Rede von
Marcus
Weinberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es
ist tatsächlich so, wie es Dorothee Bär schon skizziert
hat: Es ist gewissermaßen ein Déjà-vu. Das alles haben
wir schon gehabt. Man könnte die alten Reden heraus-
holen und ein bisschen modifizieren. Trotzdem habe ich
mich, Frau Golze, über den Gesetzentwurf Ihrer Fraktion
geärgert. Schließlich ist es nicht einige Monate, sondern
einige Ereignisse später. Deswegen ist es schon ärger-
lich, dass wir die Diskussion der Vergangenheit aufneh-
men müssen, die eigentlich vom Tisch sein sollte. Die
Menschen und insbesondere die Familien in Deutsch-
land wollen diesen Kulturkampf nicht mehr. Sie haben
sich entschieden, und zwar im Übrigen bei der Bundes-
tagswahl, die ein klares Ergebnis gebracht hat.
Frau Kollegin Dörner, gerade die Parteien, die bei der
Bundestagswahl mit einem sehr ideologiegeprägten Fa-
milienbild angetreten sind, sollten darüber nachdenken,
ob möglicherweise das Ergebnis der Bundestagswahl
eine Reaktion auf ihr Familienbild ist. Ich glaube schon,
dass dem so ist.
Was die Familien in Deutschland von der Politik wol-
len, ist, dass im Bereich der Familienpolitik sinnvolle
Rahmenbedingungen geschaffen und Alternativen ent-
wickelt werden. Was sie aber nicht wollen, Frau Golze,
ist Ihr Ansatz. Sie stellen die Bedingungen so, dass es
nur eine Möglichkeit gibt. Das Ergebnis der Bundestags-
wahl und die neuesten Zahlen der Anträge auf Betreu-
ungsgeld zeigen im Wesentlichen zweierlei. Das Erste
ist, dass die Familien – Verzeihung, Frau Ziegler – nicht
auf Ihre Argumentation im Wahlkampf hereingefallen
sind, dass sie sich davon losgelöst haben und nicht das
Zerrbild, das Sie noch im Wahlkampf gemalt haben,
übernommen haben. Das Zweite ist, dass Ihre Position
zu der Frage „Kita oder Betreuungsgeld?“ abgelehnt
wurde. Das lässt sich auch anhand der Zahlen belegen.
Über 100 000 junge Familien haben das Betreuungsgeld
beantragt. Zwei Drittel der jungen Familien befürworten
das Betreuungsgeld als familienpolitische Leistung.
71 Prozent der Eltern sagen, dass sie für sich entschieden
haben, dass ihre Kinder für eine externe Betreuung noch
zu jung sind.
Noch einmal – Frau Bär hat es bereits deutlich ge-
macht –: Wir reden hier nicht über vorschulische Bil-
dung und stellen auch nicht die Bildungsimplikationen
von Kita und Krippe insgesamt infrage. Aber wir reden
hier über Klein- und Kleinstkinder. Da ist es schon auf-
fällig, dass sehr viele Eltern für sich entschieden haben
– es sind weit über 50 Prozent –, dass ihre Kinder zu
klein sind, um sie schon so früh in eine Betreuung zu ge-
ben.
Das heißt aber nicht – das ist der Grundansatz unseres
Systems –, dass wir keine entsprechenden Angebote
schaffen. Frau Dörner, es besteht ein Rechtsanspruch auf
einen Krippenplatz. Das heißt, keine Familie wird ausge-
schlossen. Ich erinnere mich noch daran, dass die Grü-
nen in der letzten Debatte des Deutschen Bundestages
vor der Bundestagswahl Rechtsfälle skizziert haben, in
denen der Rechtsanspruch nicht umzusetzen sein wird.
Haben Sie jemals wieder etwas davon gehört? Nein.
Überall gibt es eine deutliche Zunahme der Angebote im
Bereich der Krippenversorgung. Die durchschnittliche
Betreuungsquote liegt bei 40,3 Prozent.
Mir sei noch die kleine Bemerkung gestattet, weil die
CSU immer so attackiert wurde: Die geringste Diskre-
panz zwischen Nachfrage einerseits und Ausbau und an-
gestrebter Quote andererseits besteht in den alten Bun-
desländern in Bayern mit knapp 10 Prozent. Die größte
Diskrepanz besteht in den neuen Ländern in Mecklen-
burg-Vorpommern. Aber ich gehe fest davon aus, dass
wir mit der neuen Ministerin und in Gesprächen mit den
Ländern dafür sorgen werden, dass die Länder, wo es
noch etwas schwächer aussieht, stärker aufgestellt wer-
den.
Insgesamt wird Ihre Argumentation nicht besser. Das
sehen nicht nur viele Eltern so. Ich möchte Dr. Herzberg,
Landesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholi-
ken in Thüringen zitieren, der es insbesondere im Hin-
blick auf die Debatten, die wir hier teilweise führen – so
ideologiegeprägt und entfernt von Sachpolitik –, deut-
lich auf den Punkt gebracht hat: „Was hier an Falschem,
Halb- und Unwahrheiten verbreitet wird, ist unerträg-
lich.“ Ich glaube, es ist an der Zeit, hier einen Schluss-
strich zu ziehen.
Wir haben die Wahlfreiheit, und ich glaube, es ist
auch durch die hohe Anzahl von Anträgen deutlich ge-
worden, dass sich Familien entschieden haben, die Be-
treuung ihrer Kleinstkinder selbst zu übernehmen.
Im Übrigen ist es in Thüringen so – ich erwähne das,
weil es angesprochen wurde –, dass die Betreuungsquote
im Krippenbereich gestiegen ist, obwohl es im Land
Thüringen ein Erziehungsgeld gibt.
Das ist also kein Widerspruch an sich.
Ich war ganz fasziniert von der Formulierung in dem
Antrag der Linken. Die lautet sinngemäß: Leitgedanke
moderner Familienpolitik muss die Wahlfreiheit sein,
318 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013
Marcus Weinberg
(C)
(B)
bezogen auf die individuelle Lebensführung. – Diese
Haltung teilen wir.