Rede von
Roland
Claus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem ge-
meinsamen Antrag aller Fraktionen zur Einsetzung von
ständigen Ausschüssen stimmen wir selbstverständlich
zu. Das ist auch ein schönes Zeichen für die Öffentlich-
keit: Es geht doch, etwas gemeinsam zu unternehmen.
Zudem schlägt Ihnen meine Fraktion vor, zwei wei-
tere Ausschüsse, nämlich einen für kommunale Angele-
genheiten und einen für die deutsche Einheit, zu bilden.
Um es vorwegzunehmen: Der Untergang des Abendlan-
des stünde mit der Annahme dieser Anträge nicht ins
Haus, weil es beide Ausschüsse in dieser oder ähnlicher
Form im Deutschen Bundestag bereits gegeben hat.
Wir wollen darüber reden und entscheiden, wo und
wie sich die Herstellung gleichwertiger Lebensverhält-
nisse, die das Grundgesetz bekanntlich vorschreibt, voll-
zieht. Dabei geht es sehr viel um den Osten, aber nicht
nur. Wir wissen auch um strukturschwache Regionen im
Ruhrgebiet; Gelsenkirchen ist gewissermaßen ein Bei-
spiel dafür.
Und natürlich haben wir die Aufgabe, Struktur- und
Regionalpolitik neu zu denken. Schauen Sie sich nur
einmal an, welche Auswirkungen die Finanzmarktpolitik
auf die Regional- und Strukturpolitik hat. Finanzmärkte
ordnen ausschließlich Metropolen. Den Zusammenhang
zwischen Metropolregionen und ländlichen Räumen
wiederherzustellen, wäre eine Aufgabe, die wir in einem
solchen Ausschuss für die deutsche Einheit ausdrücklich
zu besprechen hätten.
Wir wollen natürlich auch nicht verhehlen, dass die
Ost-West-Differenzen seit vielen Jahren nicht kleiner
werden, sich die Schere also nicht schließt, sondern wei-
ter öffnet. Wir haben nach wie vor keine einzige Firmen-
zentrale im Osten Deutschlands. Bei einem Blick auf das
Ranking der Landkreise in Deutschland wird deutlich:
Unter den 50 letztplatzierten Landkreisen in diesem
Ranking sind 49 ostdeutsche Landkreise.
Außerdem wollen wir erreichen, dass die Erfahrun-
gen, die in Ostdeutschland im Umgang mit Umbruchs-
und Transformationsprozessen gemacht wurden, endlich
bundesweit genutzt werden. Das sind Erfahrungen mit
einer wirksamen Entwicklung der Sparkassenstruktu-
ren. Das sind Erfahrungen mit ostdeutschen Chemie-
parks, deren Vorteile schon jetzt in die industriepoliti-
sche Sicht einfließen. Das ist die Erfahrung der guten
Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung
durch eine entsprechende Kinderbetreuungsstruktur. Das
sind aber auch Erfahrungen mit einer modernen und zu-
kunftsorientierten Landwirtschaft.
Wir alle wissen: Wenn Sie einen solchen Ausschuss
nicht bilden, dann bilden sich da, wo die Strukturen feh-
len, informelle Zusammenschlüsse. Wir als die Verant-
wortlichen der Fraktionen für den Osten haben uns im-
mer in informellen Runden getroffen. Jetzt sollte man
diese institutionalisieren.
Ich will Sie an dieser Stelle auch darüber unterrichten,
dass meine Fraktion Sie in einer weiteren Frage nicht in
Ruhe lassen wird, nämlich in der Frage der noch immer
zweigeteilten Bundesregierung. Dass noch immer fast
die Hälfte der Bundesregierung in Bonn und nicht in der
Bundeshauptstadt Berlin sitzt, ist für uns ein Punkt, den
wir extra thematisieren werden.
284 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Roland Claus
(C)
(B)
Wir schlagen Ihnen zudem vor, einen Ausschuss für
kommunale Angelegenheiten einzusetzen, und zwar vor
dem Hintergrund, dass sich der Bund mit seiner Gesetz-
gebung und mit seiner exekutiven Politik – das wissen
Sie alle – in viele Tausend kommunale Angelegenheiten
einmischt. Der Bundestag wäre deshalb gut beraten, sich
im Rahmen eines solchen Ausschusses für kommunale
Angelegenheiten für die Auswirkungen seines Tuns zu
interessieren, um zu sehen, wie sich das, was wir hier im
Bundestag beschließen, auswirkt. Sie wissen: In den
Kommunen findet das reale Leben statt. Sich da Rat zu
holen, würde uns als Bundestagsabgeordneten gut zu
Gesicht stehen.
Ich will als letzten Punkt anführen: Wir sollten durch-
aus aus der Geschichte lernen. Der erste Ausschuss für
Kommunales wurde im Bonner Bundestag im Jahre
1951 mit guten Gründen eingesetzt. Der damalige CDU-
Abgeordnete Dr. Dresbach führte abschließend zur Be-
gründung seines Antrags das Argument ein: Kommunal-
politiker aller Parteien, vereinigt euch! – So sein Wort.
Ein kluges Wort!
Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Vereinigung würde am
besten in einem solchen Ausschuss funktionieren.
Vielen Dank.