Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte
nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den zurück-
liegenden Tagen feierte der Kollege Dr. Heinz
Riesenhuber seinen 78. Geburtstag
und der Kollege Dr. Christoph Bergner seinen 65. Ge-
burtstag.
Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich dazu nach-
träglich sehr herzlich und wünsche Ihnen beiden alles er-
denklich Gute.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer inter-
fraktionellen Absprache soll von der Frist für den Be-
ginn der Beratungen, soweit erforderlich, abgewichen
werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen
Widerspruch. Damit ist das so beschlossen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir
einen Geschäftsordnungsantrag behandeln.
Die Fraktion Die Linke hat beantragt, die Wahl der Bun-
desbeauftragten für den Datenschutz und die Informa-
tionsfreiheit – Tagesordnungspunkt 15 – von der heuti-
gen Tagesordnung abzusetzen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat jetzt der Kollege
Jan Korte von der Linken. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte kurz begründen, warum wir beantragen, die
für heute vorgesehene Wahl des oder der Bundesbeauf-
tragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
abzusetzen.
Erstens. Wir erleben zurzeit – das ist ja schwerlich zu
übersehen – einen der größten Geheimdienstskandale,
nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf interna-
tionaler Ebene. Viele Menschen sind verunsichert. Mit-
hin ist die freie Kommunikation auch in diesem Land ge-
fährdet und infrage gestellt.
Zunehmend mehr Menschen sind dadurch verunsichert
und werden daran gehindert, ihr Grundrecht auf freie
Kommunikation wahrzunehmen. Deswegen – ich glaube,
da müsste hier im Hause eigentlich Einigkeit herrschen –
müssen wir dafür sorgen, dass mit Beginn dieser Legis-
laturperiode eine neue Ära hinsichtlich des Datenschut-
zes und der Bürgerrechte anbricht.
In dieser Frage kommt dem Bundesbeauftragten natür-
lich eine Schlüsselstellung zu.
Wir haben, wie nicht anders zu erwarten, einen sehr
klugen und schlauen Vorschlag gemacht.
Wir schlagen Ihnen vor, dass wir, statt heute die Wahl
des Bundesdatenschutzbeauftragten durchzuführen, über
die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg versuchen, ei-
nen gemeinsamen Kandidaten oder eine gemeinsame
Kandidatin zu finden, die dieses im Moment und vor al-
lem in Zukunft so wichtige Amt fachlich ausgezeichnet
ausfüllen kann.
Wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam zu schauen, wer
dafür infrage kommt, vielleicht sogar jemand, der unab-
hängig bzw. parteilos ist. Es gibt unter den Datenschutz-
beauftragten auch der Länder exzellente Kolleginnen
und Kollegen, die hier sehr kompetent agieren könnten.
Das ist unser Vorschlag.
Zweitens sollten wir, wenn wir denn einen neuen Da-
tenschutzbeauftragten wählen, auch dafür sorgen, dass
280 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Jan Korte
(C)
(B)
gleich ein großer Wurf gelingt. Das bedeutet, dass wir
auch strukturell eine substanzielle Aufwertung der Be-
hörde des Bundesdatenschutzbeauftragten herbeiführen
sollten. Das bedeutet vor allem – das ist ganz entschei-
dend – die Herstellung der völligen Unabhängigkeit des
Datenschutzbeauftragten, also die endgültige Herauslö-
sung aus dem Bundesinnenministerium. Dafür ist es
höchste Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir möchten, dass wir uns
überfraktionell darüber verständigen. Deswegen schla-
gen wir vor, diese Wahl nicht heute durchzuführen und
möglichst schnell eine überfraktionelle Kommission
oder Arbeitsgruppe einzurichten, die sich auf den Weg
macht, jemanden zu finden, der fachkompetent ist, also
zwar für uns alle anstrengend, aber fachlich optimal.
Zu der von der Regierung vorgeschlagenen Kandida-
tin nur so viel: Ich kenne die ehemalige Kollegin
Voßhoff und halte sie für eine integre Person. Aber eines
will ich politisch schon sagen: In Anbetracht der gegen-
wärtigen Debatten über die NSA- und Geheimdienstaf-
fären will ich zumindest infrage stellen, ob es wirklich
das politisch richtige Zeichen wäre, ausgerechnet eine
Person zur Bundesdatenschutzbeauftragten zu wählen,
die in den vergangenen Legislaturperioden die Vorrats-
datenspeicherung, die Onlinedurchsuchung und die Er-
weiterung der Kompetenzen der Geheimdienste unter-
stützt hat. Denken Sie darüber angesichts der aktuellen
Ereignisse noch einmal nach. Wir bitten um Vertagung
dieses Tagesordnungspunktes.
Schönen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege
Michael Grosse-Brömer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir bestimmen heute, wer Datenschutzbeauf-
tragter bzw. -beauftragte werden soll. Wir alle, die wir
hier sitzen, sind frei gewählt und demokratisch legiti-
miert. Deswegen können wir eine solche Wahl durchfüh-
ren. Wir haben uns für eine sehr renommierte Kollegin
entschieden, die fraktionsübergreifend als gute Rechts-
politikerin, als gute Juristin bekannt ist und viele Jahre
Mitglied des Deutschen Bundestages war. Wir haben uns
entschieden, Ihnen heute dieses hervorragende Angebot
zu machen.
Ich muss in Richtung Linke sagen, Herr Korte: Wir
haben auf Entscheidungen, die Ihre Fraktion getroffen
hat, sehr viel Rücksicht genommen. Es ist auch gut, dass
die Fraktionen ihre Personalangebote selbst bestimmen
und die anderen Fraktionen sich bei der Bewertung zu-
rückhaltend verhalten.
Nur das wünschen wir uns heute auch von Ihnen. Die
Zeit, in der die SED oder ihre Rechtsnachfolgerin be-
stimmt hat,
was andere Fraktionen vorzuschlagen haben und welche
Personalentscheidungen zu treffen sind, ist vorbei.
Wir schlagen Ihnen heute eine Kollegin vor, die wäh-
rend ihrer Arbeit im Deutschen Bundestag unter Beweis
gestellt hat, dass sie in der Lage ist, datenschutzrechtlich
nüchtern zu analysieren und datenschutzrechtlich klug
zu handeln. Diese Wahl muss heute stattfinden, weil dies
der richtige Zeitpunkt ist. Diese Kandidatin muss nach
unserer festen Überzeugung gewählt werden, weil sie
eine gute und die richtige Kandidatin für dieses Amt ist.
Herzlichen Dank.
Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Britta
Haßelmann.
Na ja, wenn Herr Kauder schon gespannt ist! – Guten
Morgen zusammen!
Nach § 22 des Bundesdatenschutzgesetzes wird der oder
die Bundesdatenschutzbeauftragte von der Bundesregie-
rung vorgeschlagen und vom Deutschen Bundestag ge-
wählt. Ich mache keinen Hehl daraus, dass unserer Frak-
tion der Personalvorschlag, der gemacht wurde, nicht
passt, und zwar nicht, weil wir irgendwelche Zweifel an
der Integrität der Person hätten, sondern weil wir uns
fragen: Was soll sozusagen die Auszeichnung der Person
beim Thema Datenschutz sein angesichts der bisherigen
Positionierung der Person zum Thema Datenschutz, zum
Thema Vorratsdatenspeicherung, zum Thema Netzsper-
ren und zu vielen anderen Fragen, bei denen es um die
datenschutzrechtliche Abgrenzung von Freiheits- und
Bürgerrechten ging. Deshalb haben meine Kolleginnen
und Kollegen, die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker,
an dem Besetzungsvorschlag öffentlich massive Kritik
geübt.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 281
Britta Haßelmann
(C)
(B)
Aber den Weg, den die Linke vorschlägt, also die
Wahl des oder der Bundesdatenschutzbeauftragten von
der Tagesordnung abzusetzen, können wir, ehrlich ge-
sagt, auch nicht nachvollziehen. Was würde das denn be-
deuten? Was würde das nach außen für ein Signal sein?
Wir haben seit dem 16. Dezember keinen Bundesda-
tenschutzbeauftragten mehr, und das in einer Situation,
in der wir in dieser Republik dringend einen Daten-
schutzbeauftragten brauchen. Durch den NSA-Skandal
ist doch überdeutlich geworden, dass das Thema „Ein-
schränkung der Bürger- und Freiheitsrechte“ bzw. die
Wahrung gerade dieser beiden elementaren Grundrechte
von zentraler Bedeutung ist. Deshalb brauchen wir eine
Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauf-
tragten, und zwar sofort.
Wir halten es für absolut falsch, wie man mit Peter
Schaar umgegangen ist. Peter Schaar ist in Sachen Da-
tenschutz eine hochqualifizierte, hochanerkannte Per-
sönlichkeit.
Sein Engagement ist weit über die Parteigrenzen hinaus
in der Öffentlichkeit bekannt und hochakzeptiert gewe-
sen.
Es war total falsch, wie insbesondere Innenminister
Friedrich mit Peter Schaar in der Situation umgegangen
ist, als seine Amtszeit abgelaufen war und wir keinen
Bundesdatenschutzbeauftragten mehr hatten. Da keinen
Übergang zu schaffen, das war schon ein starkes Stück,
das war schon peinlich. Ich glaube, Sie haben ihn noch
nicht einmal vernünftig verabschiedet. Ich finde das
wirklich unmöglich.
So geht man mit Leuten, die jahrelang hervorragende
Arbeit geleistet haben, nicht um; das sage ich auch ein-
mal in Richtung SPD. Man hätte während der Koali-
tionsverhandlungen auch einmal darauf drängen können,
dass mit dem Kollegen vernünftig umgegangen wird.
Eines ist aber völlig klar: Wir haben von Anfang an
gesagt, dass es einen nahtlosen Übergang geben muss,
dass diese Stelle, diese Funktion auf gar keinen Fall un-
besetzt bleiben darf, Jan Korte.
Wir können hier doch jetzt nicht sagen: Wir haben zwar
einen der größten Skandale im Hinblick auf die Bürger-
und Freiheitsrechte,
aber wir überlegen jetzt erst einmal ein paar Monate, wie
wir das ganze Thema managen und setzen eine große
Findungskommission ein. Ich halte diesen Vorschlag für
falsch.
Meine Fraktion wird entsprechend abstimmen. Fachlich
beurteilen wir das völlig anders; aber wir können es uns
jetzt nicht leisten, monatelang zu überlegen, welche
neuen Funktionen der Bundesdatenschutzbeauftragte
beim Thema Datenschutz bekommen soll. Dazu ist der
Zeitpunkt viel zu brisant. Wir müssen diese Funktion
schnell neu besetzen.
Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Christine
Lambrecht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es wird Sie nicht sonderlich verwundern, dass auch wir,
die SPD-Fraktion, diesem Antrag nicht zustimmen. Lie-
ber Jan Korte, Sie haben die Begründung quasi mitgelie-
fert. Wenn man gemäß Ihrem Antrag im Angesicht des
NSA-Skandals, in dem wir doch über einen Daten-
schutzbeauftragten sprachfähig sein müssen, die Wahl
verschiebt und eine interfraktionelle Findungskommis-
sion aufsetzt – das erinnert mich ein bisschen an eine
Casting-Show –,
würde das ja bedeuten, dass wir noch länger – die Situa-
tion besteht ja jetzt – nicht sprachfähig sind. Allein aus
diesem Grund werden wir diesem Antrag heute nicht zu-
stimmen.
Wir brauchen ganz dringend wieder einen handlungsfä-
higen, einen unabhängigen Datenschutzbeauftragten
bzw. in diesem Fall eine Datenschutzbeauftragte.
Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar
– ich möchte ihm an dieser Stelle ausdrücklich für seine
Arbeit danken; diese hat er wirklich gut gemacht –
hat uns eindringlich davor gewarnt, es nicht zu einer
Kontrolllücke kommen zu lassen. Deswegen muss die
Wahl heute sein. Wir können uns nicht erlauben, dieses
Amt nicht zu besetzen, nur weil irgendjemandem, weil
euch eine Person nicht gefällt. Das geht so nicht.
282 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Christine Lambrecht
(C)
(B)
Deswegen brauchen wir diese Entscheidung hier und
heute.
Ich will noch etwas zur politischen Unabhängigkeit
sagen. Selbstverständlich muss die Bundesdatenschutz-
beauftragte unabhängig sein, sie muss politisch unab-
hängig agieren. Das wird sie auch tun; das hat auch Peter
Schaar bewiesen. Das bedeutet aber nicht, dass man des-
wegen parteilos sein muss.
Das war bei Peter Schaar auch nicht der Fall. Es kommt
vielmehr darauf an, wie man dieses Amt ausfüllt und
wahrnimmt.
Aus den genannten Gründen werden wir diesem An-
trag nicht zustimmen und treten dafür ein, heute Nach-
mittag diese Wahl durchzuführen. Wir sind nämlich der
Meinung, dass es dringend notwendig ist, diese Stelle
endlich wieder zu besetzen.
Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die
beantragte Absetzung des Tagesordnungspunktes 15? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Geschäfts-
ordnungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd-
nis 90/Die Grünen und CDU/CSU gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 c auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Einsetzung von Ausschüssen
– Drucksache 18/211 –
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland
Claus, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Einsetzung eines Ausschusses Deutsche Ein-
heit
– Drucksache 18/109 –
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Kunert, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Einsetzung eines Ausschusses für kommu-
nale Angelegenheiten
– Drucksache 18/110 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Manfred Grund, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Vor drei Monaten, am 22. September, wurde in
Deutschland ein neuer Bundestag, der 18. Bundestag,
gewählt. Es war die Entscheidung der Wähler, dass
CDU/CSU 41,5 Prozent Stimmenanteil erhielten, SPD
25,7 Prozent, die Linke 8,6 Prozent und Bündnis 90/Die
Grünen 8,4 Prozent. Es war auch die Entscheidung der
Wähler, dass die FDP mit 4,8 Prozent nicht mehr im
Bundestag vertreten ist. Der 18. Deutsche Bundestag hat
631 Abgeordnete, 10 Abgeordnete mehr als der
17. Deutsche Bundestag.
Wahlergebnis, Sondierungsgespräche, Koalitionsver-
handlungen und die Mitgliederbefragung bei der SPD
führten dazu, dass wir heute zur Einsetzung der ständi-
gen Bundestagsausschüsse, der Bundestagsfachaus-
schüsse, kommen können. Dass dies drei Monate nach
der Bundestagswahl geschieht, heißt aber nicht, dass das
Parlament nicht arbeitsfähig ist und nicht gearbeitet hat.
Mit der Einsetzung eines Hauptausschusses am 28. No-
vember war die Arbeitsfähigkeit hergestellt. Mit dem
heutigen Einsetzungsbeschluss für 22 ständige Aus-
schüsse und deren Arbeitsaufnahme Mitte Januar wird
der Hauptausschuss seine Tätigkeit wieder einstellen
können.
Die ständigen Ausschüsse werden in jeder Wahlpe-
riode neu besetzt. Dabei kann die Anzahl der Aus-
schüsse durchaus variieren. So hatte der erste Bundestag
1949 insgesamt 40, der sechste Bundestag hingegen nur
17 ständige Ausschüsse.
Bei der Bildung der Ausschüsse hat der Bundestag
nicht völlig freie Hand. Einige Ausschüsse schreibt das
Grundgesetz vor, andere ergeben sich zwangsläufig aus
bestimmten gesetzlichen Formulierungen. Zu diesen
Ausschüssen gehören zum Beispiel der Petitionsaus-
schuss oder auch der Verteidigungsausschuss.
In der Geschäftsordnung des Bundestages werden die
ständigen Ausschüsse als „vorbereitende Beschlußor-
gane des Bundestages“ bezeichnet. In diesen ständigen
Ausschüssen bzw. Fachausschüssen wird ein Großteil
der parlamentarischen Arbeit zu leisten sein. Jeder Ab-
geordnete wird mindestens eine ordentliche Mitglied-
schaft erhalten.
Für die Kontrollfunktion des Parlamentes ist es wich-
tig, dass sich die Ausschüsse spiegelbildlich zu den
Ministerien abbilden. In der Regel steht also jedem Bun-
desministerium ein ständiger Ausschuss gegenüber, und
es macht auch Sinn, jeden Ausschuss einem Ministerium
zuzuordnen.
Die Größen der einzelnen Bundestagsfraktionen fin-
den ihre Entsprechung in den noch zu konkretisierenden
Ausschussvorsitzen. So entfallen auf die Linksfraktion
und Bündnis 90/Die Grünen je zwei Ausschussvorsitze,
auf die SPD sieben und auf CDU/CSU elf.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 283
Manfred Grund
(C)
(B)
Anhand des heute zu debattierenden Antrages zur
Einsetzung der Ausschüsse muss und kann noch etwas
zum Thema Minderheitenrechte gesagt werden:
Die Größe der Ausschüsse bzw. deren Zahl von Sit-
zen wird zu Beginn jeder Legislaturperiode durch die
Fraktionen neu festgelegt – so auch diesmal. Dabei dif-
feriert die Zahl der Mitglieder zwischen 14 im Aus-
schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-
nung und 46 im Ausschuss für Wirtschaft und Energie.
Nach dem Berechnungsverfahren zur Stellenvertei-
lung nach Sainte-Laguë/Schepers haben die Opposi-
tionsfraktionen, also Bündnis 90/Die Grünen und Linke,
in Ausschüssen oder anderen Gremien mit 8 oder 16 Sit-
zen automatisch 25 Prozent der Sitze und damit alle
Minderheitenrechte. Eine solche Gremiengröße hätte
sich somit für alle Ausschüsse angeboten, in denen 16
eine angemessene Größe hätte sein können, also auch für
den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung. Leider ist davon nur einmal Gebrauch
gemacht worden, nämlich beim Ausschuss für Men-
schenrechte und Humanitäre Hilfe.
Es ist das gute Recht der Opposition, im Rahmen der
interfraktionellen Abstimmung über die Ausschüsse an-
dere Präferenzen geltend zu machen, doch wenn man die
gegebenen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Minder-
heitenrechte nicht nutzt, dann sollte man öffentlich nicht
gar so laut über fehlende Minderheitenrechte oder gar
Diskriminierung klagen.
Zurück zum vorliegenden Antrag: Man kann über
einzelne Ausschusszuschnitte und -größen streiten, si-
cher ist, dass wir in und mit diesen Ausschüssen ab jetzt
arbeiten können. Der Einsetzungsbeschluss ist Beleg für
die Funktionsfähigkeit, aber auch für die Konsensfähig-
keit unseres Parlamentes.
Dank gilt denen, die den Einsetzungsantrag ausgehan-
delt haben. Er hat eine breite und auch eine fraktions-
übergreifende Zustimmung verdient.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus, Fraktion
die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem ge-
meinsamen Antrag aller Fraktionen zur Einsetzung von
ständigen Ausschüssen stimmen wir selbstverständlich
zu. Das ist auch ein schönes Zeichen für die Öffentlich-
keit: Es geht doch, etwas gemeinsam zu unternehmen.
Zudem schlägt Ihnen meine Fraktion vor, zwei wei-
tere Ausschüsse, nämlich einen für kommunale Angele-
genheiten und einen für die deutsche Einheit, zu bilden.
Um es vorwegzunehmen: Der Untergang des Abendlan-
des stünde mit der Annahme dieser Anträge nicht ins
Haus, weil es beide Ausschüsse in dieser oder ähnlicher
Form im Deutschen Bundestag bereits gegeben hat.
Wir wollen darüber reden und entscheiden, wo und
wie sich die Herstellung gleichwertiger Lebensverhält-
nisse, die das Grundgesetz bekanntlich vorschreibt, voll-
zieht. Dabei geht es sehr viel um den Osten, aber nicht
nur. Wir wissen auch um strukturschwache Regionen im
Ruhrgebiet; Gelsenkirchen ist gewissermaßen ein Bei-
spiel dafür.
Und natürlich haben wir die Aufgabe, Struktur- und
Regionalpolitik neu zu denken. Schauen Sie sich nur
einmal an, welche Auswirkungen die Finanzmarktpolitik
auf die Regional- und Strukturpolitik hat. Finanzmärkte
ordnen ausschließlich Metropolen. Den Zusammenhang
zwischen Metropolregionen und ländlichen Räumen
wiederherzustellen, wäre eine Aufgabe, die wir in einem
solchen Ausschuss für die deutsche Einheit ausdrücklich
zu besprechen hätten.
Wir wollen natürlich auch nicht verhehlen, dass die
Ost-West-Differenzen seit vielen Jahren nicht kleiner
werden, sich die Schere also nicht schließt, sondern wei-
ter öffnet. Wir haben nach wie vor keine einzige Firmen-
zentrale im Osten Deutschlands. Bei einem Blick auf das
Ranking der Landkreise in Deutschland wird deutlich:
Unter den 50 letztplatzierten Landkreisen in diesem
Ranking sind 49 ostdeutsche Landkreise.
Außerdem wollen wir erreichen, dass die Erfahrun-
gen, die in Ostdeutschland im Umgang mit Umbruchs-
und Transformationsprozessen gemacht wurden, endlich
bundesweit genutzt werden. Das sind Erfahrungen mit
einer wirksamen Entwicklung der Sparkassenstruktu-
ren. Das sind Erfahrungen mit ostdeutschen Chemie-
parks, deren Vorteile schon jetzt in die industriepoliti-
sche Sicht einfließen. Das ist die Erfahrung der guten
Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung
durch eine entsprechende Kinderbetreuungsstruktur. Das
sind aber auch Erfahrungen mit einer modernen und zu-
kunftsorientierten Landwirtschaft.
Wir alle wissen: Wenn Sie einen solchen Ausschuss
nicht bilden, dann bilden sich da, wo die Strukturen feh-
len, informelle Zusammenschlüsse. Wir als die Verant-
wortlichen der Fraktionen für den Osten haben uns im-
mer in informellen Runden getroffen. Jetzt sollte man
diese institutionalisieren.
Ich will Sie an dieser Stelle auch darüber unterrichten,
dass meine Fraktion Sie in einer weiteren Frage nicht in
Ruhe lassen wird, nämlich in der Frage der noch immer
zweigeteilten Bundesregierung. Dass noch immer fast
die Hälfte der Bundesregierung in Bonn und nicht in der
Bundeshauptstadt Berlin sitzt, ist für uns ein Punkt, den
wir extra thematisieren werden.
284 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Roland Claus
(C)
(B)
Wir schlagen Ihnen zudem vor, einen Ausschuss für
kommunale Angelegenheiten einzusetzen, und zwar vor
dem Hintergrund, dass sich der Bund mit seiner Gesetz-
gebung und mit seiner exekutiven Politik – das wissen
Sie alle – in viele Tausend kommunale Angelegenheiten
einmischt. Der Bundestag wäre deshalb gut beraten, sich
im Rahmen eines solchen Ausschusses für kommunale
Angelegenheiten für die Auswirkungen seines Tuns zu
interessieren, um zu sehen, wie sich das, was wir hier im
Bundestag beschließen, auswirkt. Sie wissen: In den
Kommunen findet das reale Leben statt. Sich da Rat zu
holen, würde uns als Bundestagsabgeordneten gut zu
Gesicht stehen.
Ich will als letzten Punkt anführen: Wir sollten durch-
aus aus der Geschichte lernen. Der erste Ausschuss für
Kommunales wurde im Bonner Bundestag im Jahre
1951 mit guten Gründen eingesetzt. Der damalige CDU-
Abgeordnete Dr. Dresbach führte abschließend zur Be-
gründung seines Antrags das Argument ein: Kommunal-
politiker aller Parteien, vereinigt euch! – So sein Wort.
Ein kluges Wort!
Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Vereinigung würde am
besten in einem solchen Ausschuss funktionieren.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Christine
Lambrecht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch wenn es dieses Mal etwas länger gedauert hat:
Jetzt kann es losgehen. Der Koalitionsvertrag ist unter-
zeichnet. Die Regierung ist gewählt. Jetzt werden die
entsprechenden Fachausschüsse eingesetzt. Ich glaube,
wir alle freuen uns darauf, dass nun wieder das normale
Parlamentsleben einziehen kann.
Wir beschließen die Einsetzung der ständigen Aus-
schüsse. Dabei sind die thematischen Zuschnitte der
Ausschüsse entsprechend den Zuschnitten der jeweiligen
Ministerien gewählt worden. Beispielsweise wird in Zu-
kunft der Rechtsausschuss nicht mehr allein „Rechtsaus-
schuss“ heißen, sondern wird entsprechend dem Zu-
schnitt des Ministeriums eben zum „Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz“. Auch der Wirtschaftsaus-
schuss, der früher „Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie“ hieß, wird jetzt entsprechend dem Zuschnitt des
Ministeriums zum „Ausschuss für Wirtschaft und Ener-
gie“. Ich denke, das macht durchaus Sinn.
Das Warten hat sich jedoch auch an einer anderen
Stelle gelohnt. In der letzten Legislaturperiode haben wir
22 ständige Ausschüsse eingesetzt. Heute machen wir
das auch. Aber es wird ein weiterer Ausschuss dazukom-
men, nämlich der Ausschuss, der sich mit den Fragen In-
ternet und digitale Agenda beschäftigt. Zur Einsetzung
dieses Ausschusses wird es im Februar nächsten Jahres
kommen. Es ist ganz wichtig, dass bei dieser Thematik
deutlich wird, dass wir mit einem solchen Ausschuss ein
Zeichen setzen und über die vielen Fachbereiche hinweg
eine Bündelung vornehmen.
Die Einsetzung der Enquete-Kommission „Internet
und digitale Gesellschaft“ wurde vom Deutschen Bun-
destag einstimmig beschlossen. Bislang gab es lediglich
den Unterausschuss Neue Medien.
Netzpolitik ist jedoch viel mehr. Es ist ein Quer-
schnittsthema – das brauche ich heute nicht näher auszu-
führen – von Arbeit bis zur Wirtschaft, vom Datenschutz
bis zum Urheberrecht und Verbraucherschutz. Die Digi-
talisierung ist eine in alle Lebensbereiche eingreifende
Entwicklung, die noch lange nicht abgeschlossen ist und
bei der noch ganz viel im Fluss ist. Deswegen halten wir
es für wichtig, dass es dafür einen eigenständigen,
selbstständigen Ausschuss gibt.
Deswegen machen wir die Ansage, dass wir das Ta-
bleau im Februar noch erweitern werden. Schön, dass
wir uns auch in diesem Punkt einigen konnten. Ich will
an der Stelle auch den Ersten Parlamentarischen Ge-
schäftsführern Dank sagen, mit denen dieses Tableau
ausgehandelt wurde. Als Neue in diesem Bund sage ich
vielen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit.
Meine Kolleginnen und Kollegen, nicht für sinnvoll
halten wir allerdings den Antrag der Linken auf Einset-
zung eines Ausschusses Deutsche Einheit sowie eines
Ausschusses für kommunale Angelegenheiten. Man
könnte fast sagen: Alle Jahre wieder bzw. jede Legisla-
turperiode wieder kommt dieser Antrag.
Um es vorwegzusagen: Ich bin mir der Wichtigkeit
dieser beiden Themenkomplexe durchaus bewusst und
möchte die besondere Bedeutung sowohl des Auftrags
zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse als
auch der kommunalen Angelegenheiten in keiner Weise
schmälern. Ganz im Gegenteil: Ich habe lange Jahre
Kommunalpolitik gemacht und weiß um deren Bedeu-
tung und was vor Ort alles an Wichtigem geschieht.
Frau Kollegin Lambrecht, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Abgeordneten Notz?
Na klar.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Können Sie uns
die Frage beantworten, warum der Internetausschuss
nicht heute, sondern erst im Februar eingesetzt wird, und
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 285
Dr. Konstantin von Notz
(C)
(B)
können Sie uns sagen, für welche Themen er die feder-
führende Zuständigkeit bekommt? – Vielen Dank.
Sie haben quasi die Antwort vorweggenommen, Herr
von Notz. Um all diese Fragestellungen geht es noch.
Wir sind am Verhandeln. Es wird einen Ausschuss ge-
ben. Das ist die klare Ansage. Aber dabei geht es um fol-
gende Fragen: Ist er mitberatend? Wo ist er angesiedelt?
Gibt es überhaupt eine solche Ansiedlung, oder ist es so-
zusagen ein frei schwebender Ausschuss? Das sind alles
Fragestellungen, die noch geklärt werden.
Aber die Ansage ist ganz klar: Dieses Thema soll pro-
minent mit einem eigenständigen, selbstständigen Aus-
schuss behandelt werden. Ich bitte um ein paar Wochen
Geduld. Das wird, glaube ich, noch auszuhalten sein.
Dann kann es mit der Arbeit losgehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte noch ein
paar Takte zum Ausschuss Deutsche Einheit sagen. Wir
haben uns nicht aus bösem Willen vor einigen Jahren ge-
gen einen solchen selbstständigen Ausschuss entschie-
den, sondern, wie ich finde, mit sehr stichhaltigen Argu-
menten. Lassen Sie mich das ausführen. Beim Aufbau
Ost – das brauche ich nicht im Einzelnen auszuführen –
ist viel geschafft worden. Jetzt, im 24. Jahr nach der
Wiederherstellung der deutschen Einheit und zur Halb-
zeit des seit 2005 laufenden Solidarpaktes II, weisen die
ostdeutschen Länder nach dem diesjährigen Jahresbe-
richt der Bundesregierung zum Stand der Deutschen
Einheit, den wir demnächst auch debattieren, insgesamt
eine gute Lebensqualität auf.
Trotz dieser in der Gesamtbetrachtung positiven Ent-
wicklung gibt es einen nicht zu vernachlässigenden
Handlungsbedarf bei der Herstellung der gleichen Le-
bensverhältnisse. Nur ist dieser Handlungsbedarf kein
ganz grundsätzlicher mehr, wie es ursprünglich bei der
Einsetzung dieses Ausschusses erforderlich war, sondern
er hat mit ganz vielen unterschiedlichen Themen zu tun.
Er ist nicht mehr grundsätzlich, sondern erstreckt sich
auf viele Fachbereiche. Deswegen muss dieses Thema
nach unserer Meinung fachspezifisch behandelt werden
und nicht in einem gesonderten Ausschuss.
Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen – ich
habe das vorhin schon angesprochen; das hat auch etwas
mit meiner Vita zu tun, da ich sehr lange und auch schon
sehr früh Kommunalpolitik gemacht habe –, dass Kom-
munalpolitik meiner Meinung nach eine Querschnitts-
aufgabe ist. Dazu gehören Themen wie „Soziale Stadt“,
Finanzen, aber auch Inneres in der Kommune. Deswe-
gen sind wir der Meinung, dass das Thema als Quer-
schnittsaufgabe behandelt werden muss. Aber ich glaube
nicht, dass es dafür eines eigenständigen Ausschusses
bedarf, sondern man kann das auch wie bisher in einem
Unterausschuss behandeln. Darin sind wir in der Gestal-
tung frei. Das Thema Kommunales muss natürlich inten-
siv behandelt werden können. Dem stehen wir nicht im
Weg. Im Gegenteil: Das werden wir entsprechend forcie-
ren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Britta Haßelmann für
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der 19. De-
zember. Am 22. September wurde gewählt. Ich finde, die
Zeit ist reif – eigentlich ist es längst überfällig –, dass
heute endlich die Ausschüsse eingesetzt werden, wenn
auch mit Verspätung.
Ich glaube, dass die letzten Monate uns nicht gut getan
haben, was die Arbeitsfähigkeit des Parlaments angeht.
Im Nachgang möchte ich bei allem Verständnis sagen:
Falls es noch einmal zu der Situation kommt, dass lange
Koalitionsverhandlungen geführt werden, muss die Ar-
beitsfähigkeit des Parlamentes früher hergestellt werden.
Es kann nicht sein, dass 631 Abgeordnete sich damit ab-
finden müssen, dass einige Mitglied eines extra einge-
setzten Hauptausschusses werden, der auch noch sehr
zweifelhafte Geschäftsordnungsgrundlagen für seine Ar-
beit hat, während die meisten von ihnen dazu verdammt
sind, abzuwarten, in welchem Ausschuss sie irgendwann
landen werden. Ich habe absolutes Verständnis für all
diejenigen, die sagen: Das geht so nicht. Ein Parlament
im Wartestand – das waren wir jetzt die ganze Zeit –, das
war falsch, und das kann man heute auch nicht schönre-
den.
Ich bin froh, dass wir heute endlich die Einsetzung
der Ausschüsse beschließen und arbeitsfähig werden.
Jetzt muss der Hauptausschuss, für den Sie sich, meine
Damen und Herren von der Großen Koalition, so gefei-
ert haben, noch liquidiert werden. Ich bin gespannt, wer
das nun einleitet. Wir stehen dann vor der Aufgabe, dass
alle Vorlagen, die Sie an den Hauptausschuss überwie-
sen haben – eine großartige Beratungsschleife –, an die
ordentlichen Ausschüsse, die wir heute einsetzen, über-
wiesen werden. Wer sich das von außen einmal genauer
anschaut, der sieht, was für eine Posse dieser Hauptaus-
schuss bzw. seine Einsetzung war.
Herr Grund, mitnichten ist das Thema Minderheiten-
rechte mit der Einsetzung der 22 Ausschüsse abgehan-
delt. Sie haben auf die Größe der Ausschüsse verwiesen.
Wir können gerne noch einmal über die gestrigen Ver-
handlungen reden, über den Wunsch, Ausschüsse mit 16,
18, 31 oder noch mehr Mitgliedern einzusetzen. Aber an
der Größe der Ausschüsse lässt sich nicht erkennen, ob
die Minderheitenrechte ausreichend berücksichtigt wer-
den. Wir haben die klare Vorstellung, dass die Minder-
286 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Britta Haßelmann
(C)
(B)
heitenrechte der beiden Oppositionsfraktionen im Deut-
schen Bundestag in der Geschäftsordnung und anderen
gesetzlichen Regelungen verbrieft werden müssen. Es
reicht nicht, dass der Bundestag in einer Absichtserklä-
rung beschließt, die Minderheitenrechte einhalten zu
wollen. Wir haben schon beim Streit über die Redezeiten
gemerkt, wie schwierig das ist. Meine Fraktion will auf
keinen Fall auf den Goodwill Ihrer beiden großen Frak-
tionen angewiesen sein. Vielmehr wollen wir verbriefte
Minderheitenrechte für einen parlamentarischen Unter-
suchungsausschuss, die Einsetzung einer Enquete-Kom-
mission und die Durchführung öffentlicher Anhörungen
und viele andere Punkte. Das alles ist in der Geschäfts-
ordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen zu re-
geln. Ich hoffe, dass wir im Januar oder im Februar
nächsten Jahres endlich dazu kommen, das alles ver-
bindlich festzuschreiben.
Über die Einsetzung der 22 Ausschüsse haben wir
Einvernehmen hergestellt; das haben meine Vorredner
schon dargelegt. Wir haben uns darauf verständigt. Wir
sind sehr für die Einsetzung eines 23. Ausschusses. Die
Enquete-Kommission, in der vier Jahre lang mit Sach-
verständigen über Fragen betreffend die digitale Welt,
das Internet und die Netzpolitik sehr intensiv diskutiert
wurde, hat uns ganz klar empfohlen, einen entsprechen-
den Ausschuss des Deutschen Bundestags einzusetzen.
Das halten wir für richtig und notwendig. Die beiden
Koalitionsfraktionen haben uns die Einsetzung eines
solchen Ausschusses im Januar oder Februar zugesagt.
Daran werden wir Sie messen. Ich hoffe, dass das auch
geschieht. Ein solcher Ausschuss braucht natürlich an-
ständige Kompetenzen. Sonst brauchen wir ihn erst gar
nicht einzusetzen.
Noch kurz zur Linken. Herr Claus, es tut mir leid,
aber das muss ich einfach sagen. Im November nächsten
Jahres feiern wir den 25. Jahrestag des Mauerfalls. Nun
kommen Sie mit einem Antrag auf Einsetzung eines
Ausschusses Deutsche Einheit. Ich bitte Sie!
Es geht nicht um Himmelsrichtungen. Es geht nicht um
die Frage, wo Strukturschwächen bestehen, wo demo-
grafischer Wandel herrscht
oder wo es Regionen gibt, die sich abgehängt fühlen.
Vielmehr geht es darum, dass wir strukturschwache Re-
gionen unterstützen, und zwar sowohl im Westen als
auch im Osten Deutschlands.
Dazu brauchen wir nicht die Einsetzung eines Ausschus-
ses Deutsche Einheit 25 Jahre nach dem Fall der Mauer.
Beim Thema Kommunen sehen wir das anders. Dabei
unterstützen wir Sie, weil klar ist, dass der Unteraus-
schuss, den wir in der letzten Legislatur hatten, sehr wir-
kungslos war. Hier wäre es wichtig, etwas im Interesse
der Kommunen zu tun.
Danke.
Als letzter Redner in der Debatte hat jetzt der Kollege
Eckhardt Rehberg, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abge-
ordnete! Zuerst von meiner Seite aus ein Wort des Dan-
kes an die 47 Mitglieder im Hauptausschuss, der, wenn
wir den Beschluss über die Einsetzung der 22 Fachaus-
schüsse fassen werden, aufgehört haben wird zu existie-
ren. Ich glaube, Frau Kollegin Haßelmann, das war
keine Posse, sondern das war eine pragmatische Not-
wendigkeit in einer schwierigen Übergangszeit. Ich
glaube, dass wir letztendlich gemeinsam, Opposition
und jetzige Regierungsfraktionen, in einer pragmati-
schen und effizienten Art und Weise die Arbeit verrich-
tet haben. In meinen Dank möchte ich den Herrn Vorsit-
zenden, unseren Kollegen und Bundestagspräsidenten
Norbert Lammert, einschließen. Wer in diesem Aus-
schuss war, hat eine historische Zeit genossen, und es
war keine schlechte Zeit; das muss ich Ihnen sagen.
Herr Kollege Rehberg, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Beck?
Immer gerne.
Bitte schön.
Verehrter Herr Kollege, hier in den Reihen gibt es all-
gemein das Bedürfnis, dass Sie dem Hohen Hause viel-
leicht ganz kurz – ich schenke Ihnen dadurch zusätzliche
Redezeit – die wichtigsten Ergebnisse der Beratungen
des Hauptausschusses kundtun, damit wir alle das ent-
sprechend würdigen können.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 287
(C)
(B)
Die wichtigen Ergebnisse dieses Ausschusses, Herr
Kollege Beck, wurden Ihnen allen per E-Mail zugesandt.
Es gibt Protokolle und Beschlüsse der jeweiligen Sitzun-
gen. Wenn Sie lesen können, können Sie auch die Ergeb-
nisse zur Kenntnis nehmen.
Also nichts!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kol-
lege Claus, wer wirklich gesamtdeutsche Verantwortung
wahrnehmen will – im Jahr 2014 feiern wir 25 Jahre Fall
der Mauer und im Jahr 2015 25 Jahre deutsche Einheit –,
der kann aus meiner Sicht nicht sagen: Wir lösen die
Probleme einer Region im Osten – mit Berlin sind das
sechs Länder –, indem wir einen separaten Ausschuss
einrichten.
Meine Erfahrung und meine Wahrnehmung als Haus-
hälter sind andere. Ich habe links einen Kollegen aus Ba-
den-Württemberg und rechts einen aus Bayern sitzen.
Natürlich gibt es dort unterschiedliche Interessenlagen.
Ich muss akzeptieren, dass, wenn die Kollegen über
Ortsumgehungen reden, sie über 40 000, 50 000 oder
60 000 Fahrzeuge pro Tag reden. Das akzeptiere ich. Ich
muss gleichzeitig darauf hinweisen, dass von den rund
15 Milliarden Euro für die Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“ knapp 5 Milliarden Euro in die alten Bundes-
länder geflossen sind. Aber das war notwendig.
Ich glaube, die Ergebnisse der letzten vier Jahre zei-
gen die Bedeutung der einzelnen Fachausschüsse. Herr
Kollege Claus, wir sind eine stolze Truppe von 59 Abge-
ordneten aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-An-
halt, Brandenburg, Berlin, Thüringen und Sachsen. Wir
sind deswegen besonders stolz, weil wir in den Flächen-
ländern bis auf einen einzigen Wahlkreis alle Wahlkreise
direkt gewonnen haben.
Deswegen werden wir uns in den einzelnen Fachaus-
schüssen gemeinsam mit den Kollegen aus Niedersach-
sen oder aus Bayern – es gibt immer wieder Gemeinsam-
keiten, zum Beispiel bei der Gemeinschaftsaufgabe zur
Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur – für die
entsprechenden Themen und Fachgebiete einsetzen.
Wenn Sie meinen, extra für den kommunalen Bereich ei-
nen eigenen Ausschuss zu brauchen, dann will ich Ihnen
entgegenhalten, dass die größte Entlastung der Kommu-
nen in den letzten vier Jahren stattgefunden hat.
Leider ist die damals in Mecklenburg-Vorpommern
zuständige Sozialministerin, die heutige Bundesministe-
rin Schwesig, heute nicht anwesend. In dem von ihr ver-
antworteten Gesetzentwurf, der in den Landtag Meck-
lenburg-Vorpommern eingebracht wurde, schrieb sie
– ich zitiere –, „ab 2014 ergeben sich insgesamt erhebli-
che Entlastungen für das Land und die Kommunen“. Die
zusätzlichen Einnahmen der Kommunen im kommenden
Jahr lägen voraussichtlich bei etwa 38 Millionen Euro
und die des Landes voraussichtlich bei etwa 17 Millio-
nen Euro. Dies komme der Finanzierung der Grund-
sicherung im Alter zugute.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau
Schwesig schrieb „erhebliche Entlastungen“. Herr Kol-
lege Claus, ich will Ihnen den Grund dafür nennen.
Wenn Sie sich die Statistik der Altersarmut, sprich: der
Empfänger von Grundsicherung im Alter, anschauen,
dann stellen Sie fest: In den neuen Bundesländern be-
trägt der Anteil der Betroffenen an der Gesamtbevölke-
rung mit rund 1,3 Prozent strukturell nur etwa die Hälfte
des Anteils in Deutschland insgesamt, nämlich 2,7 Pro-
zent. Ein Gutachten der Universität Rostock besagt, dass
mit keinem signifikanten Anstieg der Zahl der Empfän-
ger von Grundsicherung im Alter in den nächsten zehn
Jahren gerechnet werden muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ih-
nen an dieser Stelle eine weitere Zahl nennen: In Meck-
lenburg-Vorpommern hat sich die Zahl der Langzeitar-
beitslosen seit der Kanzlerschaft von Angela Merkel
– Herr Kollege Claus, Sie reden ständig von Ungerech-
tigkeiten – von 120 000 im Jahr 2006 auf 60 000 in die-
sem Jahr halbiert.
Angesichts einer solchen Zahl muss ich Ihnen ganz ein-
fach sagen: Wir brauchen weder einen Ausschuss Deut-
sche Einheit noch einen Ausschuss für kommunale
Angelegenheiten. Meine Auffassung hierzu ist: Kommu-
nale Interessen und Interessen der jeweiligen Region
kann man viel besser gemeinsam in den jeweiligen Fach-
ausschüssen wahrnehmen.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/211 zur Einsetzung von
Ausschüssen. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit
den Stimmen des gesamten Hauses angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/109 zur Einset-
zung eines Ausschusses Deutsche Einheit. Wer stimmt
für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU,
Bündnis 90/Die Grünen und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 18/110 zur Einsetzung eines Ausschus-
ses für kommunale Angelegenheiten. Wer stimmt für
diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist
mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-
288 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
(C)
(B)
Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü-
nen und der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Bestimmung des Verfahrens für die Berech-
nung der Stellenanteile der Fraktionen
– Drucksache 18/212 –
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wir kommen zur Abstimmung über den interfraktio-
nellen Antrag auf Drucksache 18/212. Wer stimmt für
diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Antrag ist mit den Stimmen des gesamten Hauses
angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent-
wurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Ände-
rung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
– Drucksache 18/200 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptaus-
schusses
– Drucksache 18/206 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Spahn
Heidtrud Henn
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Andreae
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. Der
Hauptausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/206 , den Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksa-
che 18/200 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-
men des gesamten Hauses angenommen.
– Zwei Enthaltungen. Also noch einmal: Der Gesetzent-
wurf ist damit in zweiter Beratung bei zwei Enthaltun-
gen mit den Stimmen fast des gesamten Hauses ange-
nommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist bei zwei Enthaltungen angenom-
men.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zum Vorschlag für eine Verordnung
des Rates über das Programm „Europa für
Bürgerinnen und Bürger“ für den Zeitraum
2014 – 2020
– Drucksache 18/13 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptaus-
schusses
– Drucksache 18/177 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dorothee Bär
Caren Marks
Wolfgang Gehrcke
Manuel Sarrazin
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. Der
Hauptausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/177, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/13 in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD,
Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/
Die Grünen und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Ebner, Bärbel Höhn, Renate Künast, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra-
tes über das Inverkehrbringen eines genetisch
veränderten, gegen bestimmte Lepidopteren
2001/18/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates
KOM(2013) 758 endg.; Ratsdok. 16120/13
hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-
regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des
Grundgesetzes
Keine Zulassung der gentechnisch veränder-
ten Maislinie 1507 für den Anbau in der EU
– Drucksache 18/180 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 289
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
(C)
(B)
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Ab-
stimmung über ihren Antrag auf Drucksache 18/180 in
der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wün-
schen Überweisung, und zwar zur federführenden Bera-
tung an den Ausschuss für Ernährung und Landwirt-
schaft und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Gesundheit
sowie an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit.
Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den
Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb:
Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist die Über-
weisung so beschlossen. Damit stimmen wir heute über
den Antrag auf Drucksache 18/180 in der Sache nicht ab.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska
Hinz , Sven-Christian Kindler,
Dr. Tobias Lindner, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erneute Überprüfung der Deutschen Energie-
Agentur durch den Bundesrechnungs-
hof
– Drucksache 18/181 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/181 an den Haushaltsausschuss vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Festsetzung der Beitrags-
sätze in der gesetzlichen Rentenversicherung
für das Jahr 2014
– Drucksache 18/187 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Haushaltsauschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich sehe und
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parla-
mentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller.
G
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag, ein
guter Tag nicht nur für die Deutsche Rentenversiche-
rung, sondern auch für viele Menschen; denn sie können
sich auf deren Stabilität verlassen. Viele Länder benei-
den uns um unser stabiles, um unser solidarisches Ren-
tenrecht. Wir wollen es mit dieser Regierung nicht nur
weiterhin stabil halten, sondern auch noch ein wenig ge-
rechter machen. Das setze ich gern an den Anfang.
Wir begrüßen den Gesetzentwurf der die Regierung
tragenden Fraktionen zur rentenpolitischen Entschei-
dung für das kommende Jahr. Ja, wir sagen: Wir wollen
die Höhe des Beitragssatzes für das Jahr 2014 einfrieren.
Um dies zu erreichen, muss der Gesetzgeber handeln.
Denn würden wir keine Entscheidung hier im Deutschen
Bundestag treffen, stünde uns eine weitere Senkung des
Rentenversicherungsbeitrags ins Haus.
Ich weise darauf hin – viele sagen ja: das ist immer
eine gute Sache, wenn man Beiträge senkt –: Wir haben
2011 den Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung
deutlich gesenkt, bis heute um insgesamt 1 Prozent-
punkt. Insofern haben wir in der Vergangenheit eine Bei-
tragssenkung vorgenommen, aber wir haben gute
Gründe, sie für das kommende Jahr auszusetzen.
– Diese guten Gründe werde ich gerne erläutern. – Die
Grundlage für diese Gründe wurde im Koalitionsvertrag
klipp und klar dargelegt. Ich denke, dass diese großen
rentenpolitischen Maßnahmen viel Sinn machen. Betrof-
fene werden sie begrüßen. Experten sagen: Das ist die
richtige Richtung, um ein stabiles System gerechter zu
machen.
Wir sorgen als Erstes dafür – das ist ein Herzensanlie-
gen unserer Ministerin –, dass Erwerbsminderung kein
Armutsrisiko ist. Das ist ein wesentlicher Schritt. Viele
büßen ihre Erwerbsfähigkeit ein, weil sie hart arbeiten.
Deshalb darf es nicht sein, dass sie doppelt bestraft wer-
den. Das wird ein großes rentenpolitisches Projekt sein.
Wir wollen endlich auch Schluss machen – das sage
ich an prominenter Stelle – mit den unterschiedlichen
Rentenlagen in Ost und West.
Nach so vielen Jahren, in denen unser Land zusammen-
gewachsen ist, ist es dringend geboten, dass wir dieses
zweifelsfrei schwierige Kapitel zu einem Abschluss
bringen.
Das ist mitnichten alles, was rentenpolitisch in dieser
Legislatur auf der Tagesordnung steht. Was wollen wir
noch? Wir wollen die Stichtagsregelung bei Kindererzie-
hungszeiten auflösen. Das ist gut, das ist richtig, und das
werden viele begrüßen, die vor dem Jahr 1992 Kinder
geboren haben. Auch auf diese Entscheidung freue ich
mich, und wir werden sie vorbereiten.
Wir haben als Koalition – ich sage: das ist nicht ein-
fach gewesen; viele konnten das mitverfolgen – zwei
290 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller
(C)
(B)
Modelle solidarischer Absicherung von Lebensleistung
verknüpft. Das kann man auch schon am Titel sehen.
Wir arbeiten nämlich an einer solidarischen Lebensleis-
tungsrente. Sie wird vielen helfen, die viele Jahre hart
gearbeitet haben, aber leider keine hohe Vergütung dafür
bekommen haben und dementsprechend mit ihren Ren-
tenversicherungsbeiträgen nicht dafür sorgen konnten,
dass sie im Alter sorgenfrei, das heißt armutsfrei, leben
können. Auch das ist ein großes Projekt, und auch das
nehmen wir in Angriff.
Jetzt werden Sie sagen: Da fehlt doch noch etwas. –
Ja, das stimmt. Bei meinen Ausführungen zu dem, was
fehlt, mute ich Ihnen Persönliches zu: Ich bin im Jahre
1951 geboren, werde also im nächsten Jahr 63 Jahre alt.
Ich freue mich schon auf meinen Geburtstag. Mein erster
Arbeitstag war der Beginn meiner Lehre als Buchhänd-
lerin am 1. Dezember 1966.
Für viele Einzelhändler und Einzelhändlerinnen ist
das Weihnachtsgeschäft die härteste Zeit. So habe auch
ich das erlebt. Ich will an dieser Stelle sagen: Diese Kol-
leginnen und Kollegen – egal ob sie im Einzelhandel, in
der Logistikbranche oder im Versandhandel arbeiten, ob
sie Bücher oder anderes verkaufen – arbeiten genauso
hart wie jene, die Kranke pflegen, Alte versorgen, Stahl
kochen oder Dächer decken. Auch jahrzehntelange Ar-
beit im Einzelhandel geht ganz schön auf die Knochen.
Diesen Kolleginnen und Kollegen kann ich heute zu-
rufen: Haltet aus! Noch einmal ein hartes Weihnachtsge-
schäft – nächstes Jahr steht ihr auf der anderen Seite. Da
habt ihr die Chance, ohne Abschlag Altersrente zu bezie-
hen. Dann könnt ihr die schwierigen Kunden sein, unter
denen ihr heute leidet.
Ich wünsche uns frohe Weihnachten.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Sabine Zimmermann,
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zuerst möchte ich Frau Ministerin Nahles zur Berufung
in ihr neues Amt gratulieren. Ich wünsche uns weiterhin
eine gute Zusammenarbeit; das sage ich auch als Ge-
werkschafterin. Eines muss ich Ihnen trotzdem sagen:
Wir hoffen, dass wir von Ihnen mehr erwarten können
als das Wenige, das in der Koalitionsvereinbarung steht.
Ich will nicht lange drum herumreden. Ihre neue Ren-
tenpolitik ist eigentlich nichts anderes als die von
Schwarz-Gelb; sie hat nur eine andere, schönere Verpa-
ckung. Auch Sie tun fast nichts, um zu verhindern, dass
die Menschen Angst davor haben müssen, ihren Lebens-
abend nach einem langen, harten Arbeitsleben in Armut
zu verbringen. Was die gesetzliche Rentenversicherung
jetzt wirklich bräuchte, wäre eine Stabilisierung des
Rentenniveaus. Aber davon ist in Ihrem Koalitionsver-
trag nichts, aber auch rein gar nichts zu lesen.
Diese Große Koalition behält den fatalen Kurs der
Rentenkürzung bei. Das bedeutet: Die Renten in
Deutschland werden weiter sinken. Das ist ein Skandal.
Daran ändern auch die einzelnen Korrekturen nichts,
die die Regierung vorsieht. Seien Sie einmal ehrlich:
Eine Konzeption ist hinter diesem Sammelsurium von
Maßnahmen nicht zu erkennen. Es gibt weder einen Plan
noch ein Ziel. Außerdem sind die von Ihnen vorgesehen
Korrekturen auch noch schlecht gemacht.
Auch im Hinblick auf die Kindererziehungszeiten set-
zen Sie eine richtige Sache falsch um. So ist es zwar
mehr als überfällig, Erziehungszeiten von vor 1992 ge-
borenen Kindern bei der Rente stärker zu berücksichti-
gen. Erklären Sie den Betroffenen aber doch einmal, wa-
rum Sie ihnen die vollständige Gleichstellung von Ost
und West verweigern und ihnen nur einen Rentenpunkt
gewähren.
Erklären Sie der Mutter im Osten, warum ihre Erzie-
hungsleistung weniger wert ist als die einer Mutter im
Westen. Erklären Sie vor allen Dingen den Beitragszah-
lern, warum Sie ihnen die Finanzierung aufbürden wol-
len, anstatt diese familienpolitische Leistung systemge-
recht aus Steuermitteln zu bezahlen.
Liebe Frau Ministerin Nahles, seien Sie doch ehrlich:
Hier zahlt die SPD einen Preis, und zwar in der Form,
dass Sie Ihre richtigen und notwendigen Umverteilungs-
forderungen aus dem Wahlkampf aufgegeben haben. Die
Reichensteuer kommt nicht. Stattdessen werden Bei-
tragszahler angezapft, und Sie plündern die Rentenkasse.
Die nächste Mogelpackung ist die Rente ab 63. Wir
als Linke begrüßen alle Schritte, das angestrebte Renten-
eintrittsalter von 67 Jahren zurückzunehmen.
Es ist gut, dass langjährig Versicherte künftig ab einem
Alter von 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen
können. Zur Ehrlichkeit gehört doch aber auch dazu, zu-
zugeben, dass die Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre
angehoben wird
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 291
Sabine Zimmermann
(C)
(B)
und dass diese Möglichkeit nur einer Minderheit in
Deutschland offensteht. Denn viele erreichen die erfor-
derlichen 45 Beitragsjahre nicht.
Zwei Drittel aller Neurentner werden keinen Zugang zu
solch einer vorzeitigen Rente haben. Bei den Frauen
sieht das sogar noch wesentlich schlechter aus.
Unter dem Strich bleibt zu sagen: Auch in Zukunft
werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drastische
Abschläge hinnehmen müssen, wenn sie vor ihrem 67.
Geburtstag in Rente gehen wollen. Da sagen wir als
Linke ganz klar: Weg mit der Rente ab 67! Spätestens
mit 65 muss Schluss sein!
Wer nicht mehr kann, muss vorher abgesichert in
Rente gehen können. Wer lange eingezahlt hat, muss mit
60 Jahren abschlagsfrei die Rente genießen dürfen. Da-
mit niemand im Alter in Armut leben muss, brauchen
wir zudem eine solidarische Mindestrente, die ihren Na-
men auch verdient.
Mit diesem Koalitionsvertrag wird die Angleichung
der Ostrenten wieder aufgeschoben. Im letzten Koali-
tionsvertrag von CDU, CSU und FDP wurde uns eine
Angleichung wenigstens versprochen. Aber jetzt ver-
sprechen Sie nur, die Angleichung bis 2017 zu prüfen.
Na toll! Wissen Sie: Der Stahlarbeiter, der über 40 Jahre
in Riesa hart gearbeitet hat, hat schon längst die Hoff-
nung aufgegeben, dass er einmal die Rente eines Stahlar-
beiters aus Bochum bekommen wird. Das ist ein Skandal
im 24. Jahr der deutschen Einheit.
Deswegen muss ich Ihnen widersprechen, Frau
Haßelmann. Die deutsche Einheit haben wir vor 25 Jah-
ren mit der Öffnung der Grenze eingeleitet – das ist rich-
tig –, aber die soziale Einheit haben wir noch lange
nicht. Daran müssen wir noch arbeiten.
Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen von Union und SPD, Ihr Koalitionsvertrag trägt
den Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“. Anschei-
nend verstehen Sie darunter, die Renten weiter zu kürzen
und dem Zug in Richtung Altersarmut freie Fahrt zu ge-
ben. Bremsen werden Sie ihn nur noch können, wenn
alle Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung
einzahlen: vom Abgeordneten über den Rechtsanwalt bis
hin zu den Beamten. So können Sie bei der Rente
Deutschlands Zukunft gestalten, aber dazu fehlt Ihnen
der Wille, und es fehlen natürlich auch die Gemeinsam-
keiten in dieser Großen Koalition.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Karl Schiewerling, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir zunächst ei-
nen herzlichen Glückwunsch an die neue Bundesarbeits-
ministerin, Frau Nahles. Ihnen alles Gute, eine glückli-
che Hand, Gottes Segen für Ihr Wirken!
Gemeinsam mit den neuen Parlamentarischen Staats-
sekretärinnen, Frau Lösekrug-Möller und Frau Kramme,
haben wir den Koalitionsvertrag ausgehandelt. Es war –
das ist gar keine Frage – ein schwieriger Weg, den wir
miteinander zurücklegen mussten, auch und gerade im
Bereich der Rentenpolitik. All das, was wir uns vorge-
nommen haben, ist im Koalitionsvertrag festgelegt. Er
ist die Basis für die nun anlaufenden Gesetzgebungsver-
fahren.
Bevor ich fortfahre, möchte ich die Gelegenheit nut-
zen, an dieser Stelle Ihrer Vorgängerin, Frau Bundes-
ministerin von der Leyen, herzlich zu danken für die Ar-
beit, die sie in den letzten vier Jahren in hervorragender
Weise für uns geleistet hat.
Auch den Staatssekretären, den beamteten wie den parla-
mentarischen, an dieser Stelle einen herzlichen Dank!
Sie übernehmen ein gut bestelltes Haus, eine gute
Grundlage für die gemeinsame Arbeit. Wir freuen uns
darauf.
Meine Damen und Herren, der Koalitionsvertrag ist,
wie ich gerade schon sagte, die Grundlage der Gesetzge-
bungsverfahren. In diesem Koalitionsvertrag sind die
Dinge vereinbart worden, die Frau Staatssekretärin
Lösekrug-Möller gerade vorgetragen hat, nämlich die
Rente mit 63, die Mütterrente, die Erwerbsminderungs-
rente, die solidarische Lebensleistungsrente und – nicht
zu vergessen – auch die potenzielle Anhebung der Mittel
für die Rehabilitation.
Um dieses alles finanzieren zu können, hat die Bun-
deskanzlerin bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages
am 27. November vor der Bundespressekonferenz ge-
sagt, dass der Rentenversicherungsbeitrag im kommen-
den Jahr stabil bleibt und nicht abgesenkt wird. Deswe-
gen kann ich manche Aufregungen nicht verstehen.
Übrigens haben einen Tag später alle Debattenredner im
Hohen Haus genau dieses über alle Fraktionsgrenzen
hinweg ebenfalls bestätigt.
Daher können all die, die ein Gutachten in Auftrag
gegeben haben, um festzustellen, ob dies verfassungsge-
mäß ist oder nicht, getrost davon ausgehen, dass die Be-
völkerung, die Arbeitgeber, die Versicherten wissen,
dass der Rentenversicherungsbeitrag auch in 2014
18,9 Prozent betragen wird. Das wird dadurch erreicht,
dass heute in erster Lesung das entsprechende Gesetz
durch die beiden Koalitionsfraktionen eingebracht wird.
Morgen wird es als Ankündigung im Bundesanzeiger
292 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Karl Schiewerling
(C)
(B)
veröffentlicht, sodass damit die rechtlichen Grundlagen
gelegt sind. Sofern der Ausschuss für Arbeit und Sozia-
les auf weitere Anhörungen gesonderter Art verzichtet,
werden wir das Gesetz schon im Februar im Bundesrat
verabschieden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Union
verwirklicht damit das große Anliegen: Für die Mütter,
die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, werden die Er-
ziehungszeiten im Rentenrecht besser anerkannt.
Es geht in der Frage soziale Gerechtigkeit – das sage ich
mit Blick auf das, was an öffentlicher Debatte im Au-
genblick läuft – in der Tat darum, den Frauen zu danken,
die eine Leistung für dieses Rentensystem erbracht ha-
ben. Diese Frauen haben nämlich Kinder geboren und zu
lebenstüchtigen Menschen erzogen, die später mit ihrer
Hände Arbeit dazu beitragen, dass das solidarische Ren-
tensystem weiter bestehen kann.
Herr Kollege.
Deswegen geht es bei der Frage der Gerechtigkeit
nicht nur um die jüngere Generation, die die damit ver-
bundenen Mehrkosten zu tragen hat. Es geht auch da-
rum, jetzt die Lebensleistung von Frauen anzuerkennen
– in aller Regel waren es Frauen –, die sie mit der Erzie-
hung ihrer Kinder erbracht haben, ohne dass es Kinder-
krippen gab und ohne dass es Rahmenbedingungen gab,
die es ermöglichten, Beruf und Familie miteinander zu
verbinden. Daher soll die Lücke zwischen drei Renten-
punkten und einem Rentenpunkt wenigstens etwas ge-
schlossen werden.
Herr Kollege Schiewerling, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Abgeordneten Matthias W. Birkwald?
Ja.
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Sie kommt jetzt einen Moment später wegen der Höf-
lichkeit der Präsidentin; denn sie hat Sie erst noch weiter
reden und zum nächsten Thema kommen lassen.
Herr Kollege Schiewerling, Sie haben eben gesagt:
Die Kanzlerin habe Ende November mitgeteilt, der Ren-
tenversicherungsbeitrag werde nicht abgesenkt. – Sie
sagten, da sei das politisch klar gewesen. Dann frage ich
Sie: Warum haben Sie es denn technisch nicht ordentlich
umgesetzt? Wir haben ja heute nur die erste Lesung. Die
zweite und die abschließende dritte Lesung werden nicht
mehr im Kalenderjahr 2013 stattfinden können, was aber
gesetzlich eigentlich so vorgeschrieben ist. Sie tricksen.
Erst im Januar werden Sie rückwirkend mitteilen kön-
nen, dass die Rentenversicherungsbeiträge nicht sinken.
Ich sage Ihnen hier eines: Sie hätten die Gelegenheit
dazu gehabt, das handwerklich ordentlich zu machen.
Sie haben diese Gelegenheit versäumt. Wir, die Linke,
haben nämlich bereits am 14. November einen Gesetz-
entwurf zur Stabilisierung der Beitragssätze in der ge-
setzlichen Rentenversicherung vorgelegt. Der ist dann an
diesen unsäglichen Hauptausschuss überwiesen worden,
wo ja angeblich die Arbeit der Ausschüsse geleistet wer-
den sollte. Was haben dann SPD und CDU/CSU in die-
sem Hauptausschuss gemacht? Sie haben gegen unseren
Willen, gegen die Stimmen der einreichenden Fraktion,
diesen Gesetzentwurf abgelehnt und das Thema auf das
nächste Jahr vertagt.
Deswegen sagen ich Ihnen: Das ist unsauber.
Herr Kollege Birkwald, bei aller Höflichkeit: Würden
Sie jetzt Ihre Frage stellen?
Ich stelle meine Frage: Was sagen Sie zur Einschät-
zung der Zeitung Die Welt vom 4. Dezember? Ich zi-
tiere:
Einen Ausweg aus der Zeitnot bot am Mittwoch
ausgerechnet die Linkspartei: In dem provisori-
schen Hauptausschuss des Bundestags … legte die
Fraktion einen Gesetzesentwurf zur Stabilisierung
der Rentenbeitragssätze vor – und damit zwei Wo-
chen früher, als die Vorlage von Union und SPD ge-
plant ist.
Hätten sich Union, SPD und Linke … auf eine ge-
meinsame Gesetzesinitiative verständigen können,
wäre das Gesetz aller Voraussicht nach noch pünkt-
lich zum Jahreswechsel in Kraft getreten. Ohne
große Trickserei. Aber die Vertreter von Union und
SPD wiesen den Gesetzesentwurf einmütig zurück –
Parteiräson geht vor.
Die Welt schreibt also: „ausgerechnet die Linkspartei“.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 293
(C)
(B)
Jetzt aber bitte die Frage, Herr Kollege.
Wir haben es richtig gemacht. Warum haben Sie es
nicht korrekt gemacht?
Herr Kollege Birkwald, ich will die Debatte nicht un-
nötig verlängern. Deswegen eine kurze Antwort:
Erstens. Wir machen es korrekt, indem wir die Ver-
fahren einhalten, die der Deutsche Bundestag dafür vor-
sieht,
nämlich die Gründung von Ausschüssen und die Be-
handlung im entsprechenden Ausschuss. Wenn alles gut
geht, wird das Gesetz im Februar vom Bundesrat verab-
schiedet. Ihr Vorschlag war ordentlich, unserer ist or-
dentlicher, und deswegen haben wir Ihren abgelehnt.
Zweitens. Sie äußerten die Bitte, einen Zeitungskom-
mentar zu kommentieren. Wissen Sie, wenn wir die
Kommentare der Zeitungen in ihrer Meinungsvielfalt im
Einzelnen analysieren wollten, dann müssten wir uns
ranhalten. Auch wenn die Linkspartei diesmal gut weg-
gekommen ist, kommentiere ich es nicht.
Meine Damen und Herren, wir halten in dieser Frage ein
ordnungsgemäßes Verfahren ein.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auf den Punkt der
Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht und
die Frage der Finanzierung zurückkommen, weil dies im
Augenblick einer der heftig diskutierten Punkte ist. Die
Sicherstellung der Finanzierung ist einer der Gründe,
warum wir den Rentenversicherungsbeitrag nicht absen-
ken.
Wir geben pro Jahr circa 245 Milliarden Euro für
Rentenleistungen aus. Diese Summe stammt zu einem
Drittel von den Beiträgen der Versicherten, zu einem
Drittel von den Beiträgen der Arbeitgeber und zu einem
Drittel aus dem Bundeszuschuss. Die Rücklage von
31 Milliarden Euro beinhaltet deshalb circa 10 Milliar-
den Euro Steuermittel. Wir finanzieren die sogenannte
Mütterrente, die ein Gesamtvolumen von 6,5 Milliar-
den Euro ausmacht, zunächst einmal aus den Rücklagen
der Rentenversicherung. Wir senken den Beitrag nicht
ab, um den Beitragszufluss in Höhe von 7,5 Milliar-
den Euro für das nächste und die folgenden Jahre zu er-
halten. Ich glaube, dass dieses Vorgehen angesichts der
Steuermittel, die der Rentenversicherung bereits zuflie-
ßen, zu vertreten ist. Ich bin ganz sicher, dass die Allge-
meinheit auf diesem Weg in angemessenem Maße an
den Kosten für die sogenannte Mütterrente beteiligt
wird.
Herr Kollege Schiewerling, ich darf Sie an die Rede-
zeit erinnern.
Ich bleibe dabei: Wir werden über das Rentenpaket
intensiv und gut verhandeln und es miteinander auf den
Weg bringen, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart
haben. Wir werden dafür sorgen, dass die Rentnerinnen
und Rentner angstfrei in die Zukunft schauen können,
und wir werden dafür sorgen, dass das Gesetz so ausge-
staltet ist, dass es von den Generationen getragen werden
kann. Hier und heute geht es der Unionsfraktion darum
– das ist der erste Schritt –, den Leistungsträgerinnen un-
serer Gesellschaft, also denjenigen, die Kinder erzogen
haben und dafür sorgen, dass unser Sozialsystem über-
haupt funktionieren kann, mehr Gerechtigkeit zukom-
men zu lassen. Das ist unser Ziel.
Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen auf diesem
Weg ein frohes Weihnachtsfest und Gottes Segen für das
neue Jahr.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Andreae,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Begründung des Gesetzentwurfs ist ein Hohn. Darin
steht, zur Gewährleistung von Stabilität und Planungs-
sicherung in der Finanzierung der gesetzlichen Renten-
versicherung müsse dieses Gesetz jetzt auf den Weg ge-
bracht werden.
Ja, geht’s noch? Das ist reiner Etikettenschwindel, und
das wissen Sie auch.
Sie wollen doch nur Ihre Wahlversprechen finanzie-
ren. Sie plündern die Rentenkasse, um die Mütterrente
und die Rente mit 63 finanzieren zu können. Die Mütter-
rente kostet – das wurde gerade eben noch einmal gesagt –
pro Jahr 6,5 Milliarden Euro. Sie wird bezahlt aus der
Rentenkasse, von dem Geld der Beitragszahler. Sie alle
hier zahlen nicht in die Rentenkasse ein. Ihre Mütter und
teilweise auch Ihre Großmütter kommen in den Genuss
der Mütterrente. Bezahlen müssen das Ihre Mitarbeiter,
aber nicht Sie. Das ist weder fair noch seriös. Das ist
schlicht das Plündern der Rentenkasse.
294 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Kerstin Andreae
(C)
(B)
Die damalige Große Koalition war mutig, als sie die
Rente mit 67 auf den Weg gebracht hat. Das war eine
durchaus unpopuläre Maßnahme, aber eine richtige. An-
gesichts der demografischen Entwicklung war diese Ent-
scheidung richtig. Anscheinend sind wir die Einzigen,
die diese Entscheidung noch verteidigen. Sie schlagen
sich in die Büsche.
Bei der Rente mit 67 ist es aber notwendig, flexible
Übergänge zu schaffen, damit die Leute, auch die Buch-
händlerin, die Chance haben, ihren Beruf bis 67 auszu-
üben. Deswegen ist es notwendig, Reha-Leistungen zu
finanzieren.
Doch was ist mit den Leuten, die wirklich nicht mehr
können?
Für diese Leute brauchen wir eine Erwerbsminderungs-
rente. Die Grünen sind absolut dafür, die Mittel für die
Erwerbsminderungsrente zu erhöhen. Dabei geht es um
Leute, die wirklich krank sind. Es ist nicht in Ordnung,
was diesbezüglich in den letzten Jahren gemacht wurde.
Es ist nicht in Ordnung, dass das Niveau der Erwerbs-
minderungsrente gesenkt wurde. Wir brauchen hierfür
mehr Mittel. Dafür ist die Rentenkasse da. Die Erwerbs-
minderungsrenten aufzustocken, wäre die erste und
wichtigste rentenpolitische Maßnahme. Es macht aber
keinen Sinn, mit der Rente mit 63 alle positiven Effekte
der Rente mit 67 kaputtzumachen. Aber genau das ma-
chen Sie gerade.
Jetzt zum Verfahren. Herr Schiewerling, Sie haben
hier dreist behauptet, dieses Verfahren sei in Ordnung.
Sie haben gesagt, dass die Bundeskanzlerin am 27. No-
vember 2013 beschlossen hat, dass die Rentenbeiträge
bitte so zu bleiben haben, wie sie sind. Das hat aber nicht
sie zu beschließen. Das macht das Parlament, und zwar
in einem geordneten, geregelten Verfahren.
Und das läuft so: erste Lesung im Plenum, Anhörung der
Sachverständigen im Ausschuss und danach zweite und
dritte Lesung inklusive Debatte.
Glauben Sie denn ernsthaft, dass Sie so Vertrauens-
schutz gewährleisten? Sie sagen: Wir haben hier die
erste Lesung gemacht und deutlich gemacht, was wir
wollen, und danach schreiben wir es in den Bundesan-
zeiger. – Wenn Sie so vorgehen, dann können Sie sich
jede Anhörung, jede Debatte im Ausschuss sparen, weil
klar ist, dass es überhaupt keine Änderung mehr gibt. Sie
können doch nicht ernsthaft Sachverständige zu einer
Anhörung einladen und ihnen sagen: Redet einmal schön
darüber, es ist uns nur leider herzlich egal, was ihr dazu
sagt. – Das, was Sie hier machen, ist mitnichten ein ge-
ordnetes Verfahren. Sie geben – ohne einen parlamenta-
rischen Ablauf – schlicht vor, was Sie wollen. Das müs-
sen Sie doch sehen.
Insgesamt muss ich sagen, dass ich ein bisschen ge-
schockt darüber bin, welche Richtung die Debatte ge-
nommen hat. Bei der Mütterrente, die Sie – ich sage es
noch einmal –, wenn Sie sie denn wollen, steuerfinanzie-
ren müssen, geht es in den kommenden vier Jahre um
26 Milliarden Euro. In dieser Legislaturperiode nehmen
Sie gerade einmal 6 Milliarden Euro für Bildung und
Kinderbetreuung in die Hand. Das ist doch kein ausge-
wogenes Verhältnis; das ist doch nicht mehr generatio-
nengerecht. Das, was Sie hier machen, zeigt eine abso-
lute Schieflage bei der Prioritätensetzung. Sie vergessen
die Generationengerechtigkeit.
Ich sage Ihnen ganz klar: Sie trauen sich nicht, den
Weg eines normalen Verfahrens einzuschlagen. Sie
trauen sich nicht, eine Anhörung durchzuführen und das
Wissen der Sachverständigen zu berücksichtigen; denn
die würden Ihnen Ihr Vorhaben um die Ohren hauen. Sie
trauen sich nicht, ehrlich zu sein und die Mütterrente aus
Steuern zu finanzieren.
Sie sagen: Die Koalition gestaltet die Zukunft. – Mit-
nichten ist das der Fall. Sie verbrauchen die Zukunft und
die Mittel auch für zukünftige Generationen. Das hat mit
Planungssicherheit nichts zu tun. Das hat mit Stabilität
nichts zu tun, und mit Generationengerechtigkeit hat es
erst recht nichts zu tun. Sie können mit unserem ent-
schlossenen Widerstand gegen solch ein Verfahren, ge-
gen diese Art von Politik und gegen Ihre Unehrlichkeit
rechnen.
Vielen Dank.
Das Wort hat Sven Morlok, Sächsischer Staatsminis-
ter für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Mit dem hier von den Koalitionsfraktionen
vorgelegten Gesetzentwurf werden die Leistungsträger
in unserer Gesellschaft belastet und die Zukunftschancen
der jungen Generation gefährdet. Schauen Sie sich bei-
spielsweise die Auswirkungen auf eine vierköpfige Fa-
milie mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von
4 500 Euro an. Eine solche Familie wird mit 165 Euro
im Jahr belastet. Eine Fachverkäuferin, Anfang 30, mit
einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2 500 Euro
wird mit 90 Euro im Jahr zusätzlich belastet.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie belasten die
Menschen, die jeden Morgen aufstehen, die sich krumm
machen, die sich im Beruf engagieren, um ihre Familie
zu ernähren. Das, was Sie hier vorhaben, ist ein Schlag
ins Gesicht dieser Leistungsträger.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 295
Staatsminister Sven Morlok
(C)
Die OECD bezeichnet die Rentenpläne der Koalition
als Jobvernichter. Sie empfiehlt, den Faktor Arbeit zu
entlasten. Sie tun genau das Gegenteil. Sie machen Ar-
beit teurer, und zwar um 2,9 Milliarden Euro pro Jahr.
Das ist sozusagen ein 2,9-Milliarden-Euro-Rucksack auf
dem Buckel der deutschen Unternehmen.
Das beeinträchtigt die internationale Wettbewerbsfähig-
keit, und Sie schaden damit dem Wirtschaftsstandort
Deutschland.
Ich möchte Sie einmal daran erinnern, wie einige Mit-
glieder Ihrer Koalition dieses Thema sehen. Vizekanzler
Sigmar Gabriel sagte dazu am 7. Dezember der Braun-
schweiger Zeitung – ich zitiere –:
Die Finanzierung der Mütterrente erfolgt früher
oder später aus Steuern, zumindest teilweise. Auf
Dauer kann man das so nicht durchhalten, sonst
steigen die Beiträge der Rentenversicherung.
So der Vizekanzler.
In einem Memorandum von verschiedenen CDU-Ab-
geordneten heißt es – ich zitiere –:
Unsere Sorge, dass das vereinbarte Rentenpaket in-
klusive der abschlagsfreien Rente mit 63 die Er-
folge der Rentenpolitik der letzten 15 Jahre gefähr-
den könnte, bleibt.
Und der Kollege von Stetten brachte es auf den Punkt,
als er das Vorhaben als „Verbrechen an der nächsten Ge-
neration“ bezeichnete.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben kein Er-
kenntnisproblem. Sie haben ein Umsetzungsproblem.
Sie wissen, dass es so nicht geht, aber Sie machen es
trotzdem. Sie täuschen die Menschen.
Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Abgeordneten Jurk?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gerne.
Herr Staatsminister Morlok, ist das, was Sie uns ge-
rade vortragen, die Position der Sächsischen Staatsregie-
rung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Jurk, die Sächsische Staatsregie-
rung setzt sich bei vielen aktuellen Fragen dafür ein,
dass, wenn in den Kassen zusätzliche Einnahmen ver-
fügbar sind, diese zusätzlichen Einnahmen bzw. Über-
schüsse in allererster Linie dafür genutzt werden, die
entsprechenden Beiträge zu senken und die Bürgerinnen
und Bürger zu entlasten. Ministerpräsident Tillich hat,
als bekannt wurde, dass wir in der Kasse der Rundfunk-
anstalten einen erheblichen Überschuss haben, die Initia-
tive ergriffen, um eine Beitragssenkung herbeizuführen.
Wir haben darüber jüngst, in dieser Woche, eine Debatte
im Sächsischen Landtag geführt. In dieser Debatte ist
deutlich geworden, dass die übergroße Mehrheit des Par-
laments hinter dieser Initiative des sächsischen Minister-
präsidenten steht.
Das, was für die vollen Kassen bei den Rundfunkan-
stalten gilt, gilt natürlich auch für die vollen Kassen bei
der Rentenversicherung. Anstatt sich über zusätzliche
Ausgaben Gedanken zu machen, wäre es richtig, die
Beiträge denen zurückzugeben, die sie bezahlt haben,
nämlich den Beitragszahlern, den Versicherten und den
Arbeitgebern.
Die Regierung, sehr geehrte Damen und Herren, ist
gerade einmal zwei Tage im Amt, und schon greift sie
den Beitragszahlern schamlos in die Tasche.
Es waren knapp 6 Milliarden Euro in zwei Tagen. Ich
möchte mir nicht ausmalen, wie es in vier Jahren aus-
sieht. Das macht mir Angst. Wenn die Stimme der wirt-
schaftlichen Vernunft im Bundestag fehlt, muss sie eben
aus den Ländern kommen.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Katja Mast für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Auch ich will der neuen Bundesarbeits-
ministerin Andrea Nahles und ihrer gesamten Haus-
spitze, insbesondere unseren beiden Parlamentarischen
Staatssekretärinnen Anette Kramme und Gabriele
Lösekrug-Möller, im Namen meiner Fraktion recht herz-
lich zum neuen Amt gratulieren. Wir alle freuen uns auf
die Zusammenarbeit und die Umsetzung der vielen
Punkte, die wir uns in der Koalition gemeinsam vorge-
nommen haben.
Herr Morlok, eigentlich wollte ich gar nichts zu Ihnen
sagen, weil ich finde, das sollte die Fraktion machen, auf
deren Redezeit Ihre Redezeit angerechnet wird; aber
jetzt sage ich trotzdem etwas. Ich halte es für hochzy-
nisch, wenn Sie sagen, Sie würden für die Leistungsträ-
ger in dieser Gesellschaft reden, dabei aber die Mütter in
dieser Gesellschaft ignorieren.
296 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Katja Mast
(C)
(B)
Wir diskutieren hier und heute über einen Gesetzent-
wurf, in dem es darum geht, den Beitragssatz zur Ren-
tenversicherung bei 18,9 Prozent zu stabilisieren, statt
ihn auf 18,3 Prozent zu senken.
Wir haben uns, was die Rentenversicherung betrifft, viel
vorgenommen. Weil die Kollegin Zimmermann gesagt
hat, diese Bundesregierung bzw. diese Koalition würde
keinen Beitrag zur Stabilisierung des Rentenniveaus
leisten, muss ich ihr an dieser Stelle von ganzem Herzen
widersprechen. Sie vergaßen nämlich, in Ihrer Rede da-
rauf hinzuweisen, dass ein flächendeckender gesetzli-
cher Mindestlohn und eine verbesserte Allgemeinver-
bindlichkeitserklärung von Tarifverträgen dazu führen
werden, dass sich die Einkommenssituation der Bürge-
rinnen und Bürger in Deutschland verbessern und damit
automatisch eine Stabilisierung des Rentenniveaus statt-
finden wird. Ich sage Ihnen: Wir sind verdammt stolz,
dass wir das hinbekommen haben. Sie wissen, wie lange
gestritten wurde, bis wir die Einführung eines flächende-
ckenden gesetzlichen Mindestlohns – ab 2015 in Ost und
West – durchgesetzt haben.
– Da ein Kollege dazwischenruft, ich solle zur Sache re-
den: Ich rede über Rentenpolitik, und zur Rentenpolitik
gehört die Bekämpfung der Erwerbsarmut.
Zu unseren Vorhaben. Meine Kollegen haben schon
angesprochen, dass wir die Anrechnung der Kindererzie-
hungszeiten für vor 1992 geborene Kinder gemeinsam
verbessern wollen. Damit wollen wir insbesondere die
Anerkennung verbessern.
Es gibt in der Koalition einen kleinen Dissens in der
Frage, wie wir das finanzieren. Wir sind gemeinsam
schon so weit gekommen, dass wir das langfristig über
Steuern finanzieren wollen. Wir sind jetzt an dem Punkt,
dass wir sagen: Dazu brauchen wir auch Mittel aus der
Rentenversicherung. Aber nach den aktuellen Wortmel-
dungen von Horst Seehofer und Ursula von der Leyen,
die der Rentenversicherung ab 2018 Steuermittel im
Umfang von 2 Milliarden Euro zukommen lassen will,
bin ich zuversichtlich, dass wir in der Koalition auch
diesen Konflikt gemeinsam lösen werden.
Frau Kollegin Mast, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Abgeordneten Kurth?
Ja.
Frau Kollegin Mast, Sie haben davon gesprochen,
dass Sie „einen kleinen Dissens“ bei der Finanzierung
haben.
Stimmen Sie mir zu, dass es bei der Mütterrente immer-
hin um den stattlichen Betrag von 6,5 Milliarden Euro
– und zwar jährlich – geht, und sehen Sie diesen Betrag
mit dem Begriff „kleiner Dissens“ angemessen beschrie-
ben? Und stimmen Sie mir zu, dass die Besserstellung
von Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, gebo-
ten sein mag – darüber kann man diskutieren –, dass dies
aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und daher
vollständig durch Steuermittel zu finanzieren ist und
nicht von den Beitragszahlern?
Lieber Kollege Kurth, natürlich handelt es sich bei
der Mütterrente um eine versicherungsfremde Leistung.
Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
und sollte aus Steuermitteln finanziert werden.
Ich habe kein Problem damit, das einzugestehen; denn
das war schon immer die Position der SPD-Bundestags-
fraktion. Wir sind aber in einer Koalition, und in einer
Koalition geht es darum, Kompromisse zu schließen.
Wir finden – im Gegensatz zu Ihnen –, dass wir hier
keine faulen Kompromisse geschlossen haben. Wir fin-
den, dass wir es den Müttern in Deutschland schuldig
sind, dass wir auch dort ihre Situation verbessern.
Lassen Sie mich aber zu einem weiteren Punkt kom-
men, was unsere gemeinsamen Vorhaben angeht. Ich
persönlich finde, dass das wichtigste Vorhaben in der
Rentenpolitik ist, dass wir bei der Erwerbsminderungs-
rente deutliche Fortschritte in Angriff nehmen. Heute ist
es so, dass Menschen, die in Erwerbsminderungsrente
gehen, das höchste Risiko von Altersarmut haben. Die
Erwerbsminderungsrenten sind von 2000 bis 2012 deut-
lich gesunken – ich nenne nur die Zahl für Männer –: um
15 Prozent, im Westen von im Schnitt 780 Euro auf
647 Euro. Das liegt deutlich unter der Grundsicherung
im Alter. Das heißt, die Erwerbsminderungsrente hat
nicht mehr die Funktion, vor Altersarmut zu schützen.
Deshalb nehmen wir uns in dieser Koalition vor, der Al-
tersarmut an dieser Stelle durch verschiedene Maßnah-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 297
Katja Mast
(C)
(B)
men entschieden entgegenzutreten. Das ist – vorhin
wurde es schon gesagt – für uns Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten und für unsere Ministerin in der
Rentenpolitik ein Kernanliegen.
Wir haben uns vorgenommen, die solidarische Le-
bensleistungsrente einzuführen sowie eine abschlags-
freie Rente ab 63 nach 45 Arbeitsjahren. Die Ost-West-
Angleichung setzen wir Schritt für Schritt um.
Das alles sind für uns Punkte, wozu wir sagen: Dafür
lohnt es sich, vier Jahre gemeinsam Politik zu machen.
Dafür lohnt es sich auch, die Beitragssätze in der Ren-
tenversicherung zu stabilisieren. Wir haben viel vor, und
wir wollen die Gerechtigkeitslücken auch in der Renten-
versicherung schließen.
Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder, CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Die Rentenkasse ist unter der unionsgeführ-
ten Bundesregierung seit Ende 2005 wieder auf Vorder-
mann gebracht worden. Die Rentenfinanzen sind stabili-
siert, die Rücklage ist gut gefüllt. Aufgrund der guten
Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung werden die
Reserven der Rentenversicherung Ende 2013 rund
31 Milliarden Euro betragen. Das entspricht 1,75 Mo-
natsausgaben und ist somit der höchste Stand seit 20 Jah-
ren. Frau Andreae, Sie wären froh gewesen, wenn Sie zu
Ihrer Regierungszeit Ähnliches erreicht hätten.
– Ihr habt sie geplündert. Dazu komme ich noch.
Im Rentenversicherungsbericht 2010, also vor drei
Jahren, ging die Bundesregierung für 2014 noch von ei-
nem Rentenversicherungsbeitrag von 19,3 Prozent aus.
Heute geht es darum, den Beitrag im kommenden Jahr
entweder auf 18,3 Prozent zu senken oder bei 18,9 Pro-
zent stabil zu halten. Das zeigt: Der deutsche Arbeits-
markt brummt. Wir haben mehr Erwerbstätige, weniger
Arbeitslose, deutlich mehr sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte und aktuell immerhin über 430 000 offene
Stellen. Unsere Arbeitsmarktpolitik wirkt. Deutschland
steht international blendend da.
Die Sozialkassen profitieren von diesen Erfolgen. Wir
haben uns bei der Rentenkasse zusätzliche Spielräume
erwirtschaftet, an denen wir die Menschen teilhaben las-
sen können. Die Rentenkasse ist keine Sparkasse. Wir
machen Sozialpolitik für die Menschen. In den letzten
beiden Jahren haben wir die Beitragszahler durch Sen-
kung des Rentenbeitrages von 19,9 Prozent auf 18,9 Pro-
zent bereits massiv entlastet. Jetzt sind die Mütter an der
Reihe.
Für uns gilt: Mütterrente kommt vor einer weiteren Sen-
kung des Rentenbeitrages, Schaffung von Gerechtigkeit
vor weiteren Entlastungen. Das haben wir vor der Wahl
versprochen. Nach der Wahl halten wir unsere Verspre-
chen.
Durch den Verzicht auf eine mögliche Senkung des
Rentenbeitrages zum 1. Januar 2014 erzielt die Renten-
kasse Mehreinnahmen von 7,5 Milliarden Euro pro Jahr,
also von 30 Milliarden Euro zusätzlich in dieser Wahlpe-
riode. Die Rentenfinanzen werden damit deutlich ge-
stärkt.
Die Einführung der Mütterrente war für uns in den
Koalitionsverhandlungen die vorrangigste rentenpoliti-
sche Forderung. Es ist ein großer Erfolg der CSU und
unserer Schwesterpartei, dass wir die Mütterrente in den
Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnten. Die Müt-
terrente kommt zum 1. Juli 2014; so steht es ausdrück-
lich im Koalitionsvertrag. Wir verbessern auf diese
Weise die rentenrechtliche Situation von Müttern, die
Kinder vor 1992 geboren haben, mit einem zusätzlichen
Entgeltpunkt.
Zur Frage, warum wir das nicht steuerfinanziert ma-
chen, sondern über das Rentensystem: Die Geburt von
Kindern vor 1992 ist die wesentliche Grundlage dafür,
dass unser heutiges Rentenversicherungssystem funktio-
niert. Frau Andreae, das ist also eine Conditio sine qua
non, eine Bedingung, ohne die das System nicht funktio-
nieren würde.
Deshalb ist es durchaus vertretbar und begründbar, die
Mütterrente zum großen Teil aus dem System zu finan-
zieren.
In den Rücklagen von über 30 Milliarden Euro sind
immerhin etwa 10 Milliarden Euro steuerfinanzierte
Mittel enthalten, die jetzt für diesen Zweck, also für
mehr Gerechtigkeit für Mütter, eingesetzt werden. Das
halte ich für den richtigen Weg. Ich halte auch die Finan-
zierung für korrekt und für sauber durchgerechnet,
meine Damen und Herren.
Mit der Mütterrente schaffen wir eine klare Anerken-
nung der Erziehungsleistung. Der generative Beitrag ist
für den Fortbestand des Generationenvertrages von zen-
traler Bedeutung. Deshalb wollen wir die Generationen-
komponente in der gesetzlichen Rentenversicherung
stärken. Ohne die Mütter von damals gäbe es nicht die
Beitragszahler von heute und morgen. Herr Kurth, Sie
müssen die Menschen, die berufstätig sind, nur einmal
298 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Paul Lehrieder
(C)
(B)
fragen, ob sie lieber 6 oder 7 Euro mehr pro Monat im
Geldbeutel haben wollen oder ob sie ihrer Mutter
28 Euro mehr Rente pro Monat gönnen. Das ist die Gret-
chenfrage, die Sie in der Bevölkerung stellen müssen,
statt die Generationen gegeneinander auszuspielen.
Hier müssen wir für Gerechtigkeit sorgen. Das schaf-
fen wir mit unserer neuen Bundesarbeits- und -sozialmi-
nisterin Andrea Nahles; an die neuen Namen muss ich
mich erst noch gewöhnen.
Ich wünsche Ihnen nun eine frohe Weihnachtszeit und
ein gutes Jahr 2014.
Herzlichen Dank.
Als letzter Redner in der Debatte hat jetzt das Wort
der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Man kann natürlich über Gesetzestechnik und
-verfahren diskutieren. Dazu ist festzustellen: Norma-
lerweise wird der Beitragssatz zur gesetzlichen Renten-
versicherung durch eine Rechtsverordnung der Bundes-
regierung festgelegt. In diesem Fall ist die Opposition
überhaupt nicht beteiligt. Wir haben uns entschlossen,
den Beitragssatz durch ein Gesetz festzulegen. Dadurch
ist die Opposition am Verfahren beteiligt.
Ich sehe deswegen überhaupt keinen Grund, warum sich
die Opposition beschweren sollte. Sie ist dabei, wenn
wir den Beitrag festlegen, und kann mitdiskutieren.
– Ein bisschen Stolz sollte man als Parlamentarier schon
haben. Ich finde es eine gute Entscheidung von uns Par-
lamentarierinnen und Parlamentariern, dass der Renten-
versicherungsbeitrag durch das Parlament festgelegt
wird. Wir und nicht die Bundesregierung legen den Ren-
tenversicherungsbeitrag diesmal fest.
Das ist auch nicht ungewöhnlich. Auch in den vergan-
genen Jahren und Jahrzehnten ist der Rentenversiche-
rungsbeitrag mehrmals durch das Parlament und nicht
durch die Regierung festgelegt worden – übrigens auch
zu Zeiten, in denen die Grünen an Bundesregierungen
mitbeteiligt waren.
Um was geht es uns eigentlich?
Wir wollen den Rentenversicherungsbeitrag stabil bei
18,9 Prozent belassen. Das ist der niedrigste Rentenver-
sicherungsbeitrag seit 15 Jahren. Wir haben die Unter-
nehmen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
beim Rentenversicherungsbeitrag jetzt über Jahre hin-
weg entlastet, und wir wollen dafür sorgen, dass diese
Entlastung dauerhaft bestehen bleibt. Darum geht es.
– Es wird niemandem etwas weggenommen, vielmehr
wollen wir die Entlastung erhalten.
Was wäre denn die Folge, wenn man den Beitrag sen-
ken würde? Eine jetzige Beitragssenkung würde in weni-
gen Jahren automatisch zu einer deutlichen Beitragser-
höhung führen. Das heißt, das, was man in dem einen
Jahr gegeben hat, muss man in den nächsten Jahren wie-
der einkassieren.
Den Beitrag bei 18,9 Prozent zu belassen, bedeutet,
dass dieser Beitrag voraussichtlich über seinen sehr lan-
gen Zeitraum stabil bleibt. Für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, aber auch für die Unternehmen ist die
Stabilität des Beitragssatzes und damit Planungssicher-
heit das Wichtigste. Diese Planungssicherheit wollen wir
per Gesetz schaffen.
NIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer
Zwischenfrage)
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte schön.
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Weiß, dass Sie die Zwi-
schenfrage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, Sie ver-
hindern durch das, was Sie jetzt tun, zukünftige Bei-
tragssteigerungen. Das verstehe ich nicht ganz; denn es
ist doch, glaube ich, nicht so, dass diese zusätzlichen
Beitragseinnahmen, die Sie erhalten, weil Sie den Bei-
tragssatz jetzt nicht senken, nachhaltig für die zukünfti-
gen Generationen vorgehalten werden, sondern Sie ha-
ben vor, dieses Geld im nächsten Jahr unmittelbar
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 299
Katja Keul
(C)
(B)
wieder auszuzahlen, um Ihre Wahlgeschenke zu bezah-
len. Das Geld ist doch weg und kommt den zukünftigen
Generationen nicht in Form von weiteren Anwartschaf-
ten zugute.
Verehrte Frau Kollegin, die Beibehaltung des Bei-
tragssatzes von 18,9 Prozent führt nach allen Berechnun-
gen über einen langen Zeitraum zu Beitragssatzstabilität,
und das ist uns wichtig.
Richtig ist, dass alle hier im Bundestag vertretenen
Fraktionen, auch die Ihrige, im September dieses Jahres
mit unterschiedlichen rentenpolitischen Reformvorha-
ben in den Bundestagswahlkampf gezogen sind und
diese allesamt auch Folgen für die Beitragsseite haben.
Frau Kollegin Andreae hat in ihrer Rede zum Beispiel
die Erwerbsminderungsrente und Verbesserungen, die
dort notwendig sind, angesprochen. Das ist eine klassi-
sche Aufgabe, die aus den Beiträgen zu finanzieren ist.
Deshalb möchte ich uns allen folgenden Rat geben
– gerne auch den Grünen –: Wenn man in seine Wahl-
programme rentenpolitische Maßnahmen hineinschreibt,
dann sollte man sich die Möglichkeit, diese eventuell zu
verwirklichen, nicht gleich zu Beginn der Legislaturpe-
riode durch falsche Beschlüsse zum Rentenversiche-
rungsbeitrag kaputtmachen. Darum geht es.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die neue
Große Koalition hat in der Tat eine Reihe von renten-
politischen Maßnahmen ins Auge gefasst. Für uns als
Union ist es besonders wichtig, dass wir die Erziehungs-
leistungen in der Rentenversicherung besser anerkennen
– auch für vor 1992 geborene Kinder – und dass wir in
den Rentenversicherung Leistungsgerechtigkeit für all
diejenigen schaffen, die ein Leben lang gearbeitet, wenig
verdient und geringe Rentenansprüche haben und sich
darauf verlassen können sollen, dass ihre Rente, wenn
sie sie beantragen, so aufgestockt wird, dass man davon
auch leben kann und keine zusätzliche staatliche Unter-
stützung beantragen muss.
Ich will hinzufügen: Genauso wichtig, vielleicht noch
wichtiger ist, dass wir die Erwerbsminderungsansprüche
besser berechnen. Demjenigen, der gerne länger arbeiten
würde, aber aufgrund von Krankheit oder eines Unfalls
vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss, sa-
gen wir: Aus deinen Ansprüchen in der Rentenversiche-
rung ergibt sich eine Leistung, die so hoch ist, dass du
nicht um staatliche Unterstützung anstehen musst.
Wir werden in den kommenden Monaten und Jahren
die Gelegenheit haben, die Gesetzentwürfe dazu im De-
tail zu diskutieren. Aber ich finde, es gehört auch zur
Wahrhaftigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bür-
gern, dass wir klar und deutlich sagen: Dazu benötigen
wir finanzielle Mittel. Es wäre unklug, die jetzigen fi-
nanziellen Mittel kurzfristig zu verringern und nachher
durch große Beitragserhöhungen wieder Mittel hereinzu-
holen. Deshalb geht es bei diesem Gesetzentwurf um
Stabilität und damit Planungssicherheit: für die Unter-
nehmen und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer. Es wird niemandem etwas weggenommen. Wer das
behauptet, behauptet etwas Falsches.
Es geht darum, dass wir als Parlament unser Recht
wahrnehmen, diese Frage per Gesetz zu regeln. Ich freue
mich auf die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf. Ich
bin überzeugt, dass wir die richtige Entscheidung tref-
fen.
Weil wir den letzten Sitzungstag vor Weihnachten ha-
ben, möchte ich uns allen ein frohes und gesegnetes
Weihnachtsfest wünschen.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/187 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Ich sehe, das ist nicht
der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Diana
Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein-
führung des Rechts auf Eheschließung für
Personen gleichen Geschlechts
– Drucksache 18/8 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Harald Petzold, Fraktion Die Linke.
300 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
(C)
(B)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne, die noch ver-
blieben sind! „Du entscheidest! – 100 % Gleichstellung
nur mit uns.“
Dieses Plakat hat groß an einem Lastkraftwagen ge-
prangt, mit dem die SPD die Christopher-Street-Demon-
strationen und -Paraden in diesem Jahr in allen deut-
schen Großstädten begleitet hat.
Sie haben zu früh geklatscht, liebe Kolleginnen und
Kollegen; denn ich muss Ihnen nach Lesen des Koali-
tionsvertrages leider sagen: Sie sind den Tausenden
Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und In-
tersexuellen in diesem Land, die von Ihnen tatsächlich
hundertprozentige Gleichstellung erwartet haben, im
wahrsten Sinne des Wortes in die Parade gefahren.
Deswegen habe ich mich entschlossen, meine erste
Rede hier in diesem Hohen Hause nicht leise, brav und
diplomatisch zu halten,
sondern gleich in die Vollen zu gehen, weil ich genauso
wie die vielen Tausend, denen ich hier eine Stimme ge-
ben will, enttäuscht darüber bin, dass wir wieder nur ver-
tröstet und hingehalten werden und es keine hundertpro-
zentige Gleichstellung gibt. Ich sage Ihnen klar und
deutlich: Wir haben es satt, hingehalten zu werden, uns
weiter verstecken und verstellen zu müssen und keine
Gleichstellung zu erreichen.
Ich habe mein gesamtes politisches Leben dafür ge-
kämpft, dass sich Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transse-
xuelle und Intersexuelle nicht mehr verstellen und ver-
stecken müssen.
Sie können die Umfragen dazu lesen, wie das Outing im
Berufsleben aussieht. Ich will, dass sich diese Menschen
nicht länger wegducken müssen. Ich habe gemeinsam
mit engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern in
Brandenburg Aufklärungstouren durch das Land organi-
siert. Wir haben inzwischen seit 1990 in jeder kleinen
Gemeinde und in jeder kleinen Stadt haltgemacht und
dort die Regenbogenflagge gehisst. Jeder Bürgermeister,
der sich geweigert hat oder sich hinter der korrekten
preußischen Flaggenordnung des Landes Brandenburg
verstecken wollte, konnte sich sicher sein: Wir kommen
wieder, bis die Regenbogenflagge gehisst ist und bis klar
und deutlich ist: Wir sind willkommen – in jeder Stadt,
in jeder Gemeinde in Brandenburg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde
es niemals vergessen, wie bei einer solchen Aktion in
Wittstock zwei über 70-jährige lesbische Frauen mit Trä-
nen in den Augen vor mir gestanden und gesagt haben:
Dass wir das noch erleben, dass in unserer Heimatstadt
die Regenbogenflagge weht.
Ich denke, wir sind bei diesen Menschen im Wort.
Deswegen werde ich nicht nur leise und höflich darum
bitten, endlich in diesem Land gleichbehandelt zu wer-
den und die gleichen Rechte zu erhalten, die Sie alle, wie
Sie hier sitzen, ganz selbstverständlich für sich in An-
spruch nehmen. Mit unserer Diskriminierung, mit Un-
gleichbehandlung und mit der Verweigerung von Gleich-
stellung darf in diesem Land nicht weiter Staat gemacht
werden.
Im Koalitionsvertrag ist von Respekt die Rede. Aber
was ist das für ein Respekt, wenn ich fünf Zeilen weiter
lesen muss, dass die Gleichbehandlung gerade einmal so
weit verwirklicht werden soll, wie das Bundesverfas-
sungsgericht es als Minimum in einem konkreten Fall
entscheidet! Was ist das für ein Respekt?
Seit 2002 urteilt das Bundesverfassungsgericht in
ständiger Rechtsprechung und inzwischen mit einstim-
migen Urteilen: Stellt endlich gleich! Wenn Sie sich die
Begründung dieser Urteile durchlesen, dann werden Sie
merken, dass inzwischen auch die Richterinnen und
Richter davon genervt sind, dass das nicht stattfindet.
– Herr Kahrs, ich danke Ihnen für diesen Zwischenruf.
Ich könnte Ihnen den Stapel von Erklärungen vorlegen,
mit denen Sie der Öffentlichkeit immer wieder zu Recht
mitgeteilt haben,
dass damit Schluss sein muss, dass das Bundesverfas-
sungsgericht das vorgibt. Aber Sie setzen das nicht um.
Meine Damen und Herren, ich bin stolz darauf, dass
ich Mitglied der Fraktion bin, die sich bislang am konse-
quentesten für die Gleichstellung aller Lebensweisen
eingesetzt hat.
Bereits im Sommer 2010 hat meine Amtsvorgängerin
Barbara Höll einen entsprechenden Antrag zur Öffnung
der Ehe für alle eingebracht und begründet. Ich bin
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 301
Harald Petzold
(C)
(B)
Barbara Höll für ihr unermüdliches Engagement in die-
sem Hohen Hause sehr dankbar.
Ich bin ihr dankbar dafür, dass sie das gemacht hat und
seit 1990 hier für die Gleichstellung von Lesben und
Schwulen gekämpft hat.
Aber vor allen Dingen – damit bin ich wieder am
Ausgangspunkt – bin ich für das Engagement der vielen
Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und In-
tersexuellen dankbar, die ein Recht darauf haben, dass
wir ihre Forderung endlich erhören, dass wir tatsächlich
vor diesem Engagement Respekt zeigen und endlich die
Ehe öffnen. Meine Damen und Herren, kommen Sie
endlich in der Lebenswirklichkeit an, und folgen Sie
dem Beispiel von vielen Ländern in der Welt: von un-
seren europäischen Partnern wie Dänemark, Belgien,
Niederlande, Frankreich, sogar dem konservativen
Großbritannien, von lateinamerikanischen Ländern wie
Argentinien und Uruguay, vom Südafrika Nelson
Mandelas bis hin zu einzelnen Bundesstaaten in den
USA! Folgen wir diesem Beispiel endlich!
Mit einer Öffnung der Ehe setzen wir im Übrigen
auch ein Zeichen in Richtung der osteuropäischen Län-
der und Russlands. Das wäre ein viel machtvolleres und
unübersehbareres Zeichen, als einfach nicht zu den
Olympischen Winterspielen nach Sotschi zu fahren.
Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin in Warschau bei CSD-
Paraden und -Demos mit Steinen und Feuerwerkskör-
pern beworfen worden. Ich habe es am eigenen Leib er-
lebt, was es bedeutet, als Lesben und Schwule Angst ha-
ben zu müssen vor einem öffentlichen Klima, das gegen
einen gerichtet ist.
Wir werden nur dann wirkungsvoll etwas dagegen tun
können, wenn wir als Land selbst mit gutem Beispiel vo-
rangehen und damit deutlich machen: Der Weg in ein ge-
meinsames Europa führt nur über die Gleichstellung al-
ler Menschen und über die Unantastbarkeit der Würde
aller. Ich fordere Sie deswegen auf: Setzen Sie mit uns
gemeinsam dieses Zeichen!
Ich sage abschließend: Denken Sie nach diesem Re-
debeitrag nicht schlecht von mir, nur weil ich in meiner
ersten Rede gleich Tacheles geredet habe. Manchmal
muss man auch gegen die Tischmanieren verstoßen.
Ich wünsche Ihnen allen trotzdem frohe Weihnachten
und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Petzold. Das war Ihre
erste Rede. Auch von unserer Seite herzlichen Glück-
wunsch! Und: In diesem Haus darf man immer Tacheles
reden.
Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Silberhorn
von der CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, unterliegt
nicht dem Urheberrecht der Linken. Meine Damen und
Herren von der Linken, Sie haben in dritter Auflage ei-
nen Entwurf eingebracht, den wir schon in der letzten
Legislaturperiode diskutiert und mit großer Mehrheit ab-
gelehnt haben. Es ist also schon alles gesagt, aber eben
noch nicht von der Linken. Ich will Ihnen gerne noch
einmal vortragen, weshalb Ihr Gesetzentwurf aus unse-
rer Sicht in die falsche Richtung geht und nicht auf un-
sere Zustimmung stößt.
Ich will vorausschicken, dass es nicht um die Frage
des Respekts vor unterschiedlichen Lebensentwürfen
geht. Wir achten alle Lebensentwürfe, bei denen es um
ein respektvolles Miteinander geht. CDU und CSU er-
kennen an, wenn Menschen in gleichgeschlechtlichen
Partnerschaften füreinander einstehen und Verantwor-
tung füreinander tragen.
Gegenstand dieser Debatte ist etwas ganz anderes,
nämlich ein Gesetzentwurf, der Ehe gleichstellen will
– Entschuldigung, umgekehrt –, der darauf abzielt, das
Institut der Ehe zu öffnen und Lebenspartnerschaften mit
der Ehe gleichzustellen. Das wollen wir nicht. Es gibt
eine weitgehende Gleichbehandlung von Lebenspartnern
und Eheleuten. Ausgangspunkt war das Lebenspartner-
schaftsgesetz aus dem Jahre 2001. Aber selbst mit die-
sem Gesetz haben Sie damals unter Rot-Grün im Kern
den kategorialen Unterschied zwischen Ehe und Le-
benspartnerschaft anerkannt. Möglicherweise ging es
damals darum, zu vermeiden, dass das Lebenspartner-
schaftsgesetz vom Bundesverfassungsgericht ausgehe-
belt wird. Deswegen hat man den Begriff der Ehe ganz
bewusst nicht umdefiniert, sondern den Begriff der Le-
benspartnerschaft eingeführt. Insofern ist Lebenspartner-
schaft keine Ehe mit falschem Etikett, sondern etwas an-
deres.
302 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Thomas Silberhorn
(C)
(B)
Das wurde im Übrigen durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts in einer kontinuierlichen Li-
nie bestätigt.
Herr Kollege Silberhorn, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Liebich?
Ich würde gerne noch erläutern, wie das Bundesver-
fassungsgericht die im Lebenspartnerschaftsgesetz ent-
haltenen kategorialen Unterschiede zwischen Ehe und
Lebenspartnerschaft bestätigt hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Qualifizierung
der Ehe als Verbindung von Mann und Frau in allen Ent-
scheidungen, die seither ergangen sind, immer wieder
bestätigt. Es gibt in der Sache eine weitestgehende
Gleichbehandlung, bis hin zur Sukzessivadoption.
Wir als CDU/CSU verstehen uns als Verfassungspar-
teien und werden deshalb umsetzen, was uns das Bun-
desverfassungsgericht aufgetragen hat. Auch unser
Koalitionsvertrag sieht die Umsetzung der Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption vor.
Allerdings ist auch klar, Herr Kollege, dass bei der Suk-
zessivadoption ein Sonderfall vorliegt. Hier lebt das
Kind bereits mit beiden Lebenspartnern zusammen. Des-
wegen steht es – ähnlich wie bei der Stiefkindadoption –
in einem Verwandtschaftsverhältnis zu einem der beiden
Lebenspartner. Das wird nun durch die Sukzessivadop-
tion zusätzlich rechtlich abgesichert. Bei der gemein-
schaftlichen Adoption liegt der Sachverhalt anders. Des-
wegen macht es einen Unterschied, ob ein Kind in eine
Ehe von Mann und Frau oder zu zwei gleichgeschlechtli-
chen Partnern kommt.
Nach Ihrer Vorstellung soll die Ehe als eine Verbin-
dung von Mann und Frau aufgehoben werden. Zur Be-
gründung führen Sie nicht mehr an, als dass es einen
grundlegenden Wandel des traditionellen Eheverständ-
nisses in unserer Gesellschaft gebe. Ich kann das nir-
gendwo erkennen, erst recht nicht mit Blick auf andere
Länder, die Sie anführen. Ich teile Ihre Vorstellungen
nicht.
Sie wollen im Ergebnis eine Verfassungsänderung auf
kaltem Wege erreichen. Das wird aber nicht funktionie-
ren. Das können Sie mit einem einfachen Gesetz nicht
tun. Dann müssen Sie schon eine Verfassungsänderung
vorschlagen und eine entsprechende Mehrheit erzielen.
Die Ehe gehört schließlich zum Kernbereich der Verfas-
sung. Deswegen kann man das nicht mithilfe eines einfa-
chen Gesetzes uminterpretieren.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2008 zum Transse-
xuellengesetz entschieden, dass zum Gehalt der Ehe ge-
hört, „dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer
Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft
ist“. Das ist der Ausgangspunkt. Damit ist Ihr Gesetzent-
wurf nicht vereinbar. Von Verfassungs wegen ist die Ehe
der Beziehung von Mann und Frau vorbehalten.
Es gibt nun eine weitestgehende Gleichbehandlung
von Ehe und Lebenspartnerschaft; das ist Realität. Aber
eine Gleichstellung in der Form, wie sie nun vorgeschla-
gen wird, können wir nicht mitmachen. Wir können
Gleichbehandlung nicht um den Preis gewähren, dass
man das Verfassungsinstitut der Ehe aushöhlt.
Die Ehe bleibt die Verbindung von Mann und Frau,
weil die Ehe etwas anderes als Lebenspartnerschaft ist.
Das bedeutet nicht, dass wir andere Formen des mensch-
lichen Zusammenlebens geringschätzen würden,
aber es ist etwas Unterschiedliches. Wir lehnen die Öff-
nung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartner-
schaften deshalb ab.
Daher lautet unsere Weihnachtsbotschaft für Eheleute
und Familien: Sie stehen unter dem besonderen Schutz
des Grundgesetzes und der CDU/CSU.
Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kolle-
gen Stefan Liebich das Wort.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 303
(C)
(B)
Lieber Kollege Silberhorn, Sie haben meine Frage
nicht zugelassen, aber zum Glück haben wir hier das In-
strument der Kurzintervention, damit wir auch muntere
Debatten haben.
Das, was Sie hier eben vorgetragen haben, ist nicht
nur bitter für viele Tausende Lesben und Schwule in un-
serem Land, das ist nicht nur bitter für die SPD-Fraktion,
sondern das ist auch bitter für viele Mitglieder Ihrer
Fraktion;
denn inzwischen gibt es auch bei Ihnen mehr und mehr
Leute, die diese Position nicht mehr teilen. Es ist aus
meiner Sicht auch aus CDU-Perspektive nicht sinnvoll,
weil es sehr viele konservative Schwule gibt, die wahr-
scheinlich sehr gerne die CDU wählen würden, wenn sie
nicht eine so blödsinnige Politik auf diesem Feld machen
würde. Aber das ist Ihre Schuld.
Was ich an dieser Stelle ansprechen möchte, ist Fol-
gendes: Wenn wir Menschen in unserem Lande gleiche
Rechte versagen, dann ist das aus meiner Sicht eine
Gewissensfrage. Ich würde sehr gerne an Ihre Fraktions-
führung und auch an die Fraktionsführung der SPD ap-
pellieren – wie ich höre, gibt es entsprechende Diskus-
sionen –, so eine Frage nicht einfach entlang der
üblichen Regeln eines Koalitionsvertrags zu entschei-
den. Wenn das hier zur Abstimmung steht, dann sollte
jeder Abgeordnete im Deutschen Bundestag seinem Ge-
wissen gemäß entscheiden können, ohne Druck und
ohne Zwänge; denn nur so können wir wissen, wie die
Volksvertretung über die Gleichstellung von Lesben und
Schwulen denkt.
Vielen Dank.
Herr Kollege Silberhorn, Sie haben jetzt die Möglich-
keit, darauf zu antworten.
Ich will, Herr Kollege, nur auf einen Umstand hin-
weisen. Ich verstehe die Befindlichkeit, wenn es um Fra-
gen der Gleichbehandlung und Gleichberechtigung geht.
Da haben wir viel erreicht, auch in der letzten Legisla-
turperiode,
und es bleibt im Ergebnis eine zentrale Frage offen,
nämlich die Frage der gemeinschaftlichen Adoption, in
der wir unterschiedlicher Auffassung sind.
Aber etwas ganz anderes ist der Gesetzentwurf, den
Sie heute vorgelegt haben. Der zielt im Ergebnis darauf
ab, dass sich bisherige Lebenspartner künftig auch Ehe-
leute nennen können.
Ich teile nicht die Auffassung, dass die Befindlichkeit
der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner davon ab-
hängt, sich künftig Eheleute nennen zu können.
Wenn es um Gleichberechtigung geht, müssen wir
uns unterhalten, wie weit wir gehen. Ich glaube, Sie
müssen auch sehr deutlich zwischen den Instituten unter-
scheiden und sehen, dass die inhaltliche Gleichstellung
beider Institute nicht das Instrument für eine Lösung bei
der Gleichberechtigung sein kann, die Sie anmahnen.
Vielen Dank. – Ich erteile jetzt dem Kollegen Volker
Beck, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin er-
staunt, dass Herr Silberhorn so viel über die Befindlich-
keit der in Lebenspartnerschaften Lebenden in diesem
Land weiß.
Offensichtlich ist er der neue Sprecher des Lesben- und
Schwulenverbandes in Deutschland.
Ich sage Ihnen: Die Lesben und Schwulen wollen in
dieser Gesellschaft auf Augenhöhe mit den heterosexu-
ellen Bürgerinnen und Bürgern leben, und sie wollen
deshalb die Öffnung der Ehe; denn sie ist der Ausdruck
der Gleichberechtigung und der Gleichheit vor dem Ge-
setz. Alles andere als Gleichberechtigung ist Diskrimi-
nierung.
Sie kommen hier mit der Verfassung. Wie viele Ver-
fahren vor dem Bundesverfassungsgericht, angefangen
von 2001 mit der Klage der Bayerischen Staatsregierung
gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz, haben Sie in die-
304 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Volker Beck
(C)
(B)
ser Frage denn schon verloren? Ihre Rechtsauffassung
von der Ungleichheit der Homosexuellen wird von dem
Bundesverfassungsgericht, das die Grundrechte der Bür-
gerinnen und Bürger schützt, eben nicht geteilt.
Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Traditionelles
Eheverständnis war – es ist richtig – die lebenslange Ver-
bindung von Mann und Frau in einer Ehe. Dieses tradi-
tionelle Rechtsverständnis wurde aber vom Bundesver-
fassungsgericht selbst infrage gestellt. Das
Bundesverfassungsgericht hat die ersten gleichge-
schlechtlichen Ehen mit seiner Entscheidung zum Trans-
sexuellengesetz geschaffen und wir das Ganze – diese
Entscheidung – nachvollzogen. Wir, der Gesetzgeber,
hätten Transsexuellen nach der Geschlechtsumwandlung
gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
eine Lebenspartnerschaft mit völlig gleichen Rechten
und Pflichten wie in der Ehe anbieten können. Wir sind
das nicht angegangen, und damit haben wir hingenom-
men, dass es in Deutschland erstmals mit allen Rechten
versehene Ehen von Mann und Mann oder Frau und Frau
im Sinne des Personenstandsrechtes gibt. Damit ist Ihre
ganze verfassungsrechtliche Argumentation in sich zu-
sammengefallen.
Schauen wir uns an, was unsere Bevölkerung denkt:
Über 60 Prozent der Bevölkerung sagen Ja zur Öffnung
der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
Man spricht auch heute schon davon, dass ein gleichge-
schlechtliches Paar, das zum Standesamt geht, heiratet.
Die Bevölkerung vollzieht die bestehende Differenzie-
rung, an der Sie sich seit Jahren festklammern und die
Sie einbetonieren wollen, nicht nach.
Dieses Einbetonieren wird Ihnen aber am Ende des Ta-
ges nicht gelingen. Da bin ich mir sicher.
Schauen Sie sich die internationale Rechtsentwick-
lung an. Als 1993 das Verfassungsgericht die Verfas-
sungsbeschwerden zur Aktion Standesamt abgelehnt hat,
gab es weltweit noch keine Ehe von gleichgeschlechtli-
chen Paaren. Heute gibt es sie von Brasilien bis Norwe-
gen und Schweden,
von Südafrika bis Dänemark. Überall gibt es Staaten, die
die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben.
In der Mehrheit der Staaten in Westeuropa gibt es die
Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, von Portugal bis zu
den Niederlanden. Das zeigt doch: Die Rechtsentwick-
lung ist auf unserer Seite. Wir werden durch Ihre rechtli-
che Haltung näher an Länder wie Russland und die
Ukraine gerückt als an Frankreich,
Großbritannien, Spanien oder Portugal, die alle die Öff-
nung der Ehe beschlossen haben.
Sie behaupten hier so vollmundig, eigentlich sei ja
schon fast alles gleichgestellt: In den letzten vier Jahren,
seitdem Sie von der Union mit der FDP zusammen re-
giert haben, wurde aber auch nicht ein Jota zugunsten
der Lebenspartnerschaft verändert, ohne dass es ein Ur-
teil des Bundesverfassungsgerichtes gab.
Vielleicht meinen Sie, Sie hätten Ihre Arbeit getan
– ich habe Herrn Kauder gerade versprochen, ihm nach-
her die entsprechende Liste zu geben –: Es gibt 27 Ge-
setze, in denen die eingetragene Lebenspartnerschaft
anders behandelt wird als die Ehe. Das geht vom Bun-
deskindergeldgesetz über das Versammlungsrecht über
das Sprengstoffgesetz über Approbationsordnungen für
Ärzte bis hin zur Höfeordnung, einer Sonderrechtsrege-
lung im Erbrecht. In einer Zeit von „Bauer sucht Mann“
ist es notwendig, dass das Erbrecht für Bauern in dem
Maße angepasst wird, wie Sie die Ehen schützen.
Das ist überfällig. Ich gebe Ihnen gern die Hausaufgaben
mit.
Sie haben sich im Koalitionsvertrag etwas vorgenom-
men. Da steht, Herr Silberhorn:
Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften schlechterstellen, werden
wir beseitigen.
Wenn Sie diese Beseitigung bei allen solchen Rege-
lungen vornehmen würden, würde ich Ihnen schon kon-
zedieren: Da machen Sie einen Fortschritt. Aber im
nächsten Satz im Koalitionsvertrag wird der vorherige
Satz gleich völlig aufgehoben:
Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig
umsetzen.
Das ist aber freundlich, dass Sie ein Urteil des Verfas-
sungsgerichtes, das unmittelbar Rechtskraft erlangt hat,
auch tatsächlich umsetzen werden. Das ist dann Ihre
gleichstellungspolitische Meisterleistung? Nein, das ist
eben nicht die Beseitigung aller Benachteiligungen von
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Wenn Sie
diese Benachteiligungen beseitigen wollen, dann müssen
Sie auch die gemeinsame Adoption für gleichgeschlecht-
liche Paare einführen; denn das Verfassungsgericht hat
in seinem Urteil zur Sukzessivadoption unter Randzif-
fer 104 festgestellt: Es gibt keine Rechtfertigung für eine
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 305
Volker Beck
(C)
(B)
unterschiedliche Behandlung von Ehe und Lebenspart-
nerschaft bei der Adoption. –
Schreiben Sie sich das hinter die Ohren, und setzen Sie
das gemeinsam mit der SPD um!
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gleichstel-
lung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mittels
Gerichtsurteilen keine politische Option ist.
Wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Le-
benspartnerschaften öffnen und diese damit auch
im Adoptionsrecht und im Steuerrecht gleichstel-
len.
– Jetzt erwarte ich Applaus von Ihnen; das ist aus Ihrem
Wahlprogramm.
Sie haben versprochen, Sie würden die Ehe öffnen,
Sie würden nicht auf das nächste Urteil zur Adoption
warten, und Sie würden hier jetzt endlich klar Schiff ma-
chen. Das haben Sie im Koalitionsvertrag aber leider
nicht durchgesetzt. Da haben Sie den Mund zu voll ge-
nommen.
Es gibt eine Mehrheit hier im Haus für die Öffnung
der Ehe. Wenn Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner an
diesem Punkt nicht einigen können, dann geben Sie die
Abstimmung frei,
lassen Sie nicht nur eine Handvoll Abgeordnete dissen-
tierend abstimmen, sondern realisieren Sie die Mehrheit
in der Bevölkerung und die Mehrheit im Deutschen Bun-
destag für die Öffnung der Ehe! Das wäre der richtige
und konsequente Weg. Die Union darf hier nicht immer
die Sperrminorität haben. Gleichheit vor dem Gesetz –
dazu gibt es keine Alternative. Das ist ein verfassungs-
rechtliches Gebot.
Schließen Sie sich uns und den Linken in dieser Position
an!
– Herr Petzold, Sie haben eine Frage?
Eigentlich, Herr Kollege Beck, haben Sie die Rede-
zeit bereits gut ausgeschöpft. Aber wenn Sie noch eine
Zwischenfrage annehmen wollen, dann gestatte ich die
selbstverständlich. – Herr Kollege Petzold.
Nach der Jungfernrede kann man es ihm nicht ab-
schlagen.
Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich die Frage stel-
len darf. – Herr Kollege Beck, ich wollte Sie noch fra-
gen, ob denn jetzt unter Schwarz-Grün in Hessen
mit einer Initiative aus diesem Bundesland zu rechnen
ist, die uns hier vonseiten des Bundesrats noch Unter-
stützung zuteilwerden lassen wird.
Ich kenne den Koalitionsvertrag nicht. Ich habe aller-
dings gesehen, dass bei queer.de stand: Die Forderungen
der Lesben- und Schwulenverbände in Hessen wurden
von den Grünen im Koalitionsvertrag mit der CDU alle
durchgesetzt.
Das nehme ich erst einmal wohlwollend zur Kenntnis.
Ansonsten können Sie Priska Hinz, die verhandelt hat
und da viel sachkundiger ist als ich, fragen, ob auch eine
Bundesratsinitiative geplant ist. Ich kann mir nicht vor-
stellen, dass Hessen so etwas am Ende nicht mittragen
würde.
Aber das müssen Sie die Hessen bei uns fragen. Ich war
nicht dabei.
Noch eine Sache zu Ihrem Gesetzentwurf: Den fand
ich total gut. Den kannte ich. Der war nämlich von mir.
Den haben wir in der letzten Wahlperiode zweimal, ein-
mal allein und einmal zusammen mit den Sozialdemo-
kraten, eingebracht. Aber Sie hätten sich die Mühe ma-
chen können, die Sachen, die sich seither ergeben haben
– wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ein-
kommensteuer –, aufzunehmen, den Entwurf upzudaten
und zur Kenntnis zu nehmen, dass weitere fünf US-Bun-
desstaaten und Brasilien inzwischen die Ehe geöffnet ha-
ben. Das alles fehlt in Ihrer Begründung. Also: Wenn
schon Copy-and-paste, dann immer noch mal kontrollie-
ren, ob alles noch so ist, wie es der Autor geschrieben
hat, von dem man abschreibt!
Ich erteile jetzt das Wort als Nächstes dem Kollegen
Johannes Kahrs, SPD.
306 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
(C)
(B)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! In der Vergangenheit habe ich hier immer die
gleiche Rede halten dürfen – jahrein, jahraus.
Jetzt habe ich ein kleines Problem, aber, ich glaube, das
kriege ich hin.
Zum einen, zu der Linken: Man sollte schon einen ei-
genen Entwurf vorlegen. Der Kollege Beck hat es ja ge-
sagt. Abschreiben ist wirklich keine Meisterleistung.
In der Sache – das muss ich aber zugeben – ist der Ent-
wurf gut; er ist ja auch mit von uns, und deswegen kann
er nicht schlecht sein. Also, in der Sache ist der vorge-
legte Entwurf richtig, wichtig und gut.
– Wir stimmen heute nicht ab, Herr Kollege.
Zum anderen: Im Koalitionsvertrag steht auf Seite 105:
Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende
Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Le-
benspartnerschaften und von Menschen auf Grund
ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen
Bereichen beendet werden.
Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden
wir beseitigen.
Dann heißt es:
Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig
umsetzen.
Dass dieser Satz da steht, liegt daran, dass es bei der
CDU in der Vergangenheit mit der Umsetzung von Ur-
teilen des Verfassungsgerichts schwierig war. Da wollten
wir sichergehen.
Wenn man das liest, stellt man fest, dass CDU/CSU
und SPD sich einig sind, bestehende Diskriminierungen
abzubauen.
Jetzt diskutieren wir also mit den Kollegen von der
Union die Frage: Was ist eine Diskriminierung? Der
Kollege Silberhorn hat seine geschätzte Interpretation ja
zum Besten gegeben.
Ich sehe das anders: Wenn man nicht gleichbehandelt,
diskriminiert man. Das ist eigentlich eine ganz einfache
Geschichte.
Das betrifft die Bereiche Ehe, Adoption und – Art. 3
Grundgesetz – sexuelle Identität. Das sind die drei
Punkte, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Alles
andere haben wir im Koalitionsvertrag geregelt.
Was die Ehe angeht, gibt es verschiedene Interpreta-
tionen, die man hier auch vortragen kann. Ich möchte
aber anmerken, Herr Silberhorn, dass auch Koalitions-
verträge nicht vor der Wirklichkeit schützen. Wir werden
in den nächsten vier Jahren dieses Thema Diskriminie-
rung auf die Tagesordnung setzen, weil im Koalitions-
vertrag steht, dass bestehende Diskriminierungen abge-
baut werden sollen. Das heißt, wir gehen erst einmal
davon aus, dass wir in den nächsten Jahren alles das, was
eine rechtliche Nichtgleichbehandlung von Lebenspart-
nerschaften darstellt, beseitigen werden.
Erst danach streiten wir uns um den Begriff der Ehe.
Herr Kauder, wir haben das hier ja häufiger diskutiert.
Sie haben einmal gesagt, dass es keinen Koalitionsver-
trag geben wird, der die Öffnung der Ehe enthält. Ich
muss sagen: Sie haben sich durchgesetzt. Leider Gottes
muss man bei Koalitionsverträgen Kompromisse ma-
chen. Dieser ist mir ganz besonders schwergefallen. Für
mich als Sozialdemokrat ist das einer der Punkte, bei
dem man sagen muss: Das ist schwierig. Das will ich
nicht. Das mag ich nicht. – Aber man muss es in der Ge-
samtheit betrachten.
Deswegen möchte ich hier darauf hinweisen, dass wir
als Sozialdemokraten der Meinung sind und uns auch
dafür einsetzen werden, die eben angesprochenen
Punkte – Art. 3, Ehe und Adoption – in dieser Legisla-
turperiode mit diesem, von uns neuerdings geschätzten
Koalitionspartner umzusetzen.
Dazu wollen und werden wir vorschlagen, die Abstim-
mung zu diesem Punkt freizugeben, weil es eine Gewis-
sensfrage ist.
Wenn man die Abstimmung freigeben würde, würden
auch Sie, Herr Kauder, und die Union merken, dass ein
Großteil der Kollegen von CDU und CSU dem zustim-
men würde. Denn es ist ja nicht so, dass das, was Sie hier
vertreten, eine allgemeine Meinung innerhalb der Union
ist. Zwar hat es dazu einen Beschluss auf dem Bundes-
parteitag der CDU gegeben, aber es gibt ja in Ihren Rei-
hen ein Fähnlein Aufrechter.
Man muss sehen, dass das Leben sich weiterentwi-
ckelt. Das Problem, das wir immer wieder haben, ist,
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 307
Johannes Kahrs
(C)
(B)
dass bei den Diskussionen hier im Deutschen Bundestag
von einer Lebenswirklichkeit ausgegangen wird, die es
im realen Leben nicht gibt. Bei den Menschen gibt es
eine andere Empfindung. Da ist es so, dass Menschen
heute diskriminiert werden. Da ist es so – das kann man
vielleicht nachvollziehen –, dass sich im Arbeitsleben
viele nicht outen, weil sie Nachteile befürchten. Da ist es
so, dass viele, die lesbisch oder schwul sind, auf Schul-
höfen ein Problem haben, sich zu outen, weil das eines
der am häufigsten gebrauchten Schimpfwörter ist. Da ist
es so, dass es in Familien Probleme beim Outing gibt.
Dass dann über die Fernseher auch noch vermittelt
wird, dass die Bundeskanzlerin sich in den Reden im
Wahlkampf hinstellt und sagt: „Die Gleichbehandlung
von Lesben und Schwulen ist kein Anliegen. Wir werden
die Öffnung der Ehe verhindern“, ist für junge Men-
schen natürlich eine Katastrophe, ist etwas, was nicht
geht.
Wir als Sozialdemokraten werden – ich mache das
hier im Deutschen Bundestag seit 1998; wir haben hier
alle Konstellationen erlebt – weiterhin für die Gleichstel-
lung von Lesben und Schwulen kämpfen, weil Gleich-
stellung etwas damit zu tun hat, wie man mit Menschen
in diesem Land umgeht und ob man sie achtet.
Es genügt nicht, dass man respektiert, dass einige
vielleicht ein bisschen anders sind, sondern es ist wich-
tig, dass man akzeptiert, dass sie so sind. Wer die glei-
chen Pflichten hat, der hat auch die gleichen Rechte zu
haben.
Ich glaube, das ist einer der Punkte, für den wir als
Sozialdemokraten in der 150-jährigen Geschichte unse-
rer Partei immer gekämpft haben. Ich glaube auch, dass
es stimmt, was der Kollege Petzold von der Linken am
Anfang gesagt hat. Er hat ein Schild hochgehalten: Voll-
ständige Gleichstellung gibt es nur mit der SPD. – Daran
hat sich nichts geändert.
Glück auf!
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth
Winkelmeier-Becker, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Ich danke zunächst Ihnen, Herrn Kahrs, dass Sie
ausgeführt haben, was der Koalitionsvertrag alles an gu-
ten Dingen enthält und dass wir diese umsetzen wollen.
Ein erster Schritt ist gemacht, indem die Liste der Ge-
setze, die wir uns noch einmal anschauen müssen, wei-
tergegeben worden ist. Wir werden das gerne aufgreifen.
Wir haben diesen Gesetzentwurf, über dessen Urhe-
berschaft Sie sich streiten oder die Sie sich auch teilen,
vorliegen.
Dieser Entwurf fordert nicht mehr und nicht weniger als
die Umdefinition eines wirklich zentralen Begriffes des
Familienrechts und der Gesellschaftspolitik. Es ist ein
Begriff, den nicht der aktuelle Gesetzgeber und den auch
nicht der Gesetzgeber des BGB im Jahre 1900 erfunden
hat.
Diesen Begriff haben die Verfasser des BGB im Jahre
1900 bereits so vorgefunden. Er hat eine lange histori-
sche, kulturelle, religiöse und rechtliche Vorprägung.
Man kann nicht einfach hingehen und aufgrund eines
Umfrageergebnisses eine Umdefinition vornehmen.
Wenn man bei Wikipedia reinschaut, liest man Fol-
gendes: Die Kulturgeschichte der Ehe fängt für Juden,
Christen und Muslime mit Adam und Eva an. – Das ist
schwer zu datieren. Es geht aber auch genauer. So findet
man in den beiden ältesten juristischen Kodizes der
Menschheitsgeschichte, dem Kodex Ur-Nammu von
2100 vor Christus und dem Kodex Hammurabi aus dem
18. Jahrhundert vor Christus, bereits Regelungen, die die
Ehe betreffen. Unter dem Begriff „Ehe“ wird dort immer
die lebenslange Gemeinschaft, die auf Dauer angelegte
Gemeinschaft einer Frau und eines Mannes verstanden.
308 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
(C)
(B)
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Dr. Neu?
Gerne.
Bitte schön, Herr Dr. Neu.
Liebe Kollegin, wir kennen uns aus unserem Wahl-
kreis, dem Rhein-Sieg-Kreis. Dort haben Sie vehement
– verbal zumindest – für die Gleichbehandlung ge-
kämpft. Stehen Sie dazu, oder stehen Sie nicht dazu?
Danke, lieber Kollege, für die Frage. So kann ich ein
bisschen weiter ausholen.
Ich habe mich hier über lange Zeit sehr dafür einge-
setzt, dass wir bei wichtigen Punkten, bei der Gleichstel-
lung im Steuerrecht angefangen, zu einer rechtlichen
Gleichstellung kommen. Ich habe aber auch immer dif-
ferenziert zwischen einer Öffnung der Ehe, die noch eine
andere Kategorie darstellt, und eben der Angleichung
von Positionen, bei denen Rechte und Pflichten zueinan-
der passen müssen – da gebe ich Herrn Kahrs absolut
recht –, und wo ich es auch als große und verletzende
Ungerechtigkeit empfunden habe, dass man mit zweier-
lei Maß misst. Das ist an einer Stelle aufgehoben wor-
den. Wir werden uns im Hinblick auf diesen Aspekt
noch weitere Punkte anschauen. Wir werden schauen, ob
noch weitere Dinge nicht zusammenpassen und diese
dann gegebenenfalls aufgreifen und verändern. In die-
sem Punkt haben Sie mich absolut auf Ihrer Seite.
Wir sprechen hier allerdings über einen anderen
Punkt, und zwar über die Öffnung der Ehe. Diese hat
eine lange kulturgeschichtliche und juristische Vorge-
schichte.
Man kann daher nicht einfach hingehen und sagen: Wir
definieren das anders. Man muss da schon ein bisschen
genauer hinschauen.
Ich habe nicht nur in Wikipedia oder in den Kodex
Hammurabi geschaut, sondern habe mir auch die Proto-
kolle des Parlamentarischen Rates aus der Zeit der Ent-
stehung des Grundgesetzes angeschaut. Es gibt eine Fas-
sung vom 10. Dezember 1948. In der damaligen Fassung
steht darin unter Art. 7 a:
Die Ehe als die rechtmäßige Form der fortdauern-
den Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und
die mit ihr gegebene Familie … stehen unter dem
… Schutz der Verfassung.
Drei Tage später ist die Definition im Text entfallen.
Seither heißt es unverändert im Grundgesetz:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen
Schutze der staatlichen Ordnung.
Was ist hier passiert? Man hat die Definition von Ehe
nicht deshalb aus dem Text herausgestrichen, weil man
in diesen drei Tagen unter dem Vorsitz von Konrad
Adenauer zu der Überlegung gekommen ist, dass man
unter Ehe nicht mehr die Lebensgemeinschaft von Mann
und Frau versteht und daher auf die Hervorhebung der
Verschiedengeschlechtlichkeit verzichten möchte. Viel-
mehr hat man gedacht, dass sie so selbstverständlich und
selbsterklärend ist, dass man sie weglassen kann.
Der Begriff „Ehe“ hat seine Bedeutung auch außerhalb
unserer zivilen und öffentlich-rechtlichen Gesetzgebung.
Er hat den klaren Inhalt: Lebensgemeinschaft von Frau
und Mann.
Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, der Kollege Beck
möchte eine Zwischenfrage stellen.
Gerne.
Herr Kollege Beck, Sie haben das Wort.
Mit dem Kodex Hammurabi kenne ich mich nicht
aus, aber über das Zustandekommen des Grundgesetzes
weiß ich ein bisschen.
Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass Sie im Parla-
mentarischen Rat schlichtweg die Abstimmung über die
Definition des Art. 6 Grundgesetz verloren haben? Wür-
den Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass sich die Be-
griffe „Ehe“ und „Familie“, die in Art. 6 Grundgesetz
genannt werden, gewandelt haben? Das Bundesverfas-
sungsgericht hat uns nämlich bei der Reform des Kind-
schaftsrechts, die dem Parlament aufgezwungen werden
musste, gesagt: Auch Alleinerziehende mit Kindern und
nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern sind
Familie.
Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass das Bundes-
verfassungsgericht in diesem Jahr bei den Entscheidun-
gen über das Adoptionsrecht und das Steuerrecht aus-
drücklich gesagt hat, dass Lebenspartnerschaften mit
Kindern unter den grundgesetzlichen Schutz der Familie
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 309
Volker Beck
(C)
(B)
fallen und damit der Groschen beim Wandel des Begriffs
„Ehe“ langsam fällt?
Frau Kollegin, bevor Sie jetzt antworten, habe ich
eine Bitte an die Kolleginnen und Kollegen, die hier eine
Vielzahl wichtiger Gespräche führen – Sie machen es
damit den Kolleginnen und Kollegen, die dieser Debatte
folgen wollen, nicht leichter –: Bitte stellen Sie diese
Gespräche ein oder verlegen Sie sie nach draußen, damit
hier die notwendige Aufmerksamkeit gefunden wird.
Frau Winkelmeier-Becker, Sie haben das Wort.
Herr Kollege, über die Details der Protokolle des Par-
lamentarischen Rates können wir gerne noch einmal
sprechen. Meine Dokumentationen sind aus meiner
Sicht vollständig. Wenn Sie noch weitere Erkenntnisse
haben, lade ich Sie gerne auf einen Kaffee ein und Sie
zeigen mir diese.
Zu den anderen Problemen. Ja, es ist problematisch,
dass wir Dinge vermischen. Wer stellt infrage, dass
gleichgeschlechtliche Eltern oder ein Elternteil mit dem
neuen Partner und dessen Kind eine Familie bilden?
Dass diese Familien alles, was sich rechtlich anknüpft, in
Anspruch nehmen, ist doch selbstverständlich. Das ist
überhaupt nicht in Abrede zu stellen. Bei den Urteilen,
die Sie in Ihrem Gesetzentwurf nennen, geht es um den
familienrechtlichen oder grundgesetzlichen Schutz für
die sozialfamiliäre Gemeinschaft aus eingetragener Le-
benspartnerschaft und dem leiblichen oder angenomme-
nen Kind des Lebenspartners. Zugestanden, eine Familie
steht unter diesem besonderen Schutz. Das hat aber alles
nichts zu tun mit der hier anstehenden, sehr spezifischen
Frage der Öffnung der Ehe. Auch das Urteil zur Adop-
tion verwirft die Differenzierung zwischen der Stief-
kindadoption und der Sukzessivadoption, hat aber mit
der Öffnung der Ehe insgesamt nichts zu tun.
Mit Verlaub, es ist auch Blödsinn, hier auf das Trans-
sexuellengesetz zu rekurrieren und zu behaupten, dieses
habe das kollektive Bewusstsein geändert. Wie viele
Fälle sind es?
Sind es zweistellige Fallzahlen? Es ist kein Phänomen,
das das Bewusstsein und das Bild dessen, was Ehe aus-
macht, verändern könnte. Abgesehen davon, auch in die-
sen Konstellationen hat am Anfang eine verschiedenge-
schlechtliche Ehe vorgelegen, die unter dem Schutz von
Art. 6 GG steht. Es bleibt also dabei, dass wir – wie es
Herr Papier im Übrigen 2002 formuliert hat – an den
„Wesensgehalt“ der Ehe gebunden sind.
Ich komme zu noch einem Irrtum. Eine Annäherung
bei den Rechtsfolgen, die wir jetzt schon in vielen Punk-
ten vollzogen haben – wir schauen uns gerne weitere
Fälle an –, muss nicht dazu führen, dass man schon auf
der Tatbestandsseite die Dinge im Wege der Umdefini-
tion gleichsetzt. Da gibt es andere Möglichkeiten, etwa
die Gleichsetzung der Rechtsfolgen über Einzelnormen,
Fiktionen oder wie auch immer. Es gibt deshalb keinen
Grund, keine Notwendigkeit, den sehr traditionellen Be-
griff der Ehe zu verändern. Es kann beim Begriff der Ehe
für die Lebensgemeinschaft von Frau und Mann bleiben
und beim Begriff der eingetragenen Lebenspartnerschaft
für die Lebensgemeinschaft eines gleichgeschlechtlichen
Paares bleiben.
Wie gesagt: Ein Teilaspekt des Gesetzentwurfs ist be-
rechtigt. Wir müssen uns die Punkte, bei denen es noch
Handlungsbedarf gibt, ansehen. Wir stellen jedoch fest,
dass es für unseren Ansatz mehr Zustimmung gibt; da ist
es interessant, sich die Umfrageergebnisse anzuschauen,
die Sie sonst immer heranziehen. Ich möchte sogar für
uns in Anspruch nehmen, dass unsere Diskussion in der
Union das Umdenken in der Gesellschaft auch bei den
vielen, die noch mit einem ganz anderen Denken aufge-
wachsen sind, mit befördert hat, gerade weil bei uns
nachvollziehbar ist, dass wir um gute Lösungen ringen.
Ich denke, das führt in der Gesellschaft zu einer höheren
Akzeptanz.
Ein weiterer Irrtum. Sie setzen jemanden, der gegen
eine Öffnung der Ehe ist, mit jemandem gleich, der Vor-
behalte gegenüber Menschen mit anderer sexueller
Orientierung hat.
Ich kann für mich ebenso wie für viele andere, die ich
kenne, wirklich glaubwürdig in Anspruch nehmen, dass
diese Gleichsetzung nicht angemessen ist. Im Übrigen:
Ob eine Lebenspartnerschaft gelingt, hängt doch nicht
vom Begriff ab, den man dafür verwendet.
Wie es bei Ehen ist, so ist es auch bei Lebenspartner-
schaften: Es gibt welche, die gelingen, und welche, die
eben nicht gut gelingen.
– Sie sollten nicht immer eine „Diskriminierung“ hinein-
interpretieren, wenn es sie nicht gibt, wenn sie nicht
empfunden wird, wenn es nicht als solche gemeint ist.
310 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Elisabeth Winkelmeier-Becker
(C)
(B)
Ich glaube, dass Sie damit dem eigenen Anliegen keinen
sinnvollen Dienst erweisen.
Wir gehen auf dem Weg weiter, den Rot-Grün einge-
schlagen hat: Gleichstellung in den Rechtsfolgen dort,
wo es richtig ist. Es wird einigen Handlungsbedarf ge-
ben. Für diesen Gesetzentwurf heißt das allerdings, dass
er voraussichtlich abgelehnt wird.
Ich möchte mit guten Weihnachtswünschen schlie-
ßen, an alle Formen von Familien, an alle Menschen, die
zusammenleben oder alleine sind, schlichtweg an alle,
die uns zuhören, an alle Menschen in Deutschland.
Danke schön.
Letzter Redner in dieser Debatte ist Dr. Edgar Franke,
SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Haus
schon mehrmals mit der Öffnung der Ehe beschäftigt.
Wir haben engagiert diskutiert, auch heute wieder – Herr
Beck und vor allen Dingen Herr Kahrs haben wieder los-
gelegt. Die beiden haben daran erinnert, dass es einen
gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen gab; es war
ein guter Antrag. Uns liegt heute die dritte Auflage die-
ses Antrags vor, eingebracht von den Linken.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von
der Linken, Herr Petzold, man kann nicht einfach einen
Antrag wörtlich abschreiben und ihn als Gesetzentwurf
ein Dreivierteljahr später wieder einbringen; denn es ist
einiges passiert.
Es gab ein weiteres Urteil des Bundesverfassungsge-
richts. Dieses Urteil ist umgesetzt worden. Lieber Herr
Petzold, wenn Sie schon einen Antrag von uns abschrei-
ben, dann müssen Sie ihn wenigstens aktualisieren. Das
wäre, glaube ich, nicht schlecht gewesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bun-
desverfassungsgericht hat in den letzten Jahren gleichge-
schlechtliche Lebenspartnerschaften in allen Konstella-
tionen mit klassischen Ehen von Mann und Frau
gleichgestellt: bei der Adoption, bei der Hinterbliebe-
nenversorgung, bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer,
beim Familienzuschlag, bei der Grunderwerbsteuer und
sogar beim Ehegattensplitting. Hier hat sich also nicht
nur gesellschaftlich etwas getan, auch juristisch ist viel
verändert worden; das wird zu einer Gleichstellung füh-
ren.
Der Kollege Petzold macht heute von seinem Recht,
Zwischenfragen zu stellen, reichlich Gebrauch. Herr
Kollege Franke, lassen Sie die Zwischenfrage zu?
Ja.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr
Kollege Franke. Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen,
dass wir durch die Einbringung dieses Gesetzentwurfs in
unveränderter Form Ihre Vorlage würdigen und Ihnen
dadurch vor allen Dingen die Möglichkeit bieten, zuzu-
stimmen? Wir wollten Ihnen keinen Anlass geben, mit
uns hier über Kommas zu feilschen und Ihre Zustim-
mung wegen kleiner Änderungen an Ihrem guten Ent-
wurf zu verweigern. Wir wollten Ihnen keinerlei An-
griffsfläche bieten, sondern Ihnen die Möglichkeit
geben, uneingeschränkt zuzustimmen. Würden Sie mir
diesbezüglich zustimmen?
Herr Petzold, ich würde Ihnen immer Folgendes ent-
gegnen: Wenn man Anträge schreibt, muss man aktuelle
Anträge schreiben und vor allen Dingen eigene.
Ich war bei der Bemerkung, dass sich gesellschaftlich
viel verändert hat. Gleichgeschlechtliche Paare mit Kin-
dern stehen inzwischen ganz selbstverständlich unter
dem Schutz von Art. 6 des Grundgesetzes. Wir Sozialde-
mokraten haben immer gesagt: Familie ist da, wo Kinder
sind.
Ich bin Vater von zwei Töchtern. Für mich ist Familie
– gleich ob es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar
oder ein Paar aus Mann und Frau handelt –, wenn man
sich um Kinder kümmert. Ich glaube, das hat absolute
Priorität.
Im Übrigen steht auch die kinderlose Ehe unter dem
Schutz von Art. 6 des Grundgesetzes. Wenn die kinder-
lose Ehe unter dem Schutz von Art. 6 des Grundgesetzes
steht, dann müssen auch gleichgeschlechtliche Paare un-
ter den Schutz von Art. 6 gestellt werden.
Mein hochgeschätzter Kollege Johannes Kahrs hat recht,
wenn er sagt: Jemand, der die gleichen Pflichten über-
nimmt, muss auch die gleichen Rechte bekommen. Das
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 311
Dr. Edgar Franke
(C)
(B)
nennt man Gleichbehandlung, und daher gilt der Schutz
durch Art. 3 Grundgesetz.
Gesellschaftlicher Fortschritt und die Gleichbehand-
lung im Familienrecht mussten immer erst vor dem Bun-
desverfassungsgericht erstritten werden. Es darf aber
nicht sein, dass die Politik dem gesellschaftlichen Wan-
del hinterherhinkt und man das Gericht bemühen muss,
damit die gesellschaftliche Realität, wenn Sie so wollen,
abgebildet wird. Unser Koalitionsvertrag – auch den hat
Johannes Kahrs schon zitiert – enthält unser Anliegen,
zusammengefasst in drei Punkten:
Erstens. Wir wollen Familien stärken, auch Regenbo-
genfamilien. Es ist ganz egal, wie die Menschen zusam-
menleben.
Zweitens. Wir wollen Menschen, die dauerhaft fürei-
nander Verantwortung übernehmen, unabhängig von ih-
rer sexuellen Identität unterstützen.
Drittens. Wir wollen rechtliche Regelungen, die
gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter-
stellen, beseitigen. Ich glaube, das ist ein wichtiger
Punkt, mit dem auch Sie, Herr Petzold, etwas anfangen
können.
Es stellt sich nur die Frage nach dem Wie. Ich glaube,
es versteht sich von selbst, dass man einer Koalition Zeit
geben muss, um politische Prioritäten zu setzen und den
Koalitionsvertrag umzusetzen. Ich bin mir sicher, dass
der gesellschaftliche Wandel hinsichtlich des traditionel-
len Verständnisses von Ehe und Familie vor den Toren
der geschätzten Union nicht Halt macht.
Wer die Debatten in der Union verfolgt hat – auch das
hat Herr Kahrs schon angedeutet –, weiß, dass sich in der
Union politisch einiges bewegt, dass über viele Themen,
über die vor 10 oder 15 Jahren nicht diskutiert werden
konnte, inzwischen zumindest diskutiert wird. Ich bin
mir sicher, dass im Bereich des Familienrechts in dieser
Koalition das eine oder andere bewegt werden kann.
Wir haben aber noch einen ordentlichen Weg bis zur
vollständigen rechtlichen und vor allen Dingen gesell-
schaftlichen Gleichstellung vor uns. Es ist wichtig, dass
die komplette Gesellschaft die ausstehenden Schritte in
die richtige Richtung geht; denn nur wer das Ziel kennt,
findet letztlich auch den Weg.
Ich danke Ihnen.
Hiermit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/8 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Damit
ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Wahl der Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz und die Informationsfreiheit
Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 17. De-
zember dieses Jahres Frau Andrea Voßhoff für die Wahl
vorgeschlagen.
Für die Wahl ist die Mehrheit der Stimmen der Mitglie-
der des Bundestages erforderlich, das heißt mindestens
316 Stimmen.
Sie benötigen eine Stimmkarte sowie den grünen
Wahlausweis aus Ihrem Stimmkartenfach. Meine Bitte
an alle Kolleginnen und Kollegen ist, dass Sie kontrol-
lieren, ob der Wahlausweis auch Ihren Namen trägt. Die
Stimmkarten selbst erhalten Sie jetzt hier im Saal. Die
Wahl ist nicht geheim. Sie können deshalb die Stimm-
karte an Ihren Plätzen ankreuzen und müssen keine Ka-
bine aufsuchen. Gültig sind nur Stimmkarten mit einem
Kreuz bei entweder „Ja“, „Nein“ oder „Enthalte mich“.
Noch eine Bitte: Bevor Sie die Stimmkarte in eine Wahl-
urne werfen, übergeben Sie Ihren Wahlausweis den
Schriftführern. Die Abgabe des Wahlausweises gilt als
Nachweis der Teilnahme an der Wahl.
Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftfüh-
rer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle
Wahlurnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne den
Wahlgang.
Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarten abgege-
ben? – Dann schließe ich hiermit die Wahl und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Wahlergebnis wird Ihnen später
bekannt gegeben.1)
Wir setzen die Beratungen fort.
– Ich bitte um Aufmerksamkeit. Diejenigen, die noch
weitere wichtige individuelle Beratungen durchzuführen
haben, bitte ich, diese Beratungen außerhalb des Plenar-
saals fortzusetzen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Diana
Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe-
bung des Betreuungsgeldgesetzes
– Drucksache 18/5 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
1) Ergebnis Seite 315 A
312 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Vizepräsident Johannes Singhammer
(C)
(B)
Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist die
Kollegin Diana Golze, Die Linke. Hiermit erteile ich Ih-
nen das Wort.
– Darf ich noch einmal darum bitten, die Gespräche ein-
zustellen oder draußen fortzusetzen? – Frau Kollegin
Golze, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Es wäre schön, wenn wir – –
– Oh, das habe ich auch noch nicht erlebt; eine Pre-
miere. – Man könnte, passend zur Jahreszeit, sagen: Alle
Jahre wieder geht es um das Thema Betreuungsgeld.
Aber es ist ja doch einiges anders. Es gibt eine andere
Regierungskoalition, und es gibt eine andere Ministerin,
die ich auf der Regierungsbank leider vermisse. Aber
Caren Marks ist da, also eine Kollegin, die sich mit die-
sem Thema auskennt.
Auch wenn die Ministerin selber nicht dazu Stellung
nehmen kann, will ich für alle Anwesenden ein Zitat aus
einer Pressemitteilung vom 10. September dieses Jahres
anführen, in der sie erklärt hat:
Das Betreuungsgeld ist grundsätzlich falsch und
richtet in seiner fehlerhaften Ausgestaltung viel
Schaden an.
Diese Auffassung teile ich uneingeschränkt. Ich kann
mir vorstellen, dass es für eine frischgebackene Bundes-
ministerin ein schöneres Thema für ihre erste Debatte
gegeben hätte. Vielleicht hat das zu ihrer Entscheidung
beigetragen, dass sie heute nicht hier sein kann.
Frau Schwesig hat während der Koalitionsverhand-
lungen gesagt, sie sei nicht zum Kuscheln da. Dabei
hätte ich sie gerne beim Wort genommen. Ich möchte ihr
nicht absprechen, dass in der Arbeitsgruppe Familie in
den Koalitionsverhandlungen hart verhandelt worden ist;
aber auch die Opposition, auch wir sind nicht zum Ku-
scheln da. Deshalb frage ich mich schon: Womit hat sich
die Ministerin, womit hat sich die SPD die Abkehr von
ihrer strikten Ablehnung des Betreuungsgeldes abpres-
sen lassen?
Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
– dieses Thema hatten wir gerade – kann es anscheinend
nicht sein; denn das wird von der Koalition abgelehnt.
War es die sogenannte Mütterrente, also die Besserstel-
lung von Frauen, die vor 1992 ein Kind bekommen ha-
ben? Auch die wird es nur halb geben: Es wird nur
1 Rentenpunkt geben. Die Mütterrente hatte die CDU/
CSU-Fraktion ihrer Frauenunion bereits in der letzten
Legislatur versprochen. Das kann es also auch nicht ge-
wesen sein. War es die Angleichung der Bezahlung von
Frauen und Männern? Auch da finden sich im Koali-
tionsvertrag nur sehr schwammige Formulierungen. Das
kann es also auch nicht gewesen sein. Oder hat der – sicher
hart erkämpfte – Prüfauftrag im Koalitionsvertrag, ob
man als Bund vielleicht doch ein bisschen mehr Geld für
den Kitaausbau zur Verfügung stellt, etwas damit zu tun,
dass die SPD diese Kehrtwende vollzogen hat? Ich kann
es mir nicht vorstellen. Ich weiß, wie dick die Bretter
sind, die man in Verhandlungen mit der Union zu bohren
hat, wenn es darum geht, mehr Geld für den Kitaausbau
zu bekommen. Aber ein bloßer Prüfauftrag als Gegen-
leistung für den Verzicht auf eine Abschaffung des Be-
treuungsgeldes? Na, ich weiß nicht.
Nicht nur meine Fraktion, auch die Grünen und eben
auch die SPD haben in diesem Saal mehrfach betont,
dass, um wirkliche Wahlfreiheit herzustellen, die Mil-
liarden, die in das Betreuungsgeld fließen, in den Kitaaus-
bau fließen müssten. Nun fließen sie weiter als Betreuungs-
geld. In dieser Hinsicht steht im Koalitionsvertrag nichts
von prüfen, es wird nicht einmal erwähnt. Dabei war es
doch die SPD, die sogar ein Rechtsgutachten vorgelegt
hat, in dem die Verfassungsmäßigkeit des Betreuungs-
geldgesetzes infrage gestellt wurde. Nun wird das Be-
treuungsgeld kommentarlos beibehalten. Nein, Frau
Schwesig, nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der
SPD, bei allem Wissen um die Härte von Koalitionsver-
handlungen und bei größtem Verständnis dafür, dass so
unterschiedliche Partner Kompromisse eingehen müs-
sen: Das Verhandlungsergebnis in Sachen Betreuungs-
geld ist kein Kompromiss, sondern eine Kapitulationser-
klärung.
Die Tatsache, dass das Betreuungsgeld trotz klarer Posi-
tionierung des Bundesrates – an welcher sicherlich auch
Frau Schwesig mitgewirkt haben dürfte – kommentarlos
erhalten bleibt, ist nicht erklärbar.
Wir wissen: Dieses Betreuungsgeld ist gleichstel-
lungspolitisch ein Katastrophenprogramm. Alle Erfah-
rungen in den Ländern, in denen es so etwas gegeben hat
– und wo es in der Zwischenzeit übrigens wieder abge-
schafft wurde –, zeigen: Ein Betreuungsgeld verhindert
in erster Linie die Erwerbstätigkeit von Frauen. Das ist
ein billiger Ersatz für hochwertige frühkindliche Bil-
dung. Darum bleibt meine Fraktion, darum bleibe ich da-
bei: Nur dort, wo es ein ausreichendes Angebot an Kinder-
tagesbetreuungsplätzen gibt, kann man von wirklicher
Wahlfreiheit reden.
Dort, wo die Eltern aufgrund fehlender Kitaplätze
keine echte Wahlfreiheit haben, wird das Betreuungsgeld
zum Notanker. Das zeigen die Zahlen: In den Bundes-
ländern, in denen es eine gute Infrastruktur für Kinder-
tagesbetreuung gibt, wird das Betreuungsgeld kaum
nachgefragt. Ein Beispiel dafür ist Brandenburg:
624 Anträgen auf Betreuungsgeld stehen 30 960 Kinder
unter drei Jahren, die in öffentlichen Einrichtungen be-
treut werden, gegenüber. Das heißt, dort, wo Betreu-
ungsplätze vorhanden sind, wird das Betreuungsgeld
nicht nachgefragt. Im Umkehrschluss heißt das: Wir
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 313
Diana Golze
(C)
(B)
müssen Betreuungsplätze schaffen, bevor wir uns über-
legen, ob wir uns ein Taschengeld leisten können.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich darf daran erin-
nern: In den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und
Linken gab es bei diesem Thema eine große Überein-
stimmung. Nach der Wahl des neuen Bundestages wäre
Zeit gewesen, um diese Mehrheit hier im Parlament dazu
zu nutzen, um diesen Gesetzentwurf zu beschließen. Wir
haben ihn frühzeitig eingebracht. Es waren die jetzigen
Koalitionäre, die Sitzungswochen auf einzelne Sonder-
sitzungstage eingedampft haben, die keine wirkliche Be-
fassung des Parlamentes mit diesen Vorlagen erlaubt ha-
ben. Deshalb kann dieser Gesetzentwurf erst jetzt
behandelt werden.
Ich fordere die Kolleginnen und Kollegen, die dieses
Betreuungsgeld immer abgelehnt haben, auf, das zu tun,
was sie vor der Wahl versprochen haben: Schaffen Sie es
ab!
Vielen Dank.
Nächste Rednerin in dieser 38 Minuten dauernden
Aussprache ist die Kollegin Dorothee Bär.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich spreche als MdB und nicht als Parlamen-
tarische Staatssekretärin, da ich zum Thema Betreuungs-
geld quasi eine Abschiedsrede halten möchte.
Frau Kollegin Golze, Sie haben vorhin in Ihrer Rede
gesagt – das haben Sie Gott sei Dank nicht gesungen –:
Alle Jahre wieder. – Ich hoffe nicht, dass sich das durch-
setzt, sondern dass Sie endlich akzeptieren, dass wir an
dieser Stelle einen Schlusspunkt setzen. Im Übrigen ist
unsere Familienpolitik nie gekennzeichnet gewesen von
„Alle Jahre wieder“, sondern von „Ihr Kinderlein kom-
met“.
Ich spreche auch deswegen in meiner ehemaligen
Funktion, weil ich meine Rede einem Kollegen widmen
möchte, der mich sehr unterstützt hat und der nicht mehr
im Bundestag ist, nämlich meinem Kollegen Norbert
Geis. Lieber Norbert, wenn du heute zuschaust: Diese
Rede ist auch für dich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an sich ist es ja in
der Politik ehrenhaft, wenn man ein Ziel konsequent ver-
folgt und alles dafür tut, um dies zu erreichen. Frau Kol-
legin Golze, irgendwann muss man aber erkennen, dass
es nichts bringt, wenn man immer nur gegen die Beton-
wand rennt. Angesichts dessen, dass Sie hier auf absolut
aussichtlosem Posten sind,
verstehe ich nicht, warum Sie diese nervende Schaufens-
terpolitik machen. Das ist der eigentliche Punkt: Sie ma-
chen das nicht, weil Sie glauben, dass Sie Erfolg haben,
sondern machen hier eine nervige Schaufensterpolitik;
das Wort, das ich eigentlich sagen möchte, darf ich nicht
sagen, sonst rüffelt mich mein eigener Präsident.
Wir haben uns über dieses Thema schon unzählige
Male gestritten. Das Ganze geht seit über sieben Jahren.
Und das Schöne ist doch: In den letzten Tagen und Wo-
chen sind viele Kolleginnen und Kollegen – ich weiß gar
nicht mehr, wie viele – auf mich zugekommen und ha-
ben gesagt: Ja, ich war auch irgendwann einmal dage-
gen, ich war auch skeptisch. Ich habe im Wahlkampf
aber gemerkt, was das für ein Bringerthema ist. – Das
waren Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fraktio-
nen. Ich oute aber niemanden. Es ist schon spannend,
wie sich, wenn etwas umgesetzt ist, Meinungen ver-
schieben.
Zahlen sind immer der beste Beweis. Viele Mütter
und Väter, viele Familien rufen dieses Betreuungsgeld
ab. Es gehen viele Dankesbriefe ein. Ich habe es noch
nie erlebt, dass zu einem Thema mehr Dankesschreiben
als Kritikschreiben kommen. Das ist unglaublich. Sie
werden nicht unterstellen können, dass Briefe gefiltert
werden. In den Regalen stehen meterlang Aktenordner
mit Briefen von Eltern – ich kann sie Ihnen zeigen –, in
denen sie schreiben: Danke, dass ihr anerkennt, dass wir
hier eine Leistung erbringen.
– Gerade die Erzieherinnen und Erzieher sind diejeni-
gen, die sich dafür bedanken, dass es eine Alternative
gibt. In jedem Kindergarten, in jeder Kindertagesstätte,
die ich besucht habe, waren die Erzieherinnen und Erzie-
her die Ersten, die gesagt haben: Ja, unser Job ist wich-
tig, wir machen ihn mit Leidenschaft. – Sie sagen auch:
Danke, dass ihr trotzdem Alternativen bietet, weil wir als
Erzieherinnen und Erzieher so wie die Mütter und Väter
wissen, dass nicht alle Kinder gleich sind. Wir sind da-
gegen, dass es eine Gleichmacherpolitik gibt.
Selbst in einer Familie sind nicht alle Kinder gleich, je-
des hat unterschiedliche Talente. Was für ein Kind mit
anderthalb oder zwei Jahren in einer Familie gut ist,
muss für ein anderes, dreijähriges Kind noch lange nicht
gut sein.
314 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Dorothee Bär
(C)
(B)
Deswegen sagen wir: Da es Unterschiede gibt, wollen
wir die Wahlfreiheit. Ich bin so dankbar, dass wir das
durchgesetzt haben.
Zu Ihrem Antrag. Sie haben selber gesagt: Alle Jahre
wieder. – Das haben wir heute schon öfter gehabt. Sie
haben keine neuen Ideen. Sie nehmen immer wieder die
alten Entwürfe und schreiben nur neue Drucksachen-
nummern drauf. Das ist eine Art von Arbeitsverweige-
rung; das muss man an dieser Stelle einmal festhalten.
Das Einzige, was Sie hier wollen, ist: Sie versuchen,
einen Keil durch die neue Koalition zu treiben. Das wird
Ihnen natürlich nicht gelingen, weil Koalitionen immer
dann am erfolgreichsten sind, wenn sie nicht mit einer
rosaroten Brille, sondern mit einer ehrlichen Einschät-
zung angegangen werden, und ich glaube, dass wir alle
ins Gelingen verliebt sind. Deswegen sehe ich – da bin
ich positiv –, dass das eine Koalition der Vernunft ist, die
sich in den nächsten vier Jahren hier durchsetzen wird.
Ich bin der SPD dankbar dafür, dass wir in vielen
Punkten Kompromisse erreichen konnten. Ich weiß na-
türlich, dass sich die beiden neuen Staatssekretärinnen
im Familienministerium die Durchsetzung des Betreu-
ungsgeldes nicht eingerahmt und über das Bett gehängt
haben – ich denke, hier können wir ehrlich miteinander
sein –, aber man sagt zumindest: Wir wollen einen Kom-
promiss eingehen; wir wollen gemeinsam regieren. –
Das finde ich sehr gut, und ich freue mich schon extrem
auf die Rede der Kollegin Ziegler nachher.
Das wird mir ein Fest sein.
Kompromisse sind das eine, aber ich möchte wirklich
auch noch einmal über die Eltern und über die Kinder
sprechen, für die das Geld angenommen wird:
Das zuständige Bundesfamilienministerium hat mit-
geteilt, dass bundesweit mittlerweile mindestens – min-
destens! – 95 000 Anträge auf Betreuungsgeld einge-
reicht wurden. Warum „mindestens 95 000“? Es sind
mindestens 95 000, weil bisher nur aus elf Bundeslän-
dern Zahlen vorliegen – von den anderen Ländern gibt es
noch keine Angaben – und diese teilweise auf dem Stand
von Oktober sind. Es kann also davon ausgegangen wer-
den, dass es in Deutschland mittlerweile über 100 000
bewilligte Anträge auf Betreuungsgeld gibt; einige Zei-
tungen haben das ja auch geschrieben.
Man muss hier einmal ganz ernsthaft fragen: Wollen
Sie allen 100 000 Familien, die sich auf diese Leistung
gefreut haben und sie jetzt bekommen – sie freuen sich
über diese Anerkennung –, allen Ernstes sagen, dass sie
ein falsches, veraltetes Modell leben und altmodisch
sind? Wollen Sie die Familien diffamieren, die sich für
einen anderen Lebensweg entscheiden und für die auch
klar ist, dass Bildung nicht nur in Institutionen stattfin-
det, sondern dass die allererste Bildung selbstverständ-
lich im Elternhaus erfolgt?
Es gibt ein altes gälisches Sprichwort, das übersetzt
lautet, dass die erste Bildung sowohl im Schoß als auch
auf dem Schoß der Mutter stattfindet. Das akzeptieren
wir nicht nur, sondern das wollen wir eben auch unter-
stützen.
Ich habe ja schon von Ihrem recycelten Gesetzent-
wurf gesprochen. Wie ernst es Ihnen damit tatsächlich
ist, sieht man natürlich auch daran, wie nachlässig er for-
muliert ist. Sie schreiben nämlich in dem auf den
23. Oktober 2013 datierten Antrag, Sie wollen die Ein-
führung des Betreuungsgeldes verhindern. Leider zu
spät! Das Betreuungsgeld ist eingeführt, das Betreuungs-
geld wird ausgezahlt, und mit dem Betreuungsgeld wird
viel Gutes getan. Wenn Sie also schon alte Texte aus der
Schublade ziehen, dann müssen Sie sich wenigstens die
Mühe machen, den Inhalt auf den aktuellen Stand zu
bringen. Das ist heute wesentlich leichter, als das früher
mit Schreibmaschinen der Fall war; heutzutage gibt es
nämlich Computer.
Sie behaupten, dass es für Familien keine echte Wahl-
freiheit gibt. Auch das ist nicht richtig. Laut Angaben
des Deutschen Städte- und Gemeindebundes – das wis-
sen wir alle – hat es seit dem Inkrafttreten des Rechtsan-
spruchs, als Sie alle möglichen Untergangsszenarien an
die Wand gemalt haben, bundesweit circa 50 Klagen von
Personen gegeben, die keinen ihnen genehmen Platz ge-
funden haben. Aber von den Kommunalpolitikern, den
Bürgermeistern und den Oberbürgermeistern vor Ort
wurden sehr unbürokratisch sehr gute Lösungen im Ein-
vernehmen mit den Eltern erreicht. 50 Klagen sind 50 zu
viel, aber das ist zumindest nicht die Katastrophe, von
der Sie ausgegangen sind.
Eines möchte ich noch einmal zu den Bewilligungen
und zu den Zahlen sagen: Ich finde es schon spannend,
dass dort viele Anträge gestellt werden, wo die Bundes-
länder es den Eltern leicht machen. Deswegen möchte
ich mich an dieser Stelle – das muss gestattet sein – auch
einmal ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern in Bayreuth und Würzburg bedanken, die diese
Anträge für ganz Bayern bearbeiten. Sie sagen, dass es
spannend ist: Bei ihrer Hotline rufen hauptsächlich El-
tern aus Bundesländern an, die sich weigern, diese Hilfe
unbürokratisch zur Verfügung zu stellen. Also, man kann
schon sehr viel tun. Man kann nämlich für Familien viel
verhindern, man kann auch viel für Familien tun. Man
kann das Ganze vor allem unbürokratisch ausgestalten.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 315
Dorothee Bär
(C)
(B)
Lustig fand ich in diesem Zusammenhang, wenn Zei-
tungen geschrieben haben, dass wir es den Eltern zu ein-
fach machen würden, weil es sich nur um ein Formular
mit zwei Seiten handelt, das man ausfüllen und unter-
schreiben muss. Das müsste schon ein bisschen kompli-
zierter sein. So einfach dürfe es nicht sein, an staatliches
Geld zu kommen. – Ich sage: Doch, so einfach muss es
sein.
Mir hat vorhin, in der letzten Debatte, der Satz von
Thomas Silberhorn gefallen, der gesagt hat, dass Ehe
und Familie unter dem besonderen Schutz der staatli-
chen Ordnung stehen und auch unter dem von CDU und
CSU. Ich freue mich jetzt, dass wir in diesem Fall auch
die SPD mit an Bord haben.
Schöne Weihnachten! – falls wir uns nicht mehr se-
hen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dorothee Bär.
Bevor wir zur nächsten Rednerin kommen, darf ich
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermit-
telte Ergebnis der Wahl der Bundesbeauftragten für
den Datenschutz und die Informationsfreiheit be-
kannt geben: abgegebene Stimmen 587, ungültige Stim-
men 2. Mit Ja haben gestimmt 403, mit Nein haben ge-
stimmt 151, Enthaltungen 31.1) Frau Andrea Voßhoff hat
damit die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zur
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Infor-
mationsfreiheit gewählt.
Sie ist hier anwesend. Ich beglückwünsche Frau Voßhoff
zu diesem neuen, herausragenden Amt und wünsche viel
Erfolg und Gottes Segen.
Ich darf jetzt als nächste Rednerin Frau Dr. Franziska
Brantner bitten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Was wollte die SPD im Wahlkampf
nicht alles mit den Mitteln aus der Abschaffung des Be-
treuungsgeldes finanzieren! 200 000 neue Kitaplätze bis
2017, Verbesserung der frühkindlichen Bildung. Ich
glaube, in diesem Zusammenhang war sogar in der De-
batte, die Kitagebühren abzuschaffen. All diese Pläne
sind geschmolzen wie Schnee in der Sonne. Was übrig
bleibt, ist ein kleines, graues, hässliches Häufchen: das
teure und kontraproduktive Betreuungsgeld.
Es wird nicht abgeschafft, und das Wort „Betreuungs-
geld“ kommt im Koalitionsvertrag nicht einmal vor. Das
ist für die SPD wahrscheinlich auch besser so.
1) Anlage 2
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe großen
Respekt vor der Leistung von Müttern und Vätern bei
der Erziehung, Unterstützung und Betreuung ihrer Kin-
der. Sie übernehmen eine herausfordernde, meistens
schöne, manchmal anstrengende, aber immer überaus
wichtige Aufgabe. Die Entscheidung darüber, ob und
von wem ich ein Kind in welchem Umfang betreuen las-
sen möchte, ist eine grundsätzlich private Entscheidung.
Diese Entscheidung respektieren wir absolut.
Ich habe mich deswegen wirklich bemüht, gute und
sachliche Gründe für das Betreuungsgeld zu finden. Ich
habe aber keine finden können. Das Argument der CSU
und von Teilen der CDU war und ist, wie wir heute wie-
der gehört haben, die Wahlfreiheit, die Wahl zwischen
arbeiten zu gehen und währenddessen sein Kind be-
treuen zu lassen oder nicht zu arbeiten und sein Kind sel-
ber zu betreuen. Mit dem Betreuungsgeld müsste Wahl-
freiheit also bedeuten, dass ich mir diese Wahl leisten
kann.
Wahlfreiheit würde also bedeuten, dass man von
150 Euro im Monat leben kann. Das wäre vielleicht in
Nepal oder Mali zutreffend – ich weiß es nicht –, aber
auf keinen Fall in Deutschland. Es ist eben keine Wahl-
freiheit, sondern teure Rechthaberei von Herrn Seehofer.
Wenn man sich die Regierung und den Koalitionsver-
trag so anschaut, dann kann man sich wirklich zu Recht
fragen, wofür es diese CSU noch gibt, außer um teure
Schnapsideen und ein gutes „Bringerthema“, wie Frau
Bär sagte, von Herrn Seehofer durchzudrücken –
gegen jeden Sachverstand und gegen jede Vernunft!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD und
vor allen Dingen Frau Schwesig, Sie müssen an dieser
Kröte ja fast ersticken. Es wird auch nicht besser, wenn
man sich das gesamte Bild anschaut. Union und SPD
hatten große familienpolitische Erwartungen geweckt.
Die Union wollte die Familienförderung stärken, Kin-
dergeld und Kinderfreibeträge sollten erheblich erhöht
werden. Sie von der SPD wollten die Kinderarmut wirk-
sam bekämpfen, von einem Kindergeldzuschlag war sei-
tens der SPD die Rede, auch die Angebote zur Kinderbe-
treuung sollten verbessert werden. Das Ergebnis ist für
die wirkliche Mehrheit der Familien enttäuschend:
null Einsatz gegen Kinderarmut, eine völlig unenga-
gierte Förderung guter Kindertagesbetreuung und keine
Verbesserung der Familienförderung. Dafür aber bleibt
das teure und kontraproduktive Betreuungsgeld.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, arme Kinder wer-
den zurückgelassen: Rund 2,5 Millionen Kinder leben in
316 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Dr. Franziska Brantner
(C)
(B)
Deutschland in Armut. Diese Kinder und ihre Familien
kommen im Koalitionsvertrag nicht vor. Im Koalitions-
vertrag gibt es so viele Details; Fahrradhelme und alles
Mögliche werden erwähnt. Das Wort „Kinderarmut“
kann man suchen; man findet es aber nicht.
Das ist ein Koalitionsvertrag auch der SPD, in dem Kin-
derarmut nicht einmal vorkommt. Dabei ist das eine der
großen Hauptaufgaben, die wir vor uns haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine Erhö-
hung des Kinderregelsatzes, keine Verbesserung des
Kinderzuschlags, keine Verbesserung des Bildungs- und
Teilhabepaketes und keine wirksame Unterstützung für
armutsgefährdete Alleinerziehende und ihre Kinder. Gut
ist – das möchte ich auch erwähnen –, dass endlich die
Lebenswirklichkeit von Familien zumindest teilweise
Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden hat, und zwar
im Bereich der Zeitpolitik. Der Vorstoß von Ministerin
Nahles zu familienfreundlichen Arbeitszeiten ist sehr zu
begrüßen. Es ist dringend notwendig, dass sich der deut-
sche Arbeitsmarkt vom alleinverdienenden Mann mit
zwei Kindern, die zu Hause gut betreut werden, verab-
schiedet und sich auch der Lebensrealität von Müttern
und Vätern, die arbeiten, anpasst.
In anderen Ländern in Europa ist das übrigens längst der
Fall. Von daher: Viel Glück für Frau Nahles. Wir werden
sie dabei auf jeden Fall unterstützen.
Frau Schwesig, falls Sie doch noch die Kröte aus dem
Hals holen und das Betreuungsgeld abschaffen wollen:
Wir unterstützen Sie gerne.
Vielen Dank.
Frau Kollegin Dr. Brantner, das war Ihre erste Rede
hier im Hohen Hause. Es ist guter Brauch, Ihnen dazu zu
gratulieren und Glück zu wünschen. Alles Gute!
Es spricht jetzt als nächste Rednerin die Kollegin
Dagmar Ziegler, SPD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Kollegen insbesondere von der
Linksfraktion, die größte Oppositionsfraktion hat den
Anspruch, in der Oppositionsarbeit besonders kreativ zu
sein.
Das können wir zu Beginn dieser Legislaturperiode,
eben weil es wahr sein sollte, leider nicht feststellen.
Denn wenn Sie regelmäßig alte Anträge, die Sie irgend-
wann eingebracht bzw. die wir unterstützt haben, hervor-
holen und uns damit inhaltlich stellen wollen – wo wir
alle wissen, in welcher Konstellation die Bundesregie-
rung aufgestellt ist –, sage ich: Wir alle wissen doch
ganz genau, wie die Reaktion unserer Fraktion ausfallen
wird.
Um zum Thema zu sprechen: Unsere Haltung ist na-
türlich genau die gleiche wie vor den Wahlen und auch
wie 2011 und 2012. Wir halten das Betreuungsgeld aus
bildungspolitischer Sicht für falsch. Wir halten es auch
mit Blick auf die Integration nicht für richtig. Das alles
ist SPD-Sicht und wird auch die nächsten vier Jahre
SPD-Sicht bleiben.
An unserer Einschätzung hat sich also überhaupt
nichts geändert. Liebe Dorothee Bär, das muss ich leider
sagen. Es wird in den nächsten vier Jahren ebenfalls ei-
nige Male so sein, dass sich die Haltung der CDU/CSU
zu einem bestimmten Thema nicht verändert hat und
konträr zu unserer steht. Wir sind Vertragspartner. Wir
haben ein Bündnis auf Zeit mit der Union, und wir hal-
ten uns an die Spielregeln, die vereinbart worden sind.
Wir haben natürlich darum gerungen, das Betreuungs-
geld abzuschaffen, keine Frage; Dorothee Bär hat es
schon gesagt. Die CDU/CSU hat sich nicht darauf einge-
lassen. Für sie war es eine der größten Errungenschaften
in der 17. Wahlperiode. Das haben wir zu akzeptieren.
Wir haben in anderen Bereichen – auch das hat
Dorothee Bär dargelegt – einiges aus unserer Sicht Posi-
tive erreichen können. Wir haben beispielsweise die ver-
bindliche Quote zur Besetzung von Aufsichtsräten ab
2016 vereinbart. Wir konnten ein Maßnahmenbündel zur
Herstellung von Entgeltgleichheit vereinbaren, womit
stückweise die gleiche Bezahlung von Frauen und Män-
nern erreicht werden soll, und wir haben schließlich ver-
einbart, dass 6 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau
von Kitas, Ganztagsschulen und Universitäten zu inves-
tieren sind. Das ist kein Prüfauftrag – um das noch ein-
mal richtigzustellen –, vielmehr ist im Vertrag ausdrück-
lich beim Mehrbedarf die Ausfinanzierung zugesichert.
Wir werden deshalb, wie es sich für Vertragspartner
gehört, vertragstreu handeln. Das würden Sie von der
Linksfraktion irgendwann im Fall einer Regierungsbe-
teiligung hoffentlich nicht anders machen. Darüber soll-
ten Sie die nächsten vier Jahre nachdenken.
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 317
Dagmar Ziegler
(C)
(B)
Nächster Redner ist der Kollege Marcus Weinberg,
CDU/CSU.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es
ist tatsächlich so, wie es Dorothee Bär schon skizziert
hat: Es ist gewissermaßen ein Déjà-vu. Das alles haben
wir schon gehabt. Man könnte die alten Reden heraus-
holen und ein bisschen modifizieren. Trotzdem habe ich
mich, Frau Golze, über den Gesetzentwurf Ihrer Fraktion
geärgert. Schließlich ist es nicht einige Monate, sondern
einige Ereignisse später. Deswegen ist es schon ärger-
lich, dass wir die Diskussion der Vergangenheit aufneh-
men müssen, die eigentlich vom Tisch sein sollte. Die
Menschen und insbesondere die Familien in Deutsch-
land wollen diesen Kulturkampf nicht mehr. Sie haben
sich entschieden, und zwar im Übrigen bei der Bundes-
tagswahl, die ein klares Ergebnis gebracht hat.
Frau Kollegin Dörner, gerade die Parteien, die bei der
Bundestagswahl mit einem sehr ideologiegeprägten Fa-
milienbild angetreten sind, sollten darüber nachdenken,
ob möglicherweise das Ergebnis der Bundestagswahl
eine Reaktion auf ihr Familienbild ist. Ich glaube schon,
dass dem so ist.
Was die Familien in Deutschland von der Politik wol-
len, ist, dass im Bereich der Familienpolitik sinnvolle
Rahmenbedingungen geschaffen und Alternativen ent-
wickelt werden. Was sie aber nicht wollen, Frau Golze,
ist Ihr Ansatz. Sie stellen die Bedingungen so, dass es
nur eine Möglichkeit gibt. Das Ergebnis der Bundestags-
wahl und die neuesten Zahlen der Anträge auf Betreu-
ungsgeld zeigen im Wesentlichen zweierlei. Das Erste
ist, dass die Familien – Verzeihung, Frau Ziegler – nicht
auf Ihre Argumentation im Wahlkampf hereingefallen
sind, dass sie sich davon losgelöst haben und nicht das
Zerrbild, das Sie noch im Wahlkampf gemalt haben,
übernommen haben. Das Zweite ist, dass Ihre Position
zu der Frage „Kita oder Betreuungsgeld?“ abgelehnt
wurde. Das lässt sich auch anhand der Zahlen belegen.
Über 100 000 junge Familien haben das Betreuungsgeld
beantragt. Zwei Drittel der jungen Familien befürworten
das Betreuungsgeld als familienpolitische Leistung.
71 Prozent der Eltern sagen, dass sie für sich entschieden
haben, dass ihre Kinder für eine externe Betreuung noch
zu jung sind.
Noch einmal – Frau Bär hat es bereits deutlich ge-
macht –: Wir reden hier nicht über vorschulische Bil-
dung und stellen auch nicht die Bildungsimplikationen
von Kita und Krippe insgesamt infrage. Aber wir reden
hier über Klein- und Kleinstkinder. Da ist es schon auf-
fällig, dass sehr viele Eltern für sich entschieden haben
– es sind weit über 50 Prozent –, dass ihre Kinder zu
klein sind, um sie schon so früh in eine Betreuung zu ge-
ben.
Das heißt aber nicht – das ist der Grundansatz unseres
Systems –, dass wir keine entsprechenden Angebote
schaffen. Frau Dörner, es besteht ein Rechtsanspruch auf
einen Krippenplatz. Das heißt, keine Familie wird ausge-
schlossen. Ich erinnere mich noch daran, dass die Grü-
nen in der letzten Debatte des Deutschen Bundestages
vor der Bundestagswahl Rechtsfälle skizziert haben, in
denen der Rechtsanspruch nicht umzusetzen sein wird.
Haben Sie jemals wieder etwas davon gehört? Nein.
Überall gibt es eine deutliche Zunahme der Angebote im
Bereich der Krippenversorgung. Die durchschnittliche
Betreuungsquote liegt bei 40,3 Prozent.
Mir sei noch die kleine Bemerkung gestattet, weil die
CSU immer so attackiert wurde: Die geringste Diskre-
panz zwischen Nachfrage einerseits und Ausbau und an-
gestrebter Quote andererseits besteht in den alten Bun-
desländern in Bayern mit knapp 10 Prozent. Die größte
Diskrepanz besteht in den neuen Ländern in Mecklen-
burg-Vorpommern. Aber ich gehe fest davon aus, dass
wir mit der neuen Ministerin und in Gesprächen mit den
Ländern dafür sorgen werden, dass die Länder, wo es
noch etwas schwächer aussieht, stärker aufgestellt wer-
den.
Insgesamt wird Ihre Argumentation nicht besser. Das
sehen nicht nur viele Eltern so. Ich möchte Dr. Herzberg,
Landesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholi-
ken in Thüringen zitieren, der es insbesondere im Hin-
blick auf die Debatten, die wir hier teilweise führen – so
ideologiegeprägt und entfernt von Sachpolitik –, deut-
lich auf den Punkt gebracht hat: „Was hier an Falschem,
Halb- und Unwahrheiten verbreitet wird, ist unerträg-
lich.“ Ich glaube, es ist an der Zeit, hier einen Schluss-
strich zu ziehen.
Wir haben die Wahlfreiheit, und ich glaube, es ist
auch durch die hohe Anzahl von Anträgen deutlich ge-
worden, dass sich Familien entschieden haben, die Be-
treuung ihrer Kleinstkinder selbst zu übernehmen.
Im Übrigen ist es in Thüringen so – ich erwähne das,
weil es angesprochen wurde –, dass die Betreuungsquote
im Krippenbereich gestiegen ist, obwohl es im Land
Thüringen ein Erziehungsgeld gibt.
Das ist also kein Widerspruch an sich.
Ich war ganz fasziniert von der Formulierung in dem
Antrag der Linken. Die lautet sinngemäß: Leitgedanke
moderner Familienpolitik muss die Wahlfreiheit sein,
318 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Marcus Weinberg
(C)
(B)
bezogen auf die individuelle Lebensführung. – Diese
Haltung teilen wir.
Herr Kollege Weinberg, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Lenkert?
Immer.
Herr Kollege Lenkert, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ist Ihnen bekannt, dass
gleichzeitig mit der Einführung des Erziehungsgeldes in
Thüringen das Alter der Kinder, die einen Rechtsan-
spruch auf einen Krippenplatz haben, von drei auf zwei
Jahre gesenkt worden ist und damit erst die Möglichkeit
für die betroffenen Eltern bestand, ihren Rechtsanspruch
geltend zu machen und ihr Kind in eine Kinderkrippe zu
geben, und ist Ihnen weiterhin bekannt, dass nach Um-
fragen der Träger der Freien Wohlfahrtspflege gerade die
Eltern, die besondere Unterstützung benötigen, weil sie
zu bildungsfernen Schichten gehören, das Erziehungs-
geld eher in Anspruch nehmen als andere und damit das
Ganze im Prinzip kontraproduktiv wirkt?
Dazu darf ich sagen, dass von Ihnen immer behauptet
wurde: Wenn das Erziehungsgeld in Thüringen kommt,
wird es zu einer massiven Abnahme der Anmeldungen
im Krippenbereich kommen. Aber obwohl es ein Erzie-
hungsgeld in Thüringen gibt, hat die Anzahl der Anmel-
dungen im Krippenbereich – das besagt das Zitat von
Dr. Herzberg – zugenommen. Im Übrigen könnte man
sehr viele Länder als Belege anführen, übrigens auch
Bayern – da gibt es das Landeserziehungsgeld schon län-
ger –, dass sich Ihre Vermutung nicht bestätigt hat. Die
große Abmelderunde gibt es nicht.
Es handelt sich hier um zwei Dinge. Es gibt einen
Rechtsanspruch auf eine Krippenbetreuung. Wir hätten
das Betreuungsgeld möglicherweise anders diskutiert
und möglicherweise gar nicht eingeführt, wenn wir nicht
den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz geschaffen
hätten. Man muss dazu aber auch eine Alternative entwi-
ckeln, die anderen Wünschen, die Familien haben, ge-
recht wird.
Dazu muss ich sagen, liebe Kollegin Dr. Brantner
– übrigens herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede –,
dass Sie und Frau Golze dabei stehen geblieben sind. Im
Gesetzentwurf ist es nicht ganz deutlich formuliert. Wir
reden über Alternativen. Auf der einen Seite bieten wir
die Chance, durch den Rechtsanspruch Vollzeit zu arbei-
ten und Geld zu verdienen; auf der anderen Seite bieten
wir durch das Betreuungsgeld von 150 Euro zumindest
in kleinen Teilen eine Entschädigung. Ihre Logik ist fol-
gende: Weil das irgendwie nicht ganz gerecht ist und es
hier eine Diskrepanz gibt, soll das Betreuungsgeld ganz
abgeschafft werden. – Das ist einseitig, und das schafft
keine Wahlfreiheit. Das bedeutet für viele Familien, dass
sie nur dann zurechtkommen, wenn sie Vollzeit arbeiten
und das Kind betreuen lassen. Das aber ist eine Ein-
schränkung und nicht eine Stärkung der Wahlfreiheit.
– Die Kitagebühren? Ich war ehemals in Hamburg für
den Kitabereich verantwortlich. Sie wissen vielleicht,
dass in Hamburg ungefähr für die Hälfte der Kinder
keine Kitagebühren oder nur der geringste Satz gezahlt
werden muss, weil es eine soziale Staffelung gibt. Das
ist Aufgabe der Länder. Gemeinsam mit den Ländern
– da stimme ich Ihnen zu – wäre das durchaus denkbar.
Noch einmal zum Ausbau des Krippensystems insge-
samt. 5,4 Milliarden Euro hat der Bund in den letzten
Jahren investiert. Ab 2014 werden noch einmal 770 Mil-
lionen Euro für die Betriebskosten zur Verfügung ge-
stellt. Es wird für uns in der neuen Koalition eine Maß-
gabe sein, dass wir das Gute und das Erfolgreiche
bewahren wollen. Die Zahlen sprechen dafür, dass das
Betreuungsgeld angenommen wird. Das heißt aber auch,
dass wir mit den lieben Kolleginnen und Kollegen von
der SPD, Frau Ziegler, in den nächsten Jahren schauen,
wo weitere Veränderungsmöglichkeiten in der Qualität
der Betreuung bestehen.
In den nächsten Jahren werden wir insbesondere die
Fragestellung betrachten müssen, wie wir nicht nur die
Anzahl der Betreuungsplätze, sondern auch die Qualität
erhöhen können. Es geht dabei um den Ausbau, die Qua-
lität und die Standards, und es geht auch darum – das
steht im Koalitionsvertrag –, wie man Familienpolitik
flexibilisieren kann. Wie kann man es schaffen, dass sich
Familien flexibler auf ihre Situation – Stichwort: Eltern-
zeit – einstellen können? Ich glaube, wir haben einiges
vor uns, was wir auch gemeinsam machen werden.
In einem – das sei festgehalten – sind wir klar, und da
werden wir in den nächsten Jahren weitere deutliche Er-
folge verzeichnen können: Das Betreuungsgeld bleibt.
Es ist die zweite Komponente einer 2007 gemeinsam ge-
troffenen Verabredung. Auf der einen Seite geht es um
eine vernünftige Versorgung mit Krippenplätzen und auf
der anderen Seite um die Möglichkeit, im Sinne der Fa-
milien Alternativen zu fördern. Insofern wünsche ich Ih-
nen und vor allen Dingen den Familien in Deutschland
frohe Weihnachten.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Abschließender Redner in dieser Debatte ist der Kol-
lege Sönke Rix, SPD.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 319
Vizepräsident Johannes Singhammer
(C)
(B)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im-
mer dann, wenn wir über das Betreuungsgeld sprechen,
sprechen wir auch über unsere Familienbilder und da-
rüber, wie wir damit politisch umgehen. Es bleibt dabei
– das ist Grundsatz der SPD; ich habe die Hoffnung,
dass es auch bei der CDU so ist –: Jede Familie – Fami-
lie ist immer dort, wo Kinder sind, ob die Eltern verhei-
ratet sind oder nicht – soll selber entscheiden, wie sie
sich organisiert, ob sie Betreuung oder externe Bildung
in Anspruch nimmt oder ob man zu Hause betreut. Diese
Wahlfreiheit muss bestehen bleiben. Die Entscheidung
darüber muss in der Hand der Familie liegen.
Ich glaube, dass es im Koalitionsvertrag dafür ein
paar gute Grundlagen gibt. Wir haben zum Ausdruck ge-
bracht, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen müs-
sen, damit sich jede Familie so entscheiden kann, wie sie
es möchte. Das ist leider noch nicht an allen Stellen so.
Schon die letzte Große Koalition hat, was Elternzeit, El-
terngeld und auch den Krippenplatzausbau betrifft, fest-
gestellt: Ja, hier investieren wir; wir versuchen, die Rah-
menbedingungen für Eltern zu verbessern, um am Ende
zu gewährleisten, dass es sich für junge Menschen lohnt,
eine Familie zu gründen. Junge Menschen müssen wis-
sen, dass Gesellschaft und Staat helfen und sie dabei un-
terstützen, Kinderbetreuung so zu organisieren, wie sie
es wollen. Ich finde, damals haben wir gemeinsam Gutes
geleistet.
Auch in diesem Koalitionsvertrag haben wir verein-
bart, bei Elternzeit und Elterngeld zu neuen, flexibleren
Lösungen zu kommen. Es gilt, sich der Situation der Fa-
milien anzupassen. Für den Krippenplatzausbau haben
wir ebenfalls noch nicht genügend getan. Deshalb haben
wir ein 6-Milliarden-Euro-Paket vereinbart, sodass für
die Krippenplätze vor Ort Investitionsmittel zur Verfü-
gung stehen. Wenn das nicht ausreicht, wird dieses Paket
bedarfsgerecht aufgefüllt werden. Es ist also nicht so,
dass wir Stillstand an dieser Stelle haben. Wir haben im
Koalitionsvertrag gute Dinge festgeschrieben.
Wenn wir darüber sprechen, wie wir Wahlfreiheit or-
ganisieren, dann zeigt sich: Es gibt ein Thema, bei dem
wir uns als Koalitionspartner nicht einig sind; das darf
man so formulieren. Es ist nicht so, dass die Sozialde-
mokraten mit Eintritt in die Große Koalition ihre Forde-
rung aufgegeben haben, das Betreuungsgeld wieder ab-
zuschaffen. Sie wissen aber alle, liebe Kolleginnen und
Kollegen der Oppositionsfraktionen, dass man in einer
Koalition Kompromisse schließen und dicke Kröten
schlucken muss. Das ist leider auch in diesem Fall so.
Das wird in Hessen unter Schwarz-Grün mit Sicherheit
der Fall sein; das kennen die Linken aus Brandenburg
und aus Koalitionen in anderen Ländern: Man kann sich
nicht zu 100 Prozent durchsetzen. Das heißt aber nicht,
dass die Sozialdemokraten ihre Forderung nach Ab-
schaffung des Betreuungsgeldes aufgeben. Wir sagen
nach wie vor: Das Betreuungsgeld ist das falsche Mittel.
Wir werden über den vorliegenden Gesetzentwurf in
den Ausschüssen beraten. Ich gebe ehrlich zu: Auch
nach den Reden der beiden Kollegen des jetzigen Koali-
tionspartners habe ich nicht die Hoffnung, dass sich
während der Beratungen vielleicht doch noch die Ein-
sicht einstellt, dass es richtig ist, das Betreuungsgeld ab-
zuschaffen. Das wird nicht der Fall sein.
Ich wünsche mir nicht nur – weil hier alle gute Wün-
sche äußern –, dass die Union irgendwann zur der ent-
sprechenden Einsicht kommt, sondern möchte auch den
Grünen das Angebot machen, dass wir gemeinsam,
wenn andere Mehrheitsverhältnisse bestehen, das Be-
treuungsgeld abschaffen und die dicke Kröte, die wir
jetzt schlucken mussten, wieder ausspucken. Wenn die
Linkspartei dabei mitmacht, ist das auch kein Problem.
Liebe Dorothee Bär, das war nun Ihre letzte Rede in
Ihrer Eigenschaft als Familienpolitikerin. Jetzt wechseln
Sie schwerpunktmäßig nicht nur vom Parlament in die
Regierung, sondern auch das Fach. Ich freue mich natür-
lich darüber, weil ich es Ihnen gönne, eine neue Aufgabe
wahrzunehmen. Ich weiß nicht, ob ich es besonders
schade finde, die Debatten künftig ohne Sie zu führen.
Aber mit Sicherheit wird mir etwas fehlen. Ihnen also al-
les Gute für Ihre neue Aufgabe! Wir versuchen, in der
Familienpolitik neue Wege zu gehen. Vielleicht gelingt
dies erst in vier Jahren.
Herzlichen Dank.
Hiermit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/5 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu
andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Den NATO-Bündnisfall umgehend beenden
– Drucksache 18/202 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
320 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Vizepräsident Johannes Singhammer
(C)
(B)
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Wolfgang Gehrcke, Die Linke.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolle-
ginnen und Kollegen! Es sind jetzt zwölf Jahre, in denen
der NATO-Bündnisfall in Kraft ist, und damit auch
zwölf Jahre des Krieges gegen den Terror, zwölf Jahre
Afghanistan-Krieg und ein Hineinziehen Deutschlands
in diesen Krieg. Denken Sie noch einmal an den völlig
absurden Ausspruch des damaligen Bundeskanzlers
Gerhard Schröder von der uneingeschränkten Solidari-
tät. Uneingeschränkt bin ich nicht mal mit mir selbst so-
lidarisch. Das war eine Bekenntnispolitik, die unerträg-
lich ist.
Ich finde, jetzt muss man auch einmal den Mut haben,
nüchtern Bilanz zu ziehen.
Es gab damals drei Argumente: Man braucht den
Krieg gegen den Terror, um erstens die Gewalt einzu-
dämmen, zweitens Abrüstung herbeizuführen und drit-
tens Demokratie zu erreichen. Jetzt wollen wir uns das
einmal anschauen.
Zum ersten Argument. Der Krieg gegen den Terror
hat die Gefahr von Gewalt und die Gewalt selbst nicht
eingedämmt; ganz im Gegenteil. Dieser Krieg gegen den
Terror hat Zigtausende Menschen in verschiedenen Tei-
len der Welt in den terroristischen Untergrund getrieben
und damit den Terror erhöht. Gesellschaftsordnungen,
die akzeptieren, dass jeden Tag 57 000 Menschen in der
Welt verhungern, die sich abschotten, die das Mittelmeer
zum großen Friedhof gemacht haben, haben die Moral
verloren, mit der sich ein solcher Anspruch legitimieren
lässt.
Solche Gesellschaftsordnungen säen Gewalt und ernten
Hass. Also, Gewalt ist nicht abgebaut worden.
Zum zweiten Argument. Ist die Gefahr der Weiterver-
breitung von Massenvernichtungswaffen kleiner gewor-
den? Sie ist größer geworden. Es sieht doch heute jeder,
dass sie größer geworden ist; es gibt chemische, biologi-
sche, bakteriologische Waffen in vielen Teilen der Welt.
Was die Entwicklung von Atomwaffen angeht, so stehen
viele Länder an der Schwelle, es zu können, wenn sie es
wollten. Es gibt zwei Lichtblicke. Das eine ist die Ent-
scheidung, die syrischen Chemiewaffen zu vernichten
– das ist wirklich eine wichtige Entscheidung, weil es
eine Entscheidung gegen den Krieg und für Diplomatie
war –, und das andere ist die Vereinbarung mit dem Iran,
die in Fragen Atomwaffen im Nahen Osten außerordent-
lich wichtig ist. Also, der Krieg gegen den Terror hat die
Gefahr der Weiterverbreitung von Massenvernichtungs-
waffen nicht eingeschränkt.
Zum dritten Argument. Hat der Krieg gegen den Ter-
ror mehr Demokratie gebracht? Wissen Sie, ich habe den
Eindruck, dass wir dem, was wir zu bekämpfen vorge-
ben, immer ähnlicher werden, und das macht mich in ei-
nem außerordentlich großen Maße besorgt. Die Spiona-
gegeschichte der NSA und anderer Geheimdienste, auch
des BND, wird damit begründet, dass man Terroristen
entlarven muss. Der Krieg gegen den Terror hat nicht
mehr Demokratie gebracht, sondern Demokratie ver-
nichtet.
Schließlich – ich bitte Sie, sich das anzuschauen –:
Die doppelten Standards sind zum Normalfall geworden.
Deutsche Konzerne verkaufen Waffen auch in Span-
nungsgebiete – mit Billigung der Bundesregierung.
Heckler & Koch ist eine Umschreibung für „Mord und
Totschlag“ geworden; auch das sollte man einmal fest-
halten.
Mit korrupten und antidemokratischen Regimen wie
Saudi-Arabien, Katar und anderen ist unser Land ver-
bündet. Auch das ist Ergebnis des Kriegs gegen den Ter-
ror, weil wir wahllos geworden sind.
Wenn das alles stimmt – wenn nicht, dann widerlegen
Sie mir das; das werden Sie nicht können –, dann muss
man den NATO-Bündnisfall aufheben – rechtlich ist er
sowieso überwunden –, die Beteiligung am Krieg gegen
den Terror einstellen und sofort und bedingungslos aus
Afghanistan abziehen. Das ist das Gebot der Stunde.
Vor Weihnachten darf man ein paar Wünsche äußern.
Ich wünsche mir, dass Sie an Weihnachten in sich gehen,
begreifen, dass diese ganze Politik falsch ist, zu einer an-
deren politischen Linie kommen, dass wir hier gemein-
sam über Friedenspolitik reden können, dass Schluss ist
mit dem Krieg gegen den Terror, dass der NATO-Bünd-
nisfall aufgehoben wird. Wenn Sie dabei, weil Sie an
mich denken, auch gleich noch entscheiden, die NATO
aufzulösen, bin ich natürlich außerordentlich dankbar.
Herzlichen Dank.
Als Nächster spricht der Kollege Ingo Gädechens für
die CDU/CSU.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Be-
reits zum zweiten Mal liegt uns in dieser noch jungen
Wahlperiode ein Antrag zur Beendigung der Operation
Active Endeavour vor. Die dahinterstehende Absicht der
Linken, die Sie, Herr Gehrcke, hier sehr deutlich ge-
macht haben, liegt auf der Hand: Es geht Ihnen auch bei
diesem Antrag nicht um eine ernsthafte Diskussion über
die deutsche Sicherheitspolitik. Nein, Ihnen geht es aus-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 321
Ingo Gädechens
(C)
(B)
schließlich darum, Bündnispartnerschaft und Solidarität
infrage zu stellen.
Ganz nebenbei geht es Ihnen, wenn Sie so einen großen
Rundumschlag bis hin zur wehrtechnischen Industrie
machen, darum, mit Ihren Äußerungen politischen Un-
frieden zu stiften. Das ist nicht nur allzu durchsichtig,
sondern das wird Ihnen, meine Damen und Herren von
der Linksfraktion, hier in diesem Haus nicht gelingen.
Im Gegensatz zu Ihnen befassen sich die koalitionstra-
genden Fraktionen ernsthaft mit einer glaubhaften und
verlässlichen Außen- und Sicherheitspolitik und über-
nehmen Verantwortung für Deutschland – mit unseren
Partnern und in den eingegangenen Bündnissen.
Damit bin ich bereits bei den Kernpunkten. Wir reden
nicht über den Afghanistan-Einsatz, sondern über Active
Endeavour. Im Rahmen dieser Operation geht es auch
um freien Zugang zum Mittelmeer und um Solidarität.
Für uns als führende Handelsnation, aber auch für unsere
Partner in der Europäischen Union ist das Mittelmeer ein
entscheidendes Transitmeer, auf dem wichtige Güter
transportiert werden.
Wenn wir uns die sicherheitspolitische Lage rund um
das Mittelmeer anschauen, dann gibt es wahrlich keinen
Grund zur Entwarnung. In Syrien wird, wenn man den
Presseberichten Glauben schenken darf, die Opposi-
tionsbewegung nach und nach von radikalen Islamisten
übernommen. In Nord- und Zentralafrika ist die Terro-
rismusgefahr durch die Einsätze der internationalen Ge-
meinschaft, zum Beispiel in Mali, noch lange nicht abge-
wendet. Es liegt somit eine Bedrohung der Handelswege
und der Anrainerstaaten vor. Der Kampf gegen Aggres-
soren und gegen eine latente Instabilität, auch im mariti-
men Bereich, ist noch lange nicht beendet. Wachsamkeit
ist weiterhin notwendig. Diese Wachsamkeit wird unter
anderem durch Active Endeavour gewährleistet.
Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht ist diese
Operation als Beitrag zur maritimen Sicherheit, insbe-
sondere aber zu einer Lagebilderstellung im Mittelmeer
überaus sinnvoll und erforderlich. Active Endeavour
leistet einen wichtigen Beitrag, dieses Lagebild in einer
politisch instabilen Region zu verdichten. Es ist aber
auch unsere Pflicht als Bündnispartner, einen Beitrag
zum Schutz unserer Verbündeten zu leisten. Schließlich
wissen gerade wir Deutschen zu schätzen, was jahrzehn-
telange Solidarität bedeutet.
Die deutsche Marine und der deutsche Anteil der
AWACS-Besatzungen haben im Rahmen von OAE ei-
nen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit und Bündnis-
solidarität in dieser Region geleistet. Deutschland ist der
drittgrößte Truppensteller. Im Rahmen von Active En-
deavour wird mit Seestreitkräften, Luftfahrzeugen und
unter Nutzung multinationaler, netzwerkgestützter Infor-
mationssysteme ein umfassendes Lagebild für den gesam-
ten Mittelmeerraum erstellt. Die ständigen maritimen
Einsatzverbände der NATO bilden das wesentliche mili-
tärische Instrument für diese Operation. Diese Einsatz-
verbände gab es auch schon vor zwölf Jahren, also vor
Active Endeavour, in dieser Region. Diese Einsatzver-
bände hat Deutschland zu keiner Zeit infrage gestellt.
Natürlich – da gebe ich Ihnen recht – ist das Mandat
nicht auf ewig in Stein gemeißelt. Darum haben wir über
die NATO bereits Anträge zur Weiterentwicklung des
Mandats unter den genannten Aspekten eingebracht. Ich
möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, welch ver-
heerende Signalwirkung der einseitige Ausstieg
Deutschlands aus der Bündnissolidarität hätte. Dass den
Verfassern des Antrages diese Folgen egal sind, ist be-
kannt. Aber wie ich eingangs erwähnte: CDU, CSU und
SPD tragen für Deutschlands Sicherheit Verantwortung.
Wir werden Active Endeavour aus dieser Verantwortung
heraus gemeinsam mit unseren Bündnispartnern weiter-
entwickeln oder beenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele von Ihnen ah-
nen oder wissen, wie schwer es gerade während der
Weihnachtszeit ist, fernab der Heimat seinen Dienst im
Einsatz zu verrichten.
Als ehemaliger Berufssoldat hatte auch ich das zweifel-
hafte Vergnügen, über die Feiertage meinen Dienst zu
verrichten. Deshalb grüße ich ganz besonders herzlich
unsere Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzgebieten
und schließe alle mit ein, die auf der ganzen Welt Dienst
für die Bundesrepublik Deutschland leisten. Von dieser
Stelle aus wünsche ich ihnen frohe Weihnachten und ei-
nen guten Rutsch. Kommt heil und gesund in die Heimat
zurück!
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Omid Nouripour,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bera-
ten heute einen Antrag der Linken zur Beendigung des
NATO-Bündnisfalls. Dieser Antrag hat einen richtigen
Kern; dazu komme ich noch. Trotzdem komme ich nicht
zu dem Ergebnis, meiner Fraktion zu empfehlen, diesem
Antrag zuzustimmen.
Dieses Thema ist nicht neu. Wir Grüne haben bereits
Ende 2012 einen Antrag zur Beendigung des Bündnis-
falls gestellt; Zustimmung gab es damals von der Linken
und der SPD. Wir haben auch vor zwei Wochen einen
Antrag zu Active Endeavour eingebracht. In diesem An-
trag haben wir unsere Forderung wiederholt; sie bleibt
auch richtig.
Wir freuen uns immer, wenn andere von uns abschrei-
ben. Dann aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von
der Linken, sollte man es auch richtig machen. Sie haben
in Ihrem Antrag geschrieben, dass Deutschland, wenn es
322 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Omid Nouripour
(C)
(B)
nicht so kommt, wie Sie es sich wünschen, den Bündnis-
fall einseitig beenden sollte. Das ist Zeugnis Ihrer gro-
ßen Unkenntnis von Bündnissen und davon, wie sie
funktionieren. Was Sie eigentlich sagen wollen, ist: Raus
aus der NATO! Aber dann sagen Sie das doch auch so.
Legen Sie einen Antrag vor, in dem steht: Raus aus der
NATO! – Dann wäre klar, worüber Sie eigentlich spre-
chen möchten, und dann würden wir darüber abstimmen.
Ihr Antrag ist verklausuliert; so kenne ich Sie gar nicht.
Das ist aber auch ein Zeichen dafür, welch ver-
krampftes Verhältnis Sie auch zu VN-Einsätzen haben.
Wir erleben dieser Tage, dass gerade im Südsudan – hier
haben Sie sich ja immer kategorisch verweigert – eine
Situation herrscht, bei der man nicht einfach weg-
schauen kann.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken:
Das hat mit dem, was Sie „internationale Solidarität“
nennen, überhaupt nichts zu tun.
Im Kern bleibt es richtig, dass der NATO-Bündnisfall
beendet werden muss, und zwar deshalb, weil er mit ei-
nem Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika
begründet wurde. Das ist zwölf Jahre her. Wir leben
mittlerweile aber in einem komplett anderen Sicherheits-
zeitalter. Deshalb kann man nicht einfach sagen: Es geht
so weiter wie bisher. – Damals war es Konsens mit der
Sozialdemokratie, dass wir uns daran beteiligen. Die Be-
gründung für das Mandat zur Beteiligung an der Opera-
tion Active Endeavour ist aber nicht Syrien. Die Rechts-
grundlage ist nicht die Situation am Mittelmeer. Die
Rechtsgrundlage lautet noch immer „America under at-
tack“. Das ist heute aber nicht mehr aktuell. Insofern
kann man das auch nicht mit der Situation in Syrien und
dem dortigen Agieren der Islamisten begründen.
Das Problem ist, dass wir uns in der NATO seit zwölf
Jahren in einem permanenten Ausnahmezustand befin-
den. Dieser permanente Ausnahmezustand unterminiert
nachhaltig die Solidaritätsklausel der NATO. Es ist nicht
im Sinne eines Bündnisses – erst recht nicht im Sinne ei-
nes multilateralen Agierens –, dass dieser Ausnahmezu-
stand weiter anhält. Deshalb muss der Bündnisfall end-
gültig beendet werden.
Die Frage, wie es mit OAE weitergeht, beschäftigt
uns natürlich. Bei aller Ablehnung der Grundlage dieses
Mandats und dieses Einsatzes und bei aller Dankbarkeit
für das, was von den Soldatinnen und Soldaten vor Ort
und ihren Familien geleistet wurde, stellen wir uns die
Frage: Wie gedenkt die Koalition mit der Parlamentsbe-
teiligung künftig umzugehen? Es gibt eine Kette von
Entscheidungen, die uns so langsam befremdlich er-
scheinen: erst das Agieren am Anfang, dass OAE keine
Mandatierung bräuchte, dann die Fragen bezüglich Zen-
tralafrika. Es ist im Übrigen noch eine Klage von uns
Grünen wegen Pegasus anhängig, der aus unserer Sicht
völlig berechtigten Evakuierungsmission in Libyen. Ich
kann nur sagen, dass sich die Parlamentsarmee in unse-
rem Land bewährt hat. Der Kern der Parlamentsarmee
ist die Parlamentsbeteiligung. Wir werden entschieden
Widerstand leisten, wenn sich abzeichnet, dass die
Große Koalition dies einschränken will. Im Koalitions-
vertrag steht einiges, was uns Sorge macht. Das werden
wir ganz sicher nicht mitmachen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Bevor ich das Wort dem Kollegen Klingbeil gebe, er-
teile ich dem Kollegen Gehrcke das Wort für eine Kurz-
intervention.
Schönen Dank, Herr Präsident! – Ich möchte zwei Irr-
tümer ausräumen; denn sonst lohnt sich die Debatte
nicht. Wir haben keinen Antrag gestellt, die Operation
Active Endeavour zu beenden. Wir haben einen Antrag
gestellt, den NATO-Bündnisfall aufzuheben. Das geht
viel weiter als die Forderung, die Operation Active
Endeavour zu beenden. Außerdem kann man dies gar
nicht beantragen; denn die Operation läuft am 31. De-
zember aus. Wenn sich die Bundesregierung kein neues
Mandat dafür holt, ist sie rechtlich beendet.
Sie wird vermutlich mit einem Trick kommen; aber der
Zusammenhang stimmt hier einfach nicht. Am 31. De-
zember ist Schluss. Kein Soldat darf unter diesem Man-
dat weiter eingesetzt werden, oder man macht sich straf-
bar. Das ist Nummer eins.
Nummer zwei. Der Bündnisfall ist in der Geschichte
der NATO das erste Mal ausgerufen worden. Es gibt
keine Regel, wie man ihn wieder aufhebt. Es gibt keine
völkerrechtlich begründete Regel zur Aufhebung des
Bündnisfalles in der NATO. Deswegen ist unsere
Schlussfolgerung, dass auch einzelne Länder erklären
können, dass sie sich weiter an den Bündnisfall gebun-
den fühlen oder eben nicht. Die deutsche Bundesregie-
rung hätte das Recht, erstens in der NATO zu beantra-
gen, den Bündnisfall aufzuheben, und zweitens für
Deutschland zu erklären, dass wir uns nicht mehr an den
Bündnisfall gebunden fühlen. Die rechtliche Situation
haben wir in unserem Antrag geschildert.
Bei aller Sympathie: Die Grünen könnten einem An-
trag der Linken auch endlich einmal zustimmen und soll-
ten nicht wieder einknicken, wie es bisher immer der
Fall war.
Alle sachlichen Argumente sprechen für das, was wir in
unserem Antrag formuliert haben. Ich bin gespannt, mit
welchem Trick die Bundesregierung versuchen wird,
sich daraus herauszumogeln.
Es kommt noch ein Problem hinzu – ich bin einmal
auf die Ausführungen des sozialdemokratischen Kolle-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 323
Wolfgang Gehrcke
(C)
(B)
gen gespannt –: Die SPD ist einmal mit gar nicht
schlechten Argumenten dafür eingetreten, die Operation
Active Endeavour zu beenden. Ich frage Sie jetzt, da Sie
an der Regierung sind: Taugen die Argumente nichts
mehr, oder sind Sie bei dieser Frage weggetaucht? Mit
großer Begeisterung warte ich darauf, wie sich das im
Januar gestaltet. Wir werden über die Anträge diskutie-
ren, und dann werden wir sehen.
Herzlichen Dank, dass ich das noch sagen durfte.
Kollege Nouripour, Sie haben die Möglichkeit, darauf
zu antworten.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Kollege Gehrcke,
eines können wir Grünen Ihnen versprechen: Wenn Sie
richtig von uns abschreiben, dann stimmen wir auch zu.
Das haben Sie aber nicht getan. Sie haben den Kern un-
seres Anliegens übernommen, nämlich den Bündnisfall
zu beenden, und einfach etwas draufgepackt. Aber das,
was Sie draufgepackt haben, macht keinen Sinn, auch
nicht, wie Sie es erklärt haben; denn es ist offenkundig:
In den NATO-Statuten steht, wie man einen Bündnisfall
ausrufen kann. Ein Staat beantragt ihn, und der Bündnis-
fall wird einstimmig ausgerufen. In den Statuten steht
nicht expressis verbis, wie man ihn widerrufen kann.
Das ist aber politisch ganz eindeutig: Ein Staat bean-
tragt, den Bündnisfall zu beenden, man diskutiert mitei-
nander, und dann kann er beendet werden.
Es ist aus unserer Sicht offenkundig, dass bei den
Mitgliedstaaten der NATO die Einsicht besteht, dass der
permanente Ausnahmezustand auf der Grundlage von 9/11
nicht so bestehen bleiben kann. Es ist Aufgabe der Bun-
desregierung, hierüber Gespräche zu führen und einen
entsprechenden Antrag einzubringen. Eine Aufhebung
des Bündnisfalls ermöglicht man nicht dadurch, dass
Deutschland aufsteht und den Tisch verlässt. So würden
wir uns im Bündnis ganz sicher kein Gewicht verschaf-
fen und nicht dazu kommen, dass die NATO tatsächlich
diesen Schritt macht.
Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Lars Klingbeil,
SPD, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es ist sehr nett, dass ich mich in diese Aus-
einandersetzung zwischen Grünen und Linken einmi-
schen und auch ein paar Dinge für uns erklären darf. Ich
will mich ausdrücklich beim Kollegen Nouripour bedan-
ken, der sich gerade sehr konstruktiv in die Diskussion
eingebracht hat.
Ich glaube, das ist der Geist, den wir auch im Januar
brauchen, wenn wir hier im Parlament über die Fortset-
zung der Mission im Mittelmeerraum diskutieren wer-
den.
Die Linke fordert in ihrem Antrag, den NATO-Bünd-
nisfall zu beenden; die Bundesregierung soll bei der
NATO dafür werben. Wenn das nicht erfolgreich ist, sol-
len wir den Bündnisfall einseitig als beendet erklären
und umgehend jegliche deutsche Beteiligung an entspre-
chenden Einsätzen beenden. Liebe Kolleginnen und
Kollegen von den Linken, lassen Sie mich sagen: Ich
verstehe die fachpolitische Motivation für den Antrag,
den wir am heutigen Tag diskutieren, nicht. Das alte
Mandat für die Operation Active Endeavour läuft aus;
das haben wir hier vor wenigen Wochen in einer Debatte
gemeinsam festgestellt. Wir waren uns einig, dass das
Mandat in der bisherigen Form nicht aufrechterhalten
werden soll. Im Januar wird das Kabinett über die Zu-
kunft der Mission entscheiden, und dann werden wir uns
als Parlament selbstverständlich wieder mit dieser Mis-
sion beschäftigen. Es stellt sich mir die Frage: Warum
führen wir heute, im Dezember, diese Debatte, wo doch
nichts vorliegt, wo die Diskussion läuft, wo wir erst seit
zwei Tagen eine neue Regierung haben?
Für uns von der Sozialdemokratie war immer klar
– das haben wir in den letzten Jahren deutlich gesagt –,
dass zwölf Jahre nach 9/11 der Bündnisfall keine ge-
rechtfertigte Rechtsgrundlage mehr für ein Mandat ist.
Deswegen drängen wir auf Veränderungen. Das haben
wir in den letzten Jahren immer wieder deutlich gesagt.
Wir haben aber auch klargemacht, dass wir die Tätigkeit
der Mission an sich, so wie sie seit Jahren praktiziert
wird, also die Überwachung und Aufklärung im Mittel-
meerraum, nicht ablehnen, sondern als sinnvoll empfin-
den; lediglich die Rechtsgrundlage ist für uns problema-
tisch. Deswegen wird die neue Bundesregierung auf
NATO-Ebene darauf drängen, dass es hier zu einer Än-
derung des Istzustandes kommt; das haben wir schon im
November deutlich gesagt.
Ich will betonen, dass auch die alte Bundesregierung
auf Veränderungen gedrängt hat. Gerade durch den Ein-
tritt der Sozialdemokratie in die neue Bundesregierung
wird dieses Drängen noch energischer werden. Geben
Sie dem neuen Außenminister Steinmeier aber etwas
Zeit; er ist erst seit zwei Tagen im Amt. Ich bin mir si-
cher, dass Punkt 1, den Sie in Ihrem Antrag aufgeführt
haben, schon bald durch Regierungshandeln erledigt
sein wird.
Sie fordern in Ihrem Antrag auch, notfalls Konse-
quenzen zu ziehen und den Bündnisfall einseitig zu be-
enden. Hier will ich Ihnen schon deutlich sagen – das hat
der Kollege Nouripour bereits angesprochen –: Es hätte
mit verantwortungsvoller Sicherheitspolitik nichts zu
tun,
324 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Lars Klingbeil
(C)
(B)
wenn wir hier im Bundestag darauf drängen würden,
einseitig Bündnisverpflichtungen aufzukündigen. Das,
was Sie hier vertreten, führt zu einer Renationalisierung
von Politik, was, wie ich finde, nicht mit dem Handeln
des Bundestages in Übereinstimmung zu bringen ist. Ich
halte nichts davon, zu einer Renationalisierung der Si-
cherheitspolitik zu kommen. Dies zeigt, dass Ihr Antrag
unverantwortlich ist.
Herr Kollege Klingbeil, lassen Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Dr. Neu zu?
Sehr gern.
Herr Kollege Klingbeil, teilen Sie meine Einschät-
zung, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz bei einer
Verlängerung des Mandats – wie auch immer die Mis-
sion künftig heißen wird – auf jeden Fall Anwendung
finden muss, sofern der Bündnisfall aufrechterhalten
wird?
Vielen Dank für die Frage. Sie können sich setzen;
denn zu dem Thema komme ich noch. Im nächsten Ab-
satz hätte ich etwas dazu gesagt.
– Ich habe sieben Minuten Redezeit und glaube, dass das
Thema ziemlich klar ist. Insofern vielen Dank für die
Frage; ich gehe gleich darauf ein.
Sie fordern in Ihrem Antrag weiter, dass jegliche
deutsche Beteiligung an Einsätzen, die mit dem Bünd-
nisfall begründet sind, beendet werden soll. Das einzige
Mandat, das wir im Moment haben, ist das für die Ope-
ration Active Endeavour. Wir haben schon am 28. No-
vember über diese Frage diskutiert. Die Sachlage hat
sich in den letzten Wochen nicht geändert; das Mandat
läuft Ende des Jahres aus.
Jetzt kommt das, was Sie, Herr Dr. Neu, interessiert.
Für uns, die SPD, ist völlig klar, dass wir uns im Parla-
ment damit beschäftigen werden, wenn wieder bewaff-
nete Streitkräfte ins Ausland geschickt werden. Natür-
lich gibt es eine Parlamentsbeteiligung. Wir werden zu
dieser Parlamentsbeteiligung stehen und sie einfordern.
Aber lassen Sie uns doch erst einmal schauen, was für
eine Debatte wir im Januar führen werden. Wir werden
uns dann hier im Parlament wieder fachpolitisch damit
auseinandersetzen.
Wir müssen uns aber in der Tat überlegen, wie wir als
Deutscher Bundestag damit umgehen, wenn der Bünd-
nisfall auf NATO-Ebene bestehen bleibt. Ich will Ihnen
die Punkte nennen, die für uns, für die SPD-Bundestags-
fraktion, in der Diskussion wichtig sind:
Erstens. Wenn der Bündnisfall gemäß Art. 5 des
NATO-Vertrages weiter gelten sollte, dann muss – das
ist für uns klar – das nächste Mandat, mit dem wir uns
hier beschäftigen, ein klar definiertes Übergangsmandat
sein.
Zweitens. Wenn es zu einem solchen Übergangsman-
dat kommt, dann darf es nicht länger als bis Ende 2014
gehen. Danach muss dann die Rechtsgrundlage „Bünd-
nisfall“ wegfallen; es muss also eine reine Aufklärungs-
und Beobachtungsmission werden.
Drittens. Wenn es ein Übergangsmandat gibt, dann
muss es klar auf die Aufklärung und Überwachung des
Seeraums im Mittelmeer begrenzt sein. Die aktuell be-
stehenden exekutiven Befugnisse der Gewaltanwendung
dürfen nicht mehr Teil eines solchen Mandates sein.
Viertens. Der Einsatz sollte in Zukunft nur im Rah-
men der ständigen Einsatzverbände der NATO erfolgen.
Das heißt, nationale Schiffe sollen sich nicht mehr ein-
melden müssen, wenn sie das Mittelmeer passieren.
Diese Verpflichtung sollte auf die vorgesehenen ständi-
gen Einsatzverbände der NATO beschränkt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden im Ja-
nuar diese Debatte führen. Wir als SPD-Bundestagsfrak-
tion haben eine klare Vorstellung, was wir im Zuge die-
ser Diskussion erreichen wollen. Wir freuen uns darauf.
Den heute vorliegenden Antrag der Linken lehnen wir
ab. Ich habe gerade begründet, warum das so ist.
Ich möchte die letzte Minute meiner Redezeit nutzen,
um mich bei denen zu bedanken, die von uns ins Aus-
land geschickt wurden, bei den Soldatinnen und Solda-
ten und den Zivilbeschäftigten. Es gibt viele zivile Hel-
fer, die im Ausland helfen, weil wir als Parlament sie
geschickt haben bzw. sie gebeten haben, zu helfen. Ihnen
allen und uns allen frohe Weihnachten!
Im Januar wird diese Diskussion weitergeführt.
Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Klingbeil. – Als ab-
schließender Redner in dieser Debatte spricht der Kol-
lege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Man kann den Sinn dieser Debatte eigentlich nur verste-
hen, wenn man die eigentliche Motivation und das Wahl-
programm der Linken kennt. Herr Gehrcke hat es in sei-
nem letzten Satz angedeutet; es geht darum, die NATO
aufzulösen bzw., wenn das nicht möglich ist, darauf hin-
zuwirken, dass Deutschland aus dem Bündnis austritt.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 325
Dr. Reinhard Brandl
(C)
(B)
Die Annahme dieses Antrages wäre ein Schritt auf die-
sem Weg.
Aber, meine Damen und Herren, die große Mehrheit in
diesem Haus hat ein anderes Ziel – wir haben das auch
im Koalitionsvertrag festgeschrieben –: Wir wollen die
NATO stärken.
Die NATO ist nicht nur ein Militärbündnis. Die
NATO ist auch eine Wertegemeinschaft. Wir wollen
auch in Zukunft Verantwortung für Freiheit, Sicherheit
und Frieden in der Welt wahrnehmen. Wir können diese
Verantwortung nur gemeinsam mit unseren Verbündeten
wahrnehmen. Die NATO ist dafür eine Plattform.
Meine Damen und Herren von der Linken, es ist doch
ein großer gesellschaftlicher Fortschritt, dass der Einsatz
von Militär, wenn er als letztes Mittel notwendig ist,
nicht von einem einzelnen Staat ausgeht, sondern von ei-
nem auf Konsens ausgelegten Staatenbündnis. Wir wer-
den erleben, dass dieses Bündnis in einer multipolaren
Welt mit neuen Risiken und Bedrohungen – wir alle ken-
nen die Entwicklungen – in Zukunft eher noch wichtiger
werden wird.
Aber jedes Bündnis ist nur so stark wie die Solidarität
seiner Bündnispartner. Das wichtigste Versprechen, das
die Bündnispartner einander geben, ist, dass im Falle ei-
nes Angriffs auf einen Partner die anderen Partner für
ihn einstehen bzw. ihm auch militärisch beistehen. Die-
ser Bündnisfall wurde zum ersten und einzigen Mal nach
dem 11. September 2001 ausgerufen. Es gibt im Moment
nur noch eine einzige Mission, die darauf Bezug nimmt.
Das ist OAE. Wir haben es schon mehrfach diskutiert:
Man könnte diese Mission auch gut ohne diesen Bünd-
nisfall begründen. Die Bundesregierung wirkt auch in-
nerhalb der NATO darauf hin, dass eine Neuformulie-
rung dieses Mandats erfolgt bzw. ein neuer Auftrag
erteilt wird.
Das Fortdauern des Bündnisfalls hat im Moment und
auch in Zukunft keine praktische militärische Relevanz
mehr.
Wenn wir ihn jetzt aber, wie Sie es fordern, einseitig für
beendet erklären, dann hätte das eine riesengroße sym-
bolische Wirkung.
– Ja, genau. An dem Punkt sind wir auseinander. – Es
würde verstanden werden als eine brüske Aufkündigung
der Solidarität, und die grundsätzliche Bündnisfähigkeit
Deutschlands würde damit infrage gestellt werden. Das
kann man fordern, wenn man Deutschland außenpoli-
tisch isolieren möchte. Das kann man fordern, wenn man
die NATO als Ganzes schwächen möchte. Das wäre für
mich aber, meine Damen und Herren, alles andere als ein
verantwortungsvolles politisches Handeln.
Frau Kollegin, in Wirklichkeit ist es Ihnen doch egal.
Denn Sie sind getrieben von einer Ideologie,
die pauschal jede Art des Einsatzes von Militär ablehnt
und die Sie blind macht für außenpolitische Realitäten,
insbesondere wenn sie nicht in Ihre Ideologie passen.
Das Schlimme bei Ihnen von den Linken – im Gegen-
satz zu anderen Parteien – ist: Wir können mit Ihnen da-
rüber gar nicht richtig reden. Wir könnten beispielsweise
über die Frage der Konsensbildung in der NATO reden.
Wir könnten über den Auftrag von OAE reden. Wir
könnten über die rechtliche Frage reden, was es bedeu-
tet, wenn der Bündnisfall noch gilt, und was es bedeutet,
wenn er nicht mehr gilt. Das alles sind fachliche Fragen,
über die man mit Ihnen eigentlich reden können müsste.
Aber wir können nicht mit Ihnen reden, weil es Ihnen im
Prinzip egal ist.
Ihre Antwort steht von vornherein sowieso schon fest.
Deswegen sind Sie für konstruktive Vorschläge und eine
konstruktive Diskussion nicht offen. Mit dieser Haltung
können Sie zwar Ihre eigene Klientel zufriedenstellen,
aber es bringt – seien Sie doch ehrlich – effektiv nichts.
Sie verändern damit nichts auf der Welt, und auch wenn
Sie den Antrag noch zehnmal stellen, wird dadurch
nichts anders.
Herr Gehrcke, Sie haben uns einen Auftrag gegeben.
Ich würde auch Ihnen nahelegen, einmal darüber nach-
zudenken. Sie haben jetzt über Weihnachten ein paar
Tage Zeit dafür. Vielleicht können wir ja im nächsten
Jahr in einer konstruktiveren Form darüber wieder dis-
kutieren.
Danke.
326 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
(C)
Hiermit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/202 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung und auch am Ende eines ereignisreichen Jahres
2013 mit vielen Debatten und Beschlüssen hier in die-
sem Hohen Hause. Ich möchte Ihnen allen dafür danken.
Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Weih-
nachtsfest und hoffe, dass alle gut erholt im nächsten
Jahr wieder hier im Hohen Hause sein werden.
Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags be-
rufe ich auf Mittwoch, den 15. Januar 2014, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.