Rede von
Dr.
Reinhard
Brandl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Man kann den Sinn dieser Debatte eigentlich nur verste-
hen, wenn man die eigentliche Motivation und das Wahl-
programm der Linken kennt. Herr Gehrcke hat es in sei-
nem letzten Satz angedeutet; es geht darum, die NATO
aufzulösen bzw., wenn das nicht möglich ist, darauf hin-
zuwirken, dass Deutschland aus dem Bündnis austritt.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 325
Dr. Reinhard Brandl
(C)
(B)
Die Annahme dieses Antrages wäre ein Schritt auf die-
sem Weg.
Aber, meine Damen und Herren, die große Mehrheit in
diesem Haus hat ein anderes Ziel – wir haben das auch
im Koalitionsvertrag festgeschrieben –: Wir wollen die
NATO stärken.
Die NATO ist nicht nur ein Militärbündnis. Die
NATO ist auch eine Wertegemeinschaft. Wir wollen
auch in Zukunft Verantwortung für Freiheit, Sicherheit
und Frieden in der Welt wahrnehmen. Wir können diese
Verantwortung nur gemeinsam mit unseren Verbündeten
wahrnehmen. Die NATO ist dafür eine Plattform.
Meine Damen und Herren von der Linken, es ist doch
ein großer gesellschaftlicher Fortschritt, dass der Einsatz
von Militär, wenn er als letztes Mittel notwendig ist,
nicht von einem einzelnen Staat ausgeht, sondern von ei-
nem auf Konsens ausgelegten Staatenbündnis. Wir wer-
den erleben, dass dieses Bündnis in einer multipolaren
Welt mit neuen Risiken und Bedrohungen – wir alle ken-
nen die Entwicklungen – in Zukunft eher noch wichtiger
werden wird.
Aber jedes Bündnis ist nur so stark wie die Solidarität
seiner Bündnispartner. Das wichtigste Versprechen, das
die Bündnispartner einander geben, ist, dass im Falle ei-
nes Angriffs auf einen Partner die anderen Partner für
ihn einstehen bzw. ihm auch militärisch beistehen. Die-
ser Bündnisfall wurde zum ersten und einzigen Mal nach
dem 11. September 2001 ausgerufen. Es gibt im Moment
nur noch eine einzige Mission, die darauf Bezug nimmt.
Das ist OAE. Wir haben es schon mehrfach diskutiert:
Man könnte diese Mission auch gut ohne diesen Bünd-
nisfall begründen. Die Bundesregierung wirkt auch in-
nerhalb der NATO darauf hin, dass eine Neuformulie-
rung dieses Mandats erfolgt bzw. ein neuer Auftrag
erteilt wird.
Das Fortdauern des Bündnisfalls hat im Moment und
auch in Zukunft keine praktische militärische Relevanz
mehr.
Wenn wir ihn jetzt aber, wie Sie es fordern, einseitig für
beendet erklären, dann hätte das eine riesengroße sym-
bolische Wirkung.
– Ja, genau. An dem Punkt sind wir auseinander. – Es
würde verstanden werden als eine brüske Aufkündigung
der Solidarität, und die grundsätzliche Bündnisfähigkeit
Deutschlands würde damit infrage gestellt werden. Das
kann man fordern, wenn man Deutschland außenpoli-
tisch isolieren möchte. Das kann man fordern, wenn man
die NATO als Ganzes schwächen möchte. Das wäre für
mich aber, meine Damen und Herren, alles andere als ein
verantwortungsvolles politisches Handeln.
Frau Kollegin, in Wirklichkeit ist es Ihnen doch egal.
Denn Sie sind getrieben von einer Ideologie,
die pauschal jede Art des Einsatzes von Militär ablehnt
und die Sie blind macht für außenpolitische Realitäten,
insbesondere wenn sie nicht in Ihre Ideologie passen.
Das Schlimme bei Ihnen von den Linken – im Gegen-
satz zu anderen Parteien – ist: Wir können mit Ihnen da-
rüber gar nicht richtig reden. Wir könnten beispielsweise
über die Frage der Konsensbildung in der NATO reden.
Wir könnten über den Auftrag von OAE reden. Wir
könnten über die rechtliche Frage reden, was es bedeu-
tet, wenn der Bündnisfall noch gilt, und was es bedeutet,
wenn er nicht mehr gilt. Das alles sind fachliche Fragen,
über die man mit Ihnen eigentlich reden können müsste.
Aber wir können nicht mit Ihnen reden, weil es Ihnen im
Prinzip egal ist.
Ihre Antwort steht von vornherein sowieso schon fest.
Deswegen sind Sie für konstruktive Vorschläge und eine
konstruktive Diskussion nicht offen. Mit dieser Haltung
können Sie zwar Ihre eigene Klientel zufriedenstellen,
aber es bringt – seien Sie doch ehrlich – effektiv nichts.
Sie verändern damit nichts auf der Welt, und auch wenn
Sie den Antrag noch zehnmal stellen, wird dadurch
nichts anders.
Herr Gehrcke, Sie haben uns einen Auftrag gegeben.
Ich würde auch Ihnen nahelegen, einmal darüber nach-
zudenken. Sie haben jetzt über Weihnachten ein paar
Tage Zeit dafür. Vielleicht können wir ja im nächsten
Jahr in einer konstruktiveren Form darüber wieder dis-
kutieren.
Danke.
326 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
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