Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Es wäre schön, wenn wir – –
– Oh, das habe ich auch noch nicht erlebt; eine Pre-
miere. – Man könnte, passend zur Jahreszeit, sagen: Alle
Jahre wieder geht es um das Thema Betreuungsgeld.
Aber es ist ja doch einiges anders. Es gibt eine andere
Regierungskoalition, und es gibt eine andere Ministerin,
die ich auf der Regierungsbank leider vermisse. Aber
Caren Marks ist da, also eine Kollegin, die sich mit die-
sem Thema auskennt.
Auch wenn die Ministerin selber nicht dazu Stellung
nehmen kann, will ich für alle Anwesenden ein Zitat aus
einer Pressemitteilung vom 10. September dieses Jahres
anführen, in der sie erklärt hat:
Das Betreuungsgeld ist grundsätzlich falsch und
richtet in seiner fehlerhaften Ausgestaltung viel
Schaden an.
Diese Auffassung teile ich uneingeschränkt. Ich kann
mir vorstellen, dass es für eine frischgebackene Bundes-
ministerin ein schöneres Thema für ihre erste Debatte
gegeben hätte. Vielleicht hat das zu ihrer Entscheidung
beigetragen, dass sie heute nicht hier sein kann.
Frau Schwesig hat während der Koalitionsverhand-
lungen gesagt, sie sei nicht zum Kuscheln da. Dabei
hätte ich sie gerne beim Wort genommen. Ich möchte ihr
nicht absprechen, dass in der Arbeitsgruppe Familie in
den Koalitionsverhandlungen hart verhandelt worden ist;
aber auch die Opposition, auch wir sind nicht zum Ku-
scheln da. Deshalb frage ich mich schon: Womit hat sich
die Ministerin, womit hat sich die SPD die Abkehr von
ihrer strikten Ablehnung des Betreuungsgeldes abpres-
sen lassen?
Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
– dieses Thema hatten wir gerade – kann es anscheinend
nicht sein; denn das wird von der Koalition abgelehnt.
War es die sogenannte Mütterrente, also die Besserstel-
lung von Frauen, die vor 1992 ein Kind bekommen ha-
ben? Auch die wird es nur halb geben: Es wird nur
1 Rentenpunkt geben. Die Mütterrente hatte die CDU/
CSU-Fraktion ihrer Frauenunion bereits in der letzten
Legislatur versprochen. Das kann es also auch nicht ge-
wesen sein. War es die Angleichung der Bezahlung von
Frauen und Männern? Auch da finden sich im Koali-
tionsvertrag nur sehr schwammige Formulierungen. Das
kann es also auch nicht gewesen sein. Oder hat der – sicher
hart erkämpfte – Prüfauftrag im Koalitionsvertrag, ob
man als Bund vielleicht doch ein bisschen mehr Geld für
den Kitaausbau zur Verfügung stellt, etwas damit zu tun,
dass die SPD diese Kehrtwende vollzogen hat? Ich kann
es mir nicht vorstellen. Ich weiß, wie dick die Bretter
sind, die man in Verhandlungen mit der Union zu bohren
hat, wenn es darum geht, mehr Geld für den Kitaausbau
zu bekommen. Aber ein bloßer Prüfauftrag als Gegen-
leistung für den Verzicht auf eine Abschaffung des Be-
treuungsgeldes? Na, ich weiß nicht.
Nicht nur meine Fraktion, auch die Grünen und eben
auch die SPD haben in diesem Saal mehrfach betont,
dass, um wirkliche Wahlfreiheit herzustellen, die Mil-
liarden, die in das Betreuungsgeld fließen, in den Kitaaus-
bau fließen müssten. Nun fließen sie weiter als Betreuungs-
geld. In dieser Hinsicht steht im Koalitionsvertrag nichts
von prüfen, es wird nicht einmal erwähnt. Dabei war es
doch die SPD, die sogar ein Rechtsgutachten vorgelegt
hat, in dem die Verfassungsmäßigkeit des Betreuungs-
geldgesetzes infrage gestellt wurde. Nun wird das Be-
treuungsgeld kommentarlos beibehalten. Nein, Frau
Schwesig, nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der
SPD, bei allem Wissen um die Härte von Koalitionsver-
handlungen und bei größtem Verständnis dafür, dass so
unterschiedliche Partner Kompromisse eingehen müs-
sen: Das Verhandlungsergebnis in Sachen Betreuungs-
geld ist kein Kompromiss, sondern eine Kapitulationser-
klärung.
Die Tatsache, dass das Betreuungsgeld trotz klarer Posi-
tionierung des Bundesrates – an welcher sicherlich auch
Frau Schwesig mitgewirkt haben dürfte – kommentarlos
erhalten bleibt, ist nicht erklärbar.
Wir wissen: Dieses Betreuungsgeld ist gleichstel-
lungspolitisch ein Katastrophenprogramm. Alle Erfah-
rungen in den Ländern, in denen es so etwas gegeben hat
– und wo es in der Zwischenzeit übrigens wieder abge-
schafft wurde –, zeigen: Ein Betreuungsgeld verhindert
in erster Linie die Erwerbstätigkeit von Frauen. Das ist
ein billiger Ersatz für hochwertige frühkindliche Bil-
dung. Darum bleibt meine Fraktion, darum bleibe ich da-
bei: Nur dort, wo es ein ausreichendes Angebot an Kinder-
tagesbetreuungsplätzen gibt, kann man von wirklicher
Wahlfreiheit reden.
Dort, wo die Eltern aufgrund fehlender Kitaplätze
keine echte Wahlfreiheit haben, wird das Betreuungsgeld
zum Notanker. Das zeigen die Zahlen: In den Bundes-
ländern, in denen es eine gute Infrastruktur für Kinder-
tagesbetreuung gibt, wird das Betreuungsgeld kaum
nachgefragt. Ein Beispiel dafür ist Brandenburg:
624 Anträgen auf Betreuungsgeld stehen 30 960 Kinder
unter drei Jahren, die in öffentlichen Einrichtungen be-
treut werden, gegenüber. Das heißt, dort, wo Betreu-
ungsplätze vorhanden sind, wird das Betreuungsgeld
nicht nachgefragt. Im Umkehrschluss heißt das: Wir
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 313
Diana Golze
(C)
(B)
müssen Betreuungsplätze schaffen, bevor wir uns über-
legen, ob wir uns ein Taschengeld leisten können.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich darf daran erin-
nern: In den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und
Linken gab es bei diesem Thema eine große Überein-
stimmung. Nach der Wahl des neuen Bundestages wäre
Zeit gewesen, um diese Mehrheit hier im Parlament dazu
zu nutzen, um diesen Gesetzentwurf zu beschließen. Wir
haben ihn frühzeitig eingebracht. Es waren die jetzigen
Koalitionäre, die Sitzungswochen auf einzelne Sonder-
sitzungstage eingedampft haben, die keine wirkliche Be-
fassung des Parlamentes mit diesen Vorlagen erlaubt ha-
ben. Deshalb kann dieser Gesetzentwurf erst jetzt
behandelt werden.
Ich fordere die Kolleginnen und Kollegen, die dieses
Betreuungsgeld immer abgelehnt haben, auf, das zu tun,
was sie vor der Wahl versprochen haben: Schaffen Sie es
ab!
Vielen Dank.