Rede von
Sabine
Zimmermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zuerst möchte ich Frau Ministerin Nahles zur Berufung
in ihr neues Amt gratulieren. Ich wünsche uns weiterhin
eine gute Zusammenarbeit; das sage ich auch als Ge-
werkschafterin. Eines muss ich Ihnen trotzdem sagen:
Wir hoffen, dass wir von Ihnen mehr erwarten können
als das Wenige, das in der Koalitionsvereinbarung steht.
Ich will nicht lange drum herumreden. Ihre neue Ren-
tenpolitik ist eigentlich nichts anderes als die von
Schwarz-Gelb; sie hat nur eine andere, schönere Verpa-
ckung. Auch Sie tun fast nichts, um zu verhindern, dass
die Menschen Angst davor haben müssen, ihren Lebens-
abend nach einem langen, harten Arbeitsleben in Armut
zu verbringen. Was die gesetzliche Rentenversicherung
jetzt wirklich bräuchte, wäre eine Stabilisierung des
Rentenniveaus. Aber davon ist in Ihrem Koalitionsver-
trag nichts, aber auch rein gar nichts zu lesen.
Diese Große Koalition behält den fatalen Kurs der
Rentenkürzung bei. Das bedeutet: Die Renten in
Deutschland werden weiter sinken. Das ist ein Skandal.
Daran ändern auch die einzelnen Korrekturen nichts,
die die Regierung vorsieht. Seien Sie einmal ehrlich:
Eine Konzeption ist hinter diesem Sammelsurium von
Maßnahmen nicht zu erkennen. Es gibt weder einen Plan
noch ein Ziel. Außerdem sind die von Ihnen vorgesehen
Korrekturen auch noch schlecht gemacht.
Auch im Hinblick auf die Kindererziehungszeiten set-
zen Sie eine richtige Sache falsch um. So ist es zwar
mehr als überfällig, Erziehungszeiten von vor 1992 ge-
borenen Kindern bei der Rente stärker zu berücksichti-
gen. Erklären Sie den Betroffenen aber doch einmal, wa-
rum Sie ihnen die vollständige Gleichstellung von Ost
und West verweigern und ihnen nur einen Rentenpunkt
gewähren.
Erklären Sie der Mutter im Osten, warum ihre Erzie-
hungsleistung weniger wert ist als die einer Mutter im
Westen. Erklären Sie vor allen Dingen den Beitragszah-
lern, warum Sie ihnen die Finanzierung aufbürden wol-
len, anstatt diese familienpolitische Leistung systemge-
recht aus Steuermitteln zu bezahlen.
Liebe Frau Ministerin Nahles, seien Sie doch ehrlich:
Hier zahlt die SPD einen Preis, und zwar in der Form,
dass Sie Ihre richtigen und notwendigen Umverteilungs-
forderungen aus dem Wahlkampf aufgegeben haben. Die
Reichensteuer kommt nicht. Stattdessen werden Bei-
tragszahler angezapft, und Sie plündern die Rentenkasse.
Die nächste Mogelpackung ist die Rente ab 63. Wir
als Linke begrüßen alle Schritte, das angestrebte Renten-
eintrittsalter von 67 Jahren zurückzunehmen.
Es ist gut, dass langjährig Versicherte künftig ab einem
Alter von 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen
können. Zur Ehrlichkeit gehört doch aber auch dazu, zu-
zugeben, dass die Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre
angehoben wird
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 291
Sabine Zimmermann
(C)
(B)
und dass diese Möglichkeit nur einer Minderheit in
Deutschland offensteht. Denn viele erreichen die erfor-
derlichen 45 Beitragsjahre nicht.
Zwei Drittel aller Neurentner werden keinen Zugang zu
solch einer vorzeitigen Rente haben. Bei den Frauen
sieht das sogar noch wesentlich schlechter aus.
Unter dem Strich bleibt zu sagen: Auch in Zukunft
werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drastische
Abschläge hinnehmen müssen, wenn sie vor ihrem 67.
Geburtstag in Rente gehen wollen. Da sagen wir als
Linke ganz klar: Weg mit der Rente ab 67! Spätestens
mit 65 muss Schluss sein!
Wer nicht mehr kann, muss vorher abgesichert in
Rente gehen können. Wer lange eingezahlt hat, muss mit
60 Jahren abschlagsfrei die Rente genießen dürfen. Da-
mit niemand im Alter in Armut leben muss, brauchen
wir zudem eine solidarische Mindestrente, die ihren Na-
men auch verdient.
Mit diesem Koalitionsvertrag wird die Angleichung
der Ostrenten wieder aufgeschoben. Im letzten Koali-
tionsvertrag von CDU, CSU und FDP wurde uns eine
Angleichung wenigstens versprochen. Aber jetzt ver-
sprechen Sie nur, die Angleichung bis 2017 zu prüfen.
Na toll! Wissen Sie: Der Stahlarbeiter, der über 40 Jahre
in Riesa hart gearbeitet hat, hat schon längst die Hoff-
nung aufgegeben, dass er einmal die Rente eines Stahlar-
beiters aus Bochum bekommen wird. Das ist ein Skandal
im 24. Jahr der deutschen Einheit.
Deswegen muss ich Ihnen widersprechen, Frau
Haßelmann. Die deutsche Einheit haben wir vor 25 Jah-
ren mit der Öffnung der Grenze eingeleitet – das ist rich-
tig –, aber die soziale Einheit haben wir noch lange
nicht. Daran müssen wir noch arbeiten.
Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen von Union und SPD, Ihr Koalitionsvertrag trägt
den Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“. Anschei-
nend verstehen Sie darunter, die Renten weiter zu kürzen
und dem Zug in Richtung Altersarmut freie Fahrt zu ge-
ben. Bremsen werden Sie ihn nur noch können, wenn
alle Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung
einzahlen: vom Abgeordneten über den Rechtsanwalt bis
hin zu den Beamten. So können Sie bei der Rente
Deutschlands Zukunft gestalten, aber dazu fehlt Ihnen
der Wille, und es fehlen natürlich auch die Gemeinsam-
keiten in dieser Großen Koalition.
Danke schön.