Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich spreche als MdB und nicht als Parlamen-
tarische Staatssekretärin, da ich zum Thema Betreuungs-
geld quasi eine Abschiedsrede halten möchte.
Frau Kollegin Golze, Sie haben vorhin in Ihrer Rede
gesagt – das haben Sie Gott sei Dank nicht gesungen –:
Alle Jahre wieder. – Ich hoffe nicht, dass sich das durch-
setzt, sondern dass Sie endlich akzeptieren, dass wir an
dieser Stelle einen Schlusspunkt setzen. Im Übrigen ist
unsere Familienpolitik nie gekennzeichnet gewesen von
„Alle Jahre wieder“, sondern von „Ihr Kinderlein kom-
met“.
Ich spreche auch deswegen in meiner ehemaligen
Funktion, weil ich meine Rede einem Kollegen widmen
möchte, der mich sehr unterstützt hat und der nicht mehr
im Bundestag ist, nämlich meinem Kollegen Norbert
Geis. Lieber Norbert, wenn du heute zuschaust: Diese
Rede ist auch für dich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an sich ist es ja in
der Politik ehrenhaft, wenn man ein Ziel konsequent ver-
folgt und alles dafür tut, um dies zu erreichen. Frau Kol-
legin Golze, irgendwann muss man aber erkennen, dass
es nichts bringt, wenn man immer nur gegen die Beton-
wand rennt. Angesichts dessen, dass Sie hier auf absolut
aussichtlosem Posten sind,
verstehe ich nicht, warum Sie diese nervende Schaufens-
terpolitik machen. Das ist der eigentliche Punkt: Sie ma-
chen das nicht, weil Sie glauben, dass Sie Erfolg haben,
sondern machen hier eine nervige Schaufensterpolitik;
das Wort, das ich eigentlich sagen möchte, darf ich nicht
sagen, sonst rüffelt mich mein eigener Präsident.
Wir haben uns über dieses Thema schon unzählige
Male gestritten. Das Ganze geht seit über sieben Jahren.
Und das Schöne ist doch: In den letzten Tagen und Wo-
chen sind viele Kolleginnen und Kollegen – ich weiß gar
nicht mehr, wie viele – auf mich zugekommen und ha-
ben gesagt: Ja, ich war auch irgendwann einmal dage-
gen, ich war auch skeptisch. Ich habe im Wahlkampf
aber gemerkt, was das für ein Bringerthema ist. – Das
waren Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fraktio-
nen. Ich oute aber niemanden. Es ist schon spannend,
wie sich, wenn etwas umgesetzt ist, Meinungen ver-
schieben.
Zahlen sind immer der beste Beweis. Viele Mütter
und Väter, viele Familien rufen dieses Betreuungsgeld
ab. Es gehen viele Dankesbriefe ein. Ich habe es noch
nie erlebt, dass zu einem Thema mehr Dankesschreiben
als Kritikschreiben kommen. Das ist unglaublich. Sie
werden nicht unterstellen können, dass Briefe gefiltert
werden. In den Regalen stehen meterlang Aktenordner
mit Briefen von Eltern – ich kann sie Ihnen zeigen –, in
denen sie schreiben: Danke, dass ihr anerkennt, dass wir
hier eine Leistung erbringen.
– Gerade die Erzieherinnen und Erzieher sind diejeni-
gen, die sich dafür bedanken, dass es eine Alternative
gibt. In jedem Kindergarten, in jeder Kindertagesstätte,
die ich besucht habe, waren die Erzieherinnen und Erzie-
her die Ersten, die gesagt haben: Ja, unser Job ist wich-
tig, wir machen ihn mit Leidenschaft. – Sie sagen auch:
Danke, dass ihr trotzdem Alternativen bietet, weil wir als
Erzieherinnen und Erzieher so wie die Mütter und Väter
wissen, dass nicht alle Kinder gleich sind. Wir sind da-
gegen, dass es eine Gleichmacherpolitik gibt.
Selbst in einer Familie sind nicht alle Kinder gleich, je-
des hat unterschiedliche Talente. Was für ein Kind mit
anderthalb oder zwei Jahren in einer Familie gut ist,
muss für ein anderes, dreijähriges Kind noch lange nicht
gut sein.
314 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Dorothee Bär
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Deswegen sagen wir: Da es Unterschiede gibt, wollen
wir die Wahlfreiheit. Ich bin so dankbar, dass wir das
durchgesetzt haben.
Zu Ihrem Antrag. Sie haben selber gesagt: Alle Jahre
wieder. – Das haben wir heute schon öfter gehabt. Sie
haben keine neuen Ideen. Sie nehmen immer wieder die
alten Entwürfe und schreiben nur neue Drucksachen-
nummern drauf. Das ist eine Art von Arbeitsverweige-
rung; das muss man an dieser Stelle einmal festhalten.
Das Einzige, was Sie hier wollen, ist: Sie versuchen,
einen Keil durch die neue Koalition zu treiben. Das wird
Ihnen natürlich nicht gelingen, weil Koalitionen immer
dann am erfolgreichsten sind, wenn sie nicht mit einer
rosaroten Brille, sondern mit einer ehrlichen Einschät-
zung angegangen werden, und ich glaube, dass wir alle
ins Gelingen verliebt sind. Deswegen sehe ich – da bin
ich positiv –, dass das eine Koalition der Vernunft ist, die
sich in den nächsten vier Jahren hier durchsetzen wird.
Ich bin der SPD dankbar dafür, dass wir in vielen
Punkten Kompromisse erreichen konnten. Ich weiß na-
türlich, dass sich die beiden neuen Staatssekretärinnen
im Familienministerium die Durchsetzung des Betreu-
ungsgeldes nicht eingerahmt und über das Bett gehängt
haben – ich denke, hier können wir ehrlich miteinander
sein –, aber man sagt zumindest: Wir wollen einen Kom-
promiss eingehen; wir wollen gemeinsam regieren. –
Das finde ich sehr gut, und ich freue mich schon extrem
auf die Rede der Kollegin Ziegler nachher.
Das wird mir ein Fest sein.
Kompromisse sind das eine, aber ich möchte wirklich
auch noch einmal über die Eltern und über die Kinder
sprechen, für die das Geld angenommen wird:
Das zuständige Bundesfamilienministerium hat mit-
geteilt, dass bundesweit mittlerweile mindestens – min-
destens! – 95 000 Anträge auf Betreuungsgeld einge-
reicht wurden. Warum „mindestens 95 000“? Es sind
mindestens 95 000, weil bisher nur aus elf Bundeslän-
dern Zahlen vorliegen – von den anderen Ländern gibt es
noch keine Angaben – und diese teilweise auf dem Stand
von Oktober sind. Es kann also davon ausgegangen wer-
den, dass es in Deutschland mittlerweile über 100 000
bewilligte Anträge auf Betreuungsgeld gibt; einige Zei-
tungen haben das ja auch geschrieben.
Man muss hier einmal ganz ernsthaft fragen: Wollen
Sie allen 100 000 Familien, die sich auf diese Leistung
gefreut haben und sie jetzt bekommen – sie freuen sich
über diese Anerkennung –, allen Ernstes sagen, dass sie
ein falsches, veraltetes Modell leben und altmodisch
sind? Wollen Sie die Familien diffamieren, die sich für
einen anderen Lebensweg entscheiden und für die auch
klar ist, dass Bildung nicht nur in Institutionen stattfin-
det, sondern dass die allererste Bildung selbstverständ-
lich im Elternhaus erfolgt?
Es gibt ein altes gälisches Sprichwort, das übersetzt
lautet, dass die erste Bildung sowohl im Schoß als auch
auf dem Schoß der Mutter stattfindet. Das akzeptieren
wir nicht nur, sondern das wollen wir eben auch unter-
stützen.
Ich habe ja schon von Ihrem recycelten Gesetzent-
wurf gesprochen. Wie ernst es Ihnen damit tatsächlich
ist, sieht man natürlich auch daran, wie nachlässig er for-
muliert ist. Sie schreiben nämlich in dem auf den
23. Oktober 2013 datierten Antrag, Sie wollen die Ein-
führung des Betreuungsgeldes verhindern. Leider zu
spät! Das Betreuungsgeld ist eingeführt, das Betreuungs-
geld wird ausgezahlt, und mit dem Betreuungsgeld wird
viel Gutes getan. Wenn Sie also schon alte Texte aus der
Schublade ziehen, dann müssen Sie sich wenigstens die
Mühe machen, den Inhalt auf den aktuellen Stand zu
bringen. Das ist heute wesentlich leichter, als das früher
mit Schreibmaschinen der Fall war; heutzutage gibt es
nämlich Computer.
Sie behaupten, dass es für Familien keine echte Wahl-
freiheit gibt. Auch das ist nicht richtig. Laut Angaben
des Deutschen Städte- und Gemeindebundes – das wis-
sen wir alle – hat es seit dem Inkrafttreten des Rechtsan-
spruchs, als Sie alle möglichen Untergangsszenarien an
die Wand gemalt haben, bundesweit circa 50 Klagen von
Personen gegeben, die keinen ihnen genehmen Platz ge-
funden haben. Aber von den Kommunalpolitikern, den
Bürgermeistern und den Oberbürgermeistern vor Ort
wurden sehr unbürokratisch sehr gute Lösungen im Ein-
vernehmen mit den Eltern erreicht. 50 Klagen sind 50 zu
viel, aber das ist zumindest nicht die Katastrophe, von
der Sie ausgegangen sind.
Eines möchte ich noch einmal zu den Bewilligungen
und zu den Zahlen sagen: Ich finde es schon spannend,
dass dort viele Anträge gestellt werden, wo die Bundes-
länder es den Eltern leicht machen. Deswegen möchte
ich mich an dieser Stelle – das muss gestattet sein – auch
einmal ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern in Bayreuth und Würzburg bedanken, die diese
Anträge für ganz Bayern bearbeiten. Sie sagen, dass es
spannend ist: Bei ihrer Hotline rufen hauptsächlich El-
tern aus Bundesländern an, die sich weigern, diese Hilfe
unbürokratisch zur Verfügung zu stellen. Also, man kann
schon sehr viel tun. Man kann nämlich für Familien viel
verhindern, man kann auch viel für Familien tun. Man
kann das Ganze vor allem unbürokratisch ausgestalten.
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Dorothee Bär
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Lustig fand ich in diesem Zusammenhang, wenn Zei-
tungen geschrieben haben, dass wir es den Eltern zu ein-
fach machen würden, weil es sich nur um ein Formular
mit zwei Seiten handelt, das man ausfüllen und unter-
schreiben muss. Das müsste schon ein bisschen kompli-
zierter sein. So einfach dürfe es nicht sein, an staatliches
Geld zu kommen. – Ich sage: Doch, so einfach muss es
sein.
Mir hat vorhin, in der letzten Debatte, der Satz von
Thomas Silberhorn gefallen, der gesagt hat, dass Ehe
und Familie unter dem besonderen Schutz der staatli-
chen Ordnung stehen und auch unter dem von CDU und
CSU. Ich freue mich jetzt, dass wir in diesem Fall auch
die SPD mit an Bord haben.
Schöne Weihnachten! – falls wir uns nicht mehr se-
hen.