Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-ginnen und Kollegen!Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundeneTagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführ-ten Vorlagen zu erweitern:ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-fahrenErgänzung zu TOP 2a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENGesundheitliche Risiken des Drogengebrauchsverringern – Drugchecking ermöglichen– Drucksache 17/2050 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit
RechtsausschussAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendb) Beratung des Antrags der Abgeordneten WinfriedHermann, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, wei-Redetterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENSofortiger Baustopp für Stuttgart 21 und dieNeubaustrecke Wendlingen–Ulm– Drucksache 17/2893 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusHaushaltsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten TabeaRößner, Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENKultur und Rundfunk nicht durchquenzumstellung schädigen
Kurth, Fritz Kuhn, Ekin Deligöz, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENBedarfsgerechte Regelsätze und ein zuverlässi-ges Hilfesystem für Kinder, Jugendliche undErwachsene statt Experimenten– Drucksache 17/2921 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugende) Beratung des Antrags der Abgeordneten BrigittePothmer, Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENKein Sachgrund, keine Befristung – BefristeteArbeitsverträge begrenzenext– Drucksache 17/2922 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendf) Beratung des Antrags der Abgeordneten DanielaWagner, Bettina Herlitzius, Markus Kurth, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENHeizkostenkomponente beim Wohngeld erhal-ten– Drucksache 17/2923 –ngsvorschlag: für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
für Arbeit und Sozialesusschuss die Fre-ÜberweisuAusschussAusschussHaushaltsa
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Präsident Dr. Norbert Lammert
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g) Beratung des Antrags der Abgeordneten SabineLeidig, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEStuttgart 21, Neubaustrecke Wendlingen–Ulmund Sparpaket der Bundesregierung– Drucksache 17/2914 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschussh) Beratung des Antrags der Abgeordneten KatjaKipping, Matthias W. Birkwald, Diana Golze,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEMaßnahmen zur Gewährleistung eines men-schenwürdigen Existenz- und Teilhabemini-mums– Drucksache 17/2934 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
RechtsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussi) Beratung des Antrags der Abgeordneten UweBeckmeyer, Rainer Arnold, Sören Bartol, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der SPDKein Weiterbau von Stuttgart 21 bis zurVolksabstimmung– Drucksache 17/2933 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
HaushaltsausschussDabei soll von der Frist für den Beginn der Beratun-gen, soweit erforderlich, abgewichen werden.Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Aus-schussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste auf-merksam:Der in der 55. Sitzung des Deutschen Bundestagesüberwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätz-lich dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz zur Mitberatungüberwiesen werden.Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieweitere Bereinigung von Bundesrecht– Drucksache 17/2279 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
InnenausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitSind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlichder Fall. Dann ist das so beschlossen.naSbmpBTsdhaditDimDrmbadMb
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2011
– Drucksache 17/2500 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungFinanzplan des Bundes 2010 bis 2014– Drucksache 17/2501 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussFür die heutige Haushaltsberatung hatten wir bereitsm Dienstag eine Redezeit von insgesamt siebeneinhalbtunden beschlossen. Auch dabei soll es offensichtlichleiben.Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Wirtschaft und Technologie, Einzel-lan 09.Das Wort erhält zunächst der Bundesminister Rainerrüderle.
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft undechnologie:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Auf-chwung hat Flügel bekommen. Das letzte Quartal waras wachstumsstärkste seit 20 Jahren. Ganz Deutschlandat die Wirtschafts- und Finanzkrise schneller verdautls erwartet. Es gibt zwar noch Risiken, aber wir habenie Kurve bekommen.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute habenhre Wachstumsprognose für Deutschland in den letz-en Wochen flächendeckend erhöht. Zwar wird sich dieynamik im Herbst etwas normalisieren, doch das Brutto-nlandsprodukt könnte aufs Jahr gerechnet um deutlichehr als 2,5 Prozent wachsen.
as ist mehr als doppelt so viel, wie wir Anfang des Jah-es prognostiziert haben.Ich habe die Berufspessimisten noch im Ohr. Dochit Nörgelei kommen wir nicht weiter. Deutschlandraucht Zuversicht und Optimismus. Die Zuversicht istuch berechtigt. Deutschland ist wirtschaftlich wiederie Nummer eins in Europa. Die grün-rote Laterne ausassenarbeitslosigkeit und jahrelanger Stagnation ha-en wir längst abgegeben.
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Bundesminister Rainer Brüderle
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Unser Aufschwung ist ein Beschäftigungsaufschwung.Seit Jahresmitte 2009 hat die Beschäftigung zugenom-men. Die Arbeitslosigkeit geht stetig zurück.
In Bayern und Baden-Württemberg haben wir quasiVollbeschäftigung: eine Vier vor dem Komma. EinRückgang der Arbeitslosenzahl auf unter 3 Millionen imHerbst dieses Jahres ist erreichbar. Das ist enorm wichtigfür die wirtschaftliche Psychologie und die Stimmung.Das deutsche Jobwunder, wie es im Ausland ge-nannt wurde, löst Hunderttausende persönliche Kon-junkturprogramme aus. Das ist besser als jedes staatlicheKonjunkturprogramm Nummer drei, vier, fünf odersechs.
Wir müssen sogar aufpassen, dass wir nicht schonbald ein großes Fachkräfteproblem bekommen. Deshalbbrauchen wir in Deutschland auch Fachkräfte aus demAusland. Kollege de Maizière hat von der Willkom-menskultur gesprochen. Er hat recht. Wir sollten denbesten Talenten der Welt den roten Teppich ausrollen.
Wir brauchen ein Umsteuern von unkontrollierter Zu-wanderung in die Sozialsysteme hin zur Zuwanderungs-steuerung zum Erhalt unserer Sozialsysteme.
Die sehr positive Wirtschaftsentwicklung kommtnicht von ungefähr. Die deutschen Unternehmen habensich seit Jahren gut aufgestellt. Sie haben sich auf denwachsenden Weltmärkten hervorragend positioniert. DerAufschwung ist exportgetrieben. Die entscheidendenImpulse kamen aus dem Export. Die Unternehmen ha-ben in der Krise alles darangesetzt, ihre Mitarbeiter zuhalten. Bei den ersten Anzeichen der Belebung konntensie voll durchstarten. Oft haben betriebliche Bündnissemit den Betriebsräten vor Ort das ermöglicht. Auchwenn jetzt die Lohnfindung im Aufschwung ansteht,muss das einzelbetrieblich bewertet werden. MancheBetriebe verdienen so gut, dass mehr drin ist. Bei ande-ren heißt es: mehr Maßhalten, damit sie ihre Wettbe-werbsfähigkeit nicht verlieren.Der Aufschwung zeitigt auch Entlastungen für Bür-ger und Unternehmen: Circa 10 Milliarden Euro Ein-kommensteuerentlastung hatte das Bundesverfassungs-gericht uns verordnet. 6 Milliarden Euro Entlastungender alten Regierung haben wir beibehalten, und8 Milliarden Euro haben wir noch draufgelegt, und zwargenau an den Stellen, wo Bürger, Mittelstand und Wirt-schaft gestärkt werden. 24 Milliarden Euro steuerlicheEntlastung! Das nenne ich Wachstumsbeschleunigung.So stärkt man die Binnennachfrage
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Ökonomisch sinnvolle Politik sieht anders aus. Öko-omisch sinnvolle Politik setzt auf Vorfahrt für die so-iale Marktwirtschaft und ein großes Stoppschild fürtaatliche Eingriffe; darum geht es dieser Regierung. Wiraben entschieden, dass die Krisenmaßnahmen jetzt suk-essive auslaufen. Das fängt in der Realwirtschaft mitem Deutschlandfonds an, und das wird sich auch in derinanzwirtschaft – bis hin zur Commerzbank – fortset-en. Auch beim Bundeshaushalt schalten wir vom Kri-enmodus auf Wachstummodus um. Vernünftige Priori-äten setzen heißt, alle zu fordern, aber niemanden zuberfordern. Das verstehe ich unter intelligentem Spa-en.Wir bauen den Haushalt des Bundeswirtschaftsminis-eriums strukturell um, weg von überholten Subventio-en, hin zu Innovation und Investition. Wir straffen dieegionalhilfen. Die Steinkohlebeihilfen werden deut-ich um 10 Prozent zurückgefahren. In diesem Thema isterzeit viel Bewegung. Wie auch immer die abschlie-ende Haltung der Europäischen Kommission sein wird,ines ist klar: Es geht um einen Auslaufbergbau ineutschland.
berraschend finde ich die Reaktionen der Grünen. Inordrhein-Westfalen kämpfen sie engagiert für die Fort-ührung der Kohlesubventionen bis 2018. Hier im Bun-estag stellen die Grünen einen Antrag nach dem ande-en auf sofortigen Ausstieg aus der subventioniertenohle.
er tiefere Sinn dieser ökologisch-ökonomischen Dia-ektik bleibt mir völlig verschlossen.
Hauptsache dagegen“ reicht nicht für die größte Volks-irtschaft Europas. Deswegen legt die Bundesregierungas erste umfassende Energiekonzept seit über zehnahren vor. Wir vereinen Ökonomie und Ökologie. Wir
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Bundesminister Rainer Brüderle
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zeigen den Weg in das regenerative Zeitalter auf. Be-zahlbare Energien, technologische Machbarkeit undCO2-Minderung müssen sinnvoll miteinander verzahntwerden. Dafür brauchen wir die Laufzeitverlängerungbei den Kernkraftwerken um durchschnittlich zwölfJahre.
Meine Damen und Herren, unser besonderes Augen-merk gilt dem Mittelstand. Die anwendungsorientiertenProgramme für kleine und mittlere Unternehmen habenPriorität. Gerade für den Mittelstand ist die erneute hoheFörderung im Außenwirtschaftsbereich notwendig. Ichwill, dass alle Programme des Bundeswirtschaftsminis-teriums zukünftig noch besser auf den Mittelstand zuge-schnitten werden. Ich habe deshalb eine Prüfung allerFörderprogramme angeordnet; denn ich bin mir sicher:Mit dem eingesetzten Geld können wir noch mehr errei-chen für den Mittelstand und noch mehr Freiheiten fürEntscheidungen und für Gestaltung schaffen.
Der jetzige Aufschwung soll keine Eintagsfliege sein.Nein, es geht darum, unser langfristiges Potenzial zu er-höhen. Das ist unser Ziel. Das werden wir auch gemein-sam schaffen: für die Unternehmen, für den Mittelstand,für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – kurzum fürdie Menschen in unserem Land. Lassen Sie uns deshalbbei den Beratungen wie immer gut und zügig zusam-menarbeiten. Das hat Deutschland verdient.Vielen Dank.
Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege
Hubertus Heil das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Herr Minister Brüderle, nach Ihrer Rede kann mansagen: Man kann Ihnen viel nachsagen, aber zwei Eigen-schaften nicht, nämlich Dankbarkeit und Demut. Siesollten dankbar dafür sein, dass die Vorgängerregierungdie Maßnahmen ergriffen hat, die Deutschland durch dieKrise gebracht haben: die Konjunkturpakete, die Rege-lungen bei der Kurzarbeit. All diese Grundlagen hat dieGroße Koalition gelegt, und zwar auf Vorschläge von so-zialdemokratischen Ministern hin, von Frank-WalterSteinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz. Jetzt stel-len Sie fest, dass wir besser durch die Krise gekommensind, als zu erwarten war.Herr Minister Brüderle, Sie sollten demütig sein, weilSie als Oppositionspolitiker gegen jede dieser Maßnah-men zu Felde gezogen sind. Herr Brüderle, Sie habenmit dem Aufschwung nichts zu tun.SWtdwmeKaFmAIktm„nSSHacESLdsfnaAmgaTsffgdebh
ich hier mit fremden Federn zu schmücken, ist das eine.enn man sich anschaut, was Sie in den letzten Mona-en zustande gebracht haben, dann kann man nur sagen,as Brüderle-Prinzip sah bis dato so aus: Sie haben et-as Wildes angekündigt, aber keiner musste sich Sorgenachen, weil es doch nicht gekommen ist.
Ein Beispiel dafür gab es im Herbst letzten Jahres, alss um das Thema Kreditklemme ging. Sie schlugen wieai aus der Kiste vor, dass die Kreditanstalt für Wieder-ufbau auch ein Hausbankprinzip haben sollte. Alleachleute haben den Kopf geschüttelt, aber keinerusste sich Sorgen machen; denn das war ja nur einenkündigung.Ein paar Wochen später kamen Sie auf die glorreichedee, ein Entflechtungsgesetz für die Wirtschaft anzu-ündigen. Gott sei Dank ist das über den Referentensta-us nicht hinausgekommen. Daraus wird auch nichtsehr. Im Sommer dieses Jahres kündigten Sie dann einBegrüßungsgeld für Gastarbeiter“ an. Auch daraus istichts geworden.Herr Brüderle, ich muss mich korrigieren. Wir habenie in den letzten Monaten immer dafür kritisiert, dassie nichts entschieden, sondern nur angekündigt haben.eute muss ich aber sagen: Das ist immer noch besserls das, was Sie jetzt tun, nämlich das Falsche zu ma-hen. Das sieht man vor allen Dingen im Bereich dernergiepolitik. Ich frage mich angesichts dessen, wasie im sogenannten Energiekonzept machen, ob Sie beiudwig Erhard nur die Klappentexte gelesen haben;enn die verlängerten Restlaufzeiten für alte und abge-chriebene Atommeiler sind nichts anderes als die Ver-estigung des Oligopols von vier großen Energiekonzer-en. Herr Brüderle, Sie behindern Wettbewerb, und dasls liberaler Minister.
Verlängerte Restlaufzeiten für alte, abgeschriebenetommeiler behindern vor allen Dingen Investitionen inoderne Kraftwerkstechnik, auch in erneuerbare Ener-ien. Wenn Sie das nicht glauben, dann schauen Sie sichn, was die kommunale Energiewirtschaft zu diesemhema zu sagen hat.
Herr Brüderle, vor allem reicht es überhaupt nicht,ich nur über den Aufschwung zu freuen. Auch wirreuen uns über den Aufschwung. Sie tun aber nichts da-ür, dass es ein langfristiger Aufschwung, ein nachhalti-er Aufschwung, ein Aufschwung für alle Menschen iniesem Land, nicht nur für wenige, wird. Sie haben ebeningeräumt, dass der jetzige Aufschwung exportgetrie-en ist, weil unsere deutsche Wirtschaft wettbewerbsfä-ig ist. Mit den deutschen Produkten, Verfahren und
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Hubertus Heil
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Dienstleistungen sind wir auf den Märkten der Welt er-folgreich.
– Nein, wegen sozialdemokratischer Politik, Herr Kol-lege. Wir haben die notwendigen Reformen durchge-setzt, die Sie damals in diesem Hause bekämpft haben.Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Den Mut, den wirhatten und für den wir viel Prügel bekommen haben, ha-ben Sie nicht.
Wir haben mitgeholfen, dass die deutsche Wirtschaftim Export erfolgreich sein kann. Es ist aber festzustellen,dass Sie ein Problem der deutschen Wirtschaft vollstän-dig aussparen, nämlich dass die Binnennachfrage indiesem Land zu schwach ist. Die Binnennachfrage hängtvon privaten und öffentlichen Investitionen ab. Wirbrauchen eine höhere Investitionsquote. Ein weitererFaktor ist die Kaufkraft in diesem Land. Wenn man ei-nen Blick in den Bundeshaushalt wirft, dann fällt auf,dass Sie gerade im Bereich der Investitionen Maßnah-men ergriffen haben, die dazu angetan sind, ganzeWirtschaftszweige zu beschädigen. Wie kommen Sie ei-gentlich auf die Idee, Mittel für die energetische Gebäu-desanierung zu kürzen? Das ist ein Bereich, in dem wirEnergiesparen mit sozialer Politik verbinden und gleich-zeitig dem Bauhandwerk und der Bauindustrie Impulsegeben können. Das ist ein sehr gutes Programm, aber Siemachen es kaputt.
Wie kommen Sie auf die Idee, Mittel für die Städte-bauförderung zu kürzen? Unterhalten Sie sich doch ein-mal mit der Bauindustrie, dem Bauhandwerk und denKommunen. Jeder in diesem Bereich eingesetzte Euroist eine sinnvolle Investition, weil durch diese Pro-gramme das Achtfache an privaten und öffentlichen In-vestitionen ausgelöst wird. In Sachen Kaufkraft spre-chen Sie, Herr Minister, auf einmal davon, dass manintelligente Tarifabschlüsse braucht. Das wissen auchArbeitgeber und Gewerkschaften, dafür brauchen siekeinen Brüderle.
Tatsache ist: Wir müssen etwas dafür tun, damit dieKaufkraft in diesem Land wächst und Nachfrage erzeugtwird. Es gilt das alte Wort von Henry Ford: Autos kau-fen keine Autos. –
Wenn die Wirtschaft wächst, muss man dafür sorgen,dass auch die Kaufkraft wieder stärker wächst. Die ersteVoraussetzung dafür ist, einen Mindestlohn einzuführen,damit Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wirkönnten uns 11 Milliarden Euro im Haushalt von FrauvbWncfVsibSsssmtdPpDnsREPSdGtidsvEnddhwwDEnwsBsk
ir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Kaufkrafticht weiter eingeschränkt wird, wie Sie das gerade ma-hen.Herr Minister Brüderle, zusammenfassend muss maneststellen, dass Sie zwar launige Reden auf öffentlicheneranstaltungen halten, aber bisher so gut wie kein Ge-etz zustande gebracht haben. Das Entflechtungsgesetzst die einzige Reform, die Sie auf den Weg gebracht ha-en, aber auch die ist im Sand verlaufen. Jetzt versuchenie, den Schalter umzulegen. Sie behaupten, die wirt-chaftliche Entwicklung, die dem Export und den Ent-cheidungen der Vorgängerregierung zu verdanken ist,ei Ihr Verdienst. Das glaubt Ihnen kein Mensch. Sieeinen, sich jetzt gegen den früheren Minister für Reak-orsicherheit, Herrn Röttgen, in der Energiepolitikurchsetzen zu müssen. Sie verwechseln an diesemunkt aber Energie- und Wirtschaftspolitik mit Klientel-olitik.
ie Verlängerung der Restlaufzeiten – ich sage es Ihnenoch einmal – ist nicht nur aus Gründen der Energie-icherheit fragwürdig, sondern auch aus Gründen dereaktorsicherheit.
s ist nicht nur ein Ding der Unmöglichkeit, weil dasroblem der Endlager nirgendwo hinreichend gelöst ist,ie aber dafür sorgen, dass es mehr Atommüll gibt, son-ern auch deshalb, weil es handfeste wirtschaftlicheründe gibt, warum die Verlängerung von Restlaufzei-en für alte, abgeschriebene Atommeiler keine gute Ideest. Die Verlängerung verhindert Investitionen in mo-erne Kraftwerkstechnik und erneuerbare Energien. Ichage es Ihnen noch einmal: Sie machen das Geschäft vonier großen Konzernen zulasten des Wettbewerbs imnergiesektor. Deren Profite haben Sie im Blick, abericht das volkswirtschaftliche Wohl. Das ist eines Bun-eswirtschaftsministers nicht würdig, zumal wenn er iner Tradition von Ludwig Erhard und Karl Schiller ste-en will, was Sie immer vorgeben.
Herr Brüderle, Sie sind bisher gut im Ankündigen ge-esen. Bitte, bleiben Sie dabei! Denn es ist schlimmer,enn Sie versuchen, tatsächlich Politik zu beeinflussen.as zeigt sich wieder dieser Tage beim Energiekonzept.s gibt keine Vorstellung davon, wie Deutschland auf ei-en nachhaltigen Wachstumspfad kommen soll, wie wirettbewerbsfähig bleiben und wie wir neben einemtarken Auswärtsspiel ein starkes Heimspiel auf deminnenmarkt organisieren können. Es gibt über die Tat-ache, dass Sie immer davon sprechen, dass ein Fach-räftemangel in diesem Land droht, und Broschüren
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und Flugblätter Ihres Ministeriums hinaus keine Vor-schläge, wie dieser Entwicklung zu begegnen ist.Sie behaupten, Sie würden im Bundeshaushalt bei derBildung nicht kürzen. Das ist falsch; denn Sie haben mitden Klientelgeschenken, die Sie beispielsweise den Ho-teliers gegeben haben – es war Ihr Herr Burgbacher inIhrem Ministerium, Herr Minister Brüderle, der diesenUnsinn mit der „Hotelsteuer“ angerichtet hat –, die öf-fentlichen Finanzen, vor allen Dingen von Kommunenund Ländern, geschädigt. Dort kann man nun eben weni-ger in Bildung investieren. Ich weiß gar nicht, warumSie diesen Zusammenhang nicht begreifen.Sie können nicht über Fachkräftemangel jammernund gleichzeitig veranlassen, dass der Staat im BereichBildung weniger Geld zur Verfügung stellt. Das ist nichtin Ordnung. Stattdessen sollten Sie in diesem Bereich et-was tun. Nicht ein Begrüßungsgeld für sogenannte Gast-arbeiter brauchen wir, sondern vor allen Dingen erst ein-mal Investitionen in die Köpfe und Herzen der jungenMenschen in diesem Land, egal ob mit Migrationshinter-grund oder nicht.
Kümmern Sie sich darum! Sie hätten die Gelegenheit.Sie haben nicht angesprochen, dass es immer noch70 000 junge Menschen sind, die Jahr für Jahr inDeutschland die Schule ohne schulischen Abschluss ver-lassen. Wir haben auf dem Arbeitsmarkt eine Entwick-lung zu gewärtigen, die in ganzen Regionen zu einemwirtschaftlichen Problem wird. Es gibt einen gespalte-nen Arbeitsmarkt: auf der einen Seite Fachkräfteman-gel, auf der anderen Seite viele junge Menschen – imÜbrigen auch ältere Menschen –, die in Langzeitarbeits-losigkeit landen, weil sie den Einstieg in den Arbeits-markt nicht geschafft haben. Wo ist die Initiative desBundesministers für Wirtschaft und der Bundesministe-rin für Arbeit, um diesem Fachkräftemangel entgegenzu-wirken? Wo sind die Maßnahmen, die wir brauchen, umdenjenigen, die erst einmal durchgefallen sind, einezweite und eine dritte Chance zu geben?Ich habe Sie bei der Verleihung des Gründerpreisesgehört. Sie haben immer viel davon geredet. Aber wosind die konkreten handfesten Ansätze? Ein Wirtschafts-minister der Bundesrepublik Deutschland sollte keinGrußaugust sein, sondern ein Innovator, einer, der Im-pulse gibt, der den Finger in die Wunde legt, der Vor-schläge und Konzepte auf den Tisch bringt und sichnicht in Dampfplauderei auf öffentlichen Veranstaltun-gen ergeht, Herr Minister Brüderle.
Herr Brüderle, wir werden in diesem Haus, im Aus-schuss und auch im Plenum, konkrete Vorschläge ma-chen.
Sie mögen sich hinstellen und alte Vorurteile über So-zialdemokraten verbreiten,wMwwtPckTzvgPNWssWSWfMHgkSgSandb
eil es in Ihr beschränktes FDP-Weltbild passt. Aber dieenschen in diesem Land spüren, dass bei der FDP das,as sie für sich reklamiert, nämlich Politik aufgrundirtschaftlicher Kompetenz, verwechselt wird mit Poli-ik für wenige zulasten von vielen,
olitik für Pharmakonzerne verwechselt wird mit der Si-herung des Gesundheitswesens, Politik für große Hotel-etten verwechselt wird mit Initiativen zur Belebung desourismus in Deutschland, Politik für große Energiekon-erne, vier Stück, und deren Profite
erwechselt wird mit Politik für einen modernen Ener-iebereich. Klientelpolitik statt gemeinwohlorientierteolitik, Einzelinteressen statt volkswirtschaftlicherutzen, kurzfristige Ankündigungen statt langfristigesachstum – diese kurzatmige Politik à la Brüderle istchon heute gescheitert. Die Menschen sehen das aucho. Sie als FDP werden das nicht nur bei den nächstenahlen erleben, sondern erleben das schon jetzt täglich.ie haben jegliche Glaubwürdigkeit im Bereich derirtschaftspolitik verspielt, Herr Minister Brüderle.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Fuchs
ür die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!eine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herreil, wenn man das Unheil hört, das Sie hier von sichegeben haben,
ann einem eigentlich nur schlecht werden.
ie haben bei den Konjunkturpaketen mitgearbeitet – daebe ich Ihnen recht –,
ie haben mit uns einiges mit umgesetzt,
ber jetzt sind Sie gerade dabei, alles wieder zurück aufull zu drehen. Ihr Vorsitzender hat soeben beschlossen,ass man die Rente mit 67, die er selber im Kabinett miteschlossen hat, wieder zurücknehmen sollte. Was ist
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Dr. Michael Fuchs
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das für eine Politik? Sie wissen überhaupt nicht, was Siewollen. Vor vier Jahren haben Sie gesagt: „Wir brauchendie Rente mit 67; das ist notwendig“, und haben mit unsverantwortungsvolle Politik gemacht. Jetzt können Siedas nicht mehr, weil wir nicht mehr an Ihrer Seite sind.Sie tun mir leid.
Wenn ich mir anschaue, wie die wirtschaftliche Situa-tion sich darstellt, kann ich eigentlich verstehen, dass dieOpposition so gequält guckt. Sie guckt deswegen so ge-quält, weil sie die Zahlen, die wir jetzt erreicht haben,nie erreicht hätte.
Die christlich-liberale Koalition ist der Garant dafür,dass es bei Wachstum und Beschäftigung in Deutschlandwirklich vorwärtsgeht. Die EU hat gerade eine Wachs-tumsprognose für dieses Jahr für uns aufgestellt:3,4 Prozent Wachstum hätte uns doch vor einem halbenJahr keiner zugetraut. Ich weiß noch, als der Bundeswirt-schaftsminister am Anfang des Jahres zögerlich mit1,4 Prozent plante. Das war sehr niedrig angesetzt, aberwir wollten vorsichtig sein. Jetzt sind wir auf einemWeg, den einzuschlagen uns wirklich keiner in ganz Eu-ropa zugetraut hat.Natürlich haben wir Glück, weil der Export boomt.Das hat auch etwas mit dem weicheren Euro zu tun; soweich ist er allerdings gar nicht: Gestern lag er im Ver-hältnis zum Dollar bei 1,29. Das ist eine mittlere Zahlund ein vernünftiger Durchschnitt. Es hat auch etwas da-mit zu tun, dass der Binnenmarkt angesprungen ist.Auch das hätte eigentlich kein Mensch geglaubt. FrauLagarde hat uns ja vor nicht allzu langer Zeit noch auf-gefordert, etwas mehr für den Binnenmarkt zu tun. Ichglaube, die Franzosen wären verdammt froh, wenn sieunser Binnenmarkt- und Exportwachstum hätten. InFrankreich liegt das nämlich bei 1,7 Prozent; bei uns lages im zweiten Quartal dieses Jahres bei 3,7 Prozent. KeinIndustrieland in der Welt, auch nicht die USA, hat solcheWachstumsperspektiven, wie wir sie zurzeit haben. Dassollte man einmal ganz deutlich sagen.
Das Weltwirtschaftsforum in der Schweiz hat geradefestgestellt, dass Deutschland hinsichtlich der Wett-bewerbsfähigkeit auf Platz eins in Europa liegt. Diedeutsche Wirtschaft hat ihre Hausaufgaben gemacht, dieArbeitgeber haben ihre Hausaufgaben gemacht und zu-sammen mit den Gewerkschaften dafür gesorgt, dass eswieder Wachstum in Deutschland gibt. Als wir im letz-ten Jahr beim Wachstum ein Minus von fast 5 Prozenthatten, konnte sich kaum einer vorstellen, dass wir soschnell wieder aus dieser Krise herauskommen. Das hatkein anderes Land geschafft.Das beste Konjunkturprogramm, Herr Heil, das Sievöllig ausgeblendet haben, ist die Schaffung zusätzlicherArbeitsplätze,LtWlSAsAdbdrbkIAwlFh97ApwfnhdbmwwbGßm
euten die Chance zu geben, am Wirtschaftswachstumeilzuhaben.
ir haben mittlerweile nur noch 3 Millionen Arbeits-ose. Als Schröder aufgehört hat, waren es 5 Millionen.ie konnten es nicht. Sie haben uns gebraucht.
uf dem Weg dahin haben wir mit Ihnen richtige Ent-cheidungen getroffen.
ber mittlerweile wird es noch besser; denn wir könnenarauf hoffen, dass die 3-Millionen-Grenze bei den Ar-eitslosen vielleicht schon im September nach untenurchbrochen wird. Das hieße, dass wir dann die nied-igste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung ha-en würden. Das ist wirklich eine Erfolgsgeschichte. Daönnen Sie erzählen, was Sie wollen.
ch weiß, dass Sie das nicht gerne hören.
ber das ist das beste Konjunkturprogramm für alle.
Schauen wir uns einmal die Arbeitslosenquoten welt-eit in den großen Industrieländern an: Bei der EU-27iegt sie bei 9,2 Prozent, in Spanien bei 18,7 Prozent, inrankreich bei 9,6 Prozent und in den USA, wo sie bis-er immer deutlich unter der unsrigen gelegen hat, bei,7 Prozent, während sie in Deutschland zurzeit bei,6 Prozent, Tendenz fallend, liegt. Man spricht imusland vom „German Job Wonder“. Das ist mehr alsositiv. So sollten wir das jedenfalls sehen. Wenn wireiterhin die richtigen Entscheidungen treffen, dannunktioniert das auch noch länger.Wir haben richtige Entscheidungen getroffen, von de-en Sie heute vielfach gar nichts mehr hören wollen. Sieaben ja noch mit uns das Bürgerentlastungsgesetz aufen Weg gebracht. Wir haben dieses um das Wachstums-eschleunigungsgesetz ergänzt. Beide Gesetze zusam-en haben dazu geführt, dass wir sowohl beim Binnen-achstum als auch bei der wirtschaftlichen Entwicklungieder nach vorn kommen. Das ist in Ordnung. Dasrauchen wir so.Es war auch richtig, die Rettungsschirme, die wir fürriechenland und den Euro gespannt haben, zu beschlie-en. Sie als Opposition aber haben diesen Rettungsschir-en Ihre Zustimmung verweigert.
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Dr. Michael Fuchs
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Das war falsch. Sie sehen ja jetzt – –
– Es stimmt, nicht alle. In diesem Falle haben Sie sichsogar ausgesprochen positiv verhalten, Frau Künast. Dasmöchte ich loben. Entschuldigung! Aber die Herrschaf-ten auf der linken Seite des Hauses haben sich verwei-gert, und das war falsch.
Die Weltwirtschaft wächst in diesem Jahr um 4 Pro-zent. Wenn es uns tatsächlich gelingt, ein Wirtschafts-wachstum in einer Größenordnung von 3,4 Prozent, wiees uns die OECD voraussagt, zu erzielen, dann wäre die-ses Jahr das erste Jahr seit annähernd 20 Jahren, wo wirungefähr im Gleichschritt mit der Weltwirtschaft wach-sen. Auch diese positive Entwicklung hat uns keiner zu-getraut.
Die Binnennachfrage ist ausgesprochen stark. Wa-rum? Weil wir eine Menge an Maßnahmen im Wachs-tumsbeschleunigungsgesetz ergriffen haben – Sie, HerrHeil, hören das ja nicht so gerne –, die für die Bürgerin-nen und Bürger positiv waren. Wir haben die Kinderfrei-beträge und das Kindergeld erhöht und dafür gesorgt,dass die Krankenkassenbeiträge steuerlich absetzbarsind.
Wir haben Familien mit Kindern um 4,6 Milliarden Euroentlastet. Außerdem haben wir etliche Maßnahmen fürdie Unternehmen ergriffen, um das zu korrigieren, waswir aufgrund Ihrer falschen Positionen in der letzten Re-gierung falsch gemacht haben. Beispielsweise sind diegeringwertigen Wirtschaftsgüter jetzt wieder voll steuer-lich absetzbar, wie das von Anfang an der Fall war. Daswar richtig.
Das Ganze haben wir parallel zu einem sehr ambitio-nierten Programm gemacht. Der Finanzminister hat voll-kommen recht: Wir müssen den Pfad der Konsolidierungdes Haushaltes einhalten. Ich erinnere daran: Als HerrSteinbrück letztes Jahr den ersten Entwurf des Haushal-tes für dieses Jahr vorgelegt hat,
waren darin noch 86 Milliarden Euro Neuverschuldungenthalten. Wir werden, lieber Herr FinanzministerSchäuble, dieses Jahr auf rund 60 Milliarden Euro kom-men. Wir machen dies, weil Konsolidierung unser zen-trales Ziel ist, das wir dringend erreichen müssen.fhdgsHklSt–ecttdKWWbttwtWgegSan5hD
ir werden uns dann ansehen, ob das vernünftig war.enn die Zahlen so sind, wie Sie sie gerade genannt ha-en, dann wurde eben nicht ausreichend investiert. Ges-ern Abend hat mir der Präsident der DEHOGA mitge-eilt, es seien bereits 750 Millionen Euro investiertorden. Wir wollen die Zahlen überprüfen und abwar-en, was am Ende des Jahres dabei herauskommt.
Wir haben das Konsolidierungsprogramm auf deneg gebracht. Ich möchte einige Zahlen nennen, die zei-en, dass Ihre Argumentation, dieses Programm habeine gewaltige soziale Schieflage, völlig aus der Luft ge-riffen ist. Im Jahr 2000 – damals regierte Gerhardchröder – betrug der Anteil der sozialen Sicherungm Bundeshaushalt 41,2 Prozent. Letztes Jahr, als wiroch gemeinsam regierten, Herr Heil, betrug er rund0,3 Prozent. In diesem Jahr beträgt er 54,5 Prozent. Daseißt, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublikeutschland hatten wir einen solch hohen Anteil der so-
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Dr. Michael Fuchs
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zialen Sicherung wie jetzt. Dann von sozialer Schieflagezu sprechen, halte ich schon für sehr verwegen.Am Sparpaket hat der Bereich Soziales einen Anteilvon etwa einem Drittel. Aber der Anteil am Haushaltliegt über 40 Prozent. Das heißt, wir sparen im sozialenBereich unterproportional im Vergleich zu allen anderenBereichen. Das ist richtig und eine vernünftige Politik,die wir da machen. Das soll auch so bleiben.Wenn ich die Opposition predigen höre, wir müsstennoch mehr Deficit Spending machen – diese Forderungkommt vor allen Dingen vom ganzen linken Teil diesesHohen Hauses –, dann kann ich mich nur noch wundern.Sie haben Keynes anscheinend nur bis zum ersten Kapi-tel gelesen. Im zweiten Kapitel sagt er genau, was manin Aufschwungphasen tun sollte. Sie sollten das ganzeBuch lesen; das hilft Ihnen weiter.
Was wir in der Energiepolitik machen, ist verant-wortliche Politik. Ich halte es für richtig, dass wir dieLaufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre verlängern.Ich halte es auch für richtig, dass wir die großen Erträgein hohem Maße abschöpfen.
In den ersten zwei Jahren zahlen die Kernkraftwerksbe-treiber 2,6 Milliarden Euro pro Jahr. 2,3 Milliarden Eurogehen direkt in den Haushalt und 300 Millionen Euro inden Fonds. In den vier Folgejahren zahlen sie 2,5 Mil-liarden Euro, wovon wiederum 2,3 Milliarden Euro inden Haushalt und 200 Millionen Euro in den Fonds flie-ßen.
Wir sind auf diese Art in der Lage, viel Geld in den Ein-stieg in erneuerbare Energien, in Speichertechnologien,in Forschung, in Netzausbau etc. zu investieren.Zum Thema Netzausbau darf ich Ihnen einmal einessagen: Sie alle fordern hier erneuerbare Energien. Auchich tue das; ich finde das auch richtig. Nur, wir wissen,dass erneuerbare Energien dezentral entstehen.
Wenn Sie dezentral entstehen, dann brauchen wir Lei-tungsnetze, damit sie dahin kommen, wo sie gebrauchtwerden.
Und wer macht etwas gegen Leitungsnetze? VerehrteFrau Künast, kommen Sie in meinen Wahlkreis. Da solleine 380-kVA-Leitung gebaut werden. Wer ist dagegen,dass diese Leitung gebaut wird?
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Ich sage Ihnen noch eines. Wir wollen Offshore-indanlagen bauen. Dafür bin ich absolut. Da stören sieicht; da sieht man sie nicht. Sie sind irgendwo draußen.as ist eine komplizierte Geschichte und sehr teuer.uch das wird in Zukunft mit dem Erneuerbare-Ener-ien-Gesetz gefördert werden. Aber der Strom wirdicht in der Nordsee gebraucht. Nach meiner Kenntnisieben Fische keinen Strom.
Wenn es uns nicht gelingt, ein vernünftiges Leitungs-etz von der Nordsee und der Ostsee in die Gegenden zuauen, in denen wir den Strom brauchen – zum Beispieln das Ruhrgebiet oder nach Bayern, wo man heute noch5 Prozent Kernkraftstrom nutzt –, dann funktioniert dasanze System nicht. Deswegen brauchen wir ein Lei-ungsnetz, das wirklich vernünftig ist. Dieses Leitungs-etz müssen wir aufbauen. Ich erwarte von den Grünen,ass sie ihre Kameraden in den Ländern zurückpfeifennd dafür sorgen, dass diese Dinge auch umgesetzt wer-en können.
Herr Kollege Fuchs, darf Ihnen der Kollege Lenkert
och eine Zwischenfrage stellen?
Nein, es reicht jetzt. – Wir werden durch diese Mög-ichkeiten auch in der Lage sein, den Strompreis inchach zu halten. Es ist in den Energieszenarien, die wirrstellt haben, bewiesen, dass der Strompreis sinkenird und dass die erneuerbaren Energien besser ausge-aut werden.Das ganze Geschwätz, dass der Kernkraftstrom dieeitungen verstopfen würde, zeigt doch, dass entwedereinerlei Ahnung vorhanden ist oder demagogisch falschrgumentiert wird.
ie soll denn, bitte schön, Atomkraft die Leitungsnetzeerstopfen, wenn erneuerbare Energien einen Leitungs-orrang haben?
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6160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Dr. Michael Fuchs
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Die erneuerbaren Energien werden zuallererst durchge-lassen, und nichts anderes passiert. Das wissen Sie ganzgenau. Deswegen sollten Sie hier auch nicht solche Un-wahrheiten verbreiten; denn das verunsichert die Bevöl-kerung. Wir wollen der Bevölkerung Sicherheit geben.Wir wollen dafür sorgen, dass die erneuerbaren Energienausgebaut werden, aber zu Preisen, die die Bürgerinnenund Bürger bezahlen können,
und vor allen Dingen zu Preisen, die die Unternehmennicht aus Deutschland vertreiben. Das ist uns wichtig.Wir brauchen in Deutschland die Industrie.
Mein Bild von Deutschland ist ein Industrieland. Wirsind deswegen so gut aus der Krise gekommen, weil un-sere Industrie Arbeitsplätze aufgebaut hat und weiter ge-wachsen ist, und das muss auch so bleiben.
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Lenkert
das Wort.
Herr Kollege Fuchs, eine kurze Frage: Ist Ihnen be-
kannt, dass die Netzbetreiber verpflichtet sind, eine Lei-
tung zu legen, egal wohin ein Kraftwerksbetreiber sein
Kraftwerk bauen will, dass dies volkswirtschaftlich rela-
tiv sinnlos ist und dass es in früheren Zeiten, bevor Sie
Netze und Betreiber getrennt haben, üblich war, die
Kraftwerke zum einen dorthin zu bauen, wo Strom ge-
braucht wurde, damit man nicht so viele Leitungen
bauen musste, und zum Zweiten, wo Leitungen frei wa-
ren? Dieses Prinzip ist außer Kraft gesetzt. Würden Sie
mir zustimmen, dass das natürlich die Akzeptanz der Be-
völkerung für Leitungsneubauten deutlich reduziert?
Ist Ihnen denn bekannt, dass Anlagen zur Nutzung er-
neuerbarer Energien dort gebaut werden, wo der Betrei-
ber es wünscht, dass deshalb natürlich Netze vorhanden
sein müssen? Wir haben einen Einspeisevorrang für er-
neuerbare Energien; die Netze müssen ihn gewährleis-
ten.
Ich halte es übrigens für richtig, dass die Netzbetrei-
ber von den Kraftwerksbetreibern getrennt sind. Dieses
Unbundling ist auch europäische Politik. Die Grünen
sollten sich damit beschäftigen.
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st das in der Regel nicht besonders gut für das Land.
err Brüderle, Sie träumen vom Wirtschaftsaufschwungit Flügeln. Ich will Ihnen nicht Ihre Träume nehmen;ber eigentlich sollten Sie wissen, auf welch wackeligenundamenten das Wachstum, das wir aktuell in Deutsch-and haben, beruht. Sie träumen von einem Jobwunder,ber wissen ganz genau, dass Sie die Statistik fälschen,eil Sie etwa 1 Million Menschen, die in diesem Landeerzweifelt nach Arbeit suchen, schlicht nicht mehr er-assen und einrechnen.Noch eine andere Zahl ist interessant: Die Summe deröhne und Gehälter liegt heute in der Bundesrepubliknflationsbereinigt auf dem Niveau von 1991. Das mussan sich einmal vergegenwärtigen. Diese Zahl ergibtich trotz der ganzen gefeierten tollen neuen Jobs, diengeblich geschaffen wurden: Billigjobs, Minijobs so-ie Leiharbeit, die wieder auf Vorkrisenniveau boomt.ll das sind Jobs, von denen Menschen eben nicht lebenönnen. Das ist das Grundproblem.Im Gegenzug sind die Einkommen aus Gewinnen undermögen in diesem Jahr schon wieder nach oben ge-chossen, und zwar um 22 Prozent. Herr Brüderle, dasst Ihr Aufschwung, aber er trägt nicht. Denn diejenigen,ie diese dicken Einkommen beziehen, schieben daseld nur in die Finanzmärkte, während der Binnenmarktnd der Konsum unverändert am Boden liegen.
Gerade deshalb ist Ihr Sparpaket eben nicht nur einozialer Skandal, sondern auch ein wirtschaftspolitischerrrsinn. Sie können doch nicht im Ernst glauben, dassie die Wirtschaft dadurch stabilisieren, dass Sie denen,ie nun wirklich jeden Euro für ihre dringendsten Le-ensbedürfnisse brauchen, das letzte Geld aus der Ta-che ziehen.
Hören Sie doch endlich auf, uns zu erzählen, das seiin Sparpaket. Sie sparen doch gar nicht. Die annähernd0 Milliarden Euro, die Sie Hartz-IV-Empfängern, Ar-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6161
Sahra Wagenknecht
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beitslosen und Geringverdienern in den nächsten Jahrenaus der Tasche ziehen wollen, haben Sie doch schonvorab bei der HRE versenkt.
Das ist doch keine Sparpolitik. Das machen Sie wirklich:Sie arbeiten daran, den Sozialstaat im Interesse einer un-gebremsten und ungehemmten Profitmacherei endgültigzu entsorgen. Das ist doch das, was hier läuft; das läuftleider seit Jahren in diesem Land.
Ich muss allerdings auch sagen, dass ich immer wie-der wirklich verblüfft bin, mit welcher Selbstgefälligkeitdie SPD hier den Robin Hood der sozial Entrechtetengibt. Ja, wann hat das denn alles angefangen mit Billig-jobs, Rentenkürzungen, Leiharbeit und Hartz IV?
Das alles fing doch im Wesentlichen bei Ihnen an, unterRot-Grün: Arbeitslose werden in übelster Weise gede-mütigt, Banken finanzieren lieber Finanzwetten als inno-vative Mittelständler, die Löhne sinken,
Dividenden sind wichtiger als Ausgaben für Forschungund Entwicklung. Die Weichen in diese Sackgassen wur-den doch im Wesentlichen unter Beteiligung der SPDgestellt.Nun will ich jeder Partei zubilligen, dass sie sich kor-rigieren kann.
Das Erschreckende ist aber: Sie korrigieren sich garnicht. Sie tun einfach nur so, als hätten Sie mit dem indiesem Lande angerichteten sozialen Desaster einfachnichts zu tun. Da kann ich Sie nur fragen: Merken Sieüberhaupt nicht, wie unglaubwürdig diese Inszenierungist, die Sie hier immer wieder abziehen?
Ich komme zurück zur Regierung. Für Walter Eucken,
einen der geistigen Väter des Konzepts der sozialenMarktwirtschaft – den Sie wahrscheinlich alle wiedernicht gelesen haben –,
war das Prinzip der Haftung die Voraussetzung für einefunktionierende Wettbewerbsordnung. Eucken wörtlich:„Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen.“Herr Brüderle, wir verlangen nicht, dass Sie auf uns, dieLinke, hören, aber hören Sie wenigstens auf WalterEucken und sorgen Sie dafür, dass diejenigen, die ausder Spekulationsparty und dem Dividendenregen denNuAeEsEmevnsswdPBs–mnDmdtSadKedhB
it Ihrer neoliberalen Politik gemästet haben und immeroch mästen.
as ist das Grundproblem. Das ist schlimm für die De-okratie und gefährlich für die Zukunft. Es wird Zeit,ass sich die Menschen gegen Ihre verhängnisvolle Poli-ik mit gleicher Vehemenz zur Wehr setzen, wie es dietuttgarter gegenwärtig mit gutem Grund bei diesemberwitzigen Tunnelbahnhof tun.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Fritz Kuhn für
ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Liebe Frau Wagenknecht, eine Partei bzw.ine Fraktion, die sich in den letzten Monaten nur miten Reallohnsteigerungen ihres Vorsitzenden beschäftigtat und mit sonst gar nichts, sollte etwas weniger aufslech hauen, als Sie es gemacht haben.
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6162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
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NEN]: Auf den Satz habe ich mich schon ge-freut! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]:Das ist selbst unter Ihrem Niveau! – SevimDağdelen [DIE LINKE]: Das müssen Sie vonden Grünen gerade sagen!)Herr Brüderle, zu dem, was Sie vorgetragen haben,kann ich nur sagen: Ich muss mich schon wundern. Sel-ten hat sich ein Minister, der in dem bis jetzt knapp einenJahr seiner Amtszeit so gut wie nichts gemacht hat – bis-her haben Sie nur Ankündigungen gemacht –,
die wirtschaftliche Entwicklung so sehr auf die Fahnengeschrieben, wie Sie das eben getan haben. Alle Exper-ten im In- und Ausland schreiben,
dass der Umstand, dass wir schneller bzw. gut aus derKrise gekommen sind, im Wesentlichen arbeitsmarktbe-gründet ist. Das hat mit der Kurzarbeiterregelung undden Konjunkturprogrammen zu tun. Gegen beides sindSie kräftig zu Felde gezogen.Ihr Weltbild ist klar: Geht es der Wirtschaft schlech-ter, ist Rot-Grün schuld; geht es der Wirtschaft besser,sind Sie dafür verantwortlich.
– Das ist das Schöne bei euch. Solange ihr das glaubt,seid ihr harmlos ohne Ende. Ihr solltet euch aber gele-gentlich mit der Frage beschäftigen, wieso ihr von rund14 Prozent auf etwa 5 Prozent geschrumpft seid, wodoch der Aufschwung so großartig und FDP-geschuldetist. Irgendwie verstehen die Menschen draußen nicht,wie toll ihr seid.
Wir müssen aufpassen, dass der Aufschwung einenachhaltige Ergänzung auf dem Binnenmarkt erfährt.Ich kenne die Zahlen. In diesem Bereich sieht es besseraus, aber ich halte die Entwicklung nicht für nachhaltig,weil die Menschen lange mit Konsumausgaben gezögerthaben, die sie jetzt dringend tätigen müssen. Die Binnen-marktentwicklung muss nachhaltig sein, sonst bekom-men wir erneut die Leistungsbilanzprobleme, die uns dieEU ins Stammbuch geschrieben hat. Wann wäre dieStunde, wenn nicht jetzt, den Binnenmarkt zu stabilisie-ren, indem man vernünftige Mindestlöhne in Deutsch-land einführt?
Bei diesem Thema sind Sie der Oberbremser, weil Sieden Kabinettsvorbehalt nutzen, wie jüngst bei der Zeit-arbeit, um immer wieder auf die Bremse zu treten. Ichkann nur sagen: Mit dem ordnungspolitischen Kernkon-zept einer sozialen Marktwirtschaft ist das, was Sie beidMelsTewdbrbEPdFFagpammgwsSSpbvdwgzgDniwcDgs
Eine kurze Bemerkung, weil wir über den Haushalteden. Den Kreditmediator brauchen wir nicht. Dafür ha-en Sie wieder, wie schon im letzten Jahr, 5 Millionenuro in den Haushalt hineingeschrieben. Hinter diesenosten sollten Sie schreiben: Abwickeln. Ich hoffe, dassas, was da angesagt ist, Ihrem rheinland-pfälzischenreund, Herrn Metternich, vermittelbar ist.
ür das, was man nicht braucht, gibt man auch nichtsus. Das ist eine relativ vernünftige kaufmännische Re-el.Ich komme zu dem, was Sie im Bereich der Energie-olitik, für die Sie eine genuine Zuständigkeit haben,ngerichtet haben bzw. anrichten wollen. Zunächst ein-al: Dass ein Wirtschaftsminister ein Energiekonzeptitträgt – dabei geht es auch um Arbeitsplätze und Ener-iesicherheit –, dessen wissenschaftliche Grundlagen,ie das ja in den Gutachten nachgelesen werden kann,o fragwürdig sind, kann ich nicht nachvollziehen. Dassie verschiedene Szenarien untersuchen und bei denzenarien mit einer Laufzeitverlängerung hohe Einspar-otenziale beim Energieverbrauch unterstellen, abereim Referenzszenario ohne Laufzeitverlängerung da-on ausgehen, dass weniger Energie eingespart wird, istoch völlig skurril und politisch unglaubwürdig. Geradeenn Sie die Laufzeiten nicht verlängern und nicht län-er Atomstrom ins Netz speisen, werden Sie für die Effi-ienzsteigerung doch umso mehr tun. Das ist nicht lo-isch, was in Ihrem Konzept steht.
ass Sie es auf so etwas gründen, können wir wirklichicht nachvollziehen.Dass wir nach Ihrem Laufzeitverlängerungsszenariom Jahr 2050 einen Stromimport von 30 Prozent haben –as hat das mit Energiesicherheit und einer fortschrittli-hen Energierevolution zu tun?
as ist einfach blanker Unsinn, und wer auf Unsinnründet, kommt nicht zu vernünftigen politischen Vor-chlägen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6163
Fritz Kuhn
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Jetzt muss ich fragen: Herr Brüderle, wo ist eigentlichIhr marktwirtschaftlicher Kompass? Einer der elemen-tarsten Grundsätze der deutschen sozialen Marktwirt-schaft, von den Gründervätern angefangen bis jetzt, warimmer: Es ist Aufgabe des Staates, den Wettbewerb zustärken, Oligopole und Monopole zurückzudrängen unddafür zu sorgen, dass wir stets einen freien Wettbewerbals Voraussetzung für wirtschaftliche Kreativität haben.Das ist das Kerncredo der sozialen Marktwirtschaft. AmAnfang haben Sie mit dem Ansatz für ein Entflechtungs-gesetz – den haben Sie still und heimlich in die Tüte ge-tan – den Eindruck erweckt, als würde Ihnen das Themaordnungspolitisch am Herzen liegen. Das gehört ja zurGrundrhetorik der Marktwirtschaftler. Und jetzt? Wasmachen Sie jetzt mit den Laufzeitverlängerungen? Siegeben den vier Oligopolisten zusätzliche Marktvorteile.Die vier Großen, die den Markt beherrschen, erhaltendurch Ihr Energiekonzept mindestens 60 MilliardenEuro, die sie nicht an den Staat oder an Fonds gebenmüssen.
Das heißt, Sie machen die marktbeherrschenden Akteuream Energiemarkt um ein Vielfaches stärker, als sie esheute sind. Ich frage: Wo ist da der WettbewerbshüterRainer Brüderle?
Sie verschlechtern die Wettbewerbsmöglichkeiten, an-statt sie zu verbessern. Sie reden zwar über den Wettbe-werb, helfen aber denen, die ihn kaputtmachen und wei-ter kaputtmachen werden.Diese Kritik am Wirtschaftsminister betrifft nichtsNebensächliches, sondern bedeutet klipp und klar, dassSie die Kernaufgabe „Hüter des Wettbewerbs undKämpfer gegen die Monopole“ auch nicht einmal imAnsatz wahrnehmen, sondern ins Gegenteil verkehren.Deswegen stehen Sie nicht in der Tradition der sozialenMarktwirtschaft, die besagt, für Wettbewerb einzustehenund ihn nicht kaputtzumachen.Mir gefallen ja die elektronischen Anzeigetafeln gut,die wir jetzt im Plenarsaal haben. Bei Ihren Redenmüsste in Zukunft dort stehen: Rainer Brüderle, sponso-red by RWE, EnBW, Eon und Vattenfall. – Denn nichtsanderes machen Sie in der Energiepolitik.
Jetzt muss man natürlich die FDP-Rhetorik sehen:Hüter des Mittelstands wollen Sie sein. Aber Sie machenFolgendes: Sie streichen bei den Programmen zur ener-getischen Gebäudesanierung, die im Etat von HerrnRamsauer sind, und fördern die Atomlobby. Das heißt,diejenigen, die von den EnergieeinsparungsprogrammenpswIMAueESIdEmktpiShkwhSgEwDßgbSwaUnnefSckcGdf
ch glaube, es ist bei den Leuten deutlich angekommen,ass man nicht sagen kann, man wolle die erneuerbarennergien fördern, und dann erst einmal eine Politikacht, die die alten Energieformen stabilisiert.Selbstverständlich kommt es im Netz zu einer Kon-urrenz. Herr Fuchs, ich wundere mich über Ihre Naivi-ät. Natürlich ist der Ausdruck vom Verstopfen nur eineolitische Metapher, aber es ist tatsächlich so, dass wirn Deutschland schon heute an vielen Tagen unserentrom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bezie-en können. Doch dann passiert Folgendes: Die Atom-raftwerke können nicht kurzfristig heruntergefahrenerden, weil sie nicht wie kleine Gaskraftwerke voneute auf morgen flexibel regulierbar sind. Daher habenie das Problem, dass es eine Konkurrenz zwischen denroßen Kraftwerken einerseits und den erneuerbarennergien andererseits gibt. Die Definition von Grundlastird sich in den nächsten Jahren massiv verschieben.eswegen gibt es keine Koexistenz zwischen den gro-en Kraftwerken und der dezentralen Energieversor-ung.
Über das, was Sie zum Leitungsbau gesagt haben,rauchen wir uns nicht zu streiten. Aber dann machenie auch eine vernünftige Energiepolitik! Dann sprechenir über die Frage, wie man vor Ort in den Landkreisenuftreten muss, damit Leitungen dort akzeptiert werden.nd: Zeigen Sie bei Blockaden nicht immer auf die Grü-en!Ich sage Ihnen: Bei Ihrer ach so geliebten CCS-Tech-ik, dem Verbringen von CO2 in die Erde, sollten Sieinmal Peter Harry Carstensen in Schleswig-Holsteinragen, wie begeistert die CDU dort von dieser Idee ist.ie führt dort den Widerstand an; also Vorsicht bei sol-hen Geschichten. Klar ist doch: Sie müssen die Bevöl-erung überzeugen, wenn Sie etwas Notwendiges ma-hen wollen. Sie können sie nur mit einem vernünftigenesamtkonzept überzeugen, mit einer echten Brücke inie erneuerbaren Energien, aber nicht mit Lobbypolitikür die Atomkraft.
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6164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Fritz Kuhn
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Ich komme zum Schluss. Herr Brüderle, mit Markt-wirtschaft hat das, was Sie gepredigt haben, nichts zutun. Sie haben nicht erklärt, warum der Entwurf IhresEntflechtungsgesetzes jetzt plötzlich in der Schubladeist. Natürlich haben Sie zum Beispiel auch in der Ge-sundheitspolitik gemerkt, dass Sie auf die eine oder an-dere Problematik bei den PKVs stoßen.
Herr Kollege.
Wir werden hier in diesem Hause nicht mehr durchge-
hen lassen, dass Sie die Erbschaft der sozialen Markt-
wirtschaft für sich reklamieren und gleichzeitig die
Macht der Oligopole stärken, wie Sie es jetzt bei Ihrem
Energiekonzept tun.
Ich danke Ihnen.
Ulrike Flach ist die nächste Rednerin für die FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrKuhn, wie sich ein Vertreter einer Fraktion, die nunwirklich eine alles andere als ausgereifte Vorstellung vonder Energieversorgung in den nächsten Jahrzehnten hat,an dieser Stelle so äußern kann, wird mir ewig unklarsein. Sie wollen Atomkraft nicht, Sie wollen Kohlekraftnicht, Sie wollen kein CCS. Was wollen Sie eigentlich?Sie wollen dieses Land vor allen Dingen abhängig ma-chen von Importen aus anderen Ländern.
Ich muss an dieser Stelle etwas zu dem Vorwurf, den Sieimmer so wohlfeil in die Welt setzen und in dem vonLobbyismus die Rede ist, sagen: Wo sind denn eigent-lich die führenden Köpfe der Grünen und der SPD ge-blieben? Sie sind ohne eine Schamfrist zu den Energie-versorgern gegangen, nachdem sie aufgehört haben, zuregieren. Das war Lobbyismus pur und hat mit dem, washier heutzutage läuft, überhaupt nichts zu tun.
Meine Damen und Herren, der Haushalt 2011 stelltdie Weichen neu. Die Wirtschafts- und Finanzkrise istzwar noch nicht für alle Branchen überwunden, aber esist Zeit, die Rettungsschirme zu schließen und den Wirt-schaftsfonds auslaufen zu lassen. Das war richtig; dennwir leben in einer Zeit, in der wir sicherstellen müssen,dass unsere Kinder ohne Schulden leben. Wir müssen se-hen, dass wir die Schulden, die Sie hinterlassen haben,abbauen. Wir wissen alle, dass Kinder nicht auf Schul-dNüszsduvHsdzsTZdsLttdDqL–siJn9wdhggnsds–
enn unsere Wirtschaft kann nur boomen, wenn wirualifizierte Köpfe haben. Ansonsten laufen wir inseere.
Herr Heil, Sie sollten sich den Haushalt einmal an-chauen, bevor Sie hier so herumlärmen. Lesen hilftmmer: 9 Millionen Euro allein für die Vermittlung vonugendlichen aus geringfügigen Beschäftigungsverhält-issen.
Millionen Euro für die Hilfe von Kammern bei der Be-ertung ausländischer Qualifikationen. Vergleichen wiras doch einmal mit dem, was Sie gemacht haben. Sieaben in diesem Bereich nichts unternommen. Deswe-en ist das ein deutlicher Fortschritt.
Dieses Ministerium ist übrigens auch ein Technolo-ieministerium. An dieser Stelle will ich namens der In-ovationspolitiker der FDP deutlich sagen: Wir drängeneit vielen Jahren auf eine steuerliche Forschungsför-erung. Sie sehen daran, dass wir sehr wohl in der Lageind, die politischen Bereiche – –
Gerne.
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Dazu fällt einem manches ein. Jedenfalls wünscht und
erhält nun der Kollege Heil die Gelegenheit zu einer
Zwischenfrage.
Geschätzter Herr Präsident, herzlichen Dank. – Liebe
Frau Flach, wir haben zum Thema „steuerliche For-
schungsförderung“ eine Anfrage an diese Bundesregie-
rung gestellt.
Die Antwort lautet: Wir werden das, was wir im Koali-
tionsvertrag beschrieben haben, nicht umsetzen. – Wa-
rum verschwenden Sie also Ihre Redezeit mit der Forde-
rung nach etwas, das Sie selbst nicht umsetzen? Das ist
durchaus vernünftig; aber dazu gibt es laut Angaben der
Bundesregierung kein Konzept und keine Unterfütte-
rung.
Lieber Herr Heil, ich habe vorhin schon darauf hinge-
wiesen, dass es gut wäre, wenn Sie ein bisschen warten
und sich erst dann äußern würden. Ich war gerade dabei,
zu erläutern, warum wir auf die steuerliche Förderung in
dieser Legislaturperiode verzichten, nämlich aus dem
einfachen Grund, weil wir im Gegensatz zu Ihnen über
den Haushalt nachdenken, weil wir im Gegensatz zu Ih-
nen wissen, an welcher Stelle es entscheidend ist, mit er-
folgreichen Programmen weiterzumachen
und die Mittel dafür aufzustocken. Wir haben uns auf
den mittelständischen Bereich konzentriert, weil wir
wissen, dass Mittel im erforderlichen Umfang nicht vor-
handen sind. Deshalb haben wir allein 500 Millionen
Euro zusätzlich für ZIM, das Zentrale Innovationspro-
gramm Mittelstand, bereitgestellt, das übrigens unter Ih-
rer werten Führung eingeführt wurde.
Dieses Programm haben wir immer als gut gepriesen.
Die Mittel für dieses Programm stocken wir auf, weil
wir wissen, dass wir die steuerliche Förderung in dieser
Periode nicht umsetzen können.
Sie fordern von uns doch immer Realismus ein.
Jetzt ist Realismus da, und Realismus heißt, dass man
eine Förderungsform nicht einführen kann, wenn die
Mittel im Haushalt nicht vorhanden sind. Das unter-
scheidet uns von Ihnen. Aus diesem Grunde kommen
wir zu einem nachhaltigen Haushalt. Wir kommen zu ei-
ner sinkenden Neuverschuldung. Gleichzeitig kommen
wir zu einer erhöhten Förderung im mittelständischen
Bereich. Ich denke, selbst Kollege Riesenhuber, der im-
mer so gern zur steuerlichen Förderung spricht, wird da-
mit zufrieden sein.
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ir tun das, und in den nächsten Jahren werden wir das
ortführen.
Der Technologieminister Rainer Brüderle wird die
rogramme straffen. Er hat gerade darauf hingewiesen:
s wird Zeit. Wir haben von der Großen Koalition und
on der rot-grünen Koalition einen Bauchladen über-
ommen. Dieser Bauchladen wird nun zusammenge-
ührt. Er wird zu einem effektiven, schlagkräftigen In-
trument gemacht. Im nächsten Jahr werden wir darüber
iskutieren, wie man Technologie in diesem Land mit ei-
em stringenten Konzept durchgehend fördern kann.
as ist der große Unterschied zur Politik unserer Vor-
ängerregierungen.
Ich wünsche uns allen eine gute Haushaltsberatung
nd dass wir den Haushalt so auf den Weg bringen können.
Nächster Redner ist der Kollege Garrelt Duin für die
PD-Fraktion.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-egen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsministerrüderle, zunächst einmal nachträglich herzlichen Glück-unsch! Heute und Stern haben Ihnen im Juli einen Titelerliehen: „König des Sommerlochs“. Diesen Eindruckatte man in der Tat. Mit Vorschlägen wie einer Begrü-ungsprämie für – Zitat – „Gastarbeiter“ oder der Ab-chaffung der Rentengarantie haben Sie medial für vielirbel gesorgt. Tatsächlich passiert ist aber nichts. Inso-ern hat Bundesgesundheitsminister Rösler, der jetzt lei-er nicht hier ist – allerdings kenne ich ihn aus vielen Jah-en in Niedersachsen gut und kann deswegen auch seineeden gut einschätzen, insbesondere dann, wenn er, washn durchaus auszeichnet, gelegentlich ins Humoristischeerfällt –, in der Rede, die er letzte Woche gehalten hat, ininem Punkt absolut recht. Er hat gesagt: Wir haben zehnonate nichts getan. – Dann fügte er hinzu:Das waren genau die zehn Monate, die die Wirt-schaft gebraucht hat, um sich zu erholen.
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6166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Garrelt Duin
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Da kann man ihm wirklich nicht widersprechen.
Deswegen, Herr Brüderle, ist es gefährlich, wenn Sie,wie heute Morgen in Ihrer Rede, davon sprechen, dasswir wieder einzelbetriebliche Lösungen brauchen. WirSozialdemokraten sagen klipp und klar: Das Instrumentdes Flächentarifvertrages ist ein ganz wichtiger Bestand-teil unserer Politik und muss auch in Zukunft erhaltenbleiben. – Das wird in Ihrem Programm und in Ihren Re-den natürlich nicht erwähnt.
Die Konjunkturprogramme laufen jetzt aus, die Inves-titionstätigkeit bleibt schwach – ich komme daraufgLartmWisgdmmwenskiBfgdVirKeWsloskmDiWmbddfwasWeghIs
Aus der Geschichte der Wirtschaft wissen wir, dassich wirtschaftliche Eliten nicht automatisch der Demo-ratie, dieser Gesellschaft, dem gesellschaftlichen Zusam-enhalt und irgendwelchen Standorten verpflichtet fühlen.azu bedarf es der Einflussnahme, und dafür – das glaubech jedenfalls – machen wir alle hier überhaupt Politik.ir wollen Einfluss nehmen; wir wollen Ordnungsrah-en setzen, und wir wollen Orientierung und Regeln ge-en. Lieber Herr Brüderle, lieber Herr Röttgen und an-ere, so herum wird ein Schuh daraus: Wir müssen alsemokratisch legitimierte Vertreter unseres Volkes Ein-luss nehmen auf die Wirtschaftseliten und auch auf dieirtschaftlichen Abläufe in unserem Land. Es darf nichtndersherum sein: dass Sie sich von der Wirtschaft auf-chreiben lassen, was Sie zu tun haben. Das ist der falscheeg, und es würde das Vertrauen in unsere Demokratierschüttern, wenn Sie auf dem Weg, den Sie in der Ener-iepolitik beschritten haben, weiter vorangehen würden.
Wir müssten stattdessen Dinge tun, die wir hier schonäufig diskutiert haben, zum Beispiel die Förderung vonnvestitionen in die Zukunft. Wir alle wissen: Der Schlüs-el zur Schaffung von Arbeit für morgen ist die gezielte
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6167
Garrelt Duin
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Erhöhung der Investitionsquote im öffentlichen und imprivaten Bereich. Die Nettoinvestitionsquote in Deutsch-land ist mit 4 Prozent zurzeit auf einem historisch niedri-gen Stand. Die anderen positiven Zahlen sollten uns denBlick nicht vernebeln. Jede Investition in Wissenschaft,Forschung und Bildung ist eine Investition, die diesesLand voranbringen würde.Sie haben daher unsere Zustimmung dafür – auchwenn Sie danach gar nicht gefragt haben –, dass Sie in denKoalitionsvertrag aufgenommen haben, dass Sie zusätz-lich zu der bisherigen Projektförderung ein neues Instru-ment auf den Weg bringen wollen, nämlich die steuerli-che Forschungsförderung. Frank-Walter Steinmeier hatdieses Instrument in seinem „Deutschland-Plan“ eben-falls vorgeschlagen und gesagt: Wir müssen noch darüberdiskutieren, ob wir das auf die mittelständischen und klei-nen Betriebe konzentrieren oder ob auch größere mit da-bei sein sollen. – Man kann hier über viele Details spre-chen. Auch mit den Abgrenzungsschwierigkeiten werdenwir uns, wenn wir es denn machen, befassen müssen.Frau Flach sitzt gerade bei Herrn Riesenhuber. Ichgehe davon aus, dass Ihre soeben getätigte Aussage,Frau Flach, dass Herr Riesenhuber einverstanden sei, aufsehr tönernen Füßen gestanden haben dürfte. Es gibtviele wie Herrn Riesenhuber in der Koalition, die mituns gemeinsam dafür gestritten haben, dass wir das In-strument der steuerlichen Forschungsförderung endlichbekommen. Sie haben heute zugegeben, dass Sie heim-lich, still und leise etwas, was in Ihrem Koalitionsvertragsteht, zu Grabe tragen. Das werden wir nicht hinnehmen.Wir werden weiterhin für die steuerliche Forschungsför-derung in diesem Land kämpfen. Wir brauchen sie fürInnovationen.
Subventionsabbau war ein weiteres Stichwort. Sie sa-gen – auch mit Blick auf das Haushaltsbegleitgesetz, daswir noch diskutieren werden –, dass man im Bereich derEnergiesteuern kürzen müsse. Ich bin ganz bei Ihnen,wenn Sie sagen: Dort, wo es zu Mitnahmeeffektenkommt, kann man kürzen. – Aber wir reden hier über einVolumen von insgesamt ungefähr 1,3 Milliarden Euro.Das, was wir an Mitnahmeeffekten konkretisieren können,sind lediglich 300 Millionen Euro. Die andere Milliardegeht zulasten ganz normaler, aber im internationalen Wett-bewerb stehender Unternehmen, den sogenannten ener-gieintensiven Unternehmen. Sie als Wirtschaftsministerhätten die Aufgabe – Herr Fuchs, Sie gucken geradeganz verkniffen; Sie nämlich auch –, sich an die Seitedieser Unternehmen zu stellen. Wir müssen ihnen abver-langen, dass Energieeffizienzpläne aufgestellt werden.
Wir müssen ihnen abverlangen, dass sie sorgsamer mitMaterial und anderen Energieressourcen umgehen. Aberwir dürfen sie in dieser schwierigen Wettbewerbssitua-tion nicht hängen lassen und riskieren, dass sie ins Aus-land abwandern, wenn wir diese Einsparungen vorneh-men. Das ist eine falsche Politik. Ich verstehe nicht, wiedas mit Ihren ordnungspolitischen und wirtschaftspoliti-sHSetdLWndaavnHWnWFsglnCrvUKaBDrNr
eshalb verstehe ich nicht, warum wir uns nicht alle da-über freuen.
ur weil der Wähler letztes Jahr die SPD aus der Regie-ung entlassen hat, distanzieren Sie sich heute von Maß-
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6168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Dr. Joachim Pfeiffer
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nahmen und Instrumenten, die Sie damals mit beschlos-sen und die uns auf den richtigen Weg gebracht haben.
Wir haben es geschafft, durch Stabilisierung mit denKonjunkturprogrammen Vertrauen zu schaffen. Gleich-zeitig haben wir aber auch entlastet. Man muss sich nocheinmal in Erinnerung rufen, dass wir zu Beginn diesesJahres die größte Entlastung in Deutschland hatten, diees jemals gab.
Durch das Bürgerentlastungsgesetz und das Wachstums-beschleunigungsgesetz wurden Bürger und Wirtschaft indiesem Land um 23 Milliarden Euro entlastet. Auch dasist ein Grund dafür, dass wir wieder solche Wachstums-zahlen haben.
Wir haben, wie schon erwähnt wurde, eine kluge Ar-beitsmarktpolitik gemacht. Statt der befürchteten 5 Mil-lionen liegen wir jetzt bei 3 Millionen Arbeitslosen. Fürden Bundeshaushalt bedeutet das, dass rund 40 Milliar-den Euro weniger in die Sozialetats fließen. Das sind40 Milliarden Euro, die für das Wachstum zur Verfügungstehen. Deshalb ist es richtig, wenn wir diese beschäfti-gungsorientierte Lohnpolitik weiterverfolgen. Die Ar-beitnehmer werden in diesem Jahr von den Maßnahmenund Erfolgen profitieren. Es wird dieses Jahr kräftigeReallohnsteigerungen geben, allein deshalb, weil dieKurzarbeit zurückgeht.
Durch die Ausweitung des Arbeitsvolumens wird es zuReallohnsteigerungen kommen, und durch eine beschäf-tigungsorientierte Lohn- und Arbeitsmarktpolitik wird– auch das müssen wir uns vergegenwärtigen – imWachstum die Binnennachfrage gestärkt. Die Zahlen sa-gen ganz klar – Adam Riese lässt sich auch durch dieLinken nicht widerlegen –: 0,1 Prozent Lohnsteigerungbedeutet 0,3 Prozent Zuwachs der Binnenmarktnach-frage. Eine Beschäftigungsausweitung um 1 Prozent be-deutet 0,8 Prozent Zuwachs der Binnenmarktnachfrage.Das heißt, die beste Binnenmarktpolitik ist eine beschäf-tigungsorientierte Arbeitsmarktpolitik, die das Arbeits-volumen erhöht und die Menschen in Arbeit bringt.
Das ist die Politik, die wir verfolgen, und wir werden da-mit das Wachstum verstetigen. Wir werden nicht nachder Rasenmähermethode sparen; wir werden Deutsch-land mit intelligentem Sparen fitmachen.Wie werden wir das Wachstum verstetigen? Wir wer-den nicht nur blindlings sparen. Vielmehr wird der Be-reich „Forschung und Entwicklung“ weiter gestärkt undaufgebaut. Im Haushalt 2011 stehen mehr Mittel zur Ver-fügung als bisher.Das Programm ZIM ist bereits angesprochen worden.Es ist ein maßgeschneidertes Programm für den Mittel-stand in Industrie und Wirtschaft. Wir werden es außer-hBANLrWDkgAscIrvdtdRmmtcSRpgz2MddnuwdbssndndOwL
ir werden aber nicht alles auf einmal machen können.eshalb werden wir sie nicht im Jahr 2011 einführenönnen. Wir sind noch mitten in den Haushaltsberatun-en, sodass sich noch das eine oder andere ändern wird.ber wir werden in dieser Legislaturperiode mit derteuerlichen Forschungsförderung weiterkommen.Bei allen Sparnotwendigkeiten wollen wir die Chan-engleichheit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschenndustrie nicht gefährden. Deshalb werden wir im weite-en Haushaltsverfahren Änderungen bei der Ökosteuerornehmen, durch die die Mitnahmeeffekte beschränkt,ie Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Indus-rie aber nicht gefährdet wird. Wenn Sie dabei mithelfen,ann ziehen wir gemeinsam an einem Strang in dieselbeichtung.Neben den Maßnahmen einer wachstumsorientiertenodernen Regulierung im Bereich „Post und Telekom-unikation“ werden wir mit intelligenten neuen Produk-en weitere Arbeitsplätze schaffen. Auch in den Berei-hen Bahn, Strom und Gas werden wir uns in neuenphären bewegen, vor allem im Energiebereich. Dieseegierung legt gerade einen energiepolitischen Marshall-lan vor, der den Umbau der deutschen Energiewirtschaftrundlegend angeht. Rot-Grün hat kein Energieprogrammustande gebracht. Das letzte Energieprogramm ist0 Jahre alt; es datiert noch aus der Regierung Kohl.an hat Rumpfprogramme und Rumpfmaßnahmen aufen Weg gebracht. Zum ersten Mal seit 20 Jahren wer-en wir ein Programm auf den Weg bringen, das nichtur isoliert einzelne Sektoren oder nur die Angebots-nd Nachfrageseite betrachtet, sondern wir werden so-ohl den Stromsektor als auch den Gebäudesektor undie Mobilität entsprechend berücksichtigen und den Um-au mit über 60 Maßnahmen und Instrumenten be-chleunigen.Die Kernenergie ist Mittel zum Zweck. Sie wird un-er Ziel, den Hauptanteil der Energieversorgung aus er-euerbaren Energien zu bestreiten, im Gegensatz zuem, was bisher auf den Weg gebracht wurde, beschleu-igen statt ausbremsen. Der volkswirtschaftliche Nutzener Kernenergie wird diesem Umbau zugutekommen.tto Schily hat recht: Die Kernenergie und ihr volks-irtschaftlicher Nutzen sind in der Tat so etwas wie einastwagen voller Geld, den Sie verbrennen wollen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6169
Dr. Joachim Pfeiffer
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Wir werden ihn nicht verbrennen. Wir werden vielmehrden volkswirtschaftlichen Nutzen und das Geld für denUmbau einsetzen und ihn beschleunigen, indem wirMaßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, desNetzausbaus – Stichwort „intelligente Netze“ –, derSpeicherung, der Energieforschung und im Gebäudebe-reich finanzieren. Der Gebäudebereich wird ein zentralerPunkt des Energieprogrammes werden. 40 Prozent desEndenergieverbrauchs sind schließlich gebäudebezo-gen. Sie werden sehen, was herauskommt. Wir werdenim Vergleich zu den bisherigen Ansätzen mehr Geld fürdie energetische Gebäudesanierung ausgeben. Wirwerden das Maßnahmenpaket in diesem Bereich weiter-entwickeln.
– Warten Sie doch ab, was als Ergebnis herauskommt!
Wir werden steuerliche Möglichkeiten aus der Ver-gangenheit entsprechend nutzen. Von den 30 MilliardenEuro – so hoch ist der volkswirtschaftliche Nutzen derKernenergie; ohne sie hätten wir dieses Geld nicht –werden wir bis zu 3 Milliarden Euro pro Jahr einsetzen,um den Umbau umzusetzen und zu beschleunigen.
Sie haben von Verträgen gesprochen. Ich darf daranerinnern: Die Ersten, die in diesem Land einen Vertragmit der Energiewirtschaft geschlossen haben – undzwar über den Ausstieg –, waren Sie von Rot-Grün,nicht wir. Aber Sie haben einen Vertrag zulasten derdeutschen Volkswirtschaft geschlossen. Wir schließennun einen Vertrag zugunsten der deutschen Volkswirt-schaft
und werden die volkswirtschaftlichen Potenziale nutzen.
Lieber Herr Kuhn, was Sie machen, ist nicht zu über-bieten. Sie stellen sich hier hin und sagen: Jawohl, wirbrauchen Netze und erneuerbare Energien. – Das höreich nicht nur von Ihnen, sondern auch von Ihren Kolle-gen. Wenn man aber vor Ort geht, stellt man fest, dassSie die Fähnleinführer und Rädelsführer derjenigen sind,die gegen den Ausbau der Netze sind. Wenn man nachBaden-Württemberg geht, stellt man fest, dass die Grü-nen an der Spitze der Bewegung gegen Pumpspeicher-kraftwerke sind, obwohl diese Kraftwerke die Speiche-rung von Strom aus regenerativen Energiequellenermöglichen und die Netzintegration verbessern. Wennman nach Baden-Württemberg geht, stellt man fest, dassdie Grünen gegen den Ausbau von Kraftwerken imKleinwasserbereich sind, weil sie der Meinung sind,dass das zum Beispiel für die Fische nicht gut ist. DieGusaFatnlscrgEduMLvIejeQudsBsCbSvDstwtIe
Wir werden mit diesem Haushalt in einem Dreiklangus Konsolidieren, Reformieren und Wachsen einen Bei-rag dazu leisten, dass Deutschland aus der Krise nichtur gestärkt hervorgeht, sondern in einigen Jahren in al-en Bereichen deutlich besser dasteht als zu Beginn die-er Legislaturperiode. Dann wird abgerechnet. Ich bin si-her: Deutschland wird dann entscheiden, dass es gutegiert worden ist. Wir werden sehen, wohin wir dannekommen sind. Wir sehen jedenfalls den kommendenntwicklungen gelassen entgegen.
Nächster Redner ist der Kollege Michael Schlecht für
ie Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damennd Herren! Herr Brüderle, ich finde es immer gut, wennenschen fröhlich und guter Laune sind. Aber Ihre guteaune betreffend den Aufschwung kommt mir fast soor, als ob sich Ihr Geist so stark beflügelt wie beikarus, der bekanntlich die beste Laune hatte, kurz bevorr abgestürzt ist. Ich hoffe nicht, dass dies auch der Kon-unktur so ergeht. Aber man muss die Lage realistischinschätzen.Die wirtschaftliche Verbesserung, die wir im zweitenuartal dieses Jahres erleben, ist zu einem Drittel einzignd allein darauf zurückzuführen, dass der Lageraufbaueutlich zugenommen hat. Das, was dann an Auf-chwung bleibt, ist nicht Ihr Aufschwung, Herrrüderle, nicht der Aufschwung der Bundesregierung,ondern zuallererst der Aufschwung von Obama und denhinesen; denn diese haben in der Krise milliarden-zw. billionenschwere Konjunkturprogramme aufgelegt.olchen Programmen hat man sich hier in Deutschlanderweigert.
as, was hier gelaufen ist, war relativ mickrig. Die deut-che Exportindustrie profitiert bislang von den Konjunk-urprogrammen in anderen Ländern. Diese Programmeerden aber zurückgefahren. In den USA steht die wei-ere wirtschaftliche Entwicklung auf wackligen Beinen.nsoweit stehen wir in der Frage, wie es weitergeht, vorinem sehr großen Risiko. Es wird bereits eine Ab-
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6170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Michael Schlecht
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schwächung prognostiziert. Wir bräuchten dringend einedeutliche Steigerung der Binnennachfrage, um diesenGefahren vorzubeugen.Ein ganz wichtiges Instrument ist die Steigerung derLöhne. Nebenbei gesagt: Bei der SPD wird immer so ge-tan, als ob die SPD mit der Lohndepression, der deutlichverschlechterten Lohnentwicklung der letzten zehnJahre, nichts zu tun hat. Man muss klar sagen, es ist ge-nau umgekehrt. Der eigentliche Täter – die CDU hat dasfortgesetzt – der schlechten Binnennachfrage war dierot-grüne Koalition mit den Agendagesetzen, die dazugeführt haben, dass die Lohnentwicklung in Deutschlandin den Keller gefahren worden ist und wir in Deutsch-land den großen Niedriglohnsektor haben. Das ist einSkandal. Hier wäre bei Ihnen wirklich eine ganze Mengean Vergangenheitsbewältigung notwendig, nicht immerdiese fröhlichen Sprüche.
Darüber hinaus muss die Binnennachfrage durchmassive Besteuerung Reicher gestärkt werden, damit derStaat wieder mehr ausgeben kann und damit nicht ge-spart werden muss, denn das führt dazu, dass den Ärms-ten der Armen Geld genommen wird, dass sie wenigerGeld haben.Es gibt einen Punkt, für den wir sehr wohl Kürzungs-vorschläge haben. Dieser Punkt heißt: Stoppen SieStuttgart 21.
Dieses aberwitzige Eisenbahnprojekt, das offiziell7 Milliarden Euro kosten soll,
wird voraussichtlich, nach bahnunabhängigen Experten,auf 10, 13 oder noch mehr Milliarden hochlaufen. Dievielen vermeintlich demokratischen Beschlüsse fürStuttgart 21 basieren alle auf Halbheiten und Falschmel-dungen.
Seitdem die Fakten in Stuttgart bekannt sind, leisten dieMenschen breit Widerstand. Seit Ende Juli wird mehr-mals in der Woche auf Demonstrationen dagegen protes-tiert. Zuletzt waren 70 000 Menschen auf der Straße.Das kommt faktisch einem Volksaufstand nah. Es wäreauch der Demokratie halber angezeigt, dass dort endlichkorrigiert wird.Viele lehnen Stuttgart 21 deshalb ab,
weil es auch in der relativ reichen Schwabenmetropoleviele soziale Missstände gibt. In Schulen bröckelt derPutz von den Decken. In Stuttgart sind vier Turnhallenwegen Baumängeln geschlossen. Die Kinderarmut isthoch, und es fehlen 3 000 Kitaplätze. Jetzt soll auchnoch im Rahmen Ihres Sparprogramms das ElterngeldfzASVf2FBvnubaSDCSehanVfgSvHmgnlddbwvcWKuawVu
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6171
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damit gerechnet haben, dass sich dieser Erfolg so schnellund in diesem Ausmaß einstellt.Wenn Herr Heil von Demut spricht, hat er durchausrecht. Es geht aber nicht um Demut untereinander, son-dern es geht um Demut gegenüber denjenigen, die denRahmen, den wir mit Bürgschaften, Verlängerung derKurzarbeit und Konjunkturprogrammen geschaffen ha-ben, intelligent und mutig ausgefüllt haben. Es waren dieUnternehmer, die Handwerker, die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer und viele Mittelständler, die ihre Auf-gabe gut erfüllt haben. Ihnen gegenüber müssen wir de-mütig sein.
Ich möchte unterstreichen: Zu dieser Demut gehört auch,dass man zugibt, dass wir nicht damit gerechnet haben,dass alles so gut läuft.
Wenn man jetzt feststellt, dass Deutschland wieder Kon-junkturlokomotive in Europa ist und die Arbeitslosen-zahlen zurückgehen – demnächst werden sie unter3 Millionen liegen –, dann sollte man auch mit diesenZahlen – das gebe ich offen zu – mit einer gewissen De-mut umgehen. Man sollte den Optimismus jetzt nichtübertreiben.Ich erkenne an, sehr geehrter Herr Brüderle, dass wiraufgrund der demografischen Entwicklung und der wirt-schaftlichen Zahlen, die uns vorliegen, irgendwann miteinem Fachkräftemangel rechnen müssen. Ich will auchunterstreichen, dass Sie recht mit der Aussage haben,dass wir, wenn wir Zuwanderung brauchen, die Zuwan-derung von qualifizierten Menschen brauchen und nichteine Zuwanderung in unser Sozialsystem. Wenn aber dasDeutsche Institut für Wirtschaftsforschung gleich for-dert, 500 000 Zuwanderer pro Jahr zuzulassen, dann istdas übertrieben. Mit einer solchen Zuwanderung würdenwir die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bürgerin-nen und Bürger deutlich überfordern.
Ich sage das auch in dem Bewusstsein, dass wir die Vo-raussetzung für einen Fachkräftezuzug haben. Spitzen-kräfte können schon heute von überall auf der Welt zuuns kommen, wenn sich ihr Fachwissen in ihrem Gehaltniederschlägt und sie mehr als 66 000 Euro jährlich zuverdienen in der Lage sind. Das ist die Sachlage. Des-halb muss man an dieser Stelle gar nichts tun. Wir müs-sen uns vielmehr darum kümmern, dass es keine Zuwan-derung in die Sozialsysteme gibt. Ich unterstreiche, dasses dazu einer intelligenten Politik in einer Phase bedarf,in der Deutschland über Integration diskutiert, wobei ichzu bedenken gebe, dass diese Diskussion von jemandemangestoßen wurde, der als SPD-Finanzsenator in Berlinkeinen Beitrag dazu geleistet hat, dass sich die Verhält-nisse hier in Berlin bessern, aber im Nachhinein schlaueBücher schreibt. Auch darüber sollte man einmal nach-denken.üEüvdfnthEdalzsdsveKwGAWwdmsDdSnK
s steht ganz klar fest – Herr Kuhn, natürlich kann manber die Szenarien diskutieren –, dass uns die Laufzeit-erlängerung einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringt,ass sie für Arbeit und Beschäftigung sorgt, preisdämp-end wirkt und die Chance bietet, eine Brücke zu den er-euerbaren Energien zu schlagen, und zwar in doppel-em Sinne. Zum einen, weil wir die Chance haben, dieöheren Preise – Sie werden nicht bestreiten, dass dieinführung der erneuerbaren Energien teuer ist – durchie preisdämpfende Wirkung der Laufzeitverlängerunguszugleichen, zum anderen, weil wir diesen Fonds auf-egen.Etliche Vorredner haben gesagt, man habe den Kon-ernen zu wenig abgeknöpft. Wir sind hier unter Wirt-chaftsfachleuten. Ich darf Ihnen dringend empfehlen,ie aktuellen Analystenberichte zu lesen. Die Analystenchreiben nämlich: In Anbetracht der Tatsache, dass soiel abgeschöpft wird, ist nicht sicher, wie sich die Kursentwickeln. – An der Börse zeichnet sich das ab. Dieurse sind in den letzten Tagen gesunken. Wenn es soäre, wie Sie behaupten, dass wir den Konzernen großeeschenke gemacht hätten, wären die Kurse gestiegen.uch das bitte ich zu berücksichtigen.
Herr Kollege.
Letzter Satz, Herr Präsident.
Die Geschichte mit dem Wettbewerb ist ein Märchen.
as ist denn das für eine Argumentation? Die Stadt-
erke sagen uns: Wir brauchen höhere Preise, die preis-
ämpfende Wirkung der Kernenergie
uss unterbunden werden, damit unsere Anlagen wirt-
chaftlich sind.
as ist etwas, was wir so nicht akzeptieren können. In
iesem Sinne bitte ich Sie, über die Argumentation in
achen Kernenergie im Fachausschuss noch einmal
achzudenken.
Vielen herzlichen Dank.
Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist derollege Dr. Michael Luther für die CDU/CSU-Fraktion.
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6172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich bin nun schon eine Weile im Parlament,
nämlich seit 20 Jahren. Wenn man am Ende einer sol-
chen Debatte resümiert, was gesagt worden ist, kann
man feststellen: Das Ritual ist immer dasselbe. Der Bun-
deswirtschaftsminister legt einen Haushalt vor – aus
meiner Sicht einen guten –, die Regierungsfraktionen, in
diesem Fall CDU/CSU und FDP, loben das, was vor-
liegt, und die Opposition sagt das Gegenteil. Das ist klar;
das ist nichts Neues.
Besonders schwierig wird es allerdings für diejeni-
gen, die sagen: „Wir haben richtige Maßnahmen auf den
Weg gebracht“, aber zukünftig – das erkennt man, wenn
man die aktuellen Beschlüsse ansieht – genau das Ge-
genteil machen wollen und – das prognostiziere ich für
den Fall, dass sie irgendwann wieder an der Regierung
sind – genau das Gegenteil machen werden.
Das ist das, was Politik unglaubwürdig macht. Es
wäre viel besser, wenn wir einen Moment bei dem Zu-
stand, den wir heute haben, bleiben und feststellen wür-
den: Wir können uns auf die Schulter klopfen. Wir haben
das, was infolge der größten Krise nach dem Zweiten
Weltkrieg in Deutschland passiert ist, mit klugem politi-
schen Handeln wirklich gut begleitet. Deswegen können
wir heute sagen: Wir haben Wachstum. Wir haben die
Krise überwunden. Die Arbeitslosigkeit liegt nicht, wie
wir befürchtet haben, bei 5 Millionen,
sondern bei 3 Millionen oder weniger. Das müssen wir,
denke ich, einmal sagen können.
Wir, die Regierung von CDU/CSU und FDP, sind
jetzt ein Jahr im Amt.
Wir haben diesen Prozess auch nachträglich unterstützt.
Deswegen ist es doch ein Gemeinschaftswerk.
Es kommt als Nächstes darauf an – jetzt rede ich als
Haushälter –, dass wir uns um die Zukunft unseres Lan-
des kümmern, das heißt konsolidieren. Wenn man wie-
derum einen Blick in die Geschichte wirft, muss man sa-
gen: Wir haben einen sehr hohen Schuldenstand, wir
haben eine hohe Neuverschuldung, und wir haben ent-
sprechend hohe Zinszahlungen im Haushalt. Wir müssen
da einfach runter. Alle, die hier im Haus sitzen, haben
letztendlich daran mitgewirkt, dass wir so hohe Schul-
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ine solche Politik ist letztendlich gut für die Wirtschaft
nd für die Menschen.
Zur Schuldensenkung muss auch das Wirtschafts-
inisterium seinen Beitrag leisten. Das zu sagen, fällt
ir natürlich besonders schwer. Wer den Haushalt des
irtschaftsministeriums anschaut, wird feststellen, dass
arin sehr viele Förderprogramme sind – das wird
anchmal despektierlich als Bauchladen bezeichnet –,
ie aber genau die Leistungsträger unserer Gesellschaft,
ie Basis, nämlich den Mittelstand, auf verschiedene
rt und Weise unterstützen und fördern. Der Mittelstand
st wichtig. Deswegen haben wir die positive Entwick-
ung in Deutschland. Deswegen müssen wir aufpassen,
b es richtig ist, wenn wir dort Veränderungen vorneh-
en, insbesondere wenn wir dort sparen.
Ich bin erst einmal froh, dass es gleichwohl gelingt,
chwerpunkte zu setzen. Ein paar sind genannt worden:
IM als Programm für den Mittelstand oder Maßnahmen
egen den Fachkräftemangel. Ich gehe einmal näher auf
en Bereich Luft- und Raumfahrt ein. Da geht es nicht in
rster Linie um den Flug zum Mond, sondern darum,
ass Hochtechnologie in unserem Land entwickelt wird,
ie dann auch vielen zugutekommt und wodurch sich
eutschland als Hochtechnologiestandort auszeichnen
ann.
Es geht auch um Zukunftsthemen wie die Ener-
ieforschung. Wir wissen, dass die Energiebasis in Zu-
unft anders aussehen muss als heute. Wir können uns
uch trefflich darüber streiten, wie wir dieses Ziel errei-
hen. Ich denke, es ist erst einmal wichtig, dass hier
och viel Know-how hineingesteckt wird, um unabhän-
ig von fossilen Energieträgern zu werden. Das Energie-
onzept, was Union und FDP jetzt vorgelegt haben, zeigt
a einen Weg hin zu einer Energieversorgung ohne fos-
ile Energieträger.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Duin?
Gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege, für die Gelegenheit. – Sieeisen darauf hin, dass Sie im Haushalt eine Reihe vonaßnahmen ergreifen, die Positives bewirken sollen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6173
Garrelt Duin
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Teilen Sie die Einschätzung, dass in der Vergangenheitinsbesondere die Mittel, die für die Gemeinschaftsauf-gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschafts-struktur“ aufgewendet wurden, sehr erfolgreich einge-setzt wurden?
Ausweislich der vom Ministerium veröffentlichten Da-ten ist es nämlich so, dass zum Beispiel im Zeitraum von2007 bis 2009 mit insgesamt 4,1 Milliarden Euro GA-Mitteln Investitionen in Höhe von 26,2 Milliarden Euroangestoßen wurden und in den geförderten Betrieben einBeschäftigungszuwachs von 4,6 Prozent und ein Lohn-zuwachs von 6 Prozent zu verzeichnen gewesen ist. Tei-len Sie angesichts dieser Zahlen – ich gehe einmal davonaus, dass sie stimmen – die von uns vertretene Auffas-sung, dass es ein Fehler ist, im Haushalt die Fördermittelfür diese Gemeinschaftsaufgabe zu kürzen? HerrBrüderle hat in seiner Rede eben geradezu mit einem ge-wissen Stolz verkündet, dass das vorgesehen ist.
Ich warte noch, ich wollte den Beifall abklingen las-
sen.
– Noch ein zweiter. Schön.
Ich möchte nun gerne auf Ihre Frage antworten: Man
kann natürlich einen Haushalt nicht konsolidieren, wenn
man nirgendwo Geld kürzen will. Jetzt gibt es einen
Haushaltsentwurf, in dem zu meinem Bedauern auch die
genannte Gemeinschaftsaufgabe von Kürzungen betrof-
fen ist. Wir sind allerdings erst bei der ersten Lesung und
nicht am Ende der Haushaltsberatungen. So plädiere
auch ich dafür, in den weiteren Beratungen zu schauen,
ob man es bei der Kürzung der Mittel für dieses Förder-
instrument belassen oder ob man sie zurücknehmen
sollte.
Bevor ich dazu Weiteres sage, möchte ich noch einen
anderen Aspekt ins Spiel bringen: Manchmal ist es auch
gut, zu versuchen, andere Schwerpunkte zu setzen. Wir
setzen jetzt insbesondere einen Schwerpunkt bei ZIM.
Auch die Fördermittel aus diesem Programm fließen zu
einem Großteil in die neuen Bundesländer. Der Mit-
telaufwuchs bei diesem Programm ist vom Umfang her
sogar höher als die Einsparungen bei der Gemeinschafts-
aufgabe. Hier wird nun ein neuer Weg eingeschlagen,
um Forschung und Entwicklung neuer Technologien zu
fördern.
Wir müssen aber – deshalb bin ich auch so dankbar
für die Frage – uns eines in diesem Hause sehr wohl im-
mer wieder bewusst machen: Wir haben in den letzten
20 Jahren in den neuen Bundesländern – das Land war
vorher ja geradezu ruiniert worden – viel erreicht. Die
Wirtschaftsleistung beträgt jetzt ungefähr 80 Prozent der
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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, vor der Zwi-
chenfrage hatte ich eine Reihe von Schwerpunkten, die
usgebaut werden sollen, genannt. Ich war bei der Ener-
ieforschung stehen geblieben. Zu nennen ist noch die
lektromobilität. Ich habe auch davon gesprochen, dass
s Kürzungen geben muss. Das Thema Gemeinschafts-
ufgabe ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht
u Recht schon angesprochen worden. Ich habe das dazu
otwendige bereits gesagt.
Ich will noch einen Punkt hervorheben, der ebenfalls
chon erwähnt worden ist. Das sind die Subventionskür-
ungen für sogenannte energieintensive Unternehmen.
ier müssen wir im Rahmen der Haushaltberatungen prü-
en, ob das, was wir momentan haben, tatsächlich so ge-
ollt ist. Wir müssen uns überlegen, ob die Subventionen
ür diejenigen, die viel Energie verbrauchen – das ist die
rundstoffindustrie; dazu gehört zum Beispiel auch die
hipindustrie; AMD in Dresden hat ein eigenes Kraft-
erk, weil für die Reinräume viel Energie gebraucht wird –,
ichtig sind oder ob wir es anders machen müssen.
Für mich – das will ich ganz klar sagen – bleibt das
iel der Haushaltskonsolidierung bestehen. Aber eine
aushaltsberatung ist eben nicht dazu da, das abzuni-
ken, was die Regierung vorgibt, sondern dass man da-
über redet, wie man den Haushalt vernünftig ausgestal-
et.
azu wünsche ich uns allen viel Kraft in den nächsten
ochen.
Danke schön.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereichiegen nicht vor.Ich rufe nun auf den Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Arbeit und Soziales, Einzelplan 11.Ich erteile als erster Rednerin der Bundesministerinrau Dr. Ursula von der Leyen das Wort.
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6174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
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Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürArbeit und Soziales:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Haushaltsentwurf, über den wir heute de-battieren, steht immer noch sehr deutlich unter den Aus-wirkungen der Krise. Wir haben auf der einen Seite vielGeld investiert, gerade um den Arbeitsmarkt zu stabili-sieren. Ich nenne die Konjunkturprogramme und dieAusgaben für das Kurzarbeitergeld. Das hat sich aus-gezahlt. Wenn man die Arbeitslosendaten im Augustnimmt, dann sieht man, dass es gerade aus dem verarbei-tenden Gewerbe, also der Branche, die am stärksten un-ter den Auswirkungen der Krise gelitten hat, wenigerZugänge in Arbeitslosigkeit gibt. Gleichzeitig wird dieKurzarbeit abgebaut. Das heißt, die Menschen gehen ausder Kurzarbeit wieder in die volle Beschäftigung. DiesesPrinzip, die Kurzarbeit als Brücke über die Krise zu nut-zen, hat sich bewährt.Wir sehen auch, dass wir am Arbeitsmarkt auf einemNiveau aus der Krise herauskommen, das niemand fürmöglich gehalten hätte. Experten haben uns noch imJahr 2008 Arbeitslosenzahlen um 5 Millionen vorherge-sagt. Wenn der positive Trend dieses Jahres weitergeht,dann könnte es gelingen, gegen Ende des Jahres die3-Millionen-Marke zu unterschreiten.Auch im internationalen Vergleich hat sich der deut-sche Arbeitsmarkt gut gehalten. Die Arbeitslosigkeit istin der Krise bei den EU-27 im Durchschnitt um 28 Pro-zent gestiegen, in Spanien um 60 Prozent, in Frankreichum 23 Prozent und in England um 35 Prozent. Aber inDeutschland ist die Arbeitslosigkeit nur um 3 Prozentgestiegen. Das, meine Damen und Herren, ist eine Bi-lanz, die sich sehen lassen kann.
Das alles wirkt sich natürlich positiv auf den Sozial-haushalt aus. Für das Jahr 2011 liegen wir in der Gesamt-summe der Ausgaben des Einzelplanes 11 mit rund131,8 Milliarden Euro deutlich unter dem alten Finanz-plan, nämlich um 14,6 Milliarden Euro. Der größte Bat-zen in Höhe von 10 Milliarden Euro sind Einsparungenaufgrund des Anziehens der Wirtschaft und des Absin-kens der Arbeitslosigkeit. Diese konjunkturellen Einspa-rungen sind nicht, wie sie so gerne bezeichnet werden,Windfall Profits. Nein, sie sind Einsparungen auf derGrundlage eines beherzten Krisenmanagements der Re-gierung. Sie beruhen auf richtigen politischen Entschei-dungen, aber vor allem auch auf dem außergewöhnlichenZusammenhalt von Gewerkschaften und Arbeitgebern.Das ist in der Tat etwas, was dieses Land auszeichnet.
So weit die Auswirkungen der Krise am Arbeits-markt. Im Prinzip gibt es eine positive Entwicklungdurch ein gutes Krisenmanagement.Wir wissen natürlich auch, dass die Krise ihre Spurenim Staatshaushalt durch eine exorbitant hohe Verschul-dung hinterlassen hat. Deshalb reichen die Verbesserun-gen, die ich eben geschildert habe, durch sinkende Ar-beitslosigkeit, was automatisch zu Einsparungen imSnsns1tviNwEvLtrsEbeGjbMwfdwsGEaktjeAdEzSvSEw
ine einfache Wahrheit lässt sich an diesem Beispieluch ablesen: Aus Langzeitarbeitslosigkeit kann maneine Rente erwirtschaften. Die einzige Möglichkeit, Al-ersarmut zu vermeiden, sind möglichst viele Beitrags-ahre in Arbeit.
Frau Ministerin, darf die Kollegin Hagedorn Ihnen
ine Zwischenfrage stellen?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Gerne.
Frau Ministerin, Sie haben die 1,8 Milliarden Euro,ie nach Ihren Vorschlägen für die Arbeitslosengeld-II-mpfänger künftig nicht mehr in die Rentenkasse einge-ahlt werden sollen, eben als Einsparung bezeichnet.timmen Sie mir zu, dass man unter Sparen gemeinhinersteht, dass man etwas für die Zukunft zurücklegt?timmen Sie mir weiterhin zu, dass diese 1,8 Milliardenuro, die in Zukunft nicht mehr aus Ihrem Etat bezahlterden, vor allem den Effekt haben, dass es ein Loch in
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6175
Bettina Hagedorn
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der Rentenkasse von jährlich 1,8 Milliarden Euro gebenwird, und dass darum die Schwankungsreserve, die wirhaben, früher aufgebraucht sein wird, was de facto einVerlagern von Kosten in die Zukunft ist, weil die Bei-träge für die Rente früher ansteigen müssen, als es bishergeplant war?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürArbeit und Soziales:Frau Hagedorn, die Reduktion der Einzahlungen indie Rentenversicherung wird nicht die Auswirkung ha-ben, dass sie – das sind Ihre Worte gewesen – ein Lochin die Rentenkasse reißen wird, sondern sie ist dank derdemografiefesten Leitplanken, die die Rente jetzt hat,durchaus verkraftbar.Aber ich finde den zweiten Gedanken noch wichtiger,den Sie angesprochen haben. Sie haben zu Recht gesagt,die gängige Vorstellung ist, dass man, wenn man etwasspart, etwas zurücklegt, damit man in der Zukunft etwashat. Ich muss ganz deutlich sagen: Ich wäre froh, wennDeutschland in dieser Situation wäre. Aber unsere Haus-halte sind weiß Gott nicht so, dass wir, wenn wir etwaseinsparen, mehr auf der hohen Kante für die Zukunft ha-ben; denn auch aufgrund der Politik einer hohen Ver-schuldung, die die Regierungen in den Jahren von Rot-Grün zu verantworten haben, ist die Verschuldung jetztso hoch, dass wir es gerade eben schaffen können, einAnwachsen der Schulden zu verhindern. Das heißt, Spa-ren bedeutet eigentlich nur, Ausgaben nicht wieder mitneu aufgenommenen Schulden tätigen, die sich drei- undvierfach negativ in den Haushalten der nächsten Jahreund damit zulasten der Kinder auswirken werden.
Es ist ganz entscheidend, in den kommenden Jahrendie Geschichte eines robusten Arbeitsmarktes fortzu-schreiben. Wir kehren bei den Mitteln der aktiven Ar-beitsmarktpolitik auf das Vorkrisenniveau zurück:9,5 Milliarden Euro für 2011. Das sind 400 000 Euromehr, als 2008 zur Verfügung standen, obwohl dasNiveau der Arbeitslosigkeit von 2008 schon heute wie-der erreicht ist. Das heißt, dieser Haushaltsansatz ist ver-tretbar. Er ist mit Blick auf den Arbeitsmarkt verhältnis-mäßig. Zugleich ist er verantwortlich gegenüber demGesamthaushalt.
Der Etat meines Hauses für den Arbeitsmarkt beträgtauch jetzt noch rund 48 Milliarden Euro. Hinzu kommendie Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit aus Mittelnder Arbeitslosenversicherung. Das ist – keine Frage –noch immer viel Geld. Aber die Rahmenbedingungender Vermittlung von Arbeitslosen verändern sich: DieWirtschaft fasst wieder Tritt; die Zahl der offenen Stellenwächst. Wir fangen schon an, die Auswirkungen eineskommenden Fachkräftemangels in zahlreichen Branchenzu spüren. Das bedeutet aber auch: Wenn man passge-naue Maßnahmen zur Vermittlung in Arbeit und zurWeiterqualifizierung entwickelt, dann kann es gelingen,ebwMkjdlsgwdAwfnbaldMbdQswnadFbetFzbdvungnClWbLdKEeES
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Entscheidend ist, dass diese Kinder nicht länger aus-gegrenzt werden und nicht bereits in den allerersten Le-bensjahren den Anschluss an ihre gleichaltrigen Kame-radinnen und Kameraden verlieren. Man könnte all dasauf lange Sicht unkompliziert und unbürokratisch übereine Bildungskarte abrechnen. Manche sehen das alsStigmatisierung an. Ich sage: Die Stigmatisierung findetschon heute statt, nämlich wenn Kinder von Langzeit-arbeitslosen nicht beim eintägigen Schulausflug mitma-chen können, wenn bedürftige Kinder nicht am gemein-samen, warmen Mittagessen in der Schule teilnehmenkönnen, wenn bedürftige Kinder nicht mit ihren Klas-senkameraden im Fußballklub sind, beim Turnen oderbei der „Kindermucke“. Eine solche Stigmatisierung fin-det bereits heute statt, und der wollen wir ein Ende berei-ten.
Ich möchte die logistische Aufgabe nicht kleinreden.Sie ist sicher nicht trivial. Man kann es auch umgekehrtsagen. Die kurzfristig bequemste, aber meines Erachtenslangfristig teuerste, da wirkungsärmste Variante wäre:Geldbetrag erhöhen, aufs Konto überweisen, das ThemaBildungschancen ist erledigt. Das ist nicht mein Ver-ständnis von nachhaltiger Politik.
Es ist unsere vornehmliche und verantwortungsvolleAufgabe, uns der Mühe zu unterziehen, etwas zu unter-nehmen, indem wir es organisieren, dass im Zusammen-spiel aller vor Ort die Lebensperspektiven bedürftigerKinder verbessert werden. Die Anstrengung lohnt sich.Sie zahlt sich aus, nicht nur für eine Wirtschaft mit zu-nehmendem Fachkräftemangel, nicht nur für eine Ge-sellschaft im demografischen Wandel, nicht nur für eineGemeinschaft, die heute eher teure Reparatursystemebezahlt, sondern vor allem für das einzelne Kind, dasbessere Lebenschancen und Lebensperspektiven hat.Lassen Sie uns deshalb diese Aufgabe gemeinsam ange-hen.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Ferner für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!Frau von der Leyen, Sie haben eben gesagt, die Kürzun-gen in Ihrem Haushalt seien nicht unverhältnismäßig.Ich muss sagen: Ein Stück weit wundert mich das schon.
Kürzungen bzw. Streichungen beim Elterngeld für SGB-II-Empfängerinnen und -Empfänger und auch für dieje-nigen vorzunehmen, die arbeiten und Aufstockungsleis-tungen in Anspruch nehmen müssen, weil sie nichtgenug Geld bekommen, während die nichtarbeitendeBwnsKadwBbIgFMbvscgEHJhmdbDcKgKTnienMRgSpmgwiSsdg
Es ist unverhältnismäßig, dass der Heizkostenzu-chuss beim Wohngeld gekürzt werden soll, dass diedU pauschaliert werden sollen, mit all dem Bürokratie-ufwand und den Ungerechtigkeiten. Ich sage voraus,ass es die nächste Verfassungsklage provozieren wird,enn jemand keine Wohnung findet, die er mit seinemudget bezahlen kann, und er die Miete aus dem Le-ensunterhalt bestreiten muss.
ch kann die Koalition nur davor warnen, diesen Weg zuehen. Unsere Zustimmung dafür werden Sie auf alleälle nicht bekommen.
Gerade beim Eingliederungstitel wird Geld gespart.an kann sagen: Gut, es gibt weniger Arbeitslose. Aberei den Langzeitarbeitslosen ist die Arbeitslosigkeit vielerfestigter als bei denen, die im Regelkreis des SGB IIIind. In diesem Bereich zu sparen, den Menschen Chan-en zu nehmen und dann noch die Arbeitsmarktleistun-en, auf die man bisher Rechtsansprüche hatte, inrmessensleistungen umzuwandeln, sozusagen nachaushaltslage oder Qualifizierungsmaßnahmen in denobcentern nach Gutdünken zu verteilen, ist keine nach-altige Politik, sondern Politik à la Gutsherrenart. Das istöglicherweise auch so etwas wie Klientelpolitik, wieas in vielen anderen Bereichen der Fall ist. Für den Ar-eitsmarkt ist das alles andere als stimulierend. Vor alleningen bedeutet das für die Betroffenen weniger Chan-en, wieder in den regulären Arbeitsmarkt einzusteigen.
Wir haben heute festgestellt, dass wir gut durch dierise gekommen sind. Das sind wir, insbesondere we-en der Maßnahmen, die wir gemeinsam in der Großenoalition beschlossen haben. Aber natürlich hatten diearifpartner einen großen Anteil daran. Die Sozialpart-erschaft hat sich bewährt, gerade in der Krise. Deshalbst dieses Land so gut durch die Krise gekommen.In Ihrer Rede fehlte einiges. Sie haben einen Gesetz-ntwurf zur Leiharbeit eingebracht. Darüber haben Sieicht gesprochen. Sie haben auch nicht über das Themaindestlohn gesprochen. Allein das zeigt, wohin dieeise geht. In Ihren Koalitionsvertrag haben Sie hinein-eschrieben, dass Sie die Kombilöhne ausweiten wollen.ie wollen sogar die Minijobregelung ausweiten. Dasroduziert aber gleichzeitig neue Hilfsbedürftigkeit: Jeehr Leute im Niedriglohnsektor arbeiten, umso gerin-er ist das Einkommen, umso eher muss aufgestockterden, umso weniger Geld fließt in die Steuerkasse undn die Sozialversicherungskassen. Umgekehrt wird einchuh daraus: Ein flächendeckender Mindestlohnorgt bei vielen dafür, bei den Alleinstehenden ohnehin,ass sie keine aufstockenden Leistungen mehr benöti-en, die Sozialversicherungskassen mehr Beitragsein-
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Elke Ferner
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nahmen und auch die Steuerkassen mehr Einnahmen ha-ben und die Binnennachfrage zusätzlich stimuliert wird.Insofern gehen Sie genau den falschen Weg.
Frau von der Leyen, in der letzten Wahlperiode warenSie auch für das Thema Gleichstellung zuständig. Siehaben nichts dazu gesagt, wie die Situation von Frauenauf dem Arbeitsmarkt ist. Wir haben noch immer einensehr geschlechterspezifischen Arbeitsmarkt. Die Frauenarbeiten vielfach Teilzeit. Wenn sie Vollzeit arbeiten,sind sie deutlich schlechter bezahlt als ihre männlichenKollegen. Was ist denn mit dem Thema Entgeltgleich-heit und Durchsetzung der Entgeltgleichheit? Was ist mitdem Thema „gleiche Teilhabe an Karriere und Beruf“?Was ist mit partnerschaftlicher Teilhabe von Männernund Frauen? Was ist mit der Zeit, sich um Familie zukümmern, nicht nur um Kinder, sondern auch um pflege-bedürftige Angehörige? Was ist damit, dass existenz-sichernde Erwerbsarbeit der beste Schutz vor Armut imErwerbsleben, im Alter und vor allen Dingen vor Kin-derarmut ist? Kinder sind arm, weil ihre Eltern arm sind.Das fällt ja nicht vom Himmel. Das hat mit fehlenderBeschäftigung und fehlenden Mindestlöhnen zu tun.Auch dazu haben Sie nichts gesagt.Zum Thema Rente haben Sie nur gesagt: Es ist ver-tretbar, 1,8 Milliarden Euro Zuschuss für die Rentenver-sicherung zu streichen.
– Das haben wir auch schon einmal gemacht. Deshalbmuss es nicht richtig sein. Das ist damals nicht richtiggewesen, und Sie machen es auch jetzt nicht richtig,Herr Kolb.
Der Rentenversicherung fehlen jedes Jahr 1,8 MilliardenEuro. Mit Ihrer Beitragserhöhung bei der Krankenversi-cherung kommen noch einmal weitere 300 MillionenEuro hinzu, die zusätzlich ausgegeben werden müssen.Das heißt, jedes Jahr fehlen 2,1 Milliarden Euro. DieBeitragssatzsenkung ab 2014 bei der Rentenversiche-rung können Sie schon einmal knicken. Sie wird nichtmehr möglich sein, und die darauffolgende auch nicht.Das viel Schlimmere an der Tatsache, dass der Zuschussjetzt komplett gestrichen wird, ist aber, dass Anwart-schaftszeiten unterbrochen werden. Diejenigen, die nochkeine Anwartschaft auf eine Erwerbsminderungsrentekomplett haben, verlieren sie. Wenn sie wieder Arbeithaben, müssen sie von vorne anfangen. Das ist derPunkt. Die Riester-Förderung ist davon betroffen. Daransieht man, dass Sie mal eben mit einem Federstrich ver-suchen, etwas – ich sage das in Anführungszeichen –„einzusparen“. In Wahrheit ist das eine Verschiebung aufdie kommenden Jahre; denn dadurch werden mehr Leuteim Alter in die Grundsicherung fallen als bisher. DieFolgen, die damit zusammenhängen, bedenken Sie nicht.
Frau von der Leyen, über das Thema Regelsätze ha-ben Sie sehr ausführlich gesprochen. Das Verfassungs-gvslsuglnndIksrzdddZStmmeEznwwawFfguZeVslsstgimFndb
ch kann Neugierige nur davor warnen, zu glauben, manönnte bei der Festsetzung der Referenzgruppe einfachtatt der unteren 20 Prozent die unteren 15 Prozent he-anziehen, weil sich die Regelsätze nach der Kassenlageu richten hätten und nicht so bemessen sein müssten,ass das Existenzminimum gesichert wird; denn das warie Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Dafür wer-en Sie – das kann ich Ihnen hier sagen – von uns keineustimmung bekommen, weder von uns noch von denPD-geführten Bundesländern.
Die Frage, wie wir Teilhabe gewährleisten, ist wich-ig. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie schon vor Augustit den Ländern gesprochen hätten; denn die Umsetzunguss vor Ort passieren. Der Finanztransfer ist dabei nurin Punkt. Stattdessen werden Diskussionen über dieinführung einer Chipkarte aufgemacht, und gestern waru lesen, dass Sie die Umbenennung von Hartz IV pla-en. Wissen Sie, Frau von der Leyen, uns ist es wichtig,as drin ist, wie wir die Bildungsteilhabe ermöglichen,ie wir die soziokulturelle Teilhabe für Kinder, aberuch für Erwachsene ermöglichen. Uns ist wenigerichtig, wie nachher das Geld fließt oder was draufsteht.rau von der Leyen, ich kann Sie nur auffordern, unsrühzeitig und umfassend die Informationen zur Verfü-ung zu stellen, die wir alle hier im Parlament brauchen,m eine transparente und sachgerechte Bewertung derahlen des Statistischen Bundesamtes vorzunehmen undine parlamentarische Beratung durchzuführen, die denorgaben des Verfassungsgerichtes entspricht.Wenn ich mir anschaue, dass von Ihrem Haus ver-chiedene Varianten in Auftrag gegeben worden sind,iegt der Verdacht nahe, dass die Regelsätze je nach Kas-enlage angepasst werden sollen. Herr Fuchs fordert bei-pielsweise eine härtere Gangart gegenüber integra-ionsunwilligen Migranten. Anfang dieses Jahres hat eresagt, das dürfe alles nicht mehr kosten, sondern müssem Hartz-IV-Bereich umgeschichtet werden. Das wirdit uns nicht möglich sein. Um das Zitat von Herrnuchs bezüglich der integrationsunwilligen Migrantenoch einmal zu bemühen: Ich frage mich wirklich, ob inieser Koalition einige noch alle Tassen im Schrank ha-en. Er fordert:Wenn etwa die Kinder nicht in die Kita oder dieSchule geschickt werden,
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Elke Ferner
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– wir haben eine Schulpflicht –dann muss das mit Hartz-IV-Kürzungen sanktio-niert werden.Das heißt, die Regelleistungen sollen dann gekürztwerden. Gleichzeitig will diese Koalition ein Betreu-ungsgeld einführen, das genau für die Menschen gedachtist, die ihre Kinder nicht in Kitas schicken, das heißt, dieBildungsteilhabe verhindern. Wie soll das zusammen-passen?
– Natürlich, in Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass dieje-nigen Betreuungsgeld erhalten sollen, die darauf ver-zichten, ihre Kinder in eine Einrichtung zu schicken.
– Ich traue den Eltern zu, dass sie ihre Kinder erziehen.Ich traue aber auch den Einrichtungen zu, dass sie denKindern guttun, besonders den Kindern, die einen Mi-grationshintergrund haben oder aus bildungsfernerenSchichten kommen. Dabei geht es um die Frage der spä-teren Bildungsteilhabe in der Kita und in der Schule.
Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Siewollen, dass die Kinder aus den Einrichtungen herausge-halten werden. Wir wollen es den Eltern ermöglichen,dass die Kinder einen Zugang dazu haben.
Wichtig ist für uns bei der Frage der Bildungsteilhabeauch der kostenfreie Zugang zur Infrastruktur, zu einemMittagessen und natürlich auch zu Sport- und Musikver-einen sowie anderen Freizeitmöglichkeiten jenseits derSchule. Aber ich kann auch da nur davor warnen, das al-les auf diejenigen zu beschränken, die im SGB-II-Bezugsind. Was ist denn mit den Kindern von den Eltern, dieso eben jenseits der Grenzen sind? Wollen wir diese aus-grenzen? Auch da muss es Möglichkeiten geben. Des-halb, Frau von der Leyen, brauchen wir ganz schnelleine Verständigung mit den Ländern und der kommuna-len Ebene, wie wir das bewerkstelligen können.Ich kann nur dafür werben, bestehende Strukturen zunutzen, sie auszubauen und vor allen Dingen mit derGanztagsbetreuung sowohl im schulischen als auch imvorschulischen Bereich schneller voranzukommen, da-mit die Infrastruktur zur Verfügung steht. Das alles istzeitlich sehr knapp bemessen. Insofern hoffe ich, dasswir da zu einem guten Ergebnis kommen. Ich sage Ihnenauch: Die Lösungen müssen alle verfassungskonformsein, zu etwas anderem werden wir die Hand nicht rei-chen.CHuhgskwnsdevaazl1KjKsbEAHA
Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin
laudia Winterstein.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Auf die Schwarzmalerei von Ihnen, Frau Ferner,
nd der Opposition, will ich jetzt gar nicht weiter einge-
en; denn wir können positiv nach vorne schauen. Es
eht wieder aufwärts, meine Damen und Herren.
Es kann gar nicht oft genug gesagt werden: Die Wirt-
chaft boomt. Deutschland ist wieder die Wachstumslo-
omotive in Europa. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig
ie seit 18 Jahren nicht mehr. Die Erwerbstätigkeit ist
ahe am Rekord des Jahres 2008. Auch beim Haushalt
ind wir auf einem guten Wege. Ich bitte die Opposition,
ies endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Bei der ersten Lesung des Haushalts 2010 hatten wir
s beim Einzelplan 11 mit einem Etatentwurf der negati-
en Rekorde zu tun. Sein Volumen belief sich damals
uf 19 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor. Der
ktuelle Etatentwurf hingegen ist auf dem klaren Weg
ur Konsolidierung; denn sein Volumen liegt 11,3 Mil-
iarden Euro unter dem Soll des Jahres 2010, nämlich bei
31,8 Milliarden Euro.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Hagedorn?
Nein. Ich glaube, Sie werden mehr lernen, wenn Sieetzt erst einmal weiter zuhören, Frau Hagedorn.
Das ist keineswegs nur ein Ergebnis der gut laufendenonjunktur. Das ist auch das Ergebnis des aktiven politi-chen Handelns.Unter SPD-Ministern kannte der Haushalt des Ar-eitsministeriums immer nur eine Richtung, nämlich:rhöhung der Ausgaben. Das galt insbesondere bei denusgaben für die Arbeitsmarktpolitik im Bereich vonartz IV. Ob steigende Arbeitslosigkeit oder sinkenderbeitslosigkeit, das Rezept hieß immer: mehr Geld.
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Dr. Claudia Winterstein
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Diese Entwicklung haben wir gestoppt. Ich bin derMinisterin sehr dankbar, dass auch ihr Haus den notwen-digen Beitrag zum Sparpaket leistet.Im nächsten Jahr wollen wir bei den Ausgaben desBundes für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen undHartz-IV-Verwaltung 500 Millionen Euro gegenüberdem alten Finanzplan einsparen. Das ist angesichts dersinkenden Arbeitslosenzahlen vertretbar.Im Haushaltsentwurf werden für das sogenannte Ein-gliederungsbudget im nächsten Jahr insgesamt 9,5 Mil-liarden Euro zur Verfügung gestellt. In den Folgejahrenwerden weitere Einsparungen möglich sein, nämlichdurch die Evaluation der arbeitsmarktpolitischen Instru-mente, die die Koalition vereinbart hat.Ziel des Sparpakets ist es, das Eingliederungsbudgetbis 2013 auf 8 Milliarden Euro zurückzuführen. Auf die-sem Niveau lagen die Ausgaben schon einmal im Jahr2006. Dazu muss man wissen, dass die Arbeitslosenzah-len im Jahr 2006 bei 4,5 Millionen lagen. Jetzt sind wirbei 3,2 Millionen Arbeitslosen und sind auf dem Weg,unter die 3-Millionen-Grenze zu gelangen. Das heißt,wir können das Absenken der Mittel sehr wohl vertretenund bleiben weiterhin bei einem hohen Leistungsniveau.
Frau Kollegin, darf ich Sie noch einmal unterbre-
chen? Die Kollegin Mast möchte Ihnen eine Frage stel-
len.
Ich habe es schon einmal gesagt: Ich glaube, es istbesser, Sie hören erst einmal zu, weil Sie dann mehr da-zulernen können
und sich Ihre Schwarzmalerei vielleicht ändern wird,weil Sie dann mehr verstehen und die Zahlen zur Kennt-nis nehmen.Rechnet man die Bundesmittel im Eingliederungs-budget auf die Zahl der Arbeitslosen nach SGB II um– das ist für Sie sehr interessant –, so ergibt sich, dass imJahr 2006 pro Arbeitslosen 2 860 Euro zur Verfügungstanden, während im kommenden Jahr 4 400 Euro zurVerfügung stehen werden. Von einem sozialen Kahl-schlag kann also weiß Gott nicht die Rede sein, meineDamen und Herren von der Opposition. Nehmen Sie daseinmal zur Kenntnis: 2 860 Euro und jetzt 4 400 Euro.
Einen zweiten großen Sparbeitrag erbringt dieserHaushaltsentwurf beim Arbeitslosengeld II. Das Spar-paket sieht zwei Maßnahmen vor, nämlich die Abschaf-fung des befristeten Zuschlags und den Wegfall derRentenversicherungsbeitragszahlung. Frau Ferner, ichwundere mich, was Sie schon alles dazu gesagt habenund was Sie schon alles wissen. Wir sind dabei, diesesGsgihsdsgt–wdöoAmsz9BFdwwZwhpwn51sr
Tatsache ist, dass 1,8 Milliarden Euro pro Jahr ausge-eben werden und dass das so nicht sonderlich sinnvollst. Ich denke, man kann mit dem Geld effektiver umge-en. Man muss dazusagen: Altersarmut lässt sich mitolchen Instrumenten ganz sicher nicht verhindern, son-ern das geht nur mit sozialversicherungspflichtiger Be-chäftigung, meine Damen und Herren.
Für die Einsparungen im Bereich der Sozialleistungenilt, was der Bundesfinanzminister schon bei der Präsen-ation des Haushaltsgesetzes gesagt hat: Wir haben denich zitiere – „Sinn sozialer Leistungen dort hinterfragt,o sie weder zum Schutz vor existenziellen sozialen Be-rohungen nötig sind noch soziale Aufstiegschancen er-ffnen“. Kurzum, unser Ziel ist es nicht, Hartz IV zuptimieren. Unser Ziel ist es, optimale Chancen zumusstieg aus Hartz IV zu schaffen.
Angesichts der guten Entwicklung auf dem Arbeits-arkt wird die Bundesagentur für Arbeit schon in die-em Jahr ein deutlich geringeres Defizit aufweisen alsunächst befürchtet; es wird wahrscheinlich bei 8 bisMilliarden Euro liegen. Auch durch die Anhebung deseitragssatzes von 2,8 auf 3 Prozent wird sich dieinanzgrundlage für die BA bessern. Deshalb bleibt esabei: Wir haben in diesem Jahr einen Zuschuss ge-ährt. Im kommenden Jahr wird aber ein Darlehen ge-ährt. Das muss zurückgezahlt werden. Es gibt keinenuschuss mehr.Meine Damen und Herren, mit diesem Haushaltsent-urf liegt zum ersten Mal seit Jahren ein echter Spar-aushalt vor. Das ist ein ganz entscheidender Wende-unkt. Dem Vorwurf der sozialen Schieflage, der immerieder geäußert wird, können wir ganz gelassen begeg-en.
1,7 Prozent des Bundeshaushaltes,
58,8 Milliarden Euro,
ind im Jahre 2011 für den Bereich der sozialen Siche-ung vorgesehen.
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Dr. Claudia Winterstein
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Das ist mehr als jemals unter der rot-grünen Regierung,meine Damen und Herren.
Wir gehen in dieser Regierung den verantwortungs-vollen Weg einer dauerhaften und echten Konsolidie-rung des Haushalts, indem wir die Ausgaben tatsächlichsenken. Das sind wir auch der jungen Generation schul-dig; denn Kinder können auf Schuldenbergen nicht spie-len.Danke.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat nun die Kol-
legin Hagedorn.
Frau Kollegin Winterstein, ich habe mich gemeldet,
weil Sie meine Zwischenfrage bedauerlicherweise nicht
zugelassen haben.
Da wir von der medialen Öffentlichkeit beobachtet wer-
den, sollten wir dazu beitragen, dass aufgeklärt und nicht
versucht wird, die Menschen zu verdummen.
Sie haben vorhin einen sehr kruden Vergleich ange-
stellt, als Sie gesagt haben, die Neuverschuldung sei
2009 gegenüber 2008 enorm gestiegen und 2011 werde
sie im Vergleich zu 2010 gesenkt. Damit haben Sie in
der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, der vorlie-
gende Haushalt sei ein Sparhaushalt.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Haushalt, der
2010 aufgestellt worden ist, die höchste Neuverschul-
dung der Nachkriegszeit bedeutet hat. Auch wenn wir,
was wir alle hoffen, aufgrund der guten Konjunkturlage
und des gestiegenen Wachstums, das vermutlich 3,4 Pro-
zent betragen wird, bei einer Neuverschuldung von gut
50 Milliarden Euro landen, wird sich das Haushaltsjahr
2010 diesen Spitzenplatz in der gesamten Nachkriegszeit
mit dem Haushaltsjahr 2011 teilen, weil Sie jetzt eine
Neuverschuldung in Höhe von 57 Milliarden Euro vor-
gesehen haben.
Geben Sie mir außerdem recht, dass den dritten Platz
der Haushalt 1996 von Theo Waigel einnimmt und dass
das Haushaltsjahr, das Sie herangezogen haben, das
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Frau Kollegin Winterstein, bitte.
Liebe Bettina Hagedorn, ich will gerne auf diese Fra-en antworten. Vor allen Dingen möchte ich darauf hin-eisen, dass es schon ein Leben vor der Krise gab. Esab Zeiten, in denen wir sprudelnde Steuereinnahmen zuerzeichnen hatten, in denen wir sehr wohl in der Lageewesen wären, einen ausgeglichenen Haushalt vorzule-en,
n denen wir sehr wohl auch in der Lage gewesen wären,ür den Bereich Arbeit und Soziales einen wesentlichesseren Haushalt vorzulegen. Diese Chance ist von Ih-en vertan worden.
n guten Zeiten sollte man etwas zurücklegen, damitan in schlechten Zeiten etwas hat.
iese wahnsinnig hohe Neuverschuldung haben wiruch Ihrer schlechten Regierungszeit zu verdanken;
onst würden wir uns heute nicht in dieser Situation be-inden.Nehmen Sie insofern doch bitte auch zur Kenntnis,ass wir jetzt – das habe ich auch gesagt – auf einemehr guten Weg sind, weil wir bei uns sparen und diesenaushalt durch eigene konsequente und dauerhafte Spar-aßnahmen sozusagen wieder auf die gerade Schieneringen wollen und nicht über Steuereinnahmen versu-hen, zu sanieren. Es ist leider so, dass das jetzt Zeit be-ötigt, weil die Verschuldung derartig hoch ist. Damitüssen wir leben. Umso wichtiger ist aber, dass wir jetztirklich intensiv sparen. Auf diesem Wege sind wir.Insofern sind die Maßnahmen, die wir ergriffen ha-en, sehr ausgewogen: Auf der einen Seite sorgen wirben tatsächlich für Einsparungen, auf der anderen Seiteaben wir aber sehr wohl auch die soziale Komponentem Blick. Dementsprechend haben wir unsere Sparmaß-ahmen sozialverträglich angelegt.
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Nun hat der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion Die
Linke das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erlebeneine Ministerin, die ihre Arbeit selbstverständlich gutdarstellt. Dafür habe ich Verständnis. Trotzdem müssenwir schon ein bisschen genauer hinschauen, Frau von derLeyen.
Wenn Sie sagen: „Es geht wieder aufwärts“, dann stelltsich natürlich die Frage, für wen. Ich zitiere aus SpiegelOnline vom 4. September 2010. Dort heißt es – Zitat –:Die Verluste aus der Finanzkrise sind laut einerDIW-Studie inzwischen komplett ausgeglichen.Davon profitieren besonders die Reichen: Noch niegab es hierzulande so viele Vermögensmillionäre.Es geht aufwärts, aber nicht für die Bevölkerung.Frau von der Leyen, wenn ich mir Ihren Haushalt an-sehe, dann stelle ich fest: Das Elterngeld für Hartz-IV-Bezieher wird um 500 Millionen Euro gekürzt, bei derRentenversicherung wird um 1,8 Milliarden Euro ge-kürzt, und die Ausgleichszahlungen für den Übergangvom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II sinkenum 200 Millionen Euro. – Daneben stellen wir fest, dassdie Eingliederungstitel gekürzt werden, die für die Men-schen gedacht sind, die Hilfe brauchen, um tatsächlichwieder Arbeit zu bekommen. Das alles passt überhauptnicht mit dem zusammen, was Sie hier darstellen. Esgeht offensichtlich nicht allen besser. Vielmehr wird beiden sozial Schwachen ganz besonders gekürzt.Es wurde von dem Prinzip des sozialen Ausgleichsgesprochen, und die Bundeskanzlerin sagte, als es umdas Kürzungspaket ging, es sei ausgewogen. Die Ausge-wogenheit ist schon deshalb nicht gegeben, weil in Ih-rem Haushalt, Frau von der Leyen, letztendlich 37 Pro-zent der gesamten Kürzungen vorgenommen werden.Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist falsch, das mit demPrinzip der Ausgewogenheit zu erklären.
Warum verfahren Sie eigentlich nicht nach dem Ver-ursacherprinzip?
Es wird unter anderem deshalb eine hohe Verschuldungim Haushalt ausgewiesen, weil wir eine Bankenkrise zufinanzieren haben, für die all diejenigen, die Sie jetzt be-lasten, nicht die geringste Verantwortung haben, und dasist falsch an Ihrem Haushalt, Frau von der Leyen.
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etzt sagen Sie: Der Aufschwung kommt an. – Frauinterstein, ich habe gerade von Ihnen gehört, es geheufwärts.
ch sage Ihnen: Es geht aufwärts, weil die Industrieunter-ehmen wieder die Leiharbeiter einstellen, die sie vorherntlassen haben. Es geht nicht aufwärts im Bereich derormalen Vollzeitjobs. Im Gegenteil: Wir stellen bei Be-rachtung eines längeren Zeitraums fest – diese steht jaurchaus zur Verfügung –, dass die Anzahl der sozialver-icherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten, die es 2000och gab, inzwischen um 2,3 Millionen gesunken ist. Dienzahl anderer Jobs ist demgegenüber gestiegen: Dienzahl der Menschen in Leiharbeit, der Menschen in be-risteten Beschäftigungsverhältnissen und der Menschenn prekärer Beschäftigung hat zugenommen. – Nicht zu-enommen hat jedoch die Anzahl der Menschen mit einerernünftigen Beschäftigung in diesem Land. Dafür sindie mitverantwortlich, unter anderem deshalb, weil Sie,rau von der Leyen, eine vernünftige Regelung für denereich der Leiharbeit nach wie vor verhindern.Beim Thema Leiharbeit geht es nicht nur darum, denrehtüreffekt zu verhindern, dass Menschen zunächstntlassen und anschließend im selben Betrieb wiederingestellt werden. Vielmehr geht es beim Thema Leih-rbeit um ein ganz einfaches Prinzip – das müsste dochür uns selbstverständlich sein –, nämlich dass man beileicher Arbeit das gleiche Geld bekommt, dass Equalay gilt. Aber das machen Sie in Ihrem Gesetz nicht.amit sind Sie für eine ungleiche Verteilung in diesemand verantwortlich, Frau von der Leyen.
Dasselbe Problem gibt es bei befristeten Arbeitsver-ältnissen. Inzwischen sind 40 Prozent aller neu abge-chlossenen Arbeitsverhältnisse – das trifft natürlichuch jetzt für die Zeit des Aufschwungs zu – nur nochefristet. Betrachten Sie das als Aufschwung? Betrach-en Sie es als Aufschwung, wenn die überwiegend jun-en Leute, die nach der Krise wieder einen Job bekom-en und vorher möglicherweise als Leiharbeitereschäftigt waren, jetzt nur noch solche Beschäftigungs-erhältnisse bekommen, bei denen sie von vornhereinissen, dass dieses Arbeitsverhältnis in kürzester Zeitieder beendet ist? Ich kann Ihnen sagen: Damit gebenie den Menschen in diesem Land keine Zukunft. Imegenteil: Damit tragen Sie dazu bei, dass die Menschen
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Klaus Ernst
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eine Zukunft haben, die aus Unsicherheit, schlechten Ar-beitsbedingungen und Niedriglöhnen besteht.Angesichts der Feststellung, dass mit diesem Auf-schwung die Gewinne wieder deutlich steigen – Siefreuen sich darüber natürlich ganz besonders; wir freuenuns vor allem darüber, dass die Krise vorbei ist –, hätteich erwartet, dass wir hier von Ihnen etwas hören, wieSie dazu beitragen wollen, die ungleiche Vermögensver-teilung, die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichenReichtums zu beenden. Dazu habe ich keinen einzigenSatz von Ihnen gehört, Frau von der Leyen.
Ich könnte gerne noch den einen oder anderen Punkt auf-zählen, der für Ihren Haushalt noch von Bedeutungwäre.Frau von der Leyen, wir haben viel über Mindest-löhne und Aufstocker diskutiert.
Dazu nenne ich Ihnen folgende Berechnung: In den letz-ten Jahren wurden 50 Milliarden Euro an Lohnsubventi-onen gezahlt, weil Sie die Einführung eines gesetzlichenMindestlohns verhindern. Wären wir in der Lage, dieMenschen in diesem Lande tatsächlich auf einem ver-nünftigen Lohnniveau zu bezahlen, dann hätten Sie inIhrem Haushalt das, was Sie machen, nämlich diese Kür-zungsorgien, überhaupt nicht nötig.Verweigern Sie sich deshalb an der Stelle nicht län-ger! Schaffen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn! Re-geln Sie Leiharbeit mit gleichem Lohn für gleiche Ar-beit! Sorgen Sie dafür, dass die Menschen eineunbefristete Beschäftigung haben und dass wir kein Pre-kariat erleben müssen.Ich danke fürs Zuhören.
Nächster Redner ist der Kollege Markus Kurth für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Dieser Haushalt präsentiert sich zwar als Sparhaus-halt, aber tatsächlich verschiebt er Lasten auf andereZweige der Sozialversicherung und in die Zukunft. Diesist kein Sparhaushalt.
Es werden Lasten auf die Rentenversicherung und aufdie Bundesagentur für Arbeit verschoben, die sich jetztverschulden können soll und die einen Schattenhaushaltbegründen wird. Am schlimmsten ist: Auch zulasten derArbeitslosen werden finanzielle Belastungen in die Zu-kunft verschoben, indem Sie beim Eingliederungstitel,bei der Qualifizierung, bei der Weiterbildung und bei derFörderung von Langzeitarbeitslosen einsparen.dEuliIRzlozssgsiSwEnSLNvdu2ApBgEssdtdG
Erst kürzlich – Herr Schiewerling, auch Sie warenabei – hat das Institut der deutschen Wirtschaft einevaluation vorgelegt, in der die Berufsbildungswerkentersucht wurden, die sehr teure Weiterbildungs-, Qua-fizierungs- und Umschulungsmaßnahmen anbieten. Dasnstitut der deutschen Wirtschaft hat festgestellt, dass dieendite aus den Investitionen in Weiterbildung 11,7 Pro-ent beträgt, erwirtschaftet durch eingespartes Arbeits-sengeld II, durch zusätzliche Steuereinnahmen und durchusätzliche Sozialversicherungsbeiträge. Sie rechnen kurz-ichtig und nicht nachhaltig und langfristig.
Dramatisch finde ich auch, dass Sie blind sparen. Sieparen ins Blaue hinein. Frau von der Leyen hat hier aus-eführt, dass sie eine Evaluation der arbeitsmarktpoliti-chen Instrumente in Auftrag gegeben hat und dass siem nächsten Jahr die Ergebnisse erwartet. Warum wartenie denn die Ergebnisse nicht ab, um dann festzustellen,as das effektivste Instrument ist? Dann könnte man deninsparungen unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunktenoch zustimmen. Aber Sie sparen einfach drauflos, weilie unter Druck gesetzt worden sind, Frau von dereyen.
Der Vergleich mit dem Jahr 2006 hinkt überdies.icht nur dass im Jahr 2006 der Eingliederungstitel nichtollständig ausgeschöpft wurde, sondern auch die Zahler Langzeitarbeitslosen, die einer besonders intensivennd qualifizierten Förderung bedürfen, ist gegenüber006 nicht gesunken.
n diesem Punkt müssen wir ansetzen.
Im Ergebnis ist die Folge klar absehbar: Diese Spar-olitik wird immer kurzatmigere Maßnahmen seitens derundesagentur für Arbeit erzwingen, weil diese ihre so-enannten Aktivierungsquoten hochhalten wird, und imrgebnis den Druck auf Langzeitarbeitslose und Be-chäftigte erhöhen. Unterm Strich kann man sagen: Die-er Haushalt vergrößert die soziale Verschuldung iniesem Lande.
Wenn Sie den Haushalt schon so offensiv in den Kon-ext der Staatsverschuldung stellen, Frau von der Leyen,ann frage ich Sie, warum Sie Stimmen wie die vonerhard Cromme nicht ernst nehmen. Gerhard Cromme,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6183
Markus Kurth
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Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens, Multimillionärund früherer Vorstandschef des Konzerns Thyssen-Krupp, ist dafür bekannt, dass er kein Kind von Traurig-keit ist, wenn es um harte Sanierungseinschnitte in Un-ternehmen geht. Derselbe Gerhard Cromme sagt ineinem Interview mit einer angesehenen deutschen Ta-geszeitung in der Sommerpause, er könne sich eine be-fristete Vermögensabgabe vorstellen, um einen Beitragzur Überwindung der Krise zu leisten. Warum greifenSie diese Bereitschaft, die viele Menschen in diesemLande zeigen, nicht auf?
Die Verteilungswirkungen sind das eine. Das andereist die Wirkung auf die Menschen, die davon betroffensind. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie – ob willentlich oderunbewusst – eine Politik der Diskriminierung gegenüberdenjenigen betreiben, die Unterstützung benötigen. Amaugenfälligsten wird das bei der Streichung des Elterngel-des für Eltern, die Grundsicherung beziehen müssen. Siediskriminieren gezielt die Bezieher einer bestimmten So-zialleistung und entziehen diesen die Familienförderung.Deutlicher kann man, ob gewollt oder nicht, die Botschaftnicht aussenden: Wir wollen nicht, dass ihr Kinder be-kommt.
Genau diesem Muster folgt die Tonlage im Hinter-grund, wenn es um die Idee eines elektronisch gestütz-ten Gutscheinsystems für Kinder aus Arbeitslosengeld-II-Haushalten geht. Die Botschaft lautet: Wir trauen denlangzeitarbeitslosen Eltern von Kindern die Erziehungund eigenständige Lebensführung nicht wirklich zu. Zu-mindest wird dies von nicht wenigen Abgeordneten undAkteuren aus der schwarz-gelben Koalition so orches-triert.Damit wir uns nicht missverstehen: Es spricht allesdafür, statt rechnerisch 1 Euro für das Mittagessen einesKindes im Regelsatz anzusetzen, ein vollwertiges Essenals reguläre Sachleistung in der Schule anzubieten. Ichfüge hinzu: wenn es denn in allen Schulen einen Mit-tagstisch gibt.Oder nehmen wir das Beispiel Bildung, von dem Sieausführlich gesprochen haben: Es wäre mehr als sinn-voll, die 4 Euro im Monat, die für Nachhilfe angesetztsind, aus dem Regelsatz herauszunehmen. Für 4 Euro imMonat kann man sich ohnehin keine Nachhilfestundenleisten. Es wäre sinnvoll, stattdessen einen eindeutigenRechtsanspruch auf Nachhilfe festzuschreiben, der alseinmalige Leistung im notwendigen Umfang zu gewäh-ren ist.Aber was tun Sie? Zunächst sehen Sie tatenlos zu, wiedie Bundesagentur für Arbeit den Nachhilfeanspruch,der seit Februar durch das Urteil des Bundesverfassungs-gerichts besteht, maximal einschränkt. Anstatt den Rich-terspruch zum Anlass zu nehmen, auf einem Gebiet denBildungsanspruch und Bildungsziele durchzusetzen, las-sen Sie zu, dass der vom Verfassungsgericht definierteBmgsStlfedjsiswhBdnssWEdPhofrfBalgggodtdwOdhDeABeddgzd
Ich empfinde es auch als Täuschungsmanöver, wenner Eindruck erweckt wird, mit der Chipkarte stündeetzt allen der Weg zur Musikschule und zur künstleri-chen Bildung offen. Was ist denn in den letzten Jahrenn den Kommunen mit solchen Bildungsangeboten pas-iert? Ihre Zahl ist um mehr als ein Drittel verringertorden, und die verbleibenden sind mit Gebühren verse-en worden, die Ihre Chipkarte nicht einmal zu einemruchteil abdecken wird. Diese Bundesregierung drückturch Steuergeschenke den Städten und Gemeinden fi-anziell die Gurgel zu und präsentiert dann einen Gut-chein, den man vielerorts überhaupt nicht mehr einlö-en kann, weil die Angebote fehlen.
eil Sie dies wissen, entwerfen Sie eine Szene von derinbindung der Privatwirtschaft bei der Finanzierunger Chipkarte. Aber diese Finanzierungsbeteiligung derrivatwirtschaft ist noch nicht einmal am Horizont zu se-en. Darüber hinaus kann man getrost die Frage stellen,b wir eine öffentliche Regelfinanzierung von Kinder-örderung an Institutionen durch private Almosengewäh-ung an diese Institutionen ersetzen wollen. Wir jeden-alls wollen dies nicht. Im Ergebnis laufen Ihre Pläne aufevormundung und weniger Freiheit für Langzeit-rbeitslose und alle anderen hinaus, die auf das Arbeits-osengeld II angewiesen sind.Das korrespondiert mit anderen Vorhaben wie der so-enannten Bürgerarbeit. Hier sollen fünfmal mehr Bür-er aktiviert werden, als überhaupt Plätze in der Bür-erarbeit zur Verfügung stehen. Das heißt – das scheintffenbar von vornherein das Ziel zu sein –, ein Großteiler zu Aktivierenden soll letzten Endes aus dem Leis-ungsbezug ausgesteuert werden. Ich finde, dass sichies alles in Richtung des vormodernen Sozialstaats be-egt, wo Armenpolizei und Arbeitshaus die Armen zubjekten eines Obrigkeitsstaates machten und wo nurer sittliche Arme Anspruch auf öffentliche Fürsorgeatte. Ich erlebe eine erstaunliche Renaissance diesesenkens. Michael Fuchs etwa sagt – das wurde schonrwähnt –: Eltern, die ihre Kinder nicht erziehen, müssenLG-II-Kürzungen hinnehmen. – Ich will ein Urteil desundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1967 zitieren,in Urteil, das ich wirklich wegweisend finde. Das Bun-esverfassungsgericht hat in diesem Urteil, das das Endeer Arbeitshäuser im Nachkriegsdeutschland besiegelte,esagt: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, seine Bürgeru bessern. – Das ist ein wichtiger und zentraler Satz, anen wir uns in der Sozialpolitik öfter erinnern sollten.
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6184 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Markus Kurth
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Es geht um die Stärkung und die Befähigung vonMenschen, die zeitweise nicht in der Lage sind, ihrenLebensunterhalt selbstständig zu erwirtschaften. WirBündnis 90/Die Grünen wollen die Menschen ernst neh-men. Wir wollen ein Wunsch- und Wahlrecht, Möglich-keiten, sich die Angebote selber auszusuchen. Miteinan-der statt Obrigkeit, das erzielt die besten Ergebnisse. Dasist am effektivsten. Wir stehen für einen Ausbau der In-frastruktur zur Bildung und Förderung von Kindern so-wie Jugendlichen. Wir stehen für Teilhabe und Selbstbe-stimmung statt Verhaltenskontrolle durch Nannys imSozialministerium.Danke.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort die Kol-
legin Ingrid Fischbach.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnenund Kollegen!Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kannebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.Diese Worte hat Henry Ford einmal gesprochen. Sie sindwohl wahr. Wenn wir jetzt aufhören, zu sparen und denHaushalt zu konsolidieren, können wir gleich einpacken.Sie haben recht, Frau Hagedorn: Wir haben hohe Schul-den. Da ich ein bisschen länger dabei und gut bei Ver-stand bin und mein Erinnerungsvermögen vorhanden ist,erinnere ich mich noch an einen Sparminister – ichglaube, er kam aus Ihrer Fraktion, meine Damen undHerren von der SPD –, der im Jahr 2004, als sich der da-malige Kanzler rühmte, den Aufschwung habe er alleindurch seine Kandidatur und sein Kanzlersein erwirt-schaftet, eine Neuverschuldung in Höhe von 43 Milliar-den Euro auf den Weg gebracht hat. Theo Waigel, denSie angesprochen hatten, war 1996 bei 40 MilliardenEuro angelangt.
Die Zuschauer vor den Bildschirmen können nun errech-nen, wer eine höhere Neuverschuldung zu verantwortenhatte. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinenwerfen.
Die Situation 2004 war anders als die heutige. Deswe-gen ist das, was Sie hier machen, unfair, unsozial undeffekthascherisch. Wir haben eine so hohe Neuverschul-dung, weil wir eine noch nie dagewesene Krise bewälti-gSwfbdnrsz–wudDSmtwMtMdDtzg–wswSmIvgudsf
Herr Kurth, deshalb ist es auch nicht richtig, dass Sieagen, dieser Haushalt sei kein Sparhaushalt. Wir redu-ieren, und das ist wichtig – –
Dann hören Sie zu, vielleicht erfahren Sie doch noch,as Sparen heißt, wenn Sie selbst es noch nicht wissennd noch nicht können.Wir haben eine Aufgabe, nämlich die Neuverschul-ung zurückzufahren und Einsparungen vorzunehmen.as bedeutet: Alle Ministerien sind gefordert, auch dasozialministerium. Ich möchte an dieser Stelle deutlichachen, dass wir bisher 12 Prozent des Bundeshaushal-es allein für Zinszahlungen ausgeben. Davon müssenir runter, weil wir das Geld für andere Dinge brauchen.ittlerweile ist jeder fünfte Euro kreditfinanziert. Sieun hier so, als hätten wir ein Wunschkonzert nach demotto: Wer noch etwas haben möchte, der soll sich mel-en, dann packen wir noch ein bisschen drauf.
as haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten ge-an, und das war falsch. Sie monieren Kürzungen, stattuzuhören, warum gekürzt wird und an welchen Stellenekürzt wird.
Darüber, ob die Stellen richtig sind oder nicht, könnenir reden.Ich bin jetzt bei dem Punkt der arbeitsmarktpoliti-chen Maßnahmen. Frau Hagedorn, Sie gehen dochie ich in Ihrem Wahlkreis mal zu den Arbeitsagenturen.ie reden auch mit den Bürgerinnen und Bürgern, auchit denen, die länger arbeitslos sind.
ch höre von vielen Kolleginnen und Kollegen und vonielen Bürgerinnen und Bürgern die Frage bzw. Aussa-en: „Wieso gibt es eigentlich so viele Maßnahmen, dieneffektiv sind?“, „Jetzt schicken die mich schon in denritten Computerkurs.“ „Ich muss jetzt wieder eine Um-chulung für einen Beruf machen, der dann, wenn ichertig bin, überhaupt nicht.“ – –
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6185
Ingrid Fischbach
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– Jetzt hören Sie doch einmal gut zu. Was wir mit Rechtwollen, ist doch, dass wir kontrollieren und nach Ziel-genauigkeit und Effizienz auswählen und an dieserStelle den Menschen – –
– Sie können sich gern melden und eine Zwischenfragestellen; aber immer reinzurufen, ist unsinnig, weil dieZuhörer draußen nicht hören, was Sie rufen. Wenn ichIhnen dann antworte, dann ist meine Rede nicht so lo-gisch; das finde ich nicht so prickelnd.
Also, wir haben gemeinsam beschlossen, die Schul-denbremse ins Grundgesetz aufzunehmen und daran zuarbeiten. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Der Ab-bau von Schulden ist zukunftsorientierte Politik. Das isteine Politik für unsere Kinder, für unsere Nachfolger undfür unsere Enkelkinder, und daran halten wir fest.
Mit den Einsparungen und Kürzungen bei den Ausga-ben des Sozialministeriums sind wir bei Zahlen, die wirim Jahr 2008 hatten. Wir liegen sogar noch darüber. FrauHagedorn, hatten Sie, als wir in der Großen Koalitionwaren, bei 123 Milliarden Euro Ausgaben im Sozialetatden Gedanken, wir hätten den sozialen Kahlschlag ver-abreicht? Das habe ich von Ihnen in der Diskussion nichtgehört.
Wir sind heute bei 143 Milliarden Euro. Sie sprechenvom sozialen Kahlschlag, wenn wir von 143 MilliardenEuro auf 131 Milliarden Euro heruntergehen. Sie müs-sen bei Ihrer Argumentation ein bisschen darauf aufpas-sen.
Die Außenwirkung ist wichtig. Wir geben trotz derKürzungen immer noch 131,8 Milliarden Euro für denSozialhaushalt aus. 131,8 Milliarden Euro! Ich sage dasso deutlich und so oft, weil ich glaube, dass viele nichtverstehen, über welche Summe wir reden. Das ist einAnteil am gesamten Bundeshaushalt von weit über50 Prozent. Wenn ein Drittel der gesamten Einsparungenvon diesem Teil erbracht werden muss, dann ist das rich-tig, dann ist das vertretbar.
Wir müssen diesen Weg gehen, weil wir Politik für un-sere Kinder machen und weil wir wollen, dass die Schul-den heruntergehen. Das werden wir anders nicht hinkrie-gen; das ist richtig, Frau Ferner.
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Frau Ferner, ich unterstelle Ihnen jetzt nicht, dass Sieamals den Anteil für die Bildung der Kinder bei dererechnung der Eckregelsätze absichtlich herausgelas-en haben. Das sage ich jetzt nicht. Ich vermute, Sie ha-en nicht daran gedacht.
enn ich der Verursacher wäre, dann wäre ich ganz ru-ig. Ich würde nicht damit argumentieren, was allesalsch läuft. Sie haben nicht daran gedacht.
Sie haben das auch nicht auf den Weg gebracht. Sieätten damals an dieser Stelle sagen müssen, das seiichtig. So wie Sie heute sagen, das werde vor dem Ver-assungsgericht keinen Bestand haben, hätten Sie es da-als genauso sagen können.
Sie haben das doch mitgetragen.
Ich persönlich war nicht im Vermittlungsausschuss,
ber Sie waren vielleicht darin. Ich sage nur: Sie habenin Gesetz auf den Weg gebracht und den Bildungsanteilicht berücksichtigt. Ich habe nicht gesagt, dass Ihnenas bewusst war – diese Einschätzung überlasse ich Ih-en –, aber Sie haben ihn nicht berücksichtigt.
Jetzt haben wir gesagt: Wir machen es transparent,nd dieser Anteil muss vorhanden sein. – Das Verfas-ungsgericht gibt uns den Auftrag, nicht nur für diesennteil zu sorgen, sondern auch dafür zu sorgen, dass erei den Kindern ankommt. Deshalb halte ich die Idee derinisterin, eine Bildungschipkarte einzuführen, für eineehr gute. Dass wir noch schauen müssen, wie das imetail geht, ist klar. Das werden wir klären. Das ist aberein gänzlich neues Instrument. Einige tun so, als sei dasine Erfindung über Nacht und als müssten wir schauen,ie wir das auf den Weg bringen. Die Bildungskarte gibts als ergänzende Familienhilfekarte in vielen Kommu-en, wo sie sich sehr gut bewährt hat. Wir übernehmenas, was gut läuft, und notwendige Verbesserungen wer-en wir vornehmen. Ich finde, das ist ein guter und rich-iger Schritt; denn in die Kinder zu investieren, ist einenvestition in die Zukunft. Das ist christlich-liberale
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6186 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Ingrid Fischbach
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Politik. Daran werden wir festhalten, und wir werdenuns von Ihnen nicht von unserem Weg abbringen lassen.
Ich möchte kurz auf die Situation der Langzeit-arbeitslosen eingehen. Herr Kurth verbreitet hier, dieZahlen seien nicht rückläufig. Sie sind aber zurückge-gangen und liegen jetzt unter 1 Million. Sie können dieZahlen abrufen und werden feststellen, dass sie zurück-gegangen sind. Ich habe heute Morgen die aktuellstenZahlen abgerufen. Wir müssen vor allem die Menschenin Arbeit bringen, die schon lange keine Arbeit mehr ha-ben. Dazu sind manche Maßnahmen – das habe ich vor-hin schon gesagt – nicht geeignet, weil sie nicht effizientsind und die Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit hal-ten.
Die beste Vorsorge für das Alter und die besten Mittelgegen Altersarmut sind Arbeit
und ein vernünftiger Lohn. Deshalb müssen die Men-schen in Arbeit gebracht werden. Wir werden im Rah-men der Reform viel stärker auf die individuellen Be-dürfnisse der Arbeitslosen eingehen können. Das werdenwir auch tun. Wir werden uns auch über die Hinzuver-dienstgrenzen unterhalten müssen. Ich höre oft vonLangzeitarbeitslosen – vielleicht höre nur ich das immerin meinem Wahlkreis und Sie nicht –, wenn es darumgeht, einen 400-Euro-Job anzunehmen: Ich darf nur160 Euro dazuverdienen. – Ich frage dann: Wieso dürfenSie nur 160 Euro dazuverdienen? Die Antwort lautet:Der Rest wird mir angerechnet. – Ich entgegne dann,dass der Langzeitarbeitslose 400 Euro und den anderenTeil selber verdient und damit nicht auf Sozialtransfersangewiesen ist. Ich glaube, wir müssen etwas tun, damitdas Verständnis, selbst etwas zum Lebensunterhalt bei-zutragen, wächst. Deshalb werden wir uns über die Hin-zuverdienstgrenzen noch unterhalten müssen. Es ist einrichtiger Weg, Anreize zu schaffen, eine Arbeit aufzu-nehmen. Es muss aber auch deutlich werden, dass dieje-nigen, die in Arbeit sind, mehr Geld haben müssen alsdiejenigen, die nicht arbeiten. Das Lohnabstandsgebotwird immer das Credo unserer Politik sein. Daran haltenwir fest. Die christlich-liberale Koalition wird dafür sor-gen, dass die Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind, inArbeit kommen.
Frau Kollegin.
Die Prognosen für das nächste Jahr stimmen uns opti-
mistisch. Ein Wirtschaftsinstitut hat heute gemeldet,
dass es 2011 2,8 Millionen Arbeitslose geben wird. Wir
sind auf einem guten Weg.
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ie SPD nimmt die Verantwortung gegenüber künftigenenerationen mindestens so ernst wie Sie. Das Problemst, dass Sie das, was Sie hier vorgelegt haben, täglichindestens 20-mal Sparhaushalt nennen, es aber inirklichkeit kein Sparhaushalt ist; denn Sie sparenicht, sondern Sie verschieben Lasten auf die nächsteeneration, und Sie schichten zulasten der sozialen Si-herungssysteme um. Wir werden uns in wenigen Jahrenamit zu beschäftigen haben, dass sowohl die Beiträgeur Arbeitslosenversicherung als auch die zur Renten-ersicherung nicht stabil gehalten werden können. Daslles haben Sie zu verantworten. Sie organisieren mitiesem Haushalt in allererster Linie eine gigantischemverteilung von unten nach oben.
Es ist richtig – das wurde schon mehrfach gesagt –:ir reden hier über 132 Milliarden Euro. Das ist knappie Hälfte des Bundeshaushalts. Aber die Größe an sichagt noch gar nichts darüber aus, wie viel soziale Ge-echtigkeit davon ausgeht. Vor diesem Hintergrund willch mit einem Ammenmärchen aufräumen: Indem Siemmer wieder vorbringen, der prozentuale Anteil desinzelplans am Gesamthaushalt habe sich in den letztenahren vergrößert, versuchen Sie, deutlich zu machendas hat Michael Fuchs versucht, das hat Fraur. Winterstein versucht, und das ist auch von Frauischbach versucht worden –, dass Sie doch so sozialeien. Dazu muss ich Ihnen sagen: Verdummen Sie dieenschen bitte nicht! Der größte Brocken in dieseminzelplan ist mit über 80 Milliarden Euro der Zuschussur Rentenversicherung.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6187
Bettina Hagedorn
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Ich möchte in Erinnerung rufen, dass dieser Steuerzu-schuss 1990 noch bei 30 Milliarden Euro lag, 1998 bei52 Milliarden Euro und dass es in den letzten zwölf Jah-ren einen Aufwuchs von 28 Milliarden Euro gegebenhat, für den gesetzliche Grundlagen bestehen, die wiralle miteinander geschaffen haben und die auch richtigsind. Wenn Sie die 80 Milliarden Euro in Ihre prozen-tuale Rechnung einbeziehen, verkennen Sie aber völlig,dass die Einschnitte, Frau von der Leyen, die übrigens inkeinem Einzeletat so groß sind wie in Ihrem Etat, sich– richtigerweise – nicht bei der Rente abspielen, sondernsich auf die übrigen 51 Milliarden Euro konzentrieren.Das sind genau die Milliarden, mit denen für die anderenGenerationen in unserer Gesellschaft Chancen im Be-reich Arbeit geschaffen werden sollen.
Sie und vor allen Dingen Ihre Kollegen stellen sichhin und sagen, hier werde etwas für Kinder und für Fa-milien geleistet. Das ist einfach absurd und infam, weildie wirklichen Zahlen etwas anderes besagen. DieserHaushalt schmälert die Chancen von Kindern, von Al-leinerziehenden und von Familien
– das ist sehr wohl wahr –, und das ist genau die falscheStelle. Sie sparen sogar bei der Bildung!
Sie streichen bei Familien und Alleinerziehenden, dieschlechtbezahlte oder gar keine Jobs haben, die300 Euro Erziehungsgeld. Dabei waren Sie es, Frau vonder Leyen, die mit uns Sozialdemokraten das Elterngeldausdrücklich einkommensunabhängig eingeführt hat.Mit der FDP zusammen kassieren Sie es jetzt bei circa85 000 geringverdienenden Paarhaushalten und bei circa50 000 Alleinerziehenden wieder ein, während die Mil-lionärsgattin es behält. Wie können Sie als Christin nachdiesem Rückwärtssalto eigentlich noch in den Spiegelschauen?
Welche Wertvorstellungen liegen einer solchen Politikeigentlich zugrunde?
Das sind übrigens die gleichen Familien mit Kindern,die schon von Ihrer vielgepriesenen Kindergelderhöhungab Januar dieses Jahres nicht einen einzigen Cent erhal-ten haben.DdbDpDnwnsSidHsgrSUuautGne
as sind die gleichen Familien mit Kindern, die durchie Streichung des Heizkostenzuschusses pünktlich zumevorstehenden Winter eiskalt betroffen sein werden.as, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist soziale Kälteur.
as ist menschenverachtend und kinderfeindlich.
Die Frage ist gar nicht, ob gespart wird – darauf kön-en wir uns, glaube ich, verständigen –; die Frage ist,ie gespart wird und zu wessen Lasten. In Ihrem soge-annten Sparpaket
ind allein für 2011 Kürzungen im Bereich Arbeit undoziales in Höhe von 4,7 Milliarden Euro geplant. Dasst fast die Hälfte des kompletten Pakets. Bis 2014 wer-en es nahezu 32 Milliarden Euro sein. Bei der anderenälfte der Maßnahmen, die sich bei der Wirtschaft ab-pielen sollen, handelt es sich um unseriöse Luftbuchun-en. Sie sparen de facto – nein, „sparen“ ist nicht derichtige Ausdruck –,
ie kürzen de facto lediglich bei denjenigen, die unserernterstützung am meisten bedürfen,
nd das, obwohl wir alle diese jungen Menschen als gut-usgebildete Arbeitskräfte in unserem Land brauchen,nd zwar unabhängig davon, ob sie einen Migrationshin-ergrund haben oder nicht.
enau denen und ihren Eltern fallen diese Kürzungenämlich auf die Füße.
Frau Kollegin, Sie haben schon das Ende der Redezeit
rreicht.
Dann war das das Ende meiner Rede.Ich danke.
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6188 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Bettina Hagedorn
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Der Kollege Dr. Heinrich Kolb hat das Wort für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn Sie mich morgens um 7 Uhr suchen, finden Siemich regelmäßig auf meinem Heimtrainer. Dort habe ichheute Morgen radelnd und Frühstücksfernsehen schau-end die für mich wichtigste Nachricht des Tages schonvernommen:
In 2011, so lauten die Prognosen, wird die Zahl der Ar-beitslosen in Deutschland auf durchschnittlich 2,8 Mil-lionen sinken. Das sind im Durchschnitt 400 000 weni-ger als noch in diesem Jahr.
Das zeigt mir – das will ich an der Stelle einmal sagen –,dass die Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur, diediese Regierung nach ihrem Regierungsantritt unternom-men hat, auch tatsächlich wirken.
Das muss man hier einmal sagen. Sie sollten so ehrlichsein, das auch anzuerkennen.
Sie konzentrieren sich immer nur auf eine Maß-nahme; wir haben aber viele entlastet, vor allen DingenFamilien mit Kindern und Arbeitnehmer.
Der Taxpayer’s Day, der Tag, ab dem die Menschen indiesem Lande für sich selbst und nicht mehr für denStaat arbeiten, lag in diesem Jahr zehn Tage früher. Da-mit steht mehr Geld zur Verfügung. Das belebt die Kon-junktur. So macht man das. Das muss in diesem Landauch einmal gesagt werden.
Liebe Frau Hagedorn, wir haben die Schulden-bremse gemeinsam in die Verfassung hineingeschrie-ben.
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an muss doch einmal klar sagen, dass es einen Sinnat, dass wir die Schuldenbremse eingeführt haben. Miteder weiteren Entscheidung, Konsum schuldenfinan-iert anzustoßen,
ngen wir die Spielräume in der Zukunft ein. Aber dieinder können in der Zukunft nicht auf Schuldenbergenpielen. Deswegen ist heute der Zeitpunkt gekommen,o wir Ansätze kürzen und Einsparungen vornehmenüssen.
Im Grundsatz sind wir uns ja einig, dass gespart wer-en muss. Sie jedoch sagen: Aber nicht so. Da fällt mirin Wort von Graf Lambsdorff ein: Wenn es darum geht,en Gürtel enger zu schnallen, fummelt jeder am Gürteles anderen. Wir wollen einmal schauen, wie das kon-ret gehen kann. Der größte Einzelposten im Sozialbe-eich, bei dem wir sparen,
etrifft Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von,8 Milliarden Euro für ALG-II-Empfänger. Hier kön-en Sie sich nicht ganz unschuldig fühlen, Frau Kolleginagedorn.
enau so etwas haben auch Sie schon getan. Die Be-auptungen der Kollegin Ferner, da würden keine An-pruchszeiten mehr entstehen, sind so nicht zutreffend;as sollten wir einmal abwarten. Das Gesetz ist nochicht geschrieben.
en Einsparsachverhalt als solchen haben Sie selbst iniesem Hause mehrheitlich beschlossen. Sie, Frauagedorn, können sich jetzt nicht hier hinstellen und sa-en: An dieser Stelle wollen wir keine Einsparungenornehmen.Jetzt wollen wir uns das Ganze noch etwas konkreternschauen, insbesondere weil der Kollege Ernst, der jaer bekannteste Aufstocker in diesem Land ist,
ier gesagt hat, alle unsere Maßnahmen gingen immerur zulasten der Ärmsten.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6189
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Herr Kolb, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Schaaf?
Er kann gerne später fragen; ich möchte meinen Ge-
dankengang zu den Ausführungen des Kollegen Ernst
gerade noch zu Ende bringen. – Kollege Ernst sagt, das,
was wir machen, gehe immer zulasten der Ärmsten.
Wenn zum Beispiel der Zuschuss für die einigungsbe-
dingten Leistungen nach § 291 c SGB VI gekürzt wird,
dann bekommt keiner derjenigen, die entsprechende
Leistungen erhalten, auch nur 1 Cent weniger. Es handelt
sich vielmehr um einen geringeren Zuschuss an die Ren-
tenversicherung. Die Betroffenen erhalten weiterhin ge-
nau die Beträge, die sie bisher bekommen haben.
Es ist also falsch, wenn Sie sagen, es werde zulasten der
Ärmsten gespart.
Nun reden wir einmal darüber, dass durch die Kür-
zung dieser Rentenversicherungsbeiträge den Langzeit-
arbeitslosen weniger Ansprüche entstehen.
Aus heutiger Sicht ist das für die allermeisten Betroffe-
nen in diesem und im nächsten Jahr mit hoher Sicherheit
irrelevant.
Aber es stellt sich natürlich die Frage der Alters-
armut. Diese möchte ich nicht kleinreden. Wir sind an-
getreten, hier etwas zu tun. Das können Sie in unserem
Koalitionsvertrag nachlesen.
Wir werden im nächsten Jahr eine Expertenkommission
einberufen und beraten, was man da tun kann, und wir
werden noch in dieser Legislaturperiode Ergebnisse prä-
sentieren. Aber durch einen zusätzlichen Renten-
anspruch von 2,09 Euro pro Jahr Langzeitarbeitslosig-
keit wird man das Problem nicht lösen können. Auch das
muss man hier einmal klar sagen.
Herr Kolb, wäre jetzt der Moment, wo Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Schaaf zulassen würden?
Ja, das wäre jetzt der Moment, wo eine Zwischen-
frage gestellt werden kann. – Bitte schön, Herr Schaaf.
Bitte schön.
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Herr Kollege Schaaf, es gilt der altbekannte Satz: Daschwierige an der Prognose ist die Vorhersage des Zu-ünftigen.
as können Sie sehr genau erkennen, wenn Sie sich dientwicklung der Überschüsse bzw. der Defizite in derentenversicherung ansehen. Es ist nur wenige Jahreer, dass wir in Zeiten einer sehr guten Konjunktur satteberschüsse in der Rentenversicherung erzielt haben.m letzten Jahr hatten wir den schwersten Einbruch iner Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik mit einembenso satten Defizit in der Rentenversicherung, weilurzarbeiter weniger Beiträge in die Rentenversiche-ung eingezahlt haben. Wenn Sie sagen, Sie wüsstenchon heute sicher, wie sich die Rentenbeiträge in denahren 2013/2014 entwickeln werden, dann sagen Sieinfach nicht die Wahrheit.Wir setzen darauf, über die Stärkung der Wirtschaftowie über die Schaffung und Sicherung von Arbeits-lätzen ein möglichst hohes Erwerbspotenzial zu er-eichen. Eine möglichst hohe Zahl sozialversiche-ungspflichtig Beschäftigter ist immer noch die besteestandsgarantie für alle Sozialkassen und insbesondereür die Rentenversicherung.
Herr Kollege Ernst, ich will mit zwei Beispielen wei-ermachen. Wo sparen wir denn?
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6190 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Dr. Heinrich L. Kolb
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Wir haben konkrete Vorschläge vorgelegt. Wo es bisherPflichtleistungen gibt, wollen wir Ermessensleistungen.Ist es denn wirklich sinnvoll, dass wir demjenigen, derdreimal erfolglos eine Firmengründung versucht hat,auch noch ein viertes Mal 10 000 Euro hinterherwerfen?Ich sage: Das macht keinen Sinn.
Der Berater vor Ort muss die Möglichkeit haben, an die-ser Stelle Nein zu sagen. Auch das gehört dazu.
Ein letztes Beispiel, Herr Kollege Kurth. Wenn es da-rum geht, sozialpolitische Hecken zu pflanzen, dann sindSie alle da. Aber wenn es darum geht, die sozialpoliti-schen Hecken zu schneiden, will keiner die Schere in dieHand nehmen. Andere haben in Zeiten, als die Energie-kosten auf einem Rekordniveau waren, einen Heizkos-tenzuschuss für Hartz-IV-Empfänger eingeführt. Ichfrage Sie: Wenn wir unsere Haushaltsverantwortungernst nehmen, ist es dann nicht unsere Pflicht in Zeiten,in denen die Energiepreise gesunken sind, die Heizkos-tenzuschüsse zurückzunehmen?
Genau das halten Sie uns vor. Aber ich halte das für not-wendig.Das sind mehrere Beispiele, die zeigen, wo wir kon-kret und verantwortlich handeln werden.Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Regelsät-zen. Frau Ferner, wir müssen Ihre Scherbenhaufen weg-räumen.
In zwei Urteilen haben Sie vom Bundesverfassungs-gericht Ohrfeigen bekommen, nämlich bei der Organisa-tionsreform der Jobcenter und auch bei den Regelsätzen.
Es ist doch nicht so, dass wir das falsch gemacht hätten.Sie haben damals ins Blaue hinein Regelsätze festge-setzt. Deswegen wundere ich mich über das, was Sieheute schon wieder alles wissen.
Herr Kolb, Sie sind jetzt schon fast am Ende Ihrer Re-
dezeit. Aber Herr Ernst würde Ihnen gerne noch eine
Zwischenfrage stellen.
Bitte sehr, Herr Ernst.
Herr Kolb, sozusagen von Aufstocker zu Aufstocker.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6191
Dr. Heinrich L. Kolb
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wirtschaften können. Das ist das Ziel unserer Politik. Siekaprizieren sich mit mehr oder weniger großem Erfolgauf andere Felder. Da unterscheiden wir uns. Dass esUnterschiede zwischen der Linken und der FDP gibt, istauch gut so.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Katja Kipping hat für die Fraktion Die Linke das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heuteläuft vor dem Bundestag die Aktion „Das letzte Hemd“von Campact. Diese Aktion zeigt, dass das Kürzungspa-ket so manchem wirklich ans letzte Hemd geht. Die Bot-schaft ist klar: Die Interessen der Atom- und Spekula-tionslobby sind Schwarz-Gelb wichtiger als das letzteHemd der Erwerbslosen und Geringverdienenden.Der Sozialhaushalt 2011 weist 20,9 Milliarden Eurofür das Arbeitslosengeld II aus. Das sind 3 MilliardenEuro weniger als in diesem Jahr. Eigentlich kann die Re-gierung gar nicht wissen, wie viel Geld sie für dasArbeitslosengeld II braucht; denn – erinnern wir uns – imFebruar hat das Bundesverfassungsgericht die Hartz-IV-Regelsätze, das Arbeitslosengeld II, als verfassungswid-rig eingestuft,
und wir haben alle den Auftrag bekommen, die Grund-sicherung verfassungskonform auszugestalten. Angeb-lich weiß die Bundesregierung noch gar nicht, wie hochdie Regelsätze ausfallen sollen. Also sollten wir festhal-ten: Der Titel für das Arbeitslosengeld II im Sozialhaus-halt ist entweder eine reine Luftbuchung, oder das Ganzeist das Eingeständnis, dass hier Manipulationen geplantsind. Beides ist skandalös.
Der Auftrag des Verfassungsgerichts lautet, die Regel-sätze nachvollziehbar neu zu berechnen. Die zentrale Kri-tik des Gerichts war, dass man damals unter Münteferingbei der Berechnung den Eindruck gewinnen musste, dasses sich um eine politisch gewollte Punktlandung bei einerZahl, die vorher politisch ausgehandelt war, gehandelthat. Insofern wäre es richtig gewesen, zunächst die Me-thode festzulegen und erst danach auf Grundlage der vor-liegenden Daten nachzurechnen, wie hoch der Betrag ist.Doch wie agiert das Haus von Frau von der Leyen?Frau von der Leyen, Sie verweigern uns bisher die He-rausgabe der Rohdaten. Ich habe diese Herausgabe in ei-nem Brief angefragt. Sie haben sich geweigert, diese Da-ten herauszugeben. Sie halten damit das Parlamentbewusst in Unwissenheit. Frau von der Leyen, ich for-dPnDhcdEbKfddRbgsdlsludhzsMFisMvwrrSmLwhf–k
iese Daten sind nicht Ihre Privatangelegenheit; sie ge-en auch den Gesetzgeber an.
Wenn Sie mit dieser Geheimniskrämerei so weiterma-hen, dann muss man wirklich den Eindruck gewinnen,ass Sie erst dann etwas herausrücken wollen, wenn dasrgebnis vorliegt. Hier wird so agiert, als würde maneim Pokern die Regeln erst dann festlegen, wenn allearten ausgeteilt sind und der Bestimmende weiß, wasür Karten er hat.Inzwischen ist aus vertraulichen Quellen in die Me-ien gelangt, dass das Ergebnis zwar längst vorliegt,ass es der CDU aber nicht in den Kram passt, weil deregelsatz – würde man ihn wie bisher berechnen – wohlei deutlich über 400 Euro liegen würde. Inzwischenibt es – auch das ist herausgekommen – die klare An-age: Hier muss gerechnet werden, bis der Regelsatzeutlich unter 400 Euro liegt.Bisher erfolgte die Berechnung wie folgt – nur zur Er-äuterung –: Es werden die Ausgaben derjenigen gemes-en, die zu den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung zäh-en. Schon damit haben wir Linke Probleme. Wir könnenns im Ausschuss einmal detaillierter über die Methodeer Berechnung unterhalten. Weil jetzt der Regelsatz zuoch erscheint, werden nicht mehr die ärmsten 20 Pro-ent der Bevölkerung in die Berechnung einbezogen,ondern nur noch die ärmsten 10 oder 15 Prozent. Das istanipulation pur.
rau Ministerin, Sie schlittern mit dieser Methode direktn einen Verfassungsbruch. Ich fordere Sie auf: Gebenie die Rohdaten frei! Machen Sie Schluss mit dieseranipulation!
Die Linke meint: Wir müssen das Urteil des Bundes-erfassungsgerichtes ernst nehmen. Dazu gehört, dassir endlich anerkennen, dass es sich hier um ein Grund-echt handelt: um das Grundrecht auf soziale und kultu-elle Teilhabe. Ich höre hier immer, man müsse auf diechuldenbremse und auf die Kassenlage Rücksicht neh-en. Bei einem Grundrecht kann man aber nicht nachust und Laune oder nach Kassenlage verfahren. Dasäre so, als wenn Sie das Grundrecht auf freie und ge-eime Wahlen nur dann gewährten, wenn Ihnen die Um-ragewerte gefielen.
Ich hoffe, ich habe Sie jetzt nicht auf dumme Gedan-en gebracht. –
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Katja Kipping
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Der Regelsatz muss also das soziale und kulturelle Exis-tenzminimum garantieren. Das muss sich auch im Haus-halt widerspiegeln.Zum Ernstnehmen des Urteils gehört es aber auch,festzustellen, dass die Sanktionen im Hartz-IV-Bereichendlich abgeschafft werden müssen,
weil das Grundrecht im Grunde nicht verfügbar ist.
Da ein Hilfsbedürftiger bei der Garantie des Grundrech-tes – das ist jetzt ein Zitat aus dem Urteil – „nicht auffreiwillige Leistungen … Dritter verwiesen werden“darf, gehört auch die Bedarfsgemeinschaft auf den Prüf-stand.
Um es zusammenzufassen: Sollte sich der Posten fürdas Arbeitslosengeld II im Haushalt nicht ändern, dannist dieser Haushalt ein klares Indiz für einen geplantenVerfassungsbruch. Ich hoffe, das Parlament lässt sichnicht entmündigen und geht diesen Weg nicht mit. Ichhoffe auf eine Allianz gegen den geplanten Verfassungs-bruch. Ich hoffe auf eine Allianz für das Grundrecht aufsoziale und kulturelle Teilhabe.Danke.
Der Kollege Max Straubinger spricht jetzt für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Ich glaube, die heutige Botschaft muss sein: Die Men-schen können sich auf unseren Sozialstaat verlassen.Diese Bundesregierung wird den Sozialstaat stärken,
insbesondere mit dem Haushalt für das Jahr 2011.
Heute wurden hier in einer gemeinsamen Front der Op-positionsfraktionen SPD, Grüne und Linke Zweifel ge-sät. Dies zeigt sehr deutlich, dass Sie den Sozialstaatletztendlich nicht stärken, nicht zukunftsfest machenwollen. Im Klartext: Sie sind nicht bereit, ihn nachhaltigin die Zukunft zu führen.Es muss, auch für die Öffentlichkeit, immer wiederdargestellt werden: Über 50 Prozent des Bundeshaushal-tdnsitlbDselZnwpzSagzdnsEkwgZglsHSdtDj
Damit die Leistungen aller sozialen Sicherungssys-eme – Rente, Pflege, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, fami-iäre Unterstützungsleistungen – gewährt werden können,rauchen wir als Fundament eine tragfähige Wirtschaft.ie Wirtschaft entwickelt sich gut. Dadurch wird insbe-ondere die Arbeitslosigkeit bekämpft. Hier sind wir sehrrfolgreich. Unter Rot-Grün gab es 5 Millionen Arbeits-ose; dank dieser bürgerlich-liberalen Koalition gibt es inukunft 2,8 Millionen Arbeitslose. Das sind 2,8 Millio-en zu viel; aber wir arbeiten daran, dass diese Zahleiter sinkt. Wir verstehen eine konsequente Wirtschafts-olitik als Grundlage für die Finanzierung unseres So-ialstaates.
Werte Kolleginnen und Kollegen aus dem linkenpektrum dieses Parlaments, es ist entscheidend, dass wiruch für Zukunftsinvestitionen, für moderne Technolo-ien stehen. Wenn die Bundesregierung ein Energiekon-ept bis zum Jahr 2050 verabschiedet hat, dann gilt es,ies zu unterstützen und nicht zu bekämpfen, weil mit ei-em solchen Konzept Arbeitsplätze in unserem Land ge-ichert werden. Alle Ausstiegsszenarien aus der linkencke bedeuten für unser Land Arbeitsplatzverluste undeine Arbeitsplatzgewinne. Das muss deutlich gesagterden.
Das gilt auch für strukturpolitische Entscheidun-en. Sobald eine strukturpolitische Entscheidung für dieukunft, etwa beim Bahnhof in Stuttgart,
etroffen wird – dieser Bahnhof soll nach den Vorstel-ungen der Linken nicht mehr gebaut werden –, zeigtich, dass die Fraktionen des linken Spektrums diesesauses arbeitsplatzfeindlich handeln.
ie alle haben gegen den Flughafenneubau in Münchenemonstriert. Jetzt ist dieser Flughafen zu einem Jobmo-or in unserem schönen Bayernland geworden.
as ist eine Auszeichnung. Sie sind letztendlich gegeneden Straßenbau und gegen jeden Schienenausbau.
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Max Straubinger
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Früher hat die rot-grüne Stadtregierung in München denTransrapid bekämpft, jetzt wird gejammert, dass eskeine Schnellbahnverbindung zum Flughafen gibt.
Das zeigt deutlich, dass sich SPD, Grüne und Linke beistrukturellen Entscheidungen in unserem Land verwei-gern und Arbeitsplatzvernichter sind. Damit untergrabensie die soziale Sicherheit der Menschen.
In unserem Sozialstaat geht es auch darum, dass wirdas Prinzip „Fordern und Fördern“ umsetzen.
Die Redebeiträge des Herrn Kollegen Kurth und ver-schiedener Redner der SPD zeigen, dass Sie die Rückab-wicklung der Politik, wie sie unter Schröder gemachtwurde, im Sinn haben. Sie wollen nicht mehr fordern,sondern nur noch fördern.
Das zeigt sich bei den jetzigen Haushaltsplanungen inNordrhein-Westfalen. Frau Kollegin Hagedorn wirft unsständig vor, dass wir die Verschuldung angeblich in zugeringem Maße abbauen. Was ist mit Nordrhein-Westfa-len? Dort ist eine Neuverschuldung in Höhe von 6 Mil-liarden Euro geplant. Das zeigt deutlich, dass Sie eineunverantwortliche Politik zulasten der nachfolgendenGenerationen betreiben.
Bei der SPD tritt das noch stärker in den Vordergrund.Auf dem Parteitag wird die Rente mit 67 diskutiert.Letztendlich soll eine Rückabwicklung erfolgen; viel-leicht unterstützt der Kollege Toni Schaaf das nicht, aberdie anderen schon. Das zeigt sehr deutlich, dass die SPDkeine Verlässlichkeit in der Rentenpolitik gewährleistet.Sie verfahren wieder nach dem gleichen Schema wie1998. Norbert Blüm und die christlich-liberale Koalitionhatten zuvor vor dem Hintergrund der schon damals ab-sehbaren demografischen Entwicklung den demografi-schen Faktor in die gesetzliche Rentenversicherung ein-geführt.
Sie haben das aus billigen parteipolitischen Gründen be-kämpft, sind in den Wahlkampf gezogen und haben an-gekündigt, dass Sie diesen Faktor aussetzen werden. Siehaben das hinterher auch getan. Nach zwei, drei Jahrenhat Bundeskanzler Schröder festgestellt: Das war dasDümmste, was die neue Koalition machen konnte.
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Ich finde im vorliegenden Positionspapier keinen ein-
igen Satz dazu, dass ein höheres Renteneintrittsalter in
ukunft unnötig oder falsch ist. Wir haben die Überprü-
ungsklausel inhaltlich gefüllt, im Gegensatz zur Minis-
erin, die, ohne dass eine Überprüfung stattgefunden hat,
esagt hat: Wir können die Rente mit 67 ab 2012 einfüh-
en.
Lieber Kollege Schaaf, ich bin sehr dankbar für dieserage, weil sie mir Gelegenheit gibt, hier etwas klarzu-tellen:Erstens. Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitneh-erinnen und Arbeitnehmer steigt.
as zeigen die Zahlen. 1999 waren in der Altersgruppeer 60- bis 65-Jährigen 32 Prozent sozialversicherungs-flichtig beschäftigt. Im Jahr 2009 waren es bereits4 Prozent, die eine Beschäftigung fanden. Das zeigtehr deutlich, dass die ältere Generation wieder wesent-ich stärker am Arbeitsmarkt teilnimmt.Zweitens. Wenn die SPD in ihrem Parteiprogrammöglicherweise beschließt, dass eine Rente ab 67 Jahrenür sie erst dann akzeptabel ist, wenn in der Altersgruppeer 60- bis 65-Jährigen eine Quote an sozialversiche-ungspflichtig Beschäftigten von über 50 Prozent zu ver-eichnen ist – zumindest habe ich es so den Zeitungenntnommen –, so möchte ich Sie, verehrte Kolleginnennd Kollegen der SPD, darauf hinweisen, dass nach Eu-
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Max Straubinger
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rostat die Beschäftigungsquote der 40- bis 60-Jährigen inDeutschland – wohl gemerkt, es geht um sozialversiche-rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse – derzeit beigerade einmal 48,6 Prozent liegt. Das zeigt sehr deut-lich: Die SPD will sich ganz scheinheilig aus der Rentemit 67 verabschieden,
die sie richtigerweise mit Franz Müntefering als damali-gem Bundesminister für Arbeit und Soziales an derSpitze mit beschlossen und mit durchgesetzt hat, weildas Generationengerechtigkeit bedeutet.Bis zum Jahr 2029 rechnen wir – und das ist schön fürdie Menschen – mit einer Steigerung der Lebenserwar-tung um bis zu drei Jahre. Wir verlängern die Lebens-arbeitszeit um nur zwei Jahre. Das ist der einzig vernünf-tige Weg. Die Erhöhung des Beitrages, die Sie vorhinbereits kritisiert haben,
die Kürzung der Rente und die Verlängerung der Wo-chenarbeitszeit sind weitere Parameter, an denen manansetzen könnte. Das wollen wir aber nicht, und das wer-den wir auch nicht tun. Diese Bundesregierung steht indiesem Sinne zum Generationenvertrag und für Genera-tionengerechtigkeit. Das muss man so sehen.
Man kann nicht populistisch ein Renteneintrittsaltervon 67 Jahren ablehnen, wie SPD und Linke es tun, undgleichzeitig den jungen Bürgerinnen und Bürgern exor-bitant hohe Zukunftslasten aufhalsen. Das darf unsererGesellschaft nicht zugemutet werden.
Wir werden dafür sorgen, dass dieser Sozialstaat auchin der Zukunft generationengerecht gestaltet ist.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Die Kollegin Katja Mast hat das Wort für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Verehrter Kollege Straubinger, als Baden-Württem-bergerin muss ich kurz etwas zu Stuttgart 21 sagen. Siesind doch nur sauer, dass es uns von der SPD mit der Be-tWShjldePnHMvIKsdBuFAubrzlscBshultCünW
ie sind doch nur sauer, weil Sie es nicht hinbekommenaben, in den letzten Monaten inhaltlich für dieses Pro-ekt zu kämpfen, weil Sie stattdessen nur die Gegnerautstark haben demonstrieren lassen und weil Ihre Lan-esregierung, zu der auch die FDP gehört, jetzt – endlichinmal – kämpfen muss für dieses Projekt. Das ist Ihrroblem beim Thema Stuttgart 21.
Heute geht es aber nicht um Stuttgart 21. Ich möchteicht weiter über Themen philosophieren, die nicht denaushalt für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betreffen.ir geht es um das, was in dem Haushalt, den Ursulaon der Leyen uns als Sozialministerin vorlegt, steckt.ch sage Ihnen: Darin steckt erstens ein Wortbruch Ihreroalition und Ihrer Regierung, zweitens sozialer Kahl-chlag – das wurde heute schon ausreichend begründet –,rittens weniger Netto vom Brutto, viertens ist es einildungskürzungsprogramm,
nd fünftens ist es ein Chancenabbauhaushalt.
Der Wortbruch ist schnell erklärt. Mit Ihrer Erlaubnis,rau Präsidentin, zitiere ich aus einem Interview mitngela Merkel, abgedruckt in der FAZ vom 11. Juni 2010:Deshalb sparen wir nicht bei Bildung und For-schung, sondern erhöhen diese Ausgaben …Die Haushaltskürzungen im Bereich Arbeitsmarkt-nd Sozialpolitik betreffen ausschließlich fördernde Ar-eitsmarktpolitik und somit Kürzungen im Bildungsbe-eich. Damit, Frau von der Leyen, sind Sie Bildungskür-ungsministerin Nummer eins in Deutschland.
Bildungskürzungen für zukünftige Generationenassen wir Ihnen nicht durchgehen. Mein Vorrednerprach von Generationengerechtigkeit. Das, was Sie ma-hen, ist das Gegenteil von Generationengerechtigkeit.ildungskürzungen und Chancenabbau im Haushalt las-en wir Ihnen auch deshalb nicht durchgehen, weil wirier über diejenigen diskutieren, die die stärkste Hilfend Unterstützung von uns brauchen. Wir reden über al-einerziehende Mütter, über Migrantinnen und Migran-en, die langzeitarbeitslos sind, über Jugendliche, diehancen brauchen, um in Ausbildung zu kommen, undber Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Ge-au denen nehmen Sie die Chancen auf Beteiligung weg.Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. In meinemahlkreis in Pforzheim besuche ich oft die Förder-
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Katja Mast
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schule, die Bohrainschule. Antonio und Katharina wer-den dieses Jahr diese Schule verlassen, vermutlich nichtmit einem Hauptschulabschluss. Sie werden ihn auch ineinem Jahr wahrscheinlich nicht haben, obwohl sie sichanstrengen. Wir haben in der Großen Koalition einge-führt, dass sie ein Leben lang ein Recht darauf haben,den Hauptschulabschluss nachzuholen, damit sie Per-spektiven und Chancen in dieser Gesellschaft haben.
Sie wollen Pflicht- in Ermessensleistungen umwandeln,nehmen die entsprechende Haushaltsgrundlage weg,16 Milliarden Euro in vier Jahren, und sagen Antoniound Katharina, dass sie keine zweite Chance mehr indieser Gesellschaft haben werden.
Sie betreiben Schuldenabbau zulasten der kommen-den Generationen und nicht für die kommende Genera-tion, und Sie begehen Wortbruch, weil Sie Ausgaben fürBildung kürzen und nicht erhöhen, wie Angela Merkeldas in dem erwähnten Interview gesagt hat. Deshalbwerden wir von den Oppositionsparteien Ihnen eineKampfansage zu diesem Haushalt machen, Frau von derLeyen, nicht nur wegen der Regelsätze, nicht nur wegender Kürzungen bei der Rente, nicht nur wegen der Kür-zungen beim Elterngeld, sondern auch, weil Sie Bil-dungschancen wegnehmen.
Der Kollege Axel Fischer hat jetzt das Wort für dieCDU/CSU-Fraktion.
Axel E. Fischer (CDU/CSU):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Liebe Kollegin Mast, weil Sie Stuttgart 21 angesprochenhaben, einen Satz von mir dazu: Wenn die Menschen vorOrt erkennen, dass der Verzicht auf Stuttgart 21 dasGleiche kostet wie die Umsetzung, werden sie, glaubeich, für Stuttgart 21 sein.Heute reden wir aber über den Haushalt für Arbeitund Soziales. Der vorgelegte Haushalt für den Einzel-plan 11 trägt erstmals die Handschrift der christlich-libe-ralen Koalition.
Er hat zwei wesentliche Ziele. Das erste Ziel ist, Men-schen wieder in Arbeit zu bringen. Das ist eine unsererZielsetzungen; sie ist vernünftig und richtig.
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ies ist der Wirtschafts- und Finanzkrise geschuldet. Imächsten Jahr geben wir ein Darlehen von etwa,6 Milliarden Euro. 2012 gehen wir aufgrund weitererositiver Entwicklungen am Arbeitsmarkt von 2,2 Mil-iarden Euro aus. Ab 2013 kann die BA diese Darlehenurückzahlen.
uch das ist positiv für den Bundeshaushalt.Im Frühjahr dieses Jahres haben wir verabredet, ge-auer die Frage zu untersuchen, wie Arbeitslose wiedern den Arbeitsmarkt gebracht werden können und wel-he Instrumente hierfür erforderlich sind. Wir haben be-chlossen, eine Evaluation durchzuführen und zuchauen, welche Instrumente wirkungsvoll und welcheeniger wirkungsvoll sind.Mein Dank gilt Bundesministerin Dr. von der Leyennd dem Ministerium dafür, dass sie dieses Thema vo-antreiben und eine Instrumentenreform vornehmen
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Axel E. Fischer
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wollen. Mein Dank gilt genauso Herrn Weise sowie denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagenturfür ihre Arbeit, weil sie sich intensiv um dieses Themakümmern.
So können wir ohne große Probleme feststellen: ImJahr 2006 – bei 4,5 Millionen Arbeitslosen – belief sichder Eingliederungstitel auf 8 Milliarden Euro. Für 2014– bei dann etwa 3 Millionen Arbeitslosen – planen wirebenfalls 8 Milliarden Euro ein. Das ist meines Erach-tens ein gutes Verhältnis, ein gutes Ziel. Wir werden indiesem Bereich vorankommen. Dass die Konjunktur, un-sere wirtschaftliche Entwicklung besser ist als erwartet,ist doch positiv. Genauso positiv ist es, wenn wenigerMittel gebraucht werden, weil es weniger Bedürftigegibt.Sparen heißt in erster Linie: weniger Geld ausgeben.Wenn der Anteil der Sozialausgaben im Bundeshaushaltüber 50 Prozent beträgt und wir zu Einsparungen in die-sem Bereich von gut 30 Prozent kommen, dann ist dasnun einmal sozial ausgewogen. In Zeiten knapper Kas-sen muss man sich auf die Kernaufgaben konzentrieren,und das tun wir in diesem Bereich.Meine Damen und Herren, vorhin kam die Diskussionüber das Elterngeld auf: Wer bekommt Elterngeld? Wiewird das ausgestaltet?
Elterngeld bekommt jeder. Es ist aber völlig klar und lo-gisch, dass wir bei einer Familie, die Arbeitslosengeld IIbezieht und mit der Geburt eines Kindes eine Erhöhungdieses Satzes bekommt,
weil auch das Kind einen Anspruch hat, dann das Eltern-geld anrechnen. Das liegt in der Natur der Sache.
Unsere Sozialsysteme sind geschaffen, um Bedürfti-gen zu helfen, aber nicht, um Luxus zu finanzieren.
Wer arbeitet, muss in Deutschland mehr haben als der,der nicht arbeitet. Das muss unsere Prämisse sein.
Nun zur Diskussion über den Heizkostenzuschuss.Bei gesunkenen Energiekosten wird der den Wohngeld-empfängern bei höheren Preisen gewährte Heizkosten-zuschuss wieder gestrichen. Das ist ein völlig normalerVKlSssestegDwLgäwtvemüghbrdmadmzdZw2
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vor-schlag für eine Verordnung des EuropäischenParlaments und des Rates über Finanzbei-träge der Europäischen Union zum Internatio-nalen Fonds für Irland
– Drucksache 17/2629 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-nisierung der Regelungen über Teilzeit-Wohn-
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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rechteverträge, Verträge über langfristigeUrlaubsprodukte sowie Vermittlungsverträgeund Tauschsystemverträge– Drucksache 17/2764 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Tourismusc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zurÄnderung der Wirtschaftsprüferordnung –Wahlrecht der Wirtschaftsprüferkammer– Drucksache 17/2628 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
RechtsausschussFinanzausschussd) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzeszur Änderung des Bundes-Immissionsschutz-gesetzes– Drucksache 17/2866 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungZP 1 a)Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENGesundheitliche Risiken des Drogengebrauchsverringern – Drugchecking ermöglichen– Drucksache 17/2050 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit
RechtsausschussAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendb) Beratung des Antrags der Abgeordneten WinfriedHermann, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENSofortiger Baustopp für Stuttgart 21 und dieNeubaustrecke Wendlingen–Ulm– Drucksache 17/2893 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusHaushaltsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten TabeaRößner, Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENKultur und Rundfunk nicht durch die Fre-quenzumstellung schädigen– Drucksache 17/2920 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Kurth, Fritz Kuhn, Ekin Deligöz, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENBedarfsgerechte Regelsätze und ein zuverlässi-ges Hilfesystem für Kinder, Jugendliche undErwachsene statt Experimenten– Drucksache 17/2921 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugende) Beratung des Antrags der Abgeordneten BrigittePothmer, Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENKein Sachgrund, keine Befristung – BefristeteArbeitsverträge begrenzen– Drucksache 17/2922 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendf) Beratung des Antrags der Abgeordneten DanielaWagner, Bettina Herlitzius, Markus Kurth, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENHeizkostenkomponente beim Wohngeld erhal-ten– Drucksache 17/2923 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Arbeit und SozialesHaushaltsausschussg) Beratung des Antrags der Abgeordneten SabineLeidig, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEStuttgart 21, Neubaustrecke Wendlingen–Ulmund Sparpaket der Bundesregierung– Drucksache 17/2914 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschussh) Beratung des Antrags der Abgeordneten KatjaKipping, Matthias W. Birkwald, Diana Golze,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEMaßnahmen zur Gewährleistung eines men-schenwürdigen Existenz- und Teilhabemini-mums– Drucksache 17/2934 –
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6198 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
RechtsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussi) Beratung des Antrags der Abgeordneten UweBeckmeyer, Rainer Arnold, Sören Bartol, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der SPDKein Weiterbau von Stuttgart 21 bis zurVolksabstimmung– Drucksache 17/2933 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
HaushaltsausschussDie Fraktionen schlagen vor, die Vorlagen an die inder Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überwei-sen. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so be-schlossen.Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkt 3 a bis c auf. Eshandelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zudenen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 3 a:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. BärbelKofler, Sören Bartol, Dirk Becker, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der SPDMarktanreizprogramm und nationale Kli-maschutzinitiative fortsetzen– zu dem Antrag der Abgeordneten OliverKrischer, Sven-Christian Kindler, Hans-JosefFell, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAufhebung der Haushaltssperre und Weiter-führung des Marktanreizprogramms undder nationalen Klimaschutzinitiative zurFörderung erneuerbarer Energien– Drucksachen 17/2119, 17/2007, 17/2477 -Berichterstattung:Abgeordnete Bernhard Schulte-DrüggelteSören BartolHeinz-Peter HausteinMichael LeutertSven-Christian KindlerDer Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seinerBeschlussempfehlung, den Antrag der Fraktion der SPDauf Drucksache 17/2119 mit dem Titel „Marktanreizpro-gramm und nationale Klimaschutzinitiative fortsetzen“für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschluss-empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dasscheint einstimmig angenommen zu sein.Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss, den An-trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-che 17/2007 mit dem Titel „Aufhebung der Haushalts-sperre und Weiterführung des Marktanreizprogrammsund der nationalen Klimaschutzinitiative zur FörderungergaFseEgm
– zu der Unterrichtung durch den Bundesrech-nungshofBemerkungen des Bundesrechnungshofes2009 zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh-rung des Bundes – Weitere Prüfungsergeb-nisse –– Drucksachen 16/12620, 17/790 Nr. 21, 17/77,17/317 Nr. 3, 17/1300, 17/1644 Nr. 2, 17/2492 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael Luther
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6199
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt derHaushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung derBundesregierung für das Haushaltsjahr 2008 vor. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschluss-empfehlung angenommen. Dafür haben CDU/CSU, FDPund SPD gestimmt. Dagegen hat das Bündnis 90/DieGrünen gestimmt. Die Fraktion Die Linke hat sich ent-halten.1)Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufor-dern, a) bei der Aufstellung und Ausführung derBundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushalts-ausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungs-hofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung derWirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei-dungen des Ausschusses einzuleiten und fortzuführenund c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, da-mit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei denHaushaltsberatungen zu gewährleisten ist. Wer stimmt fürdiese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist ange-nommen. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten, alleanderen haben zugestimmt.2)Jetzt kommen wir wieder zu den Haushaltsberatun-gen. Wir setzen fort mit dem Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Familie, Senioren, Frauen undJugend, Einzelplan 17.Zur Einbringung gebe ich das Wort der KolleginDr. Kristina Schröder.Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In vielleicht keinem anderen Politikfeld zeigt sich dasDilemma eines hochverschuldeten Staates so eindeutigwie in der Familienpolitik. Einerseits sind wir gerade alsJugendpolitiker doch verpflichtet, im Sinne der jungenGeneration unseren Beitrag zum Abbau der Staatsver-schuldung zu leisten; andererseits treffen Sparmaßnah-men im Familienressort zwangsläufig immer auch Fami-lien und Kinder.Dieses Dilemma lässt sich nicht auflösen. Haushalts-politisch können wir aber die Weichen dafür stellen, dassdie knappen finanziellen Mittel, die wir haben, vor allenDingen dort eingesetzt werden, wo sie im Hinblick auffaire Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichenam meisten bewirken. Dafür habe ich in den vergange-nen Wochen und Monaten gekämpft.
Der Einzelplan 17 im Bundeshaushalt 2011 zeigt: Unionund FDP stellen sich der Verantwortung für die Zukunftunserer Kinder.pDsR2hlBnddfStmsSGhDmmfdfvwtZzAddDJngsDudws1) Anlage 22) Anlage 3
Zunächst zu den wichtigsten Zahlen: Der Einzel-lan 17 im Haushalt 2011 umfasst 6,4 Milliarden Euro.as sind 106 Millionen Euro weniger als 2010. Insge-amt beträgt der Sparbeitrag der Bundesregierung imahmen meines Ressorts 605 Millionen Euro jährlich ab011. Damit klar wird, von welcher Größenordnung wirier reden: Dieser Sparbeitrag entspricht 0,35 Prozent al-er ehe- und familienbezogenen Leistungen.Unangetastet blieb das Kindergeld; das haben wir zueginn dieses Jahres deutlich erhöht. Es geht hier alsoicht um Haushaltskonsolidierung auf Kosten von Kin-ern und Jugendlichen, sondern um Haushaltskonsoli-ierung für Kinder und Jugendliche; denn die größte Ge-ahr für den künftigen Wohlstand und für die sozialeicherheit von Familien entsteht doch, wenn wir nichtsun, um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekom-en. Deshalb ist es gerade unter familienpolitischen Ge-ichtspunkten richtig, dass Union und FDP für solidetaatsfinanzen eintreten.Ich habe als Abgeordnete der Schuldenbremse imrundgesetz aus voller Überzeugung zugestimmt. Ichoffe, bei der SPD gab es dieselbe volle Überzeugung.
eswegen war ich auch von Anfang an bereit, im Rah-en meines Ressorts einen Beitrag zu den gemeinsa-en Sparanstrengungen zu leisten. Entscheidend warür mich dabei, dass wir nicht dort sparen, wo wir da-urch Kräfte abgewürgt hätten, die wir für die Zukunfts-ähigkeit unseres Landes brauchen. Deshalb habe ichersprochen: Am Ausbau der Kindertagesbetreuungird nicht gerüttelt. Dieses Versprechen habe ich gehal-en.
Der Bund steht auch in wirtschaftlich schwierigeneiten zu seiner Zusage, in die frühkindliche Bildungu investieren und bis 2013 4 Milliarden Euro für denusbau der Kindertagesbetreuung beizusteuern; dennie schlimmste Form von Kinderarmut ist doch Bil-ungsarmut.
eshalb brauchen wir die Förderung für alle Kinder undugendlichen von Anfang an.Das ist auch der Grund, warum wir allen Sparmaß-ahmen zum Trotz mehr Geld für den Kinder- und Ju-endplan zur Verfügung stellen, warum wir, wie ver-prochen, 5 Millionen Euro mehr für die Programme füremokratie, Toleranz und Vielfalt zur Verfügung stellennd warum wir die Investitionen in frühkindliche Bil-ung und Förderung deutlich aufstocken. Damit sorgenir für faire Chancen für alle Kinder in unserer Gesell-chaft.
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6200 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Bundesministerin Dr. Kristina Schröder
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Im neuen Haushaltstitel „Qualifizierungsoffensive“ sind2011 dafür 82 Millionen Euro zusätzlich und bis 2014insgesamt 488 Millionen Euro vorgesehen.Dadurch zeigt sich: Sparen und Gestalten schließensich nicht aus. Union und FDP konsolidieren den Haus-halt, und dennoch investieren wir in die Zukunftschan-cen unserer Kinder.Ich bin davon überzeugt, dass das der richtige Wegist; denn mit der Förderung von Kindern aus bildungs-fernen Schichten müssen wir viel früher anfangen alsbisher.
Wir setzen viel zu sehr auf kompensatorische Maßnah-men, und wir setzen zu wenig auf vorbeugende Maßnah-men, und das, wo doch mittlerweile wirklich Einigkeitdarüber besteht, dass die Förderung in den ersten Jahrenentscheidend für alle Bildungs- und Entwicklungschan-cen ist, die ein Kind hat. Deshalb werde ich die Offen-sive „Frühe Chancen“ starten. Bis 2014 investieren wirrund 400 Millionen Euro in bis zu 4 000 Schwerpunkt-Kitas zur Sprach- und Integrationsförderung.
Damit tragen wir insbesondere in sozialen Brennpunktendazu bei, faire Chancen für alle Kinder, insbesondere fürKinder mit Migrationshintergrund, zu schaffen; denn ichbin – wie wahrscheinlich viele hier – nicht der Meinung,dass bei der Geburt eines Kindes bereits alle Würfel fürdie weitere Entwicklung gefallen sind. Vielmehr hat je-des Kind Talente und Potenzial. Unsere Aufgabe ist es,diese Talente zu fördern und dieses Potenzial auszu-schöpfen. Das ist die richtige Antwort auf die massivenIntegrationsprobleme, die wir in unseren Städten habenund die wir weder leugnen noch kleinreden sollten.
Meine Damen und Herren, die notwendige Haushalts-konsolidierung sehe ich auch als eine Gelegenheit, dieWeichen neu zu stellen: weg von Sozialtransfers, die denStatus quo zementieren, hin zu Investitionen in faire Zu-kunftschancen und in den gesellschaftlichen Wandel.Das war der Grundgedanke für meine Entscheidung,welchen Konsolidierungsbeitrag ich im Rahmen desSparpakets der Bundesregierung leiste.Dass beim Elterngeld gekürzt werden musste, warschon deshalb klar, weil es nun einmal zwei Drittel mei-nes Etats ausmacht. Aber bei der Frage, wo wir ansetzen,galt für mich die zentrale Überlegung:
Wie bekommen wir es hin, beim Elterngeld zu sparen,ohne dass es seine gesellschaftspolitische Gestaltungs-kraft verliert, im Hinblick auf die Beteiligung von Män-nWdbzLtrkndnnKudsEeSds1WdiDdssdDzessEw
Die SGB-II-Leistung deckt ab, was Menschen zumeben brauchen. Die Anrechnungsfreiheit für das El-erngeld war deshalb von Anfang an systematisch nichtichtig. Wenn ein Paar im Hartz-IV-Bezug ein Kind be-ommt, dann wird gelegentlich so getan, als gebe es kei-erlei staatliche Leistungen. Vielmehr ist es aber so, dassieses Paar für das Kind selbstverständlich einen eige-en Bedarfssatz bekommt. Die Zuschüsse für die Woh-ung werden erhöht. Es gibt eine Erstausstattung für dasind; auch dafür gibt es noch Extrageld. Wenn es sichm Alleinerziehende handelt, dann bekommt diese oderieser Alleinerziehende monatlich einen Mehrbedarfszu-chlag. All das leistet der Staat. Zusätzlich zu diesemxistenzminimum noch Elterngeld zu zahlen, kann auchine negative Wirkung entfalten.
chauen Sie sich nur einmal eine vierköpfige Familie an,ie ausschließlich von Hartz IV lebt und eine durch-chnittliche Miete zahlt. Diese Familie erhält vom Staat585 Euro netto.
enn dann noch 300 Euro Elterngeld draufkommen,ann sind wir bei 1 885 Euro netto. Das ist ein Problemn Bezug auf das Lohnabstandsgebot.
ann fragen sich diejenigen Leute, die arbeiten gehen,ie jeden Tag früh aufstehen und hart arbeiten, warumie das überhaupt tun. Das kann nicht in unserem Sinneein. Derjenige, der arbeiten geht, muss mehr haben alser, dessen Auskommen die Gemeinschaft finanziert.
eshalb unsere Entscheidung, Elterngeld all denjenigenu gewähren, die vor der Geburt gearbeitet haben,
inschließlich Minijobbern und Aufstockern – gemein-am mit den Koalitionsfraktionen arbeite ich hierzu anachgerechten Lösungen –, bei voller Anrechnung deslterngelds auf Leistungen nach dem SGB II, also dann,enn Familien ausschließlich von Hartz IV leben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Ministerin?
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Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend:Ja.
Bitte, Frau Deligöz.
Frau Ministerin, ich bin über Ihre Ausführungen ein
bisschen erstaunt. Sie sagen, dass eine vierköpfige Fami-
lie, also eine Familie mit zwei Kindern, mit einem Be-
trag von 1 585 Euro zu viel bekommen würde,
daher frage ich Sie, welchen Betrag Sie für diese Familie
zum Leben adäquat finden.
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ich habe nicht gesagt, dass diese 1 585 Euro zu viel
sind. Ich habe vielmehr gesagt: Wenn weitere 300 Euro
Elterngeld hinzukommen – –
– Sie müssen berücksichtigen, dass der Betrag von
1 885 Euro das Nettoeinkommen der Familie wäre, wenn
Sie den Mietzuschuss mit einrechnen. Dafür muss man
erst einmal entsprechend viel brutto verdienen.
Das Lohnabstandsgebot ist ein entscheidendes Ge-
bot der Gerechtigkeit, nämlich dass derjenige, der arbei-
tet, mehr hat als derjenige, der nicht arbeitet. Sie können
ausrechnen, was man für 1 885 Euro netto brutto verdie-
nen muss. Der Anreiz, arbeiten zu gehen, ist in diesen
Fällen ausgesprochen gering.
Wir sparen damit 450 Millionen Euro. Betroffen sind
16 Prozent aller Elterngeldbezieher. Familien, die ein
höheres Einkommen beziehen, sind übrigens von den El-
terngeldkürzungen stärker betroffen. Sie bekommen un-
ter anderem deshalb weniger als bisher, weil wir bei den-
jenigen, deren Nettoeinkommen mehr als 1 200 Euro
beträgt, den Prozentsatz für das Elterngeld von 67 Pro-
zent auf 65 Prozent absenken.
Was sich allerdings nicht ändert – das ist der entschei-
dende Punkt –, ist die Grundstruktur des Elterngeldes.
Denn nur dann, wenn es von der Kernidee her seine Wir-
kung als Lohnersatzleistung entfaltet, bleibt das Eltern-
geld auch weiterhin attraktiv für Väter. Nur dann entfal-
tet es auch weiterhin seine Wirkung auf die Kultur in der
Arbeitswelt, vor allem in der Form, dass familiäre Auf-
gaben und private Verpflichtungen ebenfalls eine Rolle
spielen.
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Der Einzelpan 17 trägt der Tatsache Rechnung, dass
ich die soziale Gerechtigkeit unserer Gesellschaft nicht
n erster Linie auf der Umverteilungsebene entscheidet.
ie soziale Gerechtigkeit unserer Gesellschaft entschei-
et sich vielmehr dort, wo es um die Verteilung von Chan-
en auf Bildung und Entwicklung von Kindern geht. Wir
ollen eine Gesellschaft, in der jedes Kind eine faire
hance erhält. Wir wollen eine Gesellschaft, in der sich
enschen Zeit für Verantwortung nehmen können: für
inder, Partnerschaft, pflegebedürftige Angehörige und
ngagement.
Wir wollen eine Gesellschaft, die zusammenhält, weil
ich Menschen durch Leistung Aufstiegschancen erar-
eiten können und weil Menschen Verantwortung für-
inander übernehmen. Dafür setzt sich die christlich-
iberale Koalition ein. Das sind die Schwerpunkte, die
ir im Einzelplan 17 unseres Haushaltes setzen.
Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dagmar Ziegler für
ie SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Frau Ministerin Schröder, Sie haben es nicht ge-erkt, deshalb muss ich es Ihnen sagen: Durch Deutsch-and geht ein Riss.
uf der einen Seite sprudeln die Gewinne der Unterneh-en wieder, und die Menschen finden wieder Beschäfti-ung. Das ist gut und auch Folge der SPD-Modernisie-ungspolitik und der Konjunkturprogramme aus Zeitener Großen Koalition. Das haben Sie uns in den letzteneiden Tagen mehrfach bestätigt.Auf der anderen Seite wird der Abstand zwischenben und unten immer größer; das ist schlimm. Aberoch schlimmer ist, dass unter den Einkommensarmenmmer mehr sind, die keinerlei Hoffnung haben, aus ei-ener Anstrengung aus ihrer Situation herauszufinden.iese Menschen sind nämlich von Teilhabe und Bildungusgeschlossen, von der Sie gerade so großspurig ge-prochen haben, Frau Schröder, und geben diesen Aus-chluss oft an die eigenen Kinder weiter. Das ist derern der Armuts- und auch der Integrationsdebatte.as tun Sie in dieser Situation? Sie legen einen Haushaltor, mit dem Sie den Keil zwischen die ohnehin ausei-anderdriftenden Teile unserer Gesellschaft noch tieferreiben; denn Sie kürzen ausgerechnet die Mittel für Ju-endliche, Familien und ältere Menschen und nennenas Konsolidierungsbeitrag im Sinne der Zukunft genauieser Personengruppen. Das ist perfide.
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6202 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Dagmar Ziegler
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Sie lassen die Schwächsten unserer Gesellschaft für dieFolgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bluten.Wenn man den Haushaltsentwurf genau anschaut,muss man sich fragen, ob die Kürzungen der Mittel fürFamilien, Jugendliche und Ältere noch schlimmer hättenausfallen können, wenn es keine zuständige Bundes-ministerin Schröder gäbe. Ich glaube nicht.
– Da Jugendpolitik bei Ihnen nicht stattfindet, ist Ihnendieses Wort tatsächlich fremd.
Frau Schröder, waren Sie an der Diskussion über-haupt beteiligt, oder haben Sie sich da genauso wegge-duckt wie in der Debatte über Kinderarmut und die Neu-berechnung der SGB-II-Leistungen? Nirgends hatman Sie gehört oder gesehen. Wir diskutieren darüber,wie wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zuden Regelsätzen und der Teilhabe von Kindern bis zum1. Januar 2011 umsetzen können. Aber Sie haben nichtsBesseres zu tun, als ausgerechnet den Beziehern vonSGB-II-Leistungen und Kinderzuschlag das Elterngeldzu streichen. Das tun Sie mit dem unanständigen Argu-ment – das haben Sie heute wiederholt –, Sie wollten Er-werbsanreize stärken. Schauen Sie doch einmal hin, werdie Betroffenen sind – ich glaube, Sie verlassen zu seltenIhr Ministerzimmer, als dass Sie solche Menschen tref-fen könnten –: Alleinerziehende, kinderreiche Familien,Kinderzuschlagsempfängerinnen und -empfänger. DieseEltern finden oft keine Beschäftigung wegen fehlenderKinderbetreuung. Oder sie arbeiten Tag für Tag, aber ihrLohn reicht nicht für die gesamte Familie, weil Sie undIhre Koalition nicht willens sind, einen gesetzlichenMindestlohn einzuführen, und deshalb gerade viele Frauenfür einen Hungerlohn arbeiten müssen. Ich finde, IhreArgumentation ist so schräg, dass man sich schämenmuss, dass diese hier überhaupt vorgetragen wird.
Sie sagen, diese Menschen verdienten das Mindest-elterngeld nicht. Ausgerechnet für diese Menschen sol-len 300 Euro zu viel sein? Aber was ist mit der nicht er-werbstätigen Gattin des Notars oder dem nicht erwerbs-tätigen Gatten der Unternehmerin? Diese dürfen dasElterngeld behalten. Dann spielt das Lohnabstandsgebotkeine Rolle. Welches Gesellschaftsbild haben Sie eigent-lich?
Was halten Sie von sozialer Gerechtigkeit? Was haltenSie vom Leistungsgedanken? Der zählt hier überhauptnichts.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6203
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halts erhebliche Veränderungen vorgenommen habenund dass wir ein Stück weit auch den Ansatz in der Fa-milienpolitik verändern. Es geht – etwa beim Elterngeld –um Einsparungen, es geht zum Teil aber auch um ganzneue Schwerpunkte, die es bisher nicht gegeben hat, wiebeispielsweise um das Thema frühkindliche Bildung undSprachförderung. Zum Teil geht es auch um ganz ent-scheidende Strukturveränderungen, über die wir etwa imZusammenhang mit dem Zivildienst zu diskutieren ha-ben.Zum Elterngeld: Es ist zweifelsohne so, dass hier einehohe Summe eingespart wird. Es sind knapp 600 Millio-nen Euro an Einsparungen, die unterschiedliche Gruppentreffen, aber natürlich auch sehr stark die Arbeitslosen-geld-II-Empfängerinnen und -empfänger. Das fällt nie-mandem leicht. Ich glaube aber, dass es richtig ist, was dieMinisterin zum Thema Lohnabstandsgebot gesagt hat,und dass das auch ein notwendiger Beitrag zur Haushalts-konsolidierung ist.Wir haben im Sozialbereich insgesamt geringere Kür-zungen vorgenommen, als der Anteil des Sozialbereichsam gesamten Haushalt vermuten lässt. Es ist anhand vonZahlen absolut nicht belegbar, dass im Sozialbereichmehr gespart und mehr gekürzt werde, als es sich pro-portional nach dem gesamten Volumen des Konsolidie-rungspaketes ergeben würde. Das Gegenteil ist der Fall,es wird an dieser Stelle weniger gekürzt.Ich möchte gerade an die Kolleginnen und Kollegenvon der Opposition die Frage richten: Wo kommen wireigentlich her? Ich finde, in der Debatte ist sehr viel Un-ehrlichkeit. Ich gehe zurück in das Jahr 2005. Frau Kol-legin Ziegler, da hat ein Bundeskanzler, der den gleichenNamen trägt wie unsere heutige Familienministerin, imKern sehr ähnliche Dinge gesagt wie sie heute, und IhreFraktion hat damals applaudiert.
Im Übrigen hat auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-nen applaudiert. Es ist schon erstaunlich, wer sich hier inwelcher Weise bewegt.
– Selbstverständlich hat er das gesagt.Was war 2005 die Rechtslage? Es gab kein Eltern-geld, es gab für niemanden Elterngeld, ganz gleich ob erArbeitslosengeld II bezogen hat oder nicht.
– Selbstverständlich, aber es gab kein Elterngeld, unddas ist auch von der Größenordnung her im Endeffekt et-was ganz anderes.
Es war einer der Kerngedanken Ihrer eigenen Reformund nicht irgendein Randaspekt, dass Sie gesagt und be-schlossen haben: Jeder Vermögenszufluss wird auf denRegelsatz angerechnet, egal woher er kommt. Das habenSemIavDdzPcwsdwvdtkmddBIDbndzwEggdTEddHJwdsisgwjg
ch halte es nicht für besonders konsequent, wie Sie hierrgumentieren.
Wir müssen aber auch deutlich feststellen, dass sich inielen wichtigen Bereichen Verbesserungen ergeben.as Bundesverfassungsgericht hat das zentrale Projekter Regierung Schröder/Fischer, die Agenda 2010, anwei ganz entscheidenden Punkten gekippt. Der eineunkt war die organisatorische Seite, nämlich die Job-enter. Das, was Sie da gemacht haben, war verfassungs-idrig. Der andere Punkt war die Bemessung der Regel-ätze, insbesondere der Regelsätze für Kinder, weil Sieort das Thema Bildung und kulturelle Teilhabe schlicht-eg nicht mit einbezogen haben. Das sagt das Bundes-erfassungsgericht. Das wird jetzt korrigiert. Ich glaube,ass das eine Korrektur ist, bei der wir sehr darauf ach-en, dass sie auch bei den Kindern ankommt und Wir-ung zeigt.Vor allem aber gehen wir an die Ursache von Proble-en, gerade auch von Integrationsproblemen, heran, in-em wir dafür sorgen, dass die Kinder anständige Bil-ungschancen bekommen, die sie ausweislich desundesverfassungsgerichts nach der bisherigen und vonhnen zu verantwortenden Rechtslage noch nicht hatten.as werden wir tun, und ich glaube, dass das eine Ver-esserung für die Betroffenen ist.
Damit komme ich zum zweiten Punkt. Wir haben ei-en ganz neuen Schwerpunkt in diesem Haushalt, füren wir im nächsten Jahr einen hohen Geldbetrag anset-en. Das ist das Thema Qualifizierungsoffensive. Wirerden als Bundesregierung in vier Jahren 12 Milliardenuro extra für Bildung und Forschung ausgeben. Ichlaube, schon dadurch wird erkennbar, dass wir eine Re-ierung sind, die sich darüber Gedanken macht, wie sieie Zukunftschancen der Deutschen fördern kann. Eineneil dieser Bildungsoffensive, nämlich 400 Millionenuro, bringen wir in den Bereich der frühkindlichen För-erung und der Sprachförderung ein. Gerade in Gegen-en, in denen Integrationsprobleme bestehen und woandlungsbedarf besteht, tun wir sehr viel.Ich glaube, dass es gut ist, dass schon im nächstenahr 3 000 Kitas durch qualifiziertes Personal geholfenerden soll. Das ist eine konkrete Maßnahme, die zeigt,ass wir nicht nur über Integrationsprobleme sprechen,ondern an die Ursachen der Probleme herangehen. Dasst mir allemal lieber als wohlfeile Rhetorik und das Ab-ingen von Gesinnungen. Am Ende zählt die Tat. Ichlaube, dass dieser Haushalt sehr deutlich macht, dassir gerade für die Integration und die Bildungschancenunger Kinder sehr viel mehr tun, als es bisher der Fallewesen ist.
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6204 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Florian Toncar
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Wir haben darüber hinaus über den Zivildienst zusprechen. Bisher rechnen wir im Haushaltsentwurf miteinem sechsmonatigen Zivildienst. Es zeichnet sich aberab, dass durch eine mögliche Aussetzung der Wehr-pflicht auch beim Zivildienst Handlungsbedarf entsteht.Letzten Endes muss man feststellen, dass der Zivildienstverfassungsrechtlich ein Anhängsel der Wehrpflicht istund ihr Schicksal teilt. Insofern müssen wir uns gutüberlegen, wie man mit der möglichen Aussetzung derWehrpflicht, die wir als FDP begrüßen, umgehen. Dannmüssten Freiwilligendienste in die Bresche springen undeinige der Aufgaben übernehmen, die heute von Zivil-dienstleistenden übernommen werden. Wir müssen einKonzept erarbeiten, in dem wir sehr deutlich machen,dass ein Freiwilligendienst attraktiv ist. Wenn wir da-rüber reden, ob das ein freiwilliger Zivildienst oder einFreiwilliges Soziales Jahr sein soll und wie das Verhält-nis dieser beiden Dienste zueinander ist, wird man da-rauf achten müssen – das werden wir Liberale auch tun –,dass es nicht zu Verdrängungseffekten kommt und dasFreiwillige Soziale Jahr geschwächt wird. Ich glaube,dass es dafür Lösungen gibt. Wir wollen nicht, dass Frei-willige, die für jede Form von möglichen Diensten ak-quiriert werden sollen, nur bestimmte attraktive Diensteableisten und niemand Interesse an weniger attraktivenDiensten bekundet. Darüber werden wir sprechen. DieDiskussion ist erst am Anfang. Wir haben noch keineKlarheit über den Zeitplan, aber das wird sich bis zur ab-schließenden Beratung des Einzelplans im Novembergeändert haben. Dann werden wir unser Konzept mitZahlen unterlegen können.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Steffen Bockhahn für
die Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Ich habe im Sommer eine sehr schöne Veranstal-tung bei mir zu Hause in Rostock besucht, nämlich dieFeier anlässlich des 20. Jahrestages der Gründung desFrauennetzwerks „Die Beginen“. Frau MinisterinSchröder, Sie sind die Frauenministerin. Ich glaube, die-sen Frauen haben Sie heute richtig Kraft gegeben. Wassagt die Frauenministerin zum Thema Frauen? – Nichts.Für Gleichstellungspolitik sind in diesem 6,4-Milliar-den-Euro-Etat ganze 17 Millionen Euro vorhanden.4,5 Millionen Euro davon sind für die Förderung vonJungen und Männern mit Programmen wie „MEHRMänner in Kitas“ und „Neue Wege für Jungs“ vorgese-hen. Es bleiben also 12,5 Millionen Euro für Gleichstel-lungspolitik im Sinne von Frauenpolitik.Machen wir einmal ein Gedankenexperiment. Stellenwir uns einmal eine Studentin vor, die in Wiesbaden stu-diert, vier Jahre Studium hinter sich hat, demnächst fer-tig ist und kurz davor ist, in das Berufsleben einzustei-gen.DikMWNBfwdAdtM–gsFwebRd–vidsfneulNanddGgN
iese Frau schaut sich an, wie die Situation für Frauenn Deutschland zurzeit aussieht. Sie sieht: Frauen be-ommen durchschnittlich für die gleiche Arbeit, dieänner leisten, nur drei Viertel des Geldes – bis heute.as tut die Frauenministerin? –
ichts.Der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurtiedenkopf hat als Leiter der Zukunftskommission An-ang der 90er-Jahre festgestellt, dass die erhöhte Er-erbsneigung ostdeutscher Frauen eine der Ursachen fürie großen Probleme am Arbeitsmarkt im Osten ist. Dierbeitslosigkeit von Frauen ist dort deutlich höher alsie von Männern. Die Inanspruchnahme von Sozialleis-ungen durch Frauen ist dort deutlich höher als die vonännern. Was tut die Ministerin dagegen?
Nein, nicht nichts. – Sie hat vielmehr eine Steuerungs-ruppe zum Aktionsprogramm „Perspektive Wiederein-tieg“ eingerichtet, dazu einen Stufenplan für mehrrauen in Führungspositionen. Anfang des Jahres habenir erfahren, dass die Telekom eine Selbstverpflichtungingegangen ist, mehr Frauen in Führungspositionen zuringen. Was ist seitdem passiert? Nichts. Es gibt einessortgespräch „Entgeltungleichheit“. Super! Was istabei herausgekommen? Nichts!
Es wird bei dieser Statistik leider langweilig; das istöllig richtig, Kollege Mattfeldt. – Das Problem dabeist, dass wir immer noch auf ein Gleichstellungskonzepter Bundesregierung warten müssen. Das Einzige, wasich im Bundeshaushalt tatsächlich zur Gleichstellungindet, ist die Aussage des Bundesministeriums der Fi-anzen, dass die Gleichstellungspolitik die Sache derinzelnen Ressorts sei. Und was macht die Ministerin,m ihren Auftrag als Frauenministerin insofern zu erfül-en? –
ichts! Frau Ministerin, es tut mir leid, Ihnen Folgendesttestieren zu müssen: Sie lassen die Frauen alleine.
Die Frauen sind aber nicht die Einzigen, die von Ih-en alleingelassen werden. Sie sind auch für den Zivil-ienst zuständig. Was haben Sie hier heute zum Zivil-ienst gesagt? In Zeitungen, im Fernsehen, inesprächen mit vielen Betroffenen höre ich, dass das einroßes Thema ist. Was sagen Sie zu dem Thema?ichts!
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6205
Steffen Bockhahn
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Was soll ein 18-jähriger Azubi, der nächstes Jahr fer-tig wird, heute denken? Worauf soll er sich einstellen?Er muss sich jetzt darüber im Klaren werden, ob er einenArbeitsplatz für die Zeit nach dem Ende der Ausbildungsuchen oder ob er sich um eine Zivildienststelle küm-mern muss. Er weiß aber gar nicht, ob es den Zivildienstnach dem 30. Juni 2011 überhaupt noch geben wird.
Er weiß auch gar nicht, wo er sich heute noch um eineZivildienststelle bewerben kann. Er weiß nicht, ob er ei-nen Pflichtzivildienst machen muss oder ob er einen frei-willigen Zivildienst machen muss.
Wie der freiwillige Zivildienst bezahlt wird und was fürein Dienstverhältnis er dann tatsächlich haben wird,weiß er heute ebenfalls noch nicht. Auch diesen jungenMann, Frau Ministerin, lassen Sie allein.Fragen wir uns einmal, was die Eltern eines behinder-ten Kindes denken müssen, das in der Kita von einemZivi betreut wird! Fragen wir uns, was mit der 94-jähri-gen Oma ist, die vom Zivi das Essen auf Rädern be-kommt und für die der Zivi der einzige Kontakt zur Au-ßenwelt ist!
Auch sie weiß nicht, was in Zukunft passieren soll.Was ist mit den Trägern der Zivildienststellen, dieheute nicht wissen, ob sie wieder neue Stellen schaffenkönnen? Was ist mit den Angestellten in den Einrichtun-gen, in denen Zivis arbeiten? Wer macht die Arbeit, dieheute der Zivi macht, wenn er weg ist?
– Nur um richtig verstanden zu werden: Die Wehrpflichtmuss weg. Sie darf nicht nur ausgesetzt, sondern mussabgeschafft werden.
Die Freiwilligendienste dürfen wir nicht gegeneinan-der ausspielen. Das gilt auch für einen möglichen frei-willigen Zivildienst und das Freiwillige Soziale Jahr.Wir brauchen stattdessen eine Ausweitung des Zivil-dienstes oder vielmehr der Freiwilligendienste auch auf16- und 17-Jährige, damit eine berufliche Frühorientie-rung stattfinden kann. Wenn Sie wollen, dass jungeMenschen nach dem Zivildienst oder dem Freiwilligen-dienst sich beispielsweise für einen Pflegeberuf ent-scheiden, dann müssen Sie auch an Haupt- und Real-schülerinnen und -schüler denken. Diese brauchenspätestens mit 16 ein Angebot. Wir brauchen eine Kam-pagne für einen Freiwilligendienst. Wir brauchen einegSsVscmdLmbasRaWshtgrmdsAtESnmbDm
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Dörner für
ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!iebe Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben Ihre Redeit dem begonnen, was Sie schon häufiger gesagt ha-en: Alle müssen sparen. – Dafür haben auch wir durch-us Sympathien. Nur: Im Verfahren der Haushaltsauf-tellung haben wir erlebt, dass Sie sich quasi in die ersteeihe gedrängelt haben nach dem Motto: Ich möchteuch sparen dürfen.
enn man sich das jetzt anschaut, kommt man ange-ichts des kleinen Etats, den das Familienministeriumat, zu dem Ergebnis, dass Sie tatsächlich mit am meis-en sparen müssen. Das, liebe Kolleginnen und Kolle-en, ist kein Kämpfen für Familie und Kinder in unse-em Land.
Ich habe mir für die heutige Rede das Beispiel der Fa-ilie im ALG-II-Bezug, das Sie im Juni über Twitter inie Welt gepustet haben, extra noch einmal herausge-ucht, weil ich finde, dass diese Twitter-Nachricht, dieseussage für die Politik der Bundesregierung symptoma-isch ist. Sie ist regelrecht perfide.Sie machen Folgendes: Sie stellen geringverdienendeltern gegen Eltern, die gar kein Einkommen haben, undie hetzen die Leute, die wenig haben, gegen die auf, dieoch weniger haben. Dabei hoffen Sie, dass niemanditbekommt, dass die großen Fische völlig unbehelligtleiben.
as ist zutiefst unsozial, und das unterhöhlt den Zusam-enhalt in unserer Gesellschaft.
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6206 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Katja Dörner
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Wer bei den armen Familien spart, aber der Atom-lobby, Hoteliers und Banken Milliardenbeträge hinter-herschmeißt,
der befördert die soziale Spaltung in unserem Land und– ich möchte das hier auch sagen – der gefährdet unsereDemokratie. Das ist ein sehr weitgehender Vorgang.
Nun kommen Sie mal nicht mit dem Argument, wiewir es eben auch von der Ministerin gehört haben, dasElterngeld würde jetzt zu einer echten Lohnersatzleis-tung umgestaltet.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schirmbeck?
Natürlich.
Verehrte Frau Kollegin, es gibt ja keinen Einzelplan,
bei dem man nicht die Geschichte erzählt, dass auf der
rechten Seite des Hauses die säßen, die bestochen wür-
den und Schmiergelder bekämen, um bestimmte Gesetze
zu machen.
Das ist ja eigentlich so das Leitmotiv von allem.
Von Schmiergeldern habe ich nicht gesprochen!
Ich möchte Sie fragen, ob Sie die ganze Geschichte
der Kernenergie kennen. Wussten Sie, dass der Kern-
energiekonsens, den Rot-Grün gemacht hat, damit er-
kauft wurde, dass die Anteilseigner der Kernenergie-
werke
ihre Industriebeteiligungen steuerunschädlich verkaufen
durften? Das hat dazu geführt, dass die Kommunen ne-
gative Körperschaftsteueraufkommen hatten. So ist man
in der Vergangenheit mit der Großindustrie umgegangen.
Die Leute, die damals diesen Kernenergiekonsens einge-
kauft haben, sollen besser sein als diejenigen, denen Sie
jetzt diese Vorwürfe machen? Sie sollten Obacht geben,
dass Sie sich nicht selbst mit dem beschmutzen, was Sie
hier ausführen.
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Herr Kollege, die Geschichte der Kernenergie unduch die Geschichte des Protestes gegen die Atomener-ie kenne ich sehr gut. Ich bin hier seit langem enga-iert. Was Sie hier gesagt haben, ist reinste Geschichts-litterung; das ist überhaupt nicht zutreffend. Wirüssen uns heute damit auseinandersetzen, was Ihreanzlerin in irgendwelchen Geheimverträgen um.23 Uhr morgens mit den Chefs der großen Energiekon-erne zulasten der gesamten Gesellschaft ausbaldowertat,
nd vor allem damit, dass sie den Ausverkauf der Si-herheit der Anlagen betrieben hat. Das ist die Tatsache,it der wir uns jetzt auseinandersetzen müssen, undicht irgendwelche Vorgänge aus dem letzten Jahrhun-ert.
Ich war beim Elterngeld und komme jetzt, nachdemie von Schimären gesprochen haben, zu Ihrer nächstenchimäre, nämlich wie die Ministerin es ausgeführt hat,ass – – Sie können sich wieder setzen.
Okay. – Ich fahre mit einer Schimäre fort, genau ge-ommen einer Schimäre der Ministerin. Es geht jetzt umie Frage, ob das Elterngeld tatsächlich zur Lohnersatz-eistung weiterentwickelt wird. Wir wissen doch alle,ie es kommen soll: Hausfrauen ohne vorheriges eige-es Einkommen sollen weiterhin den Sockelbetrag be-iehen können.
as entlarvt sich doch von selbst. Das ist schwarz-gelbelientelpolitik pur.
Wie steht es eigentlich um das Elterngeld für die Auf-tocker? Die Ministerin hat dazu nichts gesagt.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6207
Katja Dörner
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Es bleibt im Prinzip so, wie es schon im Haushaltsbe-gleitgesetz steht: Es gibt einen Prüfauftrag. Mehr wissenwir nicht.
Wir können uns sehr wohl vorstellen, zu welchem Er-gebnis dieser Prüfauftrag kommen wird.
Wir müssen vermuten, dass die Ministerin an dem fest-halten wird, was meine Kollegin Frau Gruß als irrsinnigbezeichnet hat und was meine Kollegin Frau Bär völligzu Recht als unsinnig bezeichnet hat, nämlich dass dasElterngeld bei den Aufstockern in irgendeiner Art undWeise angerechnet wird.
Das ist wirklich widersinnig. Es wäre gut gewesen, heutevon der Ministerin eine klare Ansage zu bekommen,dass das nicht der Fall sein wird.
– Ich freue mich darauf, wenn Frau Bär gleich dazu et-was sagt.Die Bilanz der Familienministerin nach einem knap-pen Jahr Regierungszeit ist wirklich ein Trauerspiel: El-terngeld gekürzt, Einführung von Teilelterngeld und Er-höhung der Zahl der Partnermonate verschoben,wahrscheinlich auf den Sankt-Nimmerleins-Tag; vonVerbesserungen beim Unterhaltsvorschuss, vom Zu-kunftskonto, von steuerlichen Entlastungen für Alleiner-ziehende redet auf der Regierungsbank kein Menschmehr. All das war im Koalitionsvertrag versprochenworden. Man kann nur sagen: versprochen – gebrochen.Umso bizarrer ist es eigentlich, dass sich die Ministe-rin immer noch nicht von den Plänen zum Betreuungs-geld verabschiedet hat. Ein solches wäre tatsächlich irr-sinnig und unsinnig.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dassich es gut finde, dass die Ministerin den vorgesehenenRechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijäh-rige verteidigt. Aber auch hier verschließt sie die Augenvor der Realität: Ob man wirklich davon sprechen kann,dass der Rechtsanspruch umgesetzt werden kann, wennfür 35 Prozent der Kinder ein Kitaplatz zur Verfügungsteht, wird zu Recht angezweifelt. Wir brauchen ganzdringend eine Bedarfsanalyse, die auch über das Jahr2013 hinausgeht.mhRwvebkzMsdetfkdAEvAeiebbgwTsWdÄvgtMrEac
Es darf uns nicht nur um die Platzzahlen gehen. Esuss uns auch um die Qualität der Angebote gehen. Ichabe häufig den Eindruck, dass dieser Aspekt in derechtsanspruchsdebatte etwas unter den Tisch fällt, ob-ohl wir alle wissen, dass eine bessere Vereinbarkeiton Familie und Beruf eben nur gelingt, wenn die Elternin gutes Gefühl haben, wenn sie ihr Kind in die Kita ge-en. Gute frühpädagogische Maßnahmen und Bildungönnen nur erfolgreich sein, wenn die Erzieher und Er-ieherinnen in den Kindertagesstätten tatsächlich dieöglichkeit haben, gute Angebote zu machen.Im Juli hat die Ministerin den KiföG-Bericht vorge-tellt. Darin – ich zitiere aus diesem Bericht – hat sieargelegt, dass in einigen Bundesländern die Personal-insatzschlüssel in einer Größenordnung liegen, die un-er fachlichen Gesichtspunkten als bedenklich einzustu-en sind. Ich denke, hier ist die Bundesregierung ganzlar gefragt im Konzert mit Ländern und Kommunen;enn der Kitaausbau ist eine gesamtgesellschaftlicheufgabe, die für den Bund nicht 2013 endet.Nun sollen in den nächsten Jahren 100 Millionenuro in die Sprachförderung in Schwerpunkt-Kitas in-estiert werden. Dagegen ist im Prinzip nichts zu sagen.ber auch da kennen wir das Konzept und die Zielver-inbarung mit den Ländern noch nicht. Deshalb würdech sagen: Vorsicht mit Vorschusslorbeeren. Wir müssenrst einmal schauen, ob die Kitas nicht doch nur Place-os bekommen.Die Unklarheit, was überhaupt geplant ist, setzt sicheim Zivildienst fort. Auch da sind – die Ministerin warestern bei uns im Ausschuss – viele Fragen unbeant-ortet geblieben. Ich fand es gut, dass der Herr Kollegeoncar darauf hingewiesen hat, dass es keine zwei Klas-en bei den künftigen Freiwilligendiensten geben soll.ir Grünen finden es positiv, dass wir wegkommen voner Pflicht und hinkommen zur Freiwilligkeit. Aber dieußerungen der Ministerin konnten uns noch nicht da-on überzeugen, dass es da tatsächlich ein gutes Konzeptibt.
Ich komme zum Schluss. Als Sachwalterin für die In-eressen von Kindern, Jugendlichen und Familien habeninisterin Schröder und auch die komplette Bundes-egierung bis dato völlig versagt.
s bleibt zu hoffen, dass es einen Herbst der Erkenntnisufseiten der Koalition gibt und nicht ein böses Erwa-hen für alle nach den Haushaltsverhandlungen.Vielen Dank.
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6208 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
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Das Wort hat nun die Kollegin Ingrid Fischbach für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Herr Bockhahn, ich würde Ihnen einmal
empfehlen, in den Ausschuss zu kommen.
– Sie sind da drin? Ich habe Sie da noch nie gesehen.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine Halluzination.
Sie haben vorhin beklagt, dass die Ministerin zu den
und den Punkten nichts gesagt hätte.
– Darauf will ich doch eingehen. Lassen Sie mich einmal
ausreden. Wenn Sie eine Frage haben, stellen Sie sie
bitte. Dann habe ich auch eine längere Redezeit.
Sie haben Punkte aufgeführt, zu denen die Ministerin
nichts gesagt hat. Sie hat über die Punkte gesprochen,
die für den Haushalt relevant sind. Sie hat also genau das
gemacht, was die Kollegin von den Grünen, die im Mo-
ment nicht zuhört, eingefordert hatte. Hätte sich die
Ministerin über Themen wie Konzepte zum Wiederein-
stieg, Entgeltgleichheit, Möglichkeiten zur Anrechnung
der Pflegezeit, Frauen in Führungspositionen und Stu-
fenplan ausgelassen, dann hätte die Kollegin zu Recht
angemerkt: Wir reden heute über den Haushalt und nicht
allgemein über die Aufgaben und Leistungen des Fami-
lienministeriums.
Darauf muss man schon achten. Da läuft eine ganze
Menge. Dazu kann ich Ihnen gleich noch etwas sagen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Bockhahn?
Ja, vielleicht kann er noch etwas lernen.
Bitte.
Bildung wird ja großgeschrieben. Insofern bin ich auf
Ihre Antwort sehr gespannt.
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Wir reden über den Haushalt 2011. Wenn Sie sich die-en Haushalt anschauen, dann können Sie feststellen,ass wir beim Wehretat für 2011 keine Änderungen vor-enommen haben.
as haben Sie doch mitbekommen. Worüber wir jetzt re-en, sind zukünftige Entscheidungen, die mit folgendenragen zu tun haben: Wie gehen wir mit der Wehrpflichtm? Wird sie ausgesetzt, oder soll sie abgeschafft wer-en? Dazu gibt es Diskussionen innerhalb der Fraktio-en und der Parteien. Wenn wir zu einer Entscheidungommen, wie wir mit dem Wehrdienst umgehen, dannüssen wir uns überlegen, welche Auswirkungen diesuf den Zivildienst hat.Deswegen fand ich es nicht so prickelnd, dass Sie ge-ade sagten, Sie sind für die Abschaffung des Wehr-ienstes, aber den Zivildienst müssen wir erhalten. Dasasst irgendwie nicht.
Doch, er hat am Anfang gesagt: Was sage ich heute ei-em Zivildienstleistenden – O-Ton –, wenn er sich umine Stelle bewerben will, sie aber nicht mehr findet? –ie kommen Sie darauf, dass man keine Zivildienst-telle mehr findet?
nsere Bewerber finden noch Zivildienststellen; dieseind noch da.Sie wollen darauf hinaus, was passiert, wenn es keineehrpflicht mehr gibt. – Ich bin noch nicht fertig mit derntwort auf Ihre Frage. Deswegen möchte ich Sie bitten,och stehen zu bleiben. Ich würde das gerne zu Endeusführen.Wenn wir über den Wehrdienst entschieden haben,ommen wir zu den weiteren Auswirkungen, und dannerden wir darüber informieren. Es macht überhaupteinen Sinn, jetzt über etwas zu diskutieren, von dem ich
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6209
Ingrid Fischbach
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zum Beispiel gar nicht weiß, wie meine Partei damit um-geht.
– Aber es ging doch jetzt um die Abschaffung. Er sagtedoch gerade, er will ihn abschaffen.
– Meine Damen und Herren, ich lasse mich jetzt nichtauf eine Zwischendiskussion ein. Wenn die Entscheidun-gen anstehen, werden wir es mitteilen. Dann werden wirdarüber reden und mit Ihnen darüber diskutieren. Wirwerden Vorschläge machen; das ist schon richtig. So ma-chen wir das. Aber wir werden erst einmal intern bera-ten, wie wir damit umgehen. So machen wir das in derCDU und in der CSU. Wie das bei den Linken ist, weißich nicht. Wahrscheinlich ist es da anders.
Da wird es bestimmt, und dann ist es so. Wir diskutierendarüber, wir binden die Basis mit ein. Wenn wir die Ent-scheidungen haben, dann werden wir auch wissen, wel-che weiteren Schritte zu gehen sind.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, wenn ich auf den Beginn der Finanz- undWirtschaftskrise zurückblicke, dann sind mir noch sehrwohl die immensen Zahlen, die im Raum standen, unddie Sorgen der Menschen und Familien in Erinnerung:Wie gehen wir damit um? Um Gottes willen, was pas-siert da? Wie können wir jemals die Schulden, die wiraufnehmen, zurückzahlen? Die konjunkturelle Entwick-lung ist im Moment positiv. Die Zahl der Arbeitslosengeht deutlich zurück. Die Wachstumsraten betragen 3 bis3,5 Prozent.Die freundliche Aufbruchstimmung darf uns abernicht dazu verleiten, uns aus dem Konsolidierungspro-zess zu verabschieden; vielmehr gibt es weiterhin dieAufgabe und den klaren Auftrag an die Politik, für eineKonsolidierung des Haushalts zu sorgen. Das ist ver-antwortungsvolle Familien- und Jugendpolitik. Das istPolitik für die nachfolgenden Generationen. Sie mussnachhaltig sein. Auch unsere Kinder und Enkelkindermüssen die Chance haben, in diesem Staat zu leben undnoch über Haushalte beraten zu können. Das können sienicht, wenn wir uns jetzt aus der Konsolidierung verab-schieden und weitermachen wie bisher. Deswegen tunwir es nicht.
George Bernard Shaw hat nicht umsonst gesagt: Wasman „sparen“ nennt, heißt nur, einen Handel für die Zu-kunft abzuschließen.DmEWsgandamHSzn6fRaga–mMb–Dd–dehzentMlmabßAnbs
as tun wir. Das Zukunftspaket der Bundesregierungacht deutlich, dass wir bis 2014 über 80 Milliardenuro einsparen wollen. Das ist richtig; das ist wichtig.ir haben die Schuldenbremse gemeinsam im Grundge-etz verankert. Deswegen ist es unsere gemeinsame Auf-abe, hier für eine Konsolidierung zu sorgen. Dazu mussuch das Familienministerium im Sinne von Generatio-engerechtigkeit etwas beitragen. Wir müssen uns anieser Konsolidierung beteiligen, damit unsere Kinderuch Perspektiven haben.Das Elterngeld – die Frau Ministerin hat es gesagt –acht mit 4,48 Milliarden Euro einen großen Anteil desaushalts des Familienministeriums aus. Auch hierparmaßnahmen anzugehen, ohne die Grundstrukturenu verändern und aufzuheben, halte ich für richtig. Ge-au das passiert. Wir werden die Quote von 67 auf5 Prozent absenken, und wir werden die Anrechnungs-reiheit des Elterngeldes beim Bezug von Leistungen imahmen des Arbeitslosengeldes II und der Sozialhilfeufheben. Das hat sicherlich einschneidende Auswirkun-en; das streite ich gar nicht ab. Aber das Elterngeld istls Lohnersatzleistung konzipiert.
Das ist nicht falsch. Sie waren in der Runde, die da-als das Elterngeld konzipiert hat, gar nicht dabei, Frauarks. Da war Frau Humme dabei; Sie waren nicht da-ei.
Sie waren in der Koalitionsrunde nicht dabei, nein.as ist jetzt auch egal. Ich war jedenfalls die ganze Zeitabei.
In der Koalitionsrunde – darum geht es – war sie nichtabei. Da haben wir gesagt: Das ist eine reine Lohn-rsatzleistung. Wir haben die Menschen im Blick ge-abt, die für Kindererziehung auf ihre Erwerbsarbeit ver-ichten und zu Hause bleiben. Wir haben das Mindest-lterngeld gemeinsam beschlossen. Ich kann mich erin-ern, dass Sie das gar nicht wollten. Sie wollten das El-erngeld auch nicht für ein Jahr, sondern nur für sechsonate zahlen; ein Jahr Bezugszeit war Ihnen viel zuang. All das ist aber Schnee von gestern. Wir haben ge-einsam entschieden, dass wir es so machen. Das waruch gut und richtig so.Es war aber von Anfang an nicht richtig, dass wir da-ei gegen die Systematik der Grundsicherung versto-en haben. Auch Sie erinnern sich: Wir waren damals imufschwung und hatten vor Augen, dass wir 2011 keineeue Kreditaufnahme, keine Neuverschuldung, mehrrauchen. Da haben wir gesagt: Wenn die Entwicklungo ist, können wir Elterngeld in dieser Weise zahlen. –
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6210 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Ingrid Fischbach
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Es war aber schon damals falsch, weil es nicht der Syste-matik der Grundsicherung entsprach.Jetzt dürfen Sie nicht mich, uns oder die Frau Minis-terin dafür verantwortlich machen; denn Sie haben dieGrundsicherung, damit auch die Systematik der Grund-sicherung, mit verabschiedet. Da haben Sie festgelegt,dass bei Transferleistungen Einkommen bestimmter Ar-ten angerechnet werden müssen. Das ist nicht geändertworden, auch nicht von Ihnen. Insofern tun wir jetztnichts anderes, als diese Systematik anzuwenden. Dasfällt an der einen oder anderen Stelle schwer; aber es ent-spricht der Grundausrichtung, die auch von Ihnen aufden Weg gebracht wurde. Das möchte ich einmal festhal-ten.
Frau Dörner, vielleicht haben Sie es vorhin nicht ge-hört: Wir sehen Änderungsbedarf bei den Aufstockernund Minijobbern; das hat auch Frau Ministerin gesagt.Sie wissen aber, dass die Zuständigkeit für Aufstockerbei einem anderen Ministerium liegt und wir auch hierAbsprachen treffen müssen. Hier sind wir auf einem gu-ten Weg. Ich kann Ihnen versichern – wir sind hier heutein der ersten Lesung –, dass wir in den Beratungen da-rauf eingehen und Lösungen dafür anbieten werden.
Das Erfolgsmodell Elterngeld bleibt in der Grund-struktur erhalten. Das ist richtig so. Wir haben festge-stellt – Frau Ministerin hat es gesagt –, dass gerade auchVäter diese Möglichkeit nutzen, sich um die Kinder zukümmern. Es könnten ruhig noch mehr Väter dieseMöglichkeit nutzen, auch länger als zwei Monate. Daranwäre uns gelegen. Deswegen halten wir daran fest.
Frau Kollegin, Frau Dörner würde gerne eine Zwi-
schenfrage stellen.
Ja.
Bitte.
Frau Fischbach, ich möchte auf das Elterngeld zu-
rückkommen. Zunächst einmal ist es ein positives Zei-
chen, dass Sie den Prüfauftrag, der im Haushaltsbegleit-
gesetz geregelt ist, bei der Frage des Elterngelds für
Aufstocker ernst nehmen. Da die Summe der Einsparun-
gen bezogen auf das Elterngeld schon feststeht und ent-
sprechend im Haushalt verankert ist, möchte ich Sie aber
fragen: An welcher Stelle wollen Sie ansonsten Einspa-
rungen vornehmen?
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Der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungenst ein wichtiger Schwerpunkt unserer Familienpolitik,er Familienpolitik der Frau Ministerin. Sie hat deutlichemacht, dass es an dieser Stelle zu keinen Einschnittenommen wird. Wenn Sie die Ergebnisse des letzten Mo-itor Familienleben im Kopf haben, dann wissen Sie,ass flexible – nicht starre – Betreuungsangebote fürinder das A und O sind. Wir müssen die Angebotechaffen, die Eltern brauchen. Da müssen wir weiter an-etzen. Die Mittel dafür bleiben erhalten.Es ist erfreulich, dass die Länder mit ihren Anträgenachgezogen sind. Das lief etwas schleppend; jetzt läufts besser. Wir können deshalb davon ausgehen, dass wirine Betreuungsquote von 35 Prozent – wir haben sie ge-einsam beschlossen – erreichen werden; daran haltenir erst einmal fest. Dann wird man sehen – Sie wissen,ass Angebote auch Nachfrage schaffen –, ob später einehrangebot nötig ist. Darüber werden wir mit den bei-en anderen Verhandlungspartnern diskutieren; es isticht die ureigenste Aufgabe des Bundes, die Kinderbe-reuungsangebote vor Ort zu finanzieren. Wir müssenas mit den Ländern und den Kommunen absprechen;as können wir nicht alleine tun. Das wird auch stattfin-en. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Sie,rau Schröder, dass Sie daran festgehalten haben. Damitelfen Sie den jungen Familien, den Eltern, Vätern undüttern. Das ist gut so.
Eine Aufgabe, ein Aspekt Ihrer künftigen Politikdas interessiert vielleicht auch Herrn Bockhahn – istie Sprachoffensive, die anlaufen soll. Sie werden einerößere Summe in die Hand nehmen und in Kitas, dieesondere Bedarfe haben, eine Sprachoffensive starten;enn auch hier stellen wir fest: Wenn wir über Bildungeden, reden wir über Sprache. Wenn die Kinder derprache nicht mächtig sind, ist das schlimm. Wir müssenür Angebote sorgen, damit sie sprachfähig werden. Lei-er betrifft das nicht nur Kinder mit Migrationshinter-rund, auch viele Kinder mit deutschem Hintergrund ha-en Sprachschwierigkeiten. An dieser Stelle muss mannsetzen. Wir müssen gezielt in die Brennpunkte hinein-ehen und für eine Sprachoffensive sorgen. Das haltenir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, für eine ver-ünftige politische Entscheidung. Das ist Politik für dieedürfnisse der Menschen und nicht an den Menschenorbei.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6211
Ingrid Fischbach
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Frau Ministerin, mit der Familienpflegezeit rückenSie ein Thema in den Fokus der Öffentlichkeit, daswichtig ist. In der Erwerbsbiografie gerade von Frauenist die Pflegezeit die zweite große Lücke. Oft müssen El-tern, Schwiegereltern oder kranke Angehörige gepflegtwerden. Es ist gut, dass Sie sich dieses Themas anneh-men und mit dem Konzept der Pflegezeit eine erste Of-fensive starten. Das ist ein mutiger Schritt. Machen Sieweiter so!
Das ist ein erster Schritt, der ausgebaut werden muss,und er wird auch ausgebaut werden. Wenn sich die Kon-junktur weiter so entwickelt wie im Moment, haben wirgute Chancen. Wenn nicht, müssen wir schauen, dass wires anders geregelt bekommen, um den Bedürfnissen derFrauen und der Menschen gerecht zu werden.Die Opposition hat eben deutlich gemacht, wie ver-heerend, schrecklich und furchtbar die Familien-, Frau-en- und Jugendpolitik der Bundesregierung ist.
Ich sage Ihnen: Lesen Sie die 16. Shell-Studie, die ge-rade veröffentlicht wurde. Seit 2006 hat sich der Anteiljunger Menschen, die sich Kinder wünschen, erhöht.
Es ist die Familienpolitik der Union, die sich in diesemBereich ausgezeichnet hat. Wenn sie so furchtbar wäre,würden die jungen Menschen keine Kinder bekommenwollen. Sie wünschen es sich. Wir werden alles dafürtun, dass der Wunsch nach Kindern und Familie in Erfül-lung gehen kann. Dafür arbeiten wir. Dafür stehen wir.Darauf können sich die Menschen in unserem Land ver-lassen.
Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Rolf
Schwanitz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Familien und Kinder sind die großen Verlierer
des Entwurfs der schwarz-gelben Bundesregierung zum
Bundeshaushalt 2011. Das ist so. Das liegt an den Kür-
zungen beim Elterngeld. Es geht um 600 Millionen Euro
insgesamt, 155 Millionen Euro sind es im Einzelplan 17,
bei der Familienministerin. Nebenbei bemerkt: Welchen
Stellenwert das Thema für Sie hat, sieht man auch an der
Präsenz der Bundesregierung bei dieser Debatte. Das
Kanzleramt hat wenigstens noch einen Aluminiumkoffer
hingestellt.
Apropos Kanzleramt. Ich fand folgenden Vorgang be-
merkenswert: Die Bundeskanzlerin hat gestern in der
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Herr Schwanitz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Bitte sehr.
Herr Kollege, Sie sind nicht der erste Redner der
PD-Bundestagsfraktion, der sich heute zu diesem
hema äußert und erklärt, wo überall wir nicht sparen
ollen. Wenn mich mein Gedächtnis nicht vollständig
rügt, beruhen die Einsparbemühungen nicht zuletzt
uch auf der gesetzlichen Grundlage der Schulden-
remse, die Ihre Fraktion mit unserer Fraktion beschlos-
en hat. Wie ich der Presse entnehme, wollen Sie auch
och gegen die Brennelementesteuer und den Laufzeit-
ompromiss klagen, sodass weitere Einnahmequellen
egfallen. Ich frage Sie: Wo würden Sie stattdessen spa-
en? Die Beantwortung dieser Frage gehört zur Ehrlich-
eit der Diskussion dazu.
Ich weiß nicht, ob Sie in der gestrigen Debatte dabeiaren und zugehört haben. Es gab eine ganze Reihe vonorschlägen – übrigens auch zu dem unzulänglichenorschlag einer Brennelementesteuer, den Sie in die De-atte eingebracht haben –, beispielsweise das Zurück-ehmen der Subventionen zugunsten von Hotels undeichen Erben, die am Anfang Ihrer schwarz-gelbenTraumkoalition“ gestanden haben.
n dieser Woche habe ich sehr intensiv mit Kolleginnennd Kollegen aus Ihrer Fraktion darüber gestritten, obnd in welchem Umfang wir in dieser Situation im land-
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6212 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Rolf Schwanitz
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wirtschaftlichen Bereich Subventionen draufsatteln müs-sen. Ich kenne diese Diskussionen bei Ihnen: Den Be-griff „Subventionen“ führt man nur dann ein, wenn manes nicht mag; ansonsten heißt das immer „Hilfe“. Ichrate zu einer ehrlichen und offenen Debatte über alleEinzelpläne.
Ich will eine zweite Feststellung machen: Es gibt indem Einzelplan 17 eine Verstärkung im Bildungsbereichin der Größenordnung von 82 Millionen Euro. Das willich nicht kritisieren. Die Sozialdemokraten haben mehr-fach die Stärkung der frühkindlichen Bildung angemahntund die Verbesserung der Qualität der Betreuungsange-bote gefordert. Ich will dazu aber zwei Anmerkungenmachen:Erste Anmerkung. Wenn Sie, Frau Ministerin, die82 Millionen Euro, diese große Summe hier so heraus-streichen, dann muss auch ein Wort dazu gesagt werden,welche Einsparungen an anderer Stelle im Bundeshaus-halt stattfinden. Im Einzelplan 30 entfällt der Titel fürdas vor- und außerschulische Lernen im Lebenslauf– das sind die lokalen Bildungsbündnisse für benachtei-ligte Kinder und Jugendliche –: minus 18 MillionenEuro. Beispielsweise entfallen die Sprachstandstests fürKinder im vierten Lebensjahr. Das ist Sprachförderungim Vorschulalter. Das sind 5 Millionen Euro weniger fürSprachförderungsprogramme. Ich finde, es gehört dazu,dass die Ministerin nicht nur ressortegoistisch auf ihrenEinzelplan schaut, sondern auch schaut, was für Kinderinsgesamt dabei herumkommt.
Das Prinzip „rechte Tasche – linke Tasche“ verschwei-gen Sie.Zweitens möchte ich dazu sagen – meine Vorrednerinaus meiner Fraktion hat das schon angesprochen –:
Die 82 Millionen Euro werden ja aufwachsen. Das ergibtnach Ihrem Plan irgendwann einmal ein Volumen in derGrößenordnung des gesamten Kinder- und Jugendplansin einem Haushaltsjahr. Eine solche Summe kann mannatürlich nicht nur mit einem einzelnen Titel ausbringen,sondern man muss vorsorgen, dass etwas Nachhaltigesentsteht. Diesbezüglich ist Ihrem Entwurf nichts zu ent-nehmen. Was wird denn eigentlich, wenn die Modellpro-jekte, die Sie fördern wollen – 4 000 –, ausgelaufensind? Was wird dann eigentlich mit den Elternbeglei-tern? Werden sie dann kommunale Angestellte, Beschäf-tigte?Ich fordere Sie auf: Legen Sie noch vor Abschluss derHaushaltsberatungen ein Nachhaltigkeitskonzept vor!Stimmen Sie das mit den Ländern und den kommunalenSmdrlR„dbzsslEscBVmhKgJdzh„bnbgmSmtsgDaZVttHdF
Ich will eine dritte Bemerkung zum Thema Jugendpo-itik machen. Die Shell-Studie hat ja gerade schon eineolle gespielt. Die Süddeutsche Zeitung hat getitelt:Die Ideenlosigkeit einer Ministerin“ und hat reflektiert,ass die Shell-Studie nicht nur Positives berichtet. Sieerichtet auch, dass es abgehängte Jugendliche im Alterwischen 12 und 25 Jahren gibt. Das Motto scheint ja zuein: Optimismus kann man nur haben, wenn man ihnich leisten kann. Die Studie zeigt also sehr wohl gegen-äufige Entwicklungen auf.Deswegen muss man einmal schauen, was in diesemntwurf im Bereich Jugendpolitik passiert. Ich mussagen: Die Kürzungen erstrecken sich in der Tat großflä-hig auf den Bereich des Kinder- und Jugendplanes.eim Freiwilligen Sozialen Jahr im Sport haben Sie eineerstärkung vorgenommen. Das hängt selbstverständlichit der Wehrrechtsänderung zusammen. Aber diese Er-öhung wird zu fast 60 Prozent durch Kürzungen iminder- und Jugendplan finanziert.Ich will die Dinge einzeln benennen: 9 Prozent weni-er für soziale und berufliche Integrationsförderung vonugendlichen. Darin enthalten ist zum Beispiel die För-erung der Jugendsozialarbeit. Es gibt 24 Prozent Kür-ungen bei den „Neuen Wegen“ der Kinder- und Jugend-ilfe, zum Beispiel in den Schulen. Der Bereich dersonstigen Fördermaßnahmen“ im KJP wird fast hal-iert.Ich will nicht verschweigen: Ein absolutes Alarmsig-al ist, was mit den Verpflichtungsermächtigungeneim Kinder- und Jugendplan passiert, also wo es darumeht, Bewilligungen für die folgenden Jahre möglich zuachen. Diese Verpflichtungsermächtigungen senkenie um sage und schreibe 23 Millionen Euro ab; das sindinus 31 Prozent. Die Botschaft ist völlig klar: Langfris-ige Arbeit über das Haushaltsjahr hinaus wird sukzes-ive zurückgefahren. Der KJP wird nur noch auf Sichtefahren, und neue Kürzungen sind vorprogrammiert.eswegen haben Sie auch eine globale Minderausgabels neuen Titel eingebracht. Da steht zwar noch keineahl, aber Sie erwarten, dass die Koalitionäre das imerfahren ausführen, so, als hätten Sie damit nichts zuun.Die Kinder, die Familien und die Jugendlichen erwar-en von Ihnen nicht, dass Sie die Kürzungspolitik, die imause Schäuble ersonnen worden ist, rechtfertigen, son-ern, dass Sie als echte Anwältin für Kinder, Jugend undamilie auftreten. Das sind Sie uns schuldig geblieben.Schönen Dank.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6213
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Nächste Rednerin die die Kollegin Miriam Gruß für
die FDP-Fraktion.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsi-
dentin! Ich habe mir die Debatte jetzt eine ganze Weile
angehört und muss feststellen: Wir sind bei diesem The-
menfeld auch dafür zuständig, Politikverdrossenheit ab-
zubauen. Wenn ich mir die vielen jungen Menschen an-
schaue, die hier auf den Besuchertribünen sitzen, dann
muss ich an dieser Stelle sagen: Wir haben in der bisheri-
gen Debatte keinen Beitrag dazu geleistet, dass die Poli-
tikverdrossenheit etwas weniger wird. Denn hier wird
nur unehrlich argumentiert, falsche Tatsachen werden
auf den Tisch gelegt, und es findet einfach nur Verdum-
mung statt, statt Tatsachen zu benennen und über sie zu
diskutieren.
Von daher bin ich dafür, dass wir die Debatte jetzt etwas
versachlichen und uns auf die Fakten konzentrieren.
Da sich die SPD gerade so aufregt, möchte ich sagen:
Ich habe gestern bei der Debatte sehr wohl zugehört.
Sigmar Gabriel, Ihr Vorsitzender, ist als Erzengel
Gabriel aufgesprungen, letzten Endes aber wie viele von
Ihnen als Wolf im Schafspelz gelandet.
Denn das, was Sie machen, ist nichts anderes, als mit
dem Scheckbuch durch die Lande zu ziehen – schauen
Sie sich doch an, wie Sie es in Nordrhein-Westfalen ma-
chen! – und den jungen Leuten zu sagen: Wir verteilen
jetzt Geld. – Aber dieses Scheckbuch ist nicht gedeckt.
Vielmehr bedeutet es eine Hypothek für die nächsten
Generationen.
Wir machen das Gegenteil. Wir stellen einen Haushalt
auf, der treffsicher ist; das ist wichtig. Wir stellen einen
Haushalt auf, der gegen Umverteilung ist: Wir nehmen
den Leuten nicht erst etwas weg, um es dann wieder
großgönnerhaft auszugeben. Herr Schwanitz, schauen
Sie sich einmal meine Reden zum Thema „linke Tasche/
rechte Tasche“ an; das können viele von Ihren Kollegin-
nen und Kollegen schon fast nicht mehr hören. Das wa-
ren unsere Themen; wir haben das immer wieder gesagt.
Wir stellen einen Haushalt auf, der generationengerecht
ist.
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as sind die drei wesentlichen Merkmale unserer Regie-
ungsarbeit und der Arbeit unserer Fraktionen.
Frau Kollegin, darf ich Sie unterbrechen? Frau
örner würde gern eine Zwischenfrage stellen.
Nein, ich bin gerade so in Fahrt; tut mir leid.
Ja, gerne. – Ich finde es schon wichtig, dass in dieserebatte die großen Linien der Politik aufgezeigt werden.
an nutzt ja die Haushaltswoche dazu, die Daten undakten auf den Tisch zu legen, aber auch darüber zu re-en, wo es hingehen soll, was gemacht worden ist undo die Schwerpunkte in der Zukunft gesetzt werden sol-en.Zu den Themen Kinder und Jugend. Beim Themainder stehen für uns nach wie vor Schutz und Chancenn erster Stelle. Zum Thema Kinderschutz werden wirin Kinderförderungsgesetz auf den Weg bringen. Natür-ich werden wir auch die Ergebnisse der runden Kinder-ische präsentieren. Beim Thema Chancen – das hat Herroncar schon ausgeführt – stellen wir die Finanzierungom Kopf auf die Füße und denken zunächst einmal da-an, das Geld dann zu investieren, wenn es dringend not-endig ist und wenn wir es auch so investieren können,ass es sich später mehrfach auszahlt. Ein Beispiel istie Initiative zur frühkindlichen Bildung.Auch zum Thema Jugendliche sollten Sie sich meineeden aus den letzten Jahren ansehen. Es war mir immeranz wichtig, zu sagen, dass wir eine eigenständige Ju-endpolitik brauchen; Kai Gehring wird das bestätigen.aran halten wir weiterhin fest. Auch über die Inhaltees Kinder- und Jugendplans muss im Rahmen der Spar-aßnahmen diskutiert werden. Da komme ich zum Aus-angspunkt zurück.
ir wollen treffsicher arbeiten. Deswegen muss manich auch in diesem Bereich anschauen, ob etwas funk-ioniert oder nicht. Aber eine eigenständige Jugendpoli-ik ist selbstverständlich.Als FDP-Fraktion und als Koalitionsfraktion werdenir darauf achten, dass die Partizipation und die Chan-en von Jugendlichen in Zukunft in den Vordergrundestellt werden. Im Übrigen – ich bin auch Mitglied imusschuss für Arbeit und Soziales – muss man einmalehen, wo das verankert wird. Chancen von Jugendli-
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6214 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Miriam Gruß
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chen sind hauptsächlich im Ministerium für Arbeit undSoziales verankert, aber nicht im Familienministerium.Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es wichtig ist,dass das Familienministerium und auch wir als Koali-tionsfraktionen dies entsprechend begleiten.Zum Thema Familie. Es hat sich nichts daran geän-dert: Familien brauchen Zeit, Geld und Infrastruktur.Beim Thema Familienzeit – Frau Fischbach hat schondarauf hingewiesen – diskutieren wir nicht nur über dieFamilienpflegezeit, sondern auch über Zeit für Familien,für Mütter wie Väter, die sich Zeit nehmen wollen, fürdie Familie da zu sein. Ich bin fest davon überzeugt, dasswir keine Gesetze brauchen, sondern dass wir beispiels-weise im Rahmen des Audits „Beruf & Familie“ einenverstärkten Fokus auf die Zeit legen können. Dabei gehtes um die Anerkennung dieses Labels durch die Unter-nehmen. Das wird im Übrigen schon sehr gut angenom-men.
Frau Kollegin, es gibt den Wunsch des Kollegen
Gehrcke nach einer Zwischenfrage.
Nein, jetzt nicht. Ich weiß, dass die Kurzintervention
sowieso kommt. Das ist jetzt auch wurscht.
Zum Thema Geld. Es geht um Geld für Familien. Wir
treten dafür ein, dass Geld nicht erst weggenommen,
dann umverteilt und gönnerhaft ausgegeben werden soll.
Vielmehr sollten wir schauen, wie wir das Geld treffsi-
cher investieren.
Damit komme ich zum Thema Elterngeld. Ich ver-
hehle nicht und stehe nach wie vor dazu, dass ich zum
Thema Elterngeld andere Vorschläge hatte. Meine Vor-
schläge werde ich auch wieder einbringen, und dann
werden wir darüber diskutieren. Wir befinden uns in der
ersten Haushaltsberatung.
Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass ich keine Ver-
fechterin des Betreuungsgeldes bin. Das können Sie im
Protokoll der vergangenen Sitzung nachlesen.
Lesen Sie sich im Übrigen den Koalitionsvertrag einmal
genau durch. Außerdem haben wir jetzt nicht das Jahr
2013, sondern das Jahr 2010, und jetzt beraten wir den
Haushalt für das Jahr 2011. An dieser Stelle sollten Sie
deshalb einfach einmal ruhig sein.
Nun zum Thema Infrastruktur. An dieser Stelle ein
herzliches Dankeschön an Sie, liebe Frau Ministerin, dass
– es ist schon mehrfach gesagt worden, aber noch nicht
von jedem; deswegen sage ich es gern noch einmal – am
Ausbau der Betreuungsplätze nicht gerüttelt wird, und
zwar nicht nur bis 2013. Alles, was da in Gang gesetzt
wird, funktioniert natürlich auch und wird mit Sicherheit
von den Kommunen und den Ländern übernommen. Die
Kommunen und Länder sind jetzt schon sehr viel weiter
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Die Kollegin Diana Golze von der Fraktion Die Linke
st nun die nächste Rednerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Ich muss zunächst einmal etwas zuruhe kommen. Nach diesem doch sehr selbstkritischennd aufrüttelnden Beitrag meiner Kollegin Gruß möchtech dieser Debatte etwas Sachliches hinzufügen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, am 15. Septemberonnte ich der Märkischen Allgemeinen entnehmen, dassie besorgt zur Kenntnis nehmen, „dass die soziale Spal-ung in der jungen Generation immer weiter zunimmt“.s ist sicher gut, dass die Familienministerin die Situa-ion eines viel zu großen Teils der in Deutschland leben-en Jugendlichen endlich zur Kenntnis nimmt. Es istuch gut, dass sie deren Situation besorgt stimmt. Ich be-weifle aber, dass dies den Jugendlichen in irgendeinerrt und Weise helfen wird; denn sonst sähe der Haus-altsentwurf des Familienministeriums grundsätzlich an-ers aus.
Die einzelnen Haushaltstitel sprechen eine deutlicheprache. Frau Ministerin, Sie klopfen sich dafür auf diechulter, dass der Kinder- und Jugendplan um gutMillionen Euro aufgestockt wurde. Sie verschweigenedoch, dass diese 2 Millionen Euro nicht einmal im An-atz das wiedergutmachen, was in den vergangenen Jah-en beim Kinder- und Jugendplan weggenommen wurde.och genau die Folgen dieser Kürzungen sind die Ursa-he für das, was Ihnen bei der Vorstellung der Shell-Ju-endstudie die Sorgenfalten auf die Stirn getrieben hat.s sind die Kürzungen bei der Jugendsozialarbeit, beien Hilfen zur Erziehung sowie bei der allgemeinen,olitischen und kulturellen Bildung. Es sind also Kür-ungen an den Stellen, durch die die steigende soziale
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6215
Diana Golze
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Spaltung in der jungen Generation aufgefangen werdenmüsste.Frau Schröder, wenn Sie etwas zur Kenntnis nehmenkönnten, dann ist es die Tatsache, dass Sie über Ihren Etatkonkret etwas an der Situation der Kinder und Jugendli-chen verbessern könnten, wenn Sie es denn wollten, sozum Beispiel, dass man in den Städten und Gemeindengut ausgestattete Jugendeinrichtungen vorfindet. Siekönnen dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche die um-fassenden Angebote wie Jugendsozialarbeiter oder Bera-tungsstellen auch an ihrer Schule und in ihrem Wohnortvorfinden. Ich weiß, dass Sie die Verantwortung dafürgerne auf die Kommunen schieben möchten. Ich weißauch, dass Sie diese Aufgaben an die Kommunen dele-giert haben. Jetzt ist es Ihre Aufgabe, diesen Aufgabenauch die für ihre Erfüllung notwendigen Mittel folgen zulassen. Ansonsten ist diese Politik unehrlich.
Nächstes Thema: Kitaausbau. Frau Schröder, Sie las-sen sich dafür loben, dass Sie sich an Recht und Gesetzhalten.
Sie lassen sich dafür loben, dass beim Kitaausbau nichtgespart wird. Das Kinderförderungsgesetz ist in diesemHause verabschiedet worden. Das Sondervermögen istmit Ländern und Kommunen vereinbart worden. Davonkann man sich nicht einfach verabschieden. Dafür wol-len Sie sich auch noch loben lassen? Wenn es bei derBundesregierung schon so weit ist, dass man sich dafürloben lassen muss, dann spricht das eine deutliche Spra-che.
Ebenfalls bei der Lektüre meiner Zeitung habe ich er-fahren – Sie haben das heute selbst gesagt –, dass Sie fürbestimmte Pilotprojekte mehr Geld in den Haushalt ein-stellen werden. Sie sprachen von 400 Millionen Euro, dieSie im Bereich der frühkindlichen Bildung für Schwer-punktkitas bereitstellen wollen. Da ich selbst kommunaleAbgeordnete bin, weiß ich, dass die Kommunen in diesemBereich jeden Cent zusammenkratzen, um die Kindermöglichst früh zu fördern und Fehlbedarfen möglichstfrüh entgegenzuwirken. Die von Ihnen vorgesehenen400 Millionen Euro sind auf vier Jahre angelegt. Ich kannmir schon vorstellen: Die Entscheidung, welche Kitas zuden Glücklichen gehören, welche also zu Modellkitaswerden, geht bestimmt aus wie das Hornberger Schießen.
Was passiert danach mit diesen Kitas?
– Frau Gruß, was passiert danach mit diesen Kitas? Eswird so ausgehen wie bei den Mehrgenerationenhäusern.FdDAsGzwgSFvu2DsesaalodeFgDnDfznbmAfhmss
ann landet auch diese Aufgabe bei den Kommunen.uch das ist eine unehrliche Haushaltspolitik.
Glauben Sie ernsthaft, dass Sie die Probleme in die-em Bereich durch solche Modellprojekte lösen können?lauben Sie ernsthaft, dass Sie dem Mangel an qualifi-iertem Personal, der auf über 100 000 Stellen beziffertird, mit 4 000 Schwerpunktkitas begegnen können? Ichlaube das nicht.
ie müssen endlich so handeln, wie es die Linke, andereraktionen in diesem Hause und viele Sozialverbändeon Ihnen fordern. Sie müssen mehr Geld investierennd über das Ziel, 35 Prozent der unter Dreijährigen bis013 einen Betreuungsplatz anzubieten, nachdenken.as ist eine Forderung, die auch außerhalb dieses Hau-es erhoben wird. Ich fordere Sie auf, dieser Forderungndlich nachzukommen.
Zum Elterngeld. Es ist heute schon mehrfach ange-prochen worden: Kinderarmut ist immer auch Familien-rmut. Aber Sie bekämpfen Familienarmut, indem Sierme Familien bekämpfen. Das ist für mich ziemlich un-gisch. Denn während eine nicht erwerbstätige Hausfrau,ie Frau eines Spitzenverdieners, 3 600 Euro Mindest-lterngeld bekommt, werden einer langzeiterwerbslosenrau 3 600 Euro weggenommen, und das mit der Be-ründung, dies sei eine Lohnersatzleistung. Na prima!ie eine Frau will nicht arbeiten, die andere Frau kannicht arbeiten, aber beide werden ungleich behandelt.iese Ungleichbehandlung ist zutiefst sozial ungerecht.
Die ALG-II-Beziehenden bekamen schon bei der Ein-ührung des Elterngeldes durch die Halbierung der Be-ugsdauer die erste massive Kürzung zu spüren. Nunehmen Sie diesen Familien auch noch den letzten ver-liebenen Anspruch. Dafür werden Sie unsere Zustim-ung auf keinen Fall bekommen.
uch die von Ihnen angekündigten Sonderregelungenür Aufstocker liegen immer noch nicht vor; sie sindeute schon eingefordert worden. Wenn Sie gemeinsamit Ihrer Kollegin so schnell eine Bildungskarte vor-chlagen können, dann können Sie uns doch wohl auchagen, wie Sie sich die geplanten Sonderregelungen vor-
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6216 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Diana Golze
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stellen: Wollen Sie den Aufstockern das Elterngeld las-sen oder nicht?
Wollen Sie fördern, dass die Menschen arbeiten gehen,oder nicht? Machen Sie hierzu Vorschläge! Hören Sieauf, nur anzukündigen! Tun Sie endlich etwas!
Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie die Planungen zumsogenannten Sparpaket – ich sage viel lieber und treffen-der: Kürzungspaket – vom Sommer zurück! Lassen Siediejenigen die Zeche für die Krise zahlen, die sie verur-sacht haben, nämlich die Banken und die Spekulanten,und holen Sie sich das Geld nicht bei denen, die ehschon nichts mehr haben!Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Monika Lazar für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Mit vielen Förderansätzen im Einzelplan 17 wird dasAnliegen verfolgt, das Zusammenleben unserer Gesell-schaft zu verbessern. Ein Programm heißt „Maßnahmenzur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie“.29 Millionen Euro will die Bundesregierung ab 2011jährlich dafür ausgeben.
Bündnis 90/Die Grünen begrüßen alle Aktivitäten fürmehr Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Doch wennman sich das Programm im Einzelnen anschaut, siehtman, dass man sehr kritisch darauf eingehen muss.Das Programm ist ein Sammeltopf, aus dem Maßnah-men gegen Extremismen aller Art gefördert werden.
Das heißt für das Ministerium: Rechtsextremismus,Linksextremismus und islamischer Extremismus.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass es eine Mitteder Gesellschaft und als Gegenstück extreme Rändergibt, an denen sich Menschen tummeln, die unsere De-mokratie abschaffen wollen. Wer sich allerdings die Stu-dien zu diesem Themenbereich anschaut, zum Beispielder Professoren Heitmeyer, Brähler und Decker, derweiß: Diese These hält einer wissenschaftlichen Prüfungnicht stand.ZkggzttsdanWsevvulsWeAlstbOiItAssgHndPdbaad
Die Extremismustheorie hat auch obrigkeitsstaatlicheüge. Überspitzt formuliert: Weil dem Staat eine demo-ratische Verfassung zugrunde liegt, ist gemäß dieser Lo-ik auch jedes staatliche Handeln gut. – Kritik am Staaterät also schnell unter Generalverdacht, extremistischu sein, weil die Differenzierung zwischen dem konkre-en staatlichen Handeln, das nicht zwingend demokra-isch sein muss, und der zugrunde liegenden demokrati-chen Verfassung nicht mehr vorgenommen wird.Ab wann handelt ein Mensch extremistisch? Die Bun-esregierung antwortete darauf im Rahmen der Antwortuf eine Kleine Anfrage zu den politischen Dimensio-en:Wesentliche Aktionsfelder von Linksextremistensind Antirepression, Antimilitarismus und Antifa-schismus.enn dies als linksextrem diffamiert wird, dann stelltich die Frage: Was ist mit den Initiativen gegen Rechts-xtremismus? Sie geraten doch schnell unter General-erdacht.Bündnis 90/Die Grünen stehen auf der Seite von zi-ilgesellschaftlichen Initiativen, die sich vor Ort mutignd engagiert Rassisten und Antisemiten entgegenstel-en. Solche Menschen sind für uns keine Störenfriede,ondern Verteidiger unserer Demokratie.
ir fordern die Bundesregierung auf, für solche Projekteinen eigenen Fördertitel mit Mitteln gegen Rassismus,ntisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeind-ichkeit bereitzustellen – ohne eine Ausweitung auf dieogenannten weiteren Extremismusformen.Welche Blüten die Diskussionen um Extremismusreiben können, haben wir in der letzten Haushaltsde-atte am Beispiel der sächsischen Kleinstadt Limbach-berfrohna diskutiert. Der eine oder andere wird sich er-nnern. Heute nenne ich ein anderes absurdes Beispiel.n der ebenfalls sächsischen Kleinstadt Delitzsch bean-ragte der NPD-Stadtrat seine Aufnahme in den örtlichenrbeitskreis gegen Extremismus mit der Begründung, erei auch gegen Extremismus und Gewalt und sprecheich auch gegen Fremdenfeindlichkeit aus, die es nichtäbe, wenn nicht Millionen fremder Menschen aus ihrereimat gelockt und als entwurzelte Arbeitsnomadenach Deutschland geschleust werden würden. – Manarf den Neonazis mit diesen Begriffen doch keinodium bieten.Wichtig ist bei der Programmgestaltung außerdem,ass die Träger ein solides eigenständiges Antragsrechteim Bund erhalten. Das gilt insbesondere für Projekteus den Regionen, in denen die Kommunen selbst nichtn einer Auseinandersetzung teilnehmen wollen oderiese gar ablehnen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6217
Monika Lazar
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)Besonders problematisch und ignorant ist es aber, dassbei einem auf Extremismus orientierten Förderansatzgruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und ein wach-sender Rechtspopulismus in Teilen der sogenannten ge-sellschaftlichen Mitte ausgeblendet werden.
Wir müssen uns doch fragen, wieso etwa Thilo Sarrazinmit seinen kruden Thesen so viel Sympathie in der Be-völkerung erntet.Aber auch jenseits dieser aufgeheizten Debatte zeigtsich in verschiedenen Studien seit Jahren Zustimmungzu rassistischen Aussagen. So werden häufig pauschali-sierende Thesen in Bezug auf Migranten bejaht. Es istzwar zutreffend, dass sich ein geringer Teil der Muslimein Deutschland der notwendigen Integration verweigertoder sich schwer damit tut.
Diesem Problem muss man sich natürlich widmen. Al-lerdings kann man sich nicht darauf beschränken, dasauf die Religionszugehörigkeit zurückzuführen. Es fehlteine fundierte Definition, was die Bundesregierung unddas Ministerium überhaupt unter Islamismus verstehen.Hier wäre die Frage angebracht, welche politischen, so-zialen und kulturellen Faktoren es braucht, um aus ei-nem Menschen einen sogenannten Islamisten zu ma-chen. Wenn es keine differenzierte Analyse hierzu gibt,kann die Bundesförderung gegen Islamismus leicht vonneonazistischen Gruppen als Bestätigung für ihre ethno-pluralistische Ideologie gebraucht werden – ein Beispielhabe ich vorhin genannt – und so kontraproduktiv wir-ken.
Sie verstehen es wahrscheinlich noch immer nicht.Wie so häufig kann ich nur sagen: Noch besteht Zeit, dieBundesprogramme zu ändern. Ich fordere Sie hiermitnochmals auf: Verbessern Sie die Ausgestaltung derBundesprogramme!Danke.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin
Dorothee Bär das Wort.
Kommen wir einmal zum Haushalt zurück; denn wievielleicht nicht jeder weiß, haben wir heute Haushaltsbe-ratungen.utg–al1izsNWne–BvwFiednudkrtihmZmm„aw
atürlich ist es immer schöner, noch eins draufzusatteln.em gefällt das nicht? Welchem Politiker gefällt esicht, zu Hause lieber ein Band durchzuschneiden, stattin „Geschlossen“-Schild hinzuhängen?
Weil Sie gerade Bayern erwähnen, Herr Kollege: Inayern legen wir sogar einen ausgeglichenen Haushaltor.Da uns die Zukunft so am Herzen liegt, versuchenir, einen zukunftsgerichteten Haushalt aufzustellen.
ür mich wäre es wünschenswert – auch Ihnen sollte dasn Ihrem Alter wünschenswert erscheinen –, dass maninen Haushalt aufstellt, der keine Schulden auf Kostener nachfolgenden Generationen macht. Ich möchte dasicht.
Jeder weiß, wie schwer wir es bei der Wirtschafts-nd Finanzkrise hatten. Trotzdem ist es uns gelungen,ie Neuverschuldung um fast 8 Milliarden Euro zu sen-en. Aber wir stellen uns nicht hin und sagen: Wir spa-en 8 Milliarden Euro. – Nein, wir sagen: Wir machenrotzdem noch über 50 Milliarden Euro Schulden. Dasst ein Zustand, der nicht hinzunehmen ist – auch das ge-ört zur Ehrlichkeit –; denn die Schulden, die wir heuteachen, müssen unsere Kinder und Kindeskinder mitins und Zinseszins zurückzahlen. Diese Verantwortungöchte ich nicht übernehmen. Ich möchte später voneiner jetzt vierjährigen Tochter nicht gefragt werden:Du warst damals im Bundestag. Warum habt ihr nurusgegeben, ausgegeben, ausgegeben?“,
enn sie einmal alt ist und mich fragt, wie das war.
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6218 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Dorothee Bär
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Dann werde ich mich nicht dafür rechtfertigen, dass dieOpposition unsinnige Vorschläge ohne Ende gemachthat. Wir stehen zu der Haushaltskonsolidierungspolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss,ich betrachte unseren Ausschuss nicht nur als Ausschussfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Man kann esauch kürzer fassen: Wir sind der Ausschuss für Genera-tionengerechtigkeit.
Wer das nicht kapiert hat, lernt es hoffentlich noch. An-sonsten tut es mir sehr leid.Natürlich tun diese Einschnitte weh. Hier schreit dochniemand: Juhu, wir dürfen jetzt etwas kürzen. – Es istauch eine Unverfrorenheit, das der Ministerin vorzuwer-fen. Aber es wäre doch verlogen, wenn die jüngsteMinisterin im Kabinett sagen würde, dass bei ihr nichtgespart werden dürfe. Natürlich muss auch sie ihren Bei-trag dazu leisten.
Wir unterstützen sie dabei.Wir haben uns vorgenommen, das Elterngeld weiter-zuentwickeln. Kollegin Gruß und ich haben hervorra-gende Ideen, um es noch besser an die Bedürfnisse jun-ger Eltern anzupassen. Wir werden diese Pläne nichtaufgeben, sondern versuchen, sie aufgrund der Haus-haltslage zurückzustellen. Wir ducken uns nicht weg,sondern wir sprechen es offensiv an. Das merken Sieauch daran, dass sich heute kein Redner der Regierungs-koalition vor diesem Thema weggeduckt hat, sonderndass es ganz offen angesprochen wurde.
Für die Zuhörer hier oder außerhalb ist Folgendesvielleicht ganz interessant: Wenn man sich die Reden an-hört, dann merkt man ganz klar, wie unterschiedlich un-ser Menschenbild ist.
– Die Wahrheit tut weh. Hören Sie einmal zu! – Wir ha-ben ein christliches Menschenbild. Wir sagen: DerMensch hat eine Selbstverantwortung;
jeder hat erst einmal für sich selbst zu sorgen. Wir müs-sen uns um diejenigen kümmern, die eine Leistung fürdie Gesamtbevölkerung bringen.jmdhawnHpnFhIbng–gfg–ndwznlZR
Frau Präsidentin, ich finde es hervorragend, dass wiretzt diese großen Bildschirme haben. Vielleicht kannan sie später nicht nur für unsere Namen nutzen, son-ern auch einmal an die Wand werfen, wie dieser Haus-alt ausschaut. Wenn man sich nämlich den Haushaltnsehen würde – der Sozialstaatssekretär ist gerade an-esend – dann könnten auch diejenigen, die ihn unsozialennen, sehen, wie sozial er ist. Weit über die Hälfte desaushaltes ist für Sozialausgaben vorgesehen. Davonrofitieren auch Kinder und Jugendliche.
Weil mehrfach nachgefragt, es aber offensichtlichicht kapiert wurde, richte ich die nächste Bemerkung anrau Dörner und Frau Golze – durch ständiges Wieder-olen verstehen es vielleicht die einen oder anderen doch –:ch freue mich ganz besonders, dass wir es erreicht ha-en, dass das Elterngeld für Aufstocker auch künftigicht gekürzt wird und es für Minijobber bei der bisheri-en Regelung bleibt.
Ich sage Ihnen das, und auch Frau Gruß hat es Ihnenesagt. Man kann das zwar in Zweifel ziehen; aber ichinde, Frau Dörner, zur Politik gehört auch ein bisschenegenseitiges Vertrauen.
Wenn ich mit Misstrauen darangehe, dann werde ichie etwas in der Welt verändern.Wir haben dafür gekämpft, und wir werden es auchurchsetzen. Das werden wir nach dieser Debatte sehen,enn wir zur zweiten und dritten Beratung kommen.
Frau Kollegin, darf ich Sie unterbrechen? Ich habe
wei Wortmeldungen zu einer Zwischenfrage.
Frau Dörner hat schon gesprochen, aber Herr Gehring
och nicht. Deswegen darf er eine Zwischenfrage stel-
en.
Herr Gehring wird vorgezogen.
Nein, er wird nicht vorgezogen. Nur er darf seine
wischenfrage stellen, weil Frau Dörner schon genug
edezeit hatte.
Ich habe schon verstanden. – Herr Gehring.
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Zu Ihrem absurden Verständnis von Sparen und Ge-
nerationengerechtigkeit möchte ich Sie nichts fragen.
Ich finde, das sprach für sich.
Um zum Thema dieser Debatte zurückzukommen: Es
gibt einen Bereich, in dem Sie frei werdende Mittel um-
verteilen können, nämlich den Umbau des Zivildiens-
tes. Ich hätte gerne an irgendeiner Stelle eine Aussage
der Koalition gehört. Wir sind schließlich als Bundes-
tagsabgeordnete Haushaltsgesetzgeber. Die Ministerin
hat nichts dazu gesagt. Was wird aus den frei werdenden
Zivildienstmitteln? Wie viel davon werden Sie in den
künftigen Haushalten für die längst überfällige Offen-
sive beim Ausbau der Freiwilligendienste nutzen? Das
wäre zum Beispiel ein Thema, das die Menschen interes-
sieren würde, weil die ganze Bundesrepublik darüber
diskutiert, was nach Wehrpflicht und Zivildienst kommt.
Das wäre vielleicht ein Beitrag gegen die Politikverdros-
senheit. Was Sie bisher abgeliefert haben, macht es
schwierig. Bei den Ärmsten zu sparen, verstehe ich nicht
als Generationengerechtigkeit.
Herr Kollege Gehring, auch das gehört zu unserer
ehrlichen Politik. Herr Toncar hat es bereits angespro-
chen: Wir sind mitten in den Beratungen über Wehr-
pflicht und Zivildienst, und es wäre unehrlich, heute zu
sagen, in welche Richtung die Diskussion laufen wird.
Wir haben doch gerade erst damit begonnen.
Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass wir für den Fall X,
falls die Aussetzung oder Abschaffung der Wehrpflicht
oder was auch immer zustande kommt, gerüstet sind.
Wir hätten auch sagen können: Wir warten erst einmal
ab, bis etwas passiert. Aber das tun wir nicht, sondern
wir beschäftigen uns mit der Frage.
Wie Sie wissen, müssen wir, weil die Freiwilligen-
dienste bei den Ländern angesiedelt sind, gemeinsam
mit den Ländern zu einer Lösung kommen; wir können
nicht alleine auf Bundesebene entscheiden. Deswegen
müssen Bund und Länder gemeinsam klären, ob wir ei-
nen freiwilligen Zivildienst oder mittelfristig einen ein-
zigen Freiwilligendienst bundesweit einführen. Das wird
alles in die Verhandlungen eingebracht werden. Es ist
wieder einmal symptomatisch, dass Sie jetzt schon Geld
ausgeben wollen, obwohl die Mittel noch nicht frei ge-
worden sind.
Das tun wir nicht. Lassen Sie sich überraschen, was wir
noch alles in petto haben.
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enn wir etwas tun, dann passt Ihnen das nicht; wenn
ichts getan wird, passt es Ihnen auch nicht. Konstruk-
ive Politik sieht meines Erachtens anders aus.
Das haben Sie leider nicht. Sie haben eben nicht aner-
annt, dass wir unterstrichen haben, wie wichtig die
prachförderung ist, und zwar in jedem einzelnen Be-
eich.
Ich muss noch einmal auf den Kollegen Toncar zu-
ückkommen, weil man auch diese Zahl nicht oft genug
iederholen kann: Wir investieren mit einem Aufwuchs
on 12 Milliarden Euro in Bildung und Forschung. Ge-
ade die Bildungspolitik, in die so viel Geld fließt, ist
ine aktive Politik für Kinder, Familien und die Zukunft.
ch wünsche mir, dass Sie das alles mehr anerkennen.
Die nachfolgenden Generationen werden uns unsere
hrliche Politik danken. Sie können später die Be-
chwerden Ihrer Kinder und Enkelkinder entgegenneh-
en, weil Sie diejenigen sind, die schon jetzt das Geld
ür ihre Zukunft ausgeben wollten. Wir machen das
icht. Deswegen sind wir zu Recht die Politiker der Ge-
erationengerechtigkeit.
Danke schön.
Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Caren
arks.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!iebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2010 ist dasuropäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozia-er Ausgrenzung. Der von Ihnen vorgelegte Haushalts-ntwurf, Frau Ministerin, ist allerdings das genaue Ge-enteil. Seine Maßnahmen sind auf Ausgrenzungerichtet. Er wird vor allem – das haben wir heute schonehrfach gehört – für Familien zusätzliche Armut be-euten.Hört man Ihnen und den anderen Kolleginnen undollegen von Union und FDP zu, dann wird einem sehreutlich: Sie leben in einer Parallelwelt. Das schwarz-elbe Kürzungspaket – dreisterweise von einigen auchukunftspaket genannt – verheißt Familien in Deutsch-and alles andere als eine gute Zukunft. Haben Sie, Frau
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6220 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Caren Marks
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Schröder, anfangs noch vollmundig angekündigt, dasElterngeld auszuweiten, soll es nun ganz anders kom-men. In vorauseilendem Gehorsam haben Sie dem Fi-nanzminister Kürzungsvorschläge unterbreitet.
Brav, wird der Minister wahrscheinlich zu Ihnen gesagthaben. Die Verbesserungsvorschläge zum Elterngeld?Schnee von gestern, passé, stattdessen massive Kürzun-gen! Familien im Hartz-IV-Bezug streichen Sie künftigdas komplette Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euroim Monat. Ob Sie das anrechnen oder streichen, ist egal.Das ist nichts anderes als eine perfide Differenzierung.Die Betroffenen werden jedenfalls keinen Euro bekom-men. Ihre Begründung, Arbeitsanreize müssten erhaltenbleiben – und das in einer Familienphase, bei der es sichnach unserer gemeinsamen Auffassung um eine Erzie-hungsphase handelt, in der es um die Kleinsten geht –,ist mehr als zynisch. Das ist arrogant und lebensfremd,Frau Ministerin.
Rund 130 000 Familien werden von dieser Streichungdes Elterngeldes – um nichts anderes handelt es sich –betroffen sein, darunter 47 000 Alleinerziehende; dassind vor allem Frauen. Sie und Ihre Frau Kollegin Ar-beits- und Sozialministerin reden zwar immer großspu-rig davon, dass Alleinerziehende besonders unterstütztwerden. Man merkt es aber nicht. Außerdem soll das El-terngeld beim Kinderzuschlag vollständig als Einkom-men angerechnet werden. Die betroffenen Familien zah-len die Zeche für die Krise, die sie definitiv nichtverursacht haben.
Für die SPD ist es eine Frage der sozialen Gerechtig-keit, dass der Staat mit dem Elterngeld die Erziehungs-leistung aller Eltern anerkennt. Wir wollen Eltern bei derErziehung unterstützen, und wir wollen, dass alle Kindergleich gute Startchancen haben.
Frau Fischbach, Familien mit kleinen Kindern haben be-sondere Anforderungen zu meistern, und zwar alle Fa-milien. Wenn noch niedriges Einkommen oder sogarErwerbslosigkeit hinzukommen, dann geraten diese Fa-milien schnell an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Unge-achtet dessen kürzen Sie von Union und FDP bei denen,die definitiv ohnehin am wenigsten haben. Viele Kinderwerden deshalb künftig von Geburt an zusätzlich be-nachteiligt sein. Das ist alles andere als sozial ausgewo-gen und angemessen.
Doch damit nicht genug. Das sozialdemokratischeProjekt Elterngeld wird weiter rasiert. So soll die Lohn-egvbSztPbdaVSrdFSdufgwKFsABtBszhBBemdhgetUPStIcOsK
hre reale Politik spricht dagegen eine ganz andere Spra-he.
kay, von der FDP war nichts anderes zu erwarten. Gernprechen Union und FDP immer wieder davon, dassinder unsere Zukunft sind. Ja, das sind sie auch. Liebe
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Caren Marks
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Kolleginnen und Kollegen, erst einmal sind Kinder aberunsere Gegenwart. Sie brauchen jetzt, hier und heute, inder Gegenwart unsere Unterstützung.
Darum haben die Kinder – und zwar alle – eine bessereRegierung und eine Ministerin verdient, die ihr Amternst nimmt, um für Kinder und für Familien zu streiten.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Andreas Mattfeldt
für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte FrauMinisterin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen undvor allen Dingen sehr verehrte Gäste hier im Reichstag!Wir hören es in jeder Rede: Die Haushaltsberatungenstehen unter dem besonderen Diktat der Einhaltung dervon allen beschlossenen Schuldenbremse. Genau des-halb ist es wichtig, dass wir jetzt, in Zeiten guter wirt-schaftlicher Entwicklung, entscheidungswillig sind, umunseren Haushalt zu sanieren.Meine Damen und Herren, es war in der Krise völligrichtig, mehr neue Schulden zu machen, als uns eigent-lich lieb war. Damit haben wir Deutschland gestärkt ausder Wirtschafts- und Finanzkrise herausgeführt. Aberjetzt, da sich auch dank richtiger politischer Entschei-dungen die Arbeitsmarkt- und die Wirtschaftsdaten posi-tiv entwickeln und das Ausland vom deutschen Wunderspricht, müssen wir beginnen, den Haushalt zu konsoli-dieren. Jedes Ministerium muss hierzu seinen Beitragleisten, auch das Familienministerium, über dessen Etatwir gerade sprechen.Unser früherer Bundespräsident Theodor Heuss hatseinerzeit zum Thema Sparen gesagt, Sparen sei dierichtige Mitte zwischen Geiz und Verschwendung. Ichmeine, genau hiernach müssen wir handeln. Wir müssenschauen, wo Geld verschwendet wird und wo Haushalts-mittel für Maßnahmen ausgegeben werden, die die Men-schen nicht erreichen. Wir müssen uns aber genauso fra-gen, in welchen Bereichen Geiz unangebracht ist und wowir mehr Geld in die Bildung unserer Kinder investierenmüssen.
Der Regierungsentwurf zum Etat des Familienminis-teriums schafft eine gute Balance zwischen Verschwen-dung und Geiz. An einigen Stellen wird gespart, an an-deren Stellen wird mehr Geld ausgegeben. In diesemHaushaltsentwurf der Regierung ist vorgesehen, insge-samt 6,4 Milliarden Euro für den Einzelplan auszuge-ben, das sind 106 Millionen Euro weniger als im laufen-den Haushalt für das Jahr 2010. Diese Einsparung ergibtsatpnFghkAusgiHwreLtDd–Hg1nvsdgzBvddmddldnaßafuwe
eshalb ist es richtig, dass das Elterngeld zukünftig aufen Regelsatz angerechnet wird. Die bisherige Praxisda können Sie ruhig schreien – führte dazu, dass einartz-IV-Paar mit zwei Kindern, das für ein Kind Eltern-eld bezog, über ein Nettoeinkommen von insgesamt885 Euro verfügt. Auf solch eine Summe muss einormaler Arbeitnehmer erst einmal kommen. Wenn Sieon der Opposition meinen, immer von Gerechtigkeitprechen zu müssen,
ann frage ich Sie: Was ist daran gerecht, dass diejeni-en, die dafür gesorgt haben, dass durch ihre Steuern So-ialleistungen gezahlt werden können, weniger als dieevölkerungsschichten bekommen, die diese Leistungielfach schon lange in Anspruch nehmen? Die Haltung,ie Sie vertreten, ist ungerecht gegenüber den Arbeiten-en dieser Bevölkerung. Das sage ich ganz deutlich.
Doch kommen wir nun zu dem Bereich, in den wirit gutem Grund erheblich mehr Geld investieren under wohl die bedeutendste Neuerung im Einzelplan 17arstellt. Wir werden 2011 bis 2014 insgesamt 400 Mil-ionen Euro in die Verbesserung frühkindlicher Bil-ung investieren. Allein für 2011 sind hierfür 82 Millio-en Euro vorgesehen. Gerade vor dem Hintergrund derktuellen Integrationsdebatte halte ich es für einen äu-erst sinnvollen Schritt, Kinder ausländischer Herkunft,ber auch deutsche Kinder mit Sprachschwierigkeiten zuördern. Sprache ist die Basis, um Kinder zu integrierennd ihnen einen guten Start in den gesamten Bildungs-eg zu ermöglichen. Ich habe als Bürgermeister mitinem Sprachförderprogramm ausschließlich positive Er-
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6222 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Andreas Mattfeldt
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fahrungen gemacht. Dieses Sprachförderprogramm – dashaben mir Erzieherinnen und Eltern gleichermaßen be-stätigt – hat Erfolg gebracht. Deshalb unterstütze ich un-sere Familienministerin Kristina Schröder bei der Um-setzung ihrer Idee, Sprachförderung bundesweit inKindergärten mit großem Förderbedarf einzuführen.Hiermit setzt die Familienministerin neue Maßstäbe;denn dieses Programm erreicht die Kinder direkt, essetzt frühzeitig an und bietet damit Zukunft und Perspek-tive.
Damit wir aber auch zukünftig solche sinnvollen Pro-jekte, die auch wirklich die Menschen erreichen, finan-zieren können, werde ich als zuständiger Haushälter jedeeinzelne Ausgabe dieses Etats auf den Prüfstand stellenund vor allem auf seine Wirksamkeit überprüfen. Eskann einfach nicht sein, dass wir in diesem Land Pro-jekte fördern, von denen die Familien noch nie etwas ge-hört haben. Es gibt in dem Einzelplan 17 unzählige Pro-gramme, Projekte und Institute, die die Familienpolitikgerade in den Kommunen unterstützen sollen. Ich sageIhnen ganz ehrlich: Ich habe von vielen Projekten undInstituten – zahlreichen ehemaligen Bürgermeisterkolle-ginnen und -kollegen geht es ähnlich – noch nie gehört,sie sind mir noch nie begegnet. Deshalb müssen wir unswirklich fragen, ob die Finanzierung dieser zahllosenAusgabepositionen sinnvoll und zielführend ist oder obes sich in der ein oder anderen Position nur um eineSelbstbedienung – das sage ich jetzt ganz provokant –gewisser Berufsgruppen aus dem Bundeshaushalt han-delt.Ich freue mich auf die vor uns stehenden Haushalts-beratungen. Ich lade Sie herzlich ein, sachlich daran mit-zuwirken. Ich bin sicher, dass wir am Ende der Beratun-gen ein gutes Ergebnis vorlegen werden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Kollege
Sönke Rix.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir von FrauFischbach anhören muss, nicht ganz konkret nur zu die-sem Haushalt zu sprechen, sondern generell zur Familien-und Jugendpolitik – ich hoffe, das ist mir gestattet –,möchte ich auf ein Thema eingehen, das vonseiten derOppositionskollegen schon öfter angemahnt wurde; vonder anderen Seite des Hauses haben wir dazu bis jetztaber noch nichts gehört. Es geht um die große Debatte,die wir im Moment führen: Was passiert eigentlich mitdem Zivildienst? Dazu gibt es ein paar Gesprächskreise,ein paar Ideen, aber die Unsicherheit, die Sie bis jetztverbreitet haben, ist damit längst noch nicht ausgeräumt.Diese Unsicherheit gilt es zu bekämpfen. Wir haben zu-nächst die Verkürzung auf sechs Monate hinnehmenmwWnafudbswsbskDGcaaabvfanoagnesuiAgwggnta–vgigRaS
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6223
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unterschiedlichen Arten von Extremismus brauchen un-terschiedliche Programme. Schmeißen Sie das nicht ineinen Topf, und schmeißen Sie das nicht in einen Haus-halt!
Erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine Bemer-kung. Wer die gesamte Debatte verfolgt hat, kommt aufdie Idee, dass es in der einen oder anderen Sache viel-leicht Uneinigkeit bei Schwarz-Gelb gibt, etwa was dasBetreuungsgeld oder das Elterngeld angeht. Es wurdeimmer wieder erwähnt, dass wir unterschiedliche Gesell-schafts- und Familienbilder haben. Ich überlege immer,welches Familienbild Schwarz-Gelb antreibt
oder welches Familienbild Sie antreibt, Frau Ministerin.Da gibt es die Idee der Pflegezeit. Es wird darauf geach-tet, dass man möglichst zu Hause bleiben kann, um äl-tere Angehörige zu pflegen. Dann soll es das Betreu-ungsgeld geben. Damit wird gefördert, dass Mütter oderVäter zu Hause bleiben können, um zu Hause zu erzie-hen oder frühkindliche Bildung zu vermitteln. Für michsteckt zum Teil folgendes Gesellschaftsbild dahinter:Die Frauen sollen zu Hause bleiben. Denen werden aberdann entsprechende Jahre der Erwerbstätigkeit fehlen.Es ist verkehrt, solche Modelle zu entwickeln, anstatt indie frühkindliche Bildung und in die Ausbildung von Er-zieherinnen und Erziehern sowie von Pflegekräften zuinvestieren.
Uns fehlen männliche Erzieher. Das betrifft auchmich; denn ich habe diesen Beruf einmal gelernt. Ichkönnte diesen Job gerne auch irgendwann wieder ma-chen, aber jetzt im Moment möchte ich mich politischdamit beschäftigen. Angesichts Ihrer, Frau Ministerin, ineinem Interview getätigten Äußerung, Sie fänden es gut,wenn man Arbeitslose umschule, damit sie in Kindergär-ten arbeiten können, frage ich mich: Welches Bild habenSie eigentlich von dem, was die Erzieherinnen und Er-zieher im Kindergarten leisten? Es ist doch nicht so, dassman einmal eben jemanden umschulen und damit einevier- bis fünfjährige Ausbildung nachholen kann, damitjemand in der Lage ist, Kinder zu betreuen. Es geht ebennicht nur um das Aufpassen auf Kinder, sondern es gehtauch darum, dass frühkindliche Bildung stattfindet.Dazu braucht es eine richtige Ausbildung. Hier müssenSie noch beträchtlich nachholen.
Ganz zum Schluss: Dass das Elterngeld aus Reihender Union als „Bonbon“ bezeichnet wird, ist wirklichentlarvend
und zeigt uns, dass weder von allen das System verstan-den wurde noch von allen so gewollt ist. Das ist daswlddjmlAGeDzd–dabsdaGnshmszwFsm52kBe
Zu diesem Einzelplan liegen keine weiteren Wortmel-ungen mehr vor.Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-esministeriums der Justiz, Einzelplan 07.Ich erteile als erster Rednerin das Wort der Bundes-ustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-inisterin der Justiz:Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-egen! Der Justizetat ist auch in diesem Jahr wieder dasushängeschild des Bundeshaushalts. Wir geben wenigereld aus – minus 0,5 Prozent –, wir nehmen mehr Geldin – plus 1,2 Prozent –, und wir steigern damit unsereeckungsquote auf ein neues Rekordhoch von 85 Pro-ent. Wenn man diese Zahlen zugrunde legt, dann kostetie Bundesjustiz den Bürger jährlich lediglich 89 Cent.
Natürlich nur die Bundesjustiz. Die Kosten der Län-erjustiz habe ich in diesen Betrag nicht eingerechnet.
Diese einmalige Haushaltsbilanz spiegelt sich aberuch in den bisher gefundenen Ergebnissen und unter-reiteten Vorschlägen wider, die schon im Kabinett be-chlossen worden sind. In dem knappen Jahr seit Beginnieser Legislaturperiode ist eine Fülle von Vorhabenuf den Weg gebracht worden. Lassen Sie mich einigeesetzesvorhaben, weil es wichtige sind, hier kurz be-ennen:Das Vertrauensverhältnis zu den Anwälten wird bes-er geschützt.Die Pressefreiheit wird gestärkt, indem wir die Bei-ilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses nichtehr unter Strafe stellen und damit das Einfallstor fürtrafrechtliche Ermittlungen geschlossen wird. Das istwar keine Verpflichtung aus dem Cicero-Urteil, aberir wollten das tun.Wir haben, noch die schrecklichen Bilder aus demall Kevin vor Augen, eine Änderung des Vormund-chaftsrechts dahin gehend beschlossen, dass ein Vor-und in Jugendämtern und anderen Einrichtungen nur0 Kinder betreuen soll, weil von einem Vormund, der30 Kinder zu betreuen hat, wie es im Fall Kevin war,eine ausreichende Fürsorge geleistet werden kann.Wir haben jetzt auch für die Restrukturierung deranken – das war schon in der letzten Legislaturperiodein Thema, ohne dass das in einen Gesetzentwurf mün-
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Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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dete – in gemeinsamer Federführung mit dem Finanz-ministerium Regelungen für ein Insolvenzverfahren un-ter Einbeziehung der Gläubiger vorgeschlagen, damitFälle, wie wir sie jetzt noch immer im Zuge der AltlastHRE aus der letzten Legislaturperiode haben, künftigmöglichst verhindert werden.Wir haben natürlich auch die Insolvenzrechtsreformauf unserer Agenda, liebe Kolleginnen und Kollegen,mit der wir das Ziel verfolgen, die Planverfahren zu ver-bessern und die Eigenverwaltung zu stärken. Der Ge-setzentwurf befindet sich in der Abstimmung.Wir beraten hier auch das Haushaltsbegleitgesetz.Deshalb bin froh, dass erreicht werden konnte, dass esdas sogenannte Fiskusprivileg und die pauschale Bevor-zugung der Sozialkassen nicht geben wird.
Aber es sind Ersatzmöglichkeiten im Haushaltsbegleit-gesetz vorgesehen, die gewisse Interessen des Staatesberücksichtigen. Ich denke dabei an § 55, „SonstigeMasseverbindlichkeiten“, und § 14 der Insolvenzord-nung, die im Vorschlag zu einer grundlegenden Insol-venzrechtsreform enthalten sind. Wir haben bestimmtnoch ausreichend Gelegenheit, über bestimmte Punkte inden Ausschüssen zu beraten. Wir müssen abwarten, zuwelchen Ergebnissen der Rechtsausschuss und das Par-lament hierbei kommen. Zu anderen Punkten wie Mus-terbelehrungen bei Verbraucherdarlehen will ich keineweiteren Ausführungen machen.Ich möchte lediglich noch den Gesetzentwurf zumSchutz vor überlangen Gerichtsverfahren erwähnen.Hierzu liegt ein Kabinettsbeschluss vor. Es ist ein Vorha-ben, das schon viele Regierungen in den letzten zehnJahren beschäftigt hat. Wir müssen hier etwas tun, weiluns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechteschon seit Jahren dazu auffordert. In einer Entscheidungin einem jüngeren Verfahren hat er vor kurzem aus-drücklich begrüßt, dass die Bundesregierung gehandelthat. Es gibt die Möglichkeit einer Verfahrensrüge, mög-licherweise verbunden mit einer zu zahlenden Entschä-digung. Das ist mit den Ländern, den obersten Gerichtenund auch dem Bundesverfassungsgericht im Vorfeld ab-gestimmt. Die unternommenen Anläufe zeigen: Der Re-gierung ist es gelungen, hier zu einem Erfolg zu kom-men. Sie haben jetzt die Möglichkeit zu einer intensivenBeratung im Rechtsausschuss.
Beim Vorgehen gegen Kinderpornografie im Internetverfolgen wir den Grundsatz „löschen statt sperren“. Wirsehen deutlich, dass es eine schrittweise Zunahme derErfolge gibt. Unsere Anstrengungen sollen mit allerMacht intensiviert werden. Nach unserer Überzeugungist es natürlich das Allerwichtigste, dass diese widerli-chen Inhalte tatsächlich aus dem Netz verschwinden.
Auch Überlegungen, wie man an die Täter herankommt,stehen ganz klar in unserem Fokus. Wir müssen prüfen,ob es da an irgendeiner Stelle noch Verbesserungsmög-lichkeiten gibt.wgtwlNfssKmNstsdGGhmbtdwzdhwnrwvrsdgdKrsfztdd
Frau Ministerin, ich habe eine Frage zur Vorratsdaten-peicherung. Ihr Ministerium soll ein Gutachten in Auf-rag gegeben haben – ich glaube, an das Max-Planck-In-titut –, das Sie aber zurückgegeben haben, weil Sie mitem Inhalt nicht einverstanden waren. Meine Fragen:ibt es ein solches Gutachten? Haben Sie ein solchesutachten in Auftrag gegeben? Können Sie über den In-alt und über Ihre Kritik an dem Inhalt etwas sagen?Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-inisterin der Justiz:Herr Ströbele, erstens. Jawohl, es ist ein Gutachtenei Professor Albrecht vom Max-Planck-Institut in Auf-rag gegeben worden. Zweitens. Es geht überhaupt nichtarum, ob mir der Inhalt passt oder nicht. Drittens. Wennir Gelder für ein Gutachten ausgeben, habe ich daraufu achten, dass der Auftrag vollständig erfüllt wird. Nurarum geht es. Die Ergebnisse werden dann natürlichier vorgetragen und insgesamt bewertet werden.Lassen Sie mich einen wichtigen weiteren Punkt er-ähnen, ein Thema, das gerade in der Sommerpauseicht wenige intensiv beschäftigt hat, und zwar die Siche-ungsverwahrung. In der Koalitionsvereinbarung habenir uns auf eine Neuordnung der Sicherungsverwahrungerständigt, und zwar unabhängig davon, wie die – dannechtskräftig gewordene – Entscheidung des Europäi-chen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgefallen ist;enn wir sehen angesichts zahlreicher einzelner Gesetz-ebungen in den letzten elf Jahren die dringende Notwen-igkeit, hier ein in sich möglichst widerspruchsfreiesonzept für die Zukunft zu erstellen. Sicherungsverwah-ung heißt ja, auf der einen Seite das zu tun, was rechts-taatlich verantwortbar ist, um die Allgemeinheit vor ge-ährlichen verurteilten Tätern auch nach Haftverbüßungu schützen, und auf der anderen Seite natürlich alles zuun, um die rechtsstaatlichen Grundsätze zu beachten.Wenn jemand seine Strafe verbüßt hat, gilt zunächster Grundsatz, dass er dann auch entlassen wird, sodassie Möglichkeit, jemanden dann weiter in Verwahrung
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Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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zu nehmen – natürlich immer mit Überprüfung und mitBegutachtung –, ganz strikter Vorgaben bedarf. Deshalbwollen wir für die Zukunft – die Eckpunkte sind vomKabinett beschlossen worden – ganz klar die primäreund vorbehaltene Sicherungsverwahrung stärken, undwir wollen die Sicherungsverwahrung generell auf Ge-waltdelikte konzentrieren; denn genau da liegen dannauch die Probleme und Gefährdungen für die Allgemein-heit, für das Wohl des Einzelnen.Zum Zweiten – das hat die Debatte natürlich bewegt –haben wir uns darauf verständigt, im Rahmen dessen, wasauf Bundesebene nach der Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts 2004 überhaupt kompetenzrechtlichmöglich ist, auf der Grundlage von Artikel 5 e der Euro-päischen Menschenrechtskonvention in einem rechts-staatlichen Konzept die Unterbringung von psychischGestörten in schwerwiegenden Fällen zu ermöglichen.An der Umsetzung arbeiten wir derzeit. Ich denke, es istmit den Maßnahmen zur Führungsaufsicht ein Gesamt-konzept, das der rechtsstaatlichen Verantwortung, aberauch unserem Auftrag Rechnung trägt.Ich bedanke mich für die Geduld.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Lambrecht
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerin, ichkann genau da weitermachen, wo Sie aufgehört haben.Ich glaube, das Thema „Zukunft der Sicherungsverwah-rung“ muss mit noch mehr Inhalt gefüllt werden, als Siees gerade getan haben. Aber ich möchte gleich sagen:Als in diesem Sommer deutlich wurde, dass hier so lang-sam etwas getan wird, nachdem das Urteil bereits letztesJahr im Dezember gefasst worden ist, hat Ihnen dieSPD-Fraktion frühzeitig eine konstruktive Zusammenar-beit angeboten, damit wir in diesem Bereich zu einemErgebnis kommen, das dann auch sachgerecht umgesetztwerden kann.Ich kann an dieser Stelle auch sagen: Wir begrüßenausdrücklich, dass nach den Eckpunkten, die Sie angespro-chen haben, die Sicherungsverwahrung auf Gewalt- undauf Sexualverbrechen begrenzt sein soll. Darauf sollte esdann auch beschränkt bleiben. Die Bevölkerung hat keinInteresse daran, vor Betrügern oder vor Dieben durch Si-cherungsverwahrung geschützt zu werden; durch allge-meines Strafrecht natürlich schon, damit nicht ein fal-scher Eindruck entsteht. Die Sicherungsverwahrung ist indiesen Bereichen, glaube ich, der absolut falsche Weg.Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass Sie das aufdiese Bereiche beschränken wollen. Das wird ebenso un-sere Unterstützung erfahren wie die Abschaffung dernachträglichen Sicherungsverwahrung, um stattdessendie vorbehaltene Sicherungsverwahrung auszubauen.asuFAMmseFMHqglsdlsmwnboEvsgkdpnkphhpuMkgdwwWmwUPgtwnwd
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gen Justizminister Bamberger – ist da schon einenSchritt weiter: Es plant gerade den Bau einer entspre-chenden Unterkunft in Diez. Da wird schon jetzt – quasivorauseilend – versucht, entsprechende Möglichkeitender Unterbringung zu schaffen. Vielleicht ist das einmaleine Reise wert; ich kann Ihnen das nur empfehlen.
– Was dem Kollegen dazu einfällt, lassen wir jetzt ein-mal weg.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es Ihnennoch einmal: Hier geht es um ein ganz wichtiges Thema.Ich kann Ihnen im Namen der SPD-Fraktion bei all denFragestellungen, die sich ergeben, den Bedenken, ob dasGanze verfassungs- und europarechtlich konform ausge-staltet werden kann, eine konstruktive Zusammenarbeitanbieten. Das ist kein Persilschein; uns ist nicht egal,was Sie uns vorlegen. Wir werden aber konstruktiv mit-arbeiten. Das kann ich Ihnen zusagen. Dafür brauchenwir jetzt endlich einen Gesetzesentwurf, nicht nur Eck-punkte und Diskussionsentwürfe. Es eilt: Wir braucheneine Regelung, bevor alle Alttäter entlassen sind.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen: dieFrage des Sorgerechts. Auch hier gibt es ein Urteil ausEuropa und vom Bundesverfassungsgericht. Wir müssendie elterliche Sorge bei nichtehelichen Eltern neu regeln.Es kann nicht weiterhin so sein, dass Vätern das gemein-same Sorgerecht versagt wird und die Mutter allein da-rüber entscheidet. Auch da möchte ich Sie dringend bit-ten: Legen Sie etwas vor! Das, was da momentan wabert– ob es eine Regellösung oder eine Antragslösung gibt –,ist nicht sonderlich konkret und nicht geeignet, um sichdamit zu beschäftigen.
Ich kann für uns sagen: Wir favorisieren eine An-tragslösung. Wir glauben nämlich, es wäre sachgerecht,dass ein Vater, der sich um sein Kind kümmert, Unter-halt zahlt und tatsächlich ein Umgangsrecht wahrnimmt– also das umsetzt, was man unter elterlicher Sorge ver-steht –, ein Recht darauf hat, die gemeinsame elterlicheSorge übertragen zu bekommen. Insofern gibt es eineklare Ansage von uns: Wir favorisieren eine Antragslö-sung. Wir werden auch hier sehr konstruktiv mit Ihnenzusammenarbeiten.
Aber auch hier fehlt es an einem konkreten Vorschlag.Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, beidem etwas fehlt. Sie haben in der Koalitionsvereinba-rung angekündigt, dass Sie etwas gegen Mietnomadentun wollen. Der erste Vorschlag, der gemacht wurde,war: Wir verändern die Kündigungsfristen. Als ob dasgegen Mietnomaden auch nur im Geringsten etwas nüt-zen würde! Der Vorschlag ist offensichtlich vom Tisch.Sie haben in der Deutschen Richterzeitung erklärt, dassSie das nicht infrage stellen wollten. Einige aus der Ko-alition sahen das anders. Gegen die Mietnomaden ansgWkWTwDchbtsn–wsEdn4dgAzshskegbZeuRwIn
eswegen möchte ich zum Schluss ein Thema anspre-hen, bei dem man auf den ersten Blick den Eindruckaben könnte, dass es gar nichts mit der Haushaltsde-atte zum Bereich Justiz zu tun hat, aber nur auf den ers-en Blick. Es geht um die Vereinbarung zum Atomaus-tieg, den sogenannten Geheimvertrag, der so geheimicht mehr ist.
Ja, darauf komme ich gleich zu sprechen. Auch Sieerden es verstehen, wenn ich ein paar Sätze dazu ge-agt habe, Herr Grosse-Brömer.In einem Geheimvertrag zwischen Vertretern vonnergieversorgungsunternehmen und einem Vertreterer Bundesregierung – der zuständige Minister ist esicht, sondern es ist ein Staatssekretär – morgens um.30 Uhr –
as ist in deutscher Gründlichkeit auf diesem Vertrag so-ar vermerkt – wurde vereinbart, dass Laufzeiten fürtomkraftwerke verlängert werden und dass auf Steuer-ahlungen verzichtet wird, wenn die Betreiber die ge-etzlich auferlegte Pflicht, Sicherheitsstandards einzu-alten, erfüllen und die Kosten die Steuerlast über-teigen. Ich frage Sie in Ihrer Funktion als Rechtspoliti-er, als Juristen, als Parlamentarier: Lassen Sie sich sotwas allen Ernstes gefallen? Ich kenne Sie eigentlichanz anders. Bei Ihnen können selbst die letzten Hinter-änkler vor Kraft manchmal nicht mehr laufen.
wischenrufe werden einfach so hereingeblökt, aber ininer solchen Frage sitzen Sie stumm da, genau wie jetzt,
nd lassen sich einfach von der Regierung Ihr höchstesecht nehmen. Sie lassen sich kastrieren und sitzen daie die Lämmer.
ch kann Ihnen nur sagen: Wachen Sie endlich auf undehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!
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Christine Lambrecht
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Gerade wir als Rechtspolitiker – der Vorsitzende desRechtsausschusses ist anwesend – haben die Pflicht, alleGesetze auf Rechtmäßigkeit und Verfassungsgemäßheitzu überprüfen.
Diese Möglichkeit wird uns dadurch genommen, dassder Verzicht auf Steuern am Parlament vorbei vereinbartwurde. Wo leben wir denn?
Die Überprüfung ist unsere herausragende Pflicht alsParlament. Es kann doch nicht wahr sein, dass man sichso etwas entziehen lässt. Wachen Sie endlich auf, wer-den Sie wieder zu den selbstbewussten Parlamentariern,die Sie eigentlich sind.
Lassen Sie sich nicht rasieren. Sie werden sonst viel Zeitvor Gerichten verbringen müssen, um solche Vereinba-rungen zu vertreten. Das ist sicherlich nicht im Sinne ei-ner sinnvollen Haushaltsführung.Vielen Dank.
Die Kollegin Andrea Voßhoff hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-gen! Frau Lambrecht, Sie haben eingangs zum ThemaSicherungsverwahrung unter anderem gesagt, dass dieKoalition unterschiedliche Vorschläge gemacht habe. Ichhabe im Zuge der Diskussion irgendwo gelesen, dassHerr Montag gesagt habe, man habe 2004 der nachträgli-chen Sicherungsverwahrung nur zugestimmt, weil sonstdie Koalition geplatzt wäre. Also, so ganz unstreitigdürfte das unter Rot-Grün auch nicht gewesen sein.
Zu dem Thema, das Sie zum Schluss angesprochenhaben. Die Koalition ist mehr als wach. Nach meinemKenntnisstand gab es auch bei Ihnen damals Nebenver-einbarungen. Wenn Sie die jetzt kritisierten Nebenver-einbarungen rechtsförmlich zu beanstanden haben, dannkönnen Sie das jederzeit gerne tun.
Meine Damen und Herren, mit der ersten Lesung zumEinzeletat Justiz steht auch das erste Jahr der christlich-ltgsRncakgtvpddasfmwSisMagvRpsMdCKWFkRrlslEnpAdFgrvRSts
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6228 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
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einfach ist. Sie können aber sicher sein, dass wir in ab-sehbarer Zeit einen guten Vorschlag vorlegen werden,über den wir dann gemeinsam diskutieren können. Viel-leicht können wir dann auch Sie davon überzeugen.Ein sehr wichtiges Unterfangen, der Gesetzentwurfbezüglich der Entschädigung bei überlangen Gerichts-verfahren, ist von der Ministerin schon genannt worden.Wir werden in Kürze aber auch eine Verschärfung derStrafbarkeitsvorschriften in Bezug auf Gewalt gegenPolizeibeamte auf den Weg bringen. Polizeibeamte,aber auch Rettungskräfte sehen sich bei ihrer Arbeit im-mer dreisteren Angriffen Dritter ausgesetzt, auf die eineangemessene Reaktion des Staates erforderlich ist. DieUnion steht hier an der Seite der Polizeibeamten, die tag-täglich ihre Gesundheit für uns alle riskieren, und wirddafür sorgen, dass der Staat einen angemessenen Schutzbereitstellt.
Zwei weitere Punkte hat die Ministerin genannt: Stär-kung des Vertrauensverhältnisses zu Rechtsanwälten undden Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit imStraf- und Strafprozessrecht. Auch das muss man nen-nen.Dann kommen wir zu dem Thema, das die Debatteheute logischerweise beherrschen muss – das ist garkeine Frage –, weil es eines der schwierigsten rechtspoli-tischen Themen überhaupt ist, zur Frage der Neuord-nung der Sicherungsverwahrung. Es ist überhauptkeine Frage, dass das bei uns oben auf der Tagesordnungsteht. Wir wissen, dass wir durch die Entscheidung desEGMR zum Handeln gezwungen sind. Ich habe es ein-gangs gesagt: Rot-Grün hat die nachträgliche Siche-rungsverwahrung eingeführt, die heute zur Diskussionund zur Disposition steht. Heute ist schon deutlich ge-worden, dass mit dem Lösungsansatz, mit den Eckpunk-ten, die seitens des BMJ und des BMI erarbeitet wurden– Konzentration der primären, Ausbau der vorbehalte-nen, aber auch der im Detail sicherlich noch zu diskutie-rende Vorschläge zur Regelung der sogenannten Alt- oderParallelfälle –, eine gute Regelung auf den Weg gebrachtwurde. Ich hoffe – das ist wichtig und notwendig –, dassder Gesetzentwurf möglichst bald vorliegt. Dann könnenwir im Detail darüber diskutieren, was erforderlich istund was nicht.Weil Sie es vorhin erwähnt haben, darf ich in diesemZusammenhang sagen, dass die Ausgestaltung natürlichschwierig ist: Aber um was geht es dabei? Sie, meineDamen und Herren von der SPD und den Grünen, habendie nachträgliche Sicherungsverwahrung damals be-schlossen, weil vier oder fünf Straftäter, bei denen nach-weislich klar war, dass sie nicht auf freien Fuß gesetztwerden durften, drohten freizukommen. Das war dasMotiv, warum Sie das damals gemacht haben. Im Zugeder EGMR-Entscheidung – das wissen Sie – steht theo-retisch in über 70 Fällen die Freilassung an. Deshalb wares gerade für uns als Union in der Diskussion in derSommerpause wichtig, zu fragen: Was können wir andieser Stelle tun, um dem Schutz der Bevölkerung ge-recht zu werden? Der Rechtsstaat verliert an Akzeptanz;dnfw–bRAmnfdvKwrwnBvg–dhtdKnVadbFBlDcwrEunsisdsrw
Ja, natürlich, wir sind dabei; das haben Sie vorhin mit-ekommen. – Der Bürger verliert das Vertrauen in denechtsstaat, wenn wir nicht zumindest versuchen, einentwort zu finden. Die Union kämpft da um jeden Milli-eter.
Deshalb haben wir – lassen Sie mich doch ausreden –icht nur diese Diskussion innerhalb der Koalition ge-ührt, sondern wir haben auch – da danke ich ganz aus-rücklich nicht nur dem Innenminister de Maizière, derorhin da war, sondern auch der Justizministerin – einenompromiss gefunden, der diesem Anspruch gerechterden kann. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur The-apierung und Unterbringung psychisch gestörter Ge-alttäter möchten wir das Problem, das ich vorhin ge-annt habe, in den Griff bekommen. Das ist eine guteeratungsgrundlage. Ich sagte es: Das Gesetzgebungs-erfahren muss jetzt laufen; der Gesetzentwurf muss ein-ebracht werden. Wir müssen sehen, dass wir ihn zügig ich hoffe, noch in diesem Jahr – verabschieden. Ichenke, das Thema wird uns hier in diesem Hause nochäufiger beschäftigen.
Ich möchte noch zwei Punkte ansprechen; die Minis-erin hat sie genannt. Dies muss man hier ansprechenürfen. Für uns als Union – ich denke, wir werden in deroalition einen Weg finden, auch wenn er vielleichticht ganz einfach ist – ist es wichtig, dass das Themaorratsdatenspeicherung sobald als möglich wiederuf die Tagesordnung kommt. Wir wissen, dass es aufer europäischen Ebene einen Evaluierungsbericht ge-en soll. Gleichwohl ist das für uns von Bedeutung. Dierage muss angegangen werden. Nach dem Urteil desundesverfassungsgerichts ist dieses wichtige Ermitt-ungsinstrument in Deutschland nicht mehr verfügbar.as Verfassungsgericht hat klar gesagt, dass eine Spei-herung von Verbindungsdaten nicht per se verfassungs-idrig ist. Das wissen Sie; wir haben die Diskussion da-über schon häufig geführt. Außerdem müssen wir dieU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen,nd zwar schon seit September 2007 bzw. für die Inter-etdaten seit März 2009.In diesem Zusammenhang – auch das ist vorhin ange-prochen worden – möchte ich betonen, dass die Fragenm Zusammenhang mit dem Zugangserschwerungsge-etz geklärt werden müssen, Stichwort „Darstellung kin-erpornografischer Abbildungen im Internet – Löschentatt Sperren“. Ja, wir haben in der Koalitionsvereinba-ung eine Regelung getroffen. Auf dieser Grundlageerden wir hoffentlich gemeinsam eine Lösung finden.
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Andrea Astrid Voßhoff
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Frau Ministerin, Sie haben vorhin auf die Daten hinge-wiesen. Ich kenne unterschiedliche Daten und Informa-tionen, zum Beispiel einen Artikel aus der FrankfurterAllgemeinen Zeitung vom 3. September 2010, in dem steht,dass die Internetwirtschaft sich korrigieren muss, weil esmit dem Löschen nicht so funktioniert wie gedacht. DasKriminalwissenschaftliche Institut der Leibniz-Universi-tät Hannover hat veröffentlicht, dass 170 000 bis 180 000sicher zugeordnete kinderpornografische Bilder in derDatenbank des BKA vorhanden sind. Die Dunkelzifferdessen, was im Internet ersichtlich ist, ist enorm groß.Ich denke, dass wir an dieser Stelle zu einer Lösungkommen müssen. Wir dürfen uns, wie ich meine, demThema Sperren nicht in Gänze verschließen.
Wir werden aber in dieser Frage weiter miteinander ver-handeln. Wir haben einen Koalitionsvertrag. Uns Rechts-politikern ist das ein Anliegen, weil es unerträglich ist,diesen Schund im Internet sehen zu müssen. Wir solltenim Interesse unserer Kinder alles daransetzen, etwas da-gegen zu tun. Je eher wir löschen können, umso besser.Aber wenn es technische Probleme gibt, kann man schoneinmal sozusagen den Vorhang zuziehen, bis gelöschtwerden kann. Deshalb ist es der Union ein Anliegen – wirsind dabei, auch wenn es nicht ganz einfach ist –, dass wirdort gemeinsam einen Weg finden.In diesem Zusammenhang stehen viele Themen an.Ich hätte noch einige nennen können, zum Beispiel dasMietrecht; die Kollegin Lambrecht hat es angesprochen.Seien Sie gewiss, dass Sie demnächst von uns einen gu-ten Vorschlag auch zum Thema Mietnomaden bekom-men. Wir werden im Rechtsausschuss viel zu debattierenund zu diskutieren haben. Ich fordere Sie als Oppositionauf, sich daran aktiv zu beteiligen – ich weiß, Sie werdenes tun –, und wenn es auch noch konstruktiv erfolgt,würde uns das als Rechtspolitiker der christlich-liberalenKoalition sehr freuen.Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
Kollegen Kauder, der vorhin nicht zum Zuge kam, weil
Frau Lambrecht so schnell weg war und gar nicht mehr
hören konnte, dass ich sie nach der Frage fragen wollte.
Siegfried Kauder (CDU/
CSU):
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Kollegin
Lambrecht, Sie haben im Zusammenhang mit der beab-
sichtigten Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraft-
werken das Hohe Haus attackiert. Sie haben erklärt, dass
Sie nicht verstünden, dass sich die Mitglieder des deut-
schen Parlaments nicht dagegen wehren würden, dass
ein Teil in Geheimverträgen geregelt würde.
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Herr Kauder, im Allgemeinen bin ich es von Ihnen
ewohnt, dass Sie zuhören. Das haben Sie in diesem Fall
ffensichtlich aber nicht getan. Das liegt vielleicht da-
an, dass der Vorwurf so saß. Ich habe ausdrücklich ge-
agt: Ich kenne Kolleginnen und Kollegen – auch als
interbänkler –, die ansonsten vor Kraft nicht laufen
önnen. – Ich bitte, ganz genau zuzuhören und erst dann
ritik zu üben. So viel zu den Hinterbänklern.
Offensichtlich hat die Aussage richtig gesessen, dass
ie als Regierungskoalition, dass Sie als Parlamentarier
iese Umgehung nicht stoppen und sich gegen diese
mgehung auch nicht wehren, sondern wie die Lämmer
usehen, wie am Parlament vorbei Vereinbarungen zu-
asten der Bevölkerung getroffen werden.
Vielen Dank.
Die Kollegin Halina Wawzyniak hat jetzt das Wort für
ie Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Manoll in der Opposition nicht immer nur kritisieren. Des-alb möchte ich zunächst zwei Gesetzentwürfe aus Ih-em Ministerium lobend erwähnen. Dies ist zum einener Gesetzentwurf zum Schutz vor überlangen Verfahrennd zum anderen der Gesetzentwurf zur Stärkung derressefreiheit. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie unserenesetzentwurf aus der vergangenen Wahlperiode kom-lett übernommen hätten.
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6230 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Halina Wawzyniak
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Dann müssten wir nicht nur von „ein bisschen Stärkungder Pressefreiheit“ reden, aber na gut.Wir alle wissen, wie intellektuell arm ein Land ist, indem es keine umfassende Pressefreiheit gibt. Deshalb istes zu begrüßen, dass Journalistinnen und Journalistenkünftig zumindest nicht wegen Beihilfe zum Geheimnis-verrat angeklagt werden können.Doch damit ist es – bedauerlicherweise – genug desLobes. Angesichts Ihrer persönlichen Geschichte bzw.Ihrer Biografie habe ich kein Verständnis für den Kom-promiss bei der Sicherungsverwahrung und dem Einsatzder elektronischen Fußfessel. Hierbei sind Sie leider imSommer gegenüber den Sicherheitsfanatikern der Unionin Ihrer liberalen Haltung eingeknickt.Mir ist klar, dass man in einer Koalition Kompro-misse schließen muss, insbesondere als Juniorpartnerund mit nicht sonderlich erbaulichen Umfragewerten.Dass aber die CDU/CSU ihr vermeintlich verloren ge-gangenes konservatives Profil ausgerechnet im sensiblenBereich des Jugendstrafrechts und des Strafrechts schär-fen darf, finde ich nicht hinnehmbar.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Linkelehnt die Sicherungsverwahrung ab. Die Sicherungs-verwahrung ist verfassungswidrig, europarechtlich be-denklich und hält rechtsstaatlichen Prinzipien nicht stand.
Vielleicht sagen Ihnen folgende Stichworte etwas:Verbot der Doppelbestrafung, Schuldprinzip. Wenn ja,dann wüssten Sie selbst, warum die Sicherungsverwah-rung rechtsstaatlich bedenklich ist. Bei der Sicherungs-verwahrung handelt es sich um eine Inhaftierung fürnoch nicht begangene Straftaten, um eine präventive Si-cherungshaft, und das ist mit dem deutschen Strafrechtnicht vereinbar.
Auch der zwangsweise Einsatz der sogenannten elek-tronischen Fußfessel begegnet erheblichen Bedenken.Dies stellt eine Totalüberwachung der Betroffenen dar,welche in einer freien Gesellschaft nicht toleriert werdendarf. Sie wirkt stigmatisierend und behindert die Reso-zialisierung der ehemaligen Gefangenen. Die Wiederein-gliederung wird erheblich erschwert, wenn der Betrof-fene die ganze Zeit das Gefühl haben muss, beobachtetzu werden.Bisher war es in der bundesrepublikanischen Rechts-wissenschaft und Rechtspolitik Konsens, dass tragendeSäulen des Strafrechts und des Jugendstrafrechts die Re-sozialisierung und der Erziehungsgedanke sind. DieserKonsens wird mit dem Gesetz zur Neuordnung desRechts der Sicherungsverwahrung und zur Stärkung derFührungsaufsicht aufgelöst.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sehrgeehrte Frau Ministerin, am vergangenen Samstag fanddie Demonstration „Freiheit statt Angst“ statt. Der Info-srIIuLhRGPvddsKptuUum53gIsslNsvuutPadKrKHlstDvgzg
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Politik hatie Pflicht, aufzuklären. Ich habe mir drei Punkte ausem Haushalt dieses Bundesministeriums herausge-ucht, an denen man exemplarisch zeigen kann, dass dieoalition leider kein Interesse an Aufklärung und Sach-olitik hat.Da wären die Zuschüsse an die Kriminologische Zen-ralstelle in Wiesbaden, die Deutsche Bewährungshilfend das Präventionsprojekt Dunkelfeld der Humboldt-niversität. Diese Zuschüsse seitens des Justizministeri-ms sind seit Jahren äußerst gering. Obwohl die Einnah-en im Haushalt im Jahr 2011 insgesamt um circaMillionen Euro steigen, sinken die Ausgaben um,5 Millionen Euro – Geld, welches die drei Institute gutebrauchen könnten. Aber vielleicht besteht ja gar keinnteresse an einer seriösen rechtswissenschaftlichen For-chung. Denn diese würde den Law-and-Order-Wün-chen der konservativen Politik die empirischen Grund-agen entziehen.Die Deutsche Bewährungshilfe beispielsweise hat dieeuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung kriti-iert. Die Kriminologische Zentralstelle in Wiesbadeneröffentlicht regelmäßig Forschungsergebnisse, Studiennd Aufsätze. Diese stellen der vor allem im Strafrechtnd Jugendstrafrecht stammtischorientierten Rechtspoli-ik kein gutes Zeugnis aus.Schließlich möchte ich auf das sehr bemerkenswerteräventionsprojekt Dunkelfeld an der Berliner Charitéufmerksam machen. In diesem Präventionsprojekt wer-en kostenlos Therapieplätze angeboten für Nutzer voninderpornografie mit auf Kinder oder Jugendliche ge-ichteten sexuellen Fantasien und Wünschen, die ihrenonsum einstellen wollen und deswegen therapeutischeilfe suchen. Aber leider gibt es bundesweit neben Ber-in nur noch in Kiel ein vergleichbares Angebot. Genauolche Projekte brauchen aber in viel größerer Zahl Un-erstützung.Eine rationale Rechtspolitik ist auf seriöse empirischeaten angewiesen. Es ist Aufgabe des Staates, diese, be-or er zu restriktiven und einschneidenden Maßnahmenreift, in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Expertenu erheben, auszuwerten und entsprechende Schlussfol-erungen für die Politik daraus zu ziehen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6231
Halina Wawzyniak
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Dies erfordert aber eine Diskussion, in der man sichauch einmal den einfachen Wahrheiten der konservati-ven Stammtischpolitik entgegenstellen muss. Bei derUnion ist da Hopfen und Malz verloren. Ich hoffe, Sie,Frau Justizministerin, haben mehr Standvermögen.
Für Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Ingrid
Hönlinger das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ein zentralesAnliegen unserer Diskussionen im Rechtsausschuss undim Plenum ist die Frage: Wie ermöglichen wir den Bür-gerinnen und Bürgern den gleichen Zugang zum Recht?Hierzu möchte ich auf fünf zentrale Punkte eingehen.Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatdie Bundesrepublik in 54 Fällen wegen überlanger Ver-fahren gerügt. Sicher sind das Einzelfälle. Dennoch gibtes bei uns im Lande zu viele Gerichtsverfahren, die zulange dauern.Bürgerinnen und Bürger haben nur dann Vertrauen indie Gerichtsbarkeit, wenn sie innerhalb absehbarer Zeitauch ein gut begründetes Urteil erhalten. Um dies zu ge-währleisten, brauchen wir strukturelle Verbesserungen inden Verfahren, die Länder müssen sich die Frage nachder Personalausstattung stellen lassen, und wir brauchenein effektives Verfahren. Da reicht uns der Entwurf, dervorgelegt wurde, nicht aus. Eine Untätigkeitsbeschwerdekönnte hier zusätzlich Abhilfe schaffen.Insgesamt 18 Jahre dauerte ein Rechtsstreit um eineHinterbliebenenrente. Das ist eine unzumutbare Heraus-forderung für den Rechtsuchenden, aber auch für An-wälte und Gerichte. Ein solcher Fall darf sich nicht wie-derholen. Dafür müssen wir hier sorgen.
Eine weitere Ohrfeige aus Straßburg hat diese Bun-desregierung beim Thema Sorgerecht erhalten; daswurde schon gesagt.
Es wurde festgestellt, dass nichteheliche Väter durch dasSorgerecht, wie es jetzt geregelt ist, diskriminiert wer-den. Wir alle kennen aber Paare, bei denen sich sowohldie Mutter als auch der Vater bestens um die Kinderkümmern. Wir meinen: Bei einer Neuregelung des Sor-gerechts muss das Kindeswohl im Vordergrund stehen,und wir müssen die Rechte und Pflichten für verheirateteund nicht verheiratete Väter möglichst weitgehend an-gleichen. Bis heute hat es die Regierung leider nicht ge-schafft, eine brauchbare Vorlage zu liefern. Wir Grünenwerden uns jedenfalls energisch für eine Neuregelungdes Sorgerechts einsetzen – im Sinne eines Antragsver-fahrens.lBElguwwMePHdwurhdksdZiBsBetDssekwhdjulGKnluewm
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Betriebe und damit auch die Gläubiger direkt von der In-solvenz in den Ruin treiben.
Wir Grünen wollen Betriebe retten, damit diese Be-triebe auch morgen wieder Beschäftigung schaffen undSteuern zahlen können. Das ist für uns die Konzeptionder Zukunft. Aus diesem Grund können wir uns dieserStrohfeuerfinanzpolitik nicht anschließen.Vielen Dank.
Jetzt hat der Kollege Florian Toncar für die FDP-
Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Ministerin hat anhand vieler Vorhaben, die sie hiervorgetragen hat, sehr deutlich gemacht, was diese Bun-desregierung unter einer modernen Rechtspolitik undunter Rechtsstaatlichkeit versteht, nämlich dass sie dieBürgerrechte stärken möchte, dass sie selbstverständlichfür Sicherheit sorgen möchte, aber dass sie Sicherheitimmer als Beitrag zur Verwirklichung unserer freiheitli-chen Gesellschafts- und Rechtsordnung und nicht alsGegensatz sieht. Das begrüßt die FDP-Bundestagsfrak-tion nachhaltig.
Ich möchte neben dem, was die Ministerin an Vorha-ben und Erfolgen vorgetragen hat, noch eines heraus-greifen, weil dieser Prozess sehr lange gedauert hat, undzwar die Rücknahme des Vorbehalts zur Kinder-rechtskonvention, die Deutschland in diesem Jahr er-klärt hat. Wir setzen damit ein deutliches Zeichen, dasswir für Kinderrechte sind und dass wir auch bereit sind,internationale Standards in diesem Bereich durchzuset-zen und offensiv zu vertreten. Die FDP-Fraktion als Teildieser Regierungskoalition ist stolz darauf, dass es die-ses Jahr endlich gelungen ist, diesen Vorbehalt zurück-zunehmen.
– Ich glaube, dass das wirklich ein Anlass zur Freude ist,Kollegen.Bevor wir zum Haushalt selbst kommen, möchte ichnoch kurz etwas zum Thema Sorgerecht sagen. FrauKollegin, es ist vielleicht ein bisschen übertrieben, zu sa-gen, das sei eine Ohrfeige für diese Bundesregierung.Dieser Zustand währt schon sehr lange. Ich würde IhnenaaApÜwgRhkdRDslssGWtdswDHlBgwmtvDwdSsagRGsaHf
Wir haben über den Haushalt zu sprechen. Der Haus-alt hat eine ganz besondere Struktur. Diese Struktur er-lärt sich aus dem hohen Anteil an Personalkosten iniesem Haushalt. Das Personal, vor allem in Gestalt vonichtern und Beamten, aber auch Angestellten, ist imurchschnitt älter als in anderen Bereichen – ein Bei-piel sind unsere Bundesrichter – und oft auch hoch qua-ifiziert. Hier, insbesondere bei den Pensionierungen,chlagen sich auch die Auswirkungen des demografi-chen Wandels sehr viel stärker nieder, als es in anderenebieten der Fall ist.Gleichwohl hat das Justizministerium immer gesagt:ir akzeptieren, dass auch in einem solch personalkos-enlastigen Haushalt, in dem es vielleicht weniger Verän-erungsspielräume gibt als in anderen Haushalten, ge-part wird. – Das sind im Ansatz 7 Millionen Euroeniger, als der Finanzplan ursprünglich vorgesehen hat.as ist selbstverständlich nur ein kleiner Beitrag zuraushaltskonsolidierung. Aber ich denke, die Einstel-ung stimmt, dass man wie alle anderen Bereiche eineneitrag zur Konsolidierung leistet.
Trotz aller Einsparbemühungen und Einsparvorgabenibt es im Haushalt Schwerpunkte. Sie finden im Ent-urf einen neuen Titel, nämlich den Titel „Stiftungsver-ögen zur Errichtung der Magnus-Hirschfeld-Stif-ung“. Sie greift etwas auf, was der Bundestag bereitsor über zehn Jahren einstimmig beschlossen hat.
as soll jetzt Realität werden. Zu diesem Ziel bekennenir uns. Wir möchten im nächsten Jahr den Einstieg inie Arbeit dieser Stiftung schaffen. Was soll sie machen?ie soll einmal das Unrecht aufarbeiten, das Homo-exuellen während der Nazizeit widerfahren ist. Sie sollber nicht nur Klarheit über das schaffen, was in der Ver-angenheit passiert ist, sondern sie soll sich auch mitessentiments oder Vorurteilen befassen, die es in deregenwart gibt, und einen Beitrag dazu leisten, dass un-ere Gesellschaft in diesem Bereich zu Toleranz unduch zu Akzeptanz kommt. Dazu wollen wir mit diesemaushalt einen Einstieg schaffen.
Darüber hinaus haben wir im letzten Jahr, also im lau-enden Haushalt, die Mittel für die internationale
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Florian Toncar
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rechtliche Zusammenarbeit aufgestockt. Das ist mirpersönlich sehr wichtig. Hier sollen Rechtsberatung ge-leistet und Dialoge auch mit anderen Ländern geführtwerden. Das liegt in unserem wohlverstandenen Eigen-interesse. Denn einerseits wollen sich andere Ländervielleicht einmal anschauen, wie Dinge im deutschenRecht gelöst werden, andererseits gibt es große Gemein-samkeiten mit ihnen. Das ist für unsere Gesellschaft undauch für unsere Wirtschaft ein großer Vorteil.Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, der imHaushalt etatisiert ist, und zwar eine neue Aufgabe, dassogenannte Europäische Geldsanktionsgesetz. ImKern geht es darum, dass Ordnungswidrigkeiten im Ver-kehrsbereich, die Deutsche im Ausland begehen – aufgut Deutsch: wenn jemand im Urlaub im europäischenAusland zu schnell fährt –, zukünftig auch in Deutsch-land vollstreckt werden, jedenfalls ab einer Summe von70 Euro. Das erfordert gehörige neue Ressourcen, diewir an dieser Stelle bereitstellen.Nichtsdestotrotz – deswegen möchte ich es hier an-sprechen – möchte und erwarte ich nach einem Anschub,dass die Lücke zwischen dem, was dort eingenommenund ausgegeben wird, nicht so groß wird. Ich denke, esist nicht vermittelbar, wenn am Ende der deutsche Steu-erzahler möglicherweise noch draufzahlen muss, wennLandsleute im Ausland zu schnell fahren. Wir als Haus-hälter werden sehr genau darauf achten, dass das nichtpassiert.Es gibt also trotz einer schwierigen Haushaltslage,was die Konsolidierungszwänge angeht, im Haushalt ei-nige Bereiche, in denen wir Schwerpunkte setzen kön-nen. In der Rechtspolitik gibt es klare Akzente zuguns-ten der Stärkung der Bürgerrechte. Diesen Weg wollenwir weitergehen.Herzlichen Dank.
Der Kollege Burkhard Lischka hat jetzt das Wort für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir de-battieren auch den Justizhaushalt 2011 noch unter denAuswirkungen der größten Finanz- und Wirtschaftskriseder letzten Jahrzehnte. Diesem Auseinanderfallen vonFinanz- und Realwirtschaft mit seinen immensen Schä-den, das wir erlebt haben, müssen wir klare Regeln ent-gegensetzen. Das ist die Kernbotschaft der letzten zweiJahre.Das ist aber nicht nur die Aufgabe der Finanz- undWirtschaftspolitik, Frau Ministerin. Es ist eigentlich dasureigene Feld der Justiz, klare Regeln zu setzen. Ichhabe aber den Eindruck, dass Ihnen dazu teilweise derMut fehlt. Sie glänzen dabei geradezu durch Tatenlosig-keit.ubugbvtKswiagddcShbzksbunrHRnSISnwsnddgGSsvGsp
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(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Richtig! So ist es!)Sie erklären einfach Steuerschulden zu Masseverbind-lichkeiten mit der Folge, dass diese dann vorab befrie-digt werden müssen. Den betroffenen Handwerkern undLieferanten ist es relativ egal,
auf welchem Weg sich der Staat bei insolventen Unter-nehmen bedient. Entscheidend ist doch, dass Betriebs-fortführung und erfolgreiche Sanierung nicht mehr mög-lich sind, wenn kein Geld mehr im Unternehmenvorhanden ist, weil Sie es vorher weggeschafft haben,und die Handwerker und Lieferanten auf ihren Rechnun-gen sitzen bleiben.
Das alles wird Arbeitsplätze vernichten. Das allesfügt unserer Volkswirtschaft Schaden zu. Sie missbrau-chen das Insolvenzrecht als Steinbruch, um Geld für Ih-ren Haushalt lockerzumachen.
Wieder einmal lernen wir: Es trifft die Schwächsten. Estrifft diesmal diejenigen, die dann ihre Arbeitsplätze ver-lieren. Es trifft diejenigen, die auf unbezahlten Rechnun-gen sitzen bleiben und so selber in den Ruin getriebenwerden. Das alles folgt dem alten Strickmuster:Schwarz-Gelb will sparen, und die Schwächsten sollendie Zeche dafür zahlen. – Diesmal macht auch noch dasJustizministerium kräftig mit. Das habe ich mir bei Ih-rem Amtsantritt, Frau Ministerin, etwas anders ge-wünscht. Dafür werden Sie unsere Unterstützung nichtbekommen.
Michael Grosse-Brömer hat jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich habe vorhin mit großem Interesse zugehört, FrauWawzyniak, und erfahren, dass meine Fraktion für Lawand Order zuständig ist und dass wir alle Sicherheitsfa-natiker sind. Da ich zu diesem Thema ohnehin etwas sa-gen wollte – ich gehe auf einzelne Mitglieder Ihrer Frak-tion gleich noch ein –:
Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass zum Beispielin Berlin und Hamburg regelmäßig Autos brennen. Wirwollen uns nicht damit abfinden, dass es am 1. Mai Kra-walle gibt.–esPg–tdgrAuggeew–wSfusNklEaNgsDdU
Anscheinend langweilt Sie das. Ich werde Ihnen gleichrklären, warum Mitglieder Ihrer Fraktion das teilweiseogar toll finden. Ich sage Ihnen ganz klar: In diesenunkten sind wir Sicherheitsfanatiker, und das ist auchut so.
Oh, da scheine ich mit diesem Thema einen Punkt ge-roffen zu haben, der Sie stört. Das ist ja richtig schön.
Wir mögen es nicht, wenn Polizisten angepöbelt wer-en; wir finden es einfach nicht gut. Die Zahl der An-riffe auf Polizisten hat sich seit 1998 allein in Nord-hein-Westfalen verdoppelt.
llein die Zahl der linken Gewalttaten hat sich seit 2009m rund 60 Prozent erhöht. Die Zahl der Brandstiftun-en hat sich verdoppelt. Die Zahl der Körperverletzun-en stieg um 40 Prozent. 6 600 Personen aus dem links-xtremistischen Spektrum werden nun als gewaltbereitingestuft. Ja, wir sind gerne Sicherheitsfanatiker. Wirollen uns mit diesem Zustand nicht abfinden.
Hören Sie weiter zu!
Die Empörung müsste eigentlich groß sein. Dasürde man jedenfalls annehmen. Aber Politiker undtimmen aus dem linken Lager zeigen sogar Verständnisür die vermeintlich gerechten Motive: Da geht es dochm soziale Gerechtigkeit; da geht es doch um Antifa-chismus; da muss man doch nicht so genau hinschauen.
ein, in diesem Punkt sind wir gerne Sicherheitsfanati-er. Da gibt es keinen Unterschied zwischen rechter undinker Gewalt. Wir sind gegen jede Form von Gewalt.s wäre schön, wenn das auch bei Ihnen so wäre.
Ich nenne Ihnen Beispiele. Ich will mit den Grünennfangen. Die Grünen sind vom Bezirksbürgermeister ineukölln hinausgeworfen worden, weil sie sich gewei-ert haben, eine Resolution gegen linke Gewalt zu unter-chreiben.
as hat mich ein bisschen verwundert; denn Sie sindoch aus dem Milieu schon weg. Ein anderes Beispiel:lla Jelpke, Inge Höger und Sevim Dağdelen, alle drei
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Michael Grosse-Brömer
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MdBs von der Linken, unterzeichnen Solidaritätserklä-rungen für Mitglieder der Militanten Gruppe, die we-gen Brandanschlägen gegen Polizei, Feuerwehr undBundeswehr zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wur-den. Das ist Ihre Art von Sicherheitsfanatismus: lockereSolidaritätsbekundungen für Straftäter, die zu mehrjähri-gen Haftstrafen verurteilt wurden.
Die militante Antifaschistische Linke Berlin, die schonauf verschiedene Weise verdeutlich hat, dass es sie be-sonders freut, dass die Bullen ab und zu so richtig etwasabbekommen,
ist mit der Homepage Ihrer Jugendorganisation verlinkt.Wenn Sie das stört, sollten Sie sich einmal darum küm-mern.Eine überregionale Berliner Zeitung titelte jüngst:Brandanschläge sind wieder hipp.
– Sie haben überhaupt keine Vorurteile, oder?
Schlagen Sie nach, ob ich in der Burschenschaft war!Immer locker bleiben! Ihnen gehen die Argumente aus,und jetzt werden Sie polemisch. Das brauchen wir dochgar nicht.
Schon die Anschaffung großer Autos wird in derlinksextremen Szene als Provokation empfunden. – FrauDağdelen, Sie können widersprechen, wenn ich unrechthabe.
Frau Dağdelen möchte Ihnen gerne eine Zwischen-
frage stellen.
Selbstverständlich. Wenn Sie meine Zeit anhalten,
gern.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Kollege,
Sie haben eben gesagt, dass Sie Sicherheitsfanatiker
sind, und zwar gerne.
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ragen Sie doch einmal, ob deren Auffassung von Ge-alt so eingeschränkt ist wie Ihre.
Wir kommen hier in Schwung, und das finde ich gut.ch will Ihnen ganz konkret sagen: Es gibt die Verfas-ungsschutzchefin Claudia Schmid aus Berlin. Sie hatin Interview gegeben. Weil ich sogar verschiedene Mit-lieder Ihrer Fraktion genannt habe, wollen wir jetzt ein-al jemanden zu Wort kommen lassen, der wahrschein-ich mehr Ahnung davon hat als wir alle zusammen.rau Schmid sagt:Zumindest sollten Parteien und Organisationenlinks von der Mitte, die sich auf die Bündnis-Politikvon Linksextremisten einlassen, eine strikte Ab-grenzung zu Gewalt vertreten. Es ist verheerend,wenn Politiker das nicht tun oder sogar Gewaltrechtfertigen, wie das bei der Militanten Gruppe die
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Michael Grosse-Brömer
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Bundestagsabgeordnete der Linken, Inge Höger,getan hat.So viel zu Ihrem Gewaltbegriff. Ich würde noch einmaldarüber nachdenken, ob Sie hier auf dem richtigen Wegsind.
Wie ich es vorhin erwähnte, sind wir nach wie vornicht bereit, die zunehmende Gewalt gegen Polizistenzu akzeptieren. Deshalb arbeiten wir als CDU/CSU da-ran, ein Stück weit den Konsens zu schaffen, den wir,wie ich finde, sinnvollerweise und übereinstimmend beipolitisch rechts motivierter Gewalt geschafft haben. DerKonsens lautet nämlich, dass wir grundsätzlich nicht be-reit sind, Gewalt zu akzeptieren, und schon gar nicht,Gewalt zu motivieren oder zu unterstützen. Es mussvielmehr unser aller Ziel sein, auch einen demokrati-schen Konsens in der Abgrenzung links motivierter Ge-walt herzustellen. Ich halte das gerade angesichts derderzeitigen Entwicklung, die wir allerorten verzeichnenmüssen, für einen wichtigen Punkt.
– Herr Ströbele, das ist relativ einfach erklärt. Sie sinddoch so lange dabei. Sie kennen § 113 Strafgesetzbuch.Wir halten den für verbesserungswürdig.
– Nein, aber erst einmal mit Gewalt gegen Polizei. DieGewalt gegen Polizei ist in ganz erheblichem Maße auchvon linker Gewalt gekennzeichnet.
– Es muss doch erlaubt sein, auch wenn es emotionaloder psychisch schwer fällt, in dieser Debatte darauf zureagieren und solche Sachen anzusprechen.
Ich habe mir die Entwicklung, die ich aufgezeigthabe, nicht ausgedacht. Das sind gesellschaftliche Ent-wicklungen, die mir ein Stück weit Sorge machen.
Deshalb denke ich, wir müssen den Straftatbestand des§ 113 Strafgesetzbuch ändern. Wir müssen hier ein Stückweit besser werden.
– Man kann zum Beispiel darüber nachdenken, ob manweiterhin von einer Privilegierung des Widerstandes ge-gen Vollstreckungsbeamte ausgehen kann oder vielmehrdsWnieckGsvrtnSeSwmdBwi–M–oSbV
Herr Kollege, dazu muss ich keine Zwischenfrage
tellen, dazu darf ich nachher selbst reden. Zu der Straf-
erschärfung, die Sie ansprechen: Es würde mich inte-
essieren, ob Sie hier kurz aus dem Stand einen relevan-
en Sachverhalt formulieren könnten, der heutzutage
icht adäquat bestraft werden kann und den Sie mit Ihrer
trafverschärfung härter bestrafen wollen. Nennen Sie
infach einen schlichten Sachverhalt, der heute vom
tGB nicht erfasst ist.
Wenn Sie diese Debatte intensiv verfolgt haben, dannissen Sie vielleicht, dass es nicht allein darum geht, oban den bestrafen kann. Die Frage ist doch, wie manen bestraft. Wir sind der Auffassung, dass eine höhereestrafung vielleicht auch eine höhere Abschreckungs-irkung hat und dass deshalb eine Änderung notwendigst.
Das habe ich gerade.Ich habe Ihnen gesagt, was wir als gesetzgeberischeaßnahme vorhaben.
Herr Ströbele, überlassen Sie es mir, zu entscheiden,b ich Fragen ausreichend beantwortet habe oder nicht.ie wissen zwar fast alles besser, aber in diesem Fallitte ich Sie um etwas Zurückhaltung.
Viele werden einwenden, das alles sei nicht genug.ielleicht war das der Hintergrund der Frage. Ich finde
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Michael Grosse-Brömer
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es im Übrigen richtig, dass wir das ergänzen. Unsere Fa-milienministerin Kristina Schröder hat angekündigt, einModellprojekt gegen Linksextremismus einzurichten.Ich halte eine solche Begleitung und dass man nicht nurbestraft, für klug. Man sollte aber – das ist unsere Auf-fassung – schärfer bestrafen, damit diese Entwicklung,die wir alle nicht wollen, nicht so weitergeht.Wir haben eben über Personen gesprochen, die einnoch besseres Hintergrundwissen als wir haben. KirstenHeisig, die leider kürzlich verstorbene Jugendrichterin,hat ein Buch geschrieben, das ich gelesen habe. Das zulesen, lohnt sich mehr als manch anderes Buch. Sieschreibt,… dass sich am linken Rand der Gesellschaft inGroßstädten wie Hamburg oder Berlin ein hohesAggressionspotenzial entwickelt, das meiner Ein-schätzung nach in den nächsten Jahren völlig ent-gleisen wird, wenn nicht bei den „Linken“ genausokonsequent reagiert wird wie bei den „Rechten“.Das ist unsere Politik. Dahinter stehen wir, und es warmein Anliegen, das deutlich zu machen.
Wir kümmern uns übrigens auch um den Opfer-schutz. Es war überhaupt nicht hinnehmbar, dass Opferlinker Gewalt und Opfer rechter Gewalt völlig unter-schiedlich behandelt wurden. Unter Rot-Grün wurde dasdamals damit begründet, dass man Zeichen setzenmüsse. Die Zeiten, um Zeichen allein gegen rechte Ge-walt zu setzen, sind vorbei. Wir müssen Zeichen gegenjede Form von Gewalt in Deutschland setzen. Deswegenist es richtig, dass es keinen Unterschied mehr macht, obOpfer von Gewalttaten von einem Kampfstiefel einesLinksextremisten oder eines Rechtsextremisten getrof-fen wurden. Das ist eine wichtige Änderung, die wir um-setzen konnten.
– Ja, ich weiß, das passt Ihnen nicht. Setzen Sie sichdoch einmal damit auseinander.Über Kinderpornografie hat schon Frau KolleginVoßhoff gesprochen. Zurzeit läuft ein riesiger Prozess inDarmstadt. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dassdas Löschen von Seiten nicht ausreicht. Wir sind dafür,dies zu tun, wo wir es tun können. Das ist auch wichtig,aber wir treten weiterhin für das Sperren von Internetsei-ten mit kinderpornografischem Inhalt ein.
Herr von Notz, ich will Ihnen etwas sagen, weil Sie dasbeim letzten Mal in Zweifel gezogen haben. Das Bei-spiel Norwegen zeigt, dass auch das Sperren wirksamist, nicht nur das Löschen. – Sie winken ab, aber Sie soll-ten die Süddeutsche Zeitung vom 15. Januar 2009 nach-srtvbkerbgWbwdcbgFMPeßdzimgwadhgdSrettwb
Wir haben rechtspolitisch schon viel erreicht. Wir ar-eiten gut zusammen. Das Insolvenzrecht ist schon an-esprochen worden. Die Reform wird die Kollegininkelmeier-Becker mit dem Kollegen Ahrendt bear-eiten. Es gibt Fortschritte in diesem Bereich. Mir war esichtig, heute einen speziellen Teil anzusprechen, der inieser Gesellschaft aus unserer Sicht, aus Sicht von Si-herheitsfanatikern, schiefläuft. Ich hoffe, Sie sind sensi-ilisiert worden und demnächst dabei, wenn es darumeht, Gewalt auch rechtspolitisch zu bekämpfen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Der Kollege Raju Sharma hat jetzt das Wort für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frauinisterin! Im Verhältnis von FDP und Linken gibt esunkte, die uns trennen, und solche, die uns verbinden,
s gibt Politikfelder, in denen wir möglicherweise grö-ere Schnittmengen haben als die derzeitigen Partner iner Regierungskoalition. Die Rechtspolitik ist tenden-iell eines dieser Politikfelder. Deshalb haben wir Linkemmer gesagt, dass wir bereit sind, die FDP in ihren Be-ühungen um eine freiheitliche Rechtspolitik auch ge-en ihren Koalitionspartner zu unterstützen. Wie not-endig das ist, hat meine Fraktionskollegin vorhin sehrnschaulich aufgezeigt. Tatsache ist auch, dass die Bun-esjustizministerin in ihren Bemühungen um eine frei-eitliche Rechtspolitik bisher oft genug den Kürzerenegen Sicherheitsfanatiker wie Grosse-Brömer und allie anderen Law-and-Order-Politiker und die schwarzenheriffs von der Union gezogen hat.Leider gilt das auch für den Justizhaushalt. Seit Jah-en können wir einen ständigen Aufgabenzuwachs undine immer stärkere Arbeitsbelastung der Beschäftig-en im Justizressort beobachten. Der Bundesjustizminis-erin ist es dennoch nicht gelungen, diesen Aufgabenzu-achs mit einem angemessenen Personalzuwachs zuegleiten. Das ist den ohnehin stark belasteten Beschäf-
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tigten in der Justiz nicht zuzumuten, und es tut auf Dauerauch der Aufgabenerledigung nicht gut.Ein Bereich, in dem der Haushaltsplan einen Perso-nalzuwachs vorsieht, ist das Bundesjustizamt. Hier sol-len 99 neue Stellen für Mitarbeiter geschaffen werden,die sich um die Beitreibung von im europäischen Aus-land verhängten Bußgeldern kümmern sollen. Dass soetwas jetzt überhaupt möglich wird, ist sicher ärgerlichfür manchen Urlaubsraser, der bisher ungeschoren da-vongekommen ist. Im Hinblick auf die notorisch klam-men öffentlichen Kassen ist es aber vielleicht nichtfalsch.
– Darauf komme ich gleich zu sprechen.Doch während es in jeder Kommune eine Selbstver-ständlichkeit ist, dass die eingetriebenen Bußgelder zu-nächst genutzt werden, um die Kosten für die zu diesemZweck eingesetzten Ordnungshüter und Politessen zu fi-nanzieren, gilt das für den Bundeshaushalt erstaunlicher-weise nicht.
Was jeder schwäbischen Hausfrau einleuchtet, gilt beimUmgang mit dem schwäbischen Chefhaushälter offenbarnicht. Frau Leutheusser-Schnarrenberger bezahlt dasPersonal, und Herr Schäuble kassiert die Einnahmen.Herr Kollege Toncar, dass ausgerechnet Sie die Ein-sparung im Justizhaushalt vorhin als positiv hervorgeho-ben haben, finde ich tatsächlich bemerkenswert. Bisherbin ich davon ausgegangen: Wir müssen Ihre Justiz-ministerin vor den Kollegen der CDU/CSU schützen.
Jetzt merke ich, dass man sie vielleicht auch vor ihren ei-genen Parteifreunden in Schutz nehmen muss.
Wenn wir heute über den Haushalt reden, können Sievon der Opposition mit Recht erwarten, dass wir nichtnur die Regierung kritisieren – dazu gibt es ja, wie wiralle gesehen haben, reichlich Grund –, sondern dass wirauch konstruktive Vorschläge für mögliche Einsparun-gen machen. Da ich nicht nur Mitglied des Rechtsaus-schusses, sondern auch religionspolitischer Sprechermeiner Fraktion bin, bietet es sich an, dass ich Ihnen ei-nen Einsparvorschlag unterbreite, der gleich beide Be-reiche betrifft.Sparen Sie eine Norm im Strafgesetzbuch ein! Strei-chen Sie den „Gotteslästerungsparagrafen“ 166 StGBund ersparen Sie uns eine unnötig lange Debatte da-rüber! Nach den Aussagen der meisten Fraktionen voreinigen Monaten müsste in diesem Haus eigentlich einbreiter Konsens darüber bestehen, dass dieser Paragrafnicht nur veraltet und überflüssig ist, sondern in seinerpraktischen, höchst einseitigen Handhabung das Zusam-menleben der verschiedenen Religionen unnötig belas-tet.WsaWhgeZGkissbrbErrgztMKdsshcEmbSdcDefüddae
ein Wunder, dass sich unter den Stiftungsmitgliedernie Bundesverbände der deutschen Banken, der deut-chen Industrie und der deutschen Versicherungswirt-chaft finden! Deren Interesse in allen Ehren, aber wasaben Mittel für diesen Verein im Bundeshaushalt zu su-hen?Ich finde auch in diesem Punkt den missionarischenifer der Bundesregierung völlig unangemessen. Nie-and bestreitet Ihnen das Recht, an die Vorzüge einesestimmten Wirtschaftssystems zu glauben – glaubenie, was Sie wollen –; aber verschonen Sie bitte den Rester Welt mit Ihren ideologischen Beglückungsversu-hen!Vielen Dank.
Jerzy Montag hat das Wort für Bündnis 90/
ie Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-hrte Frau Ministerin, gestern jährte sich ein Datum, dasür die Rechtspolitik in Deutschland von einer ganzberragenden Bedeutung ist: Gestern vor 75 Jahren sindie Nürnberger Gesetze erlassen worden. Ich finde, dasseutsche Rechtspolitik heute und auch in Zukunft diesls Mahnung und Auftrag begreifen soll: dass Gesetze ininem demokratischen Gemeinwesen nicht schon dann
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Jerzy Montag
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Recht sind, wenn sie auf formal korrektem Weg zustandegekommen sind – das ist notwendig –; vielmehr müssenGesetze auch die Menschenrechte, die Grundrechte ach-ten, und sie müssen dem Grundsatz der Menschenwürdejedes einzelnen Menschen verpflichtet sein.
Ich wollte deswegen darauf hinweisen, weil ich überdie Sicherungsverwahrung reden will, die ja die Natio-nalsozialisten ins deutsche Recht im Jahre 1933 einge-führt haben.
Heute stehen wir in einer Debatte, in der ich für meineFraktion sagen kann und muss: Wir brauchen die Siche-rungsverwahrung. Es gibt leider einige wenige Men-schen, die für andere eine so aktuelle und große Gefahrsind, dass wir potenzielle Opfer nicht anders schützenkönnen als dadurch, dass diesen Menschen die Freiheitentzogen wird. Aber wenn wir das tun und uns grund-sätzlich dazu bekennen, dann müssen wir ganz beson-ders prüfen, ob die Regelungen zur Sicherungsverwah-rung an den Grundsätzen der Menschenrechte, derGrundrechte und der Menschenwürde ausgerichtet sind.
Den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Deutsch-land hat der Europarat bereits Ende 2005 als einen Ver-stoß gegen die Europäische Menschenrechtskonven-tion gerügt. In den Ländern hat sich jedoch beimVollzug nichts geändert. Dann hat im Dezember des Jah-res 2009 der Europäische Gerichtshof für Menschen-rechte eine ganz bestimmte, konkrete Ausgestaltung derSicherungsverwahrung – die Einzelheiten kennen dieFachleute hier im Kreise – als einen Verstoß gegen dieMenschenrechte erachtet; das betraf übrigens eine Rege-lung, die Schwarz-Gelb im Januar 1998 eingeführt hat.Was hören wir nun – das halte ich für unglaublich –aus den Reihen der Rechtspolitiker der Union? Derrechtspolitische Sprecher erklärt in der ZRP, dieses Ur-teil sei ein Anschlag auf das demokratisch legitimierteStrafrechtssystem der Bundesrepublik Deutschland. DerKollege Dr. Uhl fordert öffentlich dazu auf, das Urteilnicht zu beachten. Meine Damen und Herren, so geht esnicht!
Wir sind Signatarstaaten der Europäischen Menschen-rechtskonvention. Wir sind stolz darauf, 60 Jahre dabeizu sein. Wir sind stolz darauf, dass wir beim Kampf umMenschenrechte immer in der ersten Reihe gestandenhaben.Wenn uns der Europäische Gerichtshof für Men-schenrechte sagt, eine bestimmte Regelung sei men-schenrechtswidrig, dann ist es unsere Pflicht, darauf zureagieren. Wie sollten wir darauf reagieren? Indem wirdiesen Missstand, der ja ein gesetzlicher ist, auch gesetz-lich beheben! Darauf warten wir jetzt seit einem Jahr.Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von derUdvvSsbdbgllvbrCgssGncmhvdsdwgervdrnodlSSr
Der Kollege Stephan Mayer hat jetzt das Wort für die
DU/CSU-Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-innen und Kollegen! Rechtspolitik ist immer auch Ge-ellschaftspolitik; denn sie wird von der gesamten Ge-ellschaft wahrgenommen und betrifft die gesamteesellschaft. Es gibt wahrscheinlich keinen Bereich in-erhalb der Justizpolitik, der so im Zentrum der öffentli-hen Wahrnehmung steht wie die Strafrechtspolitik. Ichöchte auf Aspekte eingehen, die meines Erachtensöchste Priorität haben.Ein Aspekt ist die schon eben erwähnte Sicherungs-erwahrung. Kollege Montag, ich bin Ihnen dankbar,ass Sie zum Ausdruck gebracht haben, dass Sie das In-titut der Sicherungsverwahrung für richtig halten undaran festhalten wollen. Sie können sich sicher sein: Wirerden nicht nur Konzepte und Eckpunktepapiere vorle-en; die christlich-liberale Koalition wird alsbald auchin fundiertes Gesetzespaket vorlegen, um so den Be-eich der Sicherungsverwahrung effektiv und vor allemerfassungsgemäß zu regeln. Ziel muss es sein, dassiese Regelung verfassungsgemäß und auch menschen-echtskonform ist. Ich sage Ihnen aber auch: Das darficht das einzige Ziel sein.Ein weiteres Ziel muss sein – dafür sind wir als Abge-rdnete des Deutschen Bundestages verantwortlich –,ass eine Regelung geschaffen wird, die absolut gewähr-eistet, dass höchst gefährliche Gewaltstraftäter undexualstraftäter keine Gefahr mehr für die öffentlicheicherheit darstellen, dass sie keinen Schaden mehr an-ichten, dass sie beispielsweise keine Mädchen mehr
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6240 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Stephan Mayer
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vergewaltigen können. Ich bin mir sicher, dass dieGrundlage, die mittlerweile durch das gemeinsame Pa-pier des Bundesinnenministers und der Bundesjustizmi-nisterin geschaffen wurde, die richtige Basis für die wei-teren Verhandlungen sein wird.
Herr Kollege, möchten Sie die Frage von Herrn
Montag zulassen?
Selbstverständlich. Sehr gerne.
Bitte schön.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Mayer, für Ihre Aus-
führungen. – Jetzt habe ich auch von Ihnen gehört, dass
Sie bei der generellen Reform die Sicherungsverwah-
rung auf schwerste Gewaltdelikte und schwere Sexual-
straftaten begrenzen wollen. Dies hat die Ministerin in
ihrer Eingangsrede heute ebenfalls gesagt. Sie ist vonsei-
ten der SPD dafür gelobt worden.
Der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeri-
ums soll die Grundlage dieser generellen Reform wer-
den.
– Aber nicht zu den Altfällen, Herr Kollege; zu den Alt-
fällen gibt es nichts. – In diesem Diskussionsentwurf ist
die Sicherungsverwahrung entgegen den Aussagen von
heute nicht auf Gewaltstraftaten und auf schwere Sexu-
alstraftaten begrenzt, sondern umfasst auch andere Straf-
taten. Stimmen Sie meiner Einschätzung zu, oder bedeu-
tet Ihr Beitrag von heute, dass der Diskussionsentwurf in
diesem Punkt geändert wird?
Lieber Herr Kollege Montag, ich sage Ihnen in allerDeutlichkeit, dass mein Fokus auf dem Bereich der Ge-waltstraftäter und vor allem der Sexualstraftäter liegt.Wir haben in Deutschland derzeit ungefähr 500 Perso-nen, größtenteils Männer – diese Zahl nenne ich zur Ver-deutlichung –, die in Sicherungsverwahrung sind. 100davon sind nach dem Urteil des Europäischen Gerichts-hofs für Menschenrechte vom 17. Dezember letzten Jah-res von der sogenannten Altfallregelung betroffen. Zual-lererst auf diesen Personenkreis muss unser Augenmerkgerichtet sein.Wir brauchen eine verlässliche, verfassungs- undmenschenrechtskonforme Regelung, mit der dauerhaftgewährleistet ist, dass von diesem Täterkreis in Zukunftkeine Gefahren mehr ausgehen können. Was die Siche-rungsverwahrung angeht, muss der Fokus auf Sexual-straftätern und nicht auf Serienbetrügern und ähnlichenKriminellen liegen. Ich glaube, das sind wir den Bürge-rinnen und Bürgern in Deutschland schuldig.lBMcsSirdAdttGdvsFdSgZnz2lnugEesddwbwtolmssgdlkdekdgaf
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zen und Kreditkartenbetrug betreiben. Der Präsident desBKA hat im Rahmen seiner Pressekonferenz vom6. September 2010 deutlich gemacht, dass es sich mitt-lerweile um ein hochprofessionelles Geschäft handelt.Es gibt außerhalb Deutschlands hochprofessionelle undhochkriminelle Banden, die den Kreditkartenbetrug undden Missbrauch von Benutzernamen, Passwörtern undBankverbindungen gewerbsmäßig betreiben. Dem müs-sen wir uns zuwenden.Besorgniserregend ist nicht nur der Anstieg der Zahlder Straftaten im Internet, sondern auch, dass es immerschwieriger wird, diese Straftaten aufzuklären. Vor demUrteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Vorrats-datenspeicherung war es noch möglich, 800 von 1 000Verdächtigen zu ermitteln. Nach diesem Urteil – das istnicht meine Aussage, sondern die von Herrn Ziercke vom6. September 2010 – ist es nur noch möglich, etwa 7 von1 000 Verdächtigen zu ermitteln. Es muss jedem ein-leuchten, dass wir hier effektive Regelungen brauchen.Wir brauchen eine Verbindungsdatenspeicherung. DieseForderung bezieht sich nicht nur auf Kinderpornografieim Internet, sondern auch darauf, dass es einen galoppie-renden Anstieg der Zahl der Straftaten im Internet gibt.Diese Straftaten können nur ermittelt werden, wenn dasBKA und die Ermittlungsbehörden auf die Verbindungs-daten zurückgreifen können. Ich appelliere deshalb analle in diesem Hause, dieser wichtigen Regelung schnellnäher zu treten.Ich danke ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
Die Kollegin Dr. Eva Högl hat jetzt das Wort für die
SPD.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Frau Ministerin, es ist jetzt an der Zeit, dieBürgerrechte stärker in den Blick zu nehmen. Damitmöchte ich beginnen. Herr Kollege Grosse-Brömer, wirbrauchen weniger Sicherheitsfanatiker. Wir brauchenüberhaupt weniger Fanatismus in dieser ganzen Debatte.
Was wir stattdessen brauchen, ist eine vernünftige Ba-lance zwischen Sicherheit und Freiheit. Darum geht es.Da haben wir jetzt eine echte Chance.Ich will ein Beispiel nennen, das vielleicht ein biss-chen ungewöhnlich ist; aber ich sehe es so. Wir habenbei der Debatte um das SWIFT-Abkommen gesehen,dass es möglich ist, die Bürgerrechte stärker zu veran-kern, als viele zu Beginn der Verhandlungen gedachthätten, und dass man sogar mit den USA – wenn ich dasso sagen darf – über Datenschutz verhandeln und Ver-besserungen erreichen kann.
AsweBdrSsFbzwssdswsBdambHSfsWgkiSAdlskAswoeddwBMnd
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eigene Akzente und eine klare Vorstellung davon, wasdie Koalition in diesem Bereich zu tun gedenkt.Damit komme ich zum Stichwort „Europa“. Ich willkurz ansprechen, dass wir mit der Grundrechte-Chartaund dem Stockholmer Programm jetzt gute Grundlagenfür mehr Bürgerrechte in ganz Europa haben. Auch hiermüssen wir engagiert auftreten. Frau Ministerin, ich willkurz sagen, dass wir es mit einer sehr engagierten Vize-präsidentin der Europäischen Kommission zu tun haben– wir werden sie morgen in Berlin treffen –, die sichnicht die Butter vom Brot nehmen lässt, sondern klareInitiativen anstößt, deutliches Engagement zeigt undsehr durchsetzungsstark ist. Ich wünsche mir auch vonunserer Bundesjustizministerin, dass sie so kämpferischauftritt. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ich habe diedringende Bitte, dass Sie in Europa gestalten und sicheinbringen. Treten Sie nicht auf die Bremse! Setzen Sienicht nur das durch, was nach deutschem Recht ohnehinmöglich ist!Frau Ministerin, in den verbleibenden Sekundenmöchte ich noch ein Thema ansprechen, das mir sehr amHerzen liegt: Menschenhandel. Dabei handelt es sichum das abscheulichste Verbrechen, das man sich vorstel-len kann. Wir haben hier im Großen und Ganzen guteRechtsgrundlagen; aber ich habe zwei Bitten:Erstens. Ratifizieren Sie endlich die Konvention desEuroparates zum Menschenhandel! Das ist dringend er-forderlich; hier haben wir Handlungsbedarf. Wir müssenuns engagiert in die Diskussion um die neue Richtlinieeinbringen, die die Kommission vorgelegt hat. Wir müs-sen sie noch verbessern.Zweitens. Ich möchte Ihr Augenmerk auf § 233 Straf-gesetzbuch richten, den wir 2005 eingeführt haben. Esmuss genau untersucht werden, ob er tatsächlich dabeihilft, Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung derArbeitskraft zu bekämpfen, oder ob er zu überarbeitenist. Ich bitte Sie inständig, sich dieses wichtigen Themasgestaltend anzunehmen.Ich fordere Sie auf: Seien Sie mutig! Setzen Sie sichgegen Ihren Kollegen durch! Gestalten Sie Europa undDeutschland in der Rechtspolitik! Dann haben Sie auchunsere Unterstützung.Herzlichen Dank.
Alexander Funk hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Justiz-etat hat mit Ausgaben in Höhe von rund 486 MillionenEuro einen relativ geringen Anteil am Gesamthaushaltdes Bundes. Trotzdem hat er eine enorme Bedeutung fürunsere Demokratie und für eine sichere Rechtsstaatlich-kdBA2etdLvhdsAWsarZgrbhwszklkzhrzAhpedfsodhesseJDH
Wir müssen intelligent sparen. Deshalb werden wir inen Haushaltsberatungen alle Sparvorschläge exakt prü-en. Dazu gehören auch Stelleneinsparungen beim Deut-chen Patent- und Markenamt. Es stellt sich die Frage,b diese Einsparungen wirklich sinnvoll sind. Die Be-eutung des Deutschen Patent- und Markenamtes wirdäufig unterschätzt. Die Bundesrepublik Deutschland istin rohstoffarmes Land. Es ist ein Land der Ideen. Un-ere wichtigste Ressource ist die Kreativität der Men-chen. Hierfür ist das Deutsche Patent- und Markenamtin Spiegelbild. Trotz der Krise wurden im vergangenenahr rund 60 000 Erfindungen zum Patent angemeldet.ie rund 2 700 Mitarbeiter sorgen für Einnahmen inöhe von 293 Millionen Euro. Nach dem jetzigen Haus-
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Alexander Funk
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haltsentwurf ist auch dieses Amt von Stelleneinsparun-gen betroffen. Das werden wir in den Haushaltsberatun-gen kritisch durchleuchten; denn dort gibt es einenBearbeitungsstau. Wir wissen alle, dass schnelle Verfah-ren für unsere Wirtschaft wichtig sind.
Trotz aller Spardiskussionen wollen wir dort, wo essinnvoll ist, Schwerpunkte setzen. Ich komme zumThema „Dunkelfeld“, das heute in der Debatte bereitsangesprochen wurde, allerdings in unangemessener, po-lemischer Wahlkampfrhetorik. „Dunkelfeld“ ist deutsch-landweit die erste Initiative, die auf den Umgang mitpädophilen sexuellen Störungen ausgerichtet ist. DieseInitiative setzt auf Prävention. Sie bietet Menschen Hilfean, die sich selbst als Gefahr wahrnehmen und sich zumSchutz der Kinder um eine Therapie bemühen. Das Zielist, die Nutzung von Kinderpornografie einzudämmen,um sexuellem Missbrauch vorzubeugen. Wir halten dasfür ein sehr sinnvolles und sehr wichtiges Projekt. ImJahr 2007 hat die damalige Justizministerin Zypries dasProjekt vor dem Aus gerettet. Ich bin sowohl ihr als auchder jetzigen Justizministerin dankbar, dass sie hinter die-sem Projekt stehen und sich klar zu diesem Projekt be-kennen. Die Justizministerin möchte das Projekt aus-bauen und eine zentrale Koordinierungsstelle einrichten,die dafür sorgen soll, dass das Projekt bundesweit etab-liert wird.Die Mittel, die jetzt im Haushaltsentwurf stehen, rei-chen aus, um die Therapie fortsetzen zu können. DieMittel für die Koordinierungsstelle müssen in den Haus-haltsberatungen noch sichergestellt werden. Dafür sageich meine Unterstützung zu. Ich gehe sogar noch einenSchritt weiter. Leider läuft die ForschungsförderungEnde 2010 aus. Damit würde die wissenschaftliche Be-gleitung der Therapie wegfallen, was misslich ist, weildie Einblicke in das Dunkelfeld mittlerweile auf einerweltweit einmaligen Stichprobengröße basieren. Geradediese Daten liefern praxisrelevante Erkenntnisse für diePrävention gegen sexuellen Missbrauch, wie mir Pro-fessor Beier ausführlich dargelegt hat. Insofern solltenwir nach Möglichkeiten suchen, die Forschungsförde-rung zu verlängern. Jeder Euro, der dazu beiträgt, dassein Kind nicht Opfer sexueller Gewalt wird, ist ein gutinvestierter Euro.
Uns stehen sicherlich spannende Haushaltsberatun-gen bevor. Ich bitte alle um konstruktive Mitarbeit.Vielen Dank.
Damit ist die Aussprache zu diesem Einzelplan been-det.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums des Innern, Einzelplan 06.MnlIlEFvzaSsoismusdsZgALddkdedgmhHlddtnnIKe
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizièresondern auch einen Orientierungskurs über Geschichte,Recht und Kultur in Deutschland.Der Haushaltsentwurf 2011 sieht – trotz der sonstzum Teil unvermeidlichen Haushaltskürzungen – fürdiese Integrationskurse den gleichen Ansatz in Höhe von218 Millionen Euro vor wie der Haushalt für dieses Jahr.Dies wurde auch durch eine Hilfe aus dem Bildungsbe-reich von Frau Kollegin Schavan möglich, wofür ichdankbar bin.Rund 30 Prozent der Verpflichteten nehmen an diesenKursen nicht über die gesamte Dauer oder gar nicht teil.Darüber müssen wir in Deutschland offen reden. Wir ha-ben Sanktionen. Sie reichen von der Verhängung einesBußgelds über die Kürzung des SGB-II-Satzes bis hin zuder Möglichkeit der Veränderung des Aufenthaltsstatusund Ausweisung.
Wir haben hier überwiegend kein Gesetzesproblem, son-dern ein Vollzugsproblem.
– Herr Wieland, ich freue mich, wenn wir uns darübereinig sind.
Die Anwendung obliegt im Wesentlichen den600 Ausländerbehörden in Deutschland. Die Frage, ob,in welchem Umfang und warum nicht von solchen Sank-tionsmöglichkeiten Gebrauch gemacht worden ist,werde ich versuchen zu beantworten. Ich werde dies beider nächsten Innenministerkonferenz im Gespräch mitmeinen Kollegen zum Gegenstand machen und danngerne die Öffentlichkeit darüber unterrichten.
Zum Thema der öffentlichen Sicherheit. Deutsch-land bleibt eines der sichersten Länder der Welt. Diepolizeilich registrierte Kriminalität ist und bleibt rück-läufig. Dennoch gibt es eine Reihe von Entwicklungen,die mir Sorgen machen. Wir können sie aus Zeitgründenhier jetzt nicht im Einzelnen und umfänglich bereden.Über das Thema Gewalt war eben schon gesprochenworden. Ich nenne die Themen organisierte Kriminalität,Terrorismus und Internetkriminalität.Bezüglich des Terrorismus bestätigen auch jüngereBeobachtungen unserer Sicherheitsbehörden: Der inter-nationale Terrorismus stellt nach wie vor eine ernst zunehmende Bedrohung für die Sicherheit unseres Landesund das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger dar. ImFokus unserer Sicherheitsbehörden befinden sich knappüber 1 000 Personen, über die sicherheitsrelevante Hin-weise und Erkenntnisse vorliegen. 130 Personen davonwerden als sogenannte Gefährder eingestuft, knapp280 als sogenannte relevante Personen. Dass sich nähereöffentliche Informationen darüber verbieten, liegt in derNvNÜeSrzrs2–vfwrADwcdWe–kAisfZWesfDfuDsRtFv
Besondere Sorge bereitet mir die Entwicklung im Zu-ammenhang mit der Internetkriminalität. Im Jahr009 haben wir im Bereich der engeren IuK-Kriminalität Herr Mayer hat darauf hingewiesen – einen Anstiegon rund einem Drittel zu verzeichnen. Kinderpornogra-ie, Bot-Netze und Wirtschaftskriminalität sind da Stich-orte. Eines ist jedoch klar: Ohne die notwendigenechtlichen Befugnisse machen wir den Ermittlern ihrerbeit teilweise fast unmöglich.
eswegen halte ich es für zwingend erforderlich, dassir uns rasch auf eine Neuregelung der Mindestspei-herungsfristen für Telekommunikationsverbindungs-aten einigen.
enn man einen neuen Begriff findet, ist das vielleichtin Weg zu einem neuen Denken.
Mit wem wir uns einigen, können Sie sich doch den-en.
ber dass wir alle Debatten, die wir zu führen haben – esst auch kein Geheimnis, dass wir sie führen –, in Anwe-enheit der Öffentlichkeit vor dem Deutschen Bundestagühren, das werden Sie jedenfalls bei mir nicht erleben.Freiheit und Sicherheit sind elementare Werte unseresusammenlebens, auch im Internet. Wir müssen dieseerte auch im Internet sicherstellen. Das Internet istine kritische Infrastruktur wie die Strom- und Was-erversorgung. Das hat erhebliche Folgen. Kritische In-rastrukturen müssen zuverlässig zur Verfügung stehen.ies ist auch eine Aufgabe der Daseinsvorsorge der öf-entlichen Hand. Was das im Einzelnen bedeutet, wirdns in den nächsten Jahren noch intensiv beschäftigen.aran arbeiten wir: sichere Regierungsnetze, europäi-che Zusammenarbeit, Abwehr von Angriffen auf dasegierungsnetz und andere Angriffe, die Bot-Netz-Ini-iative, der neue Personalausweis, das De-Mail-Gesetz.Das Internet ist ein sehr freiheitliches Medium. Diesereiheit müssen wir bewahren und schützen, und zwaror einzelnen Unternehmen, die ihre Marktmacht aus-
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Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizièrespielen wollen, ebenso wie vor dem individuellen Miss-brauch durch Kriminelle. Es gibt eine breite Debatte umdie zentralen Zukunftsfragen unserer Informationsge-sellschaft.Meine Damen und Herren, Google Street View ist nurein Wimpernschlag im Internetzeitalter. Es geht nichtnur um Fassaden und öffentliche Plätze. Es werden neueDienste entwickelt und Verknüpfungen hergestellt, dieeine weit größere Auswirkung auf das Leben des Einzel-nen haben als die reine Abbildung von Häuserfassaden.Gefragt sind Nüchternheit und Klarheit beim Blick aufdie Chancen und auf die Risiken.Wir müssen darauf achten, dass wir mit einer gesetz-geberischen Reaktion nicht die Maßstäbe verrücken.Alles, was wir tun, muss vor dem Hintergrund der inter-nationalen Entwicklungen auch durchsetzbar sein. Wirbrauchen deswegen eine angemessene Balance zwischenOffenheit für Informationen, für Innovationen, für dasoffensichtliche Informationsinteresse der Bürger, aberauch für den Schutz der Privatsphäre und legitimer Si-cherheitsinteressen.Am kommenden Montag werden wir bei einem vonmir initiierten Treffen Eckpunkte für künftige Regelun-gen beraten, welche alle Geodaten und vor allem ihreVerknüpfung im Internet in den Blick nehmen.Vorhin war vom Beschäftigtendatenschutz die Rede.Die Regierung hat einen Gesetzentwurf zur Regelungdes Beschäftigtendatenschutzes beschlossen. Damit istdieser Bundesregierung etwas gelungen, was vielenBundesregierungen zuvor nicht gelungen ist.
Der Gesetzentwurf schafft einen angemessenen Aus-gleich zwischen den berechtigten Interessen der Arbeit-nehmer und den berechtigten Interessen der Arbeitgeber.Er dient auch einem effektiven Betriebsablauf und derKorruptionsbekämpfung. Wir werden diesen Gesetzent-wurf hier noch beraten und dann Gelegenheit haben,ausführlich darüber zu diskutieren.Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr bietet dieFrauenfußballweltmeisterschaft unserem Land wiederdie Gelegenheit, sich als guter Gastgeber zu präsentie-ren, und unsere Frauen sind ganz gut drauf.Genau dasselbe wünsche ich mir für die OlympischenWinterspiele 2018 – möglichst in München. Die Bewer-bung Münchens um die Ausrichtung der Spiele findetunsere volle Unterstützung. Katarina Witt ist ein Glücks-fall für diese Bewerbung. Ich bitte den Deutschen Bun-destag, wie bisher die Bundesregierung, die Stadt Mün-chen und den Freistaat Bayern bei der Bewerbung umdiese Olympischen Winterspiele zu unterstützen.
In diesem Jahr feiern wir den 20. Geburtstag der deut-schen Einheit. Demnächst werden wir im Kabinett denJahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit be-schließen und der Öffentlichkeit vorstellen. Dann wirdsd–rBnuezITpdMdhucshiIHSFJwgwszt
Warum nicht alle? Warum können wir nicht alle da-über diskutieren?
Es dürfen alle Abgeordneten kommen, wenn wir den
ericht zur deutschen Einheit diskutieren.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
ern:
Das wäre schön. Darin sind die Präsidentin und ich
ns vollkommen einig. Wenn wir bei dieser Diskussion
in volles Haus hätten, wäre das schön.
Ich will jetzt keine Einzelheiten zu dem Bericht und
u der Entwicklung der vergangenen 20 Jahre nennen.
ch will nur zwei Punkte zum Schluss sagen. Bei allen
urbulenzen und Debatten, die wir haben, sollten wir im
olitischen Tagesgeschäft hin und wieder auch – und
azu boten die vergangenen Tage einen Anlass – an den
ut und die Tatkraft von Menschen wie Bärbel Bohley
enken. Dann können wir vielleicht, wenn wir uns zag-
aft und schüchtern fühlen, manches zurückstellen und
ns vornehmen, schwierige Dinge gemeinsam anzupa-
ken.
Das Zweite. Unsere Nationalhymne hat einen sehr
chönen Eingangsvers: „Einigkeit und Recht und Frei-
eit“. Das betrifft nicht nur die deutsche Einheit, sondern
st für die Bundesregierung, für den Bundesminister des
nnern und hoffentlich für uns alle auch ein konkreter
andlungsauftrag, über den Haushalt hinaus.
Herzlichen Dank.
Der Kollege Olaf Scholz hat jetzt das Wort für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibtragen, die von den beiden Verfassungsressorts, demustiz- und dem Innenministerium, gemeinsam bewältigterden müssen. Über ein solches Thema haben wir ebenesprochen: darüber, wie wir bei der Sicherungsver-ahrung eine neue Regelung zustande bekommen. Ichage ausdrücklich, dass die Dauer des Diskussionspro-esses zwischen den beiden Ressorts mittlerweile die er-rägliche Zeitschwelle überschritten hat.
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6246 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Olaf Scholz
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Es hätte längst ein Gesetzentwurf vorgelegt werdenmüssen, den wir dann im Bundestag hätten beraten kön-nen. Aber der Prozess dauert zu lange, obwohl wir genauwissen, dass hier etwas getan werden muss. Deshalb ha-ben wir als sozialdemokratische Fraktion der Regierungangeboten, bei der Erarbeitung der Regelungen, die not-wendig sind, schnell zu helfen. An einer Stelle haben wirunsere Bereitschaft, uns zu beteiligen, gemeinsam mitvielen anderen schon bewiesen, indem wir nämlich dieDivergenzvorlage ermöglicht haben, mit der vermiedenwerden soll, dass all diese Straftäter aufgrund sehr unter-schiedlicher Praktiken aus den Gefängnissen entlassenwerden.Uns geht es um das gesamte Vorhaben. Das giltselbstverständlich für die Vorschläge zu einer Neurege-lung, die eingangs von der Justizministerin gemachtworden sind und die vom Kabinett getragen werden. Esgilt aber auch für die Frage: Wie gehen wir mit dem Pro-blem der sogenannten Altfälle um?Das, was die Regierung jetzt vorgeschlagen hat, ist– ich glaube, das wissen auch die Beteiligten – ein Rittauf Messers Schneide. Es ist gefährlich und kann auchmisslingen. Trotzdem hat Ihnen unsere Fraktion zuge-sagt: Wir wollen, wenn es geht, gerne helfen und diesenWeg mit Ihnen gemeinsam gehen. Aber wir brauchen ei-nen Gesetzentwurf, den wir prüfen können. Denn eskann sein, dass man zwar einen guten Einfall hatte, die-ser am Ende, wenn man ihn in gesetzgeberische Wortefassen muss, aber nicht funktioniert.Es kann nicht angehen, dass es noch länger dauert, bisSie einen Gesetzentwurf vorlegen. Jetzt hieß es, es dau-ert noch bis Dezember oder sogar länger. Es muss jetztein Gesetzentwurf her. Wir versprechen Ihnen, alles zutun, was dazu beiträgt, dass in diesem Haus und im Bun-desrat eine schnelle Beratung erfolgen kann. Wir brau-chen nämlich schnell ein neues Gesetz, das endlich diealten ersetzt.
Es gibt ein zweites Vorhaben, bei dem beide Verfas-sungsressorts gefragt sind, bei dem sie allerdings nichtaufgepasst haben. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstel-len, dass der Vertrag, den die Regierung mit der Atom-wirtschaft geschlossen hat, die Billigung beider Verfas-sungsressorts gefunden hat. Es gibt zu viele Fragen, diemit diesem Vertrag verbunden sind, die seine verfas-sungsrechtliche Zulässigkeit thematisieren.Dabei geht es um solch einfache Fragen wie: Wirddas Kopplungsverbot missachtet? Sind hier nicht Rege-lungen, die nur durch Gesetz oder hoheitliches Handelngetroffen werden dürfen, in einen Vertrag gegossen undmit Gegenleistungen versehen worden, die man als de-mokratischer Staat nicht hätte geben dürfen? Außerdemgeht es um das Prinzip der Wesentlichkeit: Kann manwirklich akzeptieren, dass solche Regelungen nicht vomParlament, sondern in einem Vertrag getroffen werden?
st es nicht notwendig, dass man die Regelungen, diean will, in einem Gesetz trifft? Bei diesen Fragen re-en Sie sich zu leicht und übrigens auch zu irre lachend,enn ich das dazusagen darf,
it dem Hinweis auf den alten Vertrag heraus. Denn da-in waren nur Regelungen getroffen, die als Begleitungür die gesetzlich geregelten Umstände zu verstehen wa-en.
as, was wir heute vorfinden, hat es damals nicht gege-en.
Wir müssen uns wirklich fragen, ob das so geht. Sieollten nicht den Respekt der Bevölkerung unseres Lan-es vor der Verfassung riskieren, weil Sie etwas be-chließen, das offensichtlich kurze Zeit später vor demundesverfassungsgericht scheitern wird.
Vergessen Sie auch nicht, dass die Atomenergie ge-ährlich ist, wie auch immer man das politisch bewertet.edenfalls gibt es eine Schutzpflicht des Staates, dieicht einfach durch einen Vertrag geregelt werden kann.ch habe große Zweifel an der Zulässigkeit dieses Vertra-es, und ich bitte die Verfassungsressorts, sich dazu zuußern.
Meine Damen und Herren, das Thema Integration istetzt in aller Munde, und das ist fast schon das Problem.atürlich ist es richtig, dass darüber gesprochen wird;ber viel wichtiger, als dass wir reden, ist, dass wir han-eln. Wenn man das mitbekommt, was hier gegenwärtigtattfindet, dann hat man in vielen Fällen den Eindruck,ass zwar geredet wird, dass das aber mit den Handlun-en, die hinterher stattfinden, nichts zu tun hat. Dannird man sehr schnell unehrlich. Zudem ist es gefähr-ich, wenn Reformvorschläge, die eigentlich vernünftignd richtig sind, nur gemacht werden, damit die Ressen-iments, die man in Wahrheit vortragen möchte, einenozialadäquaten Rahmen bekommen.Deshalb sage ich: Ich bin mit dem, was wir hier hö-en, nicht einverstanden. Überall wird gesagt: „Deutschu lernen, ist wichtig“, was richtig ist; aber gleichzeitigird die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen,n allen Verantwortungsbereichen der Bundesregierungrschwert und nicht verbessert. Das ist das, was gegen-ärtig stattfindet.
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Olaf Scholz
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Wir haben vor kurzem die Mitteilung bekommen,dass es nicht mehr möglich ist, dass alle, die sich freiwil-lig melden, an Integrationskursen teilnehmen können.Das ist aber das, was wir eigentlich wollen: dass nichtnur diejenigen, die neu hierhin kommen, sondern auchdiejenigen, die bereits hier sind und Sprachprobleme ha-ben, gefördert werden.
Das wird ihnen aber verweigert, und darüber hinaus wirdgesagt, man müsse monatelang auf solche Kurse warten.Während wir also über mehr Deutschkurse reden, wer-den die Deutschkurse nicht in dem nachgefragten und er-forderlichen Maße angeboten. Das ist unehrlich, unse-riös und bei einem so wichtigen Thema auch nicht inOrdnung.
Es geht hier möglicherweise um 20 000 Menschen, diefreiwillig teilnehmen würden, dies aber aufgrund der fal-schen Haltung der Bundesregierung nicht können.Man vergesse auch nicht die Verknüpfung mit ande-ren Ressorts. Wir stellen fest, dass es Integrationsver-weigerer gibt, die aufgrund ihrer Möglichkeiten nichtauf dem Arbeitsmarkt klarkommen oder den Zugangvielleicht auch nicht suchen. Viel entscheidender istaber, dass man Angebote macht. Wie kann man die Mit-tel für die aktive Arbeitsmarktpolitik um Milliarden kür-zen, wie es diese Regierung will, und sich hinterhertrauen, eine Rede darüber zu halten, dass man mehr tunmuss, um die Leute aus der Situation von Unterbeschäf-tigung bzw. Nichtbeschäftigung zu befreien? Das ist un-ehrlich und unseriös, und dadurch wird Politikverdros-senheit gefördert.
Genau das alles tun Sie heute, und das ist ein sehr gro-ßes Problem, weil Sie dadurch dazu beitragen, dass wirnicht vorankommen. Wenn wir etwas wollen, dann müs-sen wir auch handeln.
Das gilt übrigens auch für manch andere Dinge, die beider Integrationspolitik eine zentrale Rolle spielen. Wirbeklagen die Situation mancher Frauen in Ehen, die hiernach erfolgter Migration geschlossen worden sind.Gleichzeitig kommen wir bei der Verbesserung desRückkehrrechts von Frauen, die Opfer von Zwangsehengewesen sind, nicht voran. Das ist unehrlich;
dsgFassdsaBwKdedmADudaGkndcWksgnuanfkmssluaDhmng
as wir hier ständig fordern, dann hat das auch eine guteonsequenz für euren Aufenthalt hier. – Es wäre richtig,as zu tun.
Daneben gibt es noch die leidige Geschichte der An-rkennung im Ausland erworbener Abschlüsse. Aucharüber ist schon viel geredet worden. Was man machenuss, ist der Bundesregierung auch von dem früherenrbeitsminister schon einmal vorgeschlagen worden.as haben die damals verantwortlichen Ressortministernd -ministerinnen – es sind immer noch die gleichen –amals nicht gewollt. Danach stand es so ähnlich im Ko-litionsvertrag, aber jetzt, nach einem Jahr, gibt es diesesesetz, das schon seit weit über einem Jahr fertig seinönnte, immer noch nicht. Wir brauchen ein Anerken-ungsgesetz, um deutlich zu machen, dass diejenigen,ie sich anstrengen, hierzulande auch eine gute berufli-he Chance haben.
ir brauchen also Taten – die durchaus anstrengend seinönnen.Folgendes möchte ich noch anmerken: Wenn managt, es müsse auch Sanktionen geben, während manleichzeitig alles dafür tut, dass man niemanden sanktio-ieren kann, dann ist das die doppelte Verstärkung vonnseriösen Argumentationen. Wer Sprachkurse nicht inusreichendem Maße anbietet, kann niemanden sanktio-ieren, weil er nicht teilnimmt, und wer die Arbeitsmarkt-örderung nicht so gestaltet, wie es notwendig ist, derann das ebenfalls nicht. Das ist also auch etwas, wasan hinterfragen muss: Wird das nur gesagt, damit es ge-agt worden ist oder damit wir das Land und unser Zu-ammenleben verbessern?Meine Damen und Herren, ich möchte noch eineetzte Bemerkung machen zur Frage der Internetnutzungnd zu der Frage, wie wir damit umgehen wollen. Nichtlles, was wir in den letzten Wochen und Monaten in derebatte zum Beispiel über Google Street View gehörtaben, ist wirklich zu Ende gedacht. Ich glaube, dassan klug handelt, wenn man dort nicht jeder Aufregungachgibt. Auch die Panoramafreiheit gehört zu den Din-en, die in unserem Land eine große Rolle spielen. Es
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Olaf Scholz
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kann nicht sein, dass etwas, was wir uns schon immer er-laubt haben, plötzlich verboten ist, nur weil es im Inter-net stattfindet.
Wenn man sich auf diese Dinge konzentriert, dann ge-schieht es ganz schnell, dass man die eigentlich wichti-gen Dinge vergisst; denn die große Gefahr ist doch dieVerknüpfung von Daten, die Möglichkeit, dass nicht nurdas Bild da ist, sondern dass wir auch noch herausfindenkönnen, wer da wohnt und welche Lebensgewohnheitener hat, und dass das alles ungefragt und ungewünscht ge-schieht. Das müssen wir verhindern, und darum müssenwir uns kümmern, aber nicht darum, ob ein Bild im In-ternet ist oder nicht. Das ist nicht die entscheidendeFrage; vielmehr ist die Verknüpfung von Daten ein wich-tiges Thema, bei dem wir gesetzgeberische Fortschrittebrauchen, und zwar ziemlich schnell.
Das Wort geht an den Kollegen Hartfrid Wolff für dieFraktion der FDP.
Hartfrid Wolff (FDP):Dank der öffentlichen Debatte um die Ausführungeneines bekannten Sozialdemokraten ist die Integrations-politik derzeit wieder in aller Munde. Manchmal wirdleider weniger über die Integration als über den Sozial-demokraten diskutiert.Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Wir wollen die Chancen der Zuwanderung in den Mittel-punkt rücken, statt ständig über die Probleme zu spre-chen. Die Koalition hat sich auf eine konsequente Steue-rung der Zuwanderung nach Deutschland und eineaktive Integrationspolitik geeinigt. Dabei muss der Zu-sammenhalt der durch Zuwanderer bereicherten zukünf-tigen deutschen Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. AusSicht der FDP müssen gerade die Betroffenen selbst be-reit sein, sich den Herausforderungen der Integration zustellen. Wer dauerhaft hier leben möchte, muss die ei-gene Integration aktiv voranbringen und die Chancen er-greifen.
Wir halten es nicht für unzumutbar, Deutsch zu lernenund das Rechtssystem zu kennen. Wir halten Zuwande-rer nicht für bemitleidenswerte und unfähige Menschen,denen nur mit Nachsicht oder Sozialhilfe begegnet wer-den kann.
Statt der Unkultur eines auf Dauer erniedrigenden Mit-leids und des Verzichts auf Integrationsforderungen, wiedDdWgweWgFMgurnEIETntrmkhWntpbJasJhr
ir brauchen eine Kultur der Anerkennung für diejeni-en, die es geschafft haben. Wir halten integrierte Zu-anderer mit ihren Erfahrungen und ihrer Kultur fürine große Bereicherung unserer Gesellschaft.
ir wollen noch weiter gehen, um Integrationsleistun-en zu unterstützen und zu honorieren. Dabei gehörenördern und Fordern zusammen.Wir haben trotz des allgemeinen Spardrucks – derinister hat darauf hingewiesen – die Mittel für die Inte-rationskurse aufgestockt
nd werden sie auch in Zukunft halten. In besonders he-ausragenden Fällen, bei denen Integration ausgezeich-et verläuft, wollen wir die Einbürgerung beschleunigen.inbürgerung ist für uns das Ziel und der Abschluss desntegrationsprozesses.
ine Einbürgerungsregelung allerdings, die von weiteneilen der Bevölkerung nicht akzeptiert wird, stärkt kei-esfalls die Akzeptanz von Migranten.Nach Auffassung von Rot-Rot-Grün sollen die Be-reffenden durch eine Doppelstaatsangehörigkeit gene-ell privilegiert werden. Die Abschaffung des Options-odells jetzt zu fordern, ist unverständlich, da wir nocheine verwertbaren Daten zur Verwendung des Gesetzesaben.
ir werden die Erfahrungsberichte auswerten und da-ach die rechtlichen Fragen prüfen. So ist es im Koali-ionsvertrag vereinbart; so werden wir es tun.
Aber einen Punkt möchte ich den Freunden der dop-elten Staatsangehörigkeit schon jetzt zu bedenken ge-en: Die Einführung des Optionsmodells vor einigenahren wurde zu Recht als Einstieg in das Jus soli undls Abkehr vom Jus sanguinis gefeiert. Wer die Doppel-taatsangehörigkeit fordert, stoppt die Hinwendung zumus soli; denn die Beibehaltung der Herkunftsstaatsange-örigkeit bedeutet die Beibehaltung des Abstammungs-echts.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6249
Hartfrid Wolff
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– Herr Wieland, denken Sie einfach in Ruhe darübernach! Lesen Sie es nachher noch einmal durch und den-ken Sie in aller Ruhe darüber nach!Alles, was in unserer freiheitlich-aufgeklärten Gesell-schaft als reaktionär gilt, wird bei Rot-Rot-Grün wiederhoffähig, wenn man ihm nur das Mäntelchen „Migra-tionshintergrund“ umhängt. Da muss man plötzlich frauen-feindliche Bekleidungssitten hinnehmen, Verständnis fürorientalische Machokultur aufbringen oder Vorstellun-gen zur Familienehre tolerieren, die in einer fortschrittli-chen Gesellschaft nur Unverständnis hervorrufen.Ich würde mir wünschen, dass die Rot-Rot-Grünenstatt Multikulti und Nachgiebigkeit ihre sonst so de-monstrativ zur Schau gestellte Fortschrittlichkeit geradein puncto Integration nachdrücklich einforderten.
Das bedeutet dann auch, dass für diejenigen, die sich derIntegration dauerhaft verschließen, die bestehendenSanktionsmöglichkeiten konsequenter als bisher ange-wandt werden. Dazu gehört, dass ethnisch-kulturelle Ab-sonderung nicht hingenommen wird. Dazu gehört, dassEltern in Verantwortung genommen werden, die die Bil-dung und Ausbildung ihrer Kinder schleifen lassen. DieDurchsetzung der Schulpflicht auch mit Bußgeldern ge-gen Eltern von Schulverweigerern ist bereits jetzt recht-lich möglich und muss auch konsequent durchgesetztwerden.
Toleranz gegenüber Tätern etwa bei der Zwangsheiratist fehl am Platz. Ein eigenständiger Straftatbestand zurBekämpfung der Zwangsheirat muss eingeführt werden.Es müssen aber nicht nur die Täter bestraft, sondernauch die Opfer unterstützt werden, etwa beim Rückkehr-recht für Zwangsverheiratete. Das werden wir auch tun.Wir wollen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus Zu-wandererfamilien alle Chancen eines weltoffenen Lan-des eröffnen und ihre gesellschaftliche, wirtschaftlicheund kulturelle Teilhabe ermöglichen – mit allen Rechtenund Pflichten. So wird der Zusammenhalt der gesamten,durch Zuwanderung bereicherten deutschen Gesellschaftgestärkt.Deutschland verändert sich. Die Bundesregierung ausUnion und FDP wird diese Veränderung gestalten.
Das Wort hat jetzt der Kollege Steffen Bockhahn von
der Fraktion Die Linke.
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Dann müsste er allerdings beim sogenannten Sparpa-et der Bundesregierung aufbegehren. Denn gerade inegionen mit vielen sozial Benachteiligten schlägt die-es sogenannte Sparpaket durch. Die Kürzungen beimohngeld und bei den Heizkosten für Hartz-IV-Empfän-er und die Streichung des Elterngeldes für diese Klien-el führen nämlich zu einem weiteren Kaufkraftverlustnd damit zu einer weiteren Schwächung des Wirt-chaftsstandortes. Als Ostminister müsste der Innen-
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Steffen Bockhahn
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minister wissen, dass dies nicht nur einige Regionen imWesten betrifft, sondern vor allem den gesamten Ostender Republik. Schon deshalb müsste er dem Sparpaketwidersprechen.
Sie fordern immer wieder und auch völlig zu RechtEinsparvorschläge von der Opposition. Sie behaupten,alle müssten in diesem Bundeshaushalt etwas dazu bei-tragen, dass Geld gespart werde könne. Bereits im Früh-jahr haben wir Ihnen einen Vorschlag gemacht; denmöchte ich gerne wiederholen. Wir schlagen Ihnen vor,die Mittel für den sogenannten Bund der Vertriebenenzu streichen.
In den letzten Tagen ist eindeutig klar geworden, wierichtig diese Forderung ist. Die Präsidentin dieses Ver-bandes erweckt den Eindruck, Polen sei am ZweitenWeltkrieg mitschuldig. Für den Stiftungsbeirat werdenLeute vorgeschlagen, die meinen, Staaten wie Polen undTschechien hätten den Zweiten Weltkrieg genutzt, umdie Deutschen loszuwerden. Dieser sogenannte Bund derVertriebenen bekommt auch in diesem Jahr2,013 Millionen Euro, ohne jede Kürzung. „Maßnah-men, die geeignet sind, die Verständigung und Aussöh-nung mit unseren östlichen Nachbarn zu fördern“, soheißt dieser Haushaltstitel. Was die Debattenbeiträgevon Vertreterinnen und Vertretern des sogenannten Bun-des der Vertriebenen in den letzten Tagen mit diesemZiel zu tun haben, erschließt sich mir in dieser Haus-haltsberatung noch nicht.
Der Bund der Vertriebenen hat einen Auftrag zur Aufar-beitung der eigenen Geschichte und dafür auch Geld ausdem Haushalt bekommen. Diesen Auftrag hat er bisheute nicht zufriedenstellend abgearbeitet. Im Normal-fall führt so etwas zu Sanktionen. Im Normalfall, abernicht beim Bund der Vertriebenen!Ein weiterer Punkt, über den man in Haushaltsbera-tungen immer sprechen sollte, ist der Anspruch, dass einHaushalt Klarheit und Wahrheit widerspiegelt. Umdas kurz zu erklären: Das bedeutet, dass jeder, der sichden Haushaltsentwurf anschaut, versteht, welches Geldan welcher Stelle wofür ausgegeben wird. Es muss auchdeutlich werden, woher das Geld kommt. Damit kommeich zu einem spannenden Punkt, dem E-Perso, also demelektronischen Personalausweis, der nun eingeführt wer-den soll. Wir haben gerade gelernt, dass 24 MillionenEuro ausgegeben werden, um entsprechende Lesegeräteanzuschaffen. Diese haben bei freundlicher Betrachtungzumindest leichte Defizite im Bereich der IT-Sicherheit.Aber es gibt nun eine Kampagne des Ministers, um dieIT-Sicherheit zu erhöhen. Ich hoffe, dass auch die Lese-geräte davon betroffen sind. Diese Lesegeräte werden je-denfalls nicht mit den klassischen Mitteln des Bundes-haushalts, also des Einzelplans 06, sondern im Rahmender Investitionsprogramme des Konjunkturpaketes ange-schafft. Ich weiß nicht, ob diese Lesegeräte besondersCzsgmiaiwietsBMRtMnsKMtWüfsWDnand
an erlebt Erstaunliches. Alle fragen, wo das konserva-ive Profil der CDU bleibt. Nun ist es schon bei Herrnolff. Bei ihm war es auch gut aufgehoben.Da es mir noch immer schwerfällt, etwas Positivesber die Tonalität des Innenministers zu sagen, lese icholgende Stelle aus dem in Berlin erscheinenden Tages-piegel aus der vergangenen Woche vor:Der Christdemokrat bevorzugt die leisen Töne. Esist äußerst unwahrscheinlich, dass sich de Maizièrezu einer Äußerung hinreißen ließe, wie sie OttoSchily im Juni 2004 von sich gab: Wenn ihr denTod so liebt, dann könnt ihr ihn haben, schleuderteSchily den militanten Islamisten entgegen. Dasklang nach High Noon und nicht nach Rechtsstaat.eiter heißt es:In konservativen Milieus wird de Maizière alsWohlfühlminister abgetan. Der Eindruck ist offen-sichtlich falsch.as sehen wir auch so. Der Eindruck ist falsch, die To-alität ist angenehmer. Sie gefällt uns durch den Verzichtuf großes Brimborium besser. Meine lieben Freundin-en und Freunde von den Liberalen, aber die Melodie istie gleiche geblieben.
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Wolfgang Wieland
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Sie waren es, die uns nach dem Sicherheitsmarsch derVorgänger so etwas wie einen Freiheitsblues verspro-chen hatten. Auf den warten wir seit nunmehr beinaheeinem Jahr vergeblich.
Keines der Sicherheitsgesetze wurde auch nur modi-fiziert. Das BKA-Gesetz soll so bleiben, wie es ist. DasBundesverfassungsgericht hat einen sehr interessantenFragenkatalog versandt. Wir sind insbesondere auf dieAntworten aus dem Haus Leutheusser-Schnarrenbergergespannt. Wir sind auch gespannt, ob Sie wieder dieseDoppelrollen spielen werden: als Kläger und Beklagter,als Held und als Schurke, als Mörder und als Ermordeter.Wir sind wirklich gespannt.
Politisch machen Sie das im Moment. Sie ermordensich selbst, da brauchen wir gar nicht viel zu tun. Dasschaffen Sie als FDP im Moment ganz allein.
Fazit ist, was vom Kollegen Scholz und von anderenschon erwähnt wurde: Der E-Personalausweis sollte am1. November eingeführt werden. Niemand hat so richtigund so zutreffend davor gewarnt wie Sie, liebe Frau Kol-legin Piltz. Sie haben noch nach der Entscheidung zuden Vorratsdaten gesagt: Da müssen wir jetzt ran.Gleichzeitig haben wir erlebt, dass eine konservativ-li-berale Regierung in Großbritannien gesagt hat: Raus ausder Biometrie, wir haben in Großbritannien zu vielÜberwachung. Hier passiert gar nichts. Hier haben wirauf zwei Feldern einen einjährigen Waffenstillstand,mehr ist das nicht.
Wer eben zugehört hat, der hat zu dem Stichwort In-ternetsperren von überall her aus der CDU-Fraktion ge-hört: Wir wollen wieder sperren. Bei der Vorratsdaten-speicherung ist das ganz genauso. Herr Kollege Uhl, Sieschreiben herzerweichende Briefe darüber, welche Si-cherheitslücke hier besteht.
Der Kollege Bosbach spricht heute in der Osna-brücker Zeitung davon, welche große Sicherheitslückehier besteht. Sie sitzen da und sagen: Das ist aber eineschöne große Sicherheitslücke. Aber Sie tun nichts. Wirsehen beim Fehlen der Vorratsdatenspeicherung wenigereine Sicherheitslücke, wir sehen eine Glaubwürdigkeits-lücke bei Ihnen als Innenpolitiker der CDU/CSU.
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ch muss die Kurse verbessern, und ich muss sie auch füriejenigen verbessern, die schon länger hier sind.Fazit: Die Kanzlerin hat einen Herbst der Entschei-ungen angekündigt. Ich fürchte mit Blick auf diesenaushaltstitel, dass es ein Herbst der Fehlentscheidun-en wird.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Günter Krings von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Der Blick in den Haushalt des Bundesinnen-inisters zeigt: Die innere Sicherheit ist bei der christ-ich-liberalen Koalition und vor allem bei ihrem Innen-inister Thomas de Maizière in guten Händen. Ich hattehrlich gesagt bei keinem der Redebeiträge der Opposi-ion die Befürchtung, dass uns jemand den Rang in die-er Beziehung ablaufen könnte. Für die Sicherheit unse-er Bürger und den Rechtsfrieden in unserem Land zuorgen, stellt – den Hinweis auf diese Grundlage ließeninige Beiträge vermissen – eine Kernaufgabe unserestaates dar, ja, sie bildet seine Existenz- und Legitima-ionsgrundlage. Nur solange der Staat in der Lage undillens ist, die Sicherheit seiner Bürger mit allen rechts-taatlich möglichen Mitteln zu verteidigen, kann er er-arten, dass diese Bürger seine Gesetze befolgen undünktlich ihre Steuern zahlen. Vor diesem Hintergrundind die 6 Milliarden Euro, die für den Justiz- und Innen-aushalt zusammen veranschlagt werden, gut angelegteseld für den Rechtsfrieden und die Sicherheit unsererürger.
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Dr. Günter Krings
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Trotz der Bedeutung der Innenpolitik war es unver-meidlich und richtig, dass auch das Innenressort seinenBeitrag zum Sparen und damit seinen Beitrag zur Gene-rationengerechtigkeit in diesem Bundeshaushalt er-bringt. Es ist dem Minister zu verdanken, dass er die100 Millionen Euro, die im Haushalt einzusparen waren,klug erwirtschaftet hat. So hat er zum Beispiel die be-sonders personalintensiven Bereiche des BKA, des Ver-fassungsschutzes und der Bundespolizei, die besonderssicherheitsrelevant sind, von Kürzungen ausgenommen.In einem ganz wichtigen Bereich ist ebenfalls keineEinsparung erfolgt – wenn wir das in längerer Perspektivesehen, so stellen wir fest, dass wir in den letzten Jahrendie Mittel erheblich ausgeweitet haben –: Es ist der großeBereich der Integration. Integrationskurse sind inzwi-schen so weit finanziert, dass bereits über 600 000 Zu-wanderer entsprechende Integrationskurse begonnen ha-ben. Es ist nicht richtig, wie hier darzustellen versuchtwurde, dass in dieser Hinsicht nicht genug getan wordenist. Keine Bundesregierung hat so viel für die Integrationgetan wie die aktuelle. Immer mehr Zuwanderer kom-men in den Genuss solcher Kurse. Wir haben geradedurch solche Kurse, die vor allem die deutsche Sprachevermitteln, einigen Erfolg gehabt, gerade bei den4 Millionen muslimischen Zuwanderern in Deutschland.Wir sind damit in puncto Fördern Spitze in Europa, ja,Spitze nahezu weltweit. Wir bieten Kurse an, auf die an-dere Staaten gar nicht kämen.Herr Scholz, es ist bezeichnend, dass Sie den Staat inder alleinigen Verantwortung sehen. In vielen anderenLändern ist es üblich, dass jemand, der die Sprache desGastlands erwerben möchte, das auf eigene Rechnungtut und sich selbst darum bemüht. Auch das muss für un-seren Staat eine Option sein. Integration hat mit Fördern,aber auch mit Fordern zu tun. Wir müssen von denen,die wir fördern, auch etwas fordern können. Daher ist esvollkommen richtig, dass wir darauf fokussieren, dassdiejenigen, die zu uns kommen, sich integrieren wollen,die Motivation dazu haben und das eigene persönlicheEngagement mitbringen. Fördern ist der kleinere Teil.Das Wichtigere ist, dass die Menschen Integration auchwollen. Sie müssen unsere Rechtsordnung anerkennen,unsere kulturellen Werte respektieren und insbesondereunsere Sprache erlernen.
Wenn wir zu Recht unsere Hand zur Integration weitausstrecken, müssen wir auch deutlich machen, was mitdenjenigen passiert, die diese Hand ausschlagen. Werdiesen Staat ablehnt, wer Integration ablehnt, darf nichtauf finanzielle Unterstützung von ebendiesem Staat hof-fen. Wer nicht bereit ist, unsere Sprache zu erlernen undunsere Werte aufzunehmen, gehört nicht in unser Land.Wer hier erhebliche Straftaten begeht, hat das Gastrechtin unserem Land ein für allemal verwirkt.
Wir haben mit unserem Koalitionspartner, der FDP,eine große Übereinstimmung. Ich habe das aktuelle Inte-grationspapier der FDP sehr positiv aufgenommen. EsgddudbseOvegdebwdwtiWlaSSüwStcaabPsjBrdsS
er sagt: „Das brauchen wir nicht“, der tut denjenigen,ie nach Deutschland kommen und sich hier integrierenollen, in Wahrheit einen Tort an. Er behindert Integra-on, betreibt das Gegenteil von Integrationsförderung.ir werden weiter fordern: Diejenigen, die nach Deutsch-nd kommen, müssen Grundkenntnisse der deutschenprache haben.
An diesem letzten Beispiel wird auch deutlich, dassPD und Grüne der aktuellen Integrationsdebatte, dieber sie gekommen ist, offenbar weniger denn je ge-achsen sind.
ie können gut philosophieren, Sie können gut von Mul-ikulti, von sogenannten Gesellschaftsverträgen spre-hen,
ber wenn es um hilfreiche Ideen geht, um den Mut,uch problematische Entscheidungen zu treffen, herrschtei Ihnen weitgehend Fehlanzeige.
Es ist doch schon eine Art Realsatire, wenn der SPD-arteivorsitzende und der Erste Parlamentarische Ge-chäftsführer der SPD-Fraktion in ihrer Verzweiflungetzt auf den Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinzuschkowsky als Kronzeugen für SPD-Politik rekurrie-en. In der Tat, das ist einer der wenigen in der SPD, derie Probleme noch beim Namen nennt, der Klartextpricht. Aber weder der rot-rote Senat in Berlin noch diePD im Bund wollten jemals auf ihn hören.
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Dr. Günter Krings
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Noch vor wenigen Tagen klagte Herr Buschkowskyin der Berliner Morgenpost über seine eigene Partei– ich zitiere –:Ich bin nicht Teil von Arbeitsgruppen der SPD zurIntegration oder Migration. Meine Position ist dortnicht gewünscht. Der größte Feind einer vernünfti-gen Integrationspolitik ist die Ignoranz.Ignoranz, meine Damen und Herren, scheint ohnehinzum Markenzeichen der Politik der SPD in diesen Fra-gen zu werden.
Ignoranz ist auch ein schlechter Ratgeber, wenn esum die Bekämpfung des Extremismus geht. Wir habenin der Rechtsdebatte schon einiges dazu gehört. Wirmüssen Extremisten in unserem Land genau beobachten,gerade auch durch den Verfassungsschutz beobachtenlassen. Ich kann Ihnen dazu sozusagen aus erster Handaus meinem Wahlkreis berichten. Dort gründet sich eineneue Salafistengruppe, eine extremistische Gruppe ausdem religiösen Umfeld. Wir müssen nicht nur alles un-ternehmen, um die genauestens zu beobachten, sondernauch dafür sorgen, dass wir uns abgrenzen, dass wirGrenzen ziehen, dass wir solche Gruppen nicht als nor-malen Bestandteil des religiösen oder gesellschaftlichenLebens in unserem Land akzeptieren. Wir wissen, dasssolche extremistischen Gruppen, auch aus dem religiö-sen Bereich, Nährboden für Terrorismus darstellen kön-nen. Dem müssen wir mit aller Entschlossenheit entge-gentreten.
Wir als CDU und CSU kämpfen in gleicher Ent-schlossenheit gegen jedwede Form des Extremismus, ober von rechts oder von links kommt oder ob es sich umreligiös motivierten Extremismus handelt. Aktuell istnach wie vor das rasante Anwachsen der Zahl von Ge-walttaten aus dem linksextremen Milieu besorgniserre-gend. Linksextreme Gewalt hat rechtsextreme Gewaltinzwischen sogar überflügelt. Besonders besorgniserre-gend ist, dass es immer noch Parteien und Abgeordnetein diesem Haus gibt, die linksextreme Gewalt verharm-losen, verniedlichen
und damit indirekt fördern.
– Diejenigen haben sich gerade eindrucksvoll gemeldet.Vielen Dank für diese Bestätigung.Nicht nur aus diesem linksextremen Milieu – IhrePartei ist offenbar nicht bereit, sich davon eindeutig ab-zugrenzen –,
aber eben auch daraus gibt es immer mehr Gewalt gegenPolizisten. Es ist nicht hinnehmbar, dass diese brutalenGttuivwwabuWDHmIZetSBrMBuwlksdDKseu
Ich komme gern zum Schluss und will noch ein paarorte zu der grassierenden Internetkriminalität sagen.ieser Bereich wird von einigen Fraktionen in diesemause nicht ausreichend ernst genommen. Es ist heuteöglich, Kreditkartendaten in einem vollautomatisiertennternetshop ähnlich denen von Amazon und iTunes imehnerpack oder Hunderterpack zu erwerben. Das lässtin deutliches Anwachsen dieser Kriminalität befürch-en. Wir müssen die Infrastrukturverantwortung destaates, wie es der Minister gesagt hat, gerade in demereich ernst nehmen. Wir sind bereit, uns dieser He-ausforderung zu stellen. Dazu gehören natürlich auchindestspeicherfristen im Netz. Das ist ein wichtigerereich, um dieses Medium, diese Infrastruktur sichernd funktionsfähig zu halten.
Herr Kollege Krings!
Genug Aufgaben haben wir. Diesen Aufgaben wollen
ir uns unter anderem in den Haushaltsberatungen stel-
en. Ich freue mich auf diese Beratungen. Vielleicht
ommt ja auch von der Opposition noch etwas Kon-
truktives.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Gabriele Fograscher von
er SPD.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!ie geplanten Kürzungen und Einsparungen, Herrrings, sind kein Beitrag zur Generationengerechtigkeit;ie sind vor allen Dingen und zuallererst die Folge Ihrerinseitigen Steuergeschenke
nd Ihrer Unfähigkeit und Unwilligkeit,
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Gabriele Fograscher
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die Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise zur Be-wältigung der Folgen zur Kasse zu bitten.
Für den Innenhaushalt gilt, Herr Krings: MarkigeWorte und Vorwürfe an alle möglichen Seiten helfennicht weiter. Deutliche Schwerpunktsetzung im Einzel-plan 06 für mehr Integration, für mehr Demokratieförde-rung und Extremismusbekämpfung, für mehr öffentlicheSicherheit: Fehlanzeige! Ich will das mit Beispielen be-legen.Erstes Beispiel: Bundespolizei. Ziel der 2008 be-schlossenen Bundespolizeireform war, mehr Präsenz inder Fläche und mehr Sicherheit an Bahnhöfen, Flughä-fen und Grenzen zu schaffen. Zusätzlich sollte die Bun-despolizei auch noch schwierige und gefährliche Aus-landseinsätze bewältigen können. Diese Ziele sind nichterreicht worden. Das haben die Sachverständigen in derAnhörung im Innenausschuss im Juli dieses Jahres dras-tisch dargestellt. Ich zitiere Rainer Wendt, den Vorsitzen-den der Deutschen Polizeigewerkschaft:Wenn Sie geglaubt haben, mit einer Neuorganisa-tion aus zu wenig Personal ausreichend Personalmachen zu können, dann haben Sie sich getäuscht.Das wird nicht funktionieren. Zu wenig Personalheißt zu wenig Personal. Da können Sie organisie-ren, was sie wollen.Anstatt dieses Problem anzugehen, planen Sie, HerrBundesinnenminister, in Ihrem Haushalt bis 2014 rundweitere 1 000 Stellen bei der Bundespolizei zu streichen.
So steht es zumindest in dem Schwerpunktepapier IhresHauses für den Einzelplan 06. Wie das zu einer spürba-ren Entlastung, mehr Präsenz in der Fläche und mehr öf-fentlicher Sicherheit führen soll, bleibt Ihr Geheimnis.Ich will ein zweites Beispiel anführen: Demokratie-förderung und Extremismusbekämpfung. Der Haus-haltstitel, in dem die Mittel für die Bekämpfung des Ex-tremismus enthalten sind, wird trotz steigender Zahlenbei politisch motivierten Gewalt- und Straftaten redu-ziert. Zwar erhält das Bündnis für Demokratie und Tole-ranz weiterhin 1 Million Euro, weitere Aktivitäten aufdiesem Gebiet sind wegen nicht eingestellter Haushalts-mittel offensichtlich nicht geplant.Auch die Bundeszentrale für politische Bildung wirddurch den vorliegenden Haushalt geschwächt. In diesemJahr sind Kürzungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro ge-plant, in den Folgejahren sogar von bis zu 5 MillionenEuro. Politische Bildung aber ist Voraussetzung für Teil-habe und Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am de-mokratischen Gemeinwesen. Kürzungen gehen zulastenvon Information, Aufklärung und demokratischer Kul-tur.tdEgBeddwnbdBaDsFAucbgbAfDLtkFajdgtnSIddgSsrbmk
ass die Sanktionierung der zweckfremden Datenver-endung lückenhaft ist. Dieser Entwurf stellt somit kei-en fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Ar-eitgeber und den Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmerar. Das BMI muss hier noch nachbessern.
Viertes Beispiel: Technisches Hilfswerk.
eim THW sollen in den nächsten vier Jahren 80 haupt-mtliche Stellen, also 10 Prozent der Stellen, wegfallen.amit gefährden Sie die erfolgreiche Organisations-truktur des THW. Die vielfach unter Beweis gestellteähigkeit des THW, erfolgreich und effektiv im In- undusland Hilfe leisten zu können, liegt in dem Verhältnisnd dem Zusammenwirken von haupt- und ehrenamtli-hen Kräften. Derzeit stehen 800 hauptamtliche Mitar-eiter 80 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfernegenüber. Wenn Sie die Zahl der hauptamtlichen Mitar-eiter um 10 Prozent reduzieren, dann wird das auchuswirkungen auf den Einsatz der Helferinnen und Hel-er haben. Diese Auswirkungen werden nicht nur wir ineutschland spüren, sondern auch die Menschen in denändern, in denen das THW hilft, wie zurzeit in Pakis-an. Die neuen Herausforderungen, die das THW in Zu-unft bewältigen muss, zum Beispiel die Gewinnungreiwilliger, wenn Sie – wie geplant – die Wehrpflichtussetzen, lassen sich so nur schwerlich meistern.Über die Integration – zu diesem Beispiel will ichetzt noch etwas sagen – ist schon viel gesprochen wor-en. Es ist ein Megathema. Sie sprechen von Sanktionenegen integrationsunwillige Migrantinnen und Migran-en, können aber mit den jetzt eingestellten Mitteln nochicht einmal all denen, die sich freiwillig zu einemprachkurs melden, ein Angebot machen.
hre Ministerkolleginnen und -kollegen Schavan, voner Leyen, Ramsauer und Schröder kürzen und streichenort, wo Integration stattfindet oder stattfinden muss. Zuelingender Integration gehören neben qualifizierendenprachkursen auch die schnelle Anerkennung ausländi-cher Bildungsabschlüsse, die Stärkung der interkultu-ellen Bildung, das Programm „Soziale Stadt“, die Ver-esserung der Nachqualifizierung, eine aktive Arbeits-arktpolitik, zielgerichtete Sozialleistungen und früh-indliche Förderung in Kitas und Schulen.
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Gabriele Fograscher
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Die FDP, Herr Wolff, hat sich wohl von einer libera-len Ausländerpolitik – so muss man es nach Ihrer Redehier feststellen – in dieser Regierung verabschiedet.
Im Haushalt des BMI sollen 100 Millionen Euro ein-gespart werden. Das ist zwar weniger, als andere Res-sorts einsparen müssen. Aber diese Kürzungen sind be-sonders schmerzhaft, weil sie zulasten der öffentlichenSicherheit und zulasten der Integration gehen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz von der FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte heute mit einem Zitat beginnen:
Wenn es etwas gibt, wovon Sie nicht wollen, dass
es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht oh-
nehin nicht tun.
– Herr Kollege, Sie haben es verraten. – Der eine oder
andere glaubt vielleicht, dieser Satz stamme von einem
ehemaligen Innenminister oder von CDU-Kollegen.
Nein, das ist nicht richtig. Es ist der Chef von Google.
Ich finde es besorgniserregend, wie mit unserer Privat-
sphäre umgegangen wird.
Grundsätzlich muss es jedem Menschen möglich sein,
selbst zu entscheiden, wer mit seinen Daten umgehen
darf und wie sie verknüpft werden. Die Informationsge-
sellschaft macht aus unserer Sicht Privatheit nicht über-
flüssig, im Gegenteil: Je mehr solche Daten verfügbar
sind und sozusagen mit einem Mausklick um die Welt
transportiert werden können, umso wichtiger ist der Da-
tenschutz bei der Erhebung dieser Daten.
Schon lange ist der Datenschutz im nichtöffentli-
chen Bereich – das wissen Sie alle – mein persönliches
Anliegen und das Anliegen meiner Fraktion. Umso mehr
freue ich mich, dass das ein zentrales Thema dieser
christlich-liberalen Koalition geworden ist.
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ch finde, das ist aller Ehren wert. Ein Vorschlag zum
rbeitnehmerdatenschutz, eine Stiftung Datenschutz,
ie nächstes Jahr aus der Taufe gehoben wird, und ein
odernes Datenschutzrecht: Das ist mehr als Sie, Rot-
ot-Grün, gemeinsam oder anderweitig in den letzten
ahren auf den Weg gebracht haben.
arauf sind wir sehr stolz.
Ich bin froh darüber, dass wir das als christlich-libe-
ale Koalition auf den Weg gebracht haben. Herr Minis-
er, ich bin mir sicher, dass wir auch für die Vorratsda-
enspeicherung eine Lösung finden.
Frau Kollegin Piltz, darf ich Sie kurz unterbrechen? –
rlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Korte
on den Linken?
Ja, ich habe schon darauf gewartet.
Frau Kollegin Piltz, Rot-Rot-Grün hat ja noch gar
icht regiert. Wir versuchen, das 2013 hinzubekommen.
ber das ist jetzt nicht das Thema.
Ich habe eine ernst gemeinte Frage. Wir haben heute
on der Justizministerin etwas zur Vorratsdatenspeiche-
ung gehört. Dagegen haben wir in der letzten Legisla-
urperiode durchaus zusammen gekämpft. Wir wollen
ns praktisch einbringen. Meine Frage richtet sich des-
alb an die Vertreterin der FDP, die auf der Demonstra-
ion eindrucksvoll vertreten war: Was können wir tun,
amit Sie sich gegen die CDU durchsetzen können
nd die Bundesregierung auf der europäischen Ebene
egen die neue Richtlinie vorgehen kann?
ir wären Ihnen dabei behilflich. Was gedenken Sie zu
un?
Herr Korte, ich habe nicht nur demonstriert, sondernabe gemeinsam mit anderen erfolgreich geklagt. Ausiesem Grund glaube ich, dass ein neuer Name alleiniesem Problem nicht gerecht wird.
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6256 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Gisela Piltz
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Sie können Folgendes tun: Beobachten Sie es, und habenSie Spaß daran.
Ich bin mir sicher, dass sich die christlich-liberale Koali-tion auch in diesem Punkt einigt. Aber das machen wirschon selber. Dazu brauchen wir die Hilfe der Linkennicht. Aber herzlichen Dank für Ihr freundliches Ange-bot.
Wir sprechen im Rahmen dieses Haushalts auch überden Sport. Ein aktuelles Ereignis hat uns beschäftigt, undzwar die Entscheidung des EuGH zum Glücksspiel-staatsvertrag. Aufgrund der Aktualität möchte ich dazuFolgendes sagen – auch wenn der Bund dafür nicht klas-sischerweise zuständig ist –: Das Urteil des Europäi-schen Gerichtshofs aus der vergangenen Woche hat fürDeutschland doch erhebliche wirtschaftliche und damitauch haushalterische Bedeutung. Im Sportwettenmarktwerden jedes Jahr ungefähr 8 Milliarden Euro umge-setzt. Wenn auch die Musik zunächst formal in den Län-dern spielt, bin ich doch der Auffassung, dass auch wirauf der Bundesebene gehalten sind, die Einführung einesdurchdachten Konzessionsmodells endlich voranzutrei-ben. Ich hoffe, dass wir hier eine gute Lösung finden.
Der Haushaltsansatz für das Jahr 2011 steht insgesamtunter dem Ziel der Konsolidierung. Das ist aber nicht soeinfach. Das können Sie nicht einfach so von der Handweisen. Denn ganz ehrlich: Auf Schuldenbergen könnenKinder nicht spielen. Das gilt übrigens auch für dieSammlung von Daten – dieses Thema möchte ich nocheinmal ansprechen –: Auf Datenbergen kann keine Pri-vatsphäre wachsen.
Wenn ich mir anschaue, was Ihre rot-grüne Minderheits-regierung in Nordrhein-Westfalen macht: Sie steigert ge-rade die Nettoneuverschuldung um 35 Prozent.
Besser kann man den Unterschied zwischen einer christ-lich-liberalen Koalition und einer rot-grünen Minder-heitsregierung in Nordrhein-Westfalen nicht aufzeigen.Wir senken die Nettoneuverschuldung; Sie erhöhen sie.Das ist der Unterschied. Sie machen Politik zulasten un-serer Kinder. Das ist nicht in Ordnung.
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Das Wort hat der Kollege Frank Tempel von der Frak-
ion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damennd Herren! Zum Haushaltsentwurf gibt es relativ vielu sagen. Deswegen ist es auch problematisch, sich inünf Minuten zu äußern. Ich will versuchen, wenigstensrei Themen anzureißen.s heißt: Wer sich an Schwächeren vergreift, ist eineigling. Die derzeitige Bundesregierung greift ständigenen in die Tasche, die sich am wenigsten dagegenehren können. Ist es nun Feigheit oder Klientelpolitik,ie das Verursacherprinzip in Ihrer Finanzpolitik außerraft setzen? Beim jetzigen Aufschwung werden viel-ach Lohnsteigerungen gefordert. Bei den Beamten, alsoen Beschäftigten im eigenen Verantwortungsbereich,ill die Regierungskoalition aber genau das Gegenteil.ie auf fünf Jahre befristete Kürzung der Sonderzah-ung in der Beamtenbesoldung – das ehemalige Weih-achtsgeld und Urlaubsgeld – sollte Ende 2010 auslau-en. So war es vereinbart. Hier geht es übrigens ummmerhin 2,5 Prozent des Jahresgehalts. Jetzt soll dasarifergebnis für die Beamten in das Bundesbesoldungs-npassungsgesetz übernommen werden. Die Regie-ungskoalition brachte aber dazu einen Änderungsantragin, der unter anderem die Fortsetzung dieser Kürzungeinhaltet. Zugleich kommen Sie im Innenausschuss mitinem mündlichen Antrag, der genau diese Kürzungieder zurücknimmt, um dann wiederum diesen Ände-ungsantrag zum eigenen Änderungsantrag zurückzu-ehmen.
ei dem Thema herrscht also entweder kompletteshaos, oder Sie haben ein schlechtes Gewissen; dennolizeibeamte stehen Ihnen offensichtlich sehr nahe.ielleicht denken Sie auch bei diesem Thema einmal anie Polizeibeamten; denn auch sie betrifft das.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6257
Frank Tempel
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So etwas nennt man jedenfalls Vertrauensbruch. Ichmuss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wer soll denn dieser Re-gierung noch vertrauen, wenn selbst die Beamten undBeamtinnen das Vertrauen in ihren eigenen Dienstherrenverlieren! Bei den Beamten ist hier sehr stark die Redevon Vertrauensbruch und Vertrauensmissbrauch. Vielevon ihnen haben mir geschrieben. Ein Beamter schriebmir dazu:
Die Beamten haben jeweils in den letzten fünf Jah-ren auf Zahlungen zwischen 3 000 und 6 500 Euroverzichten müssen, und so habe auch ich einen An-teil zur Sanierung des Bundeshaushaltes geleistet.Jedoch habe ich weder die HRE vor den Baum ge-fahren noch die Commerzbank ruiniert.Wie schrieb der Beamte weiter? „Ein funktionierenderStaatsdienst“ – das sollten Sie sich merken – „ist für dasBestehen der Bundesrepublik genauso systemrelevantwie das Überleben wichtiger Banken!“
Sie haben bereits die Demotivation durch fortlau-fende Stellenstreichungen angesprochen. Hier steht derStaatsdienst übrigens vor einer riesigen demografischenHerausforderung. 70 000 Beschäftigte gehen in dennächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Wo bitte habenSie haushalterisch auf die seit Jahren bekannten Pro-bleme hingearbeitet? Es ist nichts zu finden.
Man könnte über dieses Thema sicherlich eine eigeneDebatte führen.Zum nächsten Thema. Das Thema Integration ist inaller Munde und auch heute eines der Hauptthemen. Ichkann aber im Haushalt keine verstärkten Bemühungenerkennen.
Ich erinnere: Kürzung der Gelder für Migrationsbera-tung um 2 Millionen Euro. Das nennen Sie „verstärkteBemühungen“. Im letzten Jahr hatte das Ministeriumnoch eine Aufstockung der Mittel um 8,5 MillionenEuro gefordert. Genau das fordert die Linke.
Damit nicht genug: Sie brüsten sich offensichtlich da-mit, dass der Ansatz für Integrationskurse in Höhe von218 Millionen Euro trotz Sparvorgaben unberührt bleibt.Haben Sie eventuell vergessen, dass die Mittel bereits indiesem Jahr um 15 Millionen aufgestockt werden muss-ten? Das Geld reicht offensichtlich nicht.Es kommt noch mehr hinzu: Wir fordern seit langemmassiv angemessene Arbeitsbedingungen und Bezah-lung für Lehrkräfte bei Integrationskursen. Lehrkräfteleisten unter schwierigsten Bedingungen weit mehr alsbloß Sprachvermittlung. Das ist wichtig. Ich muss kon-statieren: Die Bundesregierung ist offensichtlich wederadrEwscdbd7vizfb6AFmddaawkmrkvGHreditaüNpI
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kollegin Piltz, Ihr Streben um bürger-echtliche Anerkennung in dieser Debatte hat durchaustwas Putziges. In Wahrheit ist es doch so: Trunken vonem Wahlergebnis nach der letzten Bundestagswahl undn Vorbereitung auf die Traumhochzeit mit Ihrem Koali-ionspartner Union, haben Sie sich in drei Wochen Ko-litionsverhandlungen im Bereich Bürgerrechte völligber den Tisch ziehen lassen.
un sind Sie außerstande, den Bereich der Bürgerrechts-olitik aktiv zu gestalten. Vor lauter Prüfaufträgen fehlthnen jede Linie. Sie sind in einen aussichtslosen Ab-
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Dr. Konstantin von Notz
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wehrkampf gegen den eigenen Koalitionspartner ver-strickt.
Er ist so aussichtslos, dass sich Herr Wolff gar nichtmehr mit der Bürgerrechtspolitik beschäftigt, sondern ir-gendeinen anderen Acker bestellt. Dafür empfinde ichkeine Anerkennung, sondern bestenfalls Mitleid.
Herr Bundesinnenminister, wahr ist auch, dass SieHoffnungen enttäuscht haben. Bei der Vorratsdaten-speicherung haben wir von Anfang an auf die Verfas-sungswidrigkeit hingewiesen. Sie mussten erst vomBundesverfassungsgericht gestoppt werden. Heute in derDebatte forderten Sie wieder die Vorratsdatenspeiche-rung, als ob nichts gewesen wäre. Mir ist ein Wider-spruch aufgefallen. In Ihren jüngsten Interviews spre-chen Sie häufig davon, dass man Private vor Privatenschützen soll. Der Staat soll also das Individuum nichtnur vor seinen eigenen bösen Überwachungsfantasienschützen, sondern auch vor großen Konzernen. Es ist einWiderspruch, wenn man dann die Vorratsdatenspeiche-rung fordert und damit die Unternehmen verpflichtet,mehr Daten länger zu speichern. Das ist nicht nur wider-sprüchlich, das ist geradezu schizophren.
Auch im Hinblick auf ELENA haben Sie sich ver-weigert, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtszur Vorratsdatenspeicherung zu lernen. Im Februar ha-ben wir Sie in einem Antrag aufgefordert, das Bürokra-tie- und Datenmonster ELENA auszusetzen und zu über-arbeiten. Frau Piltz, Sie haben daraufhin medienwirksamangekündigt, ELENA zu stoppen.
Dann haben Sie ELENA gegen unseren Antrag im In-nenausschuss durchgewunken. Vor der Sommerpausehaben selbst die Bundeskanzlerin und der Bundeswirt-schaftsminister ein Moratorium gefordert.
Ein Moratorium bedeutet den sofortigen Stopp. Es istMonate her. Wir diskutieren hier über ELENA, und dieDaten werden weiterhin übertragen. Eines wird deutlich:Sie versagen in der Bürgerrechtspolitik bei den einfachs-ten Fragestellungen.
Beim Thema Netzsperren haben Sie, Herr Innen-minister, immerhin den Dialog mit der Netzgemeindegesucht. Alle überzeugenden und guten Argumente sindasWsbndekBf–Wm8lkbmkdkrffgmdGzdgwnbstSCKsAd
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undollegen! Bei Haushaltsberatungen ist es vielleicht nichtchlecht, wenn man daran erinnert, wie die finanzielleusgangslage ist. Wir müssen sparen. Das heißt, auchie Haushaltsmittel des Innenministeriums müssen ge-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010 6259
Dr. Hans-Peter Uhl
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kürzt werden, und zwar um 2 Prozent. Wir haben alsonicht mehr Geld zu verteilen, Herr Wieland, sondern we-niger. Ich meine, dass wir die Sorgen und Ängste derBürger ernst nehmen müssen und trotz weniger Geld fürSicherheit sorgen müssen und auch sorgen können.
Beispiel Sicherungsverwahrung. Das Gesetz zur Si-cherungsverwahrung, dessen Entwurf wir Ihnen in aller-nächster Zeit vorlegen werden, wird in dem ganz sensi-blen Bereich der Täter, die einschlägig vorbestraft sindund nach Verbüßen ihrer Strafhaft entlassen werdenmüssen, obwohl von ihnen da und dort noch erkennbareine Gefahr ausgeht, ein Mehr an Sicherheit bringen.Wir können es uns nicht leisten, Tag und Nacht solchepotenziellen Schwerkriminellen mit einer Unzahl vonPolizeibeamten zu bewachen. Es muss eine Möglichkeitzur Sicherungsverwahrung geben.
Das wird kommen. Der Gesetzentwurf ist in Vorberei-tung, wie Sie wissen.Zweites Thema: Vorratsdatenspeicherung. GehenSie bitte zum Bundeskriminalamt nach Wiesbaden – wirhaben das getan, ebenso die FDP-Fraktion –, und lassenSie sich von den Fachleuten erklären, wie es um die Si-cherheit im Internet und um die Sicherheit beim Online-banking und wie es um die Sicherheit bestellt ist, wennes darum geht, Kriminelle bei der Vorbereitung ihrerStraftaten via Internet, via Skype zu überwachen. Es isthochdramatisch, dass sich im Internet ein ermittlungs-freier, ein fast rechtsfreier Raum entwickelt. Dabei gehtes, wie bei Google, nicht nur um Fassaden, sondern umganz andere Dinge, von denen eine ganz massive Ge-fährdung der Bürger in unserem Land ausgeht. Wir müs-sen das Bundeskriminalamt und die anderen Sicherheits-behörden endlich in die Lage versetzen, auf dieVorratsdaten zurückzugreifen.
Die Welt des Internets beherrscht die reale Welt im-mer mehr. Die Menschen haben blindes Vertrauen in die-ses Medium, obwohl das Medium hoch unsicher ist. Mitdem De-Mail-Gesetz tun wir alles, um wenigstensRechtsgeschäfte und bestimmte Kommunikationsmög-lichkeiten sicherer zu organisieren. Dieser Gesetzent-wurf wird demnächst in den Bundestag kommen.Wir versuchen, mit dem neuen elektronischen Perso-nalausweis, der am 1. November 2010 eingeführt wird,für mehr Sicherheit zu sorgen.
– Lassen Sie sich von allerlei Fernsehsendungen nicht ir-remachen, in denen immer wieder versucht wird, darzu-sTbAHdDuütgclgdDeAlhcw–unkZgbaumdWIzl
ber egal, wer Deutschland regiert, es geht darum, einöchstmaß an Sicherheit herzustellen, und das wird mitiesem elektronischen Personalausweis erreicht.
as heißt, dass Kriminelle lange Zeit brauchen werdennd hohe Hürden nehmen müssen, um dieses System zuberwinden. So ist es bei diesem Personalausweis.Im Bereich des Datenschutzes werden wir sehr viel zuun haben. Das ist ein langer Prozess, der in dieser Le-islaturperiode nicht zu bewältigen sein wird. Es ist si-her richtig, dass die Fassaden von Häusern kein Persön-ichkeitsrecht haben, das zu schützen ist. Aber es istenauso richtig, dass man mit den Fassadenbildern an-ere, hochsensible Daten verknüpfen kann.
er Staat muss auf solche Verknüpfungen achten, damitr die Menschen schützen kann. Wir sind dabei. Dieussage dieses Herrn aus Amerika, der zurzeit Googleeitet, ist unsäglich. Er war ja letzte Woche in Berlin undat Audienz gehalten. Ich bin nicht hingegangen. Sol-hen Leuten muss man heimleuchten, um es einmal et-as salopp zu formulieren. Das geht natürlich nicht.
Nein, das muss man nicht tun. – Wir machen Gesetze,nd er wird die Gesetze auch in Amerika nachlesen kön-en.Wir verzeichnen – ich möchte das letzte Thema nochurz ansprechen – glücklicherweise bei einer großenahl von ausländischen Menschen erfolgreiche Inte-rationsprozesse; das ist zu begrüßen. Die Menschen ha-en sich in diesem Land integriert. Aber es gibt ebenuch eine Minderheit, über die man reden muss. Es istnsere Aufgabe als Gesetzgeber, zu überlegen, wie wirit dieser Minderheit umgehen. Jetzt kommen Sie miten Integrationskursen, Herr Wieland.
ir geben auch im nächsten Jahr 218 Millionen Euro fürntegrationskurse aus; das ist genauso viel wie im Jahruvor. Das ist sehr viel Geld. Wenn wir mehr zu vertei-en hätten, würden wir da noch mehr Geld ausgeben.
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Dr. Hans-Peter Uhl
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Aber wir haben nicht mehr, sondern weniger zu vertei-len.
Als wir mit dieser millionenschweren Aufgabe be-gonnen haben, haben Sie bei den Grünen noch von Mul-tikulti geschwafelt.
Da haben wir schon Sprachkurse finanziert. Das unter-scheidet Sie von uns.
Wir wollen Ernst machen mit Integration. Das habeich schon vor 20 Jahren gesagt. Da bin ich von den Grü-nen im Münchener Rathaus ausgebuht worden. Washeißt denn Integration in Deutschland? Das heißt,Deutsch, Deutsch und nochmals Deutsch lernen. Da hießes: Zwangsgermanisierer. „Administrativer Rassismus“und ähnlichen Unflat musste ich mir anhören. Jetzt sagtsogar ein grüner Ströbele: Ja, man muss in DeutschlandDeutsch lernen. Das heißt, Sie haben dazugelernt. Res-pekt, aber es kommt sehr spät.
Jetzt haben wir mit den Spätfolgen Ihrer völlig ver-korksten Multikultipolitik zu kämpfen, und das tun wir.
Wir werden mit 218 Millionen Euro versuchen, diesesProblem Jahr für Jahr weiter zu lösen. Wer nicht zumSprachkurs geht, wird dazu gezwungen werden, notfallsdurch Kürzung von Hartz IV.Ich darf mich beim Minister und seinem Haus bedan-ken. Es wurde schon gesagt, dass er der Minister der lei-sen, der sanften Töne ist. Das ist nicht entscheidend.Entscheidend ist die Sicherheit in Deutschland. Dafürkämpft er wie kein anderer und wir mit ihm an seinerSeite: die CDU, die CSU und die FDP. Sie werden se-hen, die nächsten Gesetze kommen bestimmt.
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Danckert von der
SPD-Fraktion.
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schieht. Da muss doch einmal einer richtig Druck ma-chen. Entweder wir brauchen diese Netze – dann mussbeschleunigt daran gearbeitet werden –, oder wir brau-chen sie nicht, und dann müssen wir nicht Milliarden da-für ausgeben.Zu den Kosten. Das Problem ist nicht nur, dass derAnteil des Bundes von ursprünglich 2,6 Milliarden Euroauf 3,6 Milliarden Euro angestiegen ist. Den Anteil derLänder, der sich auf etwa die gleiche Höhe belaufen soll,kennen wir gar nicht. Ich verstehe nicht, warum das sointransparent ist. – Ich bitte Sie, sich mit dem nötigenNachdruck dafür einzusetzen, dass dieses Thema endlichwirklich befördert wird. Ich hätte auch nichts dagegen,wenn es hier und da zu Personalentscheidungen kommt,damit es endlich vorangeht.Wir haben heute in ganzer Breite die Frage der Inte-grationskurse besprochen. Das ist richtig und wichtig.Angefangen von Rot-Grün über Schwarz-Rot bis hin zurjetzigen Koalition haben alle daran mitgewirkt; das ist garkeine Frage. Die Zahlen sind auch interessant. Insgesamthaben wir seit Beginn dieser Maßnahme 945 MillionenEuro hierfür ausgegeben. Rund 700 000 Menschen haben– Gott sei Dank in den meisten Fällen erfolgreich – an denIntegrationskursen teilgenommen und davon profitiert.Das ist ein ganz wichtiger Beitrag.Heute gehören aber immer noch 1,4 Millionen Men-schen diesem Personenkreis an und brauchen diese Maß-nahmen. Ich weiß gar nicht, wann wir das abarbeiten wol-len. Neulich habe ich einen Bericht des Bundesamtesgelesen, wonach das noch etwa zehn Jahre dauern soll.Das ist natürlich überhaupt nicht zu vertreten. Wenn dieseMenschen integriert werden und deutsch sprechen kön-nen, was man wirklich erwarten kann – da gebe ich PeterUhl recht –, dann können sie viel schneller in den Arbeits-prozess eingegliedert werden. Dann sparen wir an dieserStelle Geld. Wir müssen also zusehen, dass das etwas um-fassender behandelt wird.Nun zu den Zahlen. Bereits in der vergangenen Haus-haltsrede habe ich gesagt, dass diese 218 Millionen Euroein wichtiger Beitrag gewesen sind. Wir wussten aberbereits Anfang des Jahres, dass diese Mittel nicht ausrei-chen würden. Fakt ist auch – der Kollege Tempel hat esgesagt –, dass wir in diesem Jahr die 218 Millionen Euronoch um 15 Millionen Euro aus Haushaltsmitteln ergän-zen mussten. Diese Mittel waren übrigens nicht für dielaufenden Kurse erforderlich. Wenn ich richtig infor-miert bin, waren diese Mittel erforderlich für noch of-fene Posten aus dem vergangenen Jahr. An dieser Stelleist also ein ehrlicher Umgang geboten.Noch ein letztes Wort zur politischen Bildung. Wirsind uns alle einig, dass Bildung ein wichtiges Themaist. Wenn aber die Haushaltsmittel für die Bundeszen-trale für politische Bildung im nächsten Haushaltsjahrum 1,4 Millionen Euro, dann um 4,2 Millionen Euro unddann um 4,4 Millionen Euro gekürzt werden sollen,dann verstehe ich nicht, was die Kürzung an dieser Stellesoll. Sie haben gesagt, man müsse die 18 Millionen Eurohinzurechnen, die aus einem anderen Haushalt kommen.Das kann man machen. Wenn wir das aber bilanzieren,zcmawkuuzHrsrzSunprF
pielt der eigentlich keine Rolle?
Herr Kollege Danckert!
Der Minister hat etwas zu den Olympischen Spielen
nd zur Frauenfußballweltmeisterschaft gesagt, aber
ichts zu dem laufenden Etat. Da wird nämlich überpro-
ortional gekürzt.
Herr Kollege Danckert!
Vielen Dank.
Ihre Redezeit ist vorbei. Die Chance, für den Sport zu
eden, ist nicht mehr gegeben.
Sie waren sehr großzügig.
Jetzt hat das Wort der Kollege Florian Toncar von derDP-Fraktion.
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6262 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Einzelplan 06, der Haushalt des Bundesin-
nenministeriums, steht wie alle Einzelpläne ganz klar
unter dem Vorzeichen der Konsolidierung. Ich will aus-
drücklich sagen: Wir begrüßen sehr, dass Ihr Haus, Herr
Minister, immer und von vornherein akzeptiert hat, dass
gespart werden muss. Das war eine vorbildliche Einstel-
lung, die den Haushaltspolitikern natürlich gefallen hat.
Frau Kollegin Fograscher, natürlich haben wir in die-
sem Etat gespart, aber nicht, wie Sie sagen, bei Sicherheit
und Integration. Im Übrigen finde ich es bemerkenswert,
dass die Sozialdemokraten bei jedem Einzelplan – die
Haushaltsdebatte dauert mittlerweile ja schon ein paar
Tage – sagen: Auch wir sehen ein, dass gespart werden
muss. Aber hier haben wir ganz besondere Pflichten. Hier
darf nun wirklich nicht gespart werden. – Das passt aller-
dings gut ins Bild und zu dem, was Sie in NRW machen,
wo Sie die Verschuldung deutlich nach oben treiben.
Sie können eben nicht sparen. Das bringen Sie in dieser
Debatte zum Ausdruck, und das zeigen Sie dort, wo Sie
regieren, in aller Deutlichkeit.
Aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen ha-
ben wir die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Leistun-
gen, die der Staat erbringt, effizient erbracht werden,
dass man eher auf Qualität als auf Quantität, auf schiere
Geldbeträge, achtet. Das wollen wir tun.
In diesem Sinne haben wir in der Innenpolitik natür-
lich auch die Aufgabe, sicherzustellen, dass die Gesetze
vollzogen werden. Wir haben nicht den Ansatz, gerade
wir Liberalen nicht, immer neue Gesetze zu erfinden,
sondern wir wollen gewährleisten – auch das ist eine
Haushaltsfrage –, dass die Gesetze, die es gibt, zur An-
wendung kommen. Dafür sorgen wir, unter anderem in-
dem wir im Haushaltsgesetz festlegen, dass im gesamten
Sicherheitsbereich keine Stellenkürzungen vorgenom-
men werden – was Sie wissen sollten, weil das immer so
war, liebe Kollegin.
Wenn wir über die Wirksamkeit von Gesetzen disku-
tieren, müssen wir eines zur Kenntnis nehmen: Im Hin-
blick auf die Bekämpfung der Kriminalität im Internet
bestehen große Zweifel daran, ob die Sperre einer Seite
ein wirksames Instrument ist. Dies wird fachlich weitge-
hend bestritten. Ich glaube, in dieser Diskussion wird oft
unterschätzt, dass diese Gefahr nicht nur auf das Thema
Kinderpornografie beschränkt ist. Der eigentliche Ein-
wand gegen dieses Vorgehen ist, dass man dadurch ein
ineffektives Mittel schafft, allerdings mit der Folge, dass
plötzlich eine Stelle existiert, die darüber entscheidet,
was sichtbar sein darf und was nicht. Das ist die ganze
Dimension dieses Problems.
Ich glaube, dadurch ist auch der Rahmen abgesteckt, in
dem wir diese schreckliche Form der Kriminalität wirk-
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Einzelplan 06 sind bereits gelaufen, und ich darf an die-ser Stelle noch einmal feststellen – das ist mir auch imletzten Haushaltsjahr aufgefallen –, dass unter den Be-richterstattern ein sehr gutes Klima herrscht. Das hätteich damals nicht erwartet.
Nichtsdestotrotz gibt es unterschiedliche Meinungen.Wir haben sehr kontrovers, aber auch zielgerichtet dis-kutiert. Das sollte im Vordergrund stehen; das haben wir,glaube ich, auch geschafft.Herr Minister, auch an Sie und Ihr Haus ein herzlicherDank für die Vorbereitung des Haushalts! Wenn Mittelgestrichen werden, ist das nicht ganz einfach. Wir wer-den darüber diskutieren; aber ich glaube, Sie haben esgeschafft, die grundlegenden Dinge zu vermitteln. Alsonoch einmal: Herzlichen Dank auch an Ihre Mitarbeiter!
Die Ausgangssituation beim Einzelplan 06 ist auf-grund von 18 Behörden sicherlich anders als in anderenRessorts. Hier geht es um sehr personalintensive Behör-den. Bei acht der 18 Behörden betragen die Personalaus-gaben über 60 Prozent der Gesamtausgaben. 52 Prozentder Ausgaben für die Bundespolizei sind Personalausga-ben. Das verdeutlicht schon, wie schwierig es ist, hier ein-zusparen. Trotz alledem – Kollege Toncar hat es ange-sprochen – verlangt die Haushaltskonsolidierung auchein entsprechendes Vorgehen beim Einzelplan 06. Auf-grund der Schuldenbremse im Grundgesetz und derMaastricht-Kriterien sind auch wir verpflichtet, unserenBeitrag zu leisten. Wir tun dies mit einer Beschneidungunseres Haushalts in Höhe von circa 105 Millionen Euro.Das führt natürlich zu Diskussionen – gar keine Frage –;aber wir sind ja auch angetreten, um diese Dinge aufzu-arbeiten.Wenn ich mir die Haushaltsentwicklung der letzten Jahreansehe, dann erkenne ich natürlich, dass es einen Aufwuchsgegeben hat. 2007 hatten wir ein Budget von 4,5 MilliardenEuro; im Jahr 2011 werden wir bei circa 5,4 MilliardenEuro landen. Mehr als zwei Drittel dieses Geldes wirdweiterhin für die innere Sicherheit ausgegeben. Ichglaube, das ist ein klares Zeichen der Koalition in dierichtige Richtung. Denjenigen, die sich darüber beschwe-ren, dass an den verschiedenen Stellen gespart wird, halteich entgegen, dass aus den Konjunkturmitteln schon er-hebliche Anschaffungen getätigt worden sind – das giltinsbesondere hinsichtlich der Sachbeschaffung –, wes-halb der Schmerz sicher nicht allzu groß sein dürfte. Inte-ressant ist, dass Sie, Herr Minister, dafür gesorgt haben– das finde ich auch richtig –, dass alle Bereiche IhresHauses sparen müssen. Es ist also sehr darauf geachtetworden, dass es gerecht zugeht. Alle Bereiche müssensparen; ich glaube, diese Botschaft ist auch angekommen.Es ist natürlich wichtig, dass wir in den Berichterstat-tergesprächen viele Dinge aufgreifen. Am vergangenenMontag haben wir mit dem Hauptpersonalrat des Innen-ministeriums gesprochen. Zwei Dinge sind uns dabei ge-sagt worden, die von den Kollegen bereits angesprochenworden sind.bBdrtioddsndnstmwswdhbgnrndDmRkrulultufhvemMdaDRkEdw
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6264 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
(C)
Herr Kollege Herrmann, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Danckert?
Sehr gerne.
Bitte schön, Herr Danckert.
Herr Kollege Herrmann, auch Ihnen ist in diesem Zu-
sammenhang das Problem der Fahrtkosten bekannt. In
2009 waren es 21,6 Millionen Euro. Derzeit sind es et-
wa 22 Millionen Euro. Ende des Jahres werden wir
30 Millionen Euro für Fahrtkosten aufzubringen haben,
die aus diesem Etat bezahlt werden. Teilen Sie meine
Auffassung, dass wir für dieses Sonderproblem eine Lö-
sung finden müssen, damit das Geld für Integrations-
kurse und nicht für Fahrten ausgegeben wird?
Ich gebe Ihnen recht, Herr Danckert. Da kommt ein
Riesenproblem auf uns zu. Wir müssen hier eine Lösung
werden, dann stellt man fest, dass sie im Vergleich zum
täglichen Leben überproportional hoch sind. Hier stellt
sich die Frage, ob man eine Kinderbetreuung nicht in-
nerhalb der Familie organisieren kann. Ich glaube, das
ist der richtige Weg. Hier finden wir wahrscheinlich eine
Lösung; wir haben das in den Berichterstattergesprächen
schon angesprochen.
Meine Damen und Herren, wir werden in den nächs-
ten Wochen intensiv über diesen Haushalt sprechen. Si-
cherlich werden wir die eine oder andere kontroverse
Diskussion führen. Das ist richtig, und das ist auch gut.
Das belebt nicht nur das Geschäft, sondern auch die De-
mokratie. Ich freue mich auf die Gespräche, weil ich
glaube, dass uns das deutlich voranbringt. Die letzte Be-
ratung hat gezeigt, dass man auch mit den Kollegen der
Opposition in vielen Bereichen vernünftig Politik ma-
chen kann. Sie sollten sich auf jeden Fall anhören, was
wir Ihnen zu bieten haben.
über das Fördern sprechen, dann müssen wir auch über
das Fordern reden. Jeder Kilometer wird genau abge-
rechnet. Für mich stellt sich die Frage, ob jemand, der
die zwei Kilometer zum Integrationskurs vielleicht zu
Fuß zurücklegen kann, dies finanziell abrechnen können
muss. Diese Frage muss man einmal stellen.
Im Übrigen kommen nicht nur im Bereich der Fahrt-
kosten Probleme auf uns zu. Auch Kinderbetreuungs-
kosten sind ein solches Thema. Wenn man sich einmal
die Mittel anschaut, die für diesen Bereich ausgegeben
n
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icht vor.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 17. September 2010,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.