Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im-
mer dann, wenn wir über das Betreuungsgeld sprechen,
sprechen wir auch über unsere Familienbilder und da-
rüber, wie wir damit politisch umgehen. Es bleibt dabei
– das ist Grundsatz der SPD; ich habe die Hoffnung,
dass es auch bei der CDU so ist –: Jede Familie – Fami-
lie ist immer dort, wo Kinder sind, ob die Eltern verhei-
ratet sind oder nicht – soll selber entscheiden, wie sie
sich organisiert, ob sie Betreuung oder externe Bildung
in Anspruch nimmt oder ob man zu Hause betreut. Diese
Wahlfreiheit muss bestehen bleiben. Die Entscheidung
darüber muss in der Hand der Familie liegen.
Ich glaube, dass es im Koalitionsvertrag dafür ein
paar gute Grundlagen gibt. Wir haben zum Ausdruck ge-
bracht, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen müs-
sen, damit sich jede Familie so entscheiden kann, wie sie
es möchte. Das ist leider noch nicht an allen Stellen so.
Schon die letzte Große Koalition hat, was Elternzeit, El-
terngeld und auch den Krippenplatzausbau betrifft, fest-
gestellt: Ja, hier investieren wir; wir versuchen, die Rah-
menbedingungen für Eltern zu verbessern, um am Ende
zu gewährleisten, dass es sich für junge Menschen lohnt,
eine Familie zu gründen. Junge Menschen müssen wis-
sen, dass Gesellschaft und Staat helfen und sie dabei un-
terstützen, Kinderbetreuung so zu organisieren, wie sie
es wollen. Ich finde, damals haben wir gemeinsam Gutes
geleistet.
Auch in diesem Koalitionsvertrag haben wir verein-
bart, bei Elternzeit und Elterngeld zu neuen, flexibleren
Lösungen zu kommen. Es gilt, sich der Situation der Fa-
milien anzupassen. Für den Krippenplatzausbau haben
wir ebenfalls noch nicht genügend getan. Deshalb haben
wir ein 6-Milliarden-Euro-Paket vereinbart, sodass für
die Krippenplätze vor Ort Investitionsmittel zur Verfü-
gung stehen. Wenn das nicht ausreicht, wird dieses Paket
bedarfsgerecht aufgefüllt werden. Es ist also nicht so,
dass wir Stillstand an dieser Stelle haben. Wir haben im
Koalitionsvertrag gute Dinge festgeschrieben.
Wenn wir darüber sprechen, wie wir Wahlfreiheit or-
ganisieren, dann zeigt sich: Es gibt ein Thema, bei dem
wir uns als Koalitionspartner nicht einig sind; das darf
man so formulieren. Es ist nicht so, dass die Sozialde-
mokraten mit Eintritt in die Große Koalition ihre Forde-
rung aufgegeben haben, das Betreuungsgeld wieder ab-
zuschaffen. Sie wissen aber alle, liebe Kolleginnen und
Kollegen der Oppositionsfraktionen, dass man in einer
Koalition Kompromisse schließen und dicke Kröten
schlucken muss. Das ist leider auch in diesem Fall so.
Das wird in Hessen unter Schwarz-Grün mit Sicherheit
der Fall sein; das kennen die Linken aus Brandenburg
und aus Koalitionen in anderen Ländern: Man kann sich
nicht zu 100 Prozent durchsetzen. Das heißt aber nicht,
dass die Sozialdemokraten ihre Forderung nach Ab-
schaffung des Betreuungsgeldes aufgeben. Wir sagen
nach wie vor: Das Betreuungsgeld ist das falsche Mittel.
Wir werden über den vorliegenden Gesetzentwurf in
den Ausschüssen beraten. Ich gebe ehrlich zu: Auch
nach den Reden der beiden Kollegen des jetzigen Koali-
tionspartners habe ich nicht die Hoffnung, dass sich
während der Beratungen vielleicht doch noch die Ein-
sicht einstellt, dass es richtig ist, das Betreuungsgeld ab-
zuschaffen. Das wird nicht der Fall sein.
Ich wünsche mir nicht nur – weil hier alle gute Wün-
sche äußern –, dass die Union irgendwann zur der ent-
sprechenden Einsicht kommt, sondern möchte auch den
Grünen das Angebot machen, dass wir gemeinsam,
wenn andere Mehrheitsverhältnisse bestehen, das Be-
treuungsgeld abschaffen und die dicke Kröte, die wir
jetzt schlucken mussten, wieder ausspucken. Wenn die
Linkspartei dabei mitmacht, ist das auch kein Problem.
Liebe Dorothee Bär, das war nun Ihre letzte Rede in
Ihrer Eigenschaft als Familienpolitikerin. Jetzt wechseln
Sie schwerpunktmäßig nicht nur vom Parlament in die
Regierung, sondern auch das Fach. Ich freue mich natür-
lich darüber, weil ich es Ihnen gönne, eine neue Aufgabe
wahrzunehmen. Ich weiß nicht, ob ich es besonders
schade finde, die Debatten künftig ohne Sie zu führen.
Aber mit Sicherheit wird mir etwas fehlen. Ihnen also al-
les Gute für Ihre neue Aufgabe! Wir versuchen, in der
Familienpolitik neue Wege zu gehen. Vielleicht gelingt
dies erst in vier Jahren.
Herzlichen Dank.