kostenschub auszulösen.


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Das wird die deutsche Wirtschaft nicht ohne Weiteres
und nicht ohne Folgen verkraften. Es ist völlig klar, dass
durch eine solche Mindestlohngesetzgebung ein Druck
von unten auf das gesamte Lohngefüge ausgeübt wird;
das ist vollkommen klar.


(Zuruf von der SPD: Das ist auch gut so!)

Wir dürfen auch keinen Einheitsbrei bei der Lohnfin-
dung erzeugen. Wichtig ist für uns das Primat der Tarif-
partnerschaft. Die Tarifautonomie darf nicht angetastet
werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein anderer Punkt,
den auch Kollege Wolfgang Tiefensee schon angespro-
chen hat – wir müssen uns viel intensiver damit aus-
einandersetzen, und mir bereitet das Sorge –, ist die
Frage der Investitionen sowohl im öffentlichen Bereich
als auch im Bereich der Privatwirtschaft. Wir alle wis-
sen: Investitionen sind der Treibstoff für Wachstum, für
Wertschöpfung, für Arbeitsplätze und für Wohlstand.
Wir haben, was die deutsche Investitionsquote im welt-
weiten Vergleich anbelangt – Kollege Wolfgang
Tiefensee hat es gesagt –, in der Tat ganz erheblichen
Nachholbedarf. Wenn man sich die Zahlen ansieht, stellt
man fest: 1998 lag die Investitionsquote im damaligen
Bundeshaushalt noch bei 12,8 Prozent. Im Haushalt die-
ses Jahres liegt sie, wenn man den ESM herausrechnet,
was man natürlich fairerweise tun muss, bei 8,6 Prozent,
und bis 2018 fällt sie auf 8,3 Prozent.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das müssen wir ändern, Herr Ramsauer!)


Wenn man sich das ansieht, kommt man natürlich zu
dem Ergebnis: Relativ investieren wir viel zu viel in den
unproduktiven Teil unserer Volkswirtschaft und immer
noch viel zu wenig in den produktiven Teil unserer
Volkswirtschaft.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Na, das ist ja eine völlig neue Erkenntnis!)


Wir können auf Dauer nicht von der Substanz leben.

Aber es geht nicht nur um den öffentlichen Bereich.
Was mindestens genauso viel zu denken gibt, ist die Tat-
sache, dass im privatwirtschaftlichen Bereich leider im-
mer weniger investiert worden ist. Wenn man sich bei-
spielsweise die energieintensiven Branchen ansieht
– über sie haben wir in den letzten Wochen und Tagen
im Zusammenhang mit der Novellierung des Erneuer-
bare-Energien-Gesetzes sehr viel gesprochen –, stellt
man fest: Die energieintensiven Branchen können ihren
Kapitalstock nicht mehr halten, weil ihre Investitionen
geringer sind als ihre Abschreibungen. Wenn man es ein-
mal kaufmännisch betrachtet: Die energieintensiven
Branchen investieren nur noch 85 Prozent ihrer Ab-
schreibungen neu. Eigentlich müssten es deutlich über
100 Prozent sein, weil die Reinvestition wegen der In-
vestitionskosten nach Wiederbeschaffungskosten immer
über der finanzbuchhalterischen Abschreibung liegen
muss; so ist das nun einmal. Es gibt also ein ganz großes
Loch zwischen dem, was abgeschrieben wird, und dem,
was reinvestiert wird. Es muss für uns ein lautes Alarm-
signal sein, dass dies so ist. Dahinter verbirgt sich ein
schleichender Prozess der Abwanderung aus Deutsch-
land in andere Länder.

Ein Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Au-
ßenhandelspolitik; sie kam in dieser Debatte bisher et-
was zu kurz. Wir wissen, dass es aus manchen Ländern,
auch in der EU, in der Euro-Zone, vonseiten mancher In-





Dr. Peter Ramsauer


(A) (C)



(D)(B)

stitutionen, aber auch vonseiten der Linken in diesem
Hause die Forderung gibt, Deutschland müsse seinen
Außenhandelsüberschuss abbauen.


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Genau!)


Eine solche Forderung ist kompletter ökonomischer Un-
fug.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Selbst wenn wir dies täten, würde dies nie die strukturel-
len Probleme in den jeweils betroffenen schwachen Län-
dern in der Euro-Zone lösen. Es kann und darf nicht
unser Ansinnen sein, dass Deutschland seine Wettbe-
werbsfähigkeit um den Preis ausgeglichener Leistungs-
bilanzen innerhalb des Euro-Raumes aufgibt. Das dürfen
wir niemals tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb lautet mein Credo: Nicht der Bessere – nicht
wir – hat sich an den Schlechteren und Schwächeren zu
orientieren, sondern bitte gefälligst umgekehrt!


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804304600

Herr Kollege Ramsauer, lassen Sie eine Zwischen-

frage von Herrn Ernst zu?


Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1804304700

Gerne.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ach, jetzt wird es anstrengend!)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804304800

Herzlichen Dank. – Meine Frage ist sehr einfach. Sie

haben gerade gesagt, der Abbau des Außenhandelsüber-
schusses wäre falsch und geradezu katastrophal. Jetzt
haben wir nach wie vor ein gültiges Gesetz, das sich Sta-
bilitätsgesetz nennt. In diesem Stabilitätsgesetz ist als
Ziel staatlicher Wirtschaftspolitik von ausgeglichenen
Handelsbilanzen, also ausgeglichenen Verhältnissen zum
Ausland die Rede. Wollen Sie mit Ihrer Aussage den
Deutschen Bundestag und die eigene Regierung auffor-
dern, sich künftig nicht mehr an dieses Gesetz zu halten,
das ja ausgeglichene Handelsbilanzen vorschreibt?


Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1804304900

Lieber Kollege Ernst, wir mögen uns persönlich ja

sehr gerne.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Man kann aus dieser Frage ableiten, dass Sie im Rahmen
Ihrer gewerkschaftlichen Ausbildung auch Wirtschafts-
kunde belegt hatten und dort etwas über das magische
Viereck gelernt haben, welches bekanntermaßen im Sta-
bilitätsgesetz verankert ist.

Wir haben hier aber auch gelernt, dass die vier Ziele
des magischen Vierecks – es gibt neben dem außenwirt-
schaftlichen Gleichgewicht ja noch drei weitere Ziele –
höchstens wirtschaftstheoretisch gleichzeitig erreicht
werden können und dass es dazwischen immer gewisse
Schwankungen gibt. Ohne diesen Außenhandelsüber-
schuss – ich halte meine Antwort kurz, obwohl ich jetzt
gerne eine kleine Vorlesung über Volkswirtschaft und
Stabilitätstheorie halten würde – würden wir die anderen
drei Ecken dieses magischen Vierecks in höchstem
Maße gefährden. Deswegen bedaure ich diesen Zustand
nicht, sondern ich freue mich darüber, dass es so ist.

Überall, wo man in der Welt hinkommt – wir waren
kürzlich miteinander irgendwo – –


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: China! – Zurufe von der Regierungsbank)


– Vielen Dank, lieber Herr Gabriel. China ist auch ir-
gendwo.


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Der Ernst war aber in Nordkorea! Er war falsch!)


Spaß beiseite. Wir waren zusammen in China. Das,
was wir dort gehört haben, bestätigt sich an allen Ecken
und Enden. Neulich in Korea, Bernd Westphal, haben
wir es wieder gehört: Das, was von uns aus Deutschland
dorthin exportiert wird, erfreut sich dort allergrößer Be-
liebtheit, nach dem Motto: Was aus Deutschland kommt,
ist nicht nur „Made in Germany“ – das ist ein Markenbe-
griff in der ganzen Welt –, sondern überzeugt auch durch
Qualität und Zuverlässigkeit. Wenn wir dadurch einen
Außenhandels- und einen Leistungsbilanzüberschuss ha-
ben, dann soll uns das recht sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So, jetzt ist gut!)


Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkom-
men zwischen der Europäischen Union und den Verei-
nigten Staaten – auch das ist schon kurz angesprochen
worden –: Ja, wir wissen, es gibt hierüber starke Debat-
ten in allen Lagern der Gesellschaft. In diesen Debatten
kommt mir aber viel zu kurz, dass auch einmal die Chan-
cen herausgestellt werden, die dieses Transatlantische
Freihandelsabkommen in sich birgt. Wir wollen von un-
seren Standards im Umweltbereich, im Sozialbereich, im
Gesundheitsbereich usw. ja nicht weg. Aber glaubt denn
jemand von uns, dass aufstrebende Volkswirtschaften
wie Indien, Brasilien und China mit ihren riesigen Wirt-
schaftsräumen darauf warten, bis wir Europäer uns ein-
mal bequemen, unsere Standards global zu setzen? Nein,
das tun sie nicht. Deswegen müssen wir zusammen mit
den Vereinigten Staaten – einen besseren Partner als die
Vereinigten Staaten kann ich mir hier nicht vorstellen –
die Kraft und die Fähigkeit aufbringen, in diesem Frei-
handelsabkommen global die Standards zu setzen, die
wir haben wollen. Genau darin liegen die großartigen
Chancen, und die dürfen wir nicht vertun.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein Allerletztes zum Export: Der Interministerielle
Ausschuss für Exportkreditgarantien hat beschlossen,
dass zukünftig keine Garantien des Bundes für den Ex-
port von Anlagen zur nuklearen Stromerzeugung über-
nommen werden sollen, und zwar mit der Begründung,
dass diese fehlende Deckung Folge des Atomausstiegs
ist. Was ich nicht will, ist, dass wir uns, wenn wir 2022





Dr. Peter Ramsauer


(A) (C)



(D)(B)

alle Atomanlagen abgeschaltet haben werden und diese
Anlagen dann auseinanderbauen, die einzelnen Teile
verwerten und lagern müssen, das Know-how für kern-
technische Fragen aus Frankreich, Japan oder China zu-
rückholen müssen. Deswegen halte ich diesen Teil der
Exportpolitik im Hinblick auf Garantien für einen Feh-
ler. Wir müssen alles daransetzen, dass wir dieses Wis-
sen im Lande behalten. Dazu gehört auch, dass wir uns
vornehmen, alles für unsere Wettbewerbsfähigkeit zu tun
und – noch einmal – alles zu unterlassen, was ihr entge-
gensteht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804305000

Das Wort hat Andreas Lämmel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1804305100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Als Vorwort ist festzustellen: Der Haushaltsplan
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist
auch 2014 solide finanziert. Er setzt auf Investitionen
und Innovationen. Insofern steht er in der Kontinuität
der letzten Jahre. Wir alle können diesem Haushalt mit
gutem Gewissen zustimmen.

Nun wurde in der Diskussion um diesen Haushalt im-
mer wieder das Thema Luft- und Raumfahrt erwähnt,
das einen großen Teil der Ausgaben für Forschung und
Technologie subsumiert. Natürlich muss man sagen: Das
Bundeswirtschaftsministerium ist kein Luft- und Raum-
fahrtministerium. Deswegen muss man sehen, dass die
Ausgewogenheit bei der Technologieförderung gewahrt
bleibt; denn es gibt weitere Technologiefelder, die ge-
nauso innovativ und genauso wichtig für die Zukunft un-
seres Landes sind.

Es hat auf der europäischen Ebene im letzten Jahr
Empfehlungen der „High-Level Group“ zur Weiterent-
wicklung der Schlüsseltechnologien gegeben, also der
Mikroelektronik, der Nanotechnologien und zweier wei-
terer Technologien. Man kann anhand der Mikroelektro-
nik sehen, dass in Europa 200 000 Arbeitsplätze direkt
an dieser Branche hängen und knapp 1 Million Arbeits-
plätze indirekt mit ihr verbunden sind.

Die IT-Industrie und die Forschung und Entwicklung
in diesem Bereich gewinnen immer mehr an Bedeutung.
Das hängt ganz einfach mit der nächsten industriellen
Revolution zusammen, wenn ich es einmal so sagen
darf, die vor der Türe steht. Das ist die sogenannte In-
dustrie 4.0, wie sie heute modern wie beim Internet be-
zeichnet wird.

Wenn man einen Blick zurück wirft, erkennt man,
dass die Industrie 3.0 ein technologischer Schritt gewe-
sen ist, bei dem es um die Digitalisierung der Industrie
und um den Einsatz von Informations- und Kommunika-
tionstechnologien ging. Diese Entwicklung hat Europa
im Wesentlichen verschlafen. Die Folgen davon sind
jetzt, dass die Amerikaner und die Asiaten mit ihren
übermächtigen Konzernen die Märkte dominieren. Beim
Eintritt in die Industrie 4.0 haben wir jetzt die große
Chance, dass Europa und damit Deutschland an der
Spitze mitmarschieren. Diese Chance müssen wir ergrei-
fen. Letztendlich geht es darum, den Kampf um die in-
dustrielle Produktion im 21. Jahrhundert zu gewinnen.

Das wurde auch von der Bundesregierung frühzeitig
erkannt. Man muss dafür nur einen Blick in die High-
tech-Strategie werfen, die schon vor Jahren entworfen
wurde. Darin kann man sehen, dass Deutschland zum
Leitmarkt für internetbasierte Technologien für die in-
dustrielle Produktion – das ist praktisch der Schritt in die
Industrie 4.0 – werden soll. Diese Industrie 4.0 ist eben
nicht mehr nur Sache des Wirtschaftsministeriums, son-
dern das ist mittlerweile zur Querschnittsaufgabe der
ganzen Bundesregierung geworden. Es geht letztlich um
die Vernetzung der Industrie. Dafür braucht man den
Breitbandausbau. Man braucht schnelle und leistungsfä-
hige Netze, um den Schritt zur Industrie 4.0 zu ermögli-
chen, einen entsprechenden Rechtsrahmen und einen ho-
hen Standard in den Informationstechnologien. Dies
alles können wir in Deutschland und in Europa gut.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat schon auf
diese technologische Entwicklung reagiert. Vielleicht ist
das den Grünen entgangen, sonst wären sie sicherlich
darauf eingegangen. Es gibt ein neues Förderprogramm,
das sich „Autonomik für Industrie 4.0“ nennt. Normale
Bürger verstehen die Begriffe aus der Industrie 4.0 wahr-
scheinlich nicht; man muss deshalb eine Übersetzung
mitliefern. Bei dem Programm Autonomik 4.0 geht es
genau darum, den Weg in die Industrie 4.0 zu beschrei-
ten. Es sind schon 14 Verbundprojekte aus diesem neuen
Förderprogramm genehmigt worden. Seitens des Bun-
deswirtschaftsministeriums werden 40 Millionen Euro
bereitgestellt, um diese Projekte voranzubringen. Wei-
tere 40 Millionen müssen übrigens die Industriepartner
selbst dafür aufbringen.

Meine Damen und Herren, was ist die nächste indus-
trielle Revolution, an der wir gemeinsam arbeiten? Das
ist im Prinzip ein Verbund aus intelligenten Komponen-
ten. Früher hat die Maschine gedacht. In der Industrie
4.0 denkt nicht nur die Maschine, sondern es denkt sozu-
sagen auch das Werkstück mit: Es gibt Befehle, wie es
bearbeitet werden möchte und was daraus entstehen soll.

Wenn wir als Politiker angehalten sind, mittel- und
langfristig zu denken, heißt das für uns: Industrie 4.0
muss in den nächsten Jahren im Mittelpunkt unserer
Überlegungen stehen. Deswegen finde ich es zum Bei-
spiel gut, dass das Bundesforschungsministerium nächste
Woche eine erste Mikroelektronikstrategie für Deutsch-
land in Brüssel präsentieren wird. Das ist aus meiner
Sicht ein erster Schritt in diese Richtung. Ich denke, Herr
Minister, wir werden in den nächsten Monaten darüber
diskutieren müssen, wie wir in Deutschland und natür-
lich auch in Europa – das wird Deutschland nicht alleine
leisten können – in diesen Schlüsseltechnologien zu ei-
ner Gesamtstrategie kommen können, um den Märkten
in Asien und Nordamerika Paroli zu bieten.





Andreas G. Lämmel


(A) (C)



(D)(B)

Die Energiepolitik ist ein ganz wichtiger Bereich für
die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Industrie. Aber der Blick in die Zukunft, das heißt das
Umsetzen von Konzepten für die Industrie 4.0, ist min-
destens genauso wichtig. Denn wenn dieser Zug an uns
vorbeifährt, dann müssen wir nicht mehr solche Debat-
ten führen, weil dann die Wertschöpfung abwandern
wird und die Sicherung des Wohlstands in Deutschland
infrage gestellt wird.

Ich hoffe, dass wir nach der Verabschiedung des
Haushaltes 2014 über die Eckpunkte 2015 und auch über
die mittelfristige Entwicklung des Haushaltes des Bun-
deswirtschaftsministeriums diskutieren. Ich bin mir si-
cher, dass wir gemeinsam eine Strategie entwickeln, um
uns den Herausforderungen stellen zu können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804305200

Zum Schluss dieser Debatte hat jetzt die Kollegin

Daniela Ludwig das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1804305300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben sehr viel über unterschiedlichste Wirt-
schaftsbranchen gehört, die für die Bundesrepublik
überlebensnotwendig sind und deren Funktionieren für
die Bundesrepublik lebensnotwendig ist. Ein Bereich
wurde dankenswerterweise von dem Kollegen Held
– leider nur von ihm – erwähnt. Es ist jetzt meine Auf-
gabe, eine der wichtigsten Branchen mit einer Wert-
schöpfung von 100 Milliarden Euro im Jahr und fast
3 Millionen Beschäftigten in Deutschland ein bisschen
in den Fokus zu rücken. Das ist der Tourismus in unse-
rem Land, der sehr, sehr wichtig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Marcus Held [SPD]: Endlich!)


Die 3 Millionen Beschäftigten in diesem Bereich sind
überwiegend in kleinen und mittleren Unternehmen tä-
tig. Das ist deshalb von Bedeutung, weil diese kleinen
und mittleren Unternehmen nicht einfach auswandern
können, wenn wir Rahmenbedingungen schaffen, die
nicht gut sind. Sie sind uns sozusagen ausgeliefert.
Umso wichtiger ist, dass wir von bundespolitischer Seite
die Rahmenbedingungen für unsere deutsche Tourismus-
branche so gut wie möglich halten.

Die Bundesregierung wird noch in dieser Legislatur-
periode – ich denke, in Kürze, Herr Minister; so sind wir
jedenfalls im Ausschuss verblieben – ein Konzept für
den Kulturtourismus auflegen. Sie werden sich denken:
Warum ist das so wichtig? Wir sind doch im Städtetou-
rismus führend in Europa. – Ja, das sind wir. Wenn wir
aber schon einmal die Touristen in unseren Städten ha-
ben – kein anderes Land in Europa hat so viele kulturell
wertvolle Stätten wie Deutschland –, sollten wir die
Chance nutzen und sie aus unseren Städten in die ländli-
chen Regionen locken; denn auch dort verbirgt sich noch
sehr viel Wertschöpfung. Da können wir noch etwas tun.
Gerade Regionen, die wirtschaftlich nicht so stark aufge-
stellt sind, wohl aber über wertvolle Landschaften verfü-
gen, müssen wir die Chance eröffnen, noch mehr Touris-
mus zu ermöglichen. Ich bin sehr dankbar, dass wir dies
in Zusammenarbeit mit dem dafür zuständigen Bundes-
wirtschaftsministerium tun werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr kluge Worte!)


Es gibt allerdings Bausteine, die für das Funktionie-
ren des Tourismus unerlässlich sind. Ganz oben steht
eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus. Umwelt-
verträglichkeit wird auch in Zukunft ein großes Stich-
wort sein. Natürlich kommen die Menschen auch zu uns,
um Natur zu genießen. Wenn wir die Natur schädigen,
der Flächenverbrauch zu hoch ist und das Wasser in un-
seren Seen nicht mehr die wünschenswerte Qualität hat,
dann wird der Tourismus sehr bald sterben.

Ein weiteres Thema ist – darüber debattieren wir sehr
oft – die Erreichbarkeit unserer touristischen Regionen.
Wie gesagt, die Städte sind relativ gut erreichbar. Will
man aber darüber hinaus irgendwohin, wird es schwie-
rig, egal welchen Verkehrsträger man nimmt. Das heißt,
wir werden beim Erstellen des neuen Bundesverkehrs-
wegeplans darauf achten müssen, dass touristisch wert-
volle Regionen nach wie vor mit unterschiedlichen Ver-
kehrsträgern erreicht werden können. Das ist eine ganz
große Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich spielt es eine Rolle, ob WLAN in der jewei-
ligen Tourismusregion nutzbar ist. Weiterhin spielt es
eine große Rolle, ob die Verkehrsträger, die Hotels und
die touristischen Angebote barrierefrei sind. Wir wollen
Familien und älteren Menschen Reisen ermöglichen.
Wir wollen im Tourismus aber auch Inklusion fördern;
denn behinderte Menschen haben das gleiche Recht wie
wir nicht so stark Gehandicapten, dorthin zu reisen, wo-
hin sie wollen. Auch hier gibt es große Herausforderun-
gen, deren Bewältigung wir von Bundesseite mit der
Setzung entsprechender Rahmenbedingungen erfolg-
reich begleiten können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein weiterer Punkt ist der Fachkräftebedarf. Wir alle
haben den Anspruch, in unserem Urlaub oder zum Bei-
spiel heute Abend, wenn wir frei haben und Fußball
schauen,


(Marcus Held [SPD]: Dienstlicher Termin!)


von motiviertem, gut ausgebildetem Personal unterstützt
zu werden. Da spielt die Entlohnung natürlich eine
Rolle. Des Weiteren muss wahrscheinlich das Berufsbild
in der Gastronomie deutlich überarbeitet werden. Für
mich spielt allerdings die Frage nach der Anerkennung
die größte Rolle: Wie gehen wir mit den Menschen um,
die im Dienstleistungsbereich arbeiten? Schätzen wir es,





Daniela Ludwig


(A) (C)



(D)(B)

dass sie gut ausgebildet und freundlich sind und dass sie
unser Land bei ausländischen Touristen repräsentieren?
Ich glaube, hier haben wir noch ein Stück weit Nachhol-
bedarf, für dessen Deckung ich hier werben möchte.
Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zuletzt möchte ich der Deutschen Zentrale für Touris-
mus herzlich danken. Sie ist sozusagen unser Werbe-
fachmann im Ausland und unterstützt die Bewerbung
Deutschlands überall dort, wo wir wahrgenommen wer-
den. Wir sind davon abhängig, dass die Menschen zu uns
kommen. Die DZT plant die Errichtung eines Büros in
Brasilien erst im Jahr 2017. Im Moment haben wir einen
anderen Werbeträger in Brasilien. Das ist unsere deut-
sche Nationalmannschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hoffentlich noch lange!)


Bevor die DZT es macht, machen es hoffentlich unsere
Fußballer heute Abend.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Vergessen Sie
mir den Tourismus nicht!

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804305400

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die

Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09
– Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – in der
Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zu-
erst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag
auf Drucksache 18/1854? – Bündnis 90/Die Grünen und
die Linke. Wer stimmt dagegen? – Die Koalitionsfraktio-
nen. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Ände-
rungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 09 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? –
Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Wer enthält sich? –
Niemand. Damit ist der Einzelplan 09 mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen angenommen worden.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt II.15 auf:

Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und For-
schung

Drucksachen 18/1020, 18/1023

Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Swen
Schulz, Anette Hübinger, Roland Claus und Ekin
Deligöz.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Ent-
schließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag
nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat
Roland Claus das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804305500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau

Bundesministerin, ich will einmal mit der Frage begin-
nen: Was ist das Besondere an diesem Etat, über den wir
jetzt reden? Wenn man wie ich im Haushaltsausschuss
die Etats fast aller Bundesministerien bearbeitet hat,
kann man einen Vergleich ziehen. Ich weiß natürlich,
dass jeder Etat für sich zu Recht in Anspruch nimmt,
einzigartig zu sein;


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber hier ist es wirklich zu Recht!)


aber das Besondere an diesem Etat ist, dass das Bundes-
ministerium für Bildung und Forschung relativ wenig
verwalten muss und sehr viel zu verteilen hat.

Es ist also ein Etat der Förderprogramme und der
Finanzierung außeruniversitärer Forschung. Das erklärt
auch, warum es bei diesem Etat recht häufig ein hohes
Maß an Gemeinsamkeit im Parlament gibt und sehr viele
Entscheidungen über Maßnahmen getroffen werden, die
durchaus von der Gesamtheit des Parlaments unterstützt
werden.


(Beifall im ganzen Hause)


Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Niemand im Bun-
destag hat die Absicht, etwas gegen Bildung und Geld
für gute Bildung zu sagen.


(Heiterkeit)


Aber leider muss man zuweilen auch über schlechte Bil-
dungspolitik und schlechten Umgang mit Geld für For-
schung und Bildung reden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Frau Ministerin, ich weiß noch nicht, was Sie heute
sagen werden, aber ich habe Sie ja schon oft gehört. Sie
machen Ihren Erfolg, den Sie hier erklären, immer und
immer wieder daran fest, wie viele Mittel Sie auf den
Weg gebracht haben. Das, finde ich, ist Ihr Problem. Da-
bei kommen Sie ja noch gut weg. Entscheidend ist aber
doch nicht die Frage, wie viele Mittel man in das System
gegeben hat, sondern entscheidend ist: Was ist dabei he-
rausgekommen? Was ist erreicht worden? Welche gesell-
schaftlichen Veränderungen sind erzielt worden? Da
sieht die Bilanz natürlich anders aus.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Karamba Diaby [SPD]: 9 Milliarden!)


– Danke für den Zwischenruf. – Wer sich mit Milliarden
für die Bildung schmückt, der darf über ein gescheitertes
Bildungssystem nicht schweigen.





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der LINKEN)


So wie der Bundeshaushalt insgesamt ein Haushalt
der sozialen Spaltung ist, so setzt sich die soziale Spal-
tung im Bildungswesen fort. Die soziale Stellung von
Kindern und Jugendlichen entscheidet leider maßgeblich
über deren Bildungsweg. Ich sage Ihnen: Das muss end-
lich in einer gemeinschaftlichen Aufgabe überwunden
werden.


(Beifall bei der LINKEN)


16 verschiedene Schulsysteme in Deutschland sind nicht
zukunftsfähig. Die gehören allenfalls ins Museum.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt stehen wir wieder vor einem neuen Schuljahr.
Wir merken wieder mit aller Deutlichkeit gerade im
Westen und im Süden der Republik, dass ein mangelhaf-
tes Schulhortnetz das Problem mit sich bringt, dass in
der Regel junge Frauen aus der Erwerbsarbeit gedrängt
werden, mindestens aber in ihren Aufstiegschancen be-
hindert werden. Das ist anachronistisch. Das gehört ver-
hindert.


(Beifall bei der LINKEN)


Da ist es angebracht, zu sagen, dass die Bundesrepublik
bei der Ausgestaltung der deutschen Einheit leider nicht
in der Lage war, fortschrittliche Erfahrungen aus dem
Bildungswesen, aber auch aus dem Gesundheitswesen
der DDR zu übernehmen. Ich sage Ihnen: Für diese Er-
kenntnis bekommen Sie heute auch in Bayern Zustim-
mung.


(Beifall bei der LINKEN)


Gleich wird Frau Bundesministerin Wanka die vielen
begrüßenswerten Aufwüchse, die für diese Legislatur
vorgesehen sind, vorstellen. Aber trotz all dieser um-
fangreichen Förderprogramme ist Bundesministerin
Wanka eigentlich die Verliererin der Haushaltsberatun-
gen.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das sehen wir aber anders!)


– Das kann ich mir vorstellen.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das ist auch anders!)


Das will ich kurz erklären. Als wir im April über den
Etat gesprochen haben, sind Sie noch davon ausgegan-
gen, dass die 500 Millionen Euro, die für den Einstieg in
die Unterstützung der Länder in den Bereichen Kita,
Schule und Hochschule vorgesehen waren, beim Bun-
desfinanzministerium gewissermaßen nur geparkt sind,
Ihnen aber zur Verfügung stehen. Bei der Konsolidie-
rung in der letzten Nacht der Haushaltsberatungen sind
Sie hinsichtlich dieser Erwartung enttäuscht worden.
Jetzt können Sie diese Situation nicht nachträglich
schönreden; denn wir haben sehr wohl gemerkt, wie die
Kolleginnen und Kollegen aus Ihrem Ministerium um
diesen Posten gekämpft haben.


(René Röspel [SPD]: Das Geld ist doch nicht weg! Das dreht doch nur eine Runde!)

– Sie sind im Jahr 2014 an mehreren Stellen enttäuscht
worden, gehen aber wie selbstverständlich davon aus,
dass das 2015 alles wieder hereinkommt. Darüber wer-
den wir im September reden.


(Beifall bei der LINKEN)


Durch die Minderausgabe von 400 Millionen Euro,
ein gigantischer Betrag, den das Ministerium im Laufe
des Haushaltsjahres einzusparen hat, sind Sie mit einer
schwierigen Aufgabe belastet. Eine solche Minderausga-
benfestlegung stellt immer auch eine große Verführung
dar, nämlich die vorhandenen Fördermittel nicht konse-
quent abzufinanzieren, sondern möglichst etwas davon
stehen zu lassen. Sie treten natürlich die Flucht nach
vorne an und erklären uns, das werde im Jahr 2015 alles
besser. Das werden wir dann sehen.

Wenn man sich anschaut, welchen Weg die Förder-
mittel des Bundesministeriums nehmen, dann stellt man
fest, dass es zwei große Geldströme aus Berlin gibt: Der
eine geht von Berlin nach München und der andere von
Berlin nach Köln/Bonn. Verteilungsgerechtigkeit sieht
nach unserer Auffassung anders aus.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Willi Brase [SPD]: Was haben Sie denn gegen NRW?)


Frau Ministerin, Sie haben in diesem Jahr beim Etat
2014 die Kabinettsdisziplin leider über Ihre Ressortver-
antwortung gestellt.


(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das muss beim Etat 2015 deutlich anders werden.

Es geht auch nicht, dass bei einer BAföG-Reform, die
ja begrüßenswert ist, die Abgeordneten des Bundestages
vom Handeln der Exekutive erfahren; schließlich geht es
doch darum, das Parlamentsrecht gerade hinsichtlich des
Haushaltes auszuüben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir können aus vielen Fehlern des Jahres 2014 ler-
nen. Das beginnt damit, Frau Ministerin, dass Sie diese
Fehler bitte nicht auch noch zu Tugenden erklären.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Matte Rede war das!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804305600

Anette Hübinger hat als nächste Rednerin das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Anette Hübinger (CDU):
Rede ID: ID1804305700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die gute Botschaft
an den Anfang meiner Rede. Sie lautet: Bildung und





Anette Hübinger


(A) (C)



(D)(B)

Forschung haben, wie schon in den vergangenen Jahren,
auch in dieser Koalition Priorität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


In der Bereinigungssitzung hat die Koalition den Haus-
halt des Ministeriums für Bildung und Forschung um
weitere 85 Millionen Euro auf mehr als 14 Milliar-
den Euro erhöht. Damit erhöhen wir ihn zum neunten
Mal in Folge und erreichen einen Höchststand. Diesen
Weg wollen wir auch in den nächsten Jahren weiter-
gehen.

Es ist aber auch ein ganz besonderes Signal an Eltern,
junge Auszubildende und Studierende, aber auch in die
Forschungs- und Wissenschaftslandschaft hinein, dass
Deutschland auf diesem schon vor Jahren eingeschlage-
nen Weg, Bildung und Forschung in das Zentrum zu
stellen, weiter vorangeht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu
den Vorstellungen des Kollegen Claus werden wir diesen
Weg weiter verfolgen; denn im Koalitionsvertrag haben
wir festgelegt, dass 9 Milliarden Euro zusätzlich – haus-
halterisch allerdings erst ab 2015; die 85 Millionen Euro
in diesem Jahr zählen nicht dazu – in den Bildungsbe-
reich fließen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Für den Bund war ganz besonders wichtig, dass Inno-
vation und Forschung auf solide Füße gestellt werden.
Dafür haben wir 3 Milliarden Euro zur Verfügung ge-
stellt. Diesbezüglich werden wir insbesondere drei Maß-
nahmen ergreifen: Wir stärken die außeruniversitären
Forschungseinrichtungen. Wir werden aber auch die
Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative und den Pakt
für Forschung und Innovation finanzieren.

Für die Länder war ganz besonders wichtig, dass im
Zusammenhang mit den immer weiter steigenden Aus-
gaben im Bildungsbereich eine Entlastung erfolgt. Das
haben wir dadurch bewerkstelligt, dass der Bund die
Länder auf Dauer – nicht nur bezogen auf diese Legisla-
turperiode – von den Belastungen beim BAföG befreit.
Das bedeutet für den Bund Mehrausgaben von ungefähr
1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Wir haben in dieser Legis-
laturperiode auch 1 Milliarde Euro zur Verfügung ge-
stellt, um weiterhin den Krippen- und Kitaausbau voran-
treiben zu können. Das heißt, dass der Ausbau des
Betreuungsangebotes in Deutschland jetzt zügig voran-
gehen kann. Die durch die Entlastung der Länder frei
werdenden Mittel sollen auch weiterhin im Schul- und
Hochschulbereich eingesetzt werden. Das haben die
Länder fest zugesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich muss sagen: Das ist eine sehr kluge Entscheidung der
Länder; denn es gibt keinen Bereich, in dem Investitio-
nen eine so hohe Rendite bringen und so nachhaltig sind,
wie bei der Bildung. Deswegen kann man sie für diese
Entscheidung nur loben. Wir vom Haushaltsausschuss
werden allerdings auch ein Auge darauf haben, dass dies
so geschieht und dass es weiter in den richtigen Berei-
chen umgesetzt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Denn aus unserer Sicht ist wichtig, dass das Geld in die-
sem Bereich bleibt, damit das 10-Prozent-Ziel, das wir
uns einmal selbst gesetzt haben, also 10 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Bildung zu in-
vestieren, auch erreicht werden kann.

Auch wenn die 9 Milliarden Euro in diesem Jahr noch
nicht wirksam werden, muss ich dem Vorwurf von Herrn
Claus widersprechen, dass wir hier einfach Bildungsaus-
gaben wegstreichen; denn dass die 500 Millionen Euro
erst einmal geparkt waren, war eine reine Vorsorgemaß-
nahme des Bundesministeriums der Finanzen. Dafür ist
es da, und dazu ist es auch verpflichtet. Das heißt aber
nicht, dass die Politik sich nicht anders entscheiden
kann. Die Politik hat sich entschieden, mit der Bereitstel-
lung der 9 Milliarden Euro erst ab 2015 zu starten. Dabei
wird jeder Cent – darauf werden wir auch vonseiten des
Bundes achten – in Bildung und Forschung investiert
werden, und zwar im Laufe dieser Legislaturperiode.
Herr Claus, da können Sie also ganz beruhigt sein: Wir
werden bei Bildung und Forschung nicht kürzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Aber eine ordnungsgemäße Haushaltsführung bedeu-
tet auch, dass wir die Mittel so einstellen, dass sie abflie-
ßen können. Wir verabschieden jetzt den Haushalt 2014.
Wir haben ein halbes Jahr Umsetzungszeit für die Pro-
jektierung, die Ausschreibung, das Auswahlverfahren
und den Mittelabfluss. Das alles ist in einer dreifachen
Millionenhöhe eigentlich gar nicht seriös zu bewerkstel-
ligen. Wir haben gemeinsam mit den Fachpolitikern den
Einzelplan 30 in einigen Punkten so verändert, dass er
dem Koalitionsvertrag mehr entspricht, und zwar dort,
wo wir es für relevant halten. Wir haben bei dieser Nach-
justierung auch das halbe Jahr Haushaltsvollzug berück-
sichtigt, genauso wie unsere Eigenverpflichtung, die
Nettokreditaufnahme nicht zu steigern, sondern bei
6,5 Milliarden Euro zu belassen.

Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ei-
nige Punkte nennen. Leider ist der Hauptberichterstatter,
Herr Schulz, heute aufgrund einer Trauerfeier nicht an-
wesend. Ich gehe davon aus, dass Herr Heil noch mehr
Punkte als ich benennen wird.

Wir haben inhaltlich nachjustiert, zum Beispiel bei
der Berufsorientierung während der Schulzeit. Erforder-
lich ist nämlich eine gute Beratung von Schülerinnen
und Schülern, sei es im Hinblick auf eine duale berufli-
che Ausbildung oder im Hinblick auf ein Studium. Beide
Ausbildungsgänge sind für uns gleichwertig. Durch die
große Durchlässigkeit der einzelnen Ausbildungswege
eröffnen wir jungen Menschen gute Chancen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Anette Hübinger


(A) (C)



(D)(B)

Deshalb wurde der Titel „Maßnahmen zur Verbesserung
der Berufsorientierung“ um 10 Millionen Euro erhöht; er
umfasst jetzt 75 Millionen Euro.

Des Weiteren brauchen junge Menschen in einer glo-
balisierten Welt die Möglichkeit, Erfahrungen im Aus-
land zu sammeln. Deutschland braucht die Erfahrungen
und die Kompetenz junger Leute, um in allen gesell-
schaftlichen Bereichen – auch in Wirtschaft und Wissen-
schaft – im globalen Wettbewerb in einer immer enger
zusammenwachsenden Welt vorankommen zu können.

Wir haben mit dem DAAD und der Alexander-von-
Humboldt-Stiftung zwei weltweit renommierte Institu-
tionen. Auch deren Etat haben wir um 10 Millionen Euro
erhöht. Damit haben wir eine haushalterisch gute Grund-
lage für ihre so wichtigen Aufgaben geschaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir stärken den Bereich „Weiterbildung und lebens-
langes Lernen“ durch zusätzliche 3 Millionen Euro. Das
soll auch der Alphabetisierungsstrategie zugutekommen.
Wir erhöhen aber auch den Ansatz für die Beratung über
die Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikatio-
nen, und wir stärken die Aufstiegsstipendien. Wir tun
dies, weil wir allen Menschen in Deutschland Bildungs-
chancen und Zukunftsperspektiven eröffnen wollen.

Im Forschungsbereich Gesundheit stoßen wir eine
Wirkstoffinitiative an, die sich auf Multiresistenz und
Sepsis im Bereich der Antibiotika fokussiert. Außerdem
bringen wir ein Forschungsnetzwerk „Kinder- und Ju-
gendgesundheit“ auf den Weg. Die Forschung über Si-
cherheit im IT-Bereich stärken wir durch die Aufstockung
der zur Verfügung gestellten Mittel um 2 Millionen
Euro. Wir stärken aber auch die Forschung an Fachhoch-
schulen durch zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Millio-
nen Euro.

Neben diesen besonderen Akzenten reagieren wir mit
dem Haushaltsplan für Bildung und Forschung auch auf
nicht vorhersehbare Mehrausgaben beim BAföG und
beim Rückbau und der Stilllegung kerntechnischer Ver-
suchs- und Demonstrationsanlagen. Die Mehrausgaben
beim BAföG in Höhe von 37 Millionen Euro konnten in-
nerhalb des Haushaltes gegenfinanziert werden, wäh-
rend wir 85 Millionen Euro für Rückbau und Stilllegung
der kerntechnischen Forschungsanlagen als zusätzliche
Mehrausgaben in den Haushalt eingestellt haben. Das
stärkt den Forschungsbereich natürlich ganz besonders.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf zum
Schluss noch ein Wort des Dankes sagen. Mein Dank
gilt meinem Mitberichterstatter, Herrn Claus, meiner
Mitberichterstatterin, Frau Deligöz, und insbesondere
unserem Hauptberichterstatter, Herrn Schulz. In meinen
Dank schließe ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Ausschusses und des Ministeriums ein. Ich danke für
die gute Zusammenarbeit. Ich glaube, Herr Schulz hat
unsere Arbeit bei dieser wichtigen Aufgabe wunderbar
koordiniert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich danke für die Aufmerksamkeit und verabschiede
mich mit dem Hinweis: Bildung und Forschung haben in
Deutschland weiterhin Vorfahrt. Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804305800

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus gegebenem An-

lass möchte ich Sie jetzt alle bitten, sich etwas stärker an
die Redezeit zu halten. Wir alle haben miteinander ver-
abredet, dass wir heute pünktlich Schluss machen. Das
werden wir nicht erreichen, wenn es uns nicht besser ge-
lingt, der Vorgabe zu folgen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oh, oh!)


Ich spreche also eine Mahnung an alle aus, sich an ihre
Redezeiten zu halten. Ich weiß, ermahnt fühlen sich
wahrscheinlich diejenigen, die sich sowieso an die Rede-
zeit halten werden. Ich bitte einfach um Verständnis.

Die Kollegin Deligöz hat jetzt das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804305900

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Hinter uns liegen in der Tat sehr intensive Haushaltsbe-
ratungen über den Bildungs- und Forschungsetat. In die-
sem Etat geht es ja auch richtig um etwas. Wenn wir
über Bildung, Forschung und Wissenschaft reden, geht
es um nicht weniger als um die Zukunft dieses Landes
und die Antworten auf die wichtigsten Fragen unserer
Zeit, zum Beispiel die Veränderungen unserer Demogra-
fiestruktur, die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands
und vor allem die Chancen- und Teilhabegerechtigkeit in
diesem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Von daher schließe ich mich dem Dank an Swen
Schulz an, der mit seinen kritischen Fragen die Bericht-
erstattergespräche wirklich sehr belebt hat. Leider kann
er heute aus persönlichen Gründen nicht dabei sein.
Aber diesen Dank richtet die SPD ihm sicherlich gern
aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber – jetzt kommt das große Aber –: Der Einzelplan
30 ist leider ein Einzelplan im Wartestand. 6-plus-3-Mil-
liarden-Paket, das klingt gut; es ist aber ein einziges Rät-
sel, und es wirft, ehrlich gesagt, mehr Fragen auf, als es
Antworten gibt. Ein paar dieser Fragen will ich formu-
lieren.

Was geschieht zum Beispiel mit den Wissenschafts-
pakten? Eine richtige Antwort darauf haben Sie nicht.
Frau Kollegin Hübinger, Sie haben das sehr gut gemacht
mit dem detaillierten Darstellen von kleineren Beträgen.
Aber wir brauchen auch den großen Wurf.


(Anette Hübinger [CDU/CSU]: Der kommt!)


Da reichen diese kleinen Beträge leider nicht aus. Daran
müssen wir arbeiten, wenn wir die Dinge wirklich verän-





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

dern und gestalten wollen und nicht nur eine Anpassung
beim Status quo vornehmen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie wird die Grundgesetzänderung zur Kooperation
zwischen Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich in
Zukunft aussehen? Was passiert mit den Schulen? Das
ist eine große offene Frage. Daran müssen wir alle ge-
meinsam arbeiten, weil da in der Tat Bund und Länder
– da sind auch die Grünen mit beteiligt – gefragt sind.

Offene Fragen gibt es auch im Kitabereich. Sie haben
gesagt: 1 Milliarde Euro werden investiert. Ich habe
heute eine Antwort vom Ministerium zum Bereich des
Einzelplans 17 bekommen. Die bestätigt: Es ist nicht
1 Milliarde, die investiert wird. 450 Millionen Euro da-
von sind bereits zugesagt und bewilligt. Das sind alte
Mittel. Es kommen als frisches Geld lediglich 550 Mil-
lionen Euro dazu,


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ergibt 1 Milliarde!)


aber die sind nicht einmal verbindlich zugesagt. Sie kön-
nen nicht von zusätzlich 1 Milliarde Euro reden! Hören
Sie auf, von zusätzlichen Mitteln in der Höhe zu reden!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie tricksen. Sie täuschen. Es sind gerade einmal
550 Millionen Euro, und die sind noch nicht einmal ver-
bindlich.

Jetzt komme ich zu der halben Milliarde für Bil-
dungsinvestitionen. Wo ist denn eigentlich die zugesagte
halbe Milliarde? Ich kann mich noch daran erinnern,
dass Sie, Frau Ministerin, im Berichterstattergespräch
sehr zuversichtlich waren, dass das Geld in Ihrem Haus-
halt noch draufkommt. Dann waren die Mittel da, dann
waren sie woanders, plötzlich waren sie weg, dann wa-
ren sie verschollen, und jetzt sind sie verschoben. Was
denn nun? Das Geld ist de facto nicht da. Wenn man
dann noch bedenkt, dass Sie eigentlich eine globale
Mehrausgabe von 410 Millionen Euro zu erbringen ha-
ben, dann erkennt man: Sie haben de facto Kürzungen in
Ihrem Haushalt.

Sie können noch sagen: Bei den kleineren Projekten
haben wir draufgeschlagen. – Aber wenn man das ge-
genrechnet, kommt unter dem Strich immer noch weni-
ger heraus, und zwar so wenig, dass sogar der Bundes-
rechnungshof die hohe globale Mehrausgabe in diesem
Haushalt kritisiert, und das findet schon selten genug
statt. Das sollte Ihnen wirklich zu denken geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Was wir dringend brauchen, ist frisches Geld in diesem
Etat, und nichts anderes. Das können wir nicht schön-
rechnen.

Jetzt stelle ich noch eine andere Frage: Wie will die
Bundesregierung sicherstellen, dass die Länder die frei
gewordenen Mittel, die sie aus dem BAföG-Deal zur
Verfügung haben, auch tatsächlich für Bildung und Wis-
senschaft ausgeben?


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da sollten Sie als grüne Politikerin in Ihren Ländern dafür sorgen! Ich bin gespannt, was die machen werden!)


– Jetzt weisen Sie auf die Grünen hin. Auf diesen Zwi-
schenruf habe ich, ehrlich gesagt, gehofft. Ich gebe Ih-
nen ein paar schöne Beispiele: Rheinland-Pfalz will die
Mittel in Inklusion in der Bildung und in die Hochschu-
len stecken. In Hessen kommt ein Sonderfonds Hoch-
schulen. In Niedersachsen wird die dritte Krippenkraft
finanziert.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das ist ein Bruch der Vereinbarung!)


Ich finde, dass auch frühkindliche Bildung Bildung ist,
selbst wenn Sie das in Zweifel ziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die grün-mitregierten Länder handeln. Sie sagen zu,
und sie tun etwas.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wider die Vereinbarung! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sorgen Sie in Ihren Landesregierungen dafür, dass das Geld richtig eingesetzt wird!)


– Ich traue meinen grünen Politikern. Ich traue Ihren
Politikern aber überhaupt nicht.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann trauen Sie doch Ihren Ländern! Die können dafür sorgen, dass das Geld richtig eingesetzt wird!)


Dazu gebe ich Ihnen auch zwei Beispiele. In Bayern und
in Brandenburg wurden von den Grünen zwei Anträge
eingebracht.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Anträge, aber keine Konsequenzen!)


– Frau Präsidentin, das lasten Sie mir aber nicht an, dass
die mich hier übertönen wollen. Ich rede!


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804306000

Da haben Sie recht. Das sollen Sie auch.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804306100

Die Konsequenz war: Die Anträge mit der Forderung,

das Geld verbindlich für Bildung und Wissenschaft aus-
zugeben, wurden von Ihnen abgelehnt. Deshalb traue ich
Ihren Leuten nicht, meinen Leuten aber sehr wohl. – Das
ist die Antwort auf Ihren Zwischenruf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Herr Kollege, Sie können gern eine Frage stellen.






(A) (C)



(D)(B)


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804306200

Frau Kollegin Deligöz, lassen Sie eine Frage des Kol-

legen Karamba Diaby zu?


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804306300

Ja, selbstverständlich.


Dr. Karamba Diaby (SPD):
Rede ID: ID1804306400

Liebe Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu

nehmen, dass die Aussage nicht stimmt? Sie sagen, Sie
trauen den grünen Politikerinnen und Politikern auf Lan-
desebene, den anderen nicht. Sind Sie bereit, zur Kennt-
nis zu nehmen, dass das Land Sachsen-Anhalt entschie-
den hat


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein schlechtes Beispiel!)


– das ist eine sehr gute Frage, Steffi Lemke –, dass
30 Millionen Euro, die für Sachsen-Anhalt jetzt infrage
kommen, wie verbindlich zugesagt wurde, im Bereich
Bildung


(Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


– Frau Lemke, lassen Sie mich jetzt einmal zu Ende re-
den; dann können Sie weitere Zwischenrufe machen –


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Ja, das ist unmöglich!)


eingesetzt werden? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu
nehmen?


(Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben vorher so gespart!)



Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804306500

Herr Kollege, ich finde, aus Ihrer Frage spricht eine

gewisse Unsicherheit.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Sie müssen immer wieder betonnen, wohin noch ein
paar Mittel fließen, um sich sicher zu fühlen. Ich sage Ih-
nen eines: Die Debatte im Haushaltsausschuss hat es ge-
zeigt – letztendlich wird es auch diese Debatte zeigen –,
dass Sie sich unter dem Strich eigentlich unsicher sind.
Sie sind sich deshalb unsicher, weil Sie nämlich mitver-
antwortlich sind für dieses Chaos, das Sie verursachen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie sich wirklich für Bildung einsetzen wollen:
Warum haben Sie dann nicht mehr verbindliche Zusagen
zur Verwendung der Mittel verlangt? Das hätten Sie
doch tun können. Anstatt dass sich die Parteichefs der
Koalition irgendwo in einem Hinterzimmer in einer
Nacht-und-Nebel-Aktion zusammensetzen, hätten Sie
mit allen Ländern reden können. Sie hätten die Verant-
wortung dafür übernehmen können und die Bildungs-
politik dieses Landes mitgestalten können. Stattdessen
müssen Sie jetzt bitten und betteln und auf das Prinzip
Hoffnung setzen, dass das Geld dort ankommt, wo es be-
nötigt wird. Ich weiß nicht, ob das die beste Art ist. Aber
ich sage Ihnen: Wir können es besser. Auch Sie wissen,
dass wir es besser können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Schlimmste ist vor allem, dass Sie auf die Kon-
trollmöglichkeiten für diese Finanzmittel verzichten. Die
Möglichkeit könnten wir haben. Der Kollege Schulz
– das ist seine Leistung –


(Anette Hübinger [CDU/CSU]: Nicht der Kollege Schulz! Die Koalition!)


hat dafür gesorgt, dass es einen Monitoring-Bericht gibt.
Das muss man hier sagen. Sie haben ihn übrigens auch
gegen Kollegen der CDU/CSU durchgesetzt. Aber seien
Sie doch ehrlich: Er ist ein zahnloser Tiger. Der Bericht
zeigt vielleicht auf, was passiert ist und was nicht. Wir
brauchen aber schon vorher eine Steuerung und eine ver-
bindliche Vereinbarung, sodass wir uns darauf verlassen
können.

Die nächste Frage kommt sogleich. Was passiert mit
dem BAföG? Sie verschieben die Erhöhung unter dem
Strich auf das Ende der Wahlperiode. Es werden zwei
Jahrgänge von Studierenden keinen Cent mehr bekom-
men. Jetzt haben wir die meisten Studierenden, und jetzt
brauchen die Studierenden das Geld und nicht nur leere
Versprechen. Das hat etwas mit fairen und gerechten
Studienbedingungen in diesem Land zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein ganz kleines Beispiel: Aufstiegsstipendium. Hier
wird die Bewilligung des Büchergeldes für Studierende,
die nach der Berufsausbildung an die Uni kommen, an-
ders gehandhabt als für Studierende, die nach dem Abi-
tur ihr Studium aufnehmen. Dies anzugleichen, würde
gerade einmal 8 Millionen Euro kosten. Sie finden es
gut; die Ministerin findet es gut; alle finden es gut. Aber
Sie machen es nicht. Hier wünschte ich mir etwas mehr
Bodenständigkeit und Anerkennung der Lebensleistung
der Menschen, die nach der Berufsausbildung eine
Hochschule besuchen. Warum tun Sie sich hier so
schwer damit, genau diese Gerechtigkeit herzustellen?
Unser Antrag dazu lag Ihnen vor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das, was mir am meisten Sorgen macht, sind die ex-
plodierenden Kosten für den Rückbau der nuklearen An-
lagen. Das werden Mehrkosten in dreistelliger Millio-
nenhöhe sein, die auf diesen Haushalt zukommen. Hier
schließe ich mich dem Kollegen Claus an: Verteidigen
Sie Ihren Haushalt, Frau Ministerin. Wir stehen auf Ihrer
Seite. Es kann nicht sein, dass die Entsorgung des Atom-
schrotts zulasten von Studierenden, Wissenschaftlern,
Forschung, Schulen und Schülern finanziert wird. Es
kann nicht sein, dass Sie die Kosten der Vergangenheit
gegenfinanzieren, indem Sie bei den Ausgaben für In-
vestitionen in die Zukunft kürzen. Das kann nicht sein.
Das ist keine nachhaltige Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])






Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

Diese Verantwortung müssen Sie übernehmen. Hier
geht es darum, dass Sie tatsächlich Ihren eigenen Haus-
halt verteidigen und nicht nur die Politik der Vorgänger-
regierung.

Um zu erfahren, was die Entsorgung des Atommülls
kostet, haben wir eine Anfrage an Ihr Haus gestellt. Ich
weiß inzwischen aus internen Quellen, dass die Antwort
schon geschrieben wurde, wir sie aber nicht bekommen.
Entweder wollen Sie nicht, können nicht oder trauen
sich nicht. Egal wie die Antwort lautet, Sie müssen frü-
her oder später offenlegen, worüber wir hier eigentlich
reden, damit wir endlich Transparenz und Klarheit ha-
ben. Trauen Sie sich, damit Sie am Ende nicht allein auf
den Kosten sitzen bleiben, was vor allem zulasten der
Schüler und Universitäten gehen würde. Frau Ministerin,
ich wünschte mir etwas mehr Engagement von Ihrer
Seite.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein Fazit: Dieser Etat kann nicht alles gewesen sein,
liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist eine Herausfor-
derung, dass wir Investitionen in diesem Bereich tätigen
müssen. Das heißt übrigens auch, dass wir frisches Geld
in die Hand nehmen und nicht nur herumtricksen. Frau
Ministerin, wir unterstützen Sie dabei, aber Sie müssen
auch etwas tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804306600

Als nächster Redner hat der Kollege Hubertus Heil

das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1804306700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ich werte es als gutes Omen, dass in der Zeit, in
der wir diesen Haushalt beraten, die frühere Ministerin
Bulmahn hier präsidiert. Da wir hier über Traditionen
auch in der Haushaltspolitik reden, will ich die Gelegen-
heit nutzen, darauf hinzuweisen, dass wir es in den letz-
ten 15 Jahren in einer Tradition wechselnder Regierun-
gen – von Rot-Grün über die Große Koalition und
Schwarz-Gelb bis heute – hinbekommen haben, bei allen
Problemen, die wir nach wie vor haben, die Dinge zum
Besseren zu bewegen.

Ich will es an dieser Stelle einmal sagen: Edelgard
Bulmahn hat diese Entwicklung in Zeiten eingeleitet, in
denen in Deutschland im Bereich der Bildung zum Bei-
spiel über den Pisa-Schock gesprochen wurde. Manch-
mal braucht man einen Schock, aber vor allen Dingen
darf man dann nicht gelähmt sein; man muss anpacken.
Insofern möchte ich mich ganz herzlich bei Edelgard
Bulmahn bedanken; denn vieles, was wir heute diskutie-
ren und fortsetzen – der Pakt für Forschung und Innova-
tion zum Beispiel –, stammt aus ihrer Amtszeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt ist Frau Wanka Ministerin,

(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das ist auch gut so!)


und wir wollen zusammenarbeiten, damit wir die Dinge
weiter nach vorne bringen. Ich will sagen, dass sich die
Geschäftsgrundlage bei der zweiten und dritten Lesung
dieses Haushaltes gegenüber der ersten Lesung verän-
dert hat, nicht nur aufgrund der Arbeit der Haushälter,
denen ich ganz herzlich danke, sondern auch, weil wir
Ihnen, Frau Deligöz, jetzt Fragen beantworten können,
deren Beantwortung in der ersten Lesung zugegebener-
maßen noch offen war, weil etwa die Frage, wie mit dem
6-plus-3-Milliarden-Paket umgegangen werden soll,
noch zu besprechen war.

Ich finde es aber in Ordnung, dass man es sorgfältig
miteinander bespricht, damit man das Richtige tut. Diese
Fragen sind jetzt geklärt. Ich will deshalb versuchen,
eine Reihe der Fragen, die Sie gestellt haben, in meinem
Redebeitrag zu beantworten. Vielleicht passt Ihnen nicht
jede Antwort; aber ich finde, Sie haben das Recht auf
eine Antwort.

Die erste Frage ist: Welche Ziele verfolgen wir auf
Bundesebene im Bereich der Bildungs-, der Wissen-
schafts- und der Forschungspolitik? Aus sozialdemo-
kratischer Sicht kann ich sagen – daran lassen wir uns
messen –, dass das Thema der Verbesserung der Chan-
cengleichheit im Bereich der Bildung für uns eine
Toppriorität bleibt; es ist der Maßstab für all das, was
wir im Bereich der Bildung voranbringen.


(Beifall bei der SPD)


Es ist eine Frage, die etwas mit einer Wertehaltung,
mit einer Überzeugung und mit unserem Menschenbild
zu tun hat. Unser Menschenbild ist: Wir wollen, dass das
Leben für die Menschen offen ist. Wir wollen nicht, dass
Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht die Menschen nach
ihrer Geburt auf ihre Verhältnisse festnagelt, sondern
dass Menschen ihren eigenen Lebensweg gehen können
und sie, wenn Sie so wollen, ein Stück weit Autor ihres
eigenen Lebensweges sein können. Dabei ist der ge-
rechte und chancengleiche Zugang zu Bildung auf allen
Stufen der Bildungskette ein zentraler Punkt.

Das heißt in diesem Zusammenhang konkret, dass wir
uns im Bereich der Allianz für Aus- und Weiterbildung
engagieren wollen, weil wir in diesem Bereich erleben,
dass Chancengleichheit – Herr Minister Gabriel hat vor-
hin beim Bereich Wirtschaft darauf hingewiesen, dass
die Hälfte der Jugendlichen mit Migrationshintergrund
in Deutschland keine anständige Chance auf eine beruf-
liche Erstausbildung hat – nicht nur eine Frage der Ge-
rechtigkeit ist, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels
auch eine Frage der ökonomischen Vernunft.

Es ist erst vor kurzer Zeit im öffentlichen Bewusst-
sein angekommen – es ist Gott sei Dank auch in den Re-
den der meisten Kolleginnen und Kollegen, die sich mit
Bildung beschäftigen, deutlich geworden –, welchen
Wert die duale Berufsausbildung in Deutschland hat. Es
ist gut, dass wir dort in der Koalition gemeinsam mit der
Allianz für Aus- und Weiterbildung einen Schwerpunkt
setzen werden:





Hubertus Heil (Peine)



(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


bei der beruflichen Bildung und der Ausweitung von
Bildungsketten. Das haben wir uns auf die Fahnen ge-
schrieben.

Zum Thema Chancengleichheit gehört aber auch,
dass wir uns um diejenigen kümmern, die beispielsweise
eine Chance verpasst haben, Stichwort: Alphabetisie-
rung. Wir haben in dieser reichen Gesellschaft eine
große Zahl von Analphabeten. Ich bin den Haushältern
dankbar, dass sie sich auf den Weg gemacht haben, beim
Thema Alphabetisierungsinitiative nach vorne zu kom-
men. Die ernüchternde Zahl ist: Es gibt in Deutschland
nach wie vor 7,5 Millionen funktionale Analphabeten.
Lesen und schreiben zu können, meine Damen und Her-
ren, ist nicht nur eine Kulturtechnik, sondern ist auch im
digitalen Zeitalter nach wie vor eine Voraussetzung zur
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben;


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


wir wollen diese Teilhabe für alle in diesem Land er-
möglichen.

Frau Kollegin Deligöz, zum Thema Chancengleich-
heit gehört auch das Thema BAföG. Wir haben uns zwi-
schen Bund und Ländern darauf verständigt, dass der
Bund zukünftig, ab 1. Januar 2015, die Finanzierung des
BAföG vollständig übernehmen wird. Ich will sagen:
Das halte ich aus mehrerlei Gründen für richtig. Es ist
unter anderem richtig, weil wir den deutschen Bundes-
ländern damit jährlich einen Spielraum von ungefähr
1,2 Milliarden Euro verschaffen, um gezielt in die Schu-
len, aber auch in die frühkindliche Bildung und in Hoch-
schulen investieren zu können. Wir als Bundespolitiker
müssen zu Recht alle miteinander darauf achten, ob uns
das gelingt oder ob das Geld irgendwo versickert.

Ich will eines sagen: Den Ländern darf man nicht mit
einer Misstrauenskultur begegnen.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Hinschauen schadet nichts!)


In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Parteien-
konstellationen und auch unterschiedliche Erfahrungen,
ganz klar, aber der Druck, in dem Bereich frühkindliche
Bildung und Hochschule etwas zu machen, ist in jedem
Bundesland sehr groß. Deshalb vertraue ich darauf, dass
das, was die Ministerpräsidenten zugesagt haben, auch
umgesetzt wird und dass das Geld dort auch ankommt.
Wir müssen miteinander darauf achten.


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Niedersachsen!)


Das Kooperationsverbot besteht noch, aber ich sage
Ihnen: Der Weg einer dauerhaften Entlastung der Länder
ist der richtige. Eine dauerhafte Entlastung ist wichtig,
damit es in den Ländern nicht für vier Jahre zu einer
Kurzatmigkeit kommt. Wir brauchen dauerhafte Spiel-
räume, auch unter den Bedingungen der Schulden-
bremse, um mehr in Bildung vor Ort investieren zu kön-
nen. Ich halte das für den richtigen Weg.
Ich halte es auch aus der Sicht des Bundes für den
richtigen Weg. Ich könnte sagen: Wir müssen jetzt mehr
Geld aufwenden. Aber dadurch wird das unwürdige Ge-
zerre zwischen Bund und Ländern um eine BAföG-Er-
höhung endlich aufhören, und wir als Bundespolitiker
können endlich unseren Beitrag zur Chancengerechtig-
keit im Bereich BAföG leisten.


(Beifall bei der SPD – Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ich gebe Ihnen die Gelegenheit, eine Frage zu stellen,
wenn die Präsidentin das erlaubt.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804306800

Ich erlaube das selbstverständlich. – Herr Gehring.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804306900

Vielen Dank, Herr Heil. – Halten wir fest: Die Ren-

tenreform kommt sofort, die Entlastung beim BAföG
aber erst zum 1. Januar 2015. Der Bund übernimmt dann
100 Prozent der Kosten; das stimmt. Das heißt aber, dass
sich der Bund nicht länger hinter den Ländern verste-
cken kann.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1804307000

Richtig!


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804307100

Sie müssen dem Parlament und der Öffentlichkeit

aber erklären, wieso die BAföG-Novelle erst zum Win-
tersemester 2016/2017 kommen soll. Das bedeutet, dass
die Studierenden in den nächsten zweieinhalb Jahren
keine BAföG-Erhöhung bekommen. Wenn man das
durchrechnet – von der letzten BAföG-Novelle und -Er-
höhung bis heute –, dann stellt man fest: Mit den
500 Millionen Euro, die Frau Wanka für die BAföG-No-
velle vorsieht, wird noch nicht einmal die Inflationsrate
ausgeglichen.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Doch! Mehr als ausgeglichen! Ein Blick in den BAföG-Bericht schafft Klarheit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Das bedeutet, Sie können die Sätze nicht anständig er-
höhen, und Sie erhöhen sie erst in zweieinhalb Jahren. –
Warum? Wieso kommt die BAföG-Novelle nicht vor-
her? Ihnen liegen Berichte vor, aus denen hervorgeht,
wie dringend notwendig das wäre.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Herr Gehring, Sie haben den BAföG-Bericht nicht gelesen!)


Erklären Sie dem Parlament, warum die Studierenden
zweieinhalb Jahre auf eine BAföG-Erhöhung warten
müssen. Das ist unverständlich. Der Bund kann sich nun
nicht mehr hinter den Ländern verstecken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt denkst du nach!)







(A) (C)



(D)(B)


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1804307200

Lieber Herr Gehring, ich will Ihre Frage gerne beant-

worten, aber zuvor habe ich eine herzliche Bitte. Wir
können über vieles reden, aber in der rhetorischen Ein-
leitung Ihrer Frage die Rentner gegen die Studierenden
auszuspielen, das ist nicht in Ordnung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Michael Kretschmer [CDU/ CSU]: Also wirklich! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er nicht gemacht!)


– Das hat er sehr wohl gemacht. – Sie kritisieren, dass
wir die Lebensleistung von Müttern bei der Kindererzie-
hung besser berücksichtigen, und spielen das gegen die
Studierenden aus. Das ist doch nicht in Ordnung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt Polemik! Das hat er nicht gesagt!)


Jetzt zum sachlichen Teil Ihrer Frage. Ich gebe zu: Ich
hätte mir eine BAföG-Reform, was die Erhöhung der
Sätze betrifft, früher gewünscht, zum Wintersemester
des kommenden Jahres wäre das technisch möglich ge-
wesen. Aber wir haben uns anders verständigt.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel zur Priorität bei Bildung!)


– Ganz ruhig.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Was machen die Grünen?)


Jetzt müssen wir uns auf das Machbare konzentrieren.
Noch einmal: Ich hätte mir das früher gewünscht, aber
das hat etwas mit Spielräumen zu tun, die natürlich erst
einmal geschaffen werden müssen. Ich sage Ihnen aber
eines: Wir alle in diesem Parlament – die Sozialdemo-
kraten und, ich hoffe, auch unser Koalitionspartner –
müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die anstehende
BAföG-Reform kein Reförmchen, sondern strukturell
und in Bezug auf das Volumen eine substanzielle
BAföG-Reform wird, um die Bildungschancen zu ver-
bessern.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran messen wir Sie!)


Das betrifft die Sätze, das betrifft die Freibeträge, das
betrifft die strukturellen Fragen, nicht nur beim Über-
gang vom Bachelor zum Master. Wir werden eine ganze
Menge Arbeit vor uns haben.

Als Sozialdemokrat – wir stehen in der Tradition von
Willy Brandt, der das BAföG in den frühen 70er-Jahren
eingeführt hat – kann ich Ihnen versichern: Das BAföG
ist uns ein Herzensanliegen. Wir werden dafür sorgen,
dass die soziale Situation von Studierenden im Interesse
des Bildungserfolgs verbessert wird. Das kommt jetzt
ein paar Semester später, aber es wird substanziell sein.
Darauf können Sie sich verlassen.


(Beifall bei der SPD)

Ich habe schon etwas zum Thema Chancengleichheit
gesagt. Ich will aber auch etwas zu dem zweiten Schwer-
punkt des Haushaltes sagen: Wir streben eine stärkere
Neuorientierung der Wissenschaftspolitik des Bundes
an, weg von kurzatmigen Strohfeuerprogrammen hin zu
längeren Linien mit dem Ziel einer Grundfinanzierung.
Deshalb ist es richtig, Frau Ministerin, dass wir uns nach
intensiven Auseinandersetzungen darauf verständigt ha-
ben, dass wir das Kooperationsverbot, zumindest für den
Bereich der Hochschulen in Deutschland, brechen. Ich
bleibe dabei: Langfristig muss das gesamte Koopera-
tionsverbot fallen. Ich glaube, das ist richtig.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Ich nehme zur Kenntnis, dass das in der jetzigen Si-
tuation ob der Mehrheitsverhältnisse nicht vollständig
möglich ist. Dass wir aber zumindest einen Schritt vo-
rangehen, indem wir den in Verfassungsrecht gegosse-
nen Irrtum der letzten Föderalismuskommission korri-
gieren und mit einer Änderung des Artikels 91 b des
Grundgesetzes dafür sorgen, dass Kooperationen im Be-
reich der Hochschulen möglich sind, ist die gute Nach-
richt.

Zur Beruhigung kann ich sagen – Frau Deligöz, wenn
Sie zuhören wollen; Sie haben die Frage gestellt, wann
das kommt und wie das aussehen wird –: Wir haben uns
gestern auf Bundesebene auf einen Formulierungsvor-
schlag für die Grundgesetzänderung verständigt. Es wird
noch eine Ressortabstimmung geben; das ist ganz klar.
Weil das eine Verfassungsänderung ist, muss man sorg-
fältig vorgehen. Es wird auch mit den Ländern gespro-
chen werden. Meine Bitte ist: Nutzen Sie die Möglich-
keiten, die Sie haben, und helfen Sie mit, dass das
Kooperationsverbot im Bereich der Hochschulen fällt.
Überfrachten Sie diese Debatte nicht mit anderen Punk-
ten; denn wir müssen schleunigst für bessere Perspekti-
ven an den Hochschulen in Deutschland sorgen. In die-
sem Bereich gibt es verdammt viel zu tun.

Wir werden die Pakte fortsetzen – das ist gar keine
Frage –, aber wir müssen auch neue Instrumente schaf-
fen, beispielsweise in Bezug auf den wissenschaftlichen
Nachwuchs. Diesbezüglich können wir auch ohne
Grundgesetzänderung einiges tun; das werden wir übri-
gens auch tun. Ich nenne das Wissenschaftszeitvertrags-
gesetz, das wir ändern werden, um den Missbrauch von
Befristungen in diesem Bereich zurückzudrängen und
klare Perspektiven und Karrierewege zu eröffnen.

Ich glaube, wir müssen neue Formen der Kooperation
zwischen Bund und Ländern finden. Wir können diese
Formen aber nur finden, wenn wir die Verfassung an die-
sem Punkt korrigieren. Im Bundestag gibt es dafür eine
entsprechende Mehrheit. Wir brauchen diese Mehrheit
aber auch im Bundesrat. Dort stehen Bündnis 90/Die
Grünen mit in der Verantwortung. Meine herzliche Bitte
an Sie lautet deshalb: Wirken Sie daran mit! Das gilt
auch für die Linkspartei in Brandenburg.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])






Hubertus Heil (Peine)



(A) (C)



(D)(B)

Der dritte Schwerpunkt dieses Haushalts ist die inno-
vative Forschungspolitik, die wir in diesem Land betrei-
ben wollen und die gesellschaftlichen Wandel und tech-
nologischen Fortschritt positiv miteinander verbindet.
Beides, technischer Fortschritt und gesellschaftlicher
Wandel, sind wichtig, um zu gestalten. Dafür brauchen
wir eine ambitionierte Forschungspolitik in diesem
Land. Innovation und Teilhabe sind zwei Seiten dersel-
ben Medaille. Die spannende Frage ist nicht, ob wir das
Gefühl haben, dass unsere Forschungslandschaft schlech-
ter geworden ist. Unsere Forschungslandschaft ist nicht
schlechter geworden. Wenn man im Ausland unterwegs
ist, stellt man fest, dass es viele gibt, die uns um unsere
Wissenschaftsorganisationen und unsere großen For-
schungsorganisationen regelrecht beneiden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD])


In vielen Ländern werden sie kopiert. Im Bereich der au-
ßeruniversitären Forschung sind wir exzellent aufge-
stellt.

Im Bereich der Hochschulen müssen wir darauf ach-
ten, dass Forschung und Lehre gestärkt werden. Die
Hochschulen sind im Wissenschaftssystem zu stärken.
Wir müssen diesbezüglich, genau wie im Bereich der
Bildung und der Lehre, darauf achten, dass es eine För-
derung sowohl in der Breite als auch in der Spitze gibt.
Wir müssen auch im Bereich der Forschung auf Spitzen-
förderung setzen, dürfen die Breitenförderung aber nicht
vernachlässigen. Deshalb wollen und werden wir in die-
ser Koalition beispielsweise darauf achten, dass die For-
schung an Fachhochschulen in Deutschland gestärkt
wird. Das ist in vielen Bereichen von struktureller Be-
deutung.

Deshalb müssen wir – Stichwort: Validierungsfor-
schung – darauf achten, dass wir die richtigen Instru-
menten und Ideen haben, um aus Erkenntnissen Pro-
dukte, Verfahren und Dienstleistungen in diesem Land
zu entwickeln.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass nicht nur in den
Bereichen der Grundlagenforschung und der anwen-
dungsorientierten Forschung gut gearbeitet wird, sondern
auch dafür, dass es zu Ausgründungen aus Universitäten
– Stichworte: Existenzgründungen und Wachstumsfinan-
zierung – kommt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn wir die Chance der Digitalisierung im interna-
tionalen Wettbewerb nutzen wollen, dann brauchen wir
nicht nur eine Breitbandinfrastruktur, sondern wir brau-
chen als Industrienation auch die kleinen technologiege-
triebenen Unternehmen, die unseren großen und mittel-
ständischen Unternehmen helfen können, diesen Weg
erfolgreich zu beschreiten. Diesen Weg wollen wir ge-
hen, weil Innovationen uns nach vorne bringen. Wir
haben in diesem Land relativ wenige Rohstoffe und Bo-
denschätze. Die Rohstoffe, die wir haben, sind in den
Köpfen, manchmal auch in den Herzen. Wir wollen
durch die Art und Weise, wie wir hier Politik machen
– das bildet der Haushalt ab –, dazu beitragen.

Frau Wanka, wir freuen uns jetzt, nachdem wir in Sa-
chen Bildung und Wissenschaft keine leichte Zeit in die-
ser Koalition hinter uns haben – das galt insbesondere
für den Zeitraum, als die Frage des 6-plus-3-Milliarden-
Euro-Pakets noch nicht hinreichend geklärt war –, auf
die Umsetzung. Ich glaube, wir werden gemeinsam zu
guten Lösungen kommen. Manchmal wird es Auseinan-
dersetzungen geben, auch in dieser Koalition. Das ist
ganz normal. Auseinandersetzungen gab es in Koalitio-
nen immer.

Am Ende zählt Folgendes: Wir wollen Chancen-
gleichheit in diesem Land befördern, wir wollen das
Wissenschaftssystem modernisieren, wir wollen die be-
rufliche Erstausbildung stärken, und wir wollen Innova-
tionen in Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben.
Wenn uns das gelingt, dann wird in dieser Legislaturpe-
riode die Erfolgsgeschichte im Bereich Bildung und For-
schung, die Edelgard Bulmahn begonnen hat, fortge-
schrieben. Darauf können wir am Ende stolz sein.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804307300

Jetzt hat die Bundesministerin für Bildung und For-

schung, Frau Professor Dr. Wanka, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist
schon interessant, dass in den Redebeiträgen der Opposi-
tion auf das Wesentliche – nämlich was mit den vielen
Milliarden gemacht wird – nicht eingegangen wurde.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie nicht reichen!)


Ich will noch einmal rekapitulieren: Im Dezember
gab es mit dem Koalitionsvertrag das gute Signal, dass
Bildung und Forschung eindeutig Priorität haben. Das
bezieht sich nicht nur auf den Inhalt bzw. darauf, was
man alles machen will. Vielmehr sind von den 23 Mil-
liarden Euro 9 Milliarden Euro – das ist mehr als ein
Drittel und mehr, als für die Verkehrsinfrastruktur und
für vieles andere vorgesehen ist – für diesen Bereich vor-
gesehen.

Wir haben die mittelfristige Finanzplanung. Die Mit-
tel, die für den Hochschulpakt II in dieser Phase notwen-
dig sind – also über 6 Milliarden Euro –, sind darin
schon enthalten. Der Pakt für Forschung und Innovation,
so wie er ausverhandelt war, war Bestandteil des Finanz-
plans. Alles, was wir für die Exzellenzinitiative in dieser
Legislatur benötigen, stand ebenfalls schon im Plan. Zu
all dem kam dieser Betrag in Milliardenhöhe hinzu.

Von diesen 9 Milliarden Euro entfallen 6 Milliarden
Euro auf die Entlastung der Länder, damit sie die Aufga-
ben, für die sie originär zuständig sind, in diesem Be-





Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)(B)

reich erfüllen können. Über die Frage, wie man das
macht, musste diskutiert werden. Die Vorstellung der
Länder – egal welcher Couleur – war klar: Den Minister-
präsidenten ging es als Allererstes um Umsatzsteuer-
punkte, um nichts anderes. Das war sozusagen die Aus-
gangsposition.

Was haben wir erreicht, und was ist in Bezug auf
diese 9 Milliarden Euro der Stand? Frau Deligöz, Sie
wissen doch genau, dass die Situation jetzt nicht mehr
unklar ist, wie es noch – Herr Heil hat darauf hingewie-
sen – während der ersten Haushaltsverhandlungen der
Fall war. Damals war noch nichts entschieden. Im De-
zember waren von den 9 Milliarden Euro 1,5 Milliarden
Euro für Forschung vorgesehen. Jetzt sind es 3 Milliar-
den Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das heißt, dass wir das 3-Prozent-Ziel von der öffentli-
chen Seite her schaffen können.

Herr Claus, Sie erwähnten den Begriff „Bilanz“. Wir
haben eine herausragende Bilanz vorzuweisen; denn im
Bereich Forschung und Entwicklung sind wir eine Spit-
zennation geworden. Unser Wohlstand hat da seine Wur-
zeln. Unsere Stellung als Spitzennation ist jetzt auch zu-
künftig gesichert.

Von den 6 Milliarden Euro zur Entlastung der Länder
entfallen 5 Milliarden Euro auf den Bereich Schulen und
Hochschulen.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Zweckbindung!)


– Nein, mit Zweckbindung. Lesen bildet! – Mit diesen
5 Milliarden Euro wird zum einen der Hochschulpakt III
finanziert, der ab 2016 startet. Er konnte noch nicht in
der mittelfristigen Finanzplanung enthalten sein, weil
über ihn erst noch verhandelt wird. Es wurde nach dem
Stand gefragt. Frau Deligöz, ich habe im Ausschuss ge-
sagt, dass die Verhandlungen laufen. Ich glaube, vorges-
tern fand wieder eine Verhandlungsrunde statt. Wir
wollen im Oktober mit dem Pakt für Forschung und
Innovation sowie mit dem Hochschulpakt III in die
GWK gehen und im Dezember mit den Ministerpräsi-
denten darüber reden. Es besteht also Klarheit, was die
praktische Umsetzung angeht.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verschieben alles auf die kommenden Jahre!)


Ich komme zum Hochschulpakt III. Herr Claus, Sie
sprachen von der DDR. Da haben wir eine gemeinsame
– –


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben zusammengewohnt? In einer WG?)


– Jedenfalls haben wir da einmal gewohnt – zusammen.


(Heiterkeit)


– In diesem Land!


(Heiterkeit)

Da gibt es keine gemeinsame Erinnerung; denn wir ha-
ben, glaube ich, sehr unterschiedliche Sozialisationen.

Eines ist klar: In der ehemaligen DDR war es nicht so,
dass man wie heutzutage vielen jungen Leuten die Mög-
lichkeit des Studierens einräumte. Nein, das war ganz
stark beschränkt. 10 Prozent, 12 Prozent der jungen
Leute durften studieren. Bei uns ist es schon anders. Was
das Thema „Bildungsgerechtigkeit und Chancen für
alle“ angeht, wurde mit dem Hochschulpakt da schon ei-
niges erreicht.

Herr Heil, über biografische Dinge – auch über die
Frage, wann was stattfand – können wir gerne reden.
Frau Bulmahn, ich war als damalige Landesministerin
2006 an den Verhandlungen beteiligt, die in Dresden und
an anderer Stelle stattfanden. Das ist aber, glaube ich,
unwichtig. Wichtig ist, dass diese Aufgabe – damals hat
keiner vermutet, dass wir es hinbekommen – gelöst
wurde.

Der Hochschulpakt III ist gesichert. Im Koalitions-
vertrag stand – weil dieser Punkt ein Riesenproblem ge-
worden war –: Wir wollen die Grundfinanzierung der
Hochschulen unterstützen bzw. in die Grundfinanzie-
rung einsteigen. – Bildung fällt unter die Kulturhoheit
der Länder. Sie sind also für die Grundfinanzierung der
Hochschulen zuständig. Das funktionierte nicht so gut in
den letzten Jahren. Oft wurden Tarifaufwüchse nicht ge-
zahlt, oder es gab zu geringe Steigerungen. In manchen
Ländern funktionierte es zwar sehr gut. Insgesamt aber
gab es Verwerfungen. Im außeruniversitären Bereich sah
es hingegen gut aus. Deswegen wollten wir den Einstieg
in die Grundfinanzierung der Länder.

Darauf folgt nun die Entscheidung, die jetzt in der
Diskussion ist: Ab 1. Januar 2015 trägt der Bund die
BAföG-Kosten zu 100 Prozent. Das heißt, ab 1. Januar
2015 fließen rund 1,2 Milliarden Euro an die Länder,
und das nicht nur nächstes und übernächstes Jahr und
nicht nur in dieser Legislaturperiode, in der dadurch ins-
gesamt 3,5 Milliarden Euro zusammenkommen, sondern
auch darüber hinaus, für immer. Das heißt, allein in der
nächsten Legislaturperiode sind den Ländern schon ein-
mal mehr als 4,7 Milliarden Euro als Entlastung sicher.

Wir haben vereinbart, dass die Länder sich dazu ver-
pflichten, dieses Geld für Bildung auszugeben, für
Hochschulen und Schulen. Auch eine vierte Kitakraft
wäre kein Problem. Wenn eine Landesregierung das ver-
spricht, muss sie das allerdings auch entsprechend finan-
zieren, und sie darf nicht den Hochschulen die Mittel
vorenthalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich kann mir schon vorstellen, dass sich die Länder
jetzt fragen: Was kann man mit diesem Geld machen?
Man kann – das war ein Problem, das uns alle beschäf-
tigt hat – unbefristete Stellen für Nachwuchswissen-
schaftler einrichten. Man kann, wenn man es will, Schul-
sozialarbeit davon bezahlen, und zwar dauerhaft. Man
kann sich auch überlegen, wie man die Ganztagsschulen
inhaltlich und kulturell organisiert, man kann dafür Stel-
len schaffen. Diese Freiheit haben die Länder.





Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)(B)

Ich bin ein überzeugter Föderalist, auch weil ich – das
habe ich nicht vergessen – einmal Landesministerin war.
Ich glaube, dass man vor Ort, in den Ländern, ganz un-
terschiedliche Situationen hat. Wie man die Mittel zwi-
schen Hochschulen und Schulen aufteilt – ob man nun
sagt, wie in Sachsen-Anhalt, Hälfte/Hälfte, oder, wie in
Sachsen, zwei Drittel/ein Drittel oder anders –, das bleibt
den Ländern überlassen. Ob wir das von Berlin aus so
oberschlau alles besser wissen können, das weiß ich
nicht.

Natürlich muss man schauen: Wird das auch wirklich
realisiert? Ich habe allerdings die Illusion verloren, Frau
Bulmahn, dass man auf den Cent genau kontrollieren
kann, was mit dem Bundesgeld passiert. Das ist nicht
möglich. Da ist auch ein Stück Vertrauen nötig. Ich
glaube, Herr Scholz hat in der Diskussion darauf hinge-
wiesen, dass alle Länder Geld für diesen Bereich brau-
chen. Warum sollen sie es jetzt dafür nicht zusätzlich
einsetzen?

Vor der Wahl hat sich die CDU/CSU für eine Grund-
gesetzänderung ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag
von Ende November/Anfang Dezember war dann keine
Grundgesetzänderung vorgesehen. Die Wissenschafts-
szene war enttäuscht, sie hatte immer gehofft, dass diese
Grundgesetzänderung nach der Wahl doch noch kommt.
Doch dann stand davon nichts im Koalitionsvertrag, weil
wir uns an der Stelle nicht verständigen konnten. Jetzt
haben wir erreicht, dass Artikel 91 b Grundgesetz für
den Wissenschaftsbereich geändert wird. Das ist großar-
tig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Das wird auf Dauer wirken.

Lieber Herr Heil, jetzt muss ich Sie als Koalitions-
partner korrigieren – damit sich kein falscher Eindruck
festsetzt –: Mit dem, was wir jetzt machen, nehmen wir
keine Korrektur vor an dem, was wir 2006 verabschiedet
haben. Die Grundgesetzlage war vorher so, dass Koope-
ration nur im außeruniversitären Wissenschaftsbereich
vorgesehen war.


(Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


– Schauen Sie doch im Text nach! – 2006 ist eingefügt
worden, dass Bund und Länder auch im Bereich der
Hochschulen kooperieren können. Das war vorher gar
nicht vorgesehen. Es gibt jetzt so viel Kooperation wie
noch nie, Milliardensummen sind neu im System. Aber
– das ist entscheidend – es gibt bisher keine unbefristete
und keine institutionelle Kooperation. Das wollen wir
jetzt ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wie gesagt: Wir können überhaupt erst seit 2006 koope-
rieren.

Meine Damen und Herren, Frau Deligöz, Sie müssen
mich nicht auffordern, da etwas zu tun – wir haben da et-
was getan, wir haben nur nicht über jeden Wasserstand
Zwischenbericht erstattet; das wäre ein bisschen kompli-
ziert gewesen. Das Ergebnis, das wir jetzt erzielt haben,
ist viel mehr als das, was wir im Dezember hatten, vor
allen Dingen unbefristet. Darauf warten die Hochschu-
len und zum Teil auch die Schulen: unbefristete Stellen.
Diese wird es jetzt geben.

Da einige das kleinreden werden und weiter von ma-
roden Schulen und anderem sprechen werden, will ich
dazu nur eine Zahl nennen: Für alle Hochschulen der
Bundesrepublik Deutschland geben die Bundesländer
Jahr für Jahr in Summe rund 20 Milliarden Euro aus. Da
legt der Bund jetzt jährlich 1,2 Milliarden Euro drauf.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist ein bisschen mehr!)


Das sind 6 Prozent Steigerung ad hoc, auf Dauer. Das ist
eine großartige Leistung, die uns auch richtig etwas kos-
tet. Das ist kein kleines Paket, das ist ein entscheidender
Aufwuchs. Ich finde es schade, dass die Opposition kein
Wort darüber verliert, sondern nur über kleinere Sachen
spricht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum,
wie viel Geld man zur Verfügung hat. Ich spreche ja im-
mer ein bisschen schnell; deswegen sage ich noch ein-
mal ganz langsam: Man kann sich die Haushaltsvorlage,
die in die Diskussion eingebracht wurde, anschauen;
man kann sie in der Druckfassung nachlesen. In dieser
Haushaltsvorlage stehen die Summen für den Einzel-
plan, für den ich verantwortlich bin. Aus diesem Einzel-
plan wurde kein einziger Euro weggenommen – kein
einziger –, aber es sind 85 Millionen Euro dazugekom-
men. Es gibt in meinem Einzelplan keine Kürzung. Auch
wenn Ihnen das rhetorisch gefällt: Es ist nicht so. Mit
dem Geld, über das der Finanzminister verfügt, werden
wir ab Januar nächsten Jahres die Ausgaben für das
BAföG übernehmen. Das wird, wenn die entsprechende
Gesetze verabschiedet sind, definitiv geschehen.

Meine Damen und Herren, es geht nicht immer nur
um Geld, sondern es geht auch darum, was man mit dem
Geld macht. Was die Forschung angeht, ist die Hightech-
Strategie in diesem ersten halben Jahr ein wichtiges
Thema. Wir als Bundesregierung werden die Weiterent-
wicklung der Hightech-Strategie in Bälde im Kabinett
kommunizieren und sie dann auch allen Beteiligten vor-
stellen.

Wir alle wissen, dass wir im Hochschulbereich ganz
viel getan und Milliarden Euro investiert haben. Jetzt
müssen wir gut aufpassen, um zu verhindern, dass im
Bereich der dualen Ausbildung ein Ungleichgewicht ent-
steht, das sich zum Teil schon andeutet. Deswegen brin-
gen wir die Initiative „Chance Beruf“ auf den Weg. Jetzt
ist nicht die Zeit, sie inhaltlich vorzustellen. Ich lade Sie
ganz herzlich für nächsten Dienstag ein, wenn wir dieses
Programm verkünden. Dabei geht es auch darum, Ange-
bote für alle Bundesländer zu machen. Aus den BAföG-
Mitteln könnten die Länder, wenn sie wollten, schon
jetzt Geld für die berufliche Bildung in der Schule und
für individuelle Beratung bereitstellen.





Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)(B)

Das, was Sie, Herr Claus, zur Bilanz gesagt haben,
empfand ich als störend. Ich meine, den Stand, den wir
heute in der Welt haben, hatten wir vor 10 oder 13 Jah-
ren nicht. Unsere hohe Wettbewerbsfähigkeit hängt ganz
entscheidend mit diesem Etat zusammen. Dass wir in ei-
ner guten Tradition stehen – die erste Grundgesetzände-
rung fand 2006 statt, die nächste nehmen wir in diesem
Jahr vor –, auch was die Prioritätensetzung anbetrifft, ist
ganz entscheidend. Wir wollen international wettbe-
werbsfähig sein, und wir wollen in Deutschland noch
mehr Bildungsgerechtigkeit.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804307400

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Nicole Gohlke

das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804307500

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Kolleginnen und

Kollegen! Wir nehmen zur Kenntnis: Die Große Koali-
tion versucht, sich für einen Aufbruch in der Bildung zu
feiern, und hat angekündigt, 6 Milliarden Euro für Bil-
dung und 3 Milliarden Euro für Forschung zur Verfü-
gung zu stellen.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Richtig!)


Ob das wirklich schon ein Aufbruch ist, da kann man si-
cherlich geteilter Meinung sein,


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wie bitte? Entschuldigung!)


wenn man sich die krassen Mängel vor Augen führt, die
im Bildungsbereich – von der Kita über die Hochschule
bis hin zur Weiterbildung – bestehen, und angesichts der
viel höheren Summen, die bei Bund, Ländern und Kom-
munen eigentlich nötig wären.

Aber selbst dann, wenn man sich darüber freuen
wollte:


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sollten Sie!)


In dem Haushalt, der heute vorliegt, findet sich nichts
davon wieder. Sie können hier lediglich – das sagen Sie
ja selber – Ankündigungen feiern, aber eben keine realen
Zahlen. Es ist schon erstaunlich, wie oft, wie lange und
bei wie vielen Haushaltstiteln Sie diese Ankündigungen
feiern. Man hat das Gefühl: Das Geld wird immer mehr.

Ihrem Finanzminister ist aber in letzter Minute einge-
fallen, dass er ja noch Haushaltslöcher stopfen muss. Sie
können versuchen, das anders zu bezeichnen; aber genau
das ist da geschehen.


(Beifall des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Wo holt er sich das Geld?


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Vielleicht bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung?)

Das Geld holt er sich nicht etwa über die Besteuerung
von Vermögen und großen Einkommen; das wäre ja eine
kreative Antwort. Nein, er nimmt einfach die 500 Mil-
lionen Euro aus dem Bildungsetat, mit denen Frau
Wanka in diesem Jahr zaghaft anfangen wollte, ein paar
ihrer Versprechen einzulösen, und man hört noch nicht
einmal einen Aufschrei aus dem Bildungsministerium.


(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ja, weil es nicht stimmt!)


Der Kollege Rossmann hat ja kürzlich in einem Inter-
view gesagt, es sei vor allem als ein starkes symboli-
sches Zeichen zu verstehen, dass diese 500 Millionen
Euro für das laufende Haushaltsjahr verbucht wurden;
Frau Wanka nannte das gerade ein „Signal“. Abgesehen
davon, dass Symbolik und Signale allein eben nicht aus-
reichen, um die Bildungsmisere in der Republik zu behe-
ben, frage ich mich schon: Welches Symbol ist das denn
dann, wenn Union und SPD den Mittelaufwuchs bei
nächster Gelegenheit zurücknehmen und das Geld ge-
wissermaßen für die Haushaltssanierung verwenden?
Zwischen den großen Worten von der Bildungsrepublik
und dem Haushalt der Großen Koalition klafft auf jeden
Fall mehr als nur eine Lücke.


(Beifall bei der LINKEN)


Reine Symbolpolitik ist leider auch die BAföG-Poli-
tik der Großen Koalition. Den Studierenden muss es
wirklich schon zu den Ohren herauskommen: schon wie-
der eine Verschleppung, diesmal bis zum Wintersemes-
ter 2016/2017. Erst nach sechs Jahren, also nach zwei
vollen Generationen von Bachelor-Studierenden, soll es
wieder eine BAföG-Erhöhung geben.


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Eine ganz klare Perspektive, Frau Kollegin!)


Dabei hatte die Bundesregierung doch immer behauptet,
die BAföG-Erhöhung würde an den Ländern scheitern.
Jetzt ist das endlich geklärt: Der Bund will die Finanzie-
rung des BAföG voll übernehmen, um dann aber die Er-
höhung auf die lange Bank zu schieben.

Viel dürfen die Studierenden dann auch nicht erwar-
ten. Die von Ihnen geplanten Gelder werden doch nie-
mals für eine substanzielle Erhöhung reichen. Der DGB
sagt, dass eine erst im Jahr 2016 durchgeführte BAföG-
Erhöhung eigentlich 15 Prozent umfassen müsste, wollte
man die Preisentwicklung der letzten Jahre ausgleichen.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: BAföG-Bericht lesen bildet!)


Das ist eine Forderung, die aus den Reihen der Koalition
als weltfremd bezeichnet wird.

Dabei kommt diese Zahl ganz einfach zustande. Dazu
muss man einfach einmal die Lebenssituation der Stu-
dierenden zur Grundlage nehmen. Ein Beispiel: Zurzeit
sind im BAföG-Satz 224 Euro für Wohnkosten vorgese-
hen. Die Realität ist aber, dass Studierende in Hamburg
im Schnitt monatlich 351 Euro an Miete zahlen. In Mün-
chen und in Köln sind es 358 bzw. 359 Euro. Sie zahlen
also im Schnitt über 130 Euro mehr, als im BAföG-Satz
dafür vorgesehen ist.





Nicole Gohlke


(A) (C)



(D)(B)

Man muss ganz klar sagen: Eine BAföG-Erhöhung
um mindestens 10 Prozent, die die Gewerkschaften, die
Studierendenvertretungen und eben auch die Linke for-
dern, ist nicht weltfremd. Das ist angesichts dieser Situa-
tion realistisch. Weltfremd ist, ehrlich gesagt, dass diese
Regierung nicht zur Kenntnis nimmt, was an den Hoch-
schulen und auf dem Wohnungsmarkt los ist. Ihre Politik
besteht darin, die Wirklichkeit zu ignorieren. Hauptsa-
che, Sie bekommen Ihren knappen Bildungshaushalt
schöngeredet und schöngerechnet!


(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU])


Realitätsfern geht es bei den Berechnungen der Gro-
ßen Koalition weiter. Man kann es ja schon fast als Tra-
dition bezeichnen, dass sich die Bundesregierung bei der
Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger im-
mer wieder verrechnet. Sie haben gerade eben die letzte
Zahl nach oben korrigieren müssen, und schon wieder
liegt Ihr Haushaltsansatz für die Jahre 2013 und 2014
mit über 70 000 Studienanfängern unter den Berechnun-
gen der Kultusministerkonferenz.

Die 6 500 Euro, die Sie im Hochschulpakt pro Studi-
enplatz veranschlagt haben, reichen auch nicht, um die
Situation in der Lehre zu verbessern. 2008 lagen die rea-
len Kosten pro Studienplatz schon bei über 7 000 Euro,
und darin sind zum Beispiel die Investitionen in Ge-
bäude noch gar nicht eingerechnet.

Dass Ihnen nicht an einer soliden Grundfinanzierung
der Hochschulen und schon gar nicht der anderen Bil-
dungseinrichtungen gelegen ist, ist mit dem Vorschlag
zur Änderung des Kooperationsverbotes klar geworden.
Als hätte es die Diskussion der letzten zwei Jahre gar
nicht gegeben, will man sich weiterhin darauf beschrän-
ken, Forschung und Lehre nur dann zu fördern, wenn es
von überregionaler Bedeutung ist und alle Länder zu-
stimmen, sprich: Freie Fahrt für die Eliteförderung, und
beim Rest kann sich der Bund weiterhin aus der Verant-
wortung stehlen.

Davon, das Kooperationsverbot für den gesamten Bil-
dungsbereich aufzuheben, sodass auch die Kitas und die
schulische Bildung davon profitieren könnten, will Frau
Wanka offensichtlich gar nichts wissen. Man darf jetzt
wirklich auf die Nachbesserungen gespannt sein, die die
SPD angekündigt hat. Ich hoffe, wir werden sie zu Ge-
sicht bekommen. Vielleicht sollten Sie in der Koalition
solche wichtigen Vorhaben aber erst einmal gemeinsam
besprechen, bevor die Vorschläge auf den Tisch gelegt
werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Kolleginnen und Kollegen, die Linke bleibt dabei:
Die Grundfinanzierung der Bildung, der Wissenschaft
und der Forschung muss durch ein Zusammenwirken
von Bund und Ländern gesichert werden. Der Wettbe-
werbsföderalismus gehört endlich beendet.


(Lachen des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/ CSU])


Die unterschiedlichen Bildungsbereiche – die frühkindli-
che Bildung, die schulische Bildung und die hochschuli-
sche Bildung – dürfen nicht mit dem Argument der
knappen Kassen gegeneinander ausgespielt werden. Alle
Bereiche sind gleichermaßen wichtig.


(Beifall bei der LINKEN)


Aus dem unsäglichen Kooperationsverbot muss end-
lich ein Kooperationsgebot werden. Das wäre tatsächlich
mal ein echter Aufbruch in der Bildungspolitik.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804307600

Als nächster Redner hat der Kollege René Röspel das

Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1804307700

Wertes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Zunächst, liebe Nicole Gohlke, herzlichen
Glückwunsch nachträglich zur Geburt des Kindes. Wir
wünschen der jungen Familie alles Gute.


(Beifall)


Kritik kann ich Ihnen trotzdem nicht ersparen, auch
wenn ich jetzt nicht auf alle Punkte eingehen will. Das
Märchen von den 500 Millionen Euro, die angeblich im
Haushalt von Herrn Bundesfinanzminister Schäuble ver-
schwunden sein und nie wieder für Bildung und For-
schung zur Verfügung stehen sollen, ist einfach falsch.
Das ist wie mit einem Auto, das man erst vor einem
Haus parkt, um dann mit ihm, wenn man es nicht für
lange Fahrten braucht, eine Runde um den Block zu dre-
hen. Es ist gerade nicht zu sehen, aber es kommt wieder.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sei denn, es ist gestohlen!)


Diese 500 Millionen Euro bleiben bestehen. Sie sind Teil
der 9 Milliarden Euro, die wir in dieser Regierung für
Bildung und Forschung zusätzlich zur Verfügung stellen,
und das ist auch gut so.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wenn Sie in das Plenarprotokoll zur Einbringung des
letzten schwarz-gelben Haushalts, des Haushalts der
Vorgängerregierung, gucken,


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Der war auch sehr gut!)


dann sehen Sie, dass ich damals in meiner Haushaltsrede
angesichts der Löcher, die sich dort auftaten – man-
gelnde Ausfinanzierung der Zukunft, globale Minder-
ausgaben –, gesagt habe, dass man fast versucht sei, zu
sagen: Vielleicht muss Schwarz-Gelb doch noch ein Jahr
weiterregieren, um die Suppe auszulöffeln, die es sich
eingebrockt hat. Jetzt sitzen wir mit am Kabinettstisch.
Ich habe extra einen Löffel mitgebracht. Falls noch Be-
darf besteht, diese kalte Suppe auszulöffeln, stehen wir
als SPD gern zur Verfügung.





René Röspel


(A) (C)



(D)(B)

Über zusätzliche Mittel, um das zu finanzieren, was
noch nicht ausfinanziert ist – es gibt Risiken, was den
Hochschulpakt anbelangt; das ist definitiv –, werden wir
reden. Das wird nicht aus den zusätzlichen 9 Milliarden
Euro für Bildung und Forschung zu finanzieren sein.
Aber sprechen Sie uns als SPD – das gilt für alle Fraktio-
nen – gerne an. Wir sind diejenigen, die solide finanzie-
ren und auch Spielräume für Forschung und Bildung er-
öffnen und das in den letzten Jahren auch getan haben.

Ich will das anhand eines Beispiels in Erinnerung ru-
fen, weil es dazugehört, bestimmte Dinge nicht zu ver-
gessen. In der letzten Großen Koalition war es die SPD,
die im Jahre 2006 dazu beigetragen hat – sie konnte end-
lich die Union davon überzeugen –, die Eigenheimzu-
lage abzuschaffen. Das Geld, das wir in den letzten Jah-
ren dafür ausgegeben haben, fällt ja nicht vom Himmel.
2005 hatte Bundesfinanzminister Schäuble noch 10 Mil-
liarden Euro jährlich für die Eigenheimzulage zahlen
müssen. Dieser Betrag ist dadurch abgeschmolzen, dass
wir die Zulage schrittweise abgeschafft haben. Im letz-
ten Jahr mussten dafür nur noch 500 Millionen Euro,
eine halbe Milliarde Euro, ausgegeben werden.

Den Weg des Geldes, das der Finanzminister in den
letzten Jahren nicht hat auszahlen müssen, kann man
zwar nicht nachverfolgen, aber in der Bilanz, so heißt es,
hat dieses Geld Spielräume eröffnet, die Sie in der letz-
ten Regierungskoalition richtigerweise genutzt haben,
um mehr in Bildung und Forschung zu investieren. Das
ist gut so. – Sagen Sie uns also Bescheid, wenn Sie je-
manden brauchen, um die Suppe auszulöffeln: Die SPD
steht zur Verfügung. Wir haben die entsprechenden Kon-
zepte und wollen hier auch weiterhin gestalten.


(Beifall bei der SPD)


Wir sitzen jetzt mit am Tisch der Regierung. Ich bin
sehr froh, dass wir in den Koalitionsverhandlungen
6 Milliarden Euro plus 3 Milliarden Euro für den Be-
reich Bildung und Forschung ausverhandelt haben. Die-
ses Geld steht nicht nur für Maßnahmen des Bundes zur
Verfügung, sondern ein Großteil davon fließt an die Län-
der, weil wir die Länder bei den Aufgaben Bildung und
Forschung, etwa beim Erhalt von Kindertagesstätten,
entlasten wollen.

Das bedeutet – ich habe das einmal für unser Bundes-
land, für Nordrhein-Westfalen, ausrechnen lassen –, dass
dadurch, dass der Bund im nächsten Jahr den BAföG-
Anteil komplett übernehmen wird – Frau Ministerin
Wanka und Hubertus Heil haben das eben schon gesagt –,
den Ländern jedes Jahr 1,17 Milliarden Euro zusätzlich
zur Verfügung stehen. Für Nordrhein-Westfalen heißt
das, dass es jedes Jahr über 280 Millionen Euro mehr
verfügen kann. Das ist für dieses Land wie für alle ande-
ren Bundesländer eine große Erleichterung, weil sie die
Hauptlast bzw. die Hauptfreude an der Bildungsfinanzie-
rung tragen. Wenn man aber bedenkt, dass Nordrhein-
Westfalen zum Beispiel in den nächsten fünf Jahren al-
lein 175 Millionen Euro für Inklusion aufwenden wird,
dann sieht man, dass das Geld insgesamt schon relativ
knapp ist und es mehr werden könnte.
Wichtig ist deswegen der zweite Schritt, den wir auch
gegangen sind, nämlich eine Grundgesetzänderung vor-
zuschlagen, sodass eine veränderte Grundfinanzierung
der Hochschulen erlaubt wäre. Dabei ist ein wesentlicher
Punkt zu beachten: Die unterschiedlichen Verantwortun-
gen, die unterschiedlichen Lasten, die die einzelnen Län-
der tragen, müssen berücksichtigt werden. Ich will das
an einem Beispiel klarmachen; denn nicht alle Länder
verhalten sich gleich.

Schauen wir uns einmal die Zahl der Studierenden
pro Einwohner in einem Bundesland an. Dabei stellt
man fest, dass pro 100 Einwohner in Nordrhein-Westfa-
len 3,6 Menschen studieren, während – ich habe das ein-
mal wahllos herausgegriffen – in Bayern oder Sachsen,
Herr Kretschmer, jeweils 2,7 Menschen studieren. Ein
Blick auf die Abiturientenzahlen zeigt ein ähnliches Ver-
hältnis.

Nun kann man nicht sagen, dass die Menschen in
Bayern oder Sachsen dümmer wären.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Na, na!)


– Nein, das sage ich ausdrücklich nicht. – Aber festzu-
stellen ist, dass in Bayern weniger Menschen Abitur ma-
chen und dass in Nordrhein-Westfalen mehr Menschen
studieren. Das ist erst einmal ein Fakt.

Diese besondere Anstrengung der Länder muss man
berücksichtigen und sagen: Die Länder machen nicht al-
les gleich; diejenigen, die sich besonders anstrengen, be-
kommen einen besonderen Zuschlag. – Erst dann wird
die Sache gerecht. Das müssen wir auch bei der Grund-
finanzierung der Hochschulen hinbekommen.

Wir glauben, dass das nur der erste Schritt ist. Wenn
eine Große Koalition die Möglichkeit hat, Großes zu tun,
dann sollte sie das auch umsetzen. Im Bereich der Bil-
dung müsste die Möglichkeit ausgeweitet werden, dass
der Bund Kommunen und Ländern Geld zur Verfügung
stellt.

Frau Gohlke weiß sicherlich: Sie bekommt jetzt Kin-
dergeld. Sie könnte auch Elterngeld beantragen. Das
Kindergeld ist eine Bundesleistung. Die zweite Bundes-
leistung ist übrigens der Kinderfreibetrag. Je mehr ein
Mensch verdient, desto lukrativer wird der Freibetrag.
Das müssten wir eigentlich abschaffen. Das werden wir
in den nächsten Koalitionsverhandlungen auch festle-
gen. Es kann nicht sein, dass jemand, der viel Geld ver-
dient, über Kinderfreibeträge für sein Kind mehr be-
kommt als andere.


(Beifall der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Kommt ein Kind in den Kindergarten, muss man in
der Regel Gebühren zahlen. Diese zieht die Kommune
ein. Sie sind unterschiedlich gestaffelt. Arme Kommu-
nen müssen von den Eltern mehr Geld einfordern.
Reiche Kommunen können es sich leisten, ganz auf El-
ternbeiträge zu verzichten. Das Bundesland Nordrhein-
Westfalen hat zum Beispiel die wichtige Maßnahme um-
gesetzt, das dritte Kindergartenjahr gänzlich freizustel-





René Röspel


(A) (C)



(D)(B)

len, und Rheinland-Pfalz hat Kindergartengebühren ganz
abgeschafft.

Kommt ein Kind in die Schule, wird der Lehrer vom
Land bezahlt, das Schulgebäude und der Hausmeister
von der Stadt. Wenn eine Kommune arm ist, sehen die
Schulen schlechter aus; wenn eine Kommune reich ist,
sehen die Schulen besser aus. Insgesamt bedeutet das:
Eigentlich muss der Bund mehr Verantwortung tragen
können, um im Bereich Bildung tätig zu werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man kann das weiter ausdifferenzieren: Die Hoch-
schulen werden von den Ländern getragen. Macht ein
Kind eine Berufsausbildung, ist es eine Mischung aus
Bundes- und Landeszuständigkeit. Das kann es nicht
sein. Wir wollen, dass der Bund im Bildungsbereich er-
weiterte Möglichkeiten der Finanzierung hat. Das ist
eine Frage der Gerechtigkeit. Wir werden das weiterver-
folgen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Was den letzten Bereich, die Forschung, angeht, bin
ich sehr zufrieden. Wir werden 3 Milliarden Euro mehr
für Forschung zur Verfügung stellen. Was uns in den
letzten Jahren vorangebracht hat, ist der Pakt für For-
schung und Innovation – die Frau Präsidentin ist die Ur-
heberin dieses Paktes –, durch den sich seit 2005 alle
wissenschaftlichen Organisationen in Deutschland da-
rauf verlassen können, jedes Jahr mehr Geld zu bekom-
men. Das ist gut so. Es hat uns als Wissenschafts- und
Forschungsstandort weitergebracht. In einem nächsten
Schritt haben wir die Verantwortung, die Beschäftigten
in solchen Forschungseinrichtungen und Hochschulen
besserzustellen. Das ist uns ein wichtiges Anliegen.

Wir werden auch auf die großen Fragen der Zukunft
eine Antwort finden müssen. Angesichts der Tatsache,
wie unfriedlich diese Welt ist, ist es beispielsweise gut,
dass wir 1 Million Euro für Friedens- und Konfliktfor-
schung zur Verfügung stellen; das könnte aber noch
mehr werden. Im Hinblick auf die Frage, wie Menschen
künftig arbeiten wollen, ist es gut, dass wir uns stärker
mit dem Bereich Arbeitsforschung auseinandersetzen.

Abschließend darf ich Ernst Ulrich von Weizsäcker
nachträglich zu seinem gestrigen 75. Geburtstag herzlich
gratulieren. Er hat gestern ein Symposium zum Thema
Nachhaltigkeit durchgeführt, an dem viele internationale
Experten teilgenommen haben. Ich freue mich, dass
auch das Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen mit einer
Schulklasse vertreten war.

Ein Ergebnis war: Die zentrale Frage im Zusammen-
hang mit der Generationengerechtigkeit ist nicht der
Schuldenberg, sondern die Frage, wie wir unseren Plane-
ten künftigen Generationen hinterlassen und ob diese die
Möglichkeit haben, auf ihm zu leben, wenn wir ihn aus-
plündern und Energie verbrauchen. Deswegen müssen
und werden wir mehr für Energie- und Klimaforschung
tun. Das ist die Verantwortung dieser und künftiger Re-
gierungen, und der werden wir auch nachkommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804307800

Als nächster Redner hat Özcan Mutlu das Wort.


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804307900

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und

Kollegen! Als ich vor über 20 Jahren begann, mich bil-
dungspolitisch zu engagieren, ging es mir vor allem um
eines: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in
der Bildung. Gute Bildung ist das Fundament der Demo-
kratie, und sie hält unsere Gesellschaft zusammen.

Aber sehr bald zeigten uns viele Studien wie IGLU
und PISA, wie groß der Handlungsbedarf in diesem Be-
reich in der Bundesrepublik Deutschland war, ist und
– das kann ich nach der heutigen Debatte sagen – wahr-
scheinlich weiterhin bleiben wird. All diese Studien ha-
ben uns regelmäßig die erheblichen Defizite hinsichtlich
der Leistungsfähigkeit und der Gerechtigkeit unseres
Bildungssystems attestiert.

Auch PISA 2012 und der erst kürzlich veröffentlichte
nationale Bildungsbericht zeigen: Von einer umfassen-
den Chancen- und Teilhabegerechtigkeit für alle Kinder
und Jugendlichen in unserem Land kann keine Rede
sein, liebe SPD,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und das in einem Land, dessen Bundeskanzlerin sich
gerne mit dem Etikett „Bildungsrepublik“ schmückt, die
aber einer Regierung vorsteht, die noch immer viel zu
wenig in Bildung und Wissenschaft investiert.

Dass der Bildungsetat von großen Kürzungen ver-
schont wurde, ist sicherlich zu begrüßen.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Aber das reicht nicht. Priorität für die Bildung sieht an-
ders aus, liebe Kollegin Hübinger. Dass Ihnen nicht viel
an der Zukunft unserer Jugend liegt,


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der SPD)


sieht man auch daran, dass Sie keinen Mut haben, das
leidige Kooperationsverbot vollständig abzuschaffen,


(Anette Hübinger [CDU/CSU]: Fragen Sie mal die Länder!)


statt es immer nur zu beklagen, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD. Sicherlich ist es zu begrüßen,
dass Sie unser Land wenigstens von dem unsinnigen Ko-
operationsverbot in der Wissenschaft erlösen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist ein längst überfälliger Schritt. Aber das kann nur
ein erster Schritt sein.

Sie haben als GroKo 2006 dieses unsinnige Koopera-
tionsverbot eingeführt. Sie sind als Große Koalition in
der Pflicht – dazu haben Sie nun die Chance –, dieses





Özcan Mutlu


(A) (C)



(D)(B)

Kooperationsverbot, das nachweislich schädlich ist, ab-
zuschaffen, lieber Kollege Heil.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sollten nicht nur davon reden, sondern auch handeln.
Das ist das Gebot der Stunde. Sie sind schließlich in der
Regierungsverantwortung und dürfen nicht nur reden,
sondern müssen auch liefern.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Machen wir!)


Lieber Kollege Heil, bringen Sie Ihren Koalitionspartner
auf die richtige Spur, weg vom Verbot, hin zu einem Ge-
bot der Kooperation in Wissenschaft und Bildung! Denn
das ist das Fundament für die spätere Karriere von Ju-
gendlichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Wenn Sie ein Haus bauen, dann fangen Sie auch nicht
mit dem Verlegen der Dachziegeln an, sondern Sie legen
erst einmal das Fundament, wie der ehemalige Bundes-
präsident Johannes Rau zu Recht festgestellt hat. Ihr
Haus „Bildungsrepublik“ ist deshalb eine Fehlkonstruk-
tion. Zwar ist dieses Haus nicht vom Einsturz bedroht,
aber es hat massive Baumängel. Sie brauchen daher ei-
nen neuen Bauplan für das Haus der ganzheitlichen Bil-
dung, einen Bauplan, der eine Qualitätsoffensive für die
Kitas vorsieht, einen Bauplan, der ein neues Ganztags-
schulprogramm auflegt sowie die Inklusion und die
Schulsozialarbeit endlich absichert, einen Bauplan, der
den Jugendlichen einen wirklichen Übergang von der
Schule in die Ausbildung ermöglicht. Das Fundament
unserer Wissensgesellschaft ist nämlich eine gute Allge-
meinbildung für alle Schülerinnen und Schüler, unab-
hängig von Herkunft, Hautfarbe und sozialer Lage. Sie
sind in der Pflicht, zu liefern, und dürfen nicht nur im-
mer wieder die Willy Brandt’sche SPD zitieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer von dieser Großen Koalition große Taten erwar-
tet, wird angesichts Ihres Bildungshaushalts und Ihres
sturen Festhaltens am Kooperationsverbot in der Bil-
dung eines Besseren belehrt. Der basarreife Handel um
die Verteilung der Bildungsmittel bis zur letzten Minute
hat uns deutlich gezeigt, wie wackelig Ihr Haus ist. Aus
diesem Grund werden wir, Bündnis 90/Die Grünen, Ih-
rem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Wir können nur
an Ihre Vernunft appellieren: Stimmen Sie unserem Ent-
schließungsantrag zu, damit es den Kindern und Jugend-
lichen in dieser Republik besser geht und es nicht noch
schlimmer wird!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804308000

Als nächster Redner hat der Kollege Michael

Kretschmer das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1804308100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kollegen von der SPD! Lieber René
Röspel, Sie müssen mit uns keine kalte Suppe auslöffeln
und auch keine bitteren Pillen schlucken. Wir nehmen
Sie mit und ermöglichen es Ihnen, sich an einem großen
Erfolgsmodell zu beteiligen. Daran können sich übrigens
auch alle anderen hier im Parlament und in den Ländern
beteiligen, wenn es darum geht, Bildung und Wissen-
schaft voranzubringen und unseren Beitrag für eine gute
Welt zu leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Fangen Sie mal an! – René Röspel [SPD]: Wir sind doch längst dabei!)


Dafür haben wir den Haushalt des Bundesministe-
riums für Bildung und Forschung noch einmal um
85 Millionen Euro verbessert. Das ist keine Selbstver-
ständlichkeit. Das ist ein klares Signal, dass das Parla-
ment, der Haushaltsgesetzgeber, hier einen großen
Schwerpunkt sieht. Wie unsere Bundesforschungsminis-
terin bereits gesagt hat, sehen die Bundesregierung und
die Koalition das genauso. In den letzten zehn Jahren
wurden die Mittel für diesen Haushalt fast verdoppelt.
Sie belaufen sich nun auf über 14 Milliarden Euro, eine
gewaltige Zahl.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In dieser Legislaturperiode werden es insgesamt 9 Mil-
liarden Euro mehr sein, die wir in diesem Bereich inves-
tieren.

Die Zahlen sind sicherlich beeindruckend. Aber noch
beeindruckender ist, was mit dem Geld passiert. Wir
lösen damit die Zukunftsfragen dieser Zeit. Wir sorgen
dafür, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit
behält; denn wir können unseren Wohlstand in Deutsch-
land nur erhalten, wenn wir besser und schneller sind als
andere Regionen. Die großen Zukunftsfragen, vor denen
wir in Deutschland stehen, stellen sich zum großen Teil
auch weltweit und in Europa.

Es stellt sich die Frage der Energie- und Wasser-
versorgung. Dabei geht es zum einen darum, wie in
Deutschland die Energiewende gelingen kann, ob es
vielleicht alternative Systeme gibt, um Energie einzu-
sparen. Das bedarf einer großen Anstrengung, und dafür
leisten wir einen substanziellen Beitrag, übrigens auch in
Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Weltweit stellt sich zum anderen die Frage der Was-
serversorgung. Der fehlende Zugang zur Wasserversor-
gung ist eine große Bedrohung für den Frieden auf der
Welt. Wir leisten in Deutschland mit unserem Haushalt
für Bildung und Forschung unseren Beitrag zur Lösung
der globalen Probleme. Darauf können wir alle mitei-
nander stolz sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Michael Kretschmer


(A) (C)



(D)(B)

Junge Wissenschaftler in der Bundesrepublik Deutsch-
land sind begeistert, dass sie von uns die Möglichkeit be-
kommen, an der Lösung dieser Probleme mitzuarbeiten.

Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung.
Auf der einen Seite haben wir die technische Frage: Wie
wirkt sich die Digitalisierung auf den Bereich der Ge-
sundheit aus? Wie kann die Digitalisierung in den Berei-
chen der Bildung und der inneren Sicherheit helfen? Auf
der andere Seite lautet die gesellschaftliche Frage: Was
bedeutet das für unser Zusammenleben? Wie können
wir die strukturellen Nachteile, die wir in Deutschland
haben, weil wir nicht so schnell waren und die großen
Konzerne in anderen Ländern sind, korrigieren? Wie
können wir Industrie 4.0 und anderes zum Erfolg brin-
gen? Daran arbeiten wir.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wir arbeiten daran, Mobilität neu zu organisieren.
Hier in Deutschland arbeiten wir an intelligenten Syste-
men, zum Beispiel an Fahrerassistenzsystemen. Welt-
weit bemühen wir uns zudem, dass der CO2-Ausstoß re-
duziert wird. Auch damit leisten wir einen Beitrag zum
Klimaschutz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir leisten mit unserem Haushalt in Höhe von
14,4 Milliarden Euro einen Beitrag dazu, dass der demo-
grafische Wandel, der sich in Deutschland vollzieht – er
vollzieht sich auch in der übrigen Welt, aber unter ande-
ren Vorzeichen –, ebenfalls in vernünftigen und geordne-
ten Bahnen verläuft. Wir sorgen dafür, dass die Pro-
bleme abgefedert werden und man vielleicht aus dem
demografischen Wandel auch Chancen entwickeln kann.

Wir engagieren uns in einem ganz erheblichen Maße
dafür – da sind wir sehr erfolgreich –, dass wir die gro-
ßen Volkskrankheiten Demenz, Alzheimer, Krebs und
andere in den Griff bekommen. Das führt dazu, dass
diese Krankheiten nicht mehr Angst in der Bevölkerung
erzeugen und nicht mehr als Seuchen wahrgenommen
werden.

All das sind tolle Projekte, die wir mit diesem Haus-
halt voranbringen. Wir tun das, wie ich finde, auf sehr
innovative Art und Weise. Es gilt, an dieser Stelle einen
Dank an die Führung des Hauses, aber auch an die vielen
Mitarbeiter des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung und der Projektträger, die jeden Tag einen tol-
len Job machen, auszusprechen. Herzlichen Dank dafür,
meine Damen und Herren!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Innovationsförderung zu organisieren, ist nicht etwas
Alltägliches, es ist kein normales Geschäft, sondern man
muss sich permanent neu erfinden, Innovationen und
neue Entwicklungen aufnehmen. Das ist keine Selbst-
verständlichkeit. Wir haben mit dem Agendaprozess
eine neue Form, Projekte auf den Weg zu bringen, An-
wender, Wissenschaftler und Politik, auch Nichtregie-
rungsorganisationen, einzubeziehen. Wir werden bei
Projekten wie der Zukunftsstadt oder der Forschung für
Nachhaltigkeit innovative Instrumente ausprobieren. Ich
glaube, dass sie auch bei dem Transfer von Wissen sehr
hilfreich sein können.

Das, was wir als Haushaltsgesetzgeber und was die
Deutschen erwarten, ist, dass das Wissen, das wir mit
den vielen Milliarden Euro generieren, am Ende zu
neuen Produkten und Dienstleistungen führt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wie schwierig es ist, das Wissen zur Anwendung zu
bringen, kann man über die letzten Jahre und Jahrzehnte
sehen. Es reicht nicht, in der Grundlagenforschung ein
Ergebnis zu erzielen oder etwas zu entdecken; der An-
wender, der ein konkretes Problem hat, braucht keine ab-
strakte Lösung, sondern eine konkrete. Deswegen stellt
sich in diesem Bereich die Frage: Wie kommen wir zur
Anwendung? Das ist ein großer Schwerpunkt unserer
Arbeit in der nächsten Zeit. Die Hightech-Strategie, de-
ren nächste Stufe wir auf den Weg bringen, wird da ei-
nen Schwerpunkt haben.

Durch die Grundgesetzänderung, die ansteht – sie hat
in der Tat eine völlig neue, noch nie da gewesene Quali-
tät –,


(Beifall bei der CDU/CSU)


sorgen wir dafür, dass das Wissenschaftssystem zu-
kunftsfähig wird; das haben wir schon gehört. Aber das
geht nur dann, meine Damen und Herren, wenn sich alle
Akteure, also auch die Länder, weiter in der Verantwor-
tung sehen und wir das gemeinsam tun. Das ist auch un-
sere Erwartung. Wir wollen auch weiterhin nicht einfach
Geld an die Länder geben, sondern wollen ein gemeinsa-
mes Ziel verfolgen: die Zukunftsaufgaben lösen. Deswe-
gen engagieren wir uns in diesem Bereich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Für all das, was wir vorhaben, brauchen wir kluge
Köpfe. Die neue Initiative „Chance Beruf“, die in der
nächsten Woche vorgestellt werden soll, ist genau der
richtige Weg, Frau Bundesministerin. Wir brauchen eine
bessere Berufsorientierung, und zwar in allen Schulfor-
men, auch im Gymnasium.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich sage bewusst: Wir brauchen im Gymnasium auch
eine Berufsorientierung, nicht nur eine Studienorientie-
rung; denn es muss darum gehen, dass die jungen Leute
herausfinden, was aus ihnen werden soll. Wenn es ein
Studium ist, dann ist das gut, aber das ist nicht der
Selbstzweck. Es geht darum, dass junge Leute einen Be-
ruf ergreifen, der sie ausfüllt und der etwas dazu beiträgt,
dass unser Land Deutschland weiter vorankommt. Da-
rum muss es gehen. Deswegen: Weiter so in diesem Be-
reich!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben mit dem Haushalt auch die Chance, den
Qualitätspakt Lehre, den wir in der vergangenen Legis-
laturperiode aufgesetzt haben, jetzt starten zu können.





Michael Kretschmer


(A) (C)



(D)(B)

Das ist wichtig. Gute Lehrer sind das eigentliche Er-
folgsmoment im schulischen System. Gute Lehrer sor-
gen auch für gute Ergebnisse ihrer Schülerinnen und
Schüler. Deswegen engagieren wir uns in diesem Be-
reich.


(René Röspel [SPD]: Aber das ist Länderzuständigkeit!)


Wir haben mit dem Hochschulpakt etwas Einzigarti-
ges getan, wir haben nämlich mehreren Hunderttausend
jungen Leuten mit Bundesgeld ein Studium ermöglicht.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben diesen
Betrag immer wieder aufgestockt, je nachdem, wie die
Situation war. Das ist Ergebnis unserer Politik, auf das
wir stolz sein können. Ich denke, das sollte man an die-
ser Stelle sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


All das ist auf einem soliden Haushalt gebaut. Auch
darauf muss man stolz sein und das an dieser Stelle ein-
mal sagen. Alle Länder rings um uns herum kürzen ihre
Ausgaben vor allen Dingen im Bereich Bildung und For-
schung. Wir legen immer wieder etwas drauf. Das kön-
nen wir nur, weil wir einen soliden Haushalt haben. Ich
finde, man muss allen in Bezug auf Forschung und Ent-
wicklung immer wieder sagen, auch manchen in den
Bundesländern: Zukunftsausgaben auf Kredit, das ist
nicht das Richtige. Es muss beides zusammengehen: ein
solider Haushalt und Zukunftsausgaben. Genau das tun
wir in dieser Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804308200

Danke, Herr Kollege Kretschmer. – Ihnen allen von

meiner Seite einen schönen guten Tag. Der nächste Red-
ner in dieser Debatte ist Dr. Ernst Dieter Rossmann für
die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1804308300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich komme ohne Löffel, nur mit ein paar Gedanken. Der
erste Gedanke knüpft an das an, womit Kollege
Kretschmer eben endete. Eigentlich hatte die Debatte,
die wir heute zum Einzelplan 30 führen, ihren Vorlauf in
der gestrigen großen Aussprache durch die Bundeskanz-
lerin und die gestrigen Redner. Der Vizekanzler und
Wirtschaftsminister hat das heute fortgesetzt. Wir wollen
erreichen, dass 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
Forschung ausgegeben werden. Wir dürfen nicht verges-
sen, dass in Griechenland aktuell nur 0,6 Prozent für
Forschung eingesetzt werden können. Mit Blick auf eine
gemeinsame Initiative für Europa bedarf es Gedanken
dazu, was wir nicht nur als Vorbild vermitteln können,
sondern wie wir Ländern von Griechenland über Italien,
Spanien, Portugal und andere ermöglichen können, nicht
nur zu sparen, sondern auch nachhaltig etwas aufzu-
bauen. Diese müssen auch in unserem Verantwortungs-
bereich für Forschung und Bildung in der Solidarität mit
den europäischen Ländern weiterentwickelt werden.

Mein Appell, meine Bitte ist: Wir dürfen uns nicht zu
eng machen. Wir waren schon einmal weiter. Das geht
bis hin zu Projektbonds, die von der Bundeskanzlerin in
die Diskussion gebracht worden sind und Zukunftsinves-
titionen befördern sollten. Ich will das nur deshalb anspre-
chen, weil der Stolz, den wir hinsichtlich der Ausgaben
für Forschung in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlands-
produkts haben, ein Stolz sein sollte, den auch andere
Länder entwickeln können und müssen.

Der zweite Gedanke. Ja, wir sind mit 6 Milliarden
Euro und 3 Milliarden Euro in guter Vorlage. Trotzdem
muss ich einen Fraktionsvorsitzenden aus einem Bun-
desland zitieren, der dazu nüchtern am 24. Juni festge-
stellt hat:

Wir kommen leider nicht umhin, Teile des Geldes

– aus der BAföG-Umfinanzierung –

für die Konsolidierung des Landeshaushalts zu ver-
wenden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer war das?)


– Das war der CDU-Fraktionsvorsitzende des Saarlan-
des. – Dazu sagt man nicht „Pfui“, sondern man muss
anerkennen, dass es in Bundesländern Haushaltsnotla-
gen gibt. Hier dürfen wir nicht zu kurz denken, sondern
müssen angesichts der Haushaltsnotlagen dafür sorgen,
dass die Bildungspolitiker mit in die Finanzkommission
kommen, die über die Finanzbeziehungen zwischen
Bund und Ländern und zwischen den Ländern unter-
einander mit Perspektive 2019 berät. Dann kann es in al-
len Bundesländern in Zukunft heißen: Ja, wir haben eine
klare Priorität für Bildung und Forschung und können
das verlässlich mitfinanzieren.


(Zuruf der Abg. Anette Hübinger [CDU/ CSU])


– Ich schelte doch gar nicht das Saarland, Frau
Hübinger, ich gebe nur wieder, was der Fraktionsvorsit-
zende des Saarlandes gesagt hat. – Hier sollten wir Soli-
darität gegenüber den einzelnen Bundesländern entwi-
ckeln.

Damit komme ich zum dritten Gedanken. Der Bund
kann aktuell sehr verlässlich agieren. Er muss das auch
zu seinem Markenzeichen machen in Bezug auf die gro-
ßen Gestaltungsblöcke, die wir zusammen mit den Län-
dern finanzieren oder jetzt sogar alleine schultern: das
BAföG, die Hochschulpakte, die Exzellenzinitiative, den
Pakt für Forschung und Innovation und auch den Quali-
tätspakt Lehre, jetzt noch ergänzt um die Qualitätsinitia-
tive Lehrerbildung.

Ich will in diesem Zusammenhang etwas aufnehmen,
wozu der Kollege Kretschmer bei der ersten Lesung vor
einigen Wochen schon etwas gesagt hat: Beim Pakt für
Forschung und Innovation sollen es 3 Prozent mehr sein,
verlässlich. – Wir setzen hinzu: Verlässlichkeit heißt dann
auch, sehr bald – von uns aus sofort – zu signalisieren:
über fünf Jahre.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)






Dr. Ernst Dieter Rossmann


(A) (C)



(D)(B)

Denn mit den fünf Jahren stellt sich die Verlässlichkeit
ein, die die Forschungsorganisationen erwarten.

Der vierte Gedanke: Ja, wir sollen dort nichts schön-
reden, wo wir tatsächlich in einer gewissen Phase des
Übergangs sind, obwohl nach unserer Wahrnehmung der
Haushalt 2014 schon ein guter Haushalt ist. Dennoch ist
er ein gewisser Haushalt des Übergangs. Der Haushalt
2015 wird es auch noch sein. Am Ende wird man ja se-
hen, ob sich in den Haushalten 2016 und 2017 das neue
Gestaltungsfeld, das eröffnet worden ist, dann tatsäch-
lich auch in solchen zusätzlichen Schwerpunkten und
Akzentuierungen, wie Sie, Herr Kretschmer, sie eben an-
gesprochen haben, wiederfindet: in einer erweiterten
Wissenschaftsarchitektur, in einer noch stärker auf Welt-
verantwortung ausgerichteten Programmstrukturierung.
Man wird sehen, ob auch ein paar der Akzente aufge-
nommen werden, die wir jetzt schon mit den bescheide-
nen Mitteln, Frau Hübinger, von 75 Millionen Euro, die
wir als selbstbewusste Parlamentarier umgeschichtet ha-
ben, und 85 Millionen Euro, die Sie als selbstbewusste
Haushälter dazu erkämpft haben, setzen.

Für uns ist es wichtig, dass wir, um es jetzt im Kon-
trast zu sagen, bei der Unterstützung für alle Leistungs-
komponenten die Grundbildung nicht vergessen und die
Balance zwischen Leistung und Grundbildung – Alpha-
betisierung – halten.

Für uns ist es wichtig, dass wir dort, wo wir selbstver-
ständlich sagen, dass jeder junge Mensch eine gute be-
rufliche Erstausbildung bekommen soll, die Balance hal-
ten und dass es eine zweite und dritte Chance geben
muss. Deshalb: nicht nur Berufsorientierung, sondern
auch Ausbildungsassistenz.

Für uns ist es wichtig, dass wir dort, wo wir sagen,
dass wir die MINT-Fächer stärken müssen, weil sie inno-
vationsträchtig sind, nicht vergessen, dass in Sachen IT-
Innovation die Ingenieurleistung das eine ist und die Ar-
beitsplätze das andere sind. Deshalb muss die Dienstleis-
tungsforschung zur Arbeitsforschung hinzukommen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804308400

Herr Kollege.


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1804308500

Um noch einen letzten Gedanken zu nennen: Für uns

ist es auch wichtig, dass wir die kleinen Akzente zusam-
men weitertragen. Das mit der Friedensforschung ist ein
ganz kleiner Betrag. Es zeigt trotzdem, dass diese Koali-
tion voneinander und miteinander lernen kann. Deshalb
freuen wir uns auf diesen Haushalt und auf eine gute Le-
gislaturperiode. All die Kritiker werden sich in 2016 und
2017 an das erinnern, was wir jetzt gesagt haben. Dort
wird es einen signifikanten neuen Aufbruch – haushalte-
risch auch dokumentiert – geben.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804308600

Herr Kollege.


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1804308700

Er zeigt: Bildung und Forschung veranlassen immer

wieder zu neuem Aufbruch in Deutschland.
Danke.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was zu beweisen wäre! – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804308800

Danke, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in der De-

batte: Katrin Albsteiger für die CDU/CSU.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Albsteiger (CSU):
Rede ID: ID1804308900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Endlich Schluss mit Schul-
denmacherei! Unter diesem Motto steht der eingebrachte
Haushalt im Haushaltsjahr 2014. Der Haushalt 2014 ist
strukturell ausgeglichen. Der Bund wird ab dem Jahr
2015 keine neuen Schulden mehr aufnehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Genau das haben wir in den vergangenen Tagen bei
dieser Haushaltsdebatte schon des Öfteren gehört, aber
es ist eine so große Zäsur, dass ich sagen muss: Man
kann es nicht oft genug sagen, und es ist auch wirklich
schön, es immer wieder zu hören. Mit diesem Haushalt
endet nach Jahrzehnten endlich die fatale Kultur der Ver-
schuldung, die immer, aber auch wirklich immer, zulas-
ten der jungen Generation geht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Damit geht der Bund – aufpassen! – jetzt den bayeri-
schen Weg, was mich als CSU-Abgeordnete wirklich
sehr stolz macht.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sehr gut! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist ja so glücklich heute! – Martin Rabanus [SPD]: Jetzt mal halblang!)


Das ist ein historischer Erfolg dieser Großen Koalition
von CDU, CSU und SPD.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Wie sich die Zeiten doch ändern! Es gab schließlich
auch Jahre – vor einigen Jahren war das noch der Fall –,
in denen der Bildungs- und Forschungsetat, sagen wir,
eher etwas stiefmütterlich behandelt wurde.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Rüttgers!)


Inzwischen ist es aber so, dass sich dieser Umstand
glücklicherweise geändert hat. Somit sind wir nun in der
Lage, zum neunten Mal in Folge einen historischen
Höchststand dieses Etats zu präsentieren, nämlich erst-
mals von 14 Milliarden Euro. Das ist schon etwas.

Seit 2005, als Annette Schavan Bildungsministerin
in unserem Land wurde – ihr folgte Frau Professor
Wanka –, haben wir wirklich einiges erreicht.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch schon vorher!)






Katrin Albsteiger


(A) (C)



(D)(B)

Seit 2005 konnten wir diesen Haushalt um sage und
schreibe 87 Prozent steigern. Hinter diesem Riesenplus
steht ein Riesenkraftakt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Grandios ist das! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Unter Rüttgers hatten wir den Tiefpunkt!)


Vergleicht man diesen Etat mit denen anderer Ressorts
– wir haben mittlerweile viele Haushaltsdebatten gehört –,
muss man schon sagen, dass der Bildungshaushalt, der in-
zwischen der fünftstärkste Etat des Bundeshaushalts ist,
schon ein Alleinstellungsmerkmal aufweist. Damit ist
die Priorität von Bildung und Forschung erneut doku-
mentiert, und das wie bereits in den Jahren zuvor.

In diesem Zusammenhang möchte ich an ein Zitat
von John F. Kennedy erinnern – einige werden es ken-
nen; denn es steht an einer Wand des Bildungsministeri-
ums –:

Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bil-
dung: keine Bildung.

Der Koalitionsvertrag unserer Parteien ist im Geiste
dieses Zitats verfasst worden. Der Haushalt 2014 ist als
etwas in die Zukunft Gerichtetes und natürlich als Ge-
samtprojekt dieser Legislaturperiode anzusehen. Der
Haushalt 2014 ist praktisch ein Startschuss für all das,
was noch kommt.

Ich gebe zu: Es gibt auch kritische Stimmen; wir ha-
ben sie auch heute schon des Öfteren gehört. Sie wurden
seitens der Opposition hier laut. Man kritisierte nach
dem Motto: Ihr hättet noch mehr Geld für Bildung und
Forschung ausgeben können. Als Bildungs- und For-
schungspolitikerin glaube ich sagen zu können: Es gibt
keinen unter uns, der sagen würde: Nein danke; wir ha-
ben genug; gebt das Geld doch anderen Ressorts; es
wurde schon genug für Bildung und Forschung getan.

Natürlich wollen wir alle unseren Weg weitergehen,
und natürlich wollen wir immer mehr Geld für Bildung
und Forschung. Dies muss aber haushalterisch verant-
wortlich und generationengerecht geschehen. Unseren
Kritikern möchte ich an dieser Stelle etwas entgegenhal-
ten. Wenn man beispielsweise einen Studenten fragt:
„Möchtest du, dass an deiner Universität mehr Geld in-
vestiert wird?“, dann sagt er selbstverständlich Ja. Wenn
man ihm für die Dauer seines Studiums ein zusätzliches
kostenloses Mensaessen anbietet, dann wird er wahr-
scheinlich ebenfalls nicht Nein sagen.


(René Röspel [SPD]: Es kommt auf das Essen an!)


Beispielsweise größere Hörsäle, längere Bibliotheksöff-
nungszeiten – bis zu 24 Stunden, auch an Sonntagen –,
mehr Exemplare der besonders begehrten Bücher in den
Bibliotheken, modernere CIP-Pools und Weiteres, ja
klar, all das wollen Studenten haben. Es ist ja auch
grundsätzlich gut, das zu fordern.

Erklärt man allerdings klugen Studenten wie diesem,
wie viel das alles kostet – schließlich müssen die Verbes-
serungen jedem Studenten gleichermaßen zugutekom-
men –, wird er zu Recht ins Grübeln kommen. Unsere
Aufgabe als verantwortungsvolle Bildungspolitiker ist,
dass wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie
viel wir tatsächlich bezahlen können. Unser besonderer
Dank gilt unserer Ministerin Professor Wanka, aber auch
allen anderen Haushältern, die es tatsächlich geschafft
haben, die Bildungs- und Forschungspolitik erneut zu
stärken und dennoch einen ausgeglichenen Gesamthaus-
halt zu präsentieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn das alles so einfach wäre, wenn man es so ein-
fach hätte machen können, dann wäre es sicherlich
schon früher umgesetzt worden. Was hier geleistet wor-
den ist, war ein Riesenkraftakt, und den muss man als
solchen zur Kenntnis nehmen.

In den nächsten Jahren kommen auf Bund und Länder
eine große Verantwortung und große Aufgaben zu.
Selbstverständlich werden wir diese Aufgaben erfüllen.
Gerade das 3-Prozent-Ziel im Forschungsbereich darf
natürlich nicht aufgegeben werden, sondern es muss
ganz klar auch in der Zukunft verfolgt werden. Deswe-
gen werden wir in den nächsten Jahren rund 3 Milliarden
Euro mehr in Forschung und Entwicklung investieren.
Auch das ist eine Investition in die junge Generation.
Denn nichts wirkt so stark in die Zukunft wie Forschung,
Innovation und Entwicklung.

Ich möchte an dieser Stelle einen letzten Gedanken
anbringen. Wie wir schon gehört haben, hat der Bund die
Länder beim BAföG um 1,17 Milliarden Euro pro Jahr
entlastet.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch nicht! Ab dem nächsten Jahr!)


Das ist insgesamt schon ein großer Batzen. Die Länder
haben sich verpflichtet, ihre frei werdenden Mittel tat-
sächlich in die Bildung zu investieren. Das ist gut so. Ich
hoffe und glaube, dass sie es auch tatsächlich tun wer-
den. Diesen Vertrauensvorschuss muss ich ihnen einfach
geben; sonst könnte ich nicht mehr gut schlafen.

Selbstverständlich haben die Länder die Möglichkeit,
weiter in den BAföG-Bereich zu investieren und sich an
dessen Weiterentwicklung zu beteiligen. Wir planen eine
BAföG-Reform, die nicht nur auf eine Erhöhung der Be-
darfssätze und der Freibeträge abzielt, die vielmehr auch
strukturelle und organisatorische Änderungen anstrebt.
Es wäre doch durchaus sinnvoll, wenn sich die Länder
frühzeitig für eine bessere personelle Ausstattung der
BAföG-Ämter oder für eine flächendeckende Möglich-
keit der Onlineantragstellung einsetzen könnten. Das
würde die BAföG-Verfahren in unserem Land beschleu-
nigen und den Studenten tatsächlich helfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier sind die Länder nicht aus der Verantwortung entlas-
sen. Sie haben nach wie vor genügend Möglichkeiten,
sich in dem Bereich genauso zu engagieren, wie wir es
tun.

Meine abschließende Bewertung zum Haushalt. So
stelle ich mir das vor: keine Scheuklappen, das Gesamt-





Katrin Albsteiger


(A) (C)



(D)(B)

bild im Auge behalten. Beste Bildung und verantwor-
tungsvolle Haushaltspolitik – das ist der Bildungshaus-
halt 2014.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804309000

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der

Debatte ist Martin Rabanus für die SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Rabanus (SPD):
Rede ID: ID1804309100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am Ende einer solchen Debatte will ich für mich einfach
noch einmal ein bisschen Bilanz ziehen in der Frage,
was die Punkte sind, die von besonderer Bedeutung sind.

Bildung und Forschung ist einer der wesentlichen
Schwerpunkte dieser Koalition.


(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])


Das ist schon gesagt worden, aber das ist auch am Ende
der Debatte noch einmal festzuhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben mit den 6 plus 3 Milliarden Euro von den
23 Milliarden Euro, die die Koalition in den kommenden
Jahren insgesamt zusätzlich ausgeben wird, den wesent-
lichen finanziellen Schwerpunkt im Bildungsbereich,
und das ist gut so.

Im Bildungsbereich ist das zum größeren Teil eine
Entlastung der Länder. Es ist schon gesagt worden: Wir
müssen sehr darauf achten, sehr genau gucken, dass die
Mittel auch komplett im Bildungsbereich in den Ländern
ankommen. Ich verstehe an der Stelle, Frau Kollegin
Deligöz, nicht so ganz, warum Sie eine Lanze für Hessen
brechen. Das ist ja ganz schön mit dem Fonds für die
Hochschulfinanzierung, den man da machen will.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich verstehe das schon!)


– Das ist allerdings der BAföG-Teil, nicht? – Zu den an-
deren Teilen, die Entlastungswirkung entfalten, die auch
Teil der Vereinbarung sind, hört man von der hessischen
Seite aber überhaupt nichts. Da bin ich sehr gespannt, ob
das vielleicht noch ergänzt wird.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie einmal in Hamburg nach!)


Wichtig ist auch: Die Pakte werden fortgesetzt. Das
ist ebenfalls hinreichend deutlich gemacht worden.

Bildung und Forschung, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, sind – das ist in der Tat die feste Überzeugung der
SPD – der Schlüssel für die Zukunft unseres Landes, so-
wohl gesamtgesellschaftlich wie aber auch individuell;


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

da geht es um das Thema Chancengleichheit, um das
Thema Bildungsgerechtigkeit. Natürlich ist es notwen-
dig, einen möglichst guten Abschluss, eine möglichst
gute Bildung zu haben, um sich auf dem Arbeitsmarkt so
positionieren und platzieren zu können, dass man ein
auch ökonomisch selbstbestimmtes Leben führen und
Teilhabe für sich persönlich sicherstellen kann.

Der gesamtgesellschaftliche Aspekt ist natürlich auch
und gerade in Zeiten des demografischen Wandels von
besonderer Bedeutung – ich nenne einmal das Stichwort
„Fachkräftesicherung“ –, aber auch vor dem Hintergrund
von Industrie 4.0 und all dem, was das am Ende des Ta-
ges für die Arbeitswelt bedeutet, was Veränderungen
von Arbeitsprozessen, Arbeitszeiten, Qualifikationsan-
forderungen angeht, und was das natürlich auch für Bil-
dungssysteme bedeutet.

Bildung und Forschung, das ist also das zentrale Zu-
kunftsfeld. Ich bin der festen Überzeugung, dass es not-
wendig sein wird, alle Begabungspotenziale zu heben,
übrigens unabhängig von der Frage, ob die sich nun im
akademischen Bereich oder im Bereich der beruflichen,
der dualen Bildung entfalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir eine echte
Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bil-
dung hinbekommen. Wir brauchen, was das angeht, kein
Entweder-oder – jeder Zungenschlag in dieser Richtung
ist falsch –; wir brauchen ein Sowohl-als-auch.

Deswegen ist es auch ganz wichtig, dass die Koalition
sich darauf verständigt hat, den einen Teil, der mindes-
tens in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht nicht
gar so deutlich geworden ist, über die Allianz für Aus-
und Weiterbildung noch einmal besonders prominent zu
stärken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Hubertus Heil ist darauf vorhin schon eingegangen, aber
ich will das an der Stelle ausdrücklich unterstreichen:
Wir brauchen diese Allianz, nicht nur gesellschaftlich.
Es gilt, das auch thematisch breit aufzustellen: Berufs-
orientierung an der Schule und, ja, ausdrücklich auch am
Gymnasium.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD])


Berufsorientierung ist nicht nur eine Aufgabe von
Haupt-, Real- und Gesamtschulen, sondern auch und vor
allen Dingen von Gymnasien. Das muss curricular breit
verankert werden und darf nicht nur laufen im Sinne
von: Wir machen mal einen Ausflug zum Berufsinfor-
mationszentrum, und das war’s dann.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist mehr als nur eine Bitte. Es ist eine Herausforde-
rung für die Länder, weil sie das in den Schulen entspre-
chend umsetzen müssen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ein Land ist vertreten!)






Martin Rabanus


(A) (C)



(D)(B)

Neben der Berufsorientierung liegt mir besonders die
Frage der Aufstiegsförderung am Herzen. Sie beginnt
für mich bei der großen Zahl junger Menschen unter
30 Jahren, die über keinen formalen Berufsabschluss
verfügen, und hört nicht beim Thema Meister-BAföG,
also der Aufstiegsfortbildungsförderung, auf. Über diese
Themen müssen wir im Zusammenhang mit der be-
schlossenen BAföG-Reform in den kommenden Jahren
reden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Insgesamt, glaube ich, kann man angesichts der ver-
schiedenen Aspekte, die schon genannt worden sind, und
der parlamentarischen bzw. koalitionären Duftmarken,
die der Haushalt 2014 trägt, sagen: Es ist ein Anfang ge-
macht. Weitere Schritte stehen uns ab September in den
Haushaltsberatungen für 2015 bevor. Ich glaube, dass
wir die wesentlichen Linien fortsetzen werden, dass wir
andere Spielräume bekommen werden.

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Im
letzten halben Jahr haben viele neue Abgeordnete, zu de-
nen auch ich gehöre, sich ein wenig orientiert und ihre
Rolle im parlamentarischen Geschäft gefunden.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804309200

Und die Redezeit eingehalten.


Martin Rabanus (SPD):
Rede ID: ID1804309300

Das Gleiche gilt für die Koalition insgesamt auch. Ich

finde, wir haben uns im letzten halben Jahr ganz gut ge-
funden. Liebe Frau Ministerin Wanka – das ist keine
Drohung, sondern ein Versprechen –, wir werden das
auch entsprechend entfalten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804309400

Danke, Herr Kollege. – Als letzter Redner in der De-

batte hat das Wort Trankred Schipanski für die CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])



Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1804309500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner darf ich
die Take-home Message für den Einzelplan 30 austeilen.
Wir haben heute gehört: keine Kürzungen, Aufwüchse
und hohe Priorität in der Bundesregierung. Wir erinnern
uns an die gestrige Generaldebatte. Unsere Bundeskanz-
lerin hat in ihrer Rede als Erstes den Einzelplan 30 er-
wähnt mit den Messages: keine Kürzungen, Aufwüchse,
BAföG-Reform, Kooperationsverbot. Das waren die
Stichworte. Ich denke, das ist die richtige Priorität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann heben Sie doch das Kooperationsverbot auf!)

Als letzter Redner der Debatte darf ich natürlich ein
bisschen auf meine Vorredner reagieren. Ich fange mit
dem Kollegen Claus an. Ich war ganz überrascht, Sie ha-
ben gut angefangen: Wir gestalten in diesem Haushalt.
Wir haben viele Mittel. Wir hätten ein hohes Maß an Ge-
meinsamkeiten in diesem Bereich. – Als ich mir dann
die Änderungsanträge ansah, die die Linken eingebracht
haben, dachte ich, ich bin in einem falschen Film. Sie
haben geschrieben: Deutschlandstipendium, Exzellenz-
initiative, Qualitätspakt Lehre, Hightech-Strategie müs-
sen abgeschafft werden. Alles muss um 40 Millionen
Euro gekürzt werden. Gleichzeitig haben Sie Ausgaben-
vorschläge in Höhe von 5,2 Milliarden Euro gemacht.
Davon waren 4,4 Milliarden Euro nicht gegenfinanziert.
Lieber Herr Claus, das, was die Linken hier vortragen,
ist unseriös und irreal.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn Sie, Herr Kollege, von Verteilungsungerechtig-
keit zwischen den Bundesländern sprechen und hier be-
haupten, nach München und nach Köln/Bonn flössen
durch diesen Haushalt wesentlich mehr Mittel und dies
würde noch gesteuert, dann finde ich das schon aller-
hand. Wenn Sie in den Haushaltsentwurf schauen – wir
haben viele Kolleginnen und Kollegen aus den neuen
Bundesländern in diesem Ausschuss –, so finden Sie den
Titel „Innovationsförderung in den neuen Ländern“, den
wir mit fantastischen 100 Millionen Euro unterlegt ha-
ben. Wir haben einen Zuwachs von 27 Millionen Euro
pro Jahr. Es ist ein wichtiges Signal, dass wir diese Mit-
tel gesamtdeutsch verteilen. Ich finde es nicht schön, bei
diesem Haushalt Ost und West gegeneinander auszuspie-
len.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Frau Gohlke, schön, dass Sie wieder da sind. Ich freue
mich immer wieder über Ihre Reden. Es geht immer
recht zügig. Heute sprachen Sie von Symbolen und Si-
gnalen. – Wir werden in diesem Hause die BAföG-
Reform diskutieren. Wir werden den Ausbau der Koope-
rationskultur diskutieren. Ich werde Sie mit einer Signal-
fanfare wecken, und dann können Sie Ihre Argumente
entsprechend vortragen.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Das ist noch nicht Thema des Haushalts 2014.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Welche Arroganz!)


Die Kollegen von den Grünen haben Angst, dass die
BAföG-Entlastung nicht bei den Ländern bzw. bei den
Hochschulen und den Schulen ankommt. Wir haben eine
Zusage von den Ländern – wir haben viele Juristen unter
uns – und wissen: Pacta sunt servanda. Kollege Heil hat
gesagt, dass wir den Ländern gegenüber ein gesundes
Misstrauen haben. Daher setzen wir uns als Koalition
dafür ein, dass wir ein Monitoring institutionalisieren.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zahnloser Tiger!)






Tankred Schipanski


(A) (C)



(D)(B)

Der Haushaltsausschuss des Bundestages muss auch in
den nächsten Jahren die Möglichkeit haben, in die Lan-
deshaushalte zu schauen und zu prüfen, ob das Geld
auch wirklich da ankommt. Der Rechnungsprüfungsaus-
schuss wird, denke ich, gemeinsam mit dem BMBF prü-
fen, welche Controllinginstrumente da zur Verfügung
stehen.

Redner der SPD und auch der Grünen haben hier
heute das Thema Kooperationsverbot angesprochen, ins-
besondere Kollege Heil. Schon gestern in der Generalde-
batte haben wir Kollegen Oppermann dazu gehört. Von
Herrn Rossmann konnten wir dazu etwas in der Zeitung
lesen. Ich kann nur sagen: Das ist das falsche Wording;
es geht um eine Kooperationskultur.


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt so!)


Angesichts der gegenwärtigen Verfassungslage


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht „Kooperationsverbot“ und nicht „-kultur“!)


ist es schon sehr erstaunlich, wo der Bund schon heute
im Zuständigkeitsbereich der Länder investiert. Ich darf
Ihnen einmal die Zahlen in Erinnerung rufen: Wir stellen
2,7 Milliarden Euro für die Exzellenzinitiative in den
Jahren 2011 bis 2017 bereit, über 7 Milliarden Euro für
die erste Säule des Hochschulpakts in den Jahren 2011
bis 2015, noch einmal 2,7 Milliarden Euro für die zweite
Phase von 2016 bis 2018. Wir haben für die zweite Säule
des Hochschulpakts 1,6 Milliarden Euro bis 2015 einge-
plant, Stichwort: DFG-Overhead. Wir stellen für den
Qualitätspakt Lehre in den Jahren 2011 bis 2020 Bun-
desmittel in Höhe von insgesamt rund 2 Milliarden Euro
zu Verfügung. Wir haben einen Pakt für Forschung und
Innovation; das 3-Prozent-Ziel ist schon angesprochen
worden. Hier kann ich nur von einer Kooperationskultur
sprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Weil wir parteiübergreifend festgestellt haben, dass
wir die Hochschulen stärken müssen, haben wir schon
vor Jahren vorgeschlagen, Artikel 91 b Grundgesetz zu
ändern. Ich freue mich, dass es jetzt in der Großen Koali-
tion gelingt, den breiten gesellschaftlichen Konsens auf-
zugreifen und jeweils die Zweidrittelmehrheit im Bun-
desrat und im Bundestag zu erreichen, die wir benötigen.
Der Textentwurf steht. Ich freue mich sehr, dass wir die
Kooperationskultur ausbauen und Artikel 91 b ändern.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Vom Verbot zur Kultur!)


Ich höre jetzt immer die Forderung nach einer Koope-
ration im Schulbereich. Ich darf an dieser Stelle klarstel-
len, dass die Schulen zum Kernbereich der Zuständigkeit
der Länder gehören. Wir haben schon oft Defizite ange-
mahnt, auch in der letzten Legislatur. Wir haben gesagt:
Liebe Länder, wir übernehmen als Bund gerne die Koor-
dinierung, weil wir da durchaus Defizite sehen. – Die
KMK hat das regelmäßig mit herben Worten abgelehnt.
Wie wollen Sie da denn bei den Kultusministern und den
Kollegen in den Landtagen eine Mehrheit für eine Ko-
operation erreichen, die noch ein ganzes Stück über eine
Koordinierung hinausgeht? – Das ist völlig realitätsfern.
Unser Fraktionsvorsitzender sagt immer: Politik beginnt
mit dem Betrachten der Wirklichkeit. –


(René Röspel [SPD]: Das war Kurt Schumacher!)


Wir haben da keinen breiten Konsens mit den Ländern.
Daher ist unser Vorschlag zur Änderung des Arti-
kels 91 b genau der richtige.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben immer gesagt – dazu haben wir die KMK
mehrfach aufgefordert –: Liebe Kollegen, löst das über
einen Staatsvertrag! – Wir haben beim Rundfunkstaats-
vertrag die besten Erfahrungen damit gemacht, es ver-
bindlich, transparent und gut niederzuschreiben. Wir
warten nun, was die KMK hier vorlegt, was die Bundes-
länder vorlegen. Am Bund liegt es nicht.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Na!)


Stichwort: Grundfinanzierung der Hochschulen; Kol-
lege Röspel hat es angesprochen. Auch hier können wir
im Hinblick auf den Koalitionsvertrag sagen: Verspre-
chen gehalten! Die Ministerin hat es gesagt: Wir haben
für die Entlastung der Länder beim BAföG gesorgt.


(René Röspel [SPD]: Das ist nicht die Grundfinanzierung!)


Sie können jetzt das Geld in die Grundfinanzierung der
Hochschulen stecken; das haben wir geschafft. Sehr
schön!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir halten Ver-
sprechen. Wir setzen aber auch neue Akzente. Meine
Kollegin Anette Hübinger hat die Änderungsanträge an-
gesprochen, die wir in das parlamentarische Verfahren
eingebracht haben. Ich denke hier an DAAD, AvH – plus
10 Millionen Euro –, Aufstiegsstipendien, Berufsorien-
tierungsprogramme – sie wurden mehrmals angespro-
chen und beklatscht –, Weiterbildung und lebenslanges
Lernen, IT-Sicherheitsforschung und Produktions- und
Dienstleistungsforschung; überall da gibt es Aufwüchse,
sogar beim Thema „Forschung an Fachhochschulen“.
Obgleich es hier einen Aufwuchs gibt, muss ich sagen:
Wenn wir die Forschung an Hochschulen stärken, stellt
das nicht die kooperative Promotion infrage.

Michael Kretschmer hat gezeigt, welche beeindru-
ckenden Erfolge wir in der Gesundheitsforschung haben.
Hier liegt der Schwerpunkt darauf, die Gesundheitsfor-
schung auszubauen und ein Forschungsnetzwerk für
Kinder- und Jugendkrankheiten zu entwickeln.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Meine Damen und Herren, wir sehen: Die Bildungs-
republik Deutschland lebt, das Haus steht. Lieber Herr
Mutlu, Sie haben vorhin erzählt, Sie hätten nur einen
Bauplan. Die Architektur steht aber schon. Ich heiße Sie
in unserem Haus, in der Bildungsrepublik Deutschland





Tankred Schipanski


(A) (C)



(D)(B)

willkommen. Mit diesem Haushalt bringen wir Qualität
in diese Republik.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Träumen Sie weiter!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804309600

Vielen Dank für diese Fanfare, Herr Kollege. – Ich

schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 30 – Bundesministerium für Bildung und For-
schung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 30 ist angenommen mit den Stimmen der Union
und der SPD bei Gegenstimmen von Linken und Bünd-
nis 90/Die Grünen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte VIII a bis c sowie
Zusatzpunkt 1 auf:

VIII a) Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes
zur Änderung des Weingesetzes

Drucksache 18/1780
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Annalena
Baerbock, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Bad Bank für Atom – Rückstellun-
gen der Atomwirtschaft in öffentlich-
rechtlichem Fonds sicherstellen

Drucksache 18/1465
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

c) Beratung der Unterrichtung durch die Bun-
desregierung

Bericht der Bundesregierung nach Arti-
kel 5 des Gesetzes zur Regelung von De-
Mail-Diensten und zur Änderung weite-
rer Vorschriften

Drucksache 17/10720
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss Digitale Agenda
ZP 1 Beratung des Antrags des Präsidenten des Bun-
desrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2013

– Einzelplan 20 –

Drucksache 18/1560
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 18/1465, Ta-
gesordnungspunkt VIII b, soll federführend beim Aus-
schuss für Wirtschaft und Energie beraten werden. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte IX a bis g sowie
Zusatzpunkt 2 auf. Es handelt sich um die Beschlussfas-
sung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgese-
hen ist.

Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe-
titionsausschusses.

Liebe Gäste auf den Tribünen, es tut mir leid, ich
kann Ihnen nicht sagen, worum es da im Einzelnen geht,
das würde definitiv zu lang dauern. Aber vertrauen Sie
den Abgeordneten, sie wissen, worüber sie abstimmen.

Tagesordnungspunkt IX a:

Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 60 zu Petitionen

Drucksache 18/1632

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Damit ist die Sammelübersicht 60 angenom-
men.

Tagesordnungspunkt IX b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 61 zu Petitionen

Drucksache 18/1633

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 61 ist angenommen mit
den Stimmen der Union und der SPD bei Gegenstimmen
der Linksfraktion und bei Enthaltung von Bündnis 90/
Die Grünen.

Tagesordnungspunkt IX c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 62 zu Petitionen

Drucksache 18/1634





Vizepräsidentin Claudia Roth


(A) (C)



(D)(B)

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 62 ist mit den Stimmen al-
ler Fraktionen angenommen.

Tagesordnungspunkt IX d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 63 zu Petitionen

Drucksache 18/1635

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 63 ist angenommen: Zu-
stimmung von Union, SPD und Linkspartei bei Gegen-
stimmen von Bündnis 90/Die Grünen.

Tagesordnungspunkt IX e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 64 zu Petitionen

Drucksache 18/1636

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 64 ist angenommen: Zu-
stimmung von Union und SPD, Gegenstimmen Bündnis
90/Die Grünen, Enthaltung Linkspartei.

Tagesordnungspunkt IX f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 65 zu Petitionen

Drucksache 18/1637

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 65 ist angenommen: Zu-
stimmung von Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen,
Gegenstimmen von der Linken.

Tagesordnungspunkt IX g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 66 zu Petitionen

Drucksache 18/1638

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 66 ist angenommen mit
den Stimmen von Union, von SPD, dagegen gestimmt
haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke.

Zusatzpunkt 2:

Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des
Wahlprüfungsausschusses

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am
22. September 2013

Drucksache 18/1710

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
genprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.16 auf:

a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz

Drucksachen 18/1007, 18/1023

Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Tobias Lindner,
Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde und Roland Claus.

b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht

Drucksache 18/1017

Berichterstattung: Abgeordnete Carsten Körber,
Dennis Rohde, Dr. Dietmar Bartsch und Manuel
Sarrazin.

Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre und
sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an
Halina Wawzyniak für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804309700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

und Kollegen! Ich will die Debatte nutzen, um über ein
aktuelles, ein angekündigtes und ein unterlassenes Vor-
haben aus dem Bereich des Ministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz zu reden.

Die Mietpreisbremse ist in aller Munde. Wir Linken
sagen: „Sie ist ein Bremschen“, weil sie auf fünf Jahre
befristet ist und die Länder zuvor Gebiete mit einem an-
gespannten Wohnungsmarkt festlegen müssen. Die
Grenze, nach der der Mietpreis bei Wiedervermietung
10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen
darf, finden wir falsch. Wir müssen an dieser Stelle aber
einsehen, dass die SPD das bereits im Wahlprogramm
gefordert hat und dafür auch die eine oder andere
Stimme bekommen hat. Was wir nicht verstehen, ist, wa-
rum die Kriterien für den Mietspiegel nicht angepasst
werden. Es bleibt dabei, dass lediglich die Mieten der
letzten vier Jahre berücksichtigt werden. Die Ausnah-
men von der Mietpreisbremse, zum Beispiel die Erstver-
mietung, sind auch nicht nachvollziehbar.

Was aus meiner Sicht völlig inakzeptabel ist, ist die
Streichung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch. Dieser
Paragraf sieht sinngemäß vor, dass ordnungswidrig han-
delt, wer vorsätzlich oder fahrlässig für die Vermietung
von Wohnräumen unangemessen hohes Entgelt verlangt.
Dieser Verstoß kann nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch
mit 50 000 Euro Geldbuße bestraft werden. Das betrifft
natürlich auch Unternehmen, also Aktiengesellschaften
und GmbHs. Sie wollen mit der Mietpreisbremse den § 5
Wirtschaftsstrafgesetzbuch streichen und verweisen auf
das normale Strafgesetzbuch. Das bedeutet aber, dass die
Bremse am Ende sogar leerläuft; denn Unternehmen
sind als juristische Form kein Strafrechtssubjekt. Sie





Halina Wawzyniak


(A) (C)



(D)(B)

können nicht angeklagt und sie können nicht verurteilt
werden. Insofern müssten Sie, wenn Sie ehrlich sind, sa-
gen: Wir führen zwar eine Mietpreisbremse ein, aber Sie
können dagegen nur vorgehen, wenn Sie einen privaten
Vermieter haben. An die großen Konzerne kommen Sie
damit nicht heran. Deswegen finde ich: Passen Sie § 5
Wirtschaftsstrafgesetzbuch an die Mietpreisbremse an,
und streichen Sie ihn bitte nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein zweiter Punkt im Zusammenhang mit dem Thema
Mieten: Die Bundesimmobilienanstalt ist im Moment in
aller Munde. Der Kollege Luczak von der CDU hat ges-
tern gefordert, dass Wohnungen nicht zum Höchstpreis
verkauft werden. Die Forderung ist richtig; aber es
kommt nicht darauf an, zu fordern, sondern darauf, zu
handeln. Das Höchstpreisgebot wird aber – das haben
Sie im Koalitionsvertrag vereinbart – nur ausgeschlossen
für Konversionsflächen. Natürlich ist es derzeit so, dass
nach der Bundeshaushaltsordnung zum Höchstpreis ver-
kauft werden muss. Das bedeutet aber, dass kommunale
Unternehmen und gemeinwirtschaftliche Unternehmen
ausgeschlossen sind. Sie können bundeseigenes Eigen-
tum an Wohnungen und Grundstücken nicht kaufen, und
das, obwohl wir Artikel 14 Grundgesetz haben, der be-
sagt, dass Eigentum zugleich auch dem Allgemeinwohl
dienen soll. Deswegen meine dringende Aufforderung:
Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir Artikel 14
Grundgesetz und die Bundeshaushaltsordnung in Über-
einstimmung miteinander bringen können, damit Woh-
nungen und Grundstücke der Bundesimmobilienanstalt
auch an kommunale und gemeinwirtschaftliche Unter-
nehmen verkauft werden können, wenn sie verkauft wer-
den sollen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zu einem angekündigten Vorhaben: Am
letzten Freitag kam der Referentenentwurf zur SED-Op-
ferrente auf unseren Tisch. Wir finden es ausgesprochen
richtig und gut, dass Sie den Betrag um 50 Euro erhöhen
wollen, können aber nicht verstehen, warum das immer
noch als soziale Ausgleichsleistung ausgestaltet ist. Die
Betroffenen müssen Einkommensnachweise vorlegen.
Nur wenn sie ein entsprechendes Einkommen haben,
kommen sie in den Genuss der SED-Opferrente. Das ist
nicht akzeptabel. Wir wollen, dass alle Betroffenen ein-
kommensunabhängig eine SED-Opferrente bekommen.

Wir bitten Sie darum, zu prüfen, ob Sie den Anwen-
dungsbereich der SED-Opferrente nicht erweitern kön-
nen. Was ist mit Opfern von Versetzungsmaßnahmen?
Was ist mit Jugendlichen, die 1973 bei den Weltfestspie-
len nach einem völlig absurden Paragrafen wegen „aso-
zialen Verhaltens“ verurteilt wurden? Bitte prüfen Sie,
ob Sie den Kreis der Anspruchsberechtigten an dieser
Stelle nicht erweitern können.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun komme ich zu einem unterlassenen Vorhaben.
Ich habe mittlerweile gelesen, dass Sie, Herr Minister,
das Leistungsschutzrecht für Presseverlage verschärfen
wollen. Ich sage Ihnen: Das ist der falsche Weg. Der ein-
fachste und günstigste Weg wäre, ein Gesetz zu machen,
in dem steht, dass dieses Gesetz aufgehoben ist. Es ist
schon ein wenig absurd, dass diejenigen, die in Suchma-
schinen gelistet werden, zahlen sollen. Wenn die Such-
maschine die Aufnahme verweigert, wird die Suchma-
schine verklagt, weil die Verlage nicht aufgenommen
wurden. Das Leistungsschutzrecht war falsch und bleibt
falsch. Deswegen sollten Sie es einfach aufheben.

Wenn wir schon dabei sind: Sie haben eine indirekte
Verantwortung für Verwertungsgesellschaften; denn Sie
haben die Rechtsaufsicht über das Marken- und Patent-
amt. Insofern ist unser Vorschlag, sich einmal an das Ur-
heberwahrnehmungsgesetz heranzutrauen und für Ver-
wertungsgesellschaften zum Beispiel verbindliche
demokratische Binnenstrukturen festzulegen. Es sollte
festgelegt werden, dass die Tarifverträge, bevor sie im
Gesetzesblatt veröffentlicht werden, von den Aufsichts-
behörden geprüft und genehmigt werden. Dieses Pro-
blem kennen wir nicht erst seit der Debatte um die
GEMA vor einem oder vor zwei Jahren.

Wir haben jetzt das Problem mit dem Tarifvertrag der
VG Medien, wo es auch wieder um das Leistungsschutz-
recht geht. Nach meiner ersten Durchsicht habe ich fest-
gestellt, dass dieser Tarifvertrag überhaupt nicht mit dem
Leistungsschutzrecht – so, wie Sie es beschlossen ha-
ben – in Übereinstimmung zu bringen ist. Wir finden es
im Übrigen falsch, weil zum Beispiel die Frage der Gel-
tungsdauer überhaupt nicht geklärt ist.

Ich komme – ich will hier nicht ganz ohne Lob weg-
gehen – zum letzten Punkt. Ich freue mich, dass Sie die
Kommission zur Neuformulierung der Tötungsdelikte
eingerichtet haben, habe aber die Bitte: Verstecken Sie
das bitte nicht auf Ihrer Website. Das ist eine gute Sache.
Sie können mit unserer Unterstützung rechnen. Machen
Sie das doch etwas prominenter.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804309800

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der

Debatte ist Dennis Rohde für die SPD.


(Beifall bei der SPD)



Dennis Rohde (SPD):
Rede ID: ID1804309900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr

Bundesminister Maas! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Frau Wawzyniak, ein beruhigendes Wort vor-
weg: Die Mietpreisbremse wird kommen, und sie wird
auch wirken. Dafür werden wir Sozialdemokraten in Zu-
kunft sorgen.


(Beifall bei der SPD)


Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz steht. Das ist ein guter Haushalt
geworden. Er legt den Grundstein für eine lebendige und
aktive Rechtspolitik – eine Politik, die weitsichtig auf
Prävention statt auf eine veraltete Law-and-Order-Stra-
tegie setzt. Wir reden über einen Haushalt, der auch auf
dem Gebiet der Verbraucherpolitik für bessere Informa-
tion und größeren Schutz der Verbraucher steht, statt
diese auf immer komplizierter werdenden Märkten al-





Dennis Rohde


(A) (C)



(D)(B)

leinzulassen. Genau in diesem Lichte haben wir im par-
lamentarischen Verfahren den Haushalt verändert.

Der Finanzmarktwächter wird noch im Jahr 2014 mit
einer Anschubfinanzierung von 2,5 Millionen Euro ein-
geführt. Das wird ganz erhebliche positive Auswirkun-
gen auf den Verbraucherschutz haben. Das begrüßen wir
Sozialdemokraten ganz ausdrücklich.


(Beifall bei der SPD)


Mit dem Finanzmarktwächter wollen wir verhindern,
dass Kleinanleger durch riskante Angebote ihre Erspar-
nisse verlieren – so wie zum Beispiel im Fall Prokon, wo
nunmehr 75 000 Menschen um insgesamt 1,4 Milliarden
Euro bangen. Der Finanzmarktwächter wird dabei eine
Schnittstelle zwischen dem Verbraucher auf der einen
Seite und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht, der BaFin, auf der anderen Seite.

Das Gesamtkonzept „Finanzmarktwächter“ bedeutet:
Wir werden ausgewählte Verbraucherzentralen speziali-
sieren und ausrüsten. Dort werden die Beobachtungen
und die Beschwerden der Verbraucher entgegengenom-
men. Sie werten sie aus, schaffen ein Bild des Marktes
und spüren so Gefahren auf. Die Ergebnisse gibt der Fi-
nanzmarktwächter an die BaFin weiter, die dann notfalls
tätig werden kann, indem sie riskante oder irreführende
Angebote verbietet oder einschränkt.

Wir wollen, dass unlautere Angebote schneller ent-
deckt und vom Markt genommen werden, und zwar am
besten noch, bevor die ersten Menschen ihre Ersparnisse
verlieren. Damit schließen wir eine Lücke im Verbrau-
cherschutz auf dem Finanzmarkt. Denn um Kleinanleger
zu schützen, bedarf es einer großen Nähe zum Finanz-
markt. Diese Nähe kann die BaFin als Aufsichtsbehörde
gar nicht leisten. Wir wollen damit genau die Menschen
erreichen, die zu Verbraucherzentralen gehen, wenn sie
sich Sorgen machen oder sich geprellt sehen. Das sind
diejenigen, die beim Frühstück nicht die Financial Times
oder das Handelsblatt, sondern ihre lokale Tageszeitung
lesen. Das sind diejenigen, für die in den letzten Jahren
viel zu wenig Politik gemacht worden ist.

Ich sage ganz offen: Es war kein einfacher Weg bis
hierhin. Wir Sozialdemokraten haben uns schon in der
letzten Legislaturperiode gemeinsam mit den Verbrau-
cherzentralen für den Marktwächter starkgemacht.
Schwarz-Gelb hat unseren Antrag dazu noch im Juni
2013 abgelehnt. Ich freue mich daher umso mehr, dass
wir ohne die FDP in diesem Parlament endlich eine
Mehrheit für unser Anliegen gefunden haben.


(Beifall bei der SPD)


Ich finde auch, dass man sein Licht nicht unter den
Scheffel stellen muss, und sage ganz klar: Das ist ein Er-
folg der SPD und zeigt, dass sich Beharrlichkeit aus-
zahlt. Dass wir Sozialdemokraten uns hier durchgesetzt
haben, bedeutet eine deutliche Verbesserung in der Auf-
sicht über das für Verbraucher oft riskante und undurch-
sichtige Marktgeschehen. Das ist ein großer Schritt in
die richtige Richtung. Es gilt aber auch: Wir sind noch
nicht fertig. Die eingestellten 2,5 Millionen Euro sind
eben nur eine Anschubfinanzierung. Wir werden daher
sicherstellen, dass die Finanzierung in zukünftigen
Haushalten verstetigt wird.

Für mehr Transparenz und Kompetenz im Verbrau-
cherschutz sorgen wir auch, indem wir einen Sachver-
ständigenrat für Verbraucherfragen einrichten werden.
Künftig wird es ein Expertengremium geben, das die
Politik in Verbraucherfragen berät, aber auch im Sinne
der Verbraucher fordern und kritisieren kann. Die dafür
nötigen Planstellen haben wir im Haushalt 2014 einge-
stellt. Das ist ebenso wie die Einführung des Markt-
wächters ein klares Signal dafür, dass wir es mit dem
wirtschaftlichen Schutz der Verbraucher ernst meinen.


(Beifall bei der SPD)


Darüber hinaus ist das Gros der 650 Millionen Euro
im Haushalt des BMJV langfristig gebunden. Bei einem
Personalkostenanteil von 66 Prozent und vielen flexibili-
sierten Mitteln sprechen wir zu großen Teilen von einem
Verwaltungshaushalt, und das ist auch gut so. Denn eine
vernünftige finanzielle Ausstattung unserer obersten Ge-
richte und unserer juristischen Einrichtungen ist das
Grundgerüst unserer Gewaltenteilung und damit unseres
Rechtsstaates.

Unsere Justiz muss handlungsfähig sein. Dies gilt
auch und gerade mit Blick auf den Schrecken und das
Leid, das die Mitglieder des NSU verbreitet haben. Und
ja: Der Prozess schlug sich auch in den Verhandlungen
um den Haushalt des BMJV nieder. Um Haft- und Ver-
fahrenskosten erstatten zu können, mussten wir den
Haushaltsansatz des Generalbundesanwaltes um zusätz-
liche 5 Millionen Euro für die Aufklärung von rassisti-
schen und menschenverachtenden Taten aufstocken.


(Beifall bei der SPD)


Das Ziel unserer Gesellschaft muss es sein, durch
Aufklärung bzw. Prävention verbrecherische Taten gar
nicht erst entstehen zu lassen. Wir haben hier im Hause
und in der Gesellschaft in den letzten Monaten vermehrt
eine Debatte über die Strafbarkeit und den Strafrahmen
von Taten mit pädophilem Hintergrund geführt. Das ist
eine wichtige Diskussion.

Genauso wichtig ist auch, dass wir Menschen die
Chance geben, sich in eine Therapie zu begeben. Wir
wollen und müssen insbesondere Männern mit pädophi-
len Neigungen niedrigschwellige professionelle Hilfen
anbieten, damit sie lernen, mit ihren Trieben umzugehen,
nicht straffällig werden und keine Kinder in Gefahr brin-
gen. Daher werden wir die Fördermittel für die Koor-
dinierung des Projekts „Prävention von sexuellem Kin-
desmissbrauch im Dunkelfeld“ an der Berliner Charité
aufstocken. „Prävention vor Repression“ muss gerade in
diesem Bereich das eindringliche Credo sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Große
Koalition verlangt uns Sozialdemokraten aber auch
Kompromisse ab.


(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wir haben auch über 40 Prozent!)






Dennis Rohde


(A) (C)



(D)(B)

Das ist nicht immer einfach. Viele von uns haben in
der vorletzten Sitzungswoche zur Abstimmung über die
Frage des Adoptionsrechts gleichgeschlechtlicher Le-
benspartnerschaften entweder eine persönliche Erklä-
rung abgegeben oder mit viel Unwohlsein über den Än-
derungsantrag der Grünen abgestimmt. Wir wissen: Dass
es noch keine volle rechtliche Gleichstellung gibt, ist
nicht mehr zeitgemäß. Wir Sozialdemokraten werden
weiterhin dafür kämpfen.


(Beifall bei der SPD)


Umso wichtiger ist es aber heute, dass wir der
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld mehr finanziellen
Spielraum geben. Wir werden das Stiftungskapital um
1,75 Millionen Euro aufstocken und damit sicherstellen,
dass die Stiftung ihre gesellschaftliche Aufklärungsar-
beit fortsetzen kann. Wie bitter nötig das manchmal ist,
haben die Diskussionen in der vergangenen Zeit leider
deutlich gezeigt.

Sehr geehrte Damen und Herren, es weht ein frischer
Wind in der Rechts- und Verbraucherpolitik. Wir räumen
mit dem, was unter Schwarz-Gelb liegen geblieben ist,
auf. Wir wollen eine Rechtspolitik, die nicht zaghaft blo-
ckiert, sondern aktiv die Spielregeln unserer Gesell-
schaft gestaltet, eine Politik, die das Heft in die Hand
nimmt, statt sich in einer im Wandel begriffenen Ver-
braucherwelt treiben zu lassen. Wir reden nicht nur vom
Schutz der Verbraucher, sondern wir richten auch unser
politisches Handeln danach aus. Mit diesem Haushalt
gehen wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu unse-
rem Ziel.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804310000

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in der

Debatte: Dr. Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen
möchte ich mich als Hauptberichterstatter für diesen Etat
bei den Kollegen Rohde, Gröhler und Claus für die kon-
struktiven und, wie ich fand, auch kollegialen Beratun-
gen bedanken. Uns ist es gelungen, gemeinsam Ände-
rungen an diesem Haushaltsentwurf – mein Vorredner
hat das Stiftungskapital der Magnus-Hirschfeld-Stiftung
gerade angesprochen – zu realisieren. Bedanken möchte
ich mich auch beim Ministerium für eine Vorbereitung
und Durchführung dieser Haushaltsberatungen, die
durchaus beispielgebend für andere Ressorts hätten sein
können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden nicht nur
über einen neuen Haushalt, sondern wir reden auch über
ein neues Ministerium: über das Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz. Natürlich muss man
sich da fragen: Passt dieser neue Haushalt zu diesem
neuen Ministerium? Passen 640 Millionen Euro und ein
hoher Personalkostenanteil zu den Aufgaben, die im Be-
reich des Verbraucherschutzes vor uns liegen? Da ist die
Antwort meiner Fraktion: Leider passt dieser Haushalt
nicht dazu.

Ich will das an ein paar Beispielen deutlich machen.
Sie haben über den Marktwächter gesprochen. Da will
ich den Kolleginnen und Kollegen von der SPD schon
zurufen: Uns Grüne braucht man in dieser Frage nicht
katholisch zu machen. Im Gegenteil, wir sind froh, dass
die Große Koalition eine Forderung, die wir seit Jahren
erheben, in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen hat.
Wir hätten uns durchaus vorstellen können – das haben
wir im Haushaltsausschuss auch beantragt –, dass man
nicht mit nur einem Marktwächter, sondern mit beiden
beginnt. Denn ich glaube, die Menschen in diesem Land
erwarten die Einführung dieser wichtigen Institution.
Gerade im Bereich der digitalen Welt und der digitalen
Geschäftsmodelle ist ein Marktwächter dringend not-
wendig, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Ähnlich geht es mir im Hinblick auf den Sachverstän-
digenrat für Verbraucherfragen. Ich finde, ein solcher
Sachverständigenrat ist eine durchaus überlegenswerte,
gute Sache. Aber ich will nicht, dass er zu einem netten
Kaffeekränzchen oder zu einer hohlen Institution ver-
kommt. Wenn man nur eine B-3-Stelle schafft und da-
raus verwaltungstechnisch eine One-Man-Show macht,
dann habe ich zumindest Zweifel, ob ein solcher Sach-
verständigenrat am Ende wirklich die Schlagkraft und
die Beratungskompetenz hat, die wir uns eigentlich alle
wünschen würden.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt erwähnen, auf
den mein Vorredner nicht eingegangen ist, der sich aber
auch im Koalitionsvertrag wiederfindet: den Zuschuss
an die Verbraucherzentrale Bundesverband. Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, wenn wir im Rahmen der Verbrau-
cherpolitik davon reden, dass die Verbraucherinnen und
Verbraucher in diesem Land eine schlagkräftige Lobby
brauchen, wenn wir über selbstbestimmten Konsum und
selbstbestimmtes Verbraucherverhalten reden, dann
braucht man, wenn man an Begriffe wie „Marktmacht“
denkt, auch eine angemessene Ausstattung der Verbrau-
cherzentrale. Hier haben wir im Rahmen der Beratungen
einen Änderungsantrag eingebracht, der, wie so viele,
leider von dieser Koalition abgelehnt wurde. Das ist
schade für die Verbraucherinnen und Verbraucher in die-
sem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Hinblick auf die Anträge, die wir eingebracht ha-
ben, wird uns gern der Vorwurf gemacht: Ihr Grüne habt
das doch gar nicht gegenfinanziert. – Ich will den Men-
schen in diesem Land sagen: Wir machen eines grundle-
gend anders als diese Koalition. Wir kompensieren die
Mittel nicht in den gleichen Etatplänen, sondern wir sa-
gen zum Beispiel: Wir geben weniger Geld für die Ver-
teidigung aus, damit mehr Geld für Bildung und For-
schung und mehr Geld für die Verbraucherpolitik zur
Verfügung steht. – Wenn Sie am Ende des morgigen Ta-
ges einen Strich unter unsere Anträge ziehen, werden Sie





Dr. Tobias Lindner


(A) (C)



(D)(B)

erkennen: Wir bleiben bei einer Nettokreditaufnahme
von 6,5 Millionen Euro, genau wie diese Große Koali-
tion. Aber es gelingt uns eben, andere Schwerpunkte zu
setzen.

Ein letzter Punkt, über den Sie sich Gedanken machen
sollten. Wenn Sie in Ihrem Koalitionsvertrag beschlie-
ßen, ein neues Ministerium zu schaffen, und hinein-
schreiben: „Wir müssen Mittel aus dem eigenen Einzel-
plan kompensieren“, dem Herrn Bundesminister aber
nur ein Drittel der Mittel für den Verbraucherschutz zur
Verfügung stellen, dann werden Sie auch in den folgen-
den Jahren nicht viel in Sachen Verbraucherschutz bewe-
gen können. Denken Sie über diesen Denkfehler noch
einmal nach, meine Damen und Herren; denn sonst sehe
ich für die kommenden Jahre schwarz.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804310100

Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner in der De-

batte: Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Klaus-Dieter Gröhler (CDU):
Rede ID: ID1804310200

Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister

Maas! Meine sehr geehrten Gäste! Liebe Kollegen!


(Dr. Eva Högl [SPD]: Na, bitte!)


– Ja, man muss ja immer noch etwas draufpacken.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Roland Claus [DIE LINKE]: Besser beim Etat!)


Die Frau Bundeskanzlerin hat gestern bei der Debatte
über ihren Einzelplan den Mitgliedern des Haushaltsaus-
schusses für die engagierten Beratungen des Entwurfs
gedankt, mein Fraktionsvorsitzender Volker Kauder hat
sich beim kleineren Koalitionspartner für das konstruk-
tive Zusammenwirken bedankt, und der Fraktionsvorsit-
zende der Sozialdemokraten bedankte sich wiederum bei
der CDU/CSU-Fraktion.

Hier will ich gerne weitermachen; der Kollege
Lindner hat den Ball diesbezüglich ja schon ein klein
wenig ins Feld gebracht. Auch ich möchte mich bei ihm
als Hauptberichterstatter für den Einzelplan 07 bedan-
ken. Ich darf sagen: Über Fraktionsgrenzen hinweg,
ohne dass wir sie verwischt haben, hatten wir zwischen
allen Berichterstattern eine, wie ich meine, sehr ange-
nehme Kooperation.

Ganz besonders wichtig ist es mir aber, mich bei den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bedanken, und
zwar nicht nur bei denen, die im Bundesjustizministe-
rium für den Haushalt zuständig sind, sondern auch bei
den Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzministe-
rium und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und in
den Fraktionen; denn seien wir einmal ganz ehrlich: Wir
als Parlamentarier könnten dieses hohe Recht – das
Budgetrecht, das wichtigste Recht des Hauses – gar
nicht tatsächlich ausüben, wenn es nicht eine große
Schar von fleißigen Mitarbeitern gäbe.

Man könnte jetzt sagen: Sie verdienen ein bisschen
mehr als den zukünftigen Mindestlohn. Das ist zwar
richtig, aber ich finde trotzdem, dass man ihre Arbeit an
dieser Stelle würdigen sollte, weil es manchmal bis tief
in die Nacht geht, und wir alle wissen ja, dass das Anse-
hen des öffentlichen Dienstes draußen häufig nicht sehr
gut ist. Insofern sage ich Ihnen ein herzliches Danke-
schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, der Einzelplan 07, über
den ich hier sprechen möchte, ist in der Tat etwas spe-
ziell. Die Größenordnung dieses Etats entspricht unge-
fähr der Portokasse im Sozialetat. 648 Millionen Euro
bezogen auf fast 300 Milliarden Euro im gesamten Bun-
deshaushalt: Das ist schon ziemlich übersichtlich. Be-
sonders auffällig ist dieser Etat natürlich auch durch
seinen hohen Deckungsgrad. Immerhin nimmt der Bun-
desjustizminister 465 Millionen Euro ein. Ganz beson-
ders wird der Einzelplan aber dadurch, dass die Opposi-
tion im Vergleich zu anderen Etats fast gar nichts an ihm
auszusetzen hat.

Bei einem so kleinen Haushalt kommt man natürlich
schnell in die Versuchung, zu sagen, an der einen oder
anderen Stelle wolle man mehr draufpacken. Ich sage
aber: Auch wenn der Haushalt noch so klein ist: Jeden
Euro, den wir ausgeben, haben wir vorher durch Einnah-
men des Staates – in erster Linie durch Steuern – erlangt,
und deshalb ist es unsere Verpflichtung, ordentlich zu
prüfen, ob es tatsächlich sinnvoll und notwendig ist, an
der einen oder anderen Stelle etwas draufzulegen. – Ich
komme gleich noch einmal zu den Anträgen der Opposi-
tionsfraktionen, die wir dementsprechend abgelehnt ha-
ben.

Wir Haushälter haben uns am Machbaren statt am
Wünschenswerten orientiert und uns auch bei diesem
Einzelplan von dem Ziel leiten lassen, dass die Neuver-
schuldung gering sein muss. Gestern und heute gab es
den einen oder anderen, der das Ziel der Absenkung der
Neuverschuldung und das Ziel einer Neuverschuldung
von null wieder infrage gestellt hat. Ich kann als Mit-
glied des Haushaltsausschusses für die CDU/CSU-Frak-
tion aber nur sagen: Es ist ein richtiges politisches Ziel,
einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt zu ver-
abschieden, wie wir das morgen tun werden. Ebenso
richtig ist es, dass wir nach der Sommerpause einen
Haushaltsentwurf beraten, der als Erster seit langer Zeit
wieder völlig ohne Neuverschuldung auskommen wird.

„Schluss mit Schulden“, hat vorhin eine meiner Kol-
leginnen gesagt. Ich finde, das ist ein sehr guter Slogan
für die Zukunft. Er macht das griffig und prägnant.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bin mir sicher, dass das Zeichen, dass wir keine
Schulden mehr machen wollen, von den Menschen ver-
standen wird. Der Staat bescheidet sich. Das ist eine Zei-





Klaus-Dieter Gröhler


(A) (C)



(D)(B)

tenwende, die viele vor einigen Jahren noch gar nicht für
vorstellbar gehalten haben. Das erfordert aber natürlich
auch eine hohe Disziplin bei der Haushaltsplanaufstel-
lung.

Der eine oder andere Redner hat ja betont, dass es für
kommende Generationen wichtig ist, keine neuen Schul-
den zu machen. Ich will aber auch sagen: Auch für die
heutige Generation ist das wichtig.

Ich als Berliner Abgeordneter komme aus einem
Land, das in den letzten Jahren sehr viele Schulden
– insgesamt 60 Milliarden Euro – aufgetürmt hat, bis
sich endlich auch in Berlin eine Große Koalition ent-
schlossen hat, damit nicht weiterzumachen.


(Dr. Eva Högl [SPD]: Damit haben wir schon früher angefangen!)


Ich habe gelernt, meine liebe Kollegin – Sie wissen das
als Berlinerin sicherlich auch –, was es bedeutet, wenn
ein Landeshaushalt nur noch aus Sozialausgaben und
dem Schuldendienst besteht, wenn man nur noch damit
beschäftigt ist, Kredite zurückzuzahlen, Zinsen zu zah-
len und wieder neue Kredite aufzunehmen. Dann kann
man sich irgendwann politisch gar nicht mehr bewegen.
In diese Situation soll und will der Bund nicht kommen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit zusätzlichen
Ausgaben zurückhalten. Dementsprechend ist es auch
wichtig, dass wir nicht immer allen Wünschen nachkom-
men.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Etatentwurf
für den Einzelplan 07 war so gut, dass wir an ihm fast
nichts ändern mussten. Wir haben den Etatansatz ledig-
lich um 1 Prozent im Zuge der Haushaltsberatungen an-
gehoben und sind dem Struck’schen Gesetz, nach dem
kein Gesetzentwurf das Haus so verlässt, wie er hinein-
gekommen ist, auch an dieser Stelle nachgekommen.

Die Anhebung erfolgte – darauf hat bereits mein Ko-
alitionskollege Rohde hingewiesen –, um die im Koali-
tionsvertrag verabredeten Verbesserungen im Verbrau-
cherschutz zu finanzieren. 2,5 Millionen Euro haben wir
zusätzlich eingestellt, um den Aufbau der Marktwächter-
funktion für den Finanzmarkt zu ermöglichen. Diese zu-
sätzlichen Mittel im Haushalt sind folgerichtig, um den
von den Bundesministern Wolfgang Schäuble und Heiko
Maas gemeinsam vorgestellten Aktionsplan der Bundes-
regierung zum Verbraucherschutz im Finanzmarkt auf
den Weg zu bringen.

Durch die zusätzlichen Mittel werden die bestehen-
den Verbraucherzentralen mit einer Marktwächterfunk-
tion beauftragt. Neben dem Maßnahmenpaket für einen
besseren Schutz von Kleinanlegern und einer Stärkung
der Verbraucherrechte bei Bankdienstleistungen – Stich-
wort: Girokonto garantiert für jeden – ist die Beobach-
tung der Finanzmärkte durch die Verbraucherzentralen
eine weitere wichtige Säule dieses Aktionsplans. Die
Bürgerinnen und Bürger haben bereits jetzt ein großes
Vertrauen in die Verbraucherzentralen. 2,5 Millionen
Mal im Jahr wenden sie sich mit unterschiedlichen An-
liegen an sie. Deshalb ist es richtig, den Verbraucherzen-
tralen diese Aufgabe zu übertragen und dementspre-
chend die Anschubfinanzierung auf den Weg zu bringen.
Grüne und Linke haben sich nun in den Haushaltsbe-
ratungen mit Änderungsanträgen überboten. Na klar:
Mehr Geld für Verbraucherschutz kommt draußen in den
Wahlkreisen gut an. Damit kann man hausieren gehen.


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles gegenfinanziert!)


Aber man sollte vielleicht auch ein Stück realistisch
sein, lieber Herr Kollege Dr. Lindner. Der Haushaltsplan
2014 tritt Anfang Juli in Kraft. Das heißt, wir haben
noch ein gutes halbes Jahr, um diese Anschubfinanzie-
rung tatsächlich auf den Weg zu bringen. Da sind die
von Ihnen geforderten 10 Millionen Euro gar nicht se-
riös zu verausgaben. Deshalb sage ich den Kollegen von
der Grünen-Fraktion: Das war ein Schaufensterantrag.
So haben wir als Große Koalition ihn im Ausschuss auch
behandelt und entsprechend abgelehnt.


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie einmal mit der Verbraucherzentrale darüber!)


Lassen Sie mich zu einem anderen Aspekt des Etats
kommen, auf den ich hinweisen möchte. Aus dem Etat
des Bundesministeriums erhält die Stiftung für interna-
tionale rechtliche Zusammenarbeit, kurz IRZ, Mittel.
Wir haben gestern mit großer Freude zustimmend zur
Kenntnis genommen, dass Litauen den Euro einführen
wird. Jetzt wird mich der eine oder andere fragen: Was
hat die IRZ mit der Einführung des Euro in Litauen zu
tun? Eine ganze Menge. Die Stiftung hat Litauen, nach-
dem das Land seine Souveränität wiedererlangt hat, über
zehn Jahre juristisch beraten und auf dem Weg nach
Westen in Sachen Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft
und Demokratie begleitet. Dementsprechend hat die IRZ
einen ganz wesentlichen Anteil daran, dass in Litauen
die Voraussetzungen für die Einführung des Euro er-
reicht worden sind.

Auch so verstehe ich die größere Verantwortung
Deutschlands in der Welt, die unser Bundespräsident zu
Recht eingefordert hat: Die IRZ ist nicht nur in Litauen
aktiv gewesen. Sie ist es in Südosteuropa, und sie ist es
darüber hinaus im arabischen Raum. Wir haben für den
Haushalt 2015 zum Beispiel zu prüfen, ob wir die Gelder
für diese wichtige Einrichtung nicht noch ein Stück weit
erhöhen.

Das gilt auch für das Bundespatentamt, dessen Ar-
beitsabläufe sowie sachliche und personelle Ausstattung
wir kritisch werden überprüfen müssen, weil die Bear-
beitungszeiten für Patentanmeldungen einfach zu lang
sind. Nun werden mir vielleicht Kollegen der Opposition
gleich sagen: Warum habt ihr dann nicht unserem Antrag
für mehr Geld und mehr Personal im Bundespatentamt
zugestimmt? Das kann ich Ihnen sagen: weil auch dieser
Antrag ein Stück unseriös war.


(Roland Claus [DIE LINKE]: Gute Frage, aber schlechte Antwort!)


Sie haben einfach versucht, das Füllhorn des Bundes
auszuschütten, ohne mit dem Bundespatentamt tatsäch-
lich zu klären: Wo liegen denn die Probleme?





Klaus-Dieter Gröhler


(A) (C)



(D)(B)

Es ist nicht immer nur damit getan, einfach zusätzli-
ches Geld irgendwo hineinzupumpen, sondern man
sollte vor Ort schauen, wie es tatsächlich eingesetzt
wird. Ebenso werden wir für den Haushalt 2015 prüfen
müssen, ob der gesteigerte Ansatz für das Netzwerk ge-
gen Kindesmissbrauch weiter erhöht werden muss.

Dieser Haushaltsentwurf, so wie er jetzt aus dem
Haushaltsausschuss kommt, ist ein guter. Ich kann nur
empfehlen, ihm zuzustimmen, sowohl was den Einzel-
plan 07 als auch den Gesamtetat angeht.

Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksam-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804310300

Danke schön, sehr geschätzter Herr Kollege. – Jetzt

hat Bundesminister Heiko Maas das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Sehr geehrte, geschätzte, liebe Präsidentin!


(Heiterkeit)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804310400

Oh, jetzt geht es aber ab.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Für nachfolgende Redner wird es jetzt schwierig. –
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wichtigs-
ten Steuermittel der Politik sind sicherlich zum einen die
Gesetze, zum anderen aber auch das Geld. Vor allen Din-
gen um Letzteres geht es heute. Eine kluge Politik muss,
wie ich finde, mit beidem sparsam umgehen.

Herr Gröhler hat gesagt, dass der Haushalt des Justiz-
und Verbraucherschutzministeriums im Vergleich zu dem
anderer Ressorts einer Portokasse gleicht. Das ist sicher-
lich richtig, Herr Gröhler. Aber wir haben gemeinsam
dafür gesorgt, mit dem Haushalt des Justiz- und Verbrau-
cherministeriums zu zeigen, wie viel Sinnvolles man aus
einer Portokasse finanzieren kann. Ich finde, dem wer-
den wir gerecht.

Meine Damen und Herren, in Deutschland gelten zur-
zeit 1 681 Bundesgesetze und 2 711 Bundesverordnun-
gen. Viele sagen, das sei mehr als genug. Tatsächlich
müssen wir uns immer intensiv darüber Gedanken ma-
chen, wo es sinnvoll und notwendig ist, Sachverhalte
oder Probleme mit Gesetzen zu ändern bzw. zu lösen.

Aber es gibt sicherlich auch Dinge, bei denen es ganz,
ganz notwendig ist, gesetzgeberische Vorhaben auf den
Weg zu bringen. Das war und ist so bei der Sukzessiv-
adoption, der heiß diskutierten Mietpreisbremse, der Frau-
enquote für die Aufsichtsräte, den gesetzlichen Refor-
men im Nachgang zum NSU-Untersuchungsausschuss
und vor allen Dingen auch beim Gesetz gegen sexuellen
Missbrauch und Kinderpornografie.

Das alles sind Themen, bei denen es Handlungsbedarf
vonseiten des Gesetzgebers gab und gibt. Gerade das
Gesetz gegen sexuellen Missbrauch und Kinderporno-
grafie zeigt das ganz besonders. Wir ändern die Verjäh-
rung beim sexuellen Missbrauch. Sie setzt erst mit dem
30. Lebensjahr ein, weil viele, die sexuell missbraucht
worden sind, erst sehr spät darüber reden können und
wir nicht wollen, dass die Täter ungeschoren davonkom-
men.

Wir ändern die Vorschriften zum sexuellen Miss-
brauch von Schutzbefohlenen, weil es keinen Unter-
schied machen darf, ob jemand Lehrer oder Hilfslehrer
ist, wie es in einem Gerichtsurteil in Koblenz festgestellt
worden ist. Wir wollen auch den Handel von Nacktbil-
dern mit strafrechtlichen Mitteln verfolgen. Denn wir
finden, unbefugt hergestellten Nacktbildern, die vertrie-
ben und verkauft werden, liegt ein Missbrauch von Kin-
dern zugrunde, und dies wollen wir unter Strafe stellen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Neben dem, was wir gesetzgeberisch auf den Weg
bringen, ist es aber oftmals auch notwendig, Geld, das
zur Verfügung steht, so einzusetzen, dass mögliche Ge-
setzesverstöße gar nicht erst entstehen. Der sexuelle
Missbrauch von Kindern ist ein ganz besonders schreck-
liches Verbrechen. Wir wollen alle, dass Kinder besser
geschützt werden, und wir wollen vor allem dafür sor-
gen, dass es gar nicht erst zu solchen Taten kommt. Das
schaffen wir nicht mit dem Strafgesetzbuch allein. Be-
dauerlicherweise sind veränderte bzw. verschärfte Ge-
setze oder höhere Strafen nicht immer geeignet, Strafta-
ten zu verhindern. Sie können aber ein Bestandteil der
Maßnahmen dagegen sein.

Deshalb haben wir uns ganz besonders damit ausei-
nandergesetzt, Maßnahmen zu fördern, die dazu führen
sollen, dass Taten erst gar nicht begangen werden. Be-
reits seit 2008 fördert das Bundesjustizministerium das
Projekt „Kein Täter werden“ der Berliner Charité. Es
hilft Männern mit pädophilen Neigungen, dass aus ihren
sexuellen Fantasien keine Straftaten werden.

Die Nachfrage nach dieser Hilfe ist groß, und sie wird
immer größer. Es gibt inzwischen in weiteren sieben
Städten in Deutschland ähnliche Projekte. Mit dem
Haushalt, den Sie, meine Damen und Herren, heute be-
schließen, weiten wir die Förderung dieses Projektes
ganz maßgeblich aus. Wir erhöhen die Mittel um 40 Pro-
zent im Vergleich zum Vorjahr. Ich finde, das ist eine
sehr gute und wichtige Entscheidung. Denn mit diesem
Geld schützen wir Kinder mehr, als wir es oftmals mit
geänderten Gesetzen tun können, meine sehr verehrten
Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Auch in der Verbraucherpolitik, um die sich das frü-
here BMJ nun ebenfalls kümmert, geht es nicht alleine
um Vorschriften oder Verbote. Laisser-faire oder staatli-
che Zwangsbeglückung – das sind immer die Alternati-





Bundesminister Heiko Maas


(A) (C)



(D)(B)

ven, und es sind oftmals auch Alternativen von gestern,
weil eine moderne Verbraucherpolitik ganz anders aus-
sieht. Die Menschen sollen die Freiheit haben, selbst die
richtige Entscheidung für sich zu treffen. Aber da reicht
es oft nicht aus, nur das Ideal des mündigen Verbrau-
chers zu bemühen. Der Staat muss auch dort, wo er
kann, etwas dafür tun, dass die Menschen diese Freiheit
nutzen können. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher
sind heutzutage auf den Finanzmärkten unterwegs. Aber
ohne ausreichende Kenntnisse – teilweise glaubt man,
dass ein BWL-Studium vonnöten ist – finden sich viele
dort nicht zurecht. Wenn es um die Altersvorsorge oder
um Vermögensbildung geht, dann kann man sich heutzu-
tage kaum einen Fehltritt leisten. Eine falsche Entschei-
dung lässt sich selten rückgängig machen und kann für
den Einzelnen und seine Familie verheerende Folgen ha-
ben.

Die Menschen brauchen – darum geht es uns in einer
modernen Verbraucherpolitik – verlässliche Informatio-
nen und klare Orientierung. Aus diesem Grund sollen
die Verbraucherorganisationen, wie bereits mehrfach an-
gesprochen, künftig zu Marktwächtern werden. Die Ver-
braucherorganisationen erfahren durch ihre Beratungsar-
beit als Allererste, wo Fehlentwicklungen stattfinden.
Dann sollen sie bei den Behörden auch Alarm schlagen
können und Verbraucherinnen und Verbraucher darüber
informieren, wo es falsche Fünfziger oder schwarze
Schafe gibt. 2,5 Millionen Euro sind zusätzlich in diesen
Haushalt gekommen, damit wir den Aufbau der soge-
nannten Marktwächter – konkret: der Finanzmarktwäch-
ter – in Angriff nehmen können. Das ist eine wichtige
Entscheidung. Damit wird ein wichtiges Projekt endlich
anlaufen können.

Ich danke allen ganz herzlich, die das möglich ge-
macht haben, ganz besonders den Berichterstattern für
den Justizhaushalt, Dennis Rohde und Klaus-Dieter
Gröhler, aber auch, meine Damen und Herren, der Oppo-
sition, Herrn Dr. Tobias Lindner und Roland Claus.
Auch Ihnen ein herzliches Dankeschön dafür!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir über Gleichberechtigung und den Kampf
gegen Diskriminierung reden, dann hat das sicherlich
auch eine rechtliche Dimension. Mit der Sukzessivadop-
tion für Lebenspartnerschaften sind wir auch hier einen
wesentlichen Schritt weitergekommen. Eine tolerante
Gesellschaft, in der alle Menschen akzeptiert werden,
und zwar so, wie sie sind oder sein wollen, entsteht aber
letztlich nicht nur per Gesetz. Toleranz kann man eben
nicht verordnen – aber man kann sie fördern. Eine ganz
wichtige Institution, die das tut, ist die schon erwähnte
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Diese Stiftung leidet
genauso wie viele andere unter den niedrigen Zinsen.
Um hier zu helfen, wird mit diesem Bundeshaushalt das
Stiftungskapital um 1,75 Millionen Euro erhöht. Da-
durch kann die Stiftung ihre wichtige Arbeit ausweiten.

Dies zeigt erneut: Es muss nicht immer ein Gesetz
sein. Auch durch den klugen Einsatz der zur Verfügung
stehenden Mittel können wir eine gute und vernünftige
Politik machen. Auf jeden Fall werden wir im Bundes-
ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch
diesen Haushalt in die Lage versetzt, genau dies zu tun.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804310500

Vielen Dank, lieber Heiko Maas. – Nächster Redner

in der Debatte: Roland Claus für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804310600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der

Kollege Gröhler hat aufgefordert, hier immer noch einen
draufzupacken. Der Justizminister war der Meinung,
dass es nach seiner Anrede für den nächsten Redner
schwierig sei, das noch zu toppen.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das sehen wir jetzt!)


Herr Minister, Sie unterliegen hier einem Justizirrtum,
wenn auch einem geringfügigen; denn mir fällt es über-
haupt nicht schwer, hier etwas draufzupacken. Sie alle
haben die reale Möglichkeit, den Verbraucherschutz zu
stärken und im Etat etwas draufzupacken, wenn Sie un-
serem Änderungsantrag zustimmen. Dann haben Sie real
etwas getan und nicht nur etwas aus dem Sprüchebeutel
draufgepackt.


(Beifall bei der LINKEN)


Die gute Nachricht zuerst: Der Justizhaushalt ist einer
der wenigen Etats, die im Laufe der Haushaltsberatun-
gen etwas besser wurden. Gut geworden ist er noch
nicht. Immerhin ist er so klein, dass das Bundesfinanz-
ministerium gar nicht erst Begehrlichkeiten entwickelte,
den Etat zu kürzen.

Der Finanzmarktwächter wird eingeführt. Das haben
mehrere beantragt, auch die Linken. Ich habe den Antrag
schon erwähnt. Die Übermacht – das muss man sich
wirklich eingestehen – der Anbieter von sogenannten Fi-
nanzprodukten wird davon aber nicht berührt. Aber we-
nigstens wird ein Problem öffentlich gemacht. Ich habe
mir einmal die Mühe gemacht, die zwei Zahlen ins Ver-
hältnis zu setzen, die 2,5 Millionen Euro, die wir für die
Verbraucherschützer jetzt einstellen wollen, zu dem
Geld, über das die sogenannten Schattenbanken verfü-
gen. Das sind über 50 Billionen Euro. Es kommt also zu
einem Verhältnis der Verbraucher zu denen, zu denen sie
in Konkurrenz treten, von 1 : 20 Millionen. Die Über-
macht der Finanzmärkte beträgt immer noch 20 Millio-
nen gegenüber den Verbraucherschützern. Das nur, da-
mit wir uns keine Illusionen machen.

Nun kursiert ein neuer Begriff, der Begriff „Geier-
fonds“. Sie haben richtig gehört: Geierfonds, benannt
nach dem Greifvogel oder Raubvogel. Diese Fonds be-
treiben nach ihrer Philosophie vorrangig den Ankauf von
Wertpapieren angeschlagener Herausgeber. Das können
Unternehmen sein, das können aber auch Staaten sein.
Gegenwärtig ist Argentinien von einem dieser Geier-





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

fonds erheblich bedroht, so bedroht, dass die argentini-
sche Regierung sich entschlossen hat, auch in Europa
große Anzeigen zu schalten.

Dazu muss man sagen: Auch noch so tapfere Verbrau-
cherschützerinnen und Verbraucherschützer werden die
Geierfonds nicht stoppen, aber sie setzen wenigstens ein
Zeichen von Gegenwehr, und das ist gut so. Sie in der
Bundesregierung wollen die Schattenbanken und Hedge-
fonds irgendwie kontrollieren. Ich kann Ihnen dazu nur
sagen: Das wird nicht funktionieren. Solche Unterneh-
men, solche dubiosen Institutionen gehören abgeschafft.
Es reicht nicht, sich das Ziel zu setzen, sie zu kontrollie-
ren.

Die Linke wird immer dabei sein, wenn es um mehr
Verbraucherschutz geht. Wir müssen Sie dennoch auf ein
Kuriosum aufmerksam machen. Wir haben jetzt ein
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher-
schutz, und wir haben ein Bundesamt für Verbraucher-
schutz. Das Kuriose ist – das wissen Sie –, dass das Bun-
desamt in einem anderen Ministerium angesiedelt ist,
und nicht in dem gleichnamigen Bundesministerium.

Positiv finden wir die Entwicklung, dass auf Be-
schluss der Verbraucherschutzminister der Länder es nun
endlich eine Initiative zur Deckelung der Dispozinsen
gibt, also dass man sich dagegen wehrt, dass Banken
sich quasi für 0 Prozent Zinsen Geld leihen und Dispo-
zinsen von über 10 Prozent von den Leuten verlangen.
Daran kann man sehen, Herr Minister: Links wirkt, noch
mehr links würde noch mehr wirken.


(Beifall bei der LINKEN)


Das besondere Interesse der Opposition an einer
auskömmlichen Finanzierung der Bundesgerichtsbar-
keit hatte ich bereits erklärt.

Nun zum Patent- und Markenamt. Unser Vorschlag
dazu ist schon zitiert worden. Hier ist die Koalition noch
ein bisschen uneinsichtig. Als wir das, lieber Kollege
Gröhler, in der 16. Wahlperiode schon einmal zum Er-
folg gebracht haben, sind wir selbstverständlich als Be-
richterstatter mit anderen Sachkundigen mehrfach in
München gewesen und haben uns genau angeschaut, an
welcher Stelle Personalmittel und an welcher Stelle Mit-
tel für Sachkosten oder IT-Kosten zu erhöhen sind. Dann
hat das auch geklappt. Ich bin mir sicher: Das wird auch
wieder klappen. Ich kann Ihnen noch eine Brücke bauen.
Die Linke wird in der ihr bekannten Bescheidenheit Ih-
nen in Sachen Urheberschaft nicht im Wege stehen und
diese nicht so laut hinausposaunen. Setzen Sie die Vor-
schläge um. Das wäre wichtiger, als jetzt darüber zu tö-
nen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804310700

Sie denken an Ihre Redezeit, in aller Bescheidenheit?


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804310800

In aller Bescheidenheit komme ich damit zum Ende. –

Wir wünschen uns natürlich ein selbstbewusstes Verfas-
sungsministerium. Das braucht nicht nur die Koalition,
das braucht auch die Opposition.
In diesem Sinne: Gutes Zusammenwirken!


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804310900

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin:

Elisabeth Winkelmeier-Becker für die Union.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1804311000

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Zuhö-

rer! Der Haushalt, über den wir in dieser Woche spre-
chen, ist sehr erfreulich. Seit meiner Kindheit ist das der
erste ausgeglichene Haushalt. Jeder Politikbereich leistet
seinen Beitrag dazu, darunter auch unserer. Der Haushalt
unseres Ministeriums zeichnet sich zum einen dadurch
aus, dass er der kleinste ist, zum anderen dadurch, dass
er die höchste Deckungsquote hat. Auch in dieser Hin-
sicht ist er ein Vorbild; andere Ressorts können ja einmal
versuchen, an unsere Quoten heranzukommen. Die Größe
unseres Haushaltes steht aber natürlich in keinem Verhält-
nis zur wahren Bedeutung unseres Politikbereichs; das
muss man hier einmal sagen. Das zeigt, dass es in der Tat
nicht immer nur auf das zur Verfügung stehende Geld
ankommt, wenn es darum geht, gute Politik zu machen.

Wenn ich Schülergruppen erkläre, was Politik macht,
dann nenne ich zwei Punkte: Der eine wesentliche Punkt
von Politik ist, zu entscheiden, woher wir das Geld be-
kommen und wofür wir es ausgeben, von wem wir Steu-
ern einnehmen und was uns so wichtig ist, dass wir dafür
Geld ausgeben. Der andere wesentliche Punkt ist, wel-
che Regeln wir für das Zusammenleben der Menschen
untereinander oder für das Verhältnis der Bürger zum
Staat aufstellen. Das ist nichts, was kostet, aber etwas,
das gut austariert und gerecht gestaltet werden muss.
Das ist unsere Aufgabe. Das ist die Domäne der Rechts-
politik. Wir kommen also mit wenig Geld aus, um gute
und auch weitreichende Politik zu machen.

Unser Haus und unser Haushalt müssen gewährleis-
ten, dass die Justiz funktioniert. Das gilt auch für die
obersten Bundesgerichte. Ich nutze hier die Gelegenheit,
um der neuen Präsidentin des BGH, die in den vergange-
nen Tagen ihre Urkunde erhalten hat und ihre Aufgabe
ab Juli wahrnehmen wird, zu gratulieren und eine
glückliche Hand zu wünschen für ihre wichtige Auf-
gabe an der Spitze der ordentlichen Gerichtsbarkeit in
Deutschland. Also: Herzlichen Glückwunsch, Frau
Bettina Limperg, als neue BGH-Präsidentin und hoffent-
lich starke Frau in einer Führungsposition in Deutsch-
land.


(Beifall)


In diesem Zusammenhang ein Punkt, der haushaltsre-
levant sein kann. Wir haben als Gesetzgeber vor drei
Jahren völlig zu Recht ein Rechtsmittel gegen Zurück-
weisungsbeschlüsse in der Berufung nach § 522 ZPO
eingeführt. Das hat zu deutlich mehr Aufwand geführt.
Es gab viele zusätzliche Nichtzulassungsbeschwerden
beim BGH. Wir müssen uns genauer anschauen, wie wir
dem begegnen können, damit die Rechtsprechung am





Elisabeth Winkelmeier-Becker


(A) (C)



(D)(B)

BGH nicht darunter leidet, dass wir mit unserer Maß-
nahme dazu beigetragen haben, dass die Fallzahlen sehr
gestiegen sind.

Den größten Aufwuchs in unserem Bereich hat der
Verbraucherschutz; darauf komme ich gleich zurück.
Wir werden dort neue Strukturen schaffen und werden
das finanziell unterlegen.

Vor allem gibt uns die Haushaltsdebatte die Gelegen-
heit, um einige Punkte generell anzusprechen und auf ei-
nige Vorhaben einzugehen; meine Vorredner haben das
ja schon getan.

Ich möchte mit einem Thema anfangen, das mir be-
sonders am Herzen liegt, und auf Papst Franziskus ver-
weisen. Er hat nämlich in dieser Woche in Süditalien der
Mafia für ihre kriminellen Machenschaften im organi-
sierten Verbrechen die Exkommunikation angedroht.
Nun ist die Exkommunikation sicherlich das Monopol
des Papstes, aber auch wir können etwas tun, um ma-
fiöse Strukturen, die bei uns existieren, trockenzulegen
und zu bekämpfen. Da sehe ich unsere dringende Auf-
gabe, und zwar vor allem im Bereich Menschenhandel
und Zwangsprostitution.

Es ist schwer auszuhalten, dass viel Zeit ins Land ge-
gangen ist, seit wir dieses Problem erkannt haben und
immer wieder mit Vorschlägen kommen, um das sicher-
lich nicht einfache Regelwerk, dessen Ausarbeitung wir
zu leisten haben, dann doch endlich auf den Weg zu
bringen. Wir müssen rasch gegen Menschenhandel und
Zwangsprostitution vorgehen und beides konsequent be-
kämpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es darf nicht sein und es betrübt mich wirklich, dass
gerade in Deutschland dieses Feld für die Hintermänner
so lukrativ ist. Das müssen wir bekämpfen. Diesem Ge-
schäftsmodell muss mit verschiedenen Maßnahmen der
Boden entzogen werden. Ich denke, wir müssen zu einer
behördlichen Erlaubnispflicht kommen. Wir müssen
bessere Kontrollbefugnisse haben. Wir müssen klarstel-
len, dass es kein Weisungsrecht von Zuhältern gibt und
dass diese den Prostituierten bei ihrer Berufsausübung
keine Einzelheiten vorgeben können. Das muss klarge-
stellt werden. Das darf es nicht geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Auch an die Freier wollen wir heran, an die, die wis-
sentlich und willentlich ausnutzen, dass eine Frau zu se-
xuellen Handlungen gezwungen und missbraucht wird.
Da muss auch das Strafrecht nachjustiert werden. Natür-
lich brauchen wir dazu auch klare Maßstäbe. An der
Stelle bestehen Schutzlücken, die wir schließen müssen.
Genauso müssen wir uns aber auch mit Ausstiegshilfen
und einer Verbesserung des Aufenthaltsrechts beschäfti-
gen. Wir müssen das alles konsequent aus dem Blick-
winkel der Opfer von Menschenhandel betrachten und
zügig angehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss sagen: Der Zeitplan, der bisher zu diesem
wichtigen Projekt vorgelegt worden ist, erscheint mir
noch nicht ambitioniert genug. Lassen Sie uns das
schneller umsetzen, und lassen Sie uns andere Dinge, die
vielleicht nicht so wichtig sind, so weit auch zurückstel-
len. Ich denke da auch an die Reform der Gesetzgebung
zu Mord und Totschlag. Das ist sicherlich sinnvoll, aber
vielleicht nicht so dringlich.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte eingehen auf die schon angesprochene
Mietpreisbremse. Ich sage und verspreche: Sie kommt,
und sie wird gut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Eva Högl [SPD]: Wir nehmen Sie beim Wort!)


Wir werden dafür sorgen, dass sie funktioniert. Wir wis-
sen: Es ist für Menschen, gerade in Regionen, wo die
Mieten sehr schnell steigen, schwierig, einen Wohnungs-
wechsel zu finanzieren. Dieses Problem müssen wir an-
gehen, aber wir müssen es an der Wurzel packen. Wir
wissen: Die Mietpreisbremse ist ein Instrument, das die
Symptome bekämpft. Wurzel des Übels steigender Mie-
ten ist dagegen die angespannte Lage auf dem Woh-
nungsmarkt, die Tatsache, dass zu wenig Wohnraum zur
Verfügung steht. Deshalb muss jede Landesregierung,
die sagt: „Wir haben hier einen angespannten Wohnungs-
markt, deshalb brauchen wir die Mietpreisbremse“, über-
legen, wie denn bei auslaufender Mietpreisbremse ein
Zustand erreicht werden kann, bei dem der Wohnungs-
markt besser und entspannter ist und bei dem es mehr
Angebot gibt. Für uns ist ganz klar: Das eine muss mit
dem anderen verbunden werden. Wer sagt, dass wir eine
Mietpreisbremse brauchen, der muss auch sagen, mit
welchen Maßnahmen er die Ursachen für steigende Mie-
ten bekämpfen will. Schließlich müssen wir dafür sor-
gen, dass die Mietpreisbremse auch praktikabel ist.
Wenn Mieter und Vermieter ihre Vereinbarungen an ei-
ner Vergleichsmiete ausrichten sollen, dann muss auch
irgendwo klar und einfach definiert sein, was diese Ver-
gleichsmiete ist, sonst treiben wir die Parteien nur vor
Gericht, in teure und ungewisse Verfahren. Damit ist am
Ende niemandem gedient, weder den Mietern noch den
Vermietern. Deshalb muss in das Gesetz eine klare Re-
gelung dazu aufgenommen werden, was der Vergleichs-
maßstab ist und wie er ermittelt und definiert werden
kann.

Meine Damen und Herren, die Union steht für eine
mittelstandsfreundliche Rechtspolitik. Wir haben im
Koalitionsvertrag etliche Punkte dazu vereinbart, ins-
besondere wollen wir im Insolvenzrecht Änderungen
herbeiführen. Wir brauchen mehr Planungssicherheit für
diejenigen, die einem Vertragspartner auch in einer
schwierigen Situation zum Beispiel Zahlungsaufschub
geben, die sich auf Ratenzahlungen einlassen. Das wol-
len wir doch, weil damit häufig auch eine Durststrecke
überwunden werden kann und sich der Vertragspartner
wieder fängt. Das darf aber nicht dazu führen, dass man
bis zu zehn Jahre später noch damit rechnen muss, dass
diese Zahlungen angefochten werden können. Hier brau-
chen wir mehr Sicherheit für die Geschäftspartner. Die





Elisabeth Winkelmeier-Becker


(A) (C)



(D)(B)

jetzige Regelung ist schädlich. Erwünschtes Verhalten
wird nicht praktiziert; das darf nicht riskiert werden.

Schon in der nächsten Woche finden die zweite und
dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämp-
fung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr statt. Die
Verabschiedung dieses Gesetzesentwurfs ist ein wichti-
ger Beitrag dazu, die Zahlungsmoral zu stärken. Dies
stärkt auch die Liquidität der mittelständischen Betriebe.
Sie müssen nämlich schnell an ihr Geld kommen, um
nicht auf Zwischenfinanzierungen angewiesen zu sein.
So können Insolvenzen in diesem Bereich vermieden
werden.

Ministerin Schwesig und Minister Maas werden dem-
nächst einen Gesetzentwurf zur Frauenquote vorlegen.
Ich darf sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass wir
das jetzt auf den Weg bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir werden dafür sorgen, dass dieses Gesetz so ausge-
staltet wird, dass die Betriebe damit umgehen können.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804311100

Frau Kollegin, Sie denken an die Redezeit?


Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1804311200

Wir dürfen die Unternehmen bei dem notwendigen

Wandel nicht überfordern. Wir regeln die Einführung der
Frauenquote so, dass sie beherrschbar ist. In ein paar
Jahren sollten sich alle fragen: Wo war dabei eigentlich
das Problem?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich überlasse es meiner lieben Kollegin Mechthild
Heil, Ausführungen zur Verbraucherpolitik zu machen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804311300

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Die nächste Rednerin

in dieser Debatte ist Nicole Maisch für Bündnis 90/Die
Grünen.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804311400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister, in Ihrer Antrittsrede beim Verbraucher-
zentrale Bundesverband haben Sie gesagt – ich zitiere –:

Ich bin mir sicher, dass wir … mehr für den Ver-
braucherschutz tun können, wenn die Zuständigkei-
ten nicht länger gespalten sind, sondern wenn
Name und Gesetzgebungskompetenz endlich zu-
sammenpassen.

Wahre Worte! Leider sieht die schwarz-rote Regierungs-
praxis etwas anders aus: Die Verbraucherpolitik ist zer-
pflückter als je zuvor. Ein Großteil des Geldes und rele-
vante Zuständigkeiten, zum Beispiel für Ernährung oder
für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, sind in der
Hand des Bundeslandwirtschaftsministeriums geblieben.
Da hat die Union klug verhandelt. Ob das aber für die
Verbraucherpolitik sinnvoll war, sei einmal dahinge-
stellt. Bei anderen verbraucherrelevanten Themen wie
Telekommunikation, Finanzmarktregulierung und Kar-
tellrecht ressortieren die Zuständigkeiten weiterhin bei
Ihren Kabinettskollegen, und Sie dürfen nur Hinweise
geben. Auch hier suggeriert der Titel „Verbraucher-
schutzministerium“ mehr als das, was wirklich dahinter-
steht.

Wenn wir uns diesen Haushalt anschauen, stellen wir
fest, dass der wirtschaftliche Verbraucherschutz, also Ihr
Kernbereich – er gehört Ihnen quasi allein –, unterfinan-
ziert ist. Daran ändern auch die genannten 2,5 Millionen
Euro für den Finanzmarktwächter, die die Koalitions-
fraktionen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf die
Schnelle zusammengekratzt haben, nicht viel. Wir be-
grüßen es natürlich, dass Sie in die Finanzierung des
Marktwächters einsteigen; das ist ein sinnvolles Projekt.
Aber ein solches Projekt braucht langfristige Planungs-
sicherheit. Warum? Wir brauchen für den Finanzmarkt-
wächter die Köpfe, die sich auf den Finanzmärkten am
besten auskennen. Wenn langfristig überhaupt nicht ge-
sichert ist, wie die Finanzierung dieses Projektes weiter-
geht, wenn es keine institutionelle Förderung gibt, wenn
vonseiten der Union immer wieder Bedenken geäußert
werden, ob dieses Projekt überhaupt sinnvoll ist, dann
fragt man sich doch, wie man so die besten Köpfe für
den Marktwächter gewinnen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Marktwächter kann aber nur eine Komponente
einer verbrauchergerechten Neuordnung der Finanz-
märkte sein. Herr Maas, wir erwarten von Ihnen, dass
Sie bei der Regulierung des Grauen Kapitalmarkts mehr
liefern als das dürre Eckpunktepapierchen, das Sie zu-
sammen mit dem Finanzminister präsentiert haben. Dass
Prokon jetzt nicht mehr in den Medien ist, heißt doch
nicht, dass das Thema „Grauer Kapitalmarkt“ an Brisanz
verloren hat.

Wir hoffen, dass Sie bei der Finanzmarktregulierung
in Zukunft mehr Durchsetzungskraft beweisen als bei
dem Rettungspaketchen, das Sie für die Lebensversiche-
rer geschnürt haben. Hier haben Sie zulasten der Anlege-
rinnen und Anleger, der Versicherten, die Versicherungs-
unternehmen sanieren wollen, und das finden wir nicht
gut. Ich sage das gerade vor dem Hintergrund, dass der
Kollege Rohde so rührend eine Lanze für die Kleinanle-
ger gebrochen hat. Beim Thema Lebensversicherung tun
Sie das Gegenteil von dem, was Sie hier vorgetragen ha-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ich möchte zur Kernfrage
für die deutsche und europäische Verbraucherpolitik in
den nächsten Monaten kommen. Das sind sicher die Ver-
handlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkom-
men. Wir haben in der Debatte zur Agrarpolitik von Ih-
rem Kollegen Minister Schmidt nur Beschwichtigendes
gehört. Auch von Ihnen liest man in Interviews immer,
dass das Allzweckkampagnengeflügel, das Chlorhühn-





Nicole Maisch


(A) (C)



(D)(B)

chen, nicht kommen soll. Das haben Sie in der Frankfur-
ter Allgemeinen Sonntagszeitung mitgeteilt. Ich finde
aber, man muss ein bisschen tiefer in die Debatte einstei-
gen als nur mit solchen Überschriften. Man kann es nicht
bei dem Chlorhühnchen belassen, sondern muss sagen:
Leute, es geht um viel grundsätzlichere Dinge, und zwar
um Investor-Staat-Schiedsgerichte und um eine der öf-
fentlichen Sphäre entzogene regulatorische Zusammen-
arbeit.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804311500

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804311600

Gerne.


Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1804311700

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Bei den Worten „tiefer

in die Debatte einsteigen“ habe ich mich doch veranlasst
gesehen, eine Zwischenfrage zu stellen.

Wir haben jetzt seit über einer Stunde eine, wie ich
finde, sehr wichtige und auch interessante Debatte. Der
Bundesminister ist da, der Staatssekretär ist da, der ge-
samte Ausschuss ist da; ich vermisse nur die Vorsitzende
des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Frau
Künast. Das empfinde ich als unbefriedigend. Ich weiß
nicht, ob Sie diesen Eindruck teilen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das möchte ich Sie zumindest gern fragen.

Ich persönlich kenne den Terminkalender von Frau
Künast nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie heute
beim Deutschen Anwaltstag ist, der übrigens mehrere
Tage dauert. Dazu haben wir als Ausschussmitglieder
alle eine Einladung bekommen. Wir haben allerdings
Prioritäten gesetzt und gesagt: Der Haushalt, der einmal
im Jahr behandelt wird, gerade der Haushalt für Justiz
und Verbraucherschutz, ist so wichtig, dass wir heute
nicht zum Anwaltstag fahren. – Stimmen Sie mir zu,
dass die Vorsitzende des Ausschusses bei dieser so wich-
tigen Debatte, die Sie angesprochen haben, offensicht-
lich ganz andere Prioritäten setzt?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804311800

Herr Kollege, in meiner Fraktion bin ich zuständig für

die Themen Tierschutz und Verbraucherpolitik. Das
heißt, alles von der Kastration von Schweinen bis hin zur
Frage der Rechtssicherheit von Handy-Apps fällt in
meine Zuständigkeit.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist ja beachtlich!)


Die Führung des Kalenders des Ausschusses für Ver-
braucherschutz, das heißt die Termine von Frau Künast,
gehört allerdings nicht in meine Zuständigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Jenseits Ihrer Frage nach dem Terminkalender war ich
dabei – –


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804311900

Erlauben Sie noch eine Bemerkung, Frau Kollegin?


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312000

Bitte.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312100

Vielen Dank, Frau Kollegin Maisch. – Würden Sie

mir recht geben darin, dass es natürlich entsprechend ge-
würdigt werden muss, wenn der Deutsche Anwaltverein,
der den Deutschen Anwaltstag ausrichtet, die Vorsit-
zende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundesta-
ges bittet, bei seiner Festveranstaltung einen Vortrag zu
halten und ein Grußwort zu sprechen?


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Kollegin Keul kennt den Terminkalender! Da gibt es einen unterschiedlichen Informationsstand!)



Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312200

Frau Keul, Ihnen stimme ich eigentlich fast immer zu.

Also: Ja.

Aber kommen wir zurück zum Thema meiner Rede,
zum Freihandelsabkommen. Bei TTIP geht es um Inves-
tor-Staat-Schiedsgerichte und um regulatorische Zusam-
menarbeit. Ich finde, hier ist der Verbraucherschutzminis-
ter gefragt. Bei solchen Investor-Staat-Streitigkeiten geht
es darum, dass zukünftige Verbraucherschutzgesetzge-
bung immer unter dem Damoklesschwert stattfindet,
dass die Bundesrepublik vor außerstaatlichen, demokra-
tisch nicht legitimierten Gerichten auf Schadensersatz
verklagt wird. Die Chefin der europäischen Verbraucher-
schutzverbände hat das so formuliert:

You have the right to regulate, but you have to pay
for it!

Ich finde, genau das muss ein Verbraucherschutzminister
verhindern. Es kann doch nicht sein, dass in Zukunft na-
tionale Anbauverbote für Genmais, die Wasserversor-
gung in öffentlicher Hand, das Fracking-Gesetz, das Ihre
Ministerkollegen planen, oder strengere europäische Da-
tenschutzregeln vor demokratisch nicht legitimierten
Gerichtshöfen als Handelshemmnisse beklagt werden.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312300

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312400

Ich finde, als Verbraucherschutz- und Justizminister

ist Ihre vornehmste Aufgabe: Verhindern Sie so etwas!
Stellen Sie sich quer, wenn das Abkommen einen sol-
chen Weg nimmt!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312500

Danke, Frau Kollegin. – Ich bitte Sie wirklich, auf die

Redezeit zu achten. Das richtet sich an alle.

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Eva Högl für
die SPD.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1804312600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Man kann Bundesminister Maas in kei-
ner Weise vorwerfen, er würde nicht handeln, Frau Kol-
legin. Bundesminister Maas ist ein überaus aktiver Jus-
tizminister.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn diese Debatte und dieser Haushalt eines zeigen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, dann das – das möchte
ich ganz deutlich sagen –: Es gibt wieder Rechtspolitik.
Wir machen engagierte Rechtspolitik. Schon im ersten
halben Jahr seiner Amtszeit als Justizminister hat er we-
sentliche Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])


Wir machen eine Rechtspolitik, die sich darin versteht,
dass sie gestaltet und nicht verwaltet, blockiert und ver-
hindert. Das war leider in der letzten Legislaturperiode
so. Deswegen sage ich am Anfang noch einmal ganz
deutlich: Es macht jetzt richtig Spaß, Rechtspolitik zu
machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte auch zu den Themen Kinderpornografie
und Pädophilie – diese sind uns allen unangenehm – vo-
rausschicken, dass der Bundesjustizminister hier sofort
gehandelt hat. Nachdem wir im Deutschen Bundestag
darüber debattiert hatten, dass wir Gesetzeslücken im
Sexualstrafrecht haben, hat Heiko Maas einen Gesetz-
entwurf erarbeitet und vorgelegt, der der Klarstellung
dient und deutlich macht, dass die Herstellung und Ver-
breitung von kinderpornografischen Bildern – unabhän-
gig von den Kategorien I oder II – unter Strafe gestellt
wird.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass
hier das Strafrecht nicht alles ist. Aber in diesem Bereich
ist es wichtig, strafrechtlich tätig zu werden und entspre-
chende Vorschläge vorzulegen. Ich erwähne noch ein-
mal, was in der Debatte heute bereits gesagt worden ist,
was man aber nicht oft genug erwähnen kann: Bei den
Themen Kinderpornografie und Pädophilie kommt es
darauf an, frühzeitig tätig zu werden. Es ist wichtig, prä-
ventiv zu agieren, damit es gar nicht erst zu Übergriffen
auf Kinder und Jugendliche kommt. Auch wenn Kinder
und Jugendliche auf Bildern sind, die nicht strafbar sind,
weil wir es so entschieden haben, so steckt dahinter im-
mer eine Zwangslage.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das müssen wir jetzt ändern!)


Dagegen wollen wir vorgehen. Deswegen ist es gut, dass
im Haushaltsausschuss erreicht worden ist, dass die Mit-
tel für das Präventionsprojekt Dunkelfeld um 40 Pro-
zent, um 150 000 Euro, aufgestockt werden. Das mag
wenig klingen, aber es ist für diesen Bereich sehr viel.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diesen Ansatz – Veränderungen im Strafrecht dort, wo
wir Graubereiche haben und Regelungslücken feststellen,
in Kombination mit Opferschutz und Prävention – werden
wir in der Rechtspolitik fortführen. Dafür gibt es ein
weiteres Beispiel, das Sie, Frau Kollegin Winkelmeier-
Becker, schon angesprochen haben, nämlich das Thema
„Menschenhandel und Prostitution“. Auch hierzu hat der
Bundesjustizminister einen Gesetzentwurf vorgelegt, der
die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen beinhaltet,
wie wir die Richtlinie zum Menschenhandel umsetzen
und wo wir das Strafrecht notwendigerweise verschär-
fen. Wir haben auch im Koalitionsvertrag niedergelegt,
dass wir die Täter wirksam bestrafen wollen. Das ist ein
ganz entscheidender Gesichtspunkt. Ich will an dieser
Stelle ganz kurz anmerken, dass wir das schuldhafte Ver-
zögern im Zeitplan nicht zu verantworten haben; denn
die Richtlinie ist seit über einem Jahr verfristet. Das geht
auf Ihr Konto; aber wir machen das jetzt gemeinsam gut
und richtig.

Ich erwähne einen weiteren Gesichtspunkt, der mir
sehr wichtig ist, Stichwort „NSU“. Wir haben uns im
Deutschen Bundestag verpflichtet, die Empfehlungen
des NSU-Untersuchungsausschusses zügig umzusetzen.
Auch hier herzlichen Dank an das Bundesjustizministe-
rium, das sofort einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, den
wir jetzt weiter beraten.

Ein wichtiger Punkt ist die Stärkung des Generalbun-
desanwalts. Wir haben im Untersuchungsausschuss he-
rausgefunden, dass es richtig und wichtig ist, dass der
Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren an sich zie-
hen kann, wenn sie von überwiegender Bedeutung sind,
wenn es entweder Straftaten mit länderübergreifendem
Charakter sind, wie bei der Mordserie des NSU, oder
wenn es Kompetenzkonflikte zwischen den Bundeslän-
dern gibt. Wir sind nicht der Auffassung, dass auf Bun-
desebene alles besser gemacht werden kann; aber in sol-
chen Fällen wollen wir den Generalbundesanwalt
unterstützen. Deswegen begrüße ich nicht nur diesen
Gesetzentwurf, sondern auch, dass der Generalbundes-
anwalt dafür mehr Mittel bekommt. Das hat der Haus-
haltsausschuss ebenfalls beschlossen. Herzlichen Dank
dafür! Ich sage aber auch in Richtung des Generalbun-
desanwaltes: Wir erwarten dann auch ein entsprechendes
Tätigwerden bzw. eine entsprechende Aktivität; denn
wir sind der Auffassung, dass die wichtigen Ermittlungs-
verfahren an dieser Stelle geführt werden müssen.

Mit der Rechtspolitik greifen wir nicht nur Miss-
stände auf, sondern verändern auch unsere Gesellschaft.
Wir haben die Gleichstellung von Schwulen und Lesben
auf unserer Agenda. Wir haben dazu schon wichtige Be-
schlüsse gefasst, sowohl im Steuerrecht als auch bezüg-





Dr. Eva Högl


(A) (C)



(D)(B)

lich der Sukzessivadoption. Die Frauenqoute ist bereits
erwähnt worden. Auch sie wird unsere Gesellschaft aus-
drücklich verändern; das begrüßen wir. Ich freue mich
natürlich, dass wir das in der Großen Koalition gemein-
sam machen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wir reagieren auch auf Missstände. Wir haben
aktuell einen Missstand – das ist ein wichtiges Thema –
im Bereich des Mietrechts. Insofern ist es wichtig, dass
wir dieses Thema ganz oben auf unsere Agenda gesetzt
haben. In Meseberg ist beschlossen worden, dass die Re-
form des Mietrechts ein prioritäres Vorhaben ist. Es ist
auch vereinbart, dass das Mietrechtsänderungsgesetz
zum 1. Januar 2015 in Kraft treten soll. Ich möchte
gerne, dass wir die unterschiedlichen Auffassungen
dazu, die wir im Detail haben, nicht über die Presse aus-
tauschen, sondern uns ruhig und vernünftig zusammen-
setzen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir die ausstehen-
den Detailfragen in der Großen Koalition noch klären
werden und dann endlich das umsetzen, was wir uns vor-
genommen haben, nämlich die vielen Mieterinnen und
Mieter davor zu schützen, dass sie, wenn sie eine neue
Wohnung mieten wollen, vor exorbitant hohen Miet-
preiserhöhungen stehen, die sie nicht mehr bezahlen
können; als Abgeordnete von Berlin-Mitte weiß ich, wo-
von ich rede. Das ist ein wichtiges Gesetzesvorhaben.
Deswegen appelliere ich an uns alle gemeinsam, das auf
den Weg zu bringen und im Interesse vieler Bürgerinnen
und Bürger auf die Missstände zu reagieren.


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312700

Frau Kollegin!


Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1804312800

Herzlichen Dank, liebe Frau Präsidentin. – Ich

komme zum Ende und sage: So machen wir weiter.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804312900

Danke, Frau Högl. – Nächste Rednerin in der Debatte

ist Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804313000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Justizminis-
ter, die Kollegin Wawzyniak hat mit einem Lob geendet.
Ich will mit einem Lob beginnen, und zwar für die Ver-
längerung der Hemmung der Verjährung bei sexuellem
Kindesmissbrauch auf das 30. Lebensjahr. Das begrüße
ich ausdrücklich. Das ist echter Opferschutz; denn vor
Abschluss ihrer Therapie haben die Opfer oft keine Ge-
legenheit, in irgendeiner Weise Rechtsmaßnahmen zu er-
greifen. Insofern haben Sie an dieser Stelle unsere volle
Unterstützung.

Aber keine Sorge: So geht es nicht weiter.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Schade!)

Denn ansonsten ist der Aufschlag aus Ihrem Haus zum
Thema Kinderpornografie ziemlich danebengegangen.


(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Sie wollten doch angeblich diejenigen bestrafen, die sich
im Internet Kindernacktbilder kaufen oder diese tau-
schen. Nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf
wären das fast die einzigen, die sich nach wie vor nicht
strafbar machen, dafür aber fast alle anderen. Jedes bloß-
stellende Foto. – Ja, meine Güte! Haben Sie schon ein-
mal gesehen, wie viele Bilder von Betrunkenen sich in
den sozialen Netzwerken befinden und wie viele peinli-
che Videos auf YouTube? – Damit können Sie die
Staatsanwaltschaften wirklich lahmlegen und die halbe
Republik einbuchten.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ein Unsinn!)


Auch die Intention spielt bei Ihrem Entwurf keine Rolle.
Was ist denn, wenn ich das Opfer einer Gewalttat foto-
grafiere oder filme, um diesem anschließend Beweisma-
terial zur Verfügung zu stellen? Alles strafbar?


(Burkhard Lischka [SPD]: Quatsch!)


Bei der Jugendpornografie ist vorgesehen, die Herstel-
lung einer Aufnahme strafbar zu machen, völlig unab-
hängig davon, ob eine Verbreitung beabsichtigt ist oder
eine Einwilligung vorliegt. Wir halten also 17-Jährige
für reif genug, mit Volljährigen sexuell zu verkehren,
aber wenn sie sich dabei fotografieren lassen, wollen wir
das bestrafen? – Das kann doch nicht ernsthaft so ge-
meint sein. Auch hier muss es doch wohl auf die unbe-
fugte Verbreitung ankommen. Da muss also noch einiges
korrigiert werden.

Außerdem sollten die präventiven Maßnahmen zum
Kinderschutz jenseits des Strafrechts nicht aus dem
Blick geraten, wie etwa das erfolgreiche Projekt der Ber-
liner Charité „Kein Täter werden“. Es ist gut, dass für
dieses Projekt Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt
werden; auch das begrüßen wir ausdrücklich.

Neben dem Sexualstrafrecht hat uns im Justizbereich
im letzten Halbjahr auch die Praxis der Geheimdienste
nicht unerheblich beschäftigt. Erfreulicherweise hat sich
der Generalbundesanwalt jetzt doch noch zu kleineren
Ermittlungen durchringen können. Das ist schon deswe-
gen erfreulich, weil wir uns als Konsequenz aus dem
NSU-Verfahren einvernehmlich vorgenommen haben,
dessen Kompetenzen zu stärken. Das Geschrei der Groß-
koalitionäre war allerdings beeindruckend, als wir Grüne
auf das gesetzliche Weisungsrecht des Justizministers
hinwiesen. Ein „krudes Rechtsstaatsverständnis“ wurde
uns vorgeworfen, nur weil wir das Gesetz zitiert haben,
wonach dem Bundesjustizminister die Dienstaufsicht
über den Generalbundesanwalt zusteht. Können wir jetzt
also davon ausgehen, dass Sie kurzfristig mit Ihrer
Mehrheit das Weisungsrecht vollständig abschaffen wer-
den? Da bin ich ja einmal gespannt. Soll das auch für
den Generalbundesanwalt gelten, der als politischer Be-
amter jederzeit in den Ruhestand versetzt werden kann?
Meinen Sie ernsthaft, dass dieser politische Beamte, der





Katja Keul


(A) (C)



(D)(B)

ja auch Zeitung liest, nicht beeinflusst davon ist, wie
sich die Regierung gegenüber den Vereinigten Staaten
einlässt? Angeblich hätten wir Grüne ihn in unzulässiger
Weise beeinflusst, indem wir ihn nach den Gründen sei-
ner Entscheidung gefragt haben. Ehrlich gesagt: Das ist
in meinen Augen ein eher merkwürdiges Rechtsstaats-
verständnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die völlige Einbindung der Staatsanwaltschaft in die
dritte Gewalt und ihre völlige Gleichsetzung mit den
Richterinnen und Richtern halte ich jedenfalls für nicht
angebracht. Die Staatsanwaltschaft handelt im straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren klassisch gewaltaus-
übend und ist damit auch Teil der Exekutive. Ich rate da-
her zu sorgfältiger Prüfung, damit wir nicht über das Ziel
hinausschießen. Ihren Vorschlägen sehe ich mit Interesse
entgegen.

Zuletzt noch ein paar Worte zu Ihrem neuesten Ent-
wurf, zur Einführung der Frauenquote. Wenn 40 Prozent
schon ein Kompromiss sind, dann sind 30 Prozent ein-
fach zu kurz gesprungen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Außerdem ist der Anwendungsbereich mit gerade ein-
mal 100 Unternehmen viel zu eng. Die Einbeziehung des
Bundesgremiengesetzes ist wiederum richtig; es fehlt
aber eine Vorgabe zur geschlechtergerechten Besetzung
von Führungspositionen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804313100

Frau Kollegin, die Redezeit!


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804313200

Sie haben aber Glück; denn wir Grüne haben wieder

einmal an alles gedacht. – Das Einzige, was wir nicht ge-
nug haben, ist Redezeit. – Wir werden Ihnen in der
nächsten Woche unseren Gesetzentwurf zur Frauenquote
vorstellen, von dem Sie dann ja noch einiges überneh-
men können.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Na ja! Da sind wir ja gespannt!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804313300

Vielen Dank, Frau Kollegin Keul. – Nächster Redner

in der Debatte ist Dr. Stephan Harbarth für die CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])



Dr. Stephan Harbarth (CDU):
Rede ID: ID1804313400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Keul, das
von Ihnen angesprochene Problem hat eine tiefere Ursa-
che: Sie haben als Grüne genug Redezeit; Sie haben nur
nicht genug Stimmen. Deshalb haben Sie hier nicht län-
ger sprechen können.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Belehrung! Da wären wir nie drauf gekommen!)


Wir freuen uns, dass wir heute über einen ganz her-
vorragenden Bundeshaushalt diskutieren können. Viele
finanzielle Aspekte sind bereits angesprochen worden.
Zu einer Haushaltsdebatte gehört aber auch, dass die
Rechts- und Verbraucherschutzpolitik in einem breiteren
Sinne aufgegriffen wird. Wir haben in der Großen Koali-
tion schon viele Projekte in guter Zusammenarbeit mit
den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen auf
den Weg gebracht. Einige Projekte sind schon umge-
setzt. Das, was noch aussteht, werden wir in dieser Le-
gislaturperiode gut abarbeiten.

Das gilt etwa – Frau Kollegin Högl, ich komme auf
das zurück, was Frau Winkelmeier-Becker bereits ausge-
führt hatte – für das Thema Mietpreisbremse. Es wird
eine Mietpreisbremse geben. Für uns ist allerdings wich-
tig, dass sie in die richtige Richtung wirkt. Kollege
Claus hat heute gesagt: Links wirkt. –


(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Das will ich gar nicht in Abrede stellen; aber meistens ist
die Wirkung so, dass die Kennziffern, die hoch sein soll-
ten, niedrig sind, und die, die niedrig sein sollten, hoch
sind. So stellen wir uns das nicht vor. Wir wollen eine
Mietpreisbremse, über die man nicht sagt: Was ist da
bloß angerichtet worden?

In einem sind wir uns einig: Im Kern geht es nicht um
die Einführung einer Mietpreisbremse, sondern darum,
dass Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt. Damit
Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt, werden wir
regulatorische Eingriffe vornehmen. Damit Wohnraum
in Deutschland bezahlbar bleibt, müssen aber auch die
richtigen Weichenstellungen vorgenommen werden, und
die besten Weichenstellungen sind immer die, die Neu-
bauaktivitäten und die Sanierung von alten Gebäuden
begünstigen und ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dazu gehört auch eine intelligente Stadt-Land-Politik.
Es ist kein Zustand, dass in einzelnen Städten die Miet-
preise explodieren und gleichzeitig 30 oder 40 Kilome-
ter weiter die vorhandene Wohnsubstanz verrottet und
zugrunde geht. Wenn dann beispielsweise der stellvertre-
tende baden-württembergische Ministerpräsident Herr
Schmid von der SPD erklärt, es sei nicht schlimm, wenn
im Schwarzwald einzelne Täler zuwachsen,


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Pfui! Unerhört!)


dann hat das natürlich unmittelbare Auswirkungen auf
dieses Thema. Freiburg im Breisgau etwa ist eine der
Städte in Deutschland mit den höchsten Mieten. Es ist
kein Zukunftskonzept, zu sagen: Wir lassen die
Schwarzwaldtäler zuwachsen. Die Menschen sollen raus
aus den ländlichen Räumen, und dann müssen wir
schauen, wie wir die Entwicklung in den großen Städten
hinbekommen. – Ich bin der Meinung, wir brauchen eine
Politik, die die ländlichen Räume so stärkt, dass die dort





Dr. Stephan Harbarth


(A) (C)



(D)(B)

vorhandene Bausubstanz aus ökologischen Gründen,
aber auch aus volkswirtschaftlichen Gründen auch zu-
künftig genutzt werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben viele Themen, über die man heute ausgie-
big diskutieren könnte. Viele Themen sind schon ange-
sprochen worden. Ich will ein Thema kurz anreißen, das
in der Debatte bisher keine Beachtung gefunden hat. Das
ist das Thema der Europäischen Privatgesellschaft. Da-
mit sind wir in der letzten Legislaturperiode leider nicht
so vorangekommen, wie ich mir das gewünscht habe.
Ich hoffe, dass wir das in dieser Legislaturperiode besser
machen. Ich glaube, wir sind in diesem Haus größten-
teils der Auffassung, dass wir eine Europa-GmbH für
unsere mittelständischen Betriebe brauchen. Dem Kon-
zept, das die Kommission jetzt zur sogenannten Einper-
sonengesellschaft vorgelegt hat, können wir uns nicht
anschließen. Umso wichtiger ist es aber, dass wir endlich
bei der Europäischen Privatgesellschaft vorankommen,
damit wir nicht eines Tages seitens der Europäischen
Union mit Konsequenzen konfrontiert werden, die wir
nicht haben möchten.

Zum Thema „Zwangsprostitution und Menschenhan-
del“ möchte ich nur eine persönliche Bitte an den Minis-
ter richten: Machen Sie dieses Thema zu Ihrem Thema
Nummer eins hinsichtlich der Geschwindigkeit, in der
Änderungen herbeigeführt werden. Wenn wir uns vor
Augen führen, dass es in Europa 900 000 Zwangsprosti-
tuierte gibt – so lautet die geschätzte Zahl –, dann kön-
nen wir uns, glaube ich, ein bisschen ausmalen, wie viel
Leid das für Menschen jeden einzelnen Tag bedeutet,
auch in Deutschland. Das ist aus meiner Sicht wirklich
ein Projekt, bei dem es darauf ankommt, früh zu han-
deln, weil an jedem einzelnen Tag im Grunde eine mo-
derne Form der Sklaverei in diesem Land praktiziert
wird. Da müssen wir dringend Abhilfe schaffen. Lassen
Sie uns nicht nur eine gute Lösung finden, sondern las-
sen Sie uns auch möglichst rasch eine gute Lösung fin-
den – im Interesse der Menschenwürde der betroffenen
Personen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr dringend ist das!)


Das Thema TTIP ist angesprochen worden. Auch
dazu einige Bemerkungen: Ich würde mir wünschen,
dass eine Debatte über TTIP, in der man berechtigter-
weise irgendwann auch über Genmais, Fracking, Chlor-
hühnchen und anderes sprechen kann, mit der großen
Chance beginnt, die ein solches Freihandelsabkommen
zwischen Europa und Amerika für dieses Land und die-
sen Kontinent darstellt. Das ist eine epochale Herausfor-
derung, der wir uns im Interesse nachfolgender Genera-
tionen und im Interesse der Arbeitsplätze stellen müssen.
Wenn wir über Europa diskutieren, dann sagen wir im-
mer: Wir dürfen über Europa nicht auf der Ebene von
Ölkännchen, Energiesparlampen und dergleichen disku-
tieren. Ich habe wirklich die große Bitte an Sie: Disku-
tieren Sie auch über TTIP nicht allein auf der Ebene von
Fracking, von Genmais und von Chlorhühnchen, son-
dern betten Sie es in einen größeren Kontext ein! Das
hat, glaube ich, dieses epochale Werk verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich komme auf die Punkte zurück, die Sie, Frau Keul,
angesprochen haben. Ich glaube, es ist ganz gut, dass wir
heute die Rechtspolitik insgesamt beleuchten. Es ist aber
auch gut, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie die Ar-
beit im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
läuft. Dazu muss ich Ihnen im Namen meiner Fraktion
Folgendes sagen: Die Art und Weise des Umgangs, den
Einzelne aus Ihrer Fraktion – das ist kein Vorwurf an die
gesamte Fraktion – mit dem Generalbundesanwalt prak-
tiziert haben, ist skandalös und inakzeptabel. Es ist völ-
lig legitim, einem Generalbundesanwalt Fragen zu stel-
len und mit einem Generalbundesanwalt eine sachliche
Diskussion zu führen. Darum ging es aber nicht, sondern
es ging schon im Vorfeld der Vorladung des Generalbun-
desanwalts vor den Rechtsausschuss darum, eine Hexen-
jagd auf ihn zu eröffnen. Herr Ströbele hat erklärt, man
müsse sich den Generalbundesanwalt zur Brust nehmen.
Das ist nicht unser Verständnis von einem unabhängigen
Ermittlungsverfahren in diesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich darf Ihnen vorlesen, was Ihre Kollegin Hönlinger
in der letzten Legislaturperiode hier im Bundestag er-
klärt hat – Zitat –:

Insbesondere das einzelfallbezogene Weisungsrecht
der Politik gegenüber der Staatsanwaltschaft sollte
abgeschafft werden.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Es darf nicht sein, dass aus politischen Gründen Er-
mittlungen gegen einzelne Personen blockiert oder
forciert werden können.


(Burkhard Lischka [SPD]: Hört! Hört!)


Dazu kann ich in der Tat nur sagen: Hört! Hört!

Es ist völlig in Ordnung, dass man Diskussionen
führt. Wenn Sie sich gegen eine Einflussnahme der Poli-
tik auf Staatsanwälte in allen Fällen wenden, ist es aber
nicht in Ordnung, dass die Grünen-Bundestagsfraktion
die einzige Instanz sein soll, die in der Lage ist, dem Ge-
neralbundesanwalt in diesem Land zu erklären, was er
gefälligst zu tun und zu lassen hat. So wird es nicht funk-
tionieren. Ich möchte Sie wirklich bitten, diese Verhal-
tensweisen Einzelner in ihrer Fraktion zu stoppen und
nicht zur Blaupause für zukünftige Aktionen zu machen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das hat aber gesessen!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804313500

Danke, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in der De-

batte ist Elvira Drobinski-Weiß. – Ich wünsche Ihnen
noch einen schönen Tag.


(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1804313600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch
liebe Zuhörerinnen und Zuschauer auf den Tribünen!
Verbraucherpolitik, Verbraucherschutz ist tatsächlich im
Justizministerium angekommen. Man sieht das auch
oben auf der Anzeigetafel. Bei unserer letzten Debatte
hat das noch gefehlt.

Der Bundesminister der Justiz und für Verbraucher-
schutz hat hier bereits etliche Initiativen genannt. Dafür
bin ich Ihnen, Herr Minister, sehr dankbar. Das Budget
ist kleiner geworden, was natürlich auch damit zu tun
hat, dass knapp 26 Millionen Euro aus dem Bereich des
Einzelplanes 10 des Ministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft in den Einzelplan 07 des Ministeriums
für Justiz und den Verbraucherschutz lediglich wechsel-
ten. Hier ist also – Portokasse hin oder her – die Grund-
lage gegeben. Ich denke, dass sich das, was hier schon
auf den Weg gebracht worden ist, sehen lassen kann.

Dennoch bräuchten wir sehr viel mehr. Wir müssen
der zunehmenden Bedeutung des wirtschaftlichen Ver-
braucherschutzes, der in diesen Einzelplan fällt, sehr viel
stärker gerecht werden. Ein Großteil des Geldes ist noch
für Zuschüsse an die Vertretungen der Verbraucher und
die Stiftung Warentest sowie für die Information der
Verbraucherinnen und Verbraucher gebunden. Daran
wollen wir auch nicht rütteln.

In einer zunehmend komplexeren Welt wächst die
Unsicherheit der Konsumenten in vielen Bereichen des
täglichen Lebens. Dem müssen und dem wollen wir ent-
gegenwirken. Unsere Forderung, ausgewählte Verbrau-
cherzentralen in den Bereichen „Finanzen“ und „digitale
Welt“ – das wurde hier unter dem Stichwort „Markt-
wächter“ heute schon mehrfach angesprochen – zu stär-
ken, konnten wir im Koalitionsvertrag verankern. Sie
sollen zukünftig Verbraucherbeschwerden in diesen Be-
reichen systematisch erfassen, Missstände an die zustän-
dige Aufsicht melden und dabei helfen, die Rechte der
Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn nötig, auch
rechtlich durchzusetzen.

Aber wie so oft, für Verbesserungen genügen gute
Ideen und Konzepte allein nicht. Nötig ist auch Geld.
Deshalb ist es in meinen Augen besonders erfreulich,
dass es gelungen ist, bereits im Haushaltsplan für dieses
Jahr für das Projekt der Finanzmarktwächter die benö-
tigte Anschubfinanzierung bereitzustellen. Auch hier
sage ich Dank an den Haushälter der SPD-Fraktion,
Dennis Rohde. Er geht aber auch an die Kolleginnen und
Kollegen aus den anderen Fraktionen.

Ebenfalls auf unser Drängen hin im Koalitionsvertrag
verankert und bereits im Haushalt 2014 manifestiert ist
der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Sechs
Planstellen werden noch in diesem Jahr geschaffen. Herr
Dr. Lindner, lassen Sie diesen Sachverständigenrat sich
erst einmal etablieren, bevor Sie ihn kritisieren. Ich
denke, er soll erst einmal seine Arbeit aufnehmen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur Zweifel geäußert!)

Er ist die Voraussetzung dafür, dass Experten und Wis-
senschaftler möglichst zeitnah die Situation der Verbrau-
cherinnen und Verbraucher begutachten und auch die
Bundesregierung bei ihrer Arbeit beraten können. Au-
ßerdem soll der Sachverständigenrat auch Vorschläge
zur Forschungsförderung erarbeiten. Das ist, wie ich
finde, ein guter Anfang. Doch wir werden darauf achten,
dass diese guten Projekte im Haushalt 2015 und in den
folgenden Jahren verstetigt und erweitert werden.

Wir brauchen 2015 weitere Mittel für einen Markt-
wächter, der sich um die digitale Welt kümmert. In die-
sem sich unübersichtlich und schnell entwickelnden
Marktbereich müssen wir, denke ich, die Nutzerinnen
und Nutzer – die auch Verbraucherinnen und Verbrau-
cher sind – wirksam schützen. Parallel dazu und um die
Chancen der Digitalisierung zu nutzen, aber die Verbrau-
cher nicht gleichzeitig gläsern werden zu lassen, müssen
wir mehr Gelder in die Forschung rund um den digitalen
Wandel investieren.

Beispielsweise fördert ja das Bundesministerium für
Bildung und Forschung das „Forum Privatheit – selbst-
bestimmtes Leben in der digitalen Welt“, in dem inter-
disziplinär zu diesen Fragen geforscht wird. Es wäre
doch sicherlich sinnvoll, vonseiten des BMJV einen Fo-
kus darauf zu legen, das vielleicht miteinander zu ma-
chen.

Wichtig ist mir auch noch ein Hinweis auf die euro-
päische Dimension des Verbraucherschutzes. Ich halte es
auch für wichtig, dass wir das Netzwerk der europäi-
schen Verbraucherzentralen im Blick haben. Hier leistet
anerkanntermaßen das Zentrum für Europäischen Ver-
braucherschutz in Kehl – dies liegt an der französischen
Grenze in der Nähe von Straßburg – seit Jahren hervor-
ragende Dienste für Deutschland, aber natürlich auch für
die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa. Seine
Funktionsfähigkeit, so finde ich, ist durch eine angemes-
sene Finanzierung sicherzustellen.

Eine Möglichkeit, neue Gelder für den Haushalt zu
gewinnen – es stellt sich ja immer die Frage, wie wir et-
was finanzieren –, besteht sicherlich darin, die Einnah-
meseite zu stärken. Wie können wir das? Ein Punkt wäre
vielleicht – auch das ist heute schon einmal angespro-
chen worden – eine bessere Ausstattung des Deutschen
Patent- und Markenamtes, um beispielsweise Bearbei-
tungszeiten zu senken. Ich weiß, dass das angedacht ist.
Ich denke, das hilft nicht nur, unsere Einnahmen zu er-
höhen, sondern es hilft auch unserer Wirtschaft und da-
mit irgendwann auch den Verbraucherinnen und Ver-
brauchern.

Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804313700

Vielen Dank. – Mechthild Heil ist jetzt die nächste

Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1804313800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen!

Wer einem anderen das Beste wünscht, ist ein guter
Mensch. Wer das Beste befiehlt, ist ein Tyrann.

Ich finde, das ist eine kluge Aussage des früheren Ver-
fassungsrichters Paul Kirchhof. Sie charakterisiert nicht
nur mein, sondern, ich glaube, unser aller Bild von guter
Politik und vor allem von guter Verbraucherpolitik. Für
mich und für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht
der eigenverantwortliche und selbstbestimmte Verbrau-
cher im Mittelpunkt. Denn der Verbraucher ist kein hilf-
loses Wesen, das vor jeder Unbill des Lebens in Schutz
genommen werden will. Was wäre das denn auch für
eine Überheblichkeit von uns Politikern! Wir Politiker
sind nicht die besseren Verbraucher, und wir wissen auch
nicht alles besser.

Unsere Aufgabe ist es sicher nicht, uns von jedem
Skandal und von jedem Medienhype in immer mehr Re-
gulierungen drängen zu lassen. Aber wir haben die
Pflicht und den Willen, für faire Märkte zu sorgen, auf
denen sich die schwarzen Schafe nicht wohlfühlen. Wie
gelingt uns das? Wir werden einen unabhängigen und in-
terdisziplinär besetzten Sachverständigenrat einsetzen,
der uns zu wichtigen Fragen der Verbraucherpolitik be-
rät. Verbraucherpolitik muss sich nämlich an der Realität
und den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orien-
tieren.

Wir brauchen ein gutes Gespür und gute wissen-
schaftliche Grundlagen. Wir brauchen belastbare Zahlen,
Daten und Fakten. Wo finden wir das? Zum Beispiel bei
der Stiftung Warentest. Die Zeitschrift der Stiftung Wa-
rentest ist Ihnen sicherlich bekannt. Sie bietet den
Verbrauchern durch ihre vergleichenden Tests eine un-
abhängige und objektive Einschätzung. Diese Unabhän-
gigkeit kann die Stiftung nur gewährleisten, weil sie von
uns finanziert wird. Die Stiftung erhält immerhin in die-
sem Haushaltsjahr 2014 5,5 Millionen Euro. Wir hatten
die Mittel für die Stiftung bereits aufgestockt, damit die
Stiftung Warentest auch Finanzdienstleistungen ver-
mehrt prüfen und bewerten kann. Denn – die Vorredne-
rinnen haben es schon gesagt – insbesondere auf den
komplexen und dynamischen Finanzmärkten brauchen
die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend Orien-
tierung.

Wir werden auch die Verbraucherzentrale Bundesver-
band in diesem Jahr mit immerhin 9,4 Millionen Euro
weiter fördern. Darüber hinaus stellen wir weitere
2,5 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für die
Marktwächterfunktion zur Verfügung. Jetzt sagen die
Grünen, dass das zu wenig ist, aber 25 Prozent oben
draufzusatteln, ist nicht wenig. Ich kann da nur sagen:
Diese 25 Prozent sind wirklich ein ganz großer Schluck
aus der Pulle.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn man überlegt, was die Verbraucherzentralen in
dem verbleibenden halben oder Vierteljahr, das sie noch
haben, mit dem Geld machen können, stellt man fest: Sie
können die Informationen, die sie bei ihrer flächende-
ckenden Verbraucherberatung erhalten, erstmalig syste-
matisch erfassen; das tun sie bislang nicht. Die Daten,
die sie auswerten und analysieren, können sie dann auch
uns, der Politik, zur Verfügung stellen. Wir bekommen
also neben der BaFin und neben der Stiftung Finanztest,
die wir ja schon haben, durch die Finanzwächter einen
weiteren hilfreichen – ich will es so sagen – Sensor am
Finanzmarkt, der uns anzeigt, wo es Missstände und
Fehlentwicklungen gibt und wo Handlungsbedarf beste-
hen könnte.

Damit ich hier wirklich nicht missverstanden werde:
Bewerten und einordnen muss es am Ende immer noch
die Politik. Wir müssen handeln. Das ist unsere Verant-
wortung. Zu dieser Verantwortung stehen wir. Wir wer-
den diese Verantwortung auch nicht auf andere abwäl-
zen, zum Beispiel auf die Verbraucherzentralen, und
sagen: Übernehmt ihr für uns, die Politik, diese Auf-
gabe. – Das ist mit uns nicht zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen
unsere Verbraucherpolitik auf eine wissenschaftliche
und empirisch fundierte Basis. Das ist gut für die Ver-
braucherinnen und Verbraucher in unserem Land. Wenn
unsere Erfahrungen mit dieser neuen Sensorfunktion der
Verbraucherzentralen positiv sind, dann werden wir
diese auch auf den Bereich der digitalen Welt ausweiten.

Hier sollte eigentlich schon heute die Stiftung Daten-
schutz eine wichtige Rolle spielen. Leider ist es mit der
Unterstützung der Stiftung Datenschutz nicht weit her.
Ich muss ehrlich sagen: Das ist für mich sehr enttäu-
schend. Deshalb an dieser Stelle mein Appell an diejeni-
gen, die ihren Sitz im Beirat bis jetzt nicht besetzt haben:
Besetzen Sie Ihren Sitz! Das gilt nicht nur für die Ver-
braucherzentrale. Das gilt genauso für die Datenschutz-
beauftragten bei Bund und Ländern und auch für einige
Kollegen in diesem Haus. Datenschutz ist viel zu wich-
tig. Nehmen Sie Ihre Verantwortung an, und entsenden
Sie Ihre Vertreter in diesen Beirat! Ich hoffe, dass wir
gemeinsam für mehr Aufklärung im Umgang mit unse-
ren eigenen sensiblen persönlichen Daten sorgen wer-
den. Wer nämlich auf der einen Seite für Marktbeobach-
ter und Wächter ist und sie installieren will, der kann
sich auf der anderen Seite doch wirklich nicht aus der
Bildung und der Aufklärung im Hinblick auf seine eige-
nen sensiblen persönlichen Daten zurückziehen.

Im Koalitionsvertrag haben wir die Weichen für eine
Weiterentwicklung der Verbraucherpolitik richtig ge-
stellt. Aber nicht für jedes verbraucherpolitische Vorha-
ben brauchen wir zwangsläufig Haushaltsmittel oder
neue Gesetze; Herr Maas, Sie haben darauf hingewiesen.
Manchmal reicht es auch, die Wirtschaft an ihre Verant-
wortung oder die Verbraucher an ihre große Marktmacht
zu erinnern.


(Beifall der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD])


Das gilt aktuell zum Beispiel für die Handydiebstahl-
sperren, für die ich eintrete. Hier halte ich eine Regelung
wie die in den USA auch für den europäischen Markt für
absolut notwendig. In den USA haben sich die großen
Gerätehersteller verpflichtet, in alle für die USA produ-





Mechthild Heil


(A) (C)



(D)(B)

zierten Geräte eine Sperrfunktion einzubauen. Mit einer
einfachen, individuellen PIN können die Handybesitzer
ein gestohlenes Gerät sperren und für die Diebe un-
brauchbar machen. Das ist eine wirklich gute Idee, die es
nachzuahmen gilt.

Oder – ein anderes Beispiel – nehmen wir das Bünd-
nis für nachhaltige Textilien, das Entwicklungsminister
Müller ins Leben gerufen hat. Ohne staatlichen Zwang,
einfach nur, weil die Unternehmen die gesellschaftliche
Notwendigkeit erkannt haben, wollen sie sich auf Min-
deststandards für nachhaltige Kleidung verpflichten und
diese Standards sukzessive umsetzen.

Ein weiteres Beispiel. Wer versteht eigentlich, was
auf den Verpackungen von homöopathischen Mitteln
draufsteht? Wohl die allerwenigsten Verbraucher. Was
bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln selbstver-
ständlich ist, sollte doch auch für homöopathische Mittel
gelten. Der Verbraucher muss verstehen können, was
drin ist, besonders wenn es um seine Gesundheit geht.
Deshalb muss Schluss sein mit der Kennzeichnung auf
Latein.

Was wir den Menschen in den kommenden Jahren
also bieten, ist eine moderne, wissenschaftlich fundierte
Verbraucherpolitik, die eine Brücke zwischen staatli-
chem Schutz und Stärkung der Eigenverantwortung je-
des Einzelnen schlägt. Wir wissen: Der Staat ist nicht der
bessere Verbraucher. Aber wir sind der verlässliche Part-
ner für alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir
wünschen ihnen nicht nur das Beste, sondern wir tun
auch unser Bestes, um sie zu stärken und zu schützen.
Wir laden Sie ein, dabei mitzumachen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804313900

Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist

Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1804314000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Etat des
Justizministeriums ist die in Zahlen ausgedrückte Di-
mension unseres Rechtsstaats. Wir haben im Bundestag
die Aufgabe, die Geltung des Rechts zu sichern und das
Recht fortzuentwickeln. Die Aufgabe, die sich uns stellt,
ist keine geringe, weil die Funktionsfähigkeit des
Rechtsstaates nichts anderes ist als die Aufrechterhal-
tung unserer Demokratie.

Ich glaube, dass wir für die ersten sechs Monate eine
gute Bilanz ziehen können. Diese Große Koalition hat
ermutigende und gute Signale für den Rechtsstaat ge-
setzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Lassen Sie mich drei Punkte nennen, die mir am Her-
zen liegen:
Der erste betrifft den Schutz unserer Daten. Vor noch
nicht allzu langer Zeit ist darüber gesprochen worden,
dass jeder Mensch eine Art digitalen Fingerabdruck hin-
terlässt und dass die Daten, die von ihm im Internet auf-
tauchen, eine Art Profil des Menschen darstellen kön-
nen. Wir müssen heute aber davon ausgehen, dass die
Wahrheit noch viel tiefgreifender ist. Die digitale Sphäre
eines Menschen ist mittlerweile Teil seiner Identität.
Wenn die digitalen Daten eines Menschen angegriffen
oder missbraucht werden, dann werden auch die Würde
und die Persönlichkeit dieses Menschen angegangen.
Deswegen müssen wir uns auf den Weg machen, die In-
tegrität der Daten weiter zu schützen und den Daten-
schutz voranzutreiben.

Ich bin deswegen sehr zuversichtlich, dass wir mit der
Datenschutz-Grundverordnung und mit dem IT-Sicher-
heitsgesetz einen Meilenstein in diesem Bereich errei-
chen werden, sodass der elementare Schutz der Daten
weiterhin gewährleistet werden kann.

Zweiter Punkt. Wir müssen auch dort handeln, wo die
Würde des Menschen verletzt wird. Das ist im Augen-
blick – auch in diesen Stunden – der Fall, wenn Frauen
durch Zwangsprostitution und moderne Sklaverei ausge-
beutet werden: in den großen Laufhäusern, in den Bor-
dellen, auf den Straßenstrichen.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie etwas dagegen!)


Es sind junge Frauen, vornehmlich aus Südosteuropa,
die nach Deutschland kamen, weil sie Hoffnung suchten,
und sie haben in diesen Etablissements Verzweiflung ge-
funden.

Wenn wir wissen, welche Methoden und Mittel not-
wendig sind, um diese unhaltbaren Zustände zu beseiti-
gen, dann hat der Staat die Verpflichtung, schnell zu han-
deln. Wir müssen die Gesetze jetzt voranbringen, denn
wenn wir weiter zögern, dann müssen wir uns auch für
unser Zögern rechtfertigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Maßnahmen liegen doch auf dem Tisch: Es geht
um die Freierstrafbarkeit bei Zwangsprostituierten, es
geht um die Erlaubnispflicht bei Bordellen, es geht um
die Abschaffung des eingeschränkten Weisungsrechts, es
geht möglicherweise auch um Gesundheitsuntersuchun-
gen, und letzten Endes geht es auch um Verbesserungen
im Aufenthaltsrecht und darum, den Opferschutz voran-
zubringen. Ich glaube, vor dem Hintergrund dieser
menschlichen Schicksale sind wir es allen schuldig, jetzt
zu handeln und nicht weiter zu zögern.

Einen dritten Punkt, der mir am Herzen liegt, möchte
ich ansprechen. Es geht um die Geltung des Rechts und
die Frage, wie sehr der Staat dem eigenen Rechtsan-
spruch auch zukünftig Geltung verschaffen möchte. Ich
meine, wir sollten auch in dieser Debatte betonen: Es
gibt keine Alternative zum staatlichen Gewaltmonopol,
und es darf auch keine geben. Das staatliche Gewaltmo-
nopol ist eine der wesentlichen Stützen einer freiheitli-
chen und demokratischen Grundordnung.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Dr. Volker Ullrich


(A) (C)



(D)(B)

Deswegen muss es uns betroffen machen, wenn wir
Dinge wie einen mutmaßlichen Lynchmord in Neuen-
burg vor etwa einer Woche beobachten. Deswegen muss
es uns betroffen machen, wenn es in Deutschland mitt-
lerweile Berichte über die Existenz einer Paralleljustiz
gibt, über Bereiche in unserem Land, wo das Recht nicht
in der Ausführlichkeit gilt, wie es eigentlich gelten
müsste. Dementsprechend müssen wir in den nächsten
Jahren dieses Phänomen einer Paralleljustiz in den Griff
bekommen, weil der Rechtsstaat nur funktionieren kann,
wenn er unteilbar und universell ist.

Da wir vorhin von Lynchmord gesprochen haben, las-
sen Sie mich auch über eine mögliche Reform der Straf-
barkeit bei Tötungsdelikten sprechen. Es ist richtig, eine
Kommission einzusetzen. Aber diese Kommission darf
eines nicht verändern: Für uns ist der Wert des menschli-
chen Lebens absolut und unabänderlich. Deswegen darf
jemand, der einen anderen Menschen tötet, im Grundsatz
nach wie vor nur mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft
werden. Eine Aushöhlung der lebenslangen Freiheits-
strafe durch eine Reform lehnen wir ab. Dazu ist das
menschliche Leben zu kostbar.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])


Wenn wir über das Funktionieren unseres Rechtsstaa-
tes sprechen, dann möchte ich diese Gelegenheit nutzen,
all denjenigen Danke zu sagen, die in ihrem alltäglichen
Einsatz für den Rechtsstaat stehen und diesen Rechts-
staat Tag und Nacht verteidigen und ihm ein Gesicht ge-
ben. Ich meine nicht nur die Richter und Staatsanwälte,
sondern vor allen Dingen auch unsere Polizisten, die die-
sen Rechtsstaat im Schichtdienst 24 Stunden am Tag
verkörpern und teilweise unter schwierigen Bedingun-
gen diesen Rechtsstaat aufrechterhalten, über den man
sagen kann: In Deutschland leben die Menschen sicher. –
Das ist ein herzliches Dankeschön wert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es ist auch nicht akzeptabel, dass in diesem Zusam-
menhang Freiheit und Sicherheit oder Polizeiarbeit und
Funktionsfähigkeit des Staates gegeneinander ausge-
spielt werden. „Polizeiarbeit oder die Funktionsfähigkeit
der Strafrechtspflege sind“, wie Di Fabio schreibt,
„keine grundrechtsfeindlichen Selbstzwecke“, vielmehr
sind sie Metaphern für unseren Schutz- und Freiheitsan-
spruch. Deswegen werden wir auch in den kommenden
Monaten darüber sprechen müssen, wie wir Polizeibe-
amte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute, die bei ih-
ren Einsätzen teilweise beleidigt und tätlich angegangen
werden, besser schützen, weil auch sie uns und unsere
Freiheit schützen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben mit diesem Haushalt eine Grundlage ge-
legt, den Rechtsstaat weiter zu sichern. Aber es bleibt
unsere Verpflichtung, bei den aufgezeigten Punkten
wachsam zu sein und rasch zu handeln. Ich denke, unser
Rechtsstaat, so wie er sich zeigt, ist es wert, dass wir uns
für ihn einsetzen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804314100

Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über den
Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz, in der Ausschussfassung. Hierzu
liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor,
über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Än-
derungsantrag auf Drucksache 18/1855? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, CDU/CSU
und SPD, bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abge-
lehnt.

Wir kommen nur zur Abstimmung über den Einzel-
plan 07 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 07 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen,
CDU/CSU und SPD, gegen die Stimmen von Bünd-
nis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenom-
men.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Einzelplan ist mit den Stimmen des
gesamten Hauses angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.17 auf:

Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern

Drucksachen 18/1006, 18/1023

Die Berichterstattung zu diesem Haushalt haben
Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster,
Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk.

Zu dem Einzelplan liegen ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Dietmar
Bartsch, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804314200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Etat

des Bundesministeriums des Innern leidet in besonderer
Weise unter dem Heiligtum der schwarzen Null von
Wolfgang Schäuble. Der Etat ist wenig programmlastig,
aber sehr personal- und sachlastig. Deswegen fällt es in
besonderer Weise schwer, globale Minderausgaben aus-
zuweisen. Da der Innenminister sehr loyal ist, treten hier
sehr viele Probleme auf. Die Haushaltspolitik wird hier
zu einer innenpolitischen Gefahr.

Das Gute ist, dass wir, sowohl die regierungstragen-
den Fraktionen als auch die Opposition, während der
Haushaltsberatungen noch viele vernünftige Dinge
durchsetzen und in diesem Etat einen Aufwuchs realisie-





Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

ren konnten. Ich will einige positive Punkte ausdrücklich
nennen.


(Beifall des Abg. Martin Gerster [SPD])


Wir haben zum Beispiel die Mittel für die Stiftung für
das sorbische Volk um 500 000 Euro aufstocken können.
Das ist eine sehr vernünftige Entscheidung, sie erfolgte
in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen von
Sachsen und Brandenburg.

Wir haben beim THW in den Etatberatungen einen
deutlichen Schritt nach vorne gehen können. Das Tech-
nische Hilfswerk bekommt zusätzliche Mittel für die
Ortsverbände, für Ausbildung und für Fahrzeuge. Das ist
eine vernünftige Entscheidung.

Ich will zum Bereich der Integration positiv erwähnen
– ich komme noch darauf zurück –, dass das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzliche Stellen
bekommen hat. Auch das ist unzweifelhaft eine vernünf-
tige Entscheidung.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Deshalb stimmen Sie dem Etat zu!)


Trotzdem ist der Etat an wichtigen Stellen chronisch
unterfinanziert, meine Damen und Herren. Ich will auf
einige Punkte eingehen. Nehmen wir eines der größten
Probleme, vor denen wir insgesamt in Deutschland und
Europa stehen: die weltweiten Flüchtlingsströme aus Sy-
rien und dem Mittelmeerraum. Wir alle kennen die Pro-
bleme. Der politisch verantwortungsvolle und humani-
täre Umgang mit den Sorgen und Nöten dieser
inzwischen Millionen Flüchtlinge ist eine Riesenheraus-
forderung. Ich erinnere an die beeindruckende Rede – je-
denfalls hat sie mich beeindruckt – von Navid Kermani
anlässlich des 65. Jahrestages des deutschen Grundge-
setzes. Er hat uns allen ins Stammbuch geschrieben:

Deutschland … hat genügend Ressourcen, politisch
Verfolgte zu schützen, statt die Verantwortung auf
die sogenannten Drittstaaten abzuwälzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Und es sollte aus wohlverstandenem Eigeninteresse
anderen Menschen eine faire Chance geben, sich
um die Einwanderung legal zu bewerben, damit sie
nicht auf das Asylrecht zurückgreifen müssen.

Deshalb kritisieren wir scharf, dass Sie haushaltspoli-
tisch für diesen Ansatz keine Grundlagen schaffen,
meine Damen und Herren. Es ist viel mehr notwendig.
Ich will nur einen Punkt nennen. In Ihrem eigenen Ko-
alitionsvertrag versprechen Sie, „mit besonderem Vor-
rang … die Verkürzung der Bearbeitungsdauer bei den
Asylverfahren“ realisieren zu wollen. „Die Verfahrens-
dauer bis zum Erstentscheid soll drei Monate nicht über-
steigen.“ Die reale Situation ist aber eine Verfahrens-
dauer von derzeit sieben Monaten. Es deutet überhaupt
nichts darauf hin, dass diese Zeitspanne kürzer wird. Da
muss doch viel mehr geschehen. Da müssen Sie in haus-
haltspolitischer Hinsicht mehr einstellen. Zur Erfüllung
dieser Aufgabe tun Sie viel zu wenig in diesem Haus-
halt.

(Beifall bei der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: 300 neue Stellen!)


Sie haben im Haushalt zudem keine ausreichenden Vor-
kehrungen getroffen, um Ihr Versprechen einzulösen.
Stattdessen verringern Sie die Zahl der Antragsverfah-
ren, indem Sie die Liste der sicheren Herkunftsländer
vergrößern.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Auch das verkürzt die Verfahren! Das ist ein Beitrag zur Verfahrensverkürzung!)


Das ist nicht im Geist der Rede von Kermani.


(Beifall bei der LINKEN)


In Jordanien und in anderen armen Ländern suchen
Hunderttausende Menschen Schutz und Geborgenheit.
Deutschland verweist auf 10 000 Flüchtlinge aus Syrien.
Die Aufnahme von 10 000 Flüchtlingen ist gut, aber
letztlich zu wenig. Wir dürfen in diesem Zusammenhang
nicht auf andere europäische Länder zeigen, wenn sie
noch schlechter sind als wir. Das ist der falsche Weg.
Der Bundesminister hat im Berichterstattergespräch da-
rauf verwiesen, dass die Risiken, die sich zum Beispiel
aus der aktuellen Verschärfung der Lage in der Ukraine
ergeben, im Haushalt in keiner Weise abgebildet sind.
Deswegen: Hier muss mehr geschehen. Was geschehen
ist, ist nicht ausreichend. Es gibt keine Strategie. Was ist
die Strategie der Bundesregierung angesichts wachsen-
der internationaler Flüchtlingsströme? Wann, bitte, wol-
len Sie mit einer verantwortungsvollen und vorausschau-
enden Haushaltspolitik in Ihrem Etat beginnen?


(Beifall bei der LINKEN – Oswin Veith [CDU/ CSU]: Wir sind längst dabei!)


Zum Thema Integration. Auch hier will ich zugeste-
hen, dass während der Haushaltsberatungen Positives
geschehen ist, keine Frage. Die Kollegen Berichterstatter
haben einen Beitrag geleistet. Aber hier verhält es sich
ähnlich: 2013 gab es über 117 000 Teilnehmer in den In-
tegrationskursen. Das BMI kalkuliert 2014 und 2015 mit
jeweils 140 000 Teilnehmern. Aber die notwendigen
Mittel werden auch hier durch die Globalen Minderaus-
gaben nicht eingestellt. Überhaupt nicht berücksichtigt
sind Mittel für die freiwillige Teilnahme an solchen Kur-
sen. Trotzdem hat der Innenminister dem Regierungsent-
wurf zugestimmt. Das ist letztlich unverantwortlich, weil
die entsprechenden Etats unterfinanziert sind. Sie stellen
sich nicht auf die Herausforderungen der Asylbewerber-
politik und der Integrationspolitik ein.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen, der die
Menschen in diesem Land sehr bewegt. Das ist das
große Thema NSA. Hier ist ausspioniert und abgehört
worden. Wir kennen die ganze Geschichte: Herr
Friedrich fährt nach Amerika, und Herr Pofalla erklärt
das Ganze für beendet. Dieser Skandal spiegelt sich
überhaupt nicht wider. Es geht nicht nur um das Handy
der Kanzlerin; das ist doch albern. Vielmehr geht es um
Industriespionage, das Ausspionieren von Krankenak-
ten und Forschungseinrichtungen; das ist doch der ent-
scheidende Punkt. Dazu sage ich ganz klar und deutlich:
Da kann man nicht, wie die Kanzlerin sagt, auf die Kraft





Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

der Argumente setzen. Nein, da muss Flagge gezeigt
werden. Da muss man zum Beispiel die Verhandlungen
über das TTIP aussetzen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Da muss man vielleicht Personal aus den Botschaften
nach Hause schicken. Das wäre der richtige Ansatz. Die
NSA steht in einer unsäglichen Tradition. In dieser Wo-
che ist bekannt geworden, dass die Westalliierten die
Post aus der DDR bis 1989 durchgängig ausspioniert ha-
ben; das ist ein Skandal sondergleichen. Das wird fak-
tisch einfach fortgesetzt. Sie müssen dafür sorgen, dass
die Bundesrepublik souverän handelt. Die Souveränität
ist aktuell im Zusammenhang mit der NSA nicht herge-
stellt. Das ist ein Riesenproblem.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Lassen Sie mich einen anderen Punkt ansprechen, der
mir sehr wichtig ist. In den Medien wird hin und wieder
die Arbeit von Stiftungen als parteinah diffamiert. Ange-
sichts der riesigen Herausforderungen, vor denen wir in
bildungspolitischer und meinungspolitischer Hinsicht
stehen, sollten wir gemeinsam die Stiftungen, von der
Hanns-Seidel-Stiftung bis hin zur Rosa-Luxemburg-Stif-
tung, ausdrücklich würdigen. Was diese angesichts der
großen Herausforderungen leisten, finde ich wirklich be-
achtenswert. Wir alle wollen informierte, kluge und poli-
tisch engagierte Bürgerinnen und Bürger. Deswegen
sollten wir alle gemeinsam sagen: Jawohl, wir stehen zu
den Mitteln für diese Stiftungen. Wir müssen keine ver-
schämten Entscheidungen treffen. Wir wollen gemein-
sam, dass die Stiftungen ihre Aufgaben sowohl im Aus-
land als auch im Inland weiterhin erfüllen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insgesamt kann ich nur feststellen: Leider wird der
Haushalt den Anforderungen, vor denen wir stehen, in
keiner Weise gerecht. Ich kann das Ziel der schwarzen
Null verstehen. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir
in diesem Etat notwendige Aufgaben nicht mehr realisie-
ren. Sonst gefährden wir letztlich die Menschen in unse-
rem Land und viele, die zu uns kommen wollen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804314300

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Reinhard

Brandl, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1804314400

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Der Einzelplan des Bundesministers des Innern sah
im Regierungsentwurf einen Ausgabenansatz in Höhe
von 5,77 Milliarden Euro vor. Wir haben uns in den par-
lamentarischen Beratungen intensiv damit beschäftigt
und haben in dieser Phase den Ansatz für die Ausgaben
um 128 Millionen Euro auf circa 5,9 Milliarden Euro er-
höht. Das hört sich erst einmal viel an, aber das sind
keine Wohltaten, die eine Regierungskoalition einfach so
verteilt, sondern das ist die Antwort auf große Heraus-
forderungen; die Menschen erwarten zu Recht, dass sich
der Staat diesen Herausforderungen stellt und die Pro-
bleme als Teil eines guten, verantwortlichen Regierungs-
handelns löst.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will exemplarisch vier dieser großen innenpoliti-
schen Herausforderungen nennen, die uns in den letzten
Monaten in den Haushaltsverhandlungen beschäftigt ha-
ben und die sich in dem Ergebnis widerspiegeln.

Das ist zum Ersten der Bürgerkrieg in Syrien. In Sy-
rien und seinen Nachbarländern spielt sich im Moment
die schlimmste humanitäre Katastrophe der letzten Jahre
ab. Deutschland hilft in vielfältiger Weise. Das fängt an
mit der Unterstützung bei der Vernichtung der syrischen
Chemiewaffen und geht weiter über die Hilfe in den
Flüchtlingslagern vor Ort bis hin zu der Aufnahme von
syrischen Flüchtlingen in Deutschland.

Seit Beginn dieses Konflikts sind etwa 40 000 syri-
sche Staatsangehörige nach Deutschland eingereist, da-
runter etwa 32 000 Asylbewerber. Jeden Monat kommen
etwa 1 700 neu hinzu. Darüber hinaus gibt es mittler-
weile drei Sonderprogramme für 20 000 syrische Staats-
angehörige, die besonders schutzbedürftig sind, die nicht
das Asylverfahren durchlaufen, sondern sofort und un-
mittelbar einen Aufenthaltstitel bekommen. Für den
Transport und die Erstbetreuung dieser Gruppe haben
wir im parlamentarischen Verfahren 9 Millionen Euro
zusätzlich bereitgestellt.

Die zweite große Herausforderung im Bereich Migra-
tion ist die wachsende Nachfrage nach Integrationskur-
sen. Wir haben ein hohes Interesse daran – ich glaube, da
spreche ich für alle in diesem Haus –, dass diejenigen,
die das Recht haben, bei uns zu bleiben, und die auch bei
uns bleiben wollen, sich integrieren. Der Schlüssel für
Integration ist die Sprache. Das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge bietet seit Jahren mit großem Erfolg
Integrationskurse an, in denen schwerpunktmäßig die
deutsche Sprache vermittelt wird.

Die Nachfrage nach diesen Integrationskursen ist un-
gebrochen. Wir hatten 2012 94 000 Teilnehmer, 2013
117 000 Teilnehmer, also eine Steigerung um 25 Pro-
zent, und laut Prognose gibt es 2014 wiederum eine Stei-
gerung um 20 Prozent auf 140 000 Teilnehmer. Das ist
wirklich eine erfreuliche Entwicklung, insbesondere
weil ein immer größerer Teil der Kursteilnehmer freiwil-
lig daran teilnimmt, also nicht von einem Amt dazu ver-
pflichtet wird. Diese Menschen erklären von sich aus die
Bereitschaft, an diesen Kursen teilzunehmen, und doku-
mentieren damit den Willen, sich bei uns zu integrieren
und die Sprache zu lernen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Dr. Reinhard Brandl


(A) (C)



(D)(B)

In der Koalition war es uns wichtig, dieser wachsenden
Nachfrage ein Angebot gegenüberstellen zu können. Al-
leine für diesen einen Punkt haben wir zusätzlich
40 Millionen Euro im parlamentarischen Verfahren be-
reitgestellt.

Es gibt aber jenseits von Migration und Flüchtlingen
noch andere Herausforderungen im Innenbereich, denen
wir begegnen müssen. Ich nenne als dritte Herausforde-
rung die IT-Sicherheit und die Spionageabwehr. Die
NSA-Affäre und auch die massenhaften Identitätsdieb-
stähle, die wir im letzten Jahr haben beobachten müssen,
haben uns unsere digitale Verwundbarkeit schmerzhaft
vor Augen geführt. Das hat die Wahrnehmung von Fra-
gen der IT-Sicherheit verändert. Bürger und Unterneh-
men haben heute ein deutlich höheres Bewusstsein für
Datenschutz und Datensicherheit, als sie es noch vor
etwa einem Jahr hatten.

Sie werden aus dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern dabei zum Beispiel durch das
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik auf
vielfältige Weise unterstützt. Ich möchte erwähnen, in
welch hervorragender Weise das BSI zum Beispiel im
letzten Jahr zweimal vor millionenfachen Identitäts-
diebstählen gewarnt hat, Bürger informiert hat, ob deren
E-Mail-Adresse, ihre Identität darunter ist. Da haben
viele Menschen überhaupt erst mitbekommen, dass es
dieses Amt gibt und welch große Leistungen es in der
Fläche erbringt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, auch das Bewusstsein in
der Politik, in der Bundesregierung und in der Verwal-
tung hat sich im letzten Jahr verändert. Es ist jetzt jedem
klar, dass die Abwehr von Spionage, und zwar insbeson-
dere von Spionage über das Internet, kein Thema ist, bei
dem man sich nur auf ein paar geheim operierende Ver-
fassungsschützer oder das BSI verlassen kann. Bundes-
verfassungsschutz und BSI machen eine gute Arbeit,
aber für eine wirkungsvolle Abwehr ist wirklich jeder in
seinem Verantwortungsbereich gefordert.

Die Erhöhung der IT-Sicherheit wird mehr Geld kos-
ten. Das sehen wir bereits im Haushalt dieses Jahres,
werden es aber insbesondere in den nächsten Haushalten
sehen. Das Problem im Bereich Kommunikation ist, dass
man das Geld, das dort hineinfließt, nicht sieht. Der Nut-
zen für den Bürger erhöht sich erst einmal nicht, wenn
eine Behörde ihre Kommunikation verschlüsselt oder
eine neue Firewall einbaut. Wenn wir dieses Geld aber
nicht investieren, dann könnte der Preis, den wir später
zahlen müssen, um ein Vielfaches höher sein,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


nämlich durch den Verlust an politischer und technologi-
scher nationaler Souveränität. Die aufgedeckten hoch-
professionellen Angriffe der letzten Wochen auf das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und auf eine
Kollegin hier im Deutschen Bundestag haben uns diese
Bedrohung sehr greifbar gemacht und bildhaft vor Au-
gen geführt. Der Regierungsentwurf des Haushalts 2014
hat hier bereits einen ersten Schwerpunkt; es ist aber
schon jetzt absehbar – wir haben in den kommenden
Wochen dazu Gespräche mit den Berichterstattern –,
dass es im nächsten Haushalt eine noch stärkere Rolle
spielen wird.

Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend
einen vierten Bereich nennen, der uns in den Haushalts-
verhandlungen besonders wichtig war, und zwar den Ka-
tastrophenschutz. Der Katastrophenschutz liegt eigent-
lich in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen.
Die Flut im letzten Jahr hat uns aber vor Augen geführt,
dass das Technische Hilfswerk von großer Bedeutung
bei der Bewältigung solcher Katastrophen ist. Das gilt
sowohl im Inland als auch im Ausland; momentan leis-
ten die Helfer des Technischen Hilfswerks auf dem Bal-
kan große Unterstützung.

Das THW ist die einzige Behörde, die zu 99 Prozent
von Ehrenamtlichen getragen wird.


(Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Jawohl!)


Wenn wir die Ehrenamtlichen nicht hätten und die Leis-
tung, die sie erbringen, bezahlen müssten, dann könnten
wir diese Unterstützung nicht leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Eine so große Hilfsmannschaft für vergleichsweise sel-
tene Einsätze vorzuhalten, wäre praktisch unbezahlbar.

Damit die Helfer im Ernstfall dann aber auch handeln
können, sind zwei Dinge wichtig: erstens Ausrüstung
und zweitens Ausbildung. In beide Bereiche investieren
wir im Haushalt für 2014 zusätzlich zum Ansatz der
Bundesregierung 10 Millionen Euro. Der Großteil davon
geht in den Bereich Fahrzeuge. Sie alle wissen aus ihren
Wahlkreisen, dass das Alter vieler Fahrzeuge des THW
jenseits von 20 Jahren liegt.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Doppelt so alt!)


Wir investieren aber auch in Führerscheine für die Hel-
fer, die immer seltener einen Führerschein für solche
Fahrzeuge mitbringen; wir haben die Reform zu den
Führerscheinen in den letzten Jahren politisch verfolgt.
Wir investieren in Ausbildungsmaterialien für die Orts-
verbände.

Uns war in der Koalition und auch in den Haushalts-
beratungen wichtig, am Anfang der Legislaturperiode
auch einmal ein Zeichen zu setzen: dass wir als Koali-
tion, aber, ich denke, auch als ganzes Parlament hinter
dem THW stehen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das tun wir!)


und diese besondere Wertschätzung auch durch einen
Aufwuchs zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte aber
präventiv allen Kollegen und Freunden des THW schon





Dr. Reinhard Brandl


(A) (C)



(D)(B)

einmal sagen: Wir werden das nicht in jedem Jahr in die-
ser Größenordnung schultern können.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wie? – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Schade, schade! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Abwarten!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Hilfen für
Syrien, Integrationskurse, die IT-Sicherheit und der Ka-
tastrophenschutz sind Aufgaben, bei denen die Men-
schen erwarten, dass wir uns um sie kümmern. Ich
möchte mich ausdrücklich bei allen Kollegen, auch bei
denen des Haushaltsausschusses, die für andere Politik-
bereiche Verantwortung tragen, dafür bedanken, dass wir
trotz des engen Spielraums, den wir haben, für diese Be-
reiche zusätzlich Geld zur Verfügung stellen konnten. Es
war für uns alle keine leichte Operation. Kollege Bartsch
hat ja schon eine für uns wichtige Zielvorgabe angespro-
chen, nämlich die schwarze Null. Das ist richtig. Wir
wollten in diesem Haushalt die Neuverschuldung nicht
weiter erhöhen und haben sie auch nicht weiter erhöht.
Das heißt, alle Maßnahmen und alle Mehrausgaben,
auch die, die ich jetzt gerade beschrieben habe, sind an
anderer Stelle gegenfinanziert worden.

Meine Damen und Herren, das ist eine große Solidari-
tätsleistung, auch der anderen Politikbereiche, für den
Bereich des BMI, für Maßnahmen, die wir im Sinne ei-
nes guten Regierungshandelns leisten müssen.

Ich bin jetzt nicht auf alle Punkte, die wir verändert
haben, eingegangen. Es folgen ja noch einige Redner,
aber ich möchte als Hauptberichterstatter schon einmal
ein positives Fazit dieser Haushaltsberatungen ziehen.
Ich bedanke mich bei meinen Mitberichterstattern in al-
len Fraktionen und beim Ministerium für die gute Zu-
sammenarbeit und bitte Sie alle schon jetzt um Zustim-
mung zu diesem Haushalt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804314500

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Anja Hajduk,

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804314600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte in meiner Rede – die Redezeit ist ja etwas
begrenzter – schwerpunktmäßig auf den wichtigen Be-
reich Integration eingehen. Was schon gesagt wurde, ist
richtig: Es handelt sich bei dem Etat des Innenministers
um einen ungeheuer breiten Etat mit sehr vielfältigen
Aufgaben.

Ich möchte etwas zum Thema „Integration und Zu-
wanderung“ sagen, weil das in den nächsten Jahren ein
Megathema für unsere Gesellschaft sein wird. Demogra-
fie, Fachkräftesituation, gesellschaftliche Vielfalt: Das
sind Herausforderungen, denen wir kompetent begegnen
wollen. Ich finde, dass es eine positive Botschaft ist,
wenn wir wissen, dass Deutschland heute ein beliebtes
Zuwanderungsland ist. Das sollte uns freuen und auch
Ansporn für uns sein. Ich sage das vor dem Hintergrund,
dass ich einen Widerspruch der Großen Koalition an
dieser Stelle wirklich für dringend auflösungsbedürftig
halte –


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Kann gar nicht sein!)


ich könnte auch sagen: Das geht so wirklich nicht –,
nämlich den Widerspruch, dass Sie im Koalitionsvertrag
Akzente setzen, die Integration wirklich deutlich verbes-
sern zu wollen, dann aber bei der Finanzierung diesem
Anspruch nicht gerecht werden.

Das kann man an drei Stellen bebildern – das ist auch
schon erwähnt worden vom Kollegen Bartsch –: Das
Angebot an Integrationskursen ist herabgesetzt worden,
obwohl es eine zu erwartende deutliche Steigerung bei
den Teilnehmerzahlen gibt. Sie wollen auch dort die
Qualität verbessern. Dieses Problem haben wir auch bei
der Migrationsberatung, wo selbst Ihr Haus sagt: Wir
rechnen mit einem verstärkten Zulauf wegen der dyna-
misch anwachsenden Zahlen. – Auch die Nachfrage
nach niedrigschwelligen Frauenkursen wurde wesentlich
geringer veranschlagt als im Jahr 2013, sodass ich nur
feststellen kann: Es ist ja ehrenwert, wenn in den Haus-
haltsberatungen eine gewisse Ehrlichkeit einzieht. Aber
es ist am Ende natürlich nicht ehrenwert, wenn ein
Ministerium sagen muss: Eigentlich fehlen uns 70 Mil-
lionen Euro. – Diese Zahl kommt nicht von mir, sondern
vom Minister.

Die Lösung des Problems der fehlenden 70 Millionen
Euro für die Bereiche, die ich erwähnt habe – ich denke
insbesondere an die Integrationskurse –, ist zum Teil an-
gegangen worden. Man kann sagen: Die Koalition hat
die Finanzierung von knapp 70 Prozent dieser Summe
– 40 Millionen Euro für Integrationskurse und, wenn ich
den Bereich etwas erweitere, 9 Millionen Euro für den
Flüchtlingsbereich – in Angriff genommen. Das macht
aber auch deutlich, dass Sie Ihren selbstgesteckten An-
sprüchen immer noch nicht gerecht werden, Herr Minis-
ter. Das gilt nicht nur für Sie, Herr Minister, sondern
auch für die Fraktionen.

Ich spreche die Finanzierung der Integrationskurse
an, weil wir Grünen durchaus wissen, dass es nicht
nichts ist, wenn zusätzliche Mittel in Höhe von 40 Mil-
lionen Euro bereitgestellt werden müssen. Angesichts
der Tatsache, dass man den Empfängerkreis eigentlich
noch auf Asylantragsteller ausweiten will – das ent-
spricht dem Integrationsministerbeschluss –, reicht diese
Summe definitiv nicht aus. Da muss mehr geschehen.
Wir haben Ihnen mit einem Antrag, den wir vorgelegt
haben, gezeigt, dass man da nicht nur mehr tun sollte,
sondern auch mehr tun kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unser Antrag auf Bereitstellung von mehr Integra-
tionsmitteln und Schaffung besserer Beratungskapazitä-
ten und insbesondere in dem von mir schon erwähnten
Bereich Frauen, die konventionelle Integrationsangebote
oft nicht annehmen, ist umsetzbar. Eine fast vollständige





Anja Hajduk


(A) (C)



(D)(B)

Gegenfinanzierung über den Etat des Ministers ist mög-
lich.

Herr Minister, ich gehe einmal fest davon aus, dass
Sie eine Lücke in der Finanzierung wie die, die Sie dem
Haushaltsausschuss und den Fraktionen mit diesem Etat
vorgelegt haben, beim nächsten Etat nicht wieder prä-
sentieren wollen. Wir Grünen begrüßen es, dass es feste
Zusagen gibt, schrittweise mehr Flüchtlinge aus Syrien
aufzunehmen. Wir glauben, es müssen noch mehr
Flüchtlinge aufgenommen werden.

Das, was vor kurzem auf der Innenministerkonferenz
vereinbart wurde – zusätzlich 10 000 syrische Flücht-
linge aufzunehmen –, muss in der Kabinettssitzung
nächste Woche zu einem Beschluss führen. Da muss
noch mehr Geld fließen. Die 9 Millionen Euro, um die
Sie die Flüchtlingshilfe jetzt aufgestockt haben, dienen
den Zusagen vom letzten Dezember. Mit diesem Geld ist
die bestehende Lücke geschlossen worden. Die auf der
jüngsten Innenministerkonferenz gegebene Zusage muss
mit finanziellen Mitteln bekräftigt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Das sind wir insbesondere den Flüchtlingen schuldig.

Ich möchte ganz kurz etwas zum Bereich Sport sagen.
Wir Grünen möchten an dieser Stelle daran erinnern,
dass auch die Bundesländer eine Verpflichtung haben,
ihre Zusagen zur Finanzierung der Nationalen Anti-Do-
ping Agentur zu erfüllen. Von allen Fraktionen muss ein
entsprechender Appell ausgehen. Dass Länder ihre Zu-
sagen nicht erfüllt haben, hat den Minister dazu veran-
lasst, das Thema „Jugend trainiert für Olympia“ sozusa-
gen in Geiselhaft zu nehmen. Das hat natürlich für
Empörung gesorgt.

Wir finden es gut, dass die Finanzierung von „Jugend
trainiert für Olympia“ für dieses und auch für das
nächste Jahr gesichert ist. Aber es kann nicht sein, dass
Streitereien zwischen Bund und Ländern und auch feh-
lende Finanzierungszusagen der Länder dazu führen,
dass wichtige Aufgaben auf einmal infrage stehen. Das
wünschen wir uns anders. Ich habe ein gewisses Ver-
ständnis dafür, dass der Minister Druck aufbauen will.
Herr Minister, ich erwarte, dass Sie zusammen mit den
Ländern gute Pakete schnüren. Sie haben uns Grüne da
an Ihrer Seite.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hinsichtlich der Spitzensportförderung sehe ich es so,
dass wir da in Vorleistung gegangen sind. Wir haben Sie
da mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet; aber das ge-
schah nicht voraussetzungslos. Wir erwarten auch im
Spitzensport Strukturänderungen, etwa was Fokussie-
rungen angeht. Das will ich an dieser Stelle noch einmal
betonen.

Ganz zum Schluss noch etwas zum Thema Geheim-
dienste. Deren Arbeit ist ja so geheim, dass man darüber
eigentlich nicht sprechen darf.

Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804314700

Aber bitte nur einen Satz.


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804314800

Es wird nur ein Satz, Frau Präsidentin. – Ich glaube,

wir müssen die Kontrolle der Geheimdienste so ausfüh-
ren, dass wir in die Gesellschaft das Signal senden: Wir
sind sicher, dass die Geheimdienste nur auf verfassungs-
rechtlich gültigen Grundlagen arbeiten. Ich verweise auf
die Berichterstattung von heute und der vergangenen
Wochen, Herr Minister.

Wir haben da mit Blick auf die sozialen Medien Klar-
heit zu schaffen, was die Geheimdienste angeht. Das ist
eine wichtige Aufgabe. Ich hoffe, dass Sie uns dabei hel-
fen, dass wir das in den entsprechenden Gremien auch
gemeinsam hinbekommen.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804314900

Vielen Dank. – Für die SPD spricht jetzt der Kollege

Martin Gerster.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1804315000

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Minister de Maizière! Wenn man auf
die Uhr schaut, sieht man: Es sind gerade einmal noch
125 Minuten bis zum Anpfiff des Spiels Deutschland ge-
gen die USA bei der Fußballweltmeisterschaft.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Endlich sagt das mal jemand!)


Ich habe heute mehrmals gehört: Du hast 14 Minuten
Redezeit. Mach es doch ein bisschen kürzer oder rede
schneller!


(Beifall des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber ich muss sagen, selbst bei großer Sportbegeiste-
rung, werte Kolleginnen und Kollegen: Der BMI-Haus-
halt ist einfach zu bedeutsam,


(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


als dass wir hier wichtige politische Fragen jetzt dem
Fußball opfern könnten.

Zuallererst möchte ich an eine gute Tradition anknüp-
fen, nämlich an dieser Stelle Danke zu sagen und ein
großes Lob auszusprechen. Dank an den Hauptberichter-
statter für unseren Haushalt, den Kollegen Dr. Reinhard
Brandl!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Er hat das hervorragend gemacht. Deswegen an dieser
Stelle ein herzliches Dankeschön und ein großes Lob!





Martin Gerster


(A) (C)



(D)

Ein Dankeschön natürlich auch an die Kollegen Norbert
Barthle, Anja Hajduk und Dietmar Bartsch!

Ich glaube, wir hatten sehr gute Beratungen insge-
samt. Diese Beratungen waren eigentlich von einem gro-
ßen Grundkonsens – den Eindruck hatte ich immer – ge-
prägt. Deswegen konnte ich überhaupt nicht verstehen,
lieber Dietmar Bartsch, dass im letzten Satz der Rede
aufkam, dass dieser Haushalt in keinster Weise den An-
forderungen genügt.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!)


– Doch! „In keinster Weise“ wurde gesagt. Ich glaube,
das ist überhaupt nicht gerechtfertigt.

Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte auch Ihnen
sowie der Spitze Ihres Hauses und allen Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern für das gute Miteinander Danke sa-
gen.


(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])


Ich glaube, wir hatten schon von vornherein im über-
arbeiteten Regierungsentwurf wichtige Punkte so gere-
gelt bekommen und wichtige Weichenstellungen so ge-
setzt bekommen, dass wir im Großen und Ganzen
eigentlich schon recht zufrieden sein konnten mit dem,
was vorgelegt worden ist.

Ich will für die SPD-Fraktion die Situation der Bun-
despolizei besonders hervorheben. Die Situation wird
deutlich verbessert. Wir haben im Personalbereich ein
großes Paket für die nächsten vier Jahre vor uns, das wir
mit diesem Haushalt beginnen. Über 1 300 Planstellen
und Stellen bei der Bundespolizei werden gehoben; das
muss man einmal deutlich sagen. Das ist richtig gut und
wird auch in der Bundespolizei wertgeschätzt. Es ist von
unserer Seite auch Ausdruck der Wertschätzung des gro-
ßen Engagements in der Bundespolizei für die Sicherheit
unseres Landes.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch dafür an dieser Stelle ein Dankeschön! Es ist gut
und richtig, dass wir das machen und dass wir das jetzt
angehen.

Sicherheit, werte Kolleginnen und Kollegen, ist na-
türlich ein sehr bedeutsames Thema im Bereich des Bun-
desinnenministeriums, aber auch insgesamt für unsere
Gesellschaft. Die Herausforderungen wachsen an allen
Ecken und Enden. Dem wird in diesem Haushalt aber auch
Rechnung getragen. Das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik wird gestärkt; Kollege Reinhard
Brandl hat es gesagt. In den Sicherheitsbehörden – aber
nicht nur dort – wird die IT-Infrastruktur modernisiert.
Wir gehen das jetzt an. Wir müssen noch mehr tun, aber
wir gehen es jetzt an. Es ist richtig, hier mehr Mittel hin-
einzugeben.

Der Geschäftsbereich, der Etat des Bundesinnenminis-
teriums umfasst aber nicht ausschließlich das Thema Si-
cherheit. Es sind viele andere Themen, die wir gerade
auch als Haushälter mit im Blick hatten. Ich möchte dem
Kollegen Norbert Barthle und dem Reinhard Brandl
noch einmal ganz herzlich Dankeschön dafür sagen, dass
wir gerade in den gesellschaftlich sehr relevanten Berei-
chen sehr viele Änderungsanträge auf den Weg bringen
und wichtige Weichenstellungen beschließen konnten.
Ich will ein paar Punkte nennen.

Förderung der politischen Bildung in unserem Land.
Wir haben erreicht – das war ein sehr wichtiges An-
liegen der SPD-Bundestagsfraktion –, dass es knapp
11 Millionen Euro mehr gibt für die Arbeit der Bundes-
zentrale für politische Bildung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will ganz deutlich sagen, dass wir nicht verstanden
haben, dass in den letzten Jahren die Mittel reduziert
worden sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir
die Bundeszentrale für politische Bildung brauchen. Wir
setzen auf die Bundeszentrale. Dort wird gute Arbeit ge-
macht.

Ich meine, es ist auch gut, dass die Bundeszentrale
jetzt einmal aus dieser Spirale herauskommt: Wo können
wir noch kürzen? Wo können wir noch etwas wegneh-
men? Welches Programm muss gestoppt werden? Ideen
und Kreativität in der politischen Bildung können jetzt
wieder in die Realität umgesetzt werden. Das ist gut so.
Das ist eine große Leistung dieser Großen Koalition, die
wir in der SPD-Fraktion besonders honorieren, goutieren
und gutheißen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Politische Bildung beschränkt sich natürlich nicht
ausschließlich auf die Bundeszentrale für politische Bil-
dung. Wir tun noch mehr. Wir haben die „Deutsche Ge-
sellschaft“ mit 70 000 Euro mehr ausgestattet. Der Bund
leistet einen Beitrag für einen Raum zum Gedenken an
das Olympiaattentat von 1972. Wir beteiligen uns hier
mit 350 000 Euro. Ich muss sagen, das ist längst überfäl-
lig. Es wäre schön gewesen, wenn dieser neue Gedenk-
raum schon zum 40. Jahr der Erinnerung an das Olym-
piaattentat hätte eröffnet werden können. Jetzt ist es so
weit. Ich finde es gut, dass sich der Bund daran beteiligt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich will auch an das anknüpfen, was Dietmar Bartsch
gesagt hat: Wir sollten bezüglich politischer Bildungsar-
beit an die politischen Stiftungen denken. Deswegen ist
es gut, dass wir in der Großen Koalition die Arbeit der
politischen Stiftungen mit deutlich mehr Geld versehen.
Denn politische Bildung ist letztendlich der Königsweg,
um Menschen für unsere Demokratie richtig zu begeis-
tern, Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus,
entgegenzuwirken und die bedrohliche Kluft, die sich
zwischen Politik einerseits und vielen Bürgerinnen und
Bürgern andererseits immer wieder auftut und letztend-
lich eine permanente Gefahr bedeutet, vielleicht zu
schließen, zumindest aber zu verkleinern. Hier kommt
den Trägern der politischen Bildung eine große Verant-
wortung zu. Deswegen sprechen wir an dieser Stelle den
Trägern der politischen Bildung unseren Dank aus und

(B)






Martin Gerster


(A) (C)



(D)(B)

honorieren ihr Engagement mit einem klaren Aufwuchs
der Mittel in diesem Bereich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Gerade die aktuelle Entwicklung in Europa zeigt, wie
wichtig es ist, den Menschen die Chancen der europäi-
schen Einigung nahezubringen, durch Aufklärung
Ängste und Skepsis zu überwinden und das politische
Europa transparenter zu machen. Welches Jahr würde
sich besser eignen als dieses? Das Jahr 2014 mit seinen
vielen Jubiläen erinnert uns daran, welche Bedeutung
ein friedliches und solidarisches Europa hat. Ich denke
hier an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor
100 Jahren. Die Ursache war ein krankhafter Nationalis-
mus. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Gut, dass wir
hier etwas tun.

Auch der 25. Jahrestag des Falls der Mauer gehört in
diesen Zusammenhang. Der Fall der Mauer ist letztend-
lich zustande gekommen durch eine starke Bewegung
von Bürgerinnen und Bürgern. All das zeigt, dass wir auf
einem guten Weg sind. Insgesamt aber müssen wir den
Bereich der politischen Bildung verstärken, um mehr zu
informieren und die Menschen für ein demokratisches,
friedliches und solidarisches Europa zu gewinnen.

Auch wenn wir in Deutschland immer noch gegen
Vorurteile und Intoleranz ankämpfen müssen, auch wenn
Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Sexismus
noch lange nicht überwunden sind, werte Kolleginnen
und Kollegen, so glaube ich doch, dass wir heute im frei-
esten, vielfältigsten und vielleicht auch weltoffensten
Deutschland aller Zeiten leben. Dafür sind wir dankbar.
Aber wir müssen permanent daran arbeiten, dass dies so
bleibt oder noch besser wird.

Beim Stichwort „Weltoffenheit“ bin ich bei einem an-
deren Thema, das mir sehr am Herzen liegt – es ist von
den anderen Rednern schon angesprochen worden –:
Deutschland und die Europäische Union gleichen im
Moment einer Insel des Friedens in einer stürmischen
See regionaler Konflikte. 50 Millionen Menschen sind
gegenwärtig auf der Flucht vor Krieg und Unterdrü-
ckung.

Auch innerhalb der europäischen Staatengemein-
schaft sind die wirtschaftlichen Folgen der jüngsten
Krise dramatisch und deutlich spürbar. Viele Menschen,
die in ihrer ursprünglichen Heimat keine berufliche Per-
spektive sehen, richten ihre Hoffnung darauf, sich in
Deutschland eine Existenz aufzubauen. Ich sehe uns im
Sinne der Menschlichkeit in der Pflicht, den verfolgten
Menschen im Rahmen unserer Möglichkeiten auch
Schutz und Zuflucht zu bieten. Deswegen war es richtig
und notwendig, im Rahmen des Haushaltsverfahrens die
9 Millionen Euro für die Syrien-Flüchtlinge bereitzustel-
len.

Zum Thema Integration, lieber Kollege Dietmar
Bartsch. Wir sind doch mittendrin, hier etwas zu tun.
Wir haben die Mittel für die Integrationskurse aufge-
stockt. Trotzdem war es ein missverständliches Signal
von der Spitze des Hauses, zunächst einmal den Haus-
haltsansatz um 5 Millionen Euro zurückzufahren in dem
Wissen, dass ein hohes Interesse an der Teilnahme an In-
tegrationskursen vorhanden ist. Aber man muss natür-
lich schon sagen, Herr Minister de Maizière: Sie haben
völlig zu Recht erwartet, dass es zusätzliche Mittel, so-
genannte Bildungsmittel, gibt. Insofern gibt es vor die-
sem Hintergrund eine gute Erklärung dafür, dass dieser
Haushaltsansatz zunächst so aussah. Ich denke, dass wir
jetzt insgesamt ganz gut aufgestellt sind mit diesem
deutlichen Aufwuchs, den wir im Rahmen des Haus-
haltsverfahrens gemeinsam in der Großen Koalition auf
den Weg bringen konnten.

300 Stellen zusätzlich für das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge – das ist doch was! Da kann man
doch nicht sagen, wir hätten beim Thema Verkürzung
der Bearbeitungszeiten für Asylanträge noch nichts ge-
tan.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist doch ein richtig großer Aufschlag. Wir haben bei
den Beratungen und bei den Berichterstattergesprächen
gehört, dass mehr Stellen im Moment gar nichts bringen
würden, weil die große Herausforderung jetzt erst ein-
mal darin besteht, fachkundiges Personal zu finden,


(Zuruf von der SPD: Zu schulen!)


das die 300 zusätzlichen Stellen besetzen kann; das müs-
sen gute Leute sein. Insofern sage ich: Wir sind hier auf
einem guten Weg. Wir müssen noch nachsteuern – ganz
klar –, wenn wir das Ziel erreichen wollen, dass ein
Asylantrag nicht länger als drei Monate Bearbeitungszeit
beansprucht. Aber dafür, dass wir Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten erst ein paar Monate in der Regie-
rung dabei sind, kann sich das jedenfalls als erstes Etap-
penziel ganz gut sehen lassen.


(Beifall bei der SPD)


Ich will gerne etwas zum Thema Technisches Hilfs-
werk sagen. Ich glaube, es ist eine große Leistung der
Großen Koalition, dass es uns gelungen ist, für das Tech-
nische Hilfswerk 10 Millionen Euro zusätzlich zu mobi-
lisieren.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Gut investiertes Geld!)


Das drückt unsere Wertschätzung für die Arbeit der vie-
len, vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aus,
die für das THW unterwegs sind: als Topbotschafter für
unser Land im Ausland, aber auch als Superbotschafter
in unserem Land für gelebte Solidarität, für das Ehren-
amt und für die Hilfe am Nächsten, der sich in Not befin-
det.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen glaube ich, dass das eine richtig gute Sache
ist.

Der Anpfiff in Brasilien rückt näher, Herr de
Maizière. Deswegen möchte ich gerne ein paar Sätze
zum Sport sagen. Ich finde es gut, Herr de Maizière, dass
wir im Bereich des Innern einen Minister haben, der
sportbegeistert ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)






Martin Gerster


(A) (C)



(D)(B)

Ich habe mich gefreut, dass es beim Sport einen Auf-
wuchs gibt: 2,7 Millionen Euro netto mehr im Vergleich
zum vergangenen Haushaltsjahr, 8 Millionen Euro mehr
im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf. Ich glaube,
das kann sich sehen lassen. Das ist eine gute Botschaft
für den Sport, die größte Bürgerbewegung in unserem
Land. Wie der Sport mobilisieren, faszinieren und emo-
tionalisieren kann, erleben wir gerade in diesen Tagen.
Ich freue mich, dass es bei den zentralen Maßnahmen
auf dem Gebiet des Sports ein deutliches Plus geben
wird und dass unter anderem die Grundförderung für die
Bundessportfachverbände erhöht wird. Das ist ein rich-
tig gutes Signal.

Herr de Maizière, ich teile Ihr, wie ich finde, mutiges
Grundanliegen: Wir müssen die Sportförderung in unse-
rem Land neu denken, wir müssen da auch Strukturver-
änderungen vornehmen. Ja, auch ich sage: Natürlich
geht es bei Olympia um Spitzensport; aber Spitzensport
gibt es nicht ausschließlich bei Olympia. Wir müssen da-
her schon schauen, wie wir der Vielfalt im Sport Rech-
nung tragen können.

Ich glaube, lieber Norbert Barthle, dass wir im Haus-
haltsausschuss einen guten Beschluss gefasst haben: Wir
schaffen eine Prozentregelung für den nichtolympischen
Bereich. Damit unterstützen wir auch den Schachsport.
Ich glaube, dieser Beschluss ist eine gute Botschaft im
Hinblick auf die Vielfalt im deutschen Sport.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Junge Leute lernen Vielfalt insbesondere im Sport
kennen, gerade auch bei den Wettbewerben „Jugend trai-
niert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralym-
pics“. Deswegen haben wir, lieber Norbert Barthle, als
Baden-Württemberger – die Deutsche Schulsportstiftung
hat ihren Sitz in Baden-Württemberg – aus Überzeugung
gesagt: Auch wenn es in den Bundesländern Probleme
bei der Finanzierung der NADA gibt, können wir nicht
zulassen, dass die Kinder und Jugendlichen und diese
tollen Wettbewerbe letztendlich darunter leiden. Ich
glaube, wir haben einen guten Kompromiss gefunden,
um die Wettbewerbe zu sichern.

Wir haben eine gute Grundlage geschaffen und kön-
nen sagen: Dieses Zahlenwerk der politischen Entschei-
dungen für 2014 ist uns insgesamt gelungen; es ist eine
gute Geschichte. Ich bin optimistisch, dass wir in den
Haushaltsberatungen für 2015, die ja schon bald wieder
beginnen – nach dem Spiel ist vor dem Spiel, nach dem
Haushalt ist vor dem Haushalt – wieder gut zusammen-
arbeiten werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804315100

Vielen Dank. – Ich möchte mit Blick auf den Beginn

des heutigen Fußballspiels sagen: Wenn jetzt jeder der
Redner noch einen letzten Satz von ungefähr einer Mi-
nute einleitet, dann wird das etwas schwierig. Wir haben
vereinbarte Redezeiten. Im gegenseitigen Interesse wäre
es schön,

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


– Herr Dr. Bartsch, für Sie gab es auch eine großzügige
Regelung –


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Unverdientermaßen!)


wenn sich jetzt alle an die vereinbarte Redezeit hielten.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Vor allem der Kommenden! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort Bundes-
minister Dr. Thomas de Maizière. Bitte schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Frau Präsidentin Schmidt! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! In dem Appell kann ich Sie nur nachhaltig un-
terstützen. Ich gebe mir Mühe, mich an die Redezeit zu
halten.

Ich möchte mit einem Dank beginnen, der sich an die
Berichterstatter richtet, insbesondere an den Hauptbe-
richterstatter. Das Klima im Haushaltsausschuss bei den
Beratungen insgesamt war vertrauensvoll, offen und
sachlich. Das ist gut. Da auch diese Debatte hier so ge-
führt wird, will ich den Zuschauerinnen und Zuschauern
sagen: Glauben Sie nicht, dass es hier immer so zugeht.
Hier fliegen auch manchmal die Fetzen.


(Dr. Eva Högl [SPD]: Selten!)


Ich glaube, unserer Materie tut es gut, wenn wir uns auf
die Sache konzentrieren und vernünftig miteinander um-
gehen.

Ob öffentliche Sicherheit, IT-Politik mit all ihren Fa-
cetten, Migration oder Integration: So unterschiedlich
diese Bereiche, die beim Innenministerium angesiedelt
sind, scheinen mögen, drei Dinge haben sie gemeinsam:

Erstens. Sie entscheiden maßgeblich darüber, ob die
Menschen gerne in unserem Land leben, ob sie sicher
und frei hier leben können und wie der gesellschaftliche
Zusammenhalt in unserem Land ist.

Zweitens. Nahezu alle innenpolitischen Themen sind
heute in großem Maße durch internationale Entwicklun-
gen geprägt. Eine klassische Innenpolitik, die gedanklich
an der deutschen Staatsgrenze endet, gibt es längst nicht
mehr. Antiterrorkampf, sogar Einbruchsdiebstahl – ich
komme gleich darauf zu sprechen –, Internet, Daten-
schutz, Zuwanderung, Integration, Vorratsdatenspeiche-
rung, Asyl, Sport, ja sogar das Dienstrecht: Alles das
geht inzwischen nur noch mit Blick auf unsere europäi-
sche und internationale Einbindung.

Drittens. Das Tempo, in dem sich heute innenpoliti-
sche Themen verändern, ist atemberauend. Ich bilde mir
ein, das beurteilen zu können; denn ich habe zum zwei-
ten Mal das gleiche Amt inne und kann so mitbekom-
men, was sich alles in welchem Tempo verändert hat und
nicht gleich geblieben ist.





Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

Wie rasant dieser Wandel ist, das zeigt sich zum Bei-
spiel bei der Frage: Wie wollen wir mit dem Internet um-
gehen? Unser Aufgabenportfolio reicht hier von der IT-
Sicherheit über den Datenschutz, den Wirtschaftsschutz,
die Bekämpfung von Cyberkriminalität und Cyberspio-
nage, die Regelung neuer rechtlicher Fragen bis hin zum
gesellschaftlichen Diskurs, ob und wie sich unsere Ge-
sellschaft mit und durch die Nutzung des Internets ver-
ändert.

Sicherheit, Schutz und Vertrauen sind heute im Inter-
net Wettbewerbsfaktoren. Vertrauen ist eine Währung im
Internetzeitalter geworden. Wir arbeiten daran. Herr
Bartsch, es ist völlig falsch, dass es in Bezug auf das
Thema NSA keine Konsequenzen gegeben hätte. Wir
werden darüber die gesamten vier Jahre diskutieren. Es
gibt nur einen Unterschied: Sie fixieren sich auf das
Thema NSA, und wir fixieren uns auf das Thema Schutz
der Bürger, egal ob die NSA oder sonst jemand auf Da-
ten zugreift.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir werden ein IT-Sicherheitsgesetz vorlegen, das
Rahmenbedingungen für den sicheren Betrieb von kriti-
schen Infrastrukturen und unserer IT-Systeme beinhaltet,
auch mit Blick – Frau Hajduk hat in der ersten Lesung
darüber gesprochen – auf die IT-Netze des Bundes. Ich
sage ganz vorsichtig, weil es heute eine Agenturmeldung
dazu gibt: Auch mit Blick auf die Sicherheit des Betrie-
bes der Netze des Bundes haben wir – in Anführungsstri-
chen – „nur“ eine Verpflichtungsermächtigung vorgese-
hen. Wir werden darüber in den nächsten Jahren reden
müssen. Auch das ist ein Beitrag zur Sicherheit, in dem
Fall zur Sicherheit unserer eigenen Kommunikation.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist natürlich
der Bereich Integration und Migration. Vieles hat sich in
den letzten Jahren getan. Wir brauchen Fachkräfte aus
dem Ausland, und sie kommen gerne. Deutschland ist
heute ein modernes Einwanderungsland.

Der Sachverständigenrat hat uns bescheinigt, dass
sich die Gesetzeslage, so unübersichtlich sie inzwischen
vielleicht sein mag, in Europa und der Welt sehen lassen
kann. Er rät von Änderungen ab. Er rät sogar von der
Einführung irgendwelcher Bluecardsysteme ab. Er sagt:
Der rechtliche Standard ist inzwischen gut. – Das ist
auch ein Ergebnis der letzten Legislaturperiode.

Wir sehen viele Integrationserfolge. Ihre Anzahl
nimmt zu, und die Erfolge werden sichtbar. Dennoch
gibt es Defizite. Wenn sich Bildungserfolge nicht oder
zu wenig auf die kommenden Generation erstrecken,
wenn der Bildungsstand von in Deutschland geborenen
Kindern mit Migrationshintergrund immer noch deutlich
unter dem Durchschnitt gleichaltriger Einheimischer
liegt, wenn einzelne Migrantengruppen signifikant
schlechter integriert sind als andere bei im Übrigen glei-
chen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, dann zeigt
das, dass wir noch viel zu tun haben, insbesondere im
Bereich der Bildung.

Nun ist das nicht die Hauptaufgabe des Bundes. Man
könnte sogar kritisch fragen, ob die Finanzierung der In-
tegrationskurse eine Aufgabe des Bundes sein muss.
Aber sie ist es. Wir bekennen uns dazu. Als Sprachkurse
haben sie begonnen. Inzwischen sind sie ein wesentli-
ches Element der Integration. Ich bin dankbar, dass der
Haushaltsausschuss das Finanzproblem gelöst hat. Wir
hatten, wie Sie, Frau Hajduk, wissen, eine andere Lö-
sung angedacht; Herr Gerster hat das dankenswerter-
weise erwähnt. Das war keine bewusste Unterveran-
schlagung nach dem Motto: Hoffentlich hilft uns der
Haushaltsausschuss. – Das war anders geplant. Aus Zeit-
gründen will ich das nicht vertiefen. Die gefundene Lö-
sung ist gut. 2014 können alle erwarteten 140 000 neuen
Kursteilnehmer beim Spracherwerb unterstützt werden.
Die Auswirkungen neuer Entwicklungen sind damit al-
lerdings nicht zu finanzieren; auch das gehört zur Wahr-
heit dazu.

Nun ein Wort zu den Flüchtlingen; auch Herr Bartsch
hat das Thema angesprochen. Die Zahl der Asylbewer-
ber ist im letzten Jahr um etwa 70 Prozent gestiegen. Wir
hatten etwa 140 000 Asylerstanträge und Asylfolgean-
träge. In diesem Jahr werden insgesamt voraussichtlich
um die 200 000 Anträge gestellt, je nachdem, wie die
Entwicklungen – zum Beispiel die Entwicklungen in der
Ukraine, im Irak oder besorgniserregende Entwicklun-
gen in anderen Ländern – weitergehen.

Ich möchte an dieser Stelle noch etwas sagen, was in
dieser Debatte bisher keine Rolle gespielt hat. Ich
möchte den Kommunen und den Ordnungsdezernenten,
die mühsam Gebäude suchen müssen und sich vor Ort
gemeinsam mit den Abgeordneten gegen irgendwelche
Rechtsextremisten, die das alles nicht haben wollen,
wehren müssen, meinen Dank aussprechen. Die Kom-
munen bemühen sich und kümmern sich darum, dass
diese Asylbewerber untergebracht werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen ein zügiges und faires Verfahren. Über
den Stellenzuwachs, der hiermit zusammenhängt, und
über den Gesetzentwurf ist schon gesprochen worden.
Zu den sicheren Herkunftsländern ist schon gestern et-
was gesagt worden. Diese Themen will ich nicht vertie-
fen. Auch sie gehören aber dazu.

Nun ein Wort zu den Flüchtlingen aus Syrien. Wir
hatten gestern eine Konferenz von Ministern der G 6
– nämlich der Innenminister der sechs größten europäi-
schen Staaten – mit dem zuständigen Minister der Verei-
nigten Staaten und der zuständigen Kommissarin. Alle
haben gesagt: Das, was Deutschland diesbezüglich macht,
ist bemerkenswert. Wir haben seit Beginn des Bürger-
kriegs bis jetzt 40 000 Flüchtlinge aufgenommen; Herr
Brandl hat das schon gesagt. Aufgrund des Bundespro-
gramms können noch 10 000 hinzukommen. Das sind
weltweit drei Viertel der außerhalb der Region vorhan-
denen Aufnahmeplätze. Ich finde, das verdient über-
haupt gar keine Kritik, Herr Bartsch, sondern nur Lob
und Anerkennung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Kritik würden andere Staaten verdienen. Herr
Steinmeier und ich haben deswegen die Initiative ergrif-





Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

fen, um andere europäische Staaten zu ermuntern, zu-
mindest ein bisschen mehr zu tun als bisher.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich hoffe, das hat Erfolg.

Wir wollen die Flüchtlinge nicht nur hierherholen,
sondern wir wollen natürlich auch, dass vor Ort etwas
passiert. Deswegen haben wir für die Flüchtlingslager in
der Region – das gehört zum Etat des Kollegen Müller –
bisher 450 Millionen Euro veranschlagt. Ich finde, wir
stellen uns unserer humanitären Verantwortung. Das ist
gut so, und darauf sind wir stolz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es kommt nicht von ungefähr, dass so viele Men-
schen nach Deutschland kommen möchten. Ich spreche
jetzt gar nicht über das Sozialniveau. Wir reden zurzeit
viel über Fußball und Brasilien. Vor zwei Tagen wurde
der brasilianische Fußballer Zé Roberto, der einen deut-
schen Pass hat, gefragt, was er jetzt, in Brasilien, aus sei-
ner Zeit in Deutschland vermisse. Er antwortete ohne zu
zögern: die Sicherheit.

Die aktuellen Statistiken belegen: Deutschland ist ei-
nes der sichersten Länder der Welt. Auch die Zahlen der
Polizeilichen Kriminalstatistik, die ich zusammen mit
dem Kollegen Jäger vorgelegt habe, beweisen das. Es
gibt – das ist eine geringfügige Senkung – weniger als
6 Millionen polizeilich registrierte Straftaten. Bei den
Straftaten im Bereich der Gewaltkriminalität und des se-
xuellen Missbrauchs gibt es ebenfalls eine Senkung.

Es gibt gute Entwicklungen, allerdings auch schlechte.
Wir haben darüber schon gesprochen, aber wir müssen
mehr darüber reden: Der Anstieg der Wohnungsein-
bruchskriminalität ist besorgniserregend. Zwar sind die
Zahlen nicht so hoch wie 1993. Da hatten wir etwa
230 000 Wohnungseinbrüche. Jetzt sind wir bei ungefähr
150 000. Seit sieben, acht Jahren steigen die Zahlen wie-
der. Im letzten Jahr gab es einen Anstieg um 5 300 Fälle.

Warum interessiert uns das hier? Das ist doch eigent-
lich eine Angelegenheit der Länderpolizeien. Einbruch-
diebstahl ist sozusagen das Lokalste, was es gibt. –
Denkste! Wir haben inzwischen neue Tätertypen. Der
Anstieg ist auf international agierende und international
vernetzte Banden zurückführen, die ihre Straftaten – ent-
lang den Autobahnen – geografisch vorbereitet begehen.
Es gibt eine Gruppe, die von Balkanstaaten aus gesteuert
wird. Weiterhin gibt es Gruppen, die aus der Ukraine,
aus Weißrussland, aus der Türkei und aus Georgien he-
raus gesteuert werden. Deutsche Banden klauen in
Frankreich, und französische Banden klauen in Deutsch-
land und in den Niederlanden. Es gibt international ver-
netzt agierende Organisationen.

Wir – Bund und Länder – haben uns bei der letzten
Innenministerkonferenz versprochen, dass wir dagegen
vorgehen wollen. Wir sagen den Einbrechern in diesem
Land den Kampf an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das geht nur langsam. Es dauert ein bisschen; aber wir
wollen es tun.
Nun kann ich aus Zeitgründen viele weitere Themen
nicht mehr ansprechen. Auf einen Punkt will ich aber
noch eingehen, der von Herrn Bartsch eingeführt wurde.
Herr Bartsch hat gesagt, dass das Innenministerium kei-
nen Programmhaushalt hat. Auf den ersten Blick stimmt
das. Unser Programm heißt „Freiheit und Sicherheit“.
Unser Programm besteht nicht aus Fördermitteln, son-
dern es besteht aus Polizisten, Sicherheitsbehörden, ei-
ner guten Verwaltung, Ehrenamt, Katastrophenvorsorge,
Sport, Schutz der Verfassung, Kampf gegen Extremisten
und IT-Sicherheit. Das spiegelt sich auch in unserem
Haushalt wider. Deswegen ist er anders zu lesen als an-
dere Haushalte, aber von großer Bedeutung für unser
Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Herr Gerster, ich wollte mit Blick auf den Haushalt
auch sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Zehn Se-
kunden meiner Redezeit habe ich nicht ausgeschöpft. Ich
wünsche den Jungs in Brasilien nachher alles Gute!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804315200

Vielen Dank. – Dr. André Hahn, Fraktion Die Linke,

ist der nächste Redner.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804315300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Minister de Maizière, es muss den Bürgerinnen und Bür-
gern offenbar verborgen geblieben sein, dass Sie aus
dem NSA-Skandal die richtigen Lehren gezogen und
zum Schutz der Menschen entsprechende Maßnahmen
eingeleitet haben. Wir haben davon nichts gesehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will aber zunächst etwas zum Sport sagen. Die ge-
ringfügige Anhebung im Etat des BMI in Höhe von rund
2,7 Millionen Euro bleibt hinter den tatsächlichen Erfor-
dernissen und auch hinter dem zurück, was der Minister
ursprünglich vollmundig versprochen hat. Der dramati-
sche Sanierungsstau bei den Sportstätten wird weiter be-
harrlich ignoriert. Der DOSB beziffert diesen Sanie-
rungsstau auf 42 Milliarden Euro. Das ist eine Summe,
welche die Länder unmöglich allein stemmen können.
Daher fordert die Linke die Neuauflage eines bundes-
weiten Förderprogramms für Sportstättensanierung. Wir
haben das im Ausschuss zur Abstimmung gestellt; der
Antrag wurde von der Koalition leider abgelehnt.

Während der ersten Lesung habe ich auch die ge-
plante Kürzung der Mittel für die Programme „Jugend
trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für die Para-
lympics“ kritisiert. Das ist hier schon mehrfach ange-
sprochen worden. Damals habe ich deutlich gemacht,
dass man versucht, finanzielle Streitigkeiten zwischen
Bund und Ländern auf dem Rücken von Schülerinnen
und Schülern auszutragen.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen:
Auch wir erwarten von den Bundesländern, dass sie ihre
Zusagen zur Mitfinanzierung der Nationalen Anti-Do-





Dr. André Hahn


(A) (C)



(D)(B)

pingagentur einhalten. Weiter erwarten wir, dass die
NADA finanziell langfristig so ausgestattet wird, dass
sie die ihr übertragenen Aufgaben auch tatsächlich erfül-
len kann. Die Hauptverantwortung dafür liegt beim
Bund. Die jetzt im Haushalt 2014 eingestellten Mittel
reichen perspektivisch nicht mehr aus.

Aber deshalb darf man doch nicht die Mittel für „Ju-
gend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für die
Paralympics“ kürzen. Linke und Grüne haben im Sport-
ausschuss beantragt, die geplante Halbierung der Zu-
schüsse für 2014 und die Streichung der Zuschüsse für
2015 komplett zurückzunehmen.


(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Wir haben darauf gedrängt, dass der Schachsport wei-
ter unterstützt wird. CDU/CSU und SPD haben dies im
Sportausschuss abgelehnt. Man stimmt eben in diesem
Haus selbst den vernünftigsten Anträgen der Opposition
nicht zu. Erst in der Bereinigungssitzung des Haushalts-
ausschusses wurde dies korrigiert. Die Mittel für „Ju-
gend trainiert für Olympia“ wurden wieder eingestellt,
und der Schachsport wird in Zukunft gefördert. CDU/
CSU und SPD stellen dies nun als tolle Leistung dar, ob-
wohl die eigenen Minister die Kürzungen im Haushalt
zuvor vorgesehen hatten. Beim THW lief es ähnlich ab.

Deshalb möchte ich zu diesem Verfahren etwas
Grundsätzliches sagen. Wie wäre es denn, wenn in den
Haushaltsentwürfen der Regierung endlich von vornhe-
rein die tatsächlich benötigten Mittel eingestellt werden
würden?


(Beifall der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich bin es einfach leid, dass – wie in den von mir ge-
nannten Fällen – immer wieder Streichungen angedroht
und notwendige Anhebungen wider besseres Wissen
verweigert werden, in den Beratungen der Fachaus-
schüsse die Anträge der Opposition – oft ohne Begrün-
dung – abgelehnt werden, die Koalition dann aber im
Haushaltausschuss die gleichen Anträge stellt, mit ihrer
Mehrheit beschließt und das dann als großen Erfolg ver-
kauft. Mit solider Haushaltsberatung hat das nichts zu
tun. Dieser Kinderkram muss endlich aufhören.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Abschließend noch etwas zum Thema Geheim-
dienste. Hier sehen wir als Linke in der Tat erhebliche
Einsparpotenziale. Wir werden die NSA-Affäre ja noch
im Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Schon nach
den ersten Anhörungen hochrangiger Sachverständiger
ist deutlich geworden, dass zum Beispiel die Auslands-
aktivitäten des BND grundgesetzwidrig erfolgen und
keine rechtliche Grundlage haben. Konsequenzen? Bis-
lang Fehlanzeige. Jedenfalls gibt es keine Reduzierung
der staatlichen Zuwendungen.

Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass der
Neubau der BND-Zentrale in Berlin insgesamt mehr als
1 Milliarde Euro kosten wird, also doppelt so viel wie
ursprünglich geplant. Weitere 300 Millionen Euro sollen
eingesetzt werden, um den Auslandsgeheimdienst tech-
nisch aufzurüsten und noch mehr Überwachung zu er-
möglichen. Ich sage auch: Wer wie das Bundesamt für
Verfassungsschutz bei der Spionageabwehr so offenkun-
dig versagt hat, kann doch nicht ernsthaft damit rechnen,
dass die Linke hier einer Mittelerhöhung zustimmen
wird.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804315400

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.


Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804315500

Wir brauchen natürlich deutlich mehr Transparenz bei

der Geheimdienstkontrolle. Denn solche Skandale wie
die massenhafte Datenweitergabe des BND an die NSA
müssen öffentlich aufgeklärt werden und nicht nur in ge-
heimen Sitzungen.

Wir werden im Herbst erneut Haushaltsdebatten füh-
ren. Ich sage schon jetzt: Aufstockungen der Mittel für
Soziales, für Bildung, für Kultur und auch für den Sport
werden wir natürlich unterstützen. Das ist ganz klar.
Nicht unterstützen werden wir die Bereitstellung von
Mitteln im größeren Umfang, die dazu dienen, die Aus-
spähung der Bürgerinnen und Bürger weiter auszubauen.
Wir wollen den Schutz der Bürger, Herr de Maizière.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804315600

Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.


Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804315700

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Der

Minister hat dafür bisher leider nichts getan.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804315800

Für die SPD spricht jetzt Michael Hartmann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1804315900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Bundesminister de Maizière, der
Haushalt, den Sie zu verantworten haben, ist selten ein
Haushalt der Nettigkeiten und Gefälligkeiten. In diesem
Ressort geht es eher um die harten und komplizierten
Themen, die wir gemeinsam mit Ihnen im Innenaus-
schuss zu vertreten haben. Umso besser ist es, wenn man
bei einem so breit aufgestellten Ressort nicht alleine
agiert. Sie haben ja selbst auf die vielen Implikationen
und Querschnittsaufgaben hingewiesen.

Besonders gut ist, dass wir bereits ein gutes halbes
Jahr nach Start der Großen Koalition erreicht haben,
dass Sie von Bundesjustizminister Heiko Maas und auch
von Aydan Özoğuz, der Staatsministerin im Kanzleramt,
partnerschaftlich und mit der nötigen sachlichen Kritik





Michael Hartmann (Wackernheim)



(A) (C)



(D)(B)

unterstützt werden. Zusammen wird daraus ein Paket,
das nicht mehr von Gegnerschaft geprägt ist, sondern
vom gemeinsamen Willen, bei der Integration sowie in
der Rechts-, Freiheits- und Sicherheitspolitik etwas zu
bewirken.


(Beifall bei der SPD)


Insgesamt 19 Behörden sind Ihrem Bereich nachge-
ordnet. Mehr als 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter dienen im weitesten Sinne dem Bundesinnenminister.
Das ist eine Herkulesaufgabe. Deshalb will ich von die-
sem Platz aus allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
den unterschiedlichsten Behörden – ob beim Statisti-
schen Bundesamt, beim Bundeskriminalamt, beim Ver-
fassungsschutz, beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge und bei allen übrigen Behörden – deutlich
sagen: Wir wissen, was Sie für unser Land leisten, wir
sind Ihnen dankbar dafür, und wir stehen zu Ihnen, nicht
kritikfrei, aber doch mit loyaler Unterstützung für Ihre
pflichtgemäße Aufgabenerfüllung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Besonders zu danken ist denjenigen, die für unsere Si-
cherheit zuständig sind. Deshalb war es gut und richtig,
dass es unsere Haushälter gemeinsam geschafft haben,
insbesondere für die Bundespolizei, bei der ja die Masse
der Polizistinnen und Polizisten im mittleren Dienst tätig
ist, ein Stellenhebungsprogramm auf den Weg zu brin-
gen. Das war nicht einfach, auch was die Finanzierung
angeht; aber es war nötig. Denn das betrifft jene Polizis-
tinnen und Polizisten, die bei Fußballeinsätzen, bei
Castortransporten, bei Ereignissen wie dem 1. Mai in
Berlin-Kreuzberg oder im Hamburger Schanzenviertel
den Rücken und den Kopf für unsere Sicherheit hinhal-
ten, ohne zu klagen, und die ohne Ende Überstunden an-
sammeln.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Ihnen haben wir zu danken. Dieser Dank wird jetzt end-
lich auch in Geld ausgedrückt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich sage an dieser Stelle aber gleichzeitig: Der Bund
tut hier seine Pflicht. Wir versuchen auch, den Status und
den Stand beim Personal zu halten, so gut es geht. Das
Gleiche sollten im Interesse einer Sicherheitspartner-
schaft bitte auch die Länder tun,


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Auch das ist wahr!)


und zwar ganz gleich, ob sie A- oder B-dominiert sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es kann nicht sein, dass die Landespolizei abgebaut
wird,


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Oder unsinnige Polizeireformen gemacht werden!)


man aber erwartet, dass die Bundespolizei als Hilfspoli-
zist eingreift, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das gibt es in allen Bundesländern. Ich rate uns allen, da
sehr vorsichtig zu sein und nicht nur auf die jeweils an-
dere Partei zu blicken. Es gibt zu viele Länder, die zu
sehr bei der Polizei abgebaut haben. Deshalb müssen wir
uns als Bundesgesetzgeber vor unsere Truppe, vor die
Bundespolizei, stellen.

Die Sicherheitsbehörden werden in den nächsten Jah-
ren nicht weniger, sondern mehr Aufgaben erhalten: ob
es um die Terrorbedrohung geht – hier gab es ja besorg-
niserregende Meldungen über Menschen, die aus
Deutschland in Bürgerkriegsgebiete ausreisen und viel-
leicht auch zurückkehren –, ob es – Herr Minister, Sie
haben dies völlig zu Recht als Schwerpunkt erwähnt –
um die Alltagskriminalität, etwa um Wohnungseinbrü-
che, geht, ob es darum geht, dass unsere Stadien von
manchen Leuten missbraucht werden, um Randale zu
machen und sich zu prügeln – richtig wäre es, dort Fuß-
ball zu genießen –, oder ob es um den großen, viel zu
lange unterschätzten Kampf gegen die organisierte Kri-
minalität geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei Rockern, bei der Mafia und im Bereich der Wirt-
schaftskriminalität gibt es Gewinnspannen, die unglaub-
lich sind. Für das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und
Bürger ist es wichtig, dass auch gegen jene, die in Kutten
auf Motorrädern sitzen – mittlerweile agieren sie ja häu-
fig ohne Motorräder –, und gegen jene, die mit weißem
Kragen kriminelle Handlungen begehen, entschieden
vorgegangen wird, und zwar auch da mit null Toleranz,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Damit die Sicherheitsbehörden erfolgreich arbeiten
können – Herr Hahn, da unterscheiden wir uns in der Tat
sehr –, brauchen sie Personal, Technik und internationale
Zusammenarbeit. Damit diese internationale Zusam-
menarbeit in geordneten Bahnen und korrekt verläuft,
müssen wir mit unserem wichtigsten Partner in Sicher-
heitsfragen, den USA, wenn nötig harte Gespräche füh-
ren. Denn eines ist klar: Wir verteidigen gemeinsame
Werte, die USA genauso wie wir. Aber wenn man mit
der massenhaften Ausspähung befreundeter Nationen
beginnt, dann stellt man diese Werte natürlich infrage.
Auch deshalb werden wir den kritischen Dialog fortset-
zen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Richtig!)


Wenn wir aber zugleich wollen, Herr Hahn, dass un-
ser Land nicht von den Brosamen, die uns andere geben,
abhängig ist, dann gibt es nur eine Antwort: Wir dürfen
bei den Sicherheitsbehörden weder Personal noch Tech-
nik abbauen, sondern sie müssen besser werden. Sie
müssen mehr Geld, mehr Technik und gutes Personal be-
kommen, um die Sicherheit unseres Landes zu garantie-
ren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)






Michael Hartmann (Wackernheim)



(A) (C)



(D)(B)

Innere Sicherheit bedeutet für diese Koalition, dass
wir jetzt und in den nächsten Wochen, Monaten und Jah-
ren auch die Aufarbeitung des Skandals um das Wirken
des sogenannten NSU im Auge haben werden. Diese
Schande ist noch nicht getilgt. Es ist nicht vergessen,
dass Sicherheitsbehörden und Justiz beim Kampf gegen
dieses Mördertrio, das durch unser Land gezogen ist,
versagt haben. Daher werden wir den ohnehin erforderli-
chen Umbau unserer Sicherheitsbehörden fortsetzen und
forcieren.

Wir werden uns genau überlegen, wie sogenannte V-
Personen besser und kritischer geführt werden können.
In diesem Zusammenhang werden wir in dieser Koali-
tion auch das Bundesverfassungsschutzgesetz erheblich
reformieren. Wir werden aber auch darauf achten, dass
in den Behörden mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
tätig sind, die über eine interkulturelle Kompetenz verfü-
gen.

Wir wollen mehr Zusammenarbeit mit der Zivilge-
sellschaft, und wir wollen auch mehr Austausch zwi-
schen den Sicherheitsbehörden. Nicht Eifersüchteleien
und Eitelkeiten dürfen dominieren, sondern alleine die
Antwort auf die Frage, ob unsere Sicherheit im Kampf
gegen Nazis gewährleistet wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dazu ist eine andere Haltung nötig. Ich glaube, es ist
manchmal schwieriger, an der Haltung zu arbeiten, als
ein Gesetz bzw. einen Paragrafen zu verändern, wie wir
jetzt ziemlich fraktionsübergreifend, Frau Mihalic, fest-
stellen, da wir uns leider wieder mit dem verstorbenen
V-Mann „Corelli“ befassen müssen. Die Fragen, die dort
gestellt werden müssen, sind für uns – ich glaube, frak-
tionsübergreifend – noch lange nicht beantwortet.

Wenn ich über Konsequenzen aus dem spreche, was
wir durch das Agieren des Mördertrios, genannt NSU,
erlebt haben, dann sage ich zugleich auch: Keiner von
uns darf es zulassen, dass Zuwanderer und Flüchtlinge
primär als ein Sicherheitsproblem angesehen werden.
Wenn wir die Menschen nur so darstellen und sie gar dif-
famieren, dann machen wir die Tür für jene auf, die tat-
sächlich Hetze betreiben.


(Beifall bei der SPD)


Wenn Dinge nicht stimmen, Auswüchse vorhanden
sind und Missbrauch stattfindet, muss, darf und wird der
Staat reagieren. Zeigen wir aber bitte doch, dass dieses
Land bereits seit langem und auch in Zukunft ein Land
ist, das alle, die zu uns kommen und bereit sind, unsere
Gesetze und Spielregeln einzuhalten, willkommen heißt.
Ich finde es daher gut, dass wir mit der doppelten Staats-
bürgerschaft sehr bald ein sehr deutliches gesetzliches
Signal dafür setzen werden.


(Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, es bleibt im Übrigen beim Staatsangehörigkeitsrecht!)


Herr Minister, meine Damen und Herren, wir werden
auch sehr bald ein IT-Sicherheitsgesetz auf den Weg
bringen. Auch das ist eine Konsequenz nicht nur aus
dem NSA-Skandal, sondern auch daraus, dass wir beim
Schutz unserer Kommunikationssysteme insgesamt bes-
ser werden müssen. Das gilt für die Bürgerinnen und
Bürger, das gilt für die Einrichtungen des Bundes und
der Verwaltung auf allen Ebenen, und das gilt auch für
die gewerbliche Wirtschaft, die übrigens die größte Da-
tenkrake in unserem Land ist; das sind keineswegs die
Sicherheitsbehörden.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Wenn wir über dieses IT-Sicherheitsgesetz reden,
dann werden wir natürlich darauf achten müssen, dass
niemand das Kind mit dem Bade ausschüttet. Das will
keiner von uns. Es ist aber klar, dass auch die Wirtschaft
in der Pflicht ist, sorgsam mit Daten umzugehen. Das be-
deutet, wir brauchen bei Firewalls und Ähnlichem Stan-
dards, die hoch genug sind. Daneben brauchen wir eine
Meldepflicht für erfolgte und erfolgreiche Angriffe auf
die IT-Systeme von Wirtschaftsunternehmen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie sehen, wir haben uns in der Innenpolitik viel vor-
genommen. Angepfiffen ist bereits. Die erste Halbzeit ist
noch nicht vorbei. Ich bin mir sicher, dass wir in der ei-
genen Mannschaft, die größer und bunter geworden ist,
wie das in der Bundesliga und bei der WM auch der Fall
ist, fair spielen werden, und wir werden auch mit all je-
nen fair spielen, die auf der anderen Seite spielen. Die
Einladung dazu besteht; die Themen geben es her. Las-
sen Sie uns insgesamt an einer guten Innenpolitik für
Deutschland arbeiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804316000

Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht

jetzt Irene Mihalic.


Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804316100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe

Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Hartmann, Sie haben
vorhin die gute Stimmung betont, die wir im Innenaus-
schuss hatten und auch jetzt hier in der Debatte erlebt ha-
ben. Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt vielleicht für
etwas Missstimmung sorge, muss ich leider sagen: NSU,
NSA und auch die BKA-Affäre legen den Finger in die
gleiche Wunde. Sie stellen nun einmal die Prämissen der
aktuellen deutschen Sicherheitsarchitektur grundsätz-
lich infrage.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist ja wohl ein kleiner Unterschied!)


Unsere Sicherheitsbehörden sehen und wissen Dinge,
die sie nicht sehen und wissen sollen, Dinge, die sie
schlicht nichts angehen. Andererseits analysieren und er-
mitteln sie nach Mustern, die sie für die wirklichen Be-
drohungen in unserem Land blind machen. Beides, also
das Ausspähen und das systematische Nichtsehen, pas-





Irene Mihalic


(A) (C)



(D)(B)

siert zur gleichen Zeit am jeweils falschen Ort. Das muss
sich dringend ändern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Leider, Herr Minister de Maizière, haben Sie Ihren
Haushalt ganz an dieser Grundsatzproblematik vorbei
aufgestellt. So werden wir den Dreh, den wir in der fest-
gefahrenen Innenpolitik brauchen, nicht hinbekommen.
Man könnte beispielsweise bei den Konsequenzen aus
dem NSU-Terror anfangen. Ich erkenne keinen einzigen
Haushaltstitel, der diesem Thema wirklich systematisch
Rechnung trägt. Selbst bei den Programmen, die bundes-
weit zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützen sol-
len, vermeiden Sie es, einen klaren Zweck zu bestim-
men. Sie können sich nicht dazu durchringen, zu sagen:
Wir fördern konkrete Projekte gegen Rechtsextremismus
oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeind-
lichkeit. – Nicht nur, dass der vorgesehene Ansatz viel
zu niedrig ist, Sie verteilen das wenige Geld auch noch
nach dem Gießkannenprinzip ohne jeden Schwerpunkt.

Auch ansonsten verzichten Sie auf konkrete Maßnah-
men, die sich aufgrund der Erfahrungen zum NSU gera-
dezu aufdrängen. Ich will Ihnen noch ein Beispiel nen-
nen. Die polizeilichen Ermittlungen damals haben sich
in vielen Fällen völlig zu Unrecht auf das Umfeld der
Opfer fokussiert. Die Angehörigen fühlten sich vielfach
falsch behandelt und standen den Behörden ihrer Wahr-
nehmung nach ohnmächtig und oft sehr hilflos gegen-
über. Es gab für sie keine adäquate Möglichkeit, die Vor-
würfe gegen sie zu klären.

Aber auch Polizistinnen und Polizisten, die ohne hie-
rarchisch verordneten Tunnelblick ermitteln wollten,
wurden mehrfach durch Anordnungen von oben an ei-
nem sachgerechten Vorgehen gehindert. Ich will da das
Beispiel des Thüringer LKA-Präsidenten Werner Jakstat
nennen; Sie erinnern sich vielleicht daran. Er hatte 2003
mutmaßlich einem jungen Polizisten, der auf einer ganz
konkreten Spur bezüglich Uwe Böhnhardt gewesen war,
unmissverständlich den Hinweis gegeben: Fahren Sie ru-
hig raus. Ermitteln Sie. Aber bitte kriegen Sie da nichts
raus.

Diese Beispiele, die zu Unrecht beschuldigten Opfer-
familien und der ausgebremste Polizist, machen es doch
überdeutlich: Wir brauchen im Bund und in den Ländern
unabhängige Polizeibeauftragte, die sich solcher Be-
schwerden und Hinweise annehmen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Polizeibeauftragte, die, wo das gewünscht ist, Anonymi-
tät zusichern, die Mediation und Anrufungsmöglichkei-
ten für Polizisten außerhalb des Dienstweges bieten und
dem Parlament durch regelmäßige Berichte einen unver-
stellten Blick auf die Polizei ermöglichen. Es kann doch
nicht sein, dass die einzige Institution, die Trägerin des
staatlichen Gewaltmonopols im Innern ist, keiner direk-
ten parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Genauso wie
wir unbestritten einen Wehrbeauftragten brauchen, brau-
chen wir endlich einen Polizeibeauftragten für die Bun-
despolizei und das BKA.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Und zwar unabhängig!)


Auch für den dringend erforderlichen Neustart des
Verfassungsschutzes wäre in Ihrem Haushalt ein positi-
ves Signal möglich gewesen, aber dazu findet sich
nichts. Doch, es findet sich etwas; ich muss mich an die-
ser Stelle korrigieren. Eine Sache ist enthalten: Als Be-
lohnung für das dramatische Versagen beim Erkennen
des NSU und als Belohnung für maximale Intransparenz
sowie als Belohnung dafür, dass mit Steuergeldern über
Nazi-V-Leute rechtsextremistische Strukturen gestärkt
wurden, erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz
einfach einmal 3 Millionen Euro mehr.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skandal!)


Damit lautet Ihre Botschaft: Versagen muss sich wieder
lohnen.


(Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/ CSU]: Das ist grotesk! – Dr. Eva Högl [SPD]: Unfassbar! – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU und der SPD)


Seit heute ahnen wir auch, wofür es diese 3 Millionen
Euro zusätzlich gibt, nämlich mutmaßlich für das Aus-
spähen sozialer Netzwerke. Da darf der Verfassungs-
schutz natürlich dem BND in nichts nachstehen. Aber
die Schwachstelle des Verfassungsschutzes ist ja nicht,
dass er nicht gut informiert ist, sondern das, was am
Ende mit diesen Informationen passiert. In Sachen In-
transparenz stehen Sie, Herr Minister, Ihrer Behörde
leider in nichts nach: Wofür die 3 Millionen Euro zusätz-
lich vorgesehen sind, haben wir nicht von Ihnen erfah-
ren, sondern heute Morgen aus der Zeitung.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz braucht nicht
mehr Geld, sondern in jeder Hinsicht eine völlig neue
Struktur. Das zeigt auch der aktuelle Verfassungsschutz-
bericht; denn um Zeitungswissen zusammenzutragen
und die polizeiliche Kriminalstatistik auszuwerten, brau-
chen wir den Verfassungsschutz nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Inlandsaufklärung muss völlig neu aufgestellt wer-
den und sich dabei den Prinzipien eines demokratischen
Rechtsstaates unterordnen und darf nicht daran vorbei
ein selbstbezogenes Spiel betreiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch
vor der Sommerpause des ersten Jahres der 18. Wahl-
periode werden wir schon zwei Untersuchungsaus-
schüsse haben, die sich jeweils mit dem fragwürdigen
Agieren von Polizei und Nachrichtendiensten befassen
müssen. Wenn Ihnen selbst durch diesen Umstand nicht
auffällt, dass wir in der Sicherheitsarchitektur dieses
Landes große Probleme haben, dann kann ich Ihnen
auch nicht helfen.

Fakt ist aber, dass Ihr Haushalt unsere Sicherheitsbe-
hörden weder transparenter und demokratischer noch ef-
fektiver macht. Damit werden Sie Ihrer innenpolitischen





Irene Mihalic


(A) (C)



(D)(B)

Verantwortung nicht gerecht. Daran sollten Sie auf jeden
Fall beim nächsten Haushaltsentwurf arbeiten. Wir wer-
den Sie daran messen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804316200

Vielen Dank. – Thomas Strobl ist jetzt der nächste

Redner für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1804316300

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Der Haushalt des Bundesministers des Innern um-
fasst eine breite Palette von Themen. Ich möchte zu drei
Punkten etwas sagen: Erstens. Wie können wir Men-
schen mit ausländischen Wurzeln noch besser in unse-
rem Land integrieren? Zweitens. Was machen wir mit
Menschen, die unseren freiheitlich-demokratischen Staat
und unsere Art, zu leben, hasserfüllt bekämpfen? Zum
Dritten möchte ich ein paar Sätze zu dem Thema „digi-
tale Revolution“ sagen.

Erstens. Der Haushalt des Bundesministers des Innern
zeigt deutlich, dass Deutschland ein Integrationsland ge-
worden ist. Zahlreiche Menschen kommen aus anderen
Staaten der Europäischen Union nach Deutschland, weil
sie hier arbeiten, eine Ausbildung machen oder studieren
wollen. Im letzten Jahr sind 1,2 Millionen Menschen
nach Deutschland zugewandert. Nach Abzug der Fortge-
zogenen bleibt ein Überschuss von 430 000 Menschen.
Das ist der höchste Wert seit über zwei Jahrzehnten.

Das zeigt: Deutschland ist ein weltoffenes Land. Da-
rüber freuen wir uns.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir sind ein Land, das aktiv erhebliche Mittel für die
Integration der hier lebenden Ausländer aufwendet. Weil
die Zuwanderungszahlen so stark gestiegen sind, haben
wir in diesen Haushaltsberatungen die Mittel für Integra-
tionskurse um 40 Millionen Euro auf nunmehr 244 Millio-
nen Euro erhöht. Damit ist sichergestellt, dass grundsätz-
lich jede und jeder, die oder der einen Integrationskurs
besuchen möchte, dies auch tun kann. Das ist wichtig
und richtig,


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Asylbewerber und Flüchtlinge?)


weil diese Integrationskurse die deutsche Sprache ver-
mitteln, Herr Kollege Beck, und ein wichtiger Baustein
unserer insgesamt so erfolgreichen Integrationspolitik
sind. Diese Mittel haben wir jetzt abgesichert und stabi-
lisiert. Das zeigt deutlich: Diese Koalition aus SPD und
CDU/CSU handelt in diesen Fragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber natürlich müssen wir einräumen: Es gibt immer
noch Felder, in denen die Integration besser werden
kann. Wir haben noch nicht den Zustand erreicht, dass
wir uns zurücklehnen könnten. Das gilt insbesondere für
den Bildungsbereich und für den Arbeitsmarkt.

Junge Menschen mit ausländischen Wurzeln sind
zwar besser ausgebildet, als ihre Eltern und Großeltern
es waren, aber leider haben viele junge Menschen mit
ausländischen Wurzeln immer noch keinen Berufsab-
schluss. Unter den 30- bis 34-Jährigen haben 35 Prozent
der Menschen mit Migrationshintergrund keinen Berufs-
abschluss. Das ist mehr als das Dreifache der deutschen
Bevölkerung, bei der es 11 Prozent sind. Das hat Konse-
quenzen für den Arbeitsmarkt. Deswegen ist die Arbeits-
losigkeit unter Ausländern ungefähr doppelt so hoch wie
die unter den Deutschen. Das hängt unmittelbar mitei-
nander zusammen.

Wir müssen die Leistungsbereitschaft, die es ja gibt,
fordern und fördern. Das ist ein Thema für die Schulen,
die Kommunen, die Länder und natürlich auch für den
Bund. Die beste Integration findet nicht im Arbeitsamt,
sondern in der Ausbildung und an den Schulen statt.
Deswegen müssen wir in diesen Bereich weiter investie-
ren und die Potenziale, die es bei Menschen mit auslän-
dischen Wurzeln und insbesondere bei den jungen Men-
schen unter ihnen gibt, noch besser fördern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, ein Phä-
nomen aus dem Sicherheitsbereich, das uns seit einiger
Zeit große Sorgen bereitet. Das sind die aus Syrien zu-
rückkehrenden Dschihadisten. Junge Menschen in unse-
rem Land radikalisieren sich, reisen nach Syrien, ziehen
dort in den Bürgerkrieg und kehren schließlich völlig
verblendet und radikalisiert nach Deutschland zurück.
Hier besteht ein erhebliches Gefahrenpotenzial, dem wir
fest und entschlossen begegnen müssen. Gegen die Men-
schen, die aus Syrien radikalisiert nach Deutschland
heimkehren, müssen wir die schärfsten Mittel des
Rechtsstaats einsetzen. Wir müssen beispielsweise über
Einreiseverbote nachdenken. Denjenigen, die als auslän-
dische Kämpfer aus freien Stücken in den Bürgerkrieg
nach Syrien ziehen und dann zurückkommen, um mit ra-
dikalen Methoden unseren Staat zu bekämpfen, müssen
wir sagen: Ihr habt das Gastrecht verwirkt. Ihr werdet in
Zukunft mit einem Einreiseverbot belegt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie dann mit Deutschen, oder wie?)


Wir müssen des Weiteren über Änderungen im Straf-
recht nachdenken, beispielsweise über eine Strafver-
schärfung im Hinblick auf die Sympathiewerbung für
terroristische Vereinigungen. Solche Werbung bereitet
den Nährboden für terroristische Gewalt. Wir können als
Staat nicht früh genug ansetzen, dies klar zu verurteilen
und im Zweifel auch unter Strafe zu stellen.

Das dritte Thema, das ich ansprechen möchte, ist der
rasante Wandel in der Informationstechnologie, der in
Wahrheit eine digitale Revolution ist. Wie wir als Ge-
sellschaft insgesamt in Bildung und Forschung, in der





Thomas Strobl (Heilbronn)



(A) (C)



(D)(B)

Erziehung unserer Kinder, in der Wirtschaft und im Ge-
sundheitswesen mit diesem Thema umgehen, ist eine
Schlüsselfrage nicht nur der nächsten Jahre, sondern des
21. Jahrhunderts. Die digitale Revolution entscheidet da-
rüber, ob wir als Wirtschaftsnation unseren Wohlstand
im 21. Jahrhundert erhalten und ausbauen können. Der
Rohstoff des 21. Jahrhunderts ist nicht Öl, Gas oder
Kohle, sondern Daten. Wir dürfen uns nichts vorma-
chen: Die Politik, der Gesetzgeber, kann Rahmenbedin-
gungen schaffen, die digitale Kompetenz fördern und
Anreize für eine sichere IT setzen. Aber Innovation,
neue Ideen, Kreativität und Wertschöpfung gehen von
den Menschen, der Wirtschaft und den Tüftlern in einem
freien Land aus. Sie gehen von denjenigen aus, die sich
mit diesen Themen befassen und es immer noch ein biss-
chen besser machen möchten.

Unsere Aufgabe ist, Leitplanken zu setzen. Das ist die
Aufgabe des Gesetzgebers und des Parlaments. Wir
müssen den rechtlichen Rahmen mit Bedacht setzen. Wir
müssen die Vernetztheit der Welt im Auge haben. Mein
Wunsch ist: Lasst uns bei diesem Thema nicht immer
nur die Risiken und die Probleme, sondern vor allem
auch die großen Chancen sehen, die die digitale Welt ge-
rade für uns als Wirtschaftsland in Zukunft bietet, und
die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein ordentliches und nicht übertriebenes Daten-
schutzrecht ist ein entscheidender Standortfaktor für die
gesamte Europäische Union und sorgt dafür, dass wir als
Europäer auf dem globalen Markt mithalten können. Die
Wahrheit ist: Die erste Stufe der digitalen Revolution ha-
ben wir weitgehend verschlafen. Dieser Intercity ist
schon vorbeigefahren. Aber das ist nicht das Ende. Die
zweite Stufe kommt. Wir brauchen einen offenen
Rechtsrahmen, in dem sich die Kreativität, die es in un-
serer Wirtschaft durchaus gibt, entwickeln kann.

Das heißt, die digitalen Fragen reichen weit über das
eigentliche Datenschutzrecht hinaus. Fragen der IT-Si-
cherheit, Fragen der Cyberkriminalität, des Breitbandaus-
baus haben natürlich ihre eigene Bedeutung. Das Bun-
desinnenministerium als Grundsatzministerium ist genau
das richtige Ministerium, um all diese Entwicklungen im
Blick zu halten. Deswegen unterstützen wir Sie, Herr
Bundesinnenminister de Maizière, bei der Erarbeitung
einer digitalen Agenda 4.0 in Ihrem Grundsatzministe-
rium, in dem alle Fäden zusammenlaufen sollen. Wir
wünschen Ihnen wie auch Ihren Kollegen Gabriel und
Dobrindt bei der Bewältigung dieser großen Herausfor-
derung alles Gute.

Das Bundesinnenministerium ist für sehr vieles zu-
ständig, unter anderem auch für den Sport. Das ist ver-
mutlich die schönste Zuständigkeit, Herr Bundesinnen-
minister. Dazu gehört auch die wichtigste Nebensache
der Welt. In 65 Minuten beginnt ein wichtiges Fußball-
spiel. Ich darf, glaube ich, im Namen des ganzen Hauses
sagen: Wir wünschen der deutschen Mannschaft, wir
wünschen unseren Jungs einen siegreichen Abend.

Danke fürs Zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804316400

Vielen Dank. – Für die SPD hat jetzt Michaela

Engelmeier-Heite das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1804316500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Ich habe jetzt die Aufgabe, in vier Minuten einen
Parforceritt durch den deutschen Sport zu machen. Ich
hoffe, es gelingt mir.

Heute ist ein guter Tag für den Sport. Ich freue mich,
dass es uns gelungen ist, die Sportförderung im Einzel-
plan 06 des Bundesministeriums des Innern deutlich auf-
zustocken.


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na ja!)


2014 stellen wir in diesem Haushalt insgesamt knapp
165 Millionen Euro für die Sportförderung zur Verfü-
gung. Davon gibt es knapp 140 Millionen Euro für die
Förderung des Spitzensports. Das heißt mehr Mittel für
die Olympiavorbereitung inklusive der Förderung des
deutschen Olympiateams, das heißt mehr Geld im Hin-
blick auf die Olympiastützpunkte und Bundesleistungs-
zentren für bessere Rahmenbedingungen vor Ort sowie
mehr Unterstützung für den Behindertensport in Höhe
von 1 Million Euro. Das ist ein wichtiges Zeichen für
den deutschen Sport; denn für uns ist Inklusion nicht nur
ein Wort, sondern Inklusion ist ein wichtiges Element im
Sport, das uns in der SPD-Bundestagsfraktion ganz be-
sonders am Herzen liegt.


(Beifall bei der SPD)


Darüber hinaus wird die Projektförderung für das In-
stitut für Angewandte Trainingswissenschaft, IAT, sowie
für das Institut für Forschung und Entwicklung von
Sportgeräten, FES, um 1 Million Euro aufgestockt. Für
uns sind das wichtige Partner im Sport. Auch die nicht-
olympischen Verbände werden gestärkt, und die Förde-
rung des Schachsports bleibt erhalten.

Schließlich unterstützen wir mit zusätzlich 1 Million
Euro die Nationale Anti-Doping Agentur, NADA, in ih-
rem dringend notwendigen Kampf gegen Doping. Das
ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltig
und unabhängig finanzierten NADA. Wir werden schär-
fere gesetzliche Maßnahmen gegen Doping und Spiel-
manipulationen ergreifen. Sport steht für Werte wie Fair-
ness und Respekt. Doping zerstört diese Werte, täuscht
die Akteure im Wettkampf, täuscht die Öffentlichkeit
und gefährdet die Gesundheit der Sportlerinnen und
Sportler.

Deshalb legen wir noch in diesem Jahr einen Entwurf
für ein Antidopinggesetz vor und erfüllen damit einen
weiteren Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. In Bezug
auf die Antidopinggesetzgebung möchte ich mich ganz
besonders bei Innenminister de Maizière, Justizminister
Maas und Gesundheitsminister Gröhe für die gute
Kooperation der drei Ministerien und bei den vielen
Engagierten in den Ländern bedanken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)






Michaela Engelmeier-Heite


(A) (C)



(D)(B)

Ein Zeichen für gelungene Sportpolitik ist die Fortset-
zung der Förderung und damit die Zukunftssicherung
der Wettbewerbe „Jugend trainiert für Olympia“ und
„Jugend trainiert für Paralympics“. Der Bund wird die
freiwillige Förderung der Schulsportwettbewerbe ab
2015 mit 700 000 Euro fortsetzen. Herr Dr. Hahn, nur
am Rande: Wir sind nicht beratungsresistent. Wir haben
uns für den Sport entschieden und uns entschlossen, für
2015 wieder die volle Förderung von 700 000 Euro in
den Haushalt einzustellen.


(Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schöner wäre es, wenn Sie gar nicht gekürzt hätten!)


Mein Dank gilt allen Haushältern – Martin Gerster
und Norbert Barthle möchte ich nennen –, die uns in der
Forderung, diese Schulsportwettbewerbe zu retten, un-
terstützt haben. Natürlich geht mein Dank auch an die
AG Sport beider Koalitionsfraktionen für die konstruk-
tive Zusammenarbeit, übrigens nicht nur in dieser Frage.

Die Mittelaufstockungen im Haushalt sind daher ein
Vertrauensvorschuss an den DOSB. Wir vertrauen dem
organisierten Sport. Wir werden dem Sport weiterhin als
wichtiger Partner mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn
es um Strukturveränderungen und die Reform der Leis-
tungssportförderung geht. Wir zeigen unsere Stärke in
nachhaltiger Sportpolitik, verstehen uns als aktive Part-
ner des Sports und wünschen uns viele neue Talente für
künftige Paralympische und Olympische Spiele – gerne
übrigens auch hier in Deutschland. Gemeinsam sind wir
der Förderung des Sports verbunden, und gemeinsam
sind wir stark für den Sport.

Auch wenn es um die Frage der Vergabe und die Ge-
staltung von internationalen sportlichen Großveranstal-
tungen geht, gibt es viel für uns zu tun. Ich wünsche mir,
dass die Zeitungen, wie im Vorfeld von Sotschi und Rio,
nicht nur davon geprägt sind, dass es soziale Missstände
beim Stadienbau, Menschenrechtsverletzungen und öko-
logische Desaster in den Ausrichtungsländern gibt. Ich
wünsche mir, dass die Zeitungen auch davon berichten,
mit welcher Freude Menschen Sport betreiben, dabei zu-
schauen und, wie aktuell bei der WM, mitfiebern. Im
Übrigen: Die Vergaberichtlinien für Sportgroßveranstal-
tungen bedürfen dringend einer Veränderung. Es kann
nicht sein, dass alles nur unter dem Motto „Höher,
schneller, weiter“ geht und nur noch Geld die Sportwelt
regiert.


(Beifall bei der SPD)


Zum Schluss das heute Wichtigste. Ich wünsche – das
gilt bestimmt für uns alle – unseren Jungs der Fußballna-
tionalmannschaft für das Spiel gegen die USA den maxi-
malen Erfolg und den Einzug ins Achtelfinale. Sie haben
es verdient. Sie haben heute den Auftrag aus dem Deut-
schen Bundestag, als eine der wenigen übrig gebliebe-
nen europäischen Mannschaften das WM-Turnier jetzt
einfach einmal zu gewinnen.

Danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804316600

Vielen Dank. – Eine Anmerkung für die nachfolgen-

den Redner: Wenn die Lampe „Präsident“ aufleuchtet,
zeigt das nicht an, dass ich noch da bin, sondern zeigt,
dass die Redezeit abgelaufen ist.


(Heiterkeit – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ach so!)


Das Wort hat jetzt Dr. André Berghegger, CDU/CSU-
Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. André Berghegger (CDU):
Rede ID: ID1804316700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr

Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Da-
men und Herren! Als – wenn ich richtig gezählt habe –
elfter Redner in dieser Debatte wird es sich nicht vermei-
den lassen, das eine oder andere Thema noch einmal an-
zusprechen. Aber das mache ich bewusst; denn ich
glaube, die Themen sind es auf alle Fälle wert.

Frei nach Goethes Faust könnte ich sagen: Zwei Her-
zen schlagen in meiner Brust; denn als Mitglied des In-
nenausschusses und des Haushaltsausschusses habe ich
in den letzten Wochen und Monaten unterschiedliche
Herangehensweisen an das eine oder andere Thema fest-
gestellt. Aber aus voller Überzeugung werbe ich heute
um die Zustimmung zu diesem Einzelplan. Ich denke
nämlich, dass es eine sehr gute Lösung ist, die uns vor-
gelegt worden ist.

Durch die Haushaltsplanberatungen haben sich noch
einige Änderungen ergeben; wir haben bereits mehrfach
davon gehört. Die Mittel wurden an verschiedenen Stel-
len aufgestockt, ohne aber unser übergeordnetes Ziel,
nämlich einen ausgeglichenen Haushalt und nächstes
Jahr einen Haushalt ohne neue Verschuldung, aus den
Augen zu verlieren. Deswegen an dieser Stelle Dank an
Bundesminister Schäuble für die gute Vorarbeit und den
Regierungsentwurf, Dank an Sie, Herr de Maizière, für
die Unterstützung aus Ihrem Haus und Dank an die Kol-
leginnen und Kollegen aus dem Haushalts- und dem In-
nenausschuss für die vertrauensvollen und konstruktiven
Beratungen.

Der Etat des Bundesinnenministers wird insgesamt
um rund 128 Millionen Euro aufgestockt. Das ist eine
gute, eine maßvolle Anhebung, vor allen Dingen ist sie
sehr seriös gegenfinanziert.

Ich möchte mich auf zwei Bereiche beschränken, de-
ren wiederholte Erwähnung es aus meiner Sicht wert ist.
Der erste Bereich ist – ich hatte das Stephan Mayer
schon gesagt – das THW. Hier stocken wir die Mittel um
insgesamt 10 Millionen Euro zusätzlich auf. Wir alle
wissen – ich wiederhole das gerne –: Das Geld ist sehr
sinnvoll angelegt. Gut, dass es in diesen Beratungen
möglich war, so zu handeln. Die vielen ehrenamtlichen
Helfer leisten einen unschätzbar wertvollen Beitrag für
uns und unsere Gesellschaft sowohl im In- als auch im
Ausland; Kollege Brandl hatte es eben gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Dr. André Berghegger


(A) (C)



(D)(B)

Die Naturgewalten sind es, die uns immer wieder vor
große Herausforderungen stellen und natürlich auch Tra-
gödien verursachen. Wir alle haben die Bilder der jünge-
ren Vergangenheit noch vor Augen – die Stichworte sind
auch schon gefallen –: die Hochwasserkatastrophe ak-
tuell auf dem Balkan und just vor einem Jahr die Hoch-
wasserkatastrophe an der Elbe. Das THW, andere Hilfs-
organisationen, die Bundeswehr und viele andere Helfer
haben wieder einmal einen bewundernswerten Einsatz
gezeigt, Menschen geholfen, Güter gerettet. All das
könnten wir alleine nicht leisten. An dieser Stelle herzli-
chen Dank dafür.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Sinne ist das THW aus meiner Sicht von
unschätzbarem Wert. Aber das THW hat auch einen
Preis; dessen müssen wir uns bewusst sein. Ich glaube,
aus voller Überzeugung versuchen wir alles, das THW
leistungsfähig zu erhalten. Jeder kennt es aus seinem
Wahlkreis: Wir wollen sehr gerne motivierte Helfer und
vor allen Dingen eine gute Ausrüstung. Deswegen bin
ich froh und glücklich, dass wir den Erwerb von Fahr-
zeugen und Materialien unterstützen und Verbesserun-
gen bei der Aus- und Fortbildung in verschiedenen Be-
reichen bei den Ortsvereinen erzielen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der zweite Bereich, die IT-Sicherheit. Um insgesamt
18 Millionen Euro werden wir in Zukunft die Mittel für
den Ausbau und den Betrieb der Netze des Bundes und
weiterer zentraler IT-Infrastrukturen erhöhen. Herr
Minister, Sie haben es in Ihrer Keynote Anfang der Wo-
che bei einer Konferenz zum Datenschutz und vorhin
auch noch einmal angesprochen: Unsere Gesellschaft ist
nach und nach geprägt von einer digitalen Normalität,
von einer digitalen Selbstverständlichkeit. Internet 4.0
und Internet der Dinge sind Begriffe, die noch nicht je-
der kennt. Aber Tatsache ist auch: Unsere Wirtschaft –
Produktion, Dienstleistung und Handel – ist fast voll-
ständig auf IT-Strukturen aufgebaut. Auch die kritischen
Infrastrukturen, wie zum Beispiel die Energienetze, sind
durch IT-Systeme gesteuert. Das bringt natürlich beim
Betrieb und bei der Betreuung ungemein große Vorteile,
schafft jedoch gleichzeitig auch neue Risiken. Deswegen
ist die Sicherheit der Infrastruktur ein hohes Gut und hat
hohe Bedeutung. Wir müssen das Vertrauen der Men-
schen in diese Infrastruktur, auch in die Digitalisierung,
erhöhen; denn das bringt am Ende sogar Wettbewerbs-
vorteile für unser Land. Ziel muss es sein, die IT-Infra-
struktur, die IT-Sicherheit zu verbessern.

Durch das Projekt „Netze des Bundes“ sollen lang-
fristig gemeinsame Infrastrukturen für die Bundesver-
waltung aufgebaut werden. Dabei spielen die Stichworte
„moderne Sicherheitsarchitektur“ und „moderne Sicher-
heitsstruktur“ eine wichtige Rolle, um möglichen Gefah-
ren und Risiken zu begegnen. Auch führende Fachleute
warnen nämlich mehr und mehr vor einer ungebremsten
Digitalisierung. Sie, Herr Minister, haben es verstanden,
die Risiken im Blick zu behalten, die wir gerade be-
schrieben haben, ohne aber die großartigen Möglichkei-
ten der Digitalisierung zu vernachlässigen. Das finde ich
sehr überzeugend. Insofern ist ein erhöhter Mitteleinsatz
sehr wichtig. Durch diesen Beitrag wird die IT-Infra-
struktur sicherer, wird Vertrauen geschaffen, und so wer-
den die Chancen einer Digitalisierung in den Vorder-
grund gestellt. Das ist uneingeschränkt zu begrüßen. Wir
unterstützen Sie dabei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da sich viele meiner Vorredner schon auf das kom-
mende Ereignis bezogen haben, werde ich das auch tun.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nicht schon wieder!)


Ich habe viel über Digitalisierung gesprochen. Ich
möchte jetzt aber mit einer ganz einfachen analogen
Fußballweisheit schließen: Das Runde muss in das
Eckige, und das möglichst oft.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das richtige Eckige!)


In diesem Sinne wünsche ich unserer Mannschaft gleich
viel Erfolg.

Vielen Dank für das freundliche Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804316800

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Oswin Veith,

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Oswin Veith (CDU):
Rede ID: ID1804316900

Ich bin jetzt wohl der Letzte hier heute. Schön, dass

Sie noch da sind.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: So würde ich das nicht sagen!)


Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich freue mich, heute als Innenpolitiker für
meine Fraktion im Zuge der Haushaltsberatungen spre-
chen zu können. Es ist das erste Mal, dass ich an der Ver-
abschiedung eines Haushaltes auf Bundesebene teilneh-
men darf. Die letzten fast 20 Berufsjahre habe ich am
Hessischen Rechnungshof, als Bürgermeister und als Vi-
zelandrat und Kämmerer meines Wahlkreises verbracht
und weiß also, wie das ist: Es ist immer das Ringen zwi-
schen Haushältern und Fachpolitikern, zwischen mehr
Geld für den eigenen Politikbereich und strenger Haus-
haltsdisziplin.

Diese Haushaltswoche aber markiert eine finanzpoli-
tische Zäsur von, wie ich meine, geradezu historischer
Dimension. Wir durchbrechen mit dem jetzt vorgelegten
Haushalt den seit über 45 Jahren andauernden Schulden-
kreislauf, an dem alle Bundesregierungen mehr oder we-
niger fröhlich beteiligt waren. Dieser Haushalt ist daher
ein starkes Signal an die Menschen in unserem Land und
vor allem an die junge Generation.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Oswin Veith


(A) (C)



(D)(B)

Natürlich ist der Entwurf ein Kompromiss zwischen
unserem innenpolitischen Gestaltungsspielraum und der
vom Grundgesetz abverlangten Haushaltsdisziplin. Aber
er ist, wie ich finde, ein guter Kompromiss. Ich will den
Haushältern der Großen Koalition, insbesondere den
Kollegen Dr. Brandl und Dr. Berghegger, für die im Vor-
feld der heutigen Lesung geleistete Arbeit sehr herzlich
danken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutsch-
land ist eines der sichersten Länder. Wir setzen heute die
Rahmenbedingungen, die nötig sind, damit es morgen
noch sicherer wird. Zwei Drittel der Ausgaben im Innen-
ressort entfallen auf die innere Sicherheit, der Großteil
davon auf die Arbeit unserer Bundespolizei. Das ist un-
ser klares Bekenntnis zur hervorragenden Arbeit unserer
Sicherheitsbehörden. Wir als Große Koalition stehen
hinter den Beamtinnen und Beamten. Ihr Einsatz für die
Bürger unseres Landes verdient Anerkennung und Wert-
schätzung. Dafür danke ich hier öffentlich sehr herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Blick auf die Kriminalstatistik zeigt, dass wir auf
einem guten Weg sind. Wir haben es gehört: Die Zahl
der Straftaten nimmt kontinuierlich ab, vor allem die
Zahl der Straftaten gegen Leib und Leben und die Zah-
len der Gewaltkriminalität. Dies zeigt, dass der Trend
positiv ist. Das ist auch das Ergebnis von richtigen poli-
tischen Entscheidungen und entschlossenem Handeln
unserer Sicherheitsbehörden. Ich sage hier auch: Ohne
die Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der
letzten Jahre und ohne die Arbeit unserer Bundesinnen-
minister Dr. de Maizière und Dr. Friedrich wäre dieser
Erfolg nicht möglich gewesen. Auch ihnen gilt an dieser
Stelle unser besonderer Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zur inneren Sicherheit gehört auch der Brand- und
Katastrophenschutz. Bereits in der Vergangenheit hat das
Innenministerium die Feuerwehren in den Ländern bei
dieser wichtigen Aufgabe deutlich unterstützt, und es
wird dies auch in Zukunft tun. Hinzu kommt die Unter-
stützung des Technischen Hilfswerks. Ich freue mich,
dass es gelungen ist – wir haben heute schon mehrfach
davon gehört –, den Etat des THW um weitere 10 Mil-
lionen Euro auf 190 Millionen Euro zu erhöhen. Das ist
ein gutes Signal an die 80 000 freiwilligen THW-Helfer
in unserem Land und zugleich, wie ich meine, ein gutes
Signal für das gesamte Ehrenamt, das die Sicherheitsar-
chitektur in unsere Städten und Gemeinden maßgeblich
mitträgt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Men-
schen, die sich legal in Deutschland aufhalten, hier ar-
beiten und ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten, bei
der Integration besser unterstützen. Wir wollen es allen
Interessenten ermöglichen, einen Integrationskurs zu be-
suchen, dort die deutsche Sprache zu erlernen, um sich
mit den Lebensverhältnissen in Deutschland vertraut
machen zu können. Dafür haben wir den Mittelansatz
um 40 Millionen Euro erhöht. Wir stellen dem Bundes-
amt für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzliche Stel-
len zur Verfügung und wollen damit die Zeit der Bear-
beitung von Asylanträgen spürbar verkürzen. Hier durch
mehr Personal zu einer beschleunigten Bearbeitung der
Anträge zu kommen, ist für alle Beteiligten notwendig
und auch sinnvoll.

Eines gebe ich jedoch gern zu: Die Aufstockung von
Personal allein kann nur ein Baustein sein, wenn es da-
rum geht, der Antragsflut Herr zu werden. Ein anderer
wichtiger Baustein ist die Anerkennung von Serbien,
Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Her-
kunftsstaaten. Denn rund 25 Prozent der in Deutschland
gestellten Asylanträge stammen von Bewerbern aus den
genannten Ländern. Obwohl ihre Erfolgsaussichten sehr
gering sind – sie liegen im Schnitt bei unter 1 Prozent –,
werden sie im Rahmen der bestehenden Quotenregelung
zur Unterbringung auf die Kommunen verteilt. Das ver-
stärkt die großen Probleme unserer kommunalen Fami-
lie, geeignete Unterkünfte bereitzustellen. Das wollen
wir ändern. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor;
aber der Bundesrat muss mitziehen. Mein Appell geht
daher an alle Landesregierungen, sich auch zum Wohle
der Kommunen einzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Öffentliche Dienstleistungen haben in Deutschland
eine hohe Qualität. Das ist nur möglich, weil wir einen
leistungsfähigen und verlässlichen öffentlichen Dienst in
unserem Land haben, auf den wir alle stolz sein können.
Wir wollen diesen leistungsbereiten und leistungsstarken
öffentlichen Dienst trotz des demografischen Wandels
und trotz des sich verschärfenden Wettbewerbs mit der
Wirtschaft weiter zukunftsfähig halten. Einen ersten Bei-
trag dazu leistet der Bund in diesem Jahr, indem er den
Tarifabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes eins zu eins umsetzen wird. Der Gesetzentwurf
liegt vor, und das Gesetz wird in Kürze verabschiedet.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich komme
zum Schluss. Wir haben es uns mit diesem Haushalt
nicht leicht gemacht. Wir wollen den Pfad der Verschul-
dung schnellstens verlassen und haben keine Forderun-
gen gestellt, die nicht seriös gegenfinanziert sind. Das,
meine Damen, meine Herren, unterscheidet uns als Ko-
alition von der Opposition,


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oh Mann!)


und das ist auch unsere Verantwortung den Menschen in
unserem Land gegenüber. Trotz der knappen finanziellen
Mittel ist es uns gelungen, in der Innenpolitik auch dies-
mal klare politische Akzente zu setzen. Das ist der rich-
tige Weg.

Vielen Dank. – Uns allen ein spannendes Spiel!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804317000

Vielen Dank. – Der Kollege Veith hat es schon er-

wähnt; er war der letzte Redner in dieser Debatte.





Vizepräsidentin Ulla Schmidt


(A) (C)



(B)

Ich schließe damit die Aussprache.

Ehe Sie alle jetzt zum Fußball gehen, haben wir noch
einige Abstimmungen durchzuführen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06
– Bundesministerium des Innern – in der Ausschussfas-
sung. Hierzu liegen ein Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst abstim-
men.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/1856? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1857? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab-
gelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 06 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzel-
plan 06 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke an-
genommen.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 27. Juni 2014, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche allen viel
Spaß beim Fußballspiel nachher. – Danke schön.