Protokoll:
1133

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 133

  • date_rangeDatum: 11. April 1951

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:31 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 23:56 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 18g. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1951 5119 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. April 1951 Geschäftliche Mitteilungen 5120B Änderungen der Tagesordnung 5120C Erste Beratung des Entwurfs eines Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) (Nr. 2090 der Drucksachen) 5120C Storch, Bundesminister für Arbeit 5120C Ausschußüberweisung 5121C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen): Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz (Nr. 1908 der Drucksachen, Umdruck Nrn. 99, 130) . 5121D Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 5121D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5125C Dr. Arndt (SPD) 5131D Dr. von Merkatz (DP) 5139B Kiesinger (CDU) 5141C Neumayer (FDP) 5145A Dr. Schneider (FDP) 5147C Loritz (WAV) 5149C Dr. Reismann (Z) 5151C Müller (Frankfurt) (KPD) 5154D Dr. Greve (SPD) 5156A Abstimmungen 5156D Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats (Nr. 2109 der Drucksachen) 5157A Dr. Seelos (BP) 5157B Dr. Horlacher (CSU) 5158A Abstimmungen 5158B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Pächter (Nr. 2091 der Drucksachen) 5158C Ausschußüberweisung 5158C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 127) 5158D Ausschußüberweisung 5158D Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und eines Wirtschaftsstrafgesetzes (Nr. 2100 der Drucksachen) 5158D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5158D Ausschußüberweisung 5159A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Aufhebung von Kriegsvorschriften (Nr. 2093 der Drucksachen) . . 5159A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5159A Ausschußüberweisung 5159B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Schaffung eines Internationalen Patentbüros (Nr. 2094 der Drucksachen) . . . . 5159B Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5159C Ausschußüberweisung 5159C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über die Verlängerung von Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 2095 der Drucksachen) 5159C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5159C Ausschußüberweisung 5159D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den ersten Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nrn. 720, 1153 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2106 der Drucksachen) 5159D Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 5159D Strauß (CSU) 5160B Arnholz (SPD) 5160B Abstimmungen 5160A, C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen): Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern (Nr. 1907 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Wiederbesiedlung der Insel Helgoland (Nr. 2017 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Sicherung von Eigenturn auf der Insel Helgoland (Nr. 2018 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Bemühungen zur Freilassung von in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen (Nr. 2019 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen (Nr. 2099 der Drucksachen) . . 5160D Steinhörster (SPD), Berichterstatter . 5161A Dr. Hamacher (Z), Antragsteller . 5164A Renner (KPD): als Antragsteller 5164C als Abgeordneter 5189D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5166A, 5172D, 5182C, 5183C, 5195C Maier (Freiburg) (SPD) 5167A Dr.-Ing. Decker (BP) 5177A Dr. Wuermeling (CDU) . . . . 5177C, 5189C Brunner (SPD) 5179B Bausch (CDU) 5180D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . 5183A Neumayer (FDP) 5184A Frau Dr. Weber (Essen) (CDU) . . 5184D Loritz (WAV) 5185C Frau Dr. Steinbiß (CDU) 5187B Brese (CDU) 5188C Kunze (CDU) (zur Geschäftsordnung) 5195D Dr. Reismann (Z): zur Geschäftsordnung 5196A zur Sache 5196C Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 5196B Weiterberatung vertagt 5197D Nächste Sitzung 5197D Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113300000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 133. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.

Heinz Matthes (DP):
Rede ID: ID0113300100
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Wönner, Gockeln, Dr. von Campe, Dr. Henle. Vesper, für drei Tage dem Abgeordneten Dr. Doris. Entschuldigt sind die Abgeordneten Roth, Freiherr von Aretin, Volkholz, Paul (Düsseldorf), Fisch, Rische.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113300200
Meine Damen und Herren! Zur Tagesordnung bitte ich um Ihr Einverständnis mit folgendem Verfahren: zunächst jetzt von den gestern nicht erledigten Punkten zu behandeln die erste Beratung des Entwurfs eines Kündigungsschutzgesetzes, Drucksache Nr. 2090, dann überzugehen zum Haushalt des Bundesministeriums der Justiz, zur ersten, zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats, zur ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Richter und zur Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Nachdem wir diese Punkte' erledigt haben, können wir mit frischen Kräften in die für heute vorgesehene Tagesordnung eintreten.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 3 der gestrigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Kündigungsschutzgesetzes (KSchG.) (Nr. 2090 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor. den Entwurf nach einer kurzen Begründung durch den Herrn Bundesarbeitsminister ohne Aussprache dem zuständigen Ausschuß zu überweisen. Ich bitte, damit einverstanden zu sein. — Bitte, Herr Minister!

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0113300300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben eine Gesetzesvorlage vor sich. die bereits einmal den Wirtschaftsrat beschäftigt hat. Die Verhandlungen im Wirtschaftsrat waren von dem Grundgedanken getragen, den Arbeitnehmern im deutschen Wirtschaftsleben eine bessere wirtschaftliche Fundierung und Sicherheit zu geben. Das damals vom Wirtschaftsrat verabschiedete Gesetz hat nicht die Zustimmung der Militärregierungen gefunden, nicht deshalb, weil man bei den Militärregierungen in diesem Kündigungsschutzgesetz etwas nicht Gewünschtes gesehen hätte, sondern weil man der Meinung war, daß die Bildung des Bundes kurz vor der Tür stände und es deshalb nicht angängig sei, für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet ein .Sonderrecht entstehen zu lassen.
Es wäre nach der Bildung des Bundes und der Bildung der Bundesregierung leicht gewesen, den bereits in Frankfurt verabschiedeten Gesetzentwurf nunmehr dem Hohen Hause vorzulegen. Die Bundesregierung ist aber von dem Gedanken ausgegangen, daß es zweckmäßiger sei, wenn sich erst einmal diejenigen Organisationen und auch die Einzelmenschen, die von diesem Gesetz erfaßt werden, mit diesen Problemen selbst beschäftigen. Wenn man auf sozialpolitischem Gebiet vorwärtsschreiten will, genügt es ja nicht, Gesetzesparagraphen zu schaffen, sondern bei solchen Gelegenheiten ist es notwendig, eine geistige Verfassung zu schaffen, die alle Beteiligten davon überzeugt, daß das Neue etwas wirklich Gutes und im Interesse der Allgemeinheit Liegendes ist.
Aus diesen Gründen haben wir die Sozialpartner, die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften, gebeten, zu diesen Problemen Stellung zu nehmen und uns eine einheitliche Auffassung ihrerseits vorzulegen. In monatelangen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern ist dann eine einheitliche Auffasung zustande gekommen, auf der im wesentlichen das vorliegende Gesetz aufgebaut ist. Wir


(Bundesarbeitsminister Storch)

können den an. diesen Verhandlungen und Besprechungen Beteiligten nur den Dank der Bundesregierung dafür aussprechen, daß sie in so vorbildlicher Weise hier etwas Neues mitgeschaffen haben.
Wenn Sie das Gesetz durchsehen, finden Sie, daß es sich um drei Fragenkomplexe handelt. Erstens wird der Schutz des Einzelnen gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen behandelt, zweitens finden Sie den Kündigungsschutz für die Betriebsratsmitglieder und drittens einen Kündigungsschutz bei notwendig werdenden Massenentlassungen. Das Gesetz sagt, daß eine Entlassung, die nicht in der Person des Arbeitnehmers und nicht in den Notwendigkeiten des Betriebs ihre Grundlage hat, als sozial ungerecht bezeichnet werden muß und daß derartige Kündigungen rechtsunwirksam sind. Damit gehen wir in der Entwicklung des Kündigungsschutzes, der erstmalig eine Verankerung in dem Betriebsrätegesetz von 1920 gefunden hat, einen wesentlichen Schritt weiter.
Zweitens handelt es sich darum, 'daß heute unsere Betriebsräte nicht den Kündigungsschutz genießen, wie er früher einmal im Betriebsrätegesetz deutscher Prägung gegeben war. Wir wissen noch nicht, wann das neue Betriebsräte- oder Betriebsverfassungsgesetz wirksam werden wird. und halten es deshalb für nötig, schon in 'diesem Gesetz die Grundlagen für den Kündigungsschutz der Betriebsräte wiederherzustellen.
Drittens handelt es sich darum, daß wir bei notwendig werdenden Massenentlassungen Fristen einräumen oder festlegen, durch die Gelegenheit gegeben ist, die Schwierigkeiten in dem Betrieb eventuell noch zu überwinden oder es der Arbeitsverwaltung zu ermöglichen, für möglichst baldige andere Verwendung der freiwerdenden Arbeitskräfte zu sorgen.
Dieses Gesetz beabsichtigt nicht, Entlassungen überhaupt unmöglich zu machen. Dort vielmehr, wo sie notwendig werden, ist keine Hinderung vorgesehen. Das Gesetz will aber dafür sorgen, daß der einzelne Arbeitnehmer, der auf eine längere Arbeitszeit im einzelnen Betriebe zurücksieht, mit innerer Ruhe in die Zukunft sehen kann.
Nun sind uns im Arbeitsministerium — und wahrscheinlich auch Ihnen als Bundestagsabgeordneten — vor allen Dingen aus ,den Kreisen des Handwerks und der Landwirtschaft Bedenken gegen einige Formulierungen in diesem Gesetz mitgeteilt worden. Auch der Bundesrat hat es für zweckmäßig gehalten, uns seine Meinungsäußerung zugehen zu lassen, nach der die Grenze für die Dauer 'der Beschäftigung, nach der der Kündigungsschutz eintreten soll, statt auf drei auf sechs Monate festgelegt werden soll. Es wird nun Aufgabe des zuständigen Ausschusses sein, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Es wird auch Aufgabe des Ausschusses sein, die Bedenken zu prüfen, die vor allen Dingen von den Betrieben des Handwerks und der Landwirtschaft wegen der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Betriebe vorgetragen worden sind.
Wir glaubten, den Gesetzentwurf in der Form vorlegen zu sollen, wie er von den Sozialpartnern als richtig angesehen worden ist. Ich glaube, daß wir, wenn der Bundestag dieses Gesetz möglichst bald verabschiedet, einen wesentlichen Schritt vorwärts in der sozialen Befriedung unseres deutschen Volkes getan haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113300400
Meine Damen und Herren! Eine Besprechung in der ersten Beratung ist nicht vorgesehen. Ich nehme an, daß Sie damit einverstanden sind, daß die Regierungsvorlage dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird.

(Abg. Stücklen: Und Wirtschaftsausschuß!)

— Es ist auch die Überweisung an 'den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 'beantragt worden.

(Widerspruch. — Weitere Zurufe: Natürlich!)

— Wenn ich dieses Stimmengemurmel richtig verstehe, scheint die Mehrheit dagegen zu sein. (Erneute Zurufe.)

Meine Damen und Herren, Ausschuß für Arbeit federführend! — Ich bitte die Damen und Herren, die auch für Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik sind, eine Hand zu erheben.

(Zurufe von der SPD: Was hat das mit Wirtschaft zu tun? — Das hat nichts mit Wirtschaft zu tun!)

— Ja, meine Damen und Herren, es steht doch jedem Abgeordneten frei, die Überweisung an einen anderen Ausschuß zu 'beantragen; das können Sie doch nicht bestreiten.

(Erneute Zurufe.)

Ich frage noch einmal: Wer ist für Überweisung auch an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik? — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Die Überweisung an den Wirtschaftsausschuß ist abgelehnt.

(Zuruf rechts: Das hat doch mit Wirtschaft allerhand zu tun!)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf, der auch von gestern übernommen worden ist:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen);
Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz (Nr. 1908 der Drucksachen, Umdruck Nrn. 99, 130).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Erler.
— Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 180 Minuten vor, wobei unterstellt wird, — —

(Abg. Mellies: Vier Stunden, haben wir heute morgen gesagt!)

— Jawohl, ich berichtige mich, meine Damen und Herren; es ist heute morgen im Ältestenrat eine Vereinbarung dahin erzielt worden, daß eine Aussprachezeit von 240 Minuten vorgeschlagen wird, um eine hinreichende Aussprache zu ermöglichen, und zwar in der Hoffnung, daß diese Zeit nicht voll ausgenutzt werden wird. Es wird bei diesem Vorschlag unterstellt, daß auch 'in diesem Falle die an sich in der zweiten Beratung nicht übliche Generalaussprache jetzt und nicht in der dritten Beratung stattfindet. Darüber besteht Einverständnis. — Bitte, Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0113300500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und 'Herren! Der vorliegende Haushaltsplan des Bundesministeriums der Justiz enthält nicht nur den Plan für das Ministerium selbst, sondern auch für eine Reihe nachgeordneter Dienststellen. Sie finden im Kap. 1 das Ministerium, im Kap. 2 das Bundesverfassungsgericht, im Kap. 3 einen Leerabschnitt für das Oberste Bundesgericht, im Kap. 4 den Bundesgerichtshof, im Kap. 4 a das Deutsche Obergericht,


(Erler)

im Kap. 4b die Generalanwaltschaft bei diesem Deutschen Obergericht und im Kap. 5 das Bundespatentamt.
Damit wir einen Überblick darüber bekommen, um welche Größenordnungen es sich bei diesem Haushaltsplan handelt, ist es gut, wenn ich Ihnen jetzt die Personalstärken der Beamten. Angestellten und Arbeiter bekanntgebe, die Sie bei diesen verschiedenen Institutionen finden. Das Bundesministerium der Justiz selbst hat 76 Beamte, 24 dorthin abgeordnete Beamte, 69 Angestellte und 29 Arbeiter. Beim Bundesverfassungsgericht sind nach den Plänen 55 Beamte, 6 abgeordnete Beamte, 23 Angestellte und 13 Arbeiter vorgesehen. Das Oberste Bundesgericht ist bisher noch nicht eingerichtet. Für den Bundesgerichtshof finden wir an Stellen 128 Beamte, 11 abgeordnete Beamte, 56 Angestellte und 22 Arbeiter, beim Deutschen Obergericht 9 Beamte, 1 abgeordneten Beamten, 4 Angestellte und 4 Arbeiter, bei der Generalanwaltschaft beim Deutschen Obergericht 4 Beamte, 1 abgeordneten Beamten, 3 Angestellte und 3 Arbeiter. Das macht zusammen bei all diesen Behörden — ohne den größten Brocken, nämlich das Bundespatentamt — 272 Beamte, 43 abgeordnete Beamte, 155 Angestellte und 71 Arbeiter. Sie sehen, daß allein beim Bundespatentamt mehr Personal tätig ist als bei allen übrigen Dienststellen des Bundesministeriums der Justiz zusammen, nämlich 579 Beamte, 20 abgeordnete Beamte, 291 Angestellte und 161 Arbeiter, so daß der gesamte Personalbestand des Bundesjustizministeriums mit allen nachgeordneten Dienststellen zusammen rund 1600 Köpfe beträgt. Das ist deshalb wichtig zu wissen, weil eine Reihe von Zentralabteilungen des Ministeriums insbesondere auf dem Gebiet der Personalwirtschaft natürlich mit dem Personalbestand aller nachgeordneten Dienststellen zu tun hat. So manche Zentralabteilung eines Ministeriums wäre in ihrem Aufbau nicht recht verständlich, wenn sie nur für die 76 Beamten des Ministeriums zuständig wäre. Wenn man aber weiß, daß es sich eben nicht um diese 76 Beamtenhandelt, sondern insgesamt um 851 Beamte, dann wird einem klar, daß die Zentralabteilung in dem Ministerium auf diesem Gebiet auch noch Aufgaben hat. die über den Aufgabenbereich des Ministeriums hinausreichen.
Die Einzelergebnisse der Beratungen des Haushaltsnlans finden Sie in den Ihnen vorliegenden Drucksachen, insbesondere in der Drucksache Nr. 1908, die eine ganze Reihe von Anlagen enthält. Dazu müssen Sie allerdings zum Vergleich dann immer noch das Druckstück des Einzelplans VII zur Hand nehmen, das Ihnen bei der ersten Lesung des Haushaltsplanes vorgelegen hat. Einige sehr wesentliche Ausgaben kommen noch auf uns zu und sind nicht in dem jetzigen Bericht des Haushaltsausschusses enthalten. Sie werden dem Bundestag erst mit dem Nachtragshaushalt endgültig vorgelegt. Im einzelnen handelt es sich um 50 000 DM an Kosten für den Richterwahlausschuß, 420 000 DM für die Dienststelle Berlin des Bundespatentamtes und weiter 145 000 DM für die Beschaffung von ausländischem Prüfmaterial für das Patentamt.
Ich darf Ihnen mitteilen, daß sich der Bundesrat, der sich gleichfalls eingehend mit dem Haushalt des Justizministeriums beschäftigt hat, keine wesentlichen Einwendungen erhoben hat. Das, was der Bundesrat seirerzeit geltend gemacht hat, ist im wesentlichen, soweit es angängig war und soweit nicht eine andere 'gesetzliche Regelung inzwischen erfolgt ist — wie zum Beispiel beim Bundesverfassungsgericht —, in die Pläne hineingearbeitet worden.
Die Einzelansätze der Pläne und elbstverständlich auch die Organisations- und Stellenpläne aller dem Ministerium angegliederten Dienststellen sind im Haushaltsausschuß gründlich beraten worden. Wir haben die Einzelansätze — das hatten wir bei all diesen Beratungen jetzt verhältnismäßig einfach — nach dem tatsächlichen Bedarf berichtigen können; denn das Rechnungsjahr ist ja im wesentlichen schon abgeschlossen, so daß man weiß, was tatsächlich gebraucht worden ist. Man war also nicht auf die bloßen Vorausschätzungen angewiesen. Natürlich mußten wir ein wenig auf die Lage im Jahre 1951 Rücksicht nehmen und beachten, daß wir im Grundsatz ja 'diesen Haushaltsplan auch für das Jahr 1951 übernehmen wollen, so daß also irgendwelche zufälligen Minder- oder Mehrausgaben des Jahres 1950 nicht ohne weiteres für das Jahr 1951 jetzt hier eingesetzt werden konnten. Wir hatten also auch im Jahre 1950 etwas auf die voraussichtlichen Bedürfnisse des Jahres 1951 mit abgestellt, aber eben an Hand der Erfahrungen der tatsächlichen Ausgabenwirtschaft des Jahres 1950.
Das gleiche Prinzip wurde angewendet beim Ansatz der Einnahmen. Auch hier konnten wir uns auf 'den Ansatz der Einnahmen in dem Umfang eben beschränken, wie die Einnahmen tatsächlich eingegangen waren oder mit Sicherheit für eben dieses Jahr nach dem damaligen Stand der Beratungen des Haushaltsausschusses noch zu erwarten waren. Irgendwelche überhöhten Einnahmeschätzungen, die zu einem falschen Bild der Ausgaben- und Einnahmewirtschaft des Bundes führen könnten, sind in diesem Plan nicht enthalten.
'Der Stellen- und Organisationsplan des Ministeriums zeigt gegenüber dem Vorjahr keine wesentlichen Veränderungen. Es ist — darauf komme ich bei Tit. 1 noch zu sprechen — ein einziges Referat reu geschaffen worden. Es ist dem Ministerium bisher gelungen, die Mehrarbeit, die bei einer Reihe von gesetzgeberischen Arbeiten notwendig gewesen ist, 'durch Abordnung von Länderbeamten, also durch Bezahlung aus dem Tit. 3, oder auch durch Beschäftigung von Angestellten zu bewältigen, ohne daß neue Planstellen ausgebracht worden sind. Man muß dem Bundesministerium der Justiz die Anerkennung aussprechen — das war die Meinung des Haushaltsausschusses —, daß es sich bei seinem Stellenplan außerordentlicher Sparsamkeit befleißigt und keinen Versuch unternommen hat, durch jetzt vorübergehend notwendige Aufgaben sich Dauerstellen für Beamte einrichten zu lassen. Das Ministerium hat da ein erfreuliches Maß an Zurückhaltung bewiesen. Auch der Bundesrat hat diese gleiche Anerkennung dem Bundesministerium der Justiz ausgesprochen.
Eine weitere Anerkennung verdient das Ministerium für eine technische Erleichterung unserer gesamten Arbeit. Der Haushaltsausschuß hat gebeten, künftig auch bei allen anderen Ministerien das gleiche Prinzip anzuwenden. Das Ministerium hat nämlich die Stellen für die abgeordneten Beamten, die zum Ministerium kommen, nicht nur in einem Geldtitel ausgewiesen, sondern durchgehend auch nach den Besoldungsgruppen aufgegliedert und in den Besoldungsplan eingebaut.
Nun das Gesamtergebnis unserer Beratungen: Nach den Beratungen des Haushaltssausschusses ergibt sich für das Bundesministerium der Justiz


(Erler)

und die nachgeordneten Dienststellen. also für den gesamten Einzelplan VII, ein Zuschußbedarf von 3 313 300 DM. Das sind als Ergebnis der Beratungen des Ausschusses, bei denen wir eben 'die Ausgaben dem tatsächlichen Stand angepaßt haben, 223 700 DM weniger, als die Regierungsvorlage ursprünglich vorsah. Der Zuschuß ist aber nur deshalb so gering, weil der größte Einzelplan, das Kan. 5 für das Bundespatentamt, mit einem Überschuß abschließt. Das Bundespatentamt trägt sich nicht nur selbst, sondern zahlt aus seinen Einrahmen auch einen Teil der Ausgaben der übrigen Justizverwaltung mit.

(Abg. Dr. Wuermeling: Bravo!)

Zu den einzelnen Kapiteln. Beim Kap. 1, dem Bundesministerium der Justiz selbst, fällt Ihnen der sehr hohe Einnahmeposten von 1 060 000 DM für Einnahmen aus Veröffentlichungen auf. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um den Bundesanzeiger und das Bundesgesetzblatt. Außerdem sind noch aus dem Öffentlichen Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet für die Zeit vor dem 1. April 1950 Einnahmen eingegangen, die erst im Rechnungsjahr 1951 zu vereinnahmen waren.
Bei den Ausgaben — ich habe das schon angekündigt — ist zum Tit. 1 auf ein neues Referat hinzuweisen, das in Verbindung mit der Schaffung des Bundesgerichtshofes für die Verbindung mit dem Oberbundesanwalt und die Bearbeitung der Strafsachen bei eben diesem Oberbundesanwalt eingerichtet werden mußte. Das Referat ist bescheiden ausgestattet worden: mit einem Beamten des höheren Dienstes, einem Beamten des gehobenen Dienstes und einem Angestellten.
Zu Tit. 7 a, Trennungsentschädigung, kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß es gelungen ist, den Ansatz um 100 000 DM herabzusetzen. Natürlich müssen wir die Umzugskosten entsprechend um 50 000 DM erhöhen. Der Haushaltsausschuß wäre sehr froh, wenn eine solche Möglichkeit für alle Ministerien bestanden hätte. Das beweist nämlich, daß es glungen ist, für eine ganze Anzahl bisher getrennt lebender Beamten nun auch Familienwohnungen am Dienstort ausfindig zu machen. Das Bundesministerium der Justiz scheint auf diesem Gebiet sehr erfolgreich verfahren zu sein. Wir werden nachher bei dem Bundespatentamt noch einen ähnlichen Posten finden.
Mit großer Freude hat der Haushaltsausschuß von einer Absicht Kenntnis genommen. die sich in dem Ausgabenansatz bei Kap. E 11 Tit. 4, also unter den einmaligen Ausgaben des Ministeriums selbst, niederschlägt. Sie finden sie auf der Seite 12 unserer Vorlage. Es sind dort für einen Monat nur 8 000 DM angesetzt. Das Bild ist natürlich optisch nicht zutreffend. Das Ganze ist aus einem Jahresansatz von 96 000 DM errechnet. Vermutlich wird man die ganze Arbeit, die dort vorgesehen ist, in der Zeit von zwei Jahren durchführen. und zwar handelt es sich dabei um Kosten vorübergehender überregionaler Förderungsmaßnahmen für straffällige Jugendliche. Dieser Posten dient der Erprobung neuer Maßnahmen für diesen Probezeitraum von zwei Jahren. Es sollen Versuche unternommen werden, von denen man sich viel Erfolg verspricht, wie man abweichend von der bisherigen Art der Bestrafung der Jugendlichen straffällig gewordene junge Menschen durch neuartige Erziehungsmaßnahmen wieder in die Gesellschaft eingliedert, ohne ihnen für ständig den Stempel des Vorbestraftseins aufzudrücken, sie vielmehr I bessert und nicht wie jetzt in den Mühlen des bisherigen Strafvollzuges verschlechtert; denn das ist ja normalerweise das Ergebnis des augenblicklich betriebenen Strafvollzuges.
Zum Kap. 2, Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht ist von uns nach unserem Gesetz am 1. Februar 1951 beschlossen worden. Das Gesetz selbst ist noch nicht verkündet. Der größte Teil der Ansätze dieses Kapitels ist zwangsläufige Folge des von uns beschlossenen Gesetzes. Der Bundesrat hatte z. B. gegen die vorgesehene Einstufung der Richter am Bundesverfassungsgericht Einspruch erhoben. Diese Einwendungen sind in dem Augenblick hinfällig, in dem es sich nicht mehr um eine haushaltsrechtliche Vorlage der Regierung zur Einstufung irgendwelcher Beamten allein, sondern um eine klare gesetzliche Regelung handelt, wenn im Gesetz also drinsteht, wie die Richter beim Bundesverfassungsgericht zu besolden sind. Wir mußten die Bestimmungen des Gesetzes in den Haushaltsplan einbauen.
Das Gericht ist noch gar nicht da. Die meisten Posten, die Sie hier finden, sind also nur auf einen einzigen Monat bemessene Merkposten, damit das Gerippe im Haushaltsplan des nächsten Jahres erscheint und wir nicht erst noch langwierige Beratungen hier zu pflegen haben. Wenn eben ein Merkposten für einen Monat da ist. dann 'bedeutet das, daß wir im Kern damit ein Zwölftel des künftigen Jahresansatzes beschlossen haben. damit das Gericht, wenn einmal der Sitz bestimmt ist, tatsächlich zu arbeiten anfangen kann und dann nicht noch erst langwierige Haushaltsberatungen erforderlich sind, um dem Gericht den notwendigen materiellen Apparat für seine Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Ursprünglich war mit der Aufnahme der Arbeit zum 1. März 1951 gerechnet worden. Dieser Termin hat sich durch die Schwierigkeiten wegen der Bestimmung des Sitzes, die ihnen ja allen bekannt sind, bisher nicht einhalten lassen.
Unter den einmaligen Ausgaben für die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichtshofes finden Sie beim Kap. E 12 einen Ansatz von 200 000 DM. Diese Mittel sind übertragbar und stehen daher dem Gericht auch im neuen Jahr für seine Einrichtung uneingeschränkt zur Verfügung. Es ist gut, wenn wir sie jetzt schon beschließen. Sie brauchen, weil es sich um einmalige Mittel handelt, nicht jetzt in diesem Jahr verausgabt zu werden. Die Mittel stehen dann eben für die Einrichtung an dem Ort zur Verfügung, der als Sitz des Bundesverfassungsgerichtshofes bestimmt werden wird. Welcher das sein wird, steht dahin; aber die Mittel sind dann halt da. Von diesen 200 000 DM sind vorgeschen 80 000 DM für die erstmalige Einrichtung von Diensträumen und Sitzungssälen, 25 000 DM für die Beschaffung von Schreib-, Druck- und sonstigen Maschinen, 50 000 DM für die Einrichtung der Bücherei, die für jedes hohe Gericht immer ein wesentliches Hilfsmittel seiner Arbeit ist, 24 000 DM für die Einrichtung einer Fernsprechanlage und 21 000 DM für die Beschaffung von Dienstkraftwagen. Dabei handelt es sich um einen Personenwagen und zwei Aktenwagen, die für die Bedürfnisse der Behörde erforderlich sind.
Damit komme ich zum Kap. 3, zum Obersten Bundesgericht. Dieses Kapitel wird als Leertitel geführt, damit wir das Gericht später einmal haushaltsmäßig an der richtigen Stelle einordnen. Es
5124 Deutscher undestag — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1931

(Erler)

ist noch nicht da. Das Oberste Bundesgericht ist zur Wahrung der Einheit des Bundesrechtes bestimmt. Wenn also obere Bundesgerichte in ihrer Rechtsprechung sonst voneinander abzuweichen drohen, muß das Oberste Bundesgericht in einem solchen Falle entscheiden. Seine Organisation wird später durch ein besonderes Bundesgesetz bestimmt. Im Jahre 1950 war das Gericht noch nicht vorhanden. Mit einem unmittelbaren Bevorstehen seiner Einrichtung ist auch noch nicht zu rechnen. Infolgedessen ist dieses Kapitel für das Rechnungsjahr 1950 leer geblieben. Wir müssen uns dann eben später überlegen, wie es beim Haushaltsplan 1951 mit diesem Obersten Bundesgericht zu halten ist.
Zu Kap. 4 — Bundesgerichtshof — ist zu bemerken, daß der Bundesgerichtshof seine Tätigkeit am 1. Oktober 1950 aufgenommen hat. und zwar unserem Beschluß entsprechend in Karlsruhe. Mit dem 30. September 1950 wurde infolgedessen der Oberste Gerichtshof für die britische Zone in Köln aufgelöst. Im wesentlichen ist der Bundesgerichtshof Revisionsinstanz gegen Endurteile der Oberlandesgerichte, soweit es sich um Bundesrecht handelt, und in bestimmten Strafsachen wird er auch erstinstanzlich tätig. Ich erinnere an bestimmte Strafsachen auf dem Gebiet des Hoch- und des Landesverrats. Sie finden Näheres über seine Aufgaben auf den Seiten 2 und 3 des Druckstücks des Einzelplans VII. Dieses Vorwort gibt Ihnen ohnehin einen recht knappen, aber doch präzisen Überblick über die Aufgaben all der Behörden, deren Haushaltsplan wir jetzt zu verabschieden haben.
Bei dem Bundesgerichtshof sind 10 Richter mehr vorgesehen als in dem letztbeschlossenen Stellenplan, den Richtern entsprechend auch mehr Verwaltungspersonal und mehr Wachtmeister. Das hat sich mit dem allmählichen Anlaufen der Tätigkeit in der Revisionsinstanz als unbedingt erforderlich erwiesen. Ich darf darauf hinweisen, daß trotzdem unvergleichlich weniger Personal vorhanden ist als im Jahre 1932 beim damaligen Reichsgericht. Das Reichsgericht hatte 1932, also in einem Jahr großer Sparsamkeit und der Wirtschaftskrise,, 13 Präsidenten und Senatspräsidenten und 89 Richter. Der Bundesgerichtshof hat jetzt 9 Präsidenten und Senatspräsidenten und nur 45 Richter, also nur die Hälfte. Auch bei einem genauen Vergleich mit dem Jahr 1935, für das wir im Haushaltsausschuß über etwas genauere Unterlagen verfügt haben als für das Jahr 1932,, hat sich der Haushaltsausschuß davon überzeugen können, daß bei allen Positionen, und zwar auch beim Verwaltungspersonal, heute wesentlich weniger Stellen als bei dem früheren Reichsgericht ausgebracht sind, und zwar nicht etwa nur in dem Verhältnis weniger, in dem das Bundesgebiet oder die Bevölkerung heute gegenüber dem damaligen Reichsgebiet und seiner Bevölkerung zurückbleibt, sondern darüber hinaus noch weniger.
Auch beim Bundesgerichtshof ist die Trennungsentschädigung um 100 000 DM gekürzt worden, was auf die Mehrzuweisung von Wohnungen zurückzuführen ist. Der Bücherei haben wir 40 000 DM über den ursprünglichen Ansatz hinaus zur Verfügung gestellt, und unter den einmaligen Ausgaben in Kap. E 14 haben wir 15 000 DM mehr angesetzt und den Ansatz auf 125 000 DM erhöht. Es sind insgesamt 21 400 DM für Schreibmaschinen, Vervielfältiger usw. vorgesehen. Ich darf darauf hinweisen, daß hier genau wie beim Bundesverfassungsgericht an Kraftwagen einer für den Präsidenten und sein Personal und zwei Aktenwagen vorgesehen sind.
Nun die Kapitel 4 a und 4 b, die zusammen behandelt werden können. Es handelt sich um das Deutsche Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und die Generalanwaltschaft bei diesem Gericht. Beide sind durch die Proklamation Nr. 8 und die Verordnung Nr. 127 der Militärregierung geschaffen. Beide Einrichtungen werden im Zuge des Aufbaus der Bundesgerichtsbarkeit aufgelöst und abgewickelt. Es fehlt aber bisher noch -der rechtliche Schlußakt der Militärregierung. Sie hat durch ihre Gesetzgebung diese Einrichtungen geschaffen; also müssen diese Gesetze bzw. die Proklamation und die Verordnung noch formell aufgehoben werden, bis auch rechtlich die Einrichtungen aufgehört haben zu bestehen. Der Ansatz für beide Institute ist im wesentlichen dem Jahre 1949 entnommen, nur mit der Ergänzung, daß das Personal selbstverständlich mit dem Schwinden der Aufgaben stark zusammengeschmolzen ist. Der Haushaltsausschuß wünscht, daß die Bemühungen der Bundesregierung auf sofortige Liquidation beider Einrichtungen verstärkt werden. Beide sind in dem Maße, in dem wir eine Bundesgerichtsbarkeit haben, heute völlig überflüssig.
Nun zum letzten Kapitel, 'dem Kap. 5: Bundespatentamt. Das Deutsche Patentamt hat seine Tätigkeit 'am 1. Oktober 1949 in München aufgenommen. Es bearbeitet das Patent-, WarenzeichenGebrauchsmuster- und Geschmacksmusterrecht. Es ist selbstverständlich, 'daß es daher über große technische Abteilungen und Senate verfügt und für den Kern der Behörde über eine Präsidialabteilung, der auch die Verwaltung angegliedert ist. Dem Patentamt — das ist sehr natürlich — steht eine Bibliothek von 300 000 Bänden zur Verfügung, die allein einen ziemlichen Aufwand an Personal für die laufende Unterhaltung und die laufende Verfügbarkeit im Dienste 'des Amtes erfordert. Der Gesamtbehörde sind neben den Senaten allgemeine Dienststellen für den Index, die Patentrolle und die Statistik angegliedert.
Vom haushaltsrechtlichen Standpunkt aus ist für uns wichtig, daß das Patentamt sich selber trägt. Die Gebühren für die gewerblichen Schutzrechte bilden seine Haupteinnahmequelle, und zwar mit 12 713 000 DM in einem Jahr. Das ist ein erheblicher Betrag. Mit der Normalisierung der Tatigkeit des Patentamts steigen die Einnahmen. Hier haben wir aber den Zustand, daß die Einnahmen auch vom Personalbestand abhängig sind. Das Patentamt kann seine Gebühren nur kassieren, wenn es vorher seine Leistungen vollbracht hat, wenn also auch das Personal ausreichend ist. um in kurzer Frist die gestellten Anträge ordnungsgemäß zu bearbeiten. Von dem Aufbau der Dienststellen und dem Personal dieser Dienststellen hängt daher nicht nur die Leistung des Patentamts. sondern auch sein materieller Ertrag für den Haushaltsplan des Justizministeriums ab.
Aus diesem Grunde haben weder der Haushaltsausschuß noch der Bundesrat gegen die Personalaufwendungen des Patentamtes irgendwelche Einwendungen erhoben. Wir sind der Meinung, daß das Personal in dem Umfange tatsächlich erforderlich ist. Zur Zeit sind beim Patentamt 1031 Stellen und 20 zusätzlich abgeordnete Nachwuchskräfte vorhanden. Im Jahre 1932 hat das damalige Patentamt über 1466 Stellen verfügt, also über fast die Hälfte mehr.


(Erler)

An Gesamteinnahmen sind vorgesehen 13 168 000 Mark, an laufenden Ausgaben nur 10 507 000 Mark. Der Überschuß wäre erheblich, wenn nicht jetzt noch ein ziemlicher Investitionsaufwand für die erstmalige Einrichtung des Amtes erforderlich wäre. Wir haben für solche einmalige Ausgaben in diesem Plan eine weitere Summe von 1 555 000 Mark vorgesehen, zusammen also an Ausgaben 12 162 000 Mark. Das bedeutet aber, daß trotz dieser erheblichen Anfangsaufwendungen das Patentamt immer noch einen Überschuß von über 1 Million Mark erbringt.
Ein besonderer Hinweis sei mir auf den Tit. 3 gestattet. Hier hat der Haushaltsausschuß den Betrag um 150 000 Mark für die Abordnung von Nachwuchsbeamten der Länder zum Patentamt eingesetzt, damit rechtzeitig qualifizierter Nachwuchs für dieses Amt, das über eine speziell ausgebildete Fachbeamtenschaft verfügen muß, heran-. gezogen werden kann, und zwar sind hier 10 Stellen des höheren Dienstes und 10 Stellen des gehobenen Dienstes vorgesehen.
Bei Tit. 7 a war es ebenfalls möglich, den Ansatz für die Trennungsentschädigungen infolge der erfreulich starken Zuweisung von Wohnungen um 290 000 Mark zu senken. Beim Patentamt stehen im nächsten Jahr noch hundert Umzüge bevor; dann ist es untergebracht. Das will bei einer Behörde, die immerhin über 1000 Köpfe stark ist, einiges heißen.
Wir wollen auch das Patentamt loben. Es hat bei Kap. E 15, in seinem: einmaligen Haushalt, bei den Baukosten 100 000 DM eingespart. Das ist ein sehr erfreulicher Vorgang, der in der Bundesverwaltung so einmalig ist, daß er an dieser Stelle nicht verschwiegen werden soll. Er hat das Wohlwollen des Haushaltsausschusses hervorgerufen.

(Bravo! in der Mitte und rechts.)

Bei Tit. 30 sind für Reisen in das Ausland 30 000 DM vorgesehen. Hierunter befinden sich auch Reisen nach Washington. Von dort her erwarten wir eine Gabe an Prüfmaterial, das für die Arbeit des Amtes außerordentlich wichtig ist. Außerdem müssen Reisen nach Den Haag unternommen werden, wo Deutschland bei den internationalen Patentbesprechungen wieder eine große Rolle spielt. Außerdem nimmt das deutsche Bundespatentamt an den Vorbereitungen für die Schaffung eines europäischen Patentamtes sehr aktiv teil.
Das Patentamt wird in seinem Aufbau — wie viele andere größere Behörden, die wir neu eingerichtet haben — zweifelsohne durch den Bundesrechnungshof überprüft werden müssen. Der Haushaltsausschuß hat sich der Meinung der Verwaltung angeschlossen, daß diese Überprüfung erst dann möglich ist, wenn über die Einführung des Vorprüfverfahrens, das vorläufig ausgesetzt ist, endgültig entschieden ist; denn davon hängen in entscheidendem Umfange der Aufbau und die Organisation der gesamten Behörde ab. Aber für das normale Verfahren bei der Erteilung gewerblicher Schutzrechte sollte das Vorprüfverfahren eigentlich wieder angewandt werden.
Damit ist der sachliche Teil meines Berichtes beendet.
Ich komme nun zum Antrage des Haushaltsausschusses. Er ist ergänzt worden. Ich bitte Sie, nicht nur die Drucksache Nr. 1908 zur Hand zu nehmen, sondern auch zu beachten, daß die Drucksache durch den Umdruck Nr. 99 berichtigt worden ist. Der Haushaltsausschuß bittet Sie also, zu beschließen:
die Anlage Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz für das Rechnungsjahr 1950 — mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113300600
Ich danke dem Herrn Berichterstatter sehr für seinen Bericht.
Meine Damen und Herren! Vor Beginn der Aussprache weise ich darauf hin: es ist ein Umdruck Nr. 146 mit einem Änderungsantrag der Fraktion der SPD verteilt worden, im Stellenplan das Referat IV/7 wiederherzustellen. Der Stellenplan liegt Ihnen allen, soweit Sie dem Haushaltsausschuß nicht angehören, nicht vor.

(Abg. Schoettle: Der Antrag bezieht sich ja auf das Innenministerium, Herr Präsident! — Weitere Zurufe.)

— Ich bitte um Entschuldigung, meine Damen und Herren; jawohl, er bezieht sich auf das Innenministerium. — Es würde da allerdings die gleiche Frage auftauchen, ob wir überhaupt über den Stellenplan beschließen, der nicht Inhalt des Beschlusses des Bundestages ist, und ob nicht irgendein Niederschlag in dem von uns zu fassenden Beschluß bei der Vorlage hinsichtlich der aufsteigenden Gehälter erfolgen müßte. Aber das können wir später klären.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0113300700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Behandlung meines Haushalts benutzen, um Ihnen in Kürze über die Arbeiten und über die Aufgaben meines Ministeriums zu berichten. Der Herr Abgeordnete Erler hat Ihnen die Überzeugung des Haushaltsausschusses vermittelt, daß der Stellenplan meines Ministeriums sehr sparsam aufgestellt ist. Wenn überhaupt in einem Ministerium, dann kommt es in dem meinen auf die Qualität der Mitarbeiter an.

(Lachen bei der KPD.)

Ein Justizministerium muß eine Gemeinschaft von Könnern sein.

(Zuruf von der SPD: Sollte es sein!)

Mir steht gewissermaßen als verpflichtendes Vermächtnis das vor Augen, was jemand, der es erfahren hat, nämlich der frühere Reichsjustizminister Dr. Gustav Radbruch, vom Reichsjustizministerium berichtet hat. Er hat es dargestellt als eine Bauhütte von Handwerkern und von Künstlern der Gesetzgebung, als eine Stätte der höchsten Objektivität, in der es eben nur eine Leidenschaft geben solle, nämlich die heiße Hingabe an das Recht.
Aber, meine Damen und Herren, es ist schwerer, als man meint, diesen Stab von Mitarbeitern zu bekommen. Das Reservoir an hochwertigen Kräften ist gering geworden, und man muß auch beifügen: die Neigung der Menschen, die dafür in Frage kommen, hierher nach Bonn in die Zentralbehörden, die man nicht ohne Grund als „Nervenmühlen" bezeichnet, zu gehen, ist geringer, als man erwarten sollte, auch schon deswegen, weil diese Übersiedlung für manche ein erhebliches wirtschaftliches Opfer bedeutet. Das Bundesjustizministerium verfügt auch nicht über Mittel- und Unterinstanzen, sondern ist darauf angewiesen, daß die Landesjustiz-


(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

verwaltungen ihre Kräfte zur Verfügung stellen; und diese sind oft nicht gewillt, gerade ihre besten Leute herzugeben.

(Abg. Mellies: Besonders nicht hierher!)

Es war für mich vor allem sehr schwierig, die Vorschrift des Art. 36 des Grundgesetzes zu erfüllen, nämlich Beamte aus allen Ländern in angemessenen Verhältnis zu verwenden, besonders deswegen, weil ich das Zentraljustizamt in Hamburg und ferner das Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt übernommen habe, Ämter, die beide landsmannschaftlich — na, ich darf wohl sagen, etwas einseitig zusammengesetzt waren, und weil sich — das möchte ich doch auch einmal sagen — Beamte aus süddeutschen Ländern seltener zur Verfügung stellen, als es der Idee und der Verpflichtung des Föderalismus entspräche.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Häufig streben diese süddeutschen Beamten auch zu bald wieder in ihre Heimat zurück. Aber ich darf glauben, daß es uns trotz dieser besonderen Schwierigkeiten, die dem Aufbau und dem Ausbau meines Ministeriums entgegenstanden, gelungen ist, im wesentlichen den vielfältigen Aufgaben, die an mich herangetreten sind, gerecht zu werden.
Ich halte das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts, das am 1. Oktober vorigen Jahres in Kraft getreten ist und das seit dem 1. Januar dieses Jahres auch für Berlin gilt, für einen Meilenstein auf dem Wege zur Rechtseinheit, zur Rechtssicherheit und vielleicht auch zur Rechtserneuerung. Wir haben erreicht, daß für die ordentliche Gerichtsbarkeit wieder ein einheitliches Verfahrensrecht gilt, das von dem Gestrüpp der Kriegszeit und der Nachkriegszeit befreit ist. Alle Praktiker, Anwälte, Richter und Staatsanwälte, erkennen diese Neuerung als wertvoll, als eine fühlbare Erleichterung ihrer Arbeit an. Aber dieses Gesetz stellt nur ein Fundament dar, auf dem die sehr wichtigen und für unsere Rechtsentwicklung bedeutsamen Reformarbeiten weitergetrieben werden müssen. Insbesondere wird eine Neugestaltung der GerichtsverFassung nicht zu umgehen sein, ein Ziel, das i a dann zwangsläufig auch zu Änderungen der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung führen muß.
Dieses Vereinheitlichungsgesetz hat, wie der Herr Abgeordnete Erler Ihnen schon dargestellt hat, als Nachfolger des Reichsgerichts den Bundesgerichtshof in Karlsruhe geschaffen und damit der ordentlichen Gerichtsbarkeit wieder die um der Rechtseinheit und um der Rechtssicherheit willen notwendige oberste Spitze gegeben. Wir waren uns von Anfang an der Schwierigkeiten der Aufgabe bewußt, dieses anspruchsvolle verletzliche Institut eines obersten Revisionsgerichtes wieder zu schaffen. Diese Schwierigkeiten sind auch aufgetreten. Die Bildung des Richterkorps hat sich verzögert, und es ist leider nicht so, wie es der Herr Abgeordnete Erler unterstellt hat, daß dieses Gericht erst allmählich anläuft. Es mußte ja sofort die Erbschaft des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone übernehmen.
Man muß schon sagen: es ist eine Flut von Arbeit an dieses Gericht herangekommen. Ich will Ihnen nur einige Zahlen nennen. Die Revisionen in Strafsachen haben im November 120 und jetzt im Februar schon 414 betragen, die Revisionen in Zivilsachen im November 484, jetzt im Februar schon 674. Dazu kommen jetzt noch die Revisionen von Berlin rückwirkend vom 1. Januar dieses Jahres an. Also eine gewaltige Arbeitsfülle!
Ich werde von der Möglichkeit, die mir in § 130 des neugefaßten Gerichtsverfassungsgesetzes eingeräumt worden ist, Gebrauch machen und möglichst rasch in Berlin einen detachierten Strafsenat des Bundesgerichtshofes errichten. Dafür ist allerdings wieder ein kleiner Stab von Richtern — ein Senatspräsident, mindestens sechs Bundesrichter, ein Bundesanwalt und die Hilfsstellen — erforderlich.
Ich muß auch jetzt schon darauf hinweisen, daß sich mit der Errichtung des Bundesverfassungsgerichts höchstwahrscheinlich die Notwendigkeit einer Erhöhung der Richterzahl am Bundesgerichtshof ergeben wird; denn die Richter, die vom Bundesgerichtshof als Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt werden, werden für den Bundesgerichtshof ausfallen, und es wird nicht zu umgehen sein, daß die Planstellen dann wieder ergänzt werden. Auf jeden Fall: so wie die Dinge augenblicklich liegen, kann der Bundesgerichtshof seine Aufgabe nicht so erfüllen, wie wir es wünschen. Ich nehme an, daß Klagen über die Verzögerung seiner Arbeit auch schon an Sie herangetragen worden sind. Diese werden erst verstummen, wenn wir die Ihnen eben vorgetragene Ergänzung der Planstellen geschaffen haben. Der Rechtsschutz des Bürgers ist erst dann gewährleistet, wenn nicht nur mit einer gründlichen und hochwertigen, sondern auch mit einer raschen Erledigung der anhängigen Verfahren gerechnet werden kann. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mein Bemühen, diesen Rechtsschutz wirksam zu machen und zu stärken, unterstützen wollten.
Zu den für die Praxis wichtigen Gesetzen, die in meinem Ministerium bearbeitet worden sind — ich darf Ihnen einige nennen — und besonders der Vereinheitlichung, Säuberung und Vereinfachung der unübersichtlich und verworren gewordenen Rechtsgebiete dienen, gehören das handelsrechtliche Bereinigungsgesetz, das Gesetz über die Neuordnung des Verschollenheitsrechts, das Gesetz, das das Verjährungsrecht ergänzt und vereinheitlicht, das Gesetz über die Anerkennung von Nottrauungen, das Gesetz über die Anerkennung von freien Ehen rassisch und politisch Verfolgter.
Aus der Arbeit meiner wirtschaftsrechtlichen Abteilung gehören hierher das D-Mark-Bilanzgesetz, das Gesetz über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien, die teilweise überaus komplizierte Verhältnisse rechtlich klären und ordnen mußten, dann der Abschluß der Gesetzgebung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes.
Das für unser Verfassungsrecht wohl wichtigste Gesetz war das von Ihnen erst vor einigen Wochen verabschiedete Bundesverfassungsgerichtsgesetz, das hier bei der Behandlung eine eingehende Würdigung gefunden hat. Seine Bedeutung für unser Verfassungsleben kann wohl kaum überschätzt werden. Es wird in diesen Tagen verkündet werden. Ich habe immer geglaubt, ich könnte die Verkündung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes verbinden mit der Verkündung der beiden anderen notwendigen Gesetze, die nach Ihrer Entscheidung ausgesprochene Sondergesetze geworden sind, nämlich des Besoldungsgesetzes für die Richter am Bundesverfassungsgericht und des Gesetzes über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts. Mit der Verkündung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes beginnen einige wichtige Ausschlußfristen zu laufen. Das Gericht kann aber unmöglich schon mit der Verkündung, mit dem Inkrafttreten des Ge-


(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

setzes seine Tätigkeit aufnehmen; die Richter müssen gewählt, die notwendigen sächlichen Mittel beschafft, die Räume für das Gericht geschaffen werden. Alle diese notwendigen Maßnahmen sind zwar vorbereitet, aber die Durchführung hängt davon ab, daß Sie, meine Damen und Herren, das Gesetz über den Sitz des Gerichtes verabschieden, und zwar möglichst rasch. Gerechnet von diesem Zeitpunkt ab, in dem der Sitz bestimmt ist, wird man wohl etwa drei Monate rechnen müssen, bis das Bundesverfassungsgericht funktionsfähig ist. Ich wäre Ihnen zu besonderem Danke verpflichtet, wenn Sie die Entscheidung über den Sitz des Bundesverfassungsgerichtes möglichst umgehend fällen wollten.
In diesem Zusammenhang darf ich eine andere Bitte wiederholen, die ich schon vor Wochen ausgesprochen habe, mir Vorschläge für die Bundesverfassungsrichter zu übermitteln. Nach § 3 des Gesetzes können solche Vorschläge nur von den Fraktionen des Bundestags, von der Regierung und von den Länderregierungen gemacht werden. Ich bin dann gehalten, diese Vorschläge in eine Liste aufzunehmen und sie den Wahlkörperschaften zuzuleiten.

(Abg. Dr. Greve: Und den Mitgliedern des Richterwahlausschusses!)

— Ja, aber ich kann diese Vorschläge nicht in die Liste aufnehmen, solange sie nicht gemacht sind; sie können erst bei den Beratungen der Wahlkörperschaften behandelt werden. Ich darf also nochmals die Bitte aussprechen, mir die Vorschläge für dieses sehr hohe Amt in unserer Demokratie möglichst bald zu machen. _
Ein Gesetz, dem ich für die Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den nächsten Jahren Bedeutung beimesse, ist das Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht, dessen Fassung in meinem Ministerium entstanden ist. Es war bisher nur einem verhältnismäßig kleinem Teil unseres Volkes möglich, das eigene Heim zu Eigentum zu erwerben. In Zukunft kann praktisch jeder mit den gleichen Mitteln, die er bisher für die Miete aufgewendet hat, seine Wohnung zu Eigentum erwerben.
Auf dem Gebiete des Strafrechts ist das Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 zu erwähnen, besonders bemerkenswert wegen der Bejahung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf diesem Gebiet, wichtig auch für die künftige Strafverfahrensreform wegen des Experiments des objektiven Feststellungsverfahrens bei Beleidigungen, eines nach meiner Überzeugung im wesentlichen gelungenen Experimentes.
Weiter darf ich das nach meiner Ansicht für die Sicherung der Existenzgrundlagen unseres Staates außerordentlich wichtige und dringende Strafrechtsänderungsgesetz erwähnen, das zur Zeit bei Ihrem Rechtsausschuß liegt und dessen baldige Verabschiedung mir eine Sorge ist. Weiterhin erwähne ich den Entwurf eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und eines Wirtschaftsstrafgesetzes, der heute von Ihnen in erster Lesung zu behandeln ist. Ich glaube, daß das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten einen Versuch der Scheidung zwischen kriminellem Unrecht und Verwaltungsunrecht, der im alten Wirtschaftsstrafgesetzbuch begonnen wird, systematisch und wirksam weiterführt.
Damit Sie einen Überblick über die Tätigkeit meines Ministeriums bekommen können, darf ich vielleicht noch kurz das Gesetz zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt, das Gesetz über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse, das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Schiffsregister, das Gesetz über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei Immobiliarzwangsvollstreckungen und das Gesetz über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen erwähnen.
Im vergangenen Jahr ist das Bundesjustizministerium in ganz außerordentlichem Umfange auf einem Rechtsgebiet beschäftigt worden, das in Zukunft nach der Errichtung des Auswärtigen Amtes wenigstens zum Teil dort bearbeitet werden wird. Ich meine die sehr vielfältigen Fragen der Überleitung der besatzungsrechtlichen Vorschriften in das deutsche Recht, die Vorarbeiten und Untersuchungen mit dem Ziele der Lockerung und Ersetzung des Besatzungsstatuts, die Mitwirkung an den Verhandlungen des Schuman-Plans, die Prüfung der Rechtsfragen über den Beitritt zum Europarat, die mit der Unterzeichnung der Konvention über die Menschenrechte zusammenhängen.
Das Schwergewicht meines Ministeriums lag auf dem Gebiete der Gesetzgebung. Aber auch seine Verwaltungstätigkeit ist, wie Sie aus dem Bericht des Herrn Abgeordneten Erler entnommen haben, nicht gering. Sie ist allerdings beschränkt, und es besteht ein Anlaß, daß ich auf diese Beschränkung hier einmal hinweise, weil die Gerichte mit Ausnahme der oberen Bundesgerichte grundsätzlich Ländergerichte sind, so daß mir als Bundesjustizminister hier insoweit jede Dienstaufsicht, jeder irgendwie geartete Einfluß auf die Personalpolitik und die Verwaltungszuständigkeit fehlt. Wenn daher an die Presse und auch in täglichen Eingaben an mich Anregungen, Beschwerden wegen gewisser Vorgänge in Strafverfahren, wegen des Strafvollzuges, auf gnadenweisen Erlaß von Freiheits- oder Geldstrafen, auf Einschreiten gegen Richter einlaufen, so ist das ein völliges Verkennen meiner Zuständigkeit. Der Bundesjustizminister ist in diesen Fällen ein völlig einflußloser Mann. Er kann nichts anderes tun als diese Eingaben an die Länderjustizverwaltungen weiterleiten.
Die bedeutsamste Verwaltungszuständigkeit, die ich habe, hat der Herr Abgeordnete Erler stark unterstrichen. Das ist der Aufbau des Bundespatentamtes in München und die Ausübung der Dienstaufsicht über diese Behörde. Der Aufbau ist im wesentlichen abgeschlossen. Das Bundespatentamt ist in einem Teil des Deutschen Museums in München untergebracht. Eine Zweigstelle ist in Berlin errichtet worden in einem Teil der Räume des alten Reichspatentamtes. Das Bundespatentamt ist zur Zeit die größte Bundesoberbehörde — Sie haben die Zahlen gehört — mit 1187 Planstellen, 1051 in München und 136 in der Dienststelle in Berlin. Die Arbeit des deutschen Patentamtes ist über Erwarten gut angelaufen; ich habe deshalb die Absicht, spätestens im nächsten Jahr die gegenwärtige Beschränkung auf dem Gebiete der Neuheitsprüfung aufzuheben und zu dem alten und bewährten amtlichen Vorprüfungsverfahren, das, ich darf es wohl sagen, den Ruf des alten deutschen Reichspatentamtes begründet hat, wieder zurückzukehren, ein Wunsch, der besonders auch von seiten der Erfinder fortgesetzt an mich herangetragen wird.
Sie haben aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Erler auch gehört, daß wir nicht nur durch das Bundespatentamt, sondern auch durch die Herausgabe des Bundesgesetzblattes und des
5128 Deutscher Bundestag — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 19t1

(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

Bundesanzeigers finanziell und geschäftlich gut abschneiden. Es ist, darf ich wohl sagen, mit völlig neuen Mitteln in sehr kurzer Zeit gelungen, die Gesetze und die Verordnungen mit der gleichen Genauigkeit und Raschheit, mit derselben technischen Vollkommenheit zu publizieren, wie wir das früher beim Reichsgesetzblatt und beim Reichsanzeiger gewohnt waren.
Ein gewaltiges Stück Arbeit ist in meinem Ministerium im letzten Jahr entsprechend einem Beschluß dieses Hohen Hauses auch in der Rechtsschutzstelle geleistet worden, die meinem Ministerium organisch eingegliedert worden ist. Diese Rechtsschutzstelle betreibt die Sammlung der Nachrichten, der Unterlagen über die noch immer in der Sowjetunion und in den kommunistischen Staaten des Ostens und Südostens Europas zurückgehaltenen Kriegsgefangenen, über das Schicksal der Vermißten, der in jenen Staaten verurteilten und inhaftierten Deutschen.

(Zuruf von der KPD.)

Sie arbeitet an einer sehr gründlichen Dokumentation über diese — ich darf es vielleicht so nennen — Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die auch für die internationale Behandlung dieser Frage von Bedeutung sein wird. Die Rechtsschutzstelle leiht daneben ihre Hilfe den zahlreichen ehemaligen deutschen Wehrmachtsangehörigen, die in ausländischen Staaten wegen Handlungen oder Unterlassungen im Zuge der Besetzung der fremden Länder in Untersuchungshaft sitzen oder verurteilt wurden. Sie vermittelt Auskünfte, sie bemüht sich um Beweismaterial, sie sorgt für die Rechtsberatung der Angeklagten und stellt ihnen im Rahmen des Möglichen geeignete Verteidiger. Ich glaube, das ist ein Stück praktischen Kampfes geien die Legende von einer deutschen Kollektivschuld.
Dann befassen wir uns mit einer sehr umfangreichen und zeitraubenden Arbeit, deren Ergebnis für alle Zentralbehörden, für die gesetzgebenden Organe des Bundes und der Länder und auch für die Wissenschaft von Bedeutung sein wird, nämlich mit der Überprüfung und mit der Sichtung des Gesamtbestandes des alten Reichsrechts und auch des nach 1945 erlassenen Rechtes, der Gesetze und Verordnungen, mit dem Ziele einer Bestandsaufnahme des gesamten als Bundesrecht fortgeltenden Rechtes aus der Zeit vor und nach 1945.
Parallel damit geht die Sammlung aller vom deutschen Recht abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge und die Untersuchung, inwieweit sie noch fortgelten oder inwieweit sie einer Erneuerung bedürfen.
Damit habe ich in großen Zügen den Kreis der Aufgaben und Arbeiten umschrieben oder wenigstens angedeutet, auf denen das Bundesjustizministerium federführend ist. Dazu ist ein umfangreiches und in reiner rechtspolitischer Bedeutung nicht leicht abschätzbares Arbeitsgebiet getreten. Durch einen Beschluß des Kabinetts ist das Justizministerium mit der Überprüfung aller Gesetz-und Verordnungsentwürfe der übrigen Bundesministerien auf ihre Rechtsförmlichkeit und ihre materielle Vereinbarkeit mit dem übrigen Recht und mit dem Grundgesetz beauftragt worden. Bei der Fülle der Entwürfe, die seit Beginn der gesetzgeberischen Arbeit von der Bundesregierung vorgelegt wurden, war die damit verbundene Arbeit sehr erheblich. Sie kommt aber, so hoffe ich, der Gesetzestechnik und der Gesetzessprache zugute. Sie fördert die Entwicklung einheitlicher Grundsätze über die Auslegung des Grundgesetzes. Dieser Beschluß, das Bundesjustizministerium in diesem Sinne zum Rechts ministerium innerhalb der Regierung zu machen, stellt — so sehe ich es — einen erheblichen Fortschritt auf dem Wege zur Verwirklichung des Rechtsstaates dar. — Soviel über die Vergangenheit.
Ich darf Ihnen nun einiges über die nächsten Aufgaben meines Ministeriums, also über den Arbeitsplan der nächsten Jahre, sagen. Ich habe Ihnen die in meinem Ministerium entstandene Denkschrift zum Problem der Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des Familienrechtes zugeleitet. Sie ersehen daraus, daß ich die Verwirklichung der Forderung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes nach Gleichberechtigung von Mann und Frau als vordringlich behandele. Auf dem Gebiete des ehelichen Güterrechts, der gegenseitigen Unterhaltspflicht der Ehegatten, auch hinsichtlich der Frage, inwieweit Mann und Frau in der Ehe den andern Teil in Rechtsgeschäften verpflichten können, wird sich die gerade hier in die Augen springende Benachteiligung der Frau verhältnismäßig leicht beseitigen lassen.
Wesentlich schwieriger wird es dagegen sein, über den Inhalt und die Tragweite des Begriffes der Gleichberechtigung im Eherecht im engeren Sinne Einverständnis zu erzielen. Hier wird zu klären sein, inwieweit sich aus dem Wesen der Ehe Folgerungen für die Konkretisierung des Satzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" ergeben. Es wird aber auch, nachdem es inzwischen wohl allgemeine Überzeugung geworden ist, daß Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes keine mechanische Gleichmacherei fordert, sondern Gleichberechtigung unter Beachtung der natürlichen Verschiedenheit von Mann und Frau, sehr sorgfältig und gewissenhaft im einzelnen zu prüfen sein, in welcher Weise und in welchem Umfang die Verschiedenheit der Geschlechter sich auch in der vom Grundgesetz geforderten neuen rechtlichen Ordnung des Instituts der Ehe durch die Anerkennung besonderer Rechte und Pflichten des Mannes und der Frau äußert. Die Fragen sind überaus schwierig. Ich habe es deshalb lebhaft begrüßt, daß sich Mitglieder dieses Hohen Hauses zu einem Ausschuß vereinigen wollen, der mir bei der weiteren Arbeit auf diesem Gebiete der Erneuerung des Familienrechts beratend zur Seite steht.
Möglichst bald will ich Ihnen, meine Damen und Herren, den Entwurf einer neuen Rechtsanwaltsordnung vorlegen. Die alte Reichsrechtsanwaltsordnung ist teilweise wegen ihrer nationalsozialistischen Tendenz, teilweise aber auch infolge der seit 1945 entstandenen Rechtsverschiedenheit dringend erneuerungsbedürftig.

(Abg. Dr. Greve: Die hätte schon lange vorliegen sollen!)

Das Prinzip der freien Advokatur hat unseren Anwaltsstand groß gemacht. Deshalb bin ich der Meinung, daß es einen numerus clausus in Zukunft nicht geben darf. Voraussetzung für die Zulassung muß und darf nur sein die fachliche Eignung, die nachgewiesen wird durch die erfolgreiche Ablegung der beiden juristischen Staatsprüfungen, die auch die Befähigung zum Richteramt verleiht. Der Stand des Rechtsanwaltes muß das Recht der Selbstverwaltung besitzen. Daraus kann aber, möchte ich meinen, nicht gefolgert werden, daß die Standesorganisation selbst über die Zulassung oder Nichtzulassung entscheidet: Diese Entscheidung muß aus mehrfachen Gründen in der Hand der


(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

1 Justizverwaltung liegen. Die anwaltschaftlichen Ehrengerichte, die ein unentbehrliches Attribut der Selbstverwaltung sind, werden getrennt und unabhängig von dem Selbstverwaltungsorgan des Berufsstandes errichtet werden müssen und ihre Spitze, insbesondere für die schweren Dienststrafen des Berufsverbotes und der Zurücknahme der Zulassung, in einem Ehrengerichtshof haben müssen, der zugleich die Qualitäten eines obersten staatlichen Gerichtes besitzt.
Ich habe Ihnen damit einige der Probleme angedeutet, die mir für die Erneuerung des Rechtes des Anwaltstandes von besonderer Bedeutung zu sein scheinen. Mein Ziel ist es, mit der neuen Bundesrechtsanwaltsordnung die Grundlage für einen beruflich ausgezeichneten, charakterlich hochwertigen, freiheitlichen, mutigen, mit Selbstzucht und Verantwortung gegenüber dem Recht arbeitenden Anwaltstand zu schaffen, der sich als wichtiges, ich sage: als unentbehrliches Organ der Rechtspflege fühlt und bewährt.

(Beifall.)

Parallel mit den Arbeiten an der Rechtsanwaltsordnung laufen bei mir die Arbeiten an einem Richtergesetz. Es wird nach meiner Vorstellung die Rechtsstellung der Richter aller Gerichte, nicht nur der ordentlichen, sondern auch der Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, nicht allein der Bundesrichter, sondern — in Rahmenvorschriften — auch der Landesrichter regeln. So wird dieses Gesetz ein sichtbares Zeichen der Einheit der rechtsprechenden Gewalt in unserem Staate sein. Ich möchte mit diesem Gesetz aber mehr erreichen. Ich möchte darin die Grundlage schaffen für die Entwicklung eines neuen Richtertyps; richtiger wäre es, zu sagen: die Grundlage für die Verwirklichung des Richtertyps, den alle unsere guten Richter anstreben, aber augenblicklich aus Gründen, die außerhalb ihrer Kraft und außerhalb ihrer Verantwortlichkeit liegen, nicht erreichen können. Ich will den im vollen Sinne des Wortes allseitig gebildeten Richter, die in sich gefestigte Richterpersönlichkeit mit dem wachen Sinn für das Leben, für dieses so mühselige, harte, drängende und verzehrende Leben unseres Volkes, mit dem Verständnis für die Nöte und die Bedürfnisse des einzelnen und der Gemeinschaft, mit dem Willen, zu helfen, mit der Aufgeschlossenheit gegenüber den sozialen, wirtschaftlichen, politischen und geistigen Fragen unserer Zeit, aber auch mit dem unbestechlichen Blick für das Richtige und Gerechte und mit der Standhaftigkeit, die allein die innere Freiheit, Unbefangenheit und Unabhängigkeit bewahren, auch wenn sie von außen bedroht wird.
Meine Damen und Herren! Dieser Richter gedeiht nicht, wenn er in Arbeit erstickt, besonders wenn ihm angesichts der Dürftigkeit der Justizetats unserer Länder die primitivsten Voraussetzungen zur Arbeit fehlen, wenn er weder Zeit noch Mittel hat, um sich zu bilden, wenn er — man muß das schon sagen — in beschränkten Verhältnissen verkümmert. Nach meiner Meinung müssen deshalb im Richtergesetz Wege gefunden werden, um den Richter in seiner Stellung zu heben, ihn freier zu machen. Dazu wird es nötig sein, den Richter von allen ihrer Natur nach nicht richterlichen Aufgaben zu befreien, die Richtergeschäfte, auch die Zahl der Richter und der Gerichte zu vermindern und die Versorgung der Richter fühlbar zu verbessern.
In diesem Zusammenhang wird man sich überlegen müssen, ob nicht der Instanzenzug in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vereinfacht werden kann. Mir schwebt als Endziel die Dreiteilung des
Rechtszuges vor: das Tatsachengericht des ersten Rechtszuges mit dem Einzelrichter, die Berufungsinstanz auch als Tatsachengericht mit Kollegialverfassung und darüber das Rechtsrügegericht. Wir müssen auf, jeden Fall auch überlegen, ob durch die Beseitigung kleiner und kleinster Amtsgerichte etwas gewonnen werden kann. Wir müssen prüfen, welche Geschäfte, die bis jetzt den Richtern obliegen, im einzelnen in die ausschließliche Zuständigkeit der Rechtspfleger verwiesen werden können.
Es geht, meine Damen und Herren, nicht um den Richter. Es geht um das Recht, um die Rechtspflege, um den wirksamen Rechtsschutz des einzelnen Staatsbürgers, der doch gerade von der Güte des Richters, dieses Vertreters eines Urberufes der Menschheit, abhängt. Im Hintergrund steht — das ist mein persönlicher Wunsch — das Streben nach der Einheit der Rechtsprechung, nach d e m Gericht, vor dem das Volk sein Recht suchen kann. Es wäre deswegen aus mehrfachem Grunde richtig, sämtliche Zweige der rechtsprechenden Gewalt verwaltungsmäßig schon jetzt an einer Stelle, zwangsläufig beim Justizministerium zusammenzufassen.
In diesem Zusammenhang ist es mir ein Bedürfnis, an diesem Platz ein Wort für den deutschen Richter zu sagen. Er erweist sich — so gut wie ausschließlich — als ein pflichteifriger, kenntnisreicher und unparteiischer Diener des Rechts, der unser Vertrauen und unseren, Dank verdient.
Die Tätigkeit unserer Gerichte findet in der Presse zunehmend Verständnis. Nach meinen Feststellungen ist das Zusammenwirken zwischen Justiz und Presse ein durchaus fruchtbares geworden.
Dem ersten Strafrechtsänderungsgesetz, das noch von Ihnen beraten werden wird, soll möglichst bald ein zweites Strafrechtsänderungsgesetz folgen. das Lücken des Strafrechts schließen soll, die auf Grund der Entwicklung — teilweise bedrohlichen Entwicklung — der Kriminalität sichtbar geworden sind, das Überspanntheiten im Strafmaß, die vor 1945 hineingekommen sind, und Unklarheiten und Zweifel, die durch die Rechtsprechung und durch die Gesetzgebung nach 1945 entstanden sind, beseitigen soll.
Daran muß sich die allgemeine Reform unseres Strafrechts anschließen. Meine Damen und Herren! Es ist meine Überzeugung, daß eine Fülle von Problemen des Strafrechts neu durchdacht werden muß.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Mein Ministerium wird nach der Beendigung dieses zweiten Strafrechtsänderungsgesetzes sofort an diese Arbeit gehen und wird sich dabei auf das reichliche Material der früheren Strafrechtsreformarbeiten stützen können. Das Ergebnis dieser Arbeit wird sodann mit den Länderjustizverwaltungen besprochen werden. Ich werde mir dann darüber schlüssig werden müssen, ob es erforderlich ist, dann noch einmal — wie es einem angekündigten Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei entspricht — einen besonderen Reformausschuß einzusetzen.
Das reformbedürftige Gebiet des Jugendstrafrechts einschließlich des Jugendgerichtsgesetzes ist bereits Gegenstand der Überprüfung mit dem Ziel, eine Gesetzesvorlage zu erstellen, in der nicht nur das Strafverfahren vor den Jugendgerichten erneuert, sondern auch das materielle Jugendstrafrecht weiterentwickelt wird. Die von dem Abgeordneten Erler erwähnten Arbeiten über die Einführung des sogenannten Probationsverfahrens


(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

sind auch ein Teil dieser Arbeiten. Weiterhin hoffe ich, daß sich auch meine Überlegungen über die Verbesserung des Strafvollzugs bald zu einer Gesetzesvorlage verdichten können.
Das Auslieferungsrecht muß uns sehr bald beschäf Ligen. Die Praxis des letzten Jahres hat ergeben, daß das deutsche Auslieferungsgesetz in verschiedenen Punkten nicht mehr mit dem Recht des Grundgesetzes zu vereinbaren ist und deswegen erneuert werden muß. Dazu wird eine Reihe von Rechtshilfeverträgen mit fremden Staaten kommen, die Ihnen nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes als Bundesgesetze dann zur Verabschiedung vorgelegt werden.
Ein sehr wichtiges Gesetz für den Rechtsschutz des Bürgers gegenüber Eingriffen in seine persönliche Freiheit wird das Gesetz zur Ausführung des Art. 104 des Grundgesetzes sein, das in seinen Grundzügen schon fertiggestellt ist. Ich darf auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wehner, die er am vergangenen Freitag an dieser Stelle gemacht hat, Bezug nehmen. Er hat gerügt, daß ein Beschluß des Bundestags vom 14. September 1950 noch nicht ausgeführt worden sei, in dem verlangt wurde, daß gegen alle Personen, die an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der sowie-tischen Besatzungszone beteiligt sind, im Gebiete der Bundesrepublik Strafverfolgung eingeleitet wird und daß gegen alle Personen vorgegangen wird, die im Auftrag und im Sinne der auf Gewalthandlungen abzielenden Beschlüsse des dritten Parteitages der kommunistischen SED und des sogenannten Nationalen Kongresses wirken. Ich darf darauf hinweisen, daß die hier umschriebenen Aufgaben zum Teil in dem Strafrechtsänderungsgesetz, zum Teil in dem Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit behandelt worden sind, das besonders die Tatbestände der Denunziation und der Verschleppung behandelt. Das Gesetz wird in der nächsten Zeit eingebracht werden. Die Verzögerung ist nicht von mir verschuldet; sie hat sich dadurch ergeben, daß das Gesetz selbstverständlich mit Berlin abgestimmt werden mußte.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß die Vereinheitlichung, Vereinfachung und Bereinigung des überaus unübersichtlich gewordenen Rechts der Zwangsvollstreckung mir ebenfalls eine dringliche Angelegenheit ist.
Sie sehen aus der Fülle des Stoffes, welche Arbeitsgebiete mir obliegen. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit vielleicht noch einen Augenblick in Anspruch nehmen, weil es sich wirklich um bedeutsame Materien handelt, die im übrigen besonders auch auf dem Gebiete des Wirtschaftsrechts von mir zu erfüllen sind. Hier darf ich auf meine Arbeiten an einem Antimonopolgesetz, das den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung verhüten soll, gerade wegen seiner Bedeutung für die Wirtschaftspolitik und für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit hinweisen.
Die Neuordnung des Rechts der Arbeitnehmererfindungen ist vorbereitet und wird bald in den Gesetzgebungsgang kommen. Ich denke auch an die Erneuerung des Urheberrechts. Einen besonderen Raum nehmen dann die Bemühungen ein, im Laufe des kommenden Jahres auf dem Gebiete des Urheberrechts den Anschluß an die internationalen Übereinkünfte zu finden. So sind insbesondere die Vorarbeiten im Gange, die in Kürze den Beitritt Deutschlands zu der 1947 in Brüssel revidierten Fassung der internationalen Berner Übereinkunft ermöglichen sollen.
Von Bedeutung wird auch die Reform des Aktienredits sein. Das Aktienrecht von 1937 wird in dieser Gestalt nicht weiter bestehen können. Es wird auch zu überlegen sein, inwieweit es mit der heutigen Wirtschafts- und Rechtsauffassung noch in Einklang steht und inwieweit es mit dem übrigen Gesetzgebungswerk dieses Hauses in Einklang zu bringen ist.
Eine Reform des Aktienrechts wird zwangsläufig eine Erneuerung des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach sich ziehen. Auch das Genossenschaftsgesetz bedarf in einzelnen Punkten der Reform.
Aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen ist von mir weiterhin eine Neufassung des Handelsvertreterrechts ins Auge gefaßt, eine Materie, die im Ausland schon längst eine Kodifizierung gefunden hat, während in Deutschland zwei Weltkriege den Abschluß der Arbeiten immer wieder verhindert haben.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß dem Bundesjustizministerium Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Justizverwaltung im allgemeinen fehlen. Auf der anderen Seite habe ich selbstverständlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf dem Gebiete der Justizverwaltung die materielle Übereinstimmung der Vorschriften durch Verhandlungen mit den Länderjustizverwaltungen anzuregen und zu fördern. Überall, wo ein Bedürfnis nach der Einheitlichkeit von Justizverwaltungsvorschriften zutage getreten ist, habe ich den Landesjustizverwaltungen meine vermittelnde Tätigkeit — ich glaube, mit Erfolg — angeboten. Eine Reihe von solchen Vereinbarungen ist zustande gekommen. Ich habe die Zuversicht, daß auf diesem durchaus föderalen Wege auch in Zukunft mit Erfolg fortgeschritten werden kann. Die enge, verständnisvolle und bereitwillige Zusammenarbeit zwischen den Justizverwaltungen und dem Bundesjustizministerium gibt mir die Gewähr, daß es mir gelingt, auch auf diesem Wege zu einer einheitlichen deutschen Justiz und Rechtspflege zu gelangen.
Wenn ich von einheitlicher deutscher Justiz und Rechtspflege spreche, dann wendet sich unser Blick zwangsläufig nach dem Osten unseres Vaterlandes. Wir alle beobachten mit größter Sorge die Entwicklung der Rechtsprechung und der Gesetzgebung in der Sowjetzone. Der Herr Abgeordnete Wehner hat am letzten Freitag — ich glaube, in zutreffender Weise — die erschütternden Zustände des staatlichen Unrechts in der Sowjetzone geschildert. In der Strafrechtspflege treten dort drüben die politischen Strafsachen immer mehr in den Vordergrund, vor allem die Wirtschaftsstrafsachen politischen Inhalts. Weder das Verfahren noch die sachlichen Entscheidungen in diesen Strafsachen entsprechen den Grundsätzen eines demokratischen Staates. Es bedarf wohl kaum der Darlegung, daß solche Urteile von uns grundsätzlich nicht anerkannt werden. Derartige Entscheidungen mit politischer Tendenz werden deswegen im Gebiete der Bundesrepublik grundsätzlich nicht vollstreckt. Auch wird in diesen Strafsachen keinerlei Rechtshilfe geleistet, geschweige denn ein Angeklagter oder Beschuldigter in die Sowjetzone ausgeliefert.
Anders liegen die Dinge auf dem Gebiete der reinen Kriminalität. Mit wenigen Ausnahmen, kann man sagen, besteht hier kein allzu auffälliger Unterschied zwischen der Rechtsprechung der Sowjetzone und derjenigen im Bundesgebiet. Trotz


(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

der starken Bedenken, die sich im allgemeinen, schon wegen der Besetzung der Gerichte mit ungenügend vorgebildeten Volksrichtern in immer mehr zunehmendem Maße, gegen die sowjetzonale Rechtsprechung ergeben, scheint hier zunächst — zunächst, sage ich — noch ein Rechtshilfeverkehr möglich. Aber diese Rechtshilfe muß entsprechend den wechselnden Umständen elastisch durchgeführt werden. Sie darf in keinem Falle dazu dienen, daß gegen allgemeine Grundsätze der Gerechtigkeit verstoßen wird. Bei unangemessen hohen Strafen wird deswegen grundsätzlich nur ein nach unserer Auffassung angemessen erscheinender Teil der Strafe vollstreckt. Die laufenden Verfahren werden, soweit es irgendwie möglich ist, nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung hierher übernommen. Die Durchführung dieser Rechtshilfe in diesen Angelegenheiten ist in die Hände der Generalstaatsanwalte gelegt worden, die wohl am ehesten in der Lage sind, auf Grund ihres größeren Blickfeldes und ihrer Erfahrungen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Bundesrepublik zu wahren.
Im Augenblick, sage ich, ist eine gesetzliche Regelung, wie sie jetzt in Berlin durch das Gesetz über die Behandlung der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen in Strafsachen von Behörden außerhalb Berlins vom 9. Januar 1951 getroffen worden ist, von uns noch nicht beabsichtigt. Ob die Regelung erforderlich ist, wird sich gerade an Hand der Erfahrungen, die Berlin mit seinem Gesetz macht, erweisen. Wir stehen deswegen selbstverständlich mit der Berliner Justizverwaltung fortgesetzt in engem Kontakt.
Um nichts außer acht zu lassen, haben die Landesjustizverwaltungen einen besonderen Ausschuß gebildet, der alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Rechtshilfe für die Sowjetzone ergeben, darunter auch schwierige Einzelfälle, prüft und geeignete Maßnahmen vorschlägt, um bedenkliche und unerwünschte Folgen zu verhindern. Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, daß die zunächst in der Öffentlichkeit mit gutem Grunde erhobenen Beanstandungen gegen eine zu weitgehende Leistung von Rechtshilfe aufgehört haben. Ich glaube, daß das der richtige Weg ist, um dieses überaus schmerzliche Problem zu meistern.
Die andere Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sowjetzonale Gesetze in der Bundesrepublik anzuerkennen sind, wird zur Zeit von Fall zu Fall unter Anwendung der von der Praxis und von der Wissenschaft entwickelten Grundsätze entschieden wird. Dabei wird immer im Einzelfall insbesondere geprüft, ob die Anwendung eines sowjetzonalen Gesetzes mit denen in der Bundesrepublik vereinbar ist. Die Frage, ob grundsätzlich die Anwendung ostzonalen Rechts im Bundesgebiet ausgeschlossen werden soll, ist eine politische Frage, die über den Bereich meines Ministeriums hinausgeht und die notfalls von Ihnen im Wege der Gesetzgebung geklärt werden muß.
Die Tragweite verschiedener sowjetzonaler Gesetze, z. B. des Gesetzes über die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters, das Mutterschutzgesetz, die Regelung der elterlichen Gewalt, Vormundschaft über uneheliche Kinder, führen ja zu erheblichen Spannungen, die von uns fortgesetzt geprüft werden. Bei einer gesetzlichen Regelung muß nach meiner Meinung auf jeden Fall vermieden werden, daß sich eine grundsätzliche Nichtanerkennung sowjetzonaler Gesetze zum Nachteil der Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs auswirkt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht schließen, ohne der ersprießlichen Zusammanarbeit zwischen meinem Ministerium und Ihnen, besonders auch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dankbar zu gedenken und insbesondere für die sachkundige, verantwortungsbewußte Unterstützung meiner Bemühungen meinen Dank zu sagen. Mir geht es als Bundesjustizminister heute und in der Zukunft nur um eines: um das Recht, um die Verwirklichung der Gerechtigkeit und um die Gewährleistung eines wirksamen und starken Rechtsschutzes für jeden, gerade für den schwachen Bürger unseres Volkes. Das setzt aber eines voraus: daß unser Volk weiß, was sein Recht ist, daß unser Volk weiß, was Recht ist. Dieses Bewußtsein ist durch eine verbrecherische Zeit des Unrechts erschüttert worden. Die Rufe von der Vertrauenskrisis der Justiz oder von der Rechtskrisis werden erst verstummen, wenn unsere Menschen wieder zur inneren Anerkennung des Rechtsgebots, zur Ehrfurcht vor dem Rechte kommen. Eine namenlos schwere Aufgabe für jeden von uns! Denn jedem von uns ist diese Aufgabe gestellt. Der Gesetzgeber muß lernen, sich zu bescheiden, nicht Gesetz auf Gesetz zu türmen, sondern unser ordentliches Recht auf seine einfache und klare Grundgestalt zurückzuführen und daneben das auf bloße Zweckmäßigkeit gegründete Ordnungsrecht unseres modernen Verwaltungsstaates möglichst einzuschränken. Dann wird der Sinn unserer Menschen für die Verbindlichkeit des Rechts und der Gesetze wieder lebendig werden. Und nur wo Gesetz und Recht herrschen, können die Freiheit und die Würde des Menschen bestehen.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113300800
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache zur zweiten Beratung und darf vorschlagen, daß wir im Interesse der Vereinfachung die Gesamtaussprache und die Einzelbesprechung verbinden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0113300900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag kann im letzten Haushaltsjahr nicht ohne Genugtuung auf die Verabschiedung der kleinen Justizreform und des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht zurückblicken. Darin ist dem Herrn Bundesjustizminister zuzustimmen. Der Bundestag hat damit an die gute Überlieferung des Wirtschaftsrates angeknüpft, der alle von seinem Rechtsausschuß vorbereiteten Gesetze ausnahmslos einstimmig verabschiedete: die Organisationsgesetze, das Wirtschaftsstrafgesetz, das D-Mark-Eröffnungsbilanzgesetz und das Wertpapierbereinigungsgesetz — Gesetze, die nach dem einhelligen Urteil der Wissenschaft die beste Tradition rechtsstaatlichen Denkens wahren. Bei aller Schärfe und trotz aller Härte unserer oft schneidenden Gegensätze im Bereich der allgemeinen Politik, besonders der Wirtschaftspolitik, sollté unsere Gemeinsamkeit des rechtsstaatlichen Denkens, die Gleichheit unseres demokratischen Wollens so groß sein, daß sich auf dem rechts- und justizpolitischen Gebiet die Vielheit unserer Meinungen doch stets wieder vereinigen lassen könnte.

(Lebhafte Rufe in der Mitte: Sehr gut!)

Mag sonst das politische Geschehen von der notwendigen Trennung in Regierung und Opposition leben, so bin ich doch überzeugt, daß im rechts-und justizpolitischen Bereich unsere Einigkeit möglich, ja geradezu unentbehrlich ist.

(Zustimmung in der Mitte und bei der SPD.)



(Dr. Arndt)

Ich beklage es deshalb zutiefst, daß wir als Opposition uns gezwungen sehen, bittere Kritik an der Amtsführung des Herrn Bundesjustizministers vorzubringen. In einem Rechenschaftsbericht der Bundesregierung hat der Herr Bundesjustizminister sein Ministerium stolz als das Rechtsministerium bezeichnet. Der Herr Bundesjustizminister trägt die parlamentarische Verantwortung für die Politik der Bundesregierung, soweit in ihr eine Konzeption der staats- und völkerrechtlichen Lage der Bundesrepublik Deutschland sichtbar werden sollte.
Meine Damen und Herren! Im Ost-West-Konflikt der Welt, angesicht der qualvollen Zerreißung unseres Vaterlandes in Besatzungszonen werden wir nicht bestehen können, ohne daß wir uns in der Sicherheit einer klaren Rechtsvorstellung wissen. Mit vollem Recht hat der Herr Kollege von Merkatz in der 125. Sitzung des Bundestages am 9. März 1951 als Sprecher der Regierungskoalition betont, wenn ich das mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier wörtlich zitieren darf:
Alle Überlegungen im Zusammenhang mit der
Wiedergewinnung der deutschen Einheit
sollten von zwei Tatsachen ausgehen: erstens,
daß Deutschland de jure nicht aufgehört hat,
als Staat in den Grenzen des 31. Dezember
1937 zu bestehen, und daß jede Änderung
dieser Grenzen der deutschen Zustimmung bedarf und einem Friedensvertrage nicht vorweggenommen werden darf.
Leider können wir nicht anerkennen, daß dieser Ausgangspunkt aller deutschen Politik auch im Tun und Lassen der Bundesregierung so sichtbar geworden wäre, wie es zu wünschen ist. Ich erinnere an die juristische und politische Haltung der Bundesregierung zur Saarfrage

(Sehr richtig! bei der SPD)

und an das Problem der deutschen Auslandsschulden. Auch den Herrn Bundesjustizminister müssen wir mit dafür verantwortlich machen, daß in der Saarfrage die zwingende Folgerung aus dem Fortbestehen des einen deutschen Staates von der Bundesregierung nicht so gezogen wird, wie es notwendig wäre.

(Zustimmung bei der SPD.)

Der naive Einfall eines Professors für Zivilrecht, man könne nach der Art eines Prozeßvergleiches offenlassen, wer unter den Vertragsparteien beim Schuman-Plan für das Saargebiet mitunterschreibe, konnte wegen seiner politischen und völkerrechtlichen Weltiremdheit als lacherlich bezeichnet werden, wenn die Folgen einer solchen staatsrechtlichen und national-politischen Unzulänglichkeit nicht so tragisch wären.
Wir verwahren uns gegen dieses Pflichtversäumnis, dessen sich auch der für das Recht zuständige Bundesminister der Justiz mitschuldig macht.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wir beklagen, daß erst der geschlossene Widerstand wohl aller demokratischen Fraktionen im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten die Bundesregierung auf ihre Pflicht hinweisen mußte, nicht von einer staats- und völkerrechtlich indiskutablen Position aus über die deutschen Auslandsschulden zu verhandeln, die wir nicht anzuerkennen oder gar zu übernehmen, sondern nur als unsere fortbestehenden eigenen Schulden zu bestätigen hatten.
Ebenso hat der Ausschuß für Rechtswesen und
Verfassungsrecht in Übereinstimmung mit dem Parlamentarischen Rat den ununterbrochenen Fortbestand des einheitlichen gesamtdeutschen Staates erst herausarbeiten müssen und deshalb in zahlreichen Gesetzen, die vorerst allein in den Westzonen gültig sind, den Begriff „Bundesgebiet" durch den Begriff „Geltungsbereich des Grundgesetzes" ersetzt; denn Bundesgebiet ist nach wie vor ganz Deutschland in den Grenzen von 1937

(lebhafte Zustimmung bei der SPD) einschließlich der Saar und einschließlich der Ostzone und einschließlich der deutschen Gebiete jenseits der Oder und Neiße.


(Erneuter Beifall bei der SPD.)

In aller Form lege ich deshalb auch dagegen Verwahrung ein, daß uns die Bundesregierung weiterhin Gesetzentwürfe vorlegt, in denen bloß die Westzonen, bloß der vorläufige Geltungsbereich des Grundgesetzes als Bundesgebiet bezeichnet wird, als ob das Bundesgebiet an der Elbe und vor der Saar ende. Wie verhängnisvoll es sich auswirkt, hier keine klare Sprache zu sprechen, hier nicht eindeutig in jedem Gesetz und in jedem Re-. gierungsakt zum Ausdruck zu bringen, daß es keinen neugegründeten westdeutschen Bund, sondern einzig den ununterbrochen fortbestehenden einen Staat „Bundesrepublik Deutschland'` gibt, wollen Sie daraus ersehen, daß neuerdings gedankenlose Richter in Hannover und West-Berlin die sowjetische Zone bereits als „Deutsche Demokratische Republik" in ihren schriftlichen Urteilsbegründungen anerkannt haben.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Es ist an der Zeit, die Bundesbürokratie aufzuwecken, und es ist an der Zeit, jeden Richter und
jeden Autor in einer juristischen Fachzeitschrift,
der die sowjetische Zone — und es ist nichts als
eine sowjetische Zone — als angebliche „DDR"
oder „Deutsche Demokratische Republik" zu bezeichnen wagt, einen Rückversicherer zu nennen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Ich verstehe nicht, daß der Herr Bundesjustizminister soeben ausgeführt hat, das sei eine politische Frage, die über den Bereich seines Ressorts hinausgehe und unter Umständen gesetzgeberisch von uns gelöst werden müsse. Es gibt keine Deutsche Demokratische Republik, und es gibt keine Gesetzgebung dieser Republik, und wir werden diese angebliche Gesetzgebung weder de jure noch de facto anerkennen können.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

In den völkerrechtlichen Bereich der Verantwortung des Herrn Bundesjustizministers fällt auch die von ihm zu erwartende Fürsorge für deutsche Soldaten, die noch immer als sogenannte Kriegsgefangene im Ausland unter der Anklage eines Kriegsverbrechens stehen oder bereits verurteilt sind. Wer sich einer Straftat schuldig gemacht hat, der soll auch dafür mit der ganzen Härte und Strenge des Gesetzes gerichtet werden; aber es genügt nicht, Einzelfälle zu bearbeiten, und es genügt auch nicht, wie es der Herr Bundesjustizminister getan hat, nur vom Osten zu sprechen und den Westen zu vergessen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Will der Herr Bundesjustizminister der Minister des Rechts sein, so mußte er das grundsätzliche Problem erkennen und aufgreifen, das sich erhob, als man sich in Paris auf Grund des Pleven-Plans zu militärischen Verhandlungen mit der gleichen Nation an einen Tisch setzte, die noch immer in




(Dr. Arndt)

I ihren Kerkern deutsche Soldaten hält, die lediglich wegen ihrer kollektiven Zugehörigkeit zu einer Formation zu barbarischen Strafen verurteilt werden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Man kann das Recht nicht der Politik opfern; und das sage ich mit aller Deutlichkeit gegenüber der Erklärung, die der Herr Bundeskanzler vor wenigen Tagen hier zu dem Gesetz nach Art. 131 abgegeben hat. In dieser Erklärung behauptete der Herr Bundeskanzler, die Bundesregierung .nähme sich dieser noch im Ausland in Haft befindlichen deutschen Soldaten mit allem Nachdruck an, man müsse aber gewisse psychologische Rücksichten walten lassen. Ich bedaure, daß wir diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht akzeptieren können; denn wir behaupten, daß die Bundesregierung nicht das Ihre tut und getan hat, sich dieser Soldaten anzunehmen.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte und rechts: Unverschämt! — Abg. Bausch: Das ist ganz falsch! — Anhaltende Zurufe von der Mitte und rechts.)

— Wenn Sie alle auf einmal reden, kann ich Sie zu meinem Bedauern nicht verstehen.

(Abg. Bausch: Das müssen Sie beweisen! — Zuruf rechts: Dasselbe haben die Deutschnationalen früher Ihren Kollegen im Reichstag erklärt! — Abg. Dr. Wuermeling: Das sind wohl wieder Wahlkämpfe? — Weitere Zurufe.)

— Sie scheinen die Deutschnationalen sehr gut zu kennen, nicht wahr?

(Zuruf rechts.)

Hier handelt es sich darum, daß der Herr Bundeskanzler gesagt hat, aus psychologischen Gründen müßten gewisse Rechtserwägungen zurücktreten.

(Erneute Zurufe rechts und von der Mitte.) Nach meiner Überzeugung kann das Recht hinter gar nichts zurücktreten!


(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte und rechts.)

Im staatsrechtlichen Bereich obliegt dem Herrn Bundesjustizminister nach einem Kabinettsbeschluß die Überprüfung aller Gesetzentwürfe auf Verfassungsmäßigkeit und Rechtsförmlichkeit. Bereits der erste deutsche Juristentag, der nach Konstituierung der Bundesrepublik zusammentrat, mußte wohl einhellig feststellen, daß das von dem Herrn Bundesjustizminister mit zu verantwortende Beamtengesetz dadurch, daß es die Gleichberechtigung der Frau verletzt, die Verfassung brach. Ich habe auch heute nur mit einem gewissen Grauen solche Andeutungen gehört, daß die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nun unter Berücksichtigung, wie es hieß, der natürlichen Unterschiede allein gelten dürfe.

(Zuruf rechts: Gibt es ja gar nicht! — Abg. Dr. Wuermeling: Wollen Sie die beseitigen? — Lachen in der Mitte und rechts.)

— Nein, Herr Kollege Wuermeling, die will niemand beseitigen, aber die Gleichberechtigung von Mann und Frau heißt, daß eine rechtliche, und zwar absolute Gleichheit zwischen Mann und Frau in dem Rechtsleben anerkannt wird.

(Zurufe von der Mitte.)

Sie dürfen da nicht, wie Sie das so gerne tun, mit spitzfindigen Unterscheidungen zwischen der mechanischen und der organischen Gleichheit, und was Sie da alles erfinden, kommen.

(Abg. Dr. Wuermeling: Das ist richtig!)

Das Grundgesetz ist völlig eindeutig und kennt nur die rechtliche Gleichheit; die kennt es aber absolut. Wir sind nicht gewillt, hier auch nur einen I-Punkt davon abhandeln zu lassen.

(Beifall bei der SPD.)

Wann immer der Herr Bundesminister der Justiz sogenannte Gutachten erstattete, liefen sie darauf hinaus, die verfassungsmäßigen Rechte des Bundestags zu schmälern.

(Zuruf rechts: Oho!)

Das begann mit dem unheilvollen Gutachten über das Petersberger Abkommen, das noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird. Ich mache hier eine Zwischenbemerkung. Der Verfasser dieses Gutachtens über das Petersberger Abkommen scheint uns weder politisch noch juristisch die geeignete Person, um Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt zu werden.

(Abg. Dr. Hasemann: Das scheint Ihnen so!)

Die Stellungnahme zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen geschah gegen die Rechte des Parlaments, gegen den von allen demokratischen Parteien hier im Hause getragenen Willen des Bundestags. Diese Reihe wird fortgesetzt beim Zolltarifgesetz durch die Behauptung, der Bundestag könne sein Recht zur Gesetzgebung nur bedingungslos übertragen. Es war geradezu unerhört in dem sogenannten Gutachten zur Frage des deutschen bewaffneten Beitrags, daß behauptet wurde, aus den Artikeln 4 und 24 des Grundgesetzes lasse sich die Zuständigkeit des Bundestags herleiten, durch einfaches Bundesgesetz eine Wehrverfassung zu beschließen. Sie, meine Damen und Herren, waren damals sehr belustigt, als insbesondere Herr Kollege von Merkatz Äußerungen des Herrn Kollegen Carlo Schmid und des früheren Herrn Abgeordneten Rudolf Katz aus dem Parlamentarischen Rat zitierte. Diese Äußerungen waren alle richtig, und sie gelten alle auch heute noch. Aber Sie haben sich eigentlich nur an Ihrer eigenen Unwissenheit gefreut. Denn die Kommandogewalt, die nach kontinental-europäischem Staatsrecht etwas qualitativ anderes ist als die Organisationsgewalt, und die Gesetzgebungskompetenz zur Wehrgesetzgebung, d. h. die Frage, wer zuständig ist, um solche Gesetze zu erlassen, sind im Grundgesetz bewußt nicht geregelt — Sie werden mir keine Bestimmung zeigen können, in der etwas Derartiges stünde — und daher nur durch eine Verfassungsänderung zu ordnen.
Aber, meine Damen und Herren, diese merkwürdigen Gutachten des Herrn Bundesjustizministers, die immer darauf hinauslaufen, die Rechte des Parlamentes einzuengen und zu schmälern, fanden einen besonders pikanten Höhepunkt durch das sogenannte Gutachten zu dem Zweck, den Abberufungsantrag der Bayernpartei gegen den Herrn Bundesfinanzminister Schäffer uberhaupt nicht auf die Tagesordnung des Bundestages kommen zu lassen. Neuerdings soll sogar ein Gutachten erstattet worden sein — ich habe es noch nicht gesehen —, daß wir nicht einmal über den Antrag, das Gehalt eines Bundesministers zu streichen, hier abstimmen dürfen. Über einen gleichartigen Antrag hatte einmal der bayerische Landtag zu beschließen. Damals ging es gegen den Sozialdemokraten Dr. Zorn als Wirtschaftsminister, und damals hielt ein Mitglied des bayerischen Landtages -- nach der bayerischen Verfassung sind diese Dinge nämlich sogar noch strenger geregelt
5134 Deutscher Bundestag — 153 Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1951

(Dr. Arndt)

als hier nach dem Grundgesetz — in dessen 8. Sitzung am 20. Februar 1947 eine Rede, die in den Worten gipfelte — ich darf das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen —:
Ich sehe auch gar kein Bedenken verfassungsrechtlicher Art, einem Einzelminister das Mißtrauen auszusprechen. Nach der Verfassung ist der einzelne Minister in seinem Ressort dem Landtag verantwortlich. Dies kann nur in der Form geschehen, daß der Landtag, wenn er das Verhalten des Ministers nicht billigt, das beschlußmäßig zum Ausdruck bringt. Es ist unmöglich zu sagen, der Landtag dürfe den terminus technicus „Mißtrauen" nicht gebrauche. Wir lassen uns doch keinen Maulkorb vorbinden. Was der Landtag sagen will, das sagt er. Da gibt es keine Einschränkung. Auch in der Verfassung ist eine solche nicht vorgesehen.
Jener Redner hieß Dr. Thomas Dehler!

(Heiterkeit!)

Wenn der Herr Bundesjustizminister mit jenem Dr. Dehler identisch sein sollte, so sehen wir, daß dieser Herr Bundesjustizminister in einer Person zweierlei Rechtsauffassungen zu vertreten die erstaunliche Fähigkeit hat.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hasemann: Das ist doch eine andere Verfassung! — Zuruf des Abg. Euler.)

— Herr Kollege Euler, die bayerische Verfassung ist noch strenger. Nach der bayerischen Verfassung wird der Ministerpräsident fur vier Jahre fest gewahit, so daß es noch weniger Möglichkeiten gibt, —

(Abg. Strauß: In Bayern wird doch jeder Minister vom Parlament bestätigt!)

— Ja, er wird bestätigt, aber es gibt nach der bayerischen Verfassung noch weniger Möglichkeiten, einen Minister zu stürzen als hier.

(Abg. Strauß: Als Spitzenjurist darf man das nicht sagen! Ausgerechnet Sie, Herr Kollege Arndt! — Zuruf des Abg. Dr. Seelos.)

— Herr Kollege Seelos, Sie können nachher über die „Bluatschand" reden!

(Zuruf des Abg. Dr. Schmid [Tübingen].) Mich kann darum nicht mehr wundern, daß der Herr Bundesjustizminister über die Entbehrlichkeit des Bundestages bei der Getreidepreisgestaltung ein Gutachten erstattet haben soll, über das man in der amerikanischen „Neuen Zeitung" — wenn mir das vorzutragen erlaubt ist — in Nr. 58 vom 9. März 1951 folgendes liest. — Die Bundestagsabgeordneten bekommen ja die Gutachten nicht; sie müssen sich, wenn sie nicht in den Verdacht des Diebstahls geraten sollen, aus der Zeitung darüber informieren. — Also dort heißt es:

Die sehr weitgehende Auslegung in einem Gutachten des Bundesjustizministers, daß die Verordnung zulässig und „gesetzlich" sei, weil die Strafverfolgung bei Preisüberschreitungen ohnehin eine Ermessensfrage sei, hat der Stellung der Regierung wohl eher geschadet als genützt. Hier dürfte in erster Linie der Grund zu suchen sein, weshalb ein solch erheblicher Teil der Koalition der Regierung die Gefolgschaft versagte. Denn der Standpunkt des stillschweigenden Duldens von Preisüberschreitungen sei mit den Grundlagen eines Rechtsstaates unvereinbar.
In diesem Zusammenhang hat Herr Kollege
Dr. Dr. Müller — höflich gesagt — die unüberlegte
Bemerkung gemacht, wir wünschten, die Regierung
im Zuchthaus zu sehen. Nein, wir wünschen die Regierung nicht im Zuchthaus, sondern auf dem Wege des Rechts zu sehen.

(Beifall bei der SPD.)

Wir mißbilligen es deshalb, daß der Herr Bundesjustizminister in allen bisher zur Entscheidung stehenden Fragen der Rechtsteilung zwischen Bundesregierung und Bundestag seine Gutachten so sehr unter den Gesichtspunkt der Opportunität gestellt zu haben scheint. Ein Bundesjustizminister, der aufhören würde, das rechtliche Gewissen der Bundesregierung zu sein, hat das Vertrauen verwirkt, das sonst auch die Opposition ihm willig entgegenbringen würde.

(Zurufe rechts.)

Denn, meine Damen und Herren, hier steht viel mehr auf dem Spiel als Parteiinteresse.

(Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

Verfassungstreue und Rechtlichkeit in der Führung
der Regierungsgeschäfte sollten für uns alle ebenso
ein nationales Fundament, ein gemeinsames Anliegen sein wie die Frage der deutschen Einheit.
Die Stellung eines Bundesjustizministers ist auch deshalb eine besonders geartete, weil seine Amtsführung von der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt zur rechtsprechenden Gewalt eine Brücke zu schlagen hat. Er ist für die Justizpolitik verantwortlich. Alle Justizpolitik hat darauf bedacht zu sein, die Unabhängigkeit der Richter und die Unparteilichkeit der Rechtspflege als die in jedem Rechtsstaat elementaren Voraussetzungen der Gerichtsbarkeit zu sichern.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Die Unparteilichkeit der Rechtspflege erfordert materiell, alles Justizfremde, alles, was nicht justitiabel ist, von den Gerichten fernzuhalten. Denn die Gerichte sind kein Instrument der Politik.
Mit Grauen haben wir aus dem Munde des Herrn Bundesministers für Wirtschaft in der 126. Sitzung am 14. März 1951 gehört:
Ich
— Herr Professor Erhard —
werde weitere Vorschläge in der Richtung einer Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts dem Kabinett unterbreiten.
Diese Bundesregierung muß in der Tat eine bemerkenswerte Geschäftsverteilung haben, wenn das Rechtsproblem der Wiedergutmachung dem Herrn Bundesfinanzminister zugewiesen wird und sie sich in dieser Kernfrage der Nation vor dem Parlament nur durch den Staatssekretär jenes Ministeriums vertreten läßt und wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister Strafgesetze ankündigt. Ich kann dem Herrn Bundeswirtschaftsminister darauf nur antworten: Hände weg von der Strafjustiz! Sie ist kein Instrument der Wirtschaftspolitik.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe in der Mitte und rechts.)

Die Justiz kann, soll sie nicht ihre Unparteilichkeit einbüßen, auch nicht berufen werden, politische und historische Fragen zu entscheiden. Gegen dieses justizpolitische Grundgebot verstößt das von dem Herrn Bundesminister der Justiz eingebrachte Strafrechtsänderungsgesetz 1950 in bedenklichster Weise. Ich erinnere nur an die unmögliche Bestimmung, daß Gerichte die politische Frage entscheiden sollen, ob eine Handlung geeignet sei, eine Kriegsgefahr zu begründen oder den Frieden zu gefährden. Die Justiz verliert immer dort ihre Unparteilichkeit, wenn sie sich selbst zum Richter


(Dr. Arndt)

über die Geschichte aufwirft. Das -war der Sündenfall der Justiz in zahlreichen Entscheidungen der Weimarer Zeit, insbesondere im Ebert-Urteil, und das ist heute das Problem des Hedler-Urteils. Nach dem Geist des Grundgesetzes kann das rechtliche Fundament der staatsbildenden Kraft unseres Volkes einzig die Überzeuung sein, daß innerhalb des Staates Deutschland' die nationalsozialistische Gewaltherrschaft stets nur eine Störung war und daß Hitler und seine Helfershelfer an keinem Tag und zu keiner Stunde legal und legitim, gerechtfertigt und rechtmäßig in Deutschland herrschten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Kein Gericht kann hinter die historische Grenzlinie des Grundgesetzes zurückgehen und prüfen, ob der faschistische Totalitarismus in Deutschland angeblich Rechtens gewesen wäre, und somit die Recht, mäßigkeit der Demokratie und des Grundgesetzes selbst in Frage stellen.

(Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Hilbert: Sehr gut!)

Auf das tiefste müssen wir deshalb beklagen, daß der Herr Bundesjustizminister an diesem entscheidenden Ansatzpunkt aller Rechtspolitik zumindest eine klare Haltung vermissen läßt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

In einem Schreiben des Herrn Bundesjustizministers vom 25. März 1950 an den Betriebsrat des Landratsamtes in Schwabach heißt es insoweit — ich darf das wohl vortragen —:
Daß Widerstand gegen die nazistische Gewaltherrschaft und ihre Verbrechen rechtmäßig war, ist so selbstverständlich, daß es einer gesetzlichen Regelung nicht bedarf. Wenn Sie aber daran dachten, auch alle gegen nationalsozialistische Einrichtungen gerichteten oder aus antinationalsozialistischen Beweggründen begangenen strafbaren Handlungen fur Rechtens zu erklären — das würde bedeuten, daß auch der politische Mord, der politische Raub, der Diebstahl aus politischen Gründen Rechtens wären —, dann wäre das im Grunde nur eine Anleihe bei den Nationalsozialisten, die 1934 die Gewaltmaßnahmen aus Anlaß des sogenannten Röhm-Putsches für Rechtens erklärten.

(Hört! Hört! bei der SPD).

Meine Damen und Herren! Soll — wenn dieses juristische Delirium einen Sinn hat — das heißen, daß die sogenannten Gesetze, ja vielleicht sogar die Führerbefehle Hitlers zu ihrer Zeit gültiges Recht waren und deshalb Notwehr dagegen unzulässig? Ich kann nicht glauben, daß das die Auffassung des Herrn Bundesjustizministers wäre.

(Zurufe rechts.)

Wir fordern aber von der Bundesregierung das unzweideutige Anerkenntnis, daß die Hitlerischen Akte — —

(Zuruf des Abg. Dr. Hasemann.)

— Ach, Herr Hasemann, Sie brauchen gar nichts zu sagen! Sie waren ja schon seit 1932 in der „Partei"!

(Lebhafter Beifall und Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

Wir fordern von der Bundesregierung das unzweideutige Anerkenntnis, daß die Hitlerischen Akte zu jeder Zeit rechtswidrig waren.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Uns empört das am Hedler-Urteil, daß es in unmißverständlich drohender Weise die Rechtmäßigkeit des deutschen Widerstandes, über den erst die
Geschichte befinden werde, in Zweifel zog und damit die Fundamente antastete, auf denen das Grundgesetz beruht. Uns empören am Hedler-Urteil seine verfassungswidrigen Unrechtssätze, mit deren Hilfe es die von ihm selbst tatsächlich festgestellte Diffamierung der Juden als Nichtdeutscher und als nicht in Deutschland Heimatberechtigter rechtsbeugerisch ungesühnt ließ. Diese Kritik besteht heute wie je; denn es ist ja nicht wahr — und ich bitte auch den Herrn Präsidenten Dr. Ehlers, das zur Kenntnis zu nehmen —, daß wir die Entscheidungsgründe nicht gekannt hätten, als wir das Urteil verdammten, und es ist nicht wahr, daß Hedler nur aus Mangel an Beweisen freigesprochen wäre und uns bloß die allerdings immerhin fragwürdige Beweiswürdigung des Gerichts nicht gepaßt hätte.
Was aber tat der Herr Bundesjustizminister? Mit der ihm eigenen Selbstgerechtigkeit zog er redend und schreibend durch die Lande, um zu verkünden, nur er denke rechtsstaatlich, die Sozialdemokraten aber versündigten sich am Recht. Sogar das evangelische Männerwerk in München suchte er mit einem Vortrag heim, um den jungen Leuten zu erzählen, bloß aus parteipolitischen Gründen hätten die Sozialdemokraten das HedlerUrteil angegriffen.

(Sehr richtig! rechts.)

Meine Damen und Herren! Das Hedler-Urteil war ein Fanal. Das Hedler-Urteil war die Stunde, in der das Versagen des Herrn Bundesjustizministers hoffnungslos offenbar wurde.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Und, meine Damen und Herren, wenn Sie heute darüber jammern, was Sie im niedersächsischen Wahlkampf von der SRP für Wahlreden hören, so wollen Sie sich daran erinnern, daß das mit dem Hedler-Urteil seinen Anfang genommen hat;

(erneuter Beifall bei der SPD — Zurufe rechts.)

denn die Unparteilichkeit der Rechtspflege wird verloren sein, wenn Sie in dieser ihr nach dem Grundgesetz nicht mehr zugänglichen geschichtlichen Frage Partei ergreift gegen den deutschen Widerstand und — verkennen Sie das nicht! — dadurch notwendigerweise zugleich für eine angebliche deutsche Kollektivschuld.
Mit brennender Sorge müssen wir beobachten, wie, ermutigt durch die Zweideutigkeit und die restaurative Tendenz im rechtspolitischen Kurs der Bundesregierung, eine Rehabilitierung des nationalsozialistischen Regimes in der Rechtspflege sich andeutet. Ich kann Urteile vorlegen, in denen die Hitlersche Rassengesetzgebung als zu ihrer Zeit Rechtens behandelt wird.

(Lebhafte Rufe bei der SPD: Hört! Hört! — Zuruf des Abg. Euler.)

Ich kann Urteile vorlegen, in denen z. B. die Gestapo als eine zum Empfang von Anzeigen zuständige Behörde behandelt wird, so daß solche Anzeigen weder sittenwidrig noch zum Schadenersatz verpflichtend gewesen wären.

(Abg. Euler: Das sind die Richter, die Herr Katz eingesetzt hat! — Große Unruhe rechts.)

— Ach, Herr Euler, ich werde Ihnen etwas sagen: Schon spricht der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe von einem „Dritten Reich", als ob das ein Rechtsbegriff wäre und nicht


(Dr. Arndt)

nur ein Spottname, den man allenfalls ironisch und in Gänsefüßchen gebrauchen sollte.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Wenn wir die Justiz mit justizfremden Aufgaben belasten oder wenn die Gefahr im Verzuge ist, daß sich die Justiz selbst zur Richterin über geschichtliche Fragen aufwirft, so geht nicht nur die unentbehrliche Unparteilichkeit der Rechtspflege, sondern unvermeidlich auch die Unabhängigkeit der Richter verloren. Diese Unabhängigkeit ist doch keine nur formale, die sich mit Beamtengesetzen regeln läßt. Unabhängig ist der Richter, um dem Gesetz unterworfen zu sein. Der Sinn der Unabhängigkeit ist, daß der Richter sich als Diener des Rechtes, nicht als sein Herr begreifen soll. Deshalb war es kein gutes Wort bei Eröffnung des Bundesgerichtshofs, die auf dem Grundgesetz beruhende gesetzgeberische Zuständigkeit des Parlaments als ein „Rechtserzeugungsmonopol" zu ironisieren. Eine Warnung sollten hier auch die Amnestiebeschlüsse der Gerichte Würzburg und Bamberg in Sachen Ankerbauer sein, die geradezu eine Auflehnung gegen das hier beschlossene Straffreiheitsgesetz bedeuten. Wir fördern die Unabhängigkeit der Richter nicht damit, daß wir beständig von ihr reden, sondern dadurch, daß wir ihre Voraussetzungen sichern, und dazu gehört in allererster Linie, daß jede parteipolitische Einflußnahme unterbleibt.

(Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

Mich bewegt die entsetzliche Sorge, daß in manchen Ländern trübe Ereignisse vorgekommen sind und der Zeitpunkt heranreift, wo wir darüber auf der Bundesebene werden sprechen müssen. Für unsere junge Demokratie ist es eine Lebensfrage, daß der Bürger endlich Vertrauen zu seinem Richter fassen kann und den Glauben gewinnt, daß der Richter unparteilich und unabhängig seine Rechte schützt, wer immer sie antasten möge. Diesen Glauben zu erwecken, ist allerdings nach den bitteren Erfahrungen der Weimarer Zeit und der sogenannten gelenkten Justiz Hitlers nicht leicht. Wir werden daher bei der Auswahl der höchsten Richter, der Bundesrichter, und auch der Bundesanwälte besondere Behutsamkeit walten lassen müssen.
Von den öden Formeln der Denazifizierung wissen wir uns frei und halten es nicht für bedeutsam, ob ein Richter formell dieser oder jener Organisation angehörte. Wir machen auch kein Märtyrerturn zur Bedingung; aber wir wollen uns davon überzeugen können, daß die Frauen und Männer, die an die Bundesgerichte berufen werden sollen, ein Gefühl für das Unrecht der Hitlerischen Diktatur hatten und unter diesem Unrecht seelisch und geistig gelitten haben. Uns fehlt daher jedes Verständnis dafür, daß der Herr Bundesjustizminister als einen der Bundesanwälte einen Mann vorgeschlagen hat, von dem auch der Rechtsausschuß des Bundesrats nicht der Meinung war, daß diese Qualifikation für ihn zuträfe.
Wir halten auch die Errichtung des Bundesgerichtshofs nicht für den geeigneten Anlaß zu einer Restauration des früheren Reichsgerichts.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wohl hatte das Reichsgericht bis zuletzt auch untadelige Männer in seinen Reihen, auf die wir stolz sein dürfen und die heute für den Bundesgerichtshof zu gewinnen wir uns glücklich schätzen können. Aber auf dem einst so glanzvollen Namen des Reichsgerichts liegt auch der düstere Schatten des Ossietzky-Urteils. Und so bitter dies sein mag: zu
unserm Schmerz weiß die deutsche Rechtsgeschichte nichts davon zu berichten, daß ein Senat des Reichsgerichts sich einmal Hitler so versagt hätte, wie es einst der Ruhm des preußischen Kammergerichts war, den seine Räte auf der Festung Spandau büßen mußten.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Vor allem hätte bei der Errichtung des Bundesgerichtshofes nicht außer acht gelassen werden dürfen, daß wir in Gestalt des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone und des Deutschen Obergerichts schon zonale und überzonale, also vorläufige Bundesgerichte besaßen, zumal die Mitglieder des Deutschen Obergerichts sogar mit Zustimmung des Wirtschaftsrats und des Frankfurter Länderrats berufen waren. Die Richter des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone hatte der Nestor der westdeutschen Juristen, Herr Dr. Kiesselbach, weiland Präsident des Zentral-Justizamts in Hamburg, ausgewählt. Als das Zentral-Justizamt aufgelöst werden konnte, hat der Herr Bundesjustizminister freilich gesagt, er übernehme das Werk wie ein Sohn von seinem Vater. Aber er übernahm es wie ein Sohn, der sich der väterlichen Verwandtschaft schämte.

(Unruhe und Widerspruch rechts.)

Das haben nicht nur manche von Kiesselbachs Mitarbeitern zu spüren bekommen, sondern in peinlicher Weise auch führende und hochachtbare Richter des Kölner Obersten Gerichtshofes für die britische Zone.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wenn Sie die Überleitung einst vom Reichsoberhandelsgericht auf das Reichsgericht vergleichen mit der Überleitung des Deutschen Obergerichts und des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Köln auf den Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dann werden Sie bemerken, welcher beklagenswerte Abstand zwischen dem Reden über die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter und der Verwirklichung dieses Grundsatzes klafft.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Um optimal die Unparteilichkeit der Bundesrichter zu gewährleisten, hat es das Grundgesetz nicht mehr allein dem notwendig parteipolitisch bestimmten Bundesminister der Justiz überlassen, die Bundesrichter zu berufen, sondern den Richterwahlausschuß als selbständiges Verfassungsorgan eingesetzt, damit Exekutive und Parlament sich gleichsam gegenseitig hemmen -und daran hindern sollen, Parteientscheidungen zu treffen. Die Gemeinsamkeit für die Entschließung des Herrn Bundesjustizministers und des Richterwahlausschusses ist im Grundgesetz feierlich vorgeschrieben. Ehe jedoch der Richterwahlausschuß auch nur zu seiner ersten Beratung in der Sache zusammentreten konnte, hatte der Herr Bundesjustizminister die Gemeinsamkeit bereits zweimal verletzt

(Hört! Hört! bei der SPD)

dadurch, daß er die dem Richterwahlausschuß angehörigen Mitglieder der Regierungskoalition zu einer Geheimbesprechung zu sich berief,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und dadurch, daß er verfassungswidrig einen Beschluß des Kabinetts über die Person des Herrn
Präsidenten des Bundesgerichtshofes herbeiführte.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich will es mir gleichwohl versagen, auf Einzelheiten des Konfliktes im Richterwahlausschuß ein-


(Dr. Arndt)

zugehen, nicht wegen der Verschwiegenheitspflicht; was ihr unterliegt, ist im Rechtsausschuß des Bundestages nach meiner Erinnerung und Überzeugung sehr eindeutig klargestellt. Auch der Herr Bundesjustizminister würde das wissen, wenn er nicht in den bald zwanzig Monaten des Bestehens des Bundestages im ganzen bisher bloß zweimal zwanzig Minuten an den Arbeiten des Bundestagsausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht teilgenommen hätte,

(Hört! Hört! bei der SPD)

vermutlich weil er die übrige Zeit zu angestrengt damit beschäftigt war, gut von sich selber zu denken.

(Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der FDP: Unverschämtheit!)

Ich habe zwei Gründe — um von den Einzelheiten dieses Konfliktes nicht zu sprechen —: erstens bedarf der Bundesgerichtshof so notwendig des allgemeinen Vertrauens, daß unsere Kritik an der Amtsführung des Herrn Bundesjustizministers und der Arbeit des Richterwahlausschusses nicht den Ruf dieses Gerichtes antasten darf; und zweitens sind wir uns darüber einig geworden, daß für den Richterwahlausschuß künftig andere Regeln gelten sollen als für Ausschüsse des Bundestages, insbesondere, daß es im Richterwahlausschuß keine parteipolitischen Mehrheitsbildungen geben darf. Wir haben neue Hoffnung geschöpft, daß in Zukunft eine verfassungstreue Zusammenarbeit im Richterwahlausschuß möglich sein wird, besonders wenn durch eine Reform des Richterwahlgesetzes die bisher zutage getretenen institutionellen Schwächen beseitigt werden. Grundzüge dieser Reform müssen insbesondere sein die Beseitigung ) der geheimen Abstimmung und die Sicherung der Gemeinsamkeit zwischen dem Richterwahlausschuß und dem Herrn Bundesjustizminister in der Beratung und Entschließung.
Wir müssen aber auch der Erwartung Ausdruck geben, daß der Herr Bundesjustizminister es fortan unterläßt, tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten in der Sache dadurch persönlich zu verschärfen, daß er von „Brunnenvergiftung" spricht, die angeblich aus parteipolitischen Gründen einem mißbeliebigen Politiker gegenüber verübt sei, und daß er es insbesondere unterläßt, ohne Zeitnot in geheimen Rundbriefen ungeprüft, obgleich schnell prüfbar, diffamierende Gerüchte über hochachtbare Juristen zu verbreiten, die für den Bundesgerichtshof vorgeschlagen sind.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Über eine dieser Verdächtigungen, die der Herr Bundesjustizminister in einem seiner Briefe den Mitgliedern des Richterwahlausschusses mitgeteilt hat, hat sich der Senior der deutschen Justiz, Hert Reichsminister a. D. Dr. Schiffer, durch Schreiben vom 16. Februar 1951 so geäußert — wenn ich das eben sagen darf —:
Nach alledem hätte mich Ihre Anfrage noch mehr überraschen müssen, als es tatsächlich der Fall war, wenn ich nicht inzwischen erfahren hätte, daß eine gleichartige. An frage von seiten des Ministeriums des Innern auch an andere Stellen, insbesondere an ein früheres Mitglied meiner Behörde, gerichtet worden war. Der Empfänger verbarg mir nicht seine Entrüstung über die in ihr enthaltenen un- begründeten Verdächtigungen. Ich teile dies Gefühl und kann angesichts der mir entgegentretenden Verzerrung und Verdrehung aller
Tatsachen mich nur schwer entschließen, nicht an dem guten Glauben des unbekannten Denunzianten zu zweifeln. Es scheint mir das vorzuliegen, was der Staatsanwalt im Prozeß Waldeck als ein Bubenstück, einen Mann zu verderben, bezeichnete.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich kann Ihnen sagen, aus welchem Schmutzwinkel dieses Bubenstück kam: aus dem Klüngel, den das Witzwort als „Bundessicherheitshauptamt" bezeichnet und in dessen Mitte sich ein gewisser Herr Globke

(Fortgesetzte Rufe von der SPD: Globke! Globke!)

befindet, über den noch zu einem Zeitpunkt zu reden sein wird, den wir bestimmen.

(Zuruf von der KPD: Sehr interessant!)

Gern hätte ich noch eingehend über die uns aufgegebene Justizgesetzgebung gesprochen, insbesondere auch die so dringend notwendige Bundesrechtsanwaltsordnung, die, wie ich es begrüße, der Herr Bundesjustizminister auch als vordringlich und eilig ansieht; denn in der sogenannten Ehrengerichtsbarkeit sind teilweise abscheuliche Mißstände zu beklagen, und das Bestreben reaktionärer Kreise, aus der Bundesrechtsanwaltsordnung so eine Art „Anwaltsgesindeordnung" zu machen,

(Abg. Dr. Schumacher: Hört! Hört!)

die den Assessor zwingt, drei Jahre unentgeltlich als sogenannter Anwaltsassessor zu arbeiten, hat mit Recht unter den Jungjuristen helle Empörung hervorgerufen.

(Beifall bei der SPD.)

Wir haben noch einen weiten Weg bis zur Freiheit der Advokatur, die eine politische Grundforderung der Demokratie ist und bleibt, und wir verzeichnen mit Unruhe, daß es nach wie vor in Deutschland strafrechtlich Verfolgte gibt, die keinen Verteidiger finden, weil Rechtsanwälte sich scheuen, es mit den jeweils Mächtigen, insbesondere mit den Herren Justizministern, zu verderben, worüber ich Ihnen eine ganze Reihe von Briefen vorlegen könnte.

(Lebhafte Unruhe.)

Heute muß ich mich zum Thema Justizgesetzgebung auf den Hinweis beschränken, daß alsbald die Reform des allgemeinen Strafrechts in Angriff genommen werden sollte. Da der Bundestag zu überlastet ist, um nach dem Vorbild des Reichstages selbst eine ständige Kommission bilden zu können, empfehlen wir, nach Art der Königlichen Kommissionen in Großbritannien einen außerparlamentarischen Arbeitsstab zu bilden. Wir sind nicht davon überzeugt, daß es so durchgeführt werden kann, wie es der Herr Bundesjustizminister ankündigte, daß sein Ministerium erst die Arbeit machen wolle und dann unter Umständen ein solcher Stab eingesetzt werden müsse. Wir sind der Meinung, daß die Größe und Dringlichkeit der Arbeit alsbald einen solchen Arbeitsstab erforderlich machen. Wir erwarten allerdings, daß der Herr Bundesjustizminister die Mitglieder des Arbeitsstabes unparteiisch im Einvernehmen mit den demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses berufen wird. Ich bitte Sie deshalb, unserer Entschließung Umdruck Nr. 130 zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, gerne hätte ich hiermit meine Ausführungen beendet, sehe mich aber noch zwei unangenehmen Aufgaben gegenüber. Ich halte es erstens für meine Pflicht, im Rahmen der Haushaltsdebatte, und zwar einer Debatte über einen


(Dr. Arndt)

Haushalt, der sonst alles Lobes würdig ist, Kritik daran zu üben, daß der Herr Bundesjustizminister, wenn ich recht unterrichtet bin, im letzten Haushaltsjahr etwa 18 000 DM für Repräsentation verbraucht hat. Angesichts unserer allgemeinen Armut, angesichts des Elends, unter dem weiteste Kreise des deutschen Volkes nicht ohne erhebliche Schuld dieser Bundesregierung leiden müssen, halten wir einen derartigen Aufwand nicht für verantwortlich.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe von der KPD.)

Zweitens habe ich die bittere Pflicht, darauf aufmerksam zu machen, daß von keinem Mitglied der Regierung eine solche Vorbildlichkeit in der demokratischen Haltung unerbittlich gefordert werden muß wie von, jedem Bundesjustizminister. Ich knüpfe hier an die letzten Worte in den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers an, in denen er sagte, daß erst Recht und Gesetz die Würde des Menschen zur Geltung bringen. Ich bin hier an einem Punkt angelangt, über den zu sprechen mir schwer fällt: die Hemmungslosigkeit, die den Herrn Bundesjustizminister vergessen läßt, was er seinem Amte schuldet.

(Erneute Zustimmung bei der SPD.)

Keiner von uns wird erwarten, daß ein Bundesminister der Justiz so schweigsam ist wie der Bamberger Reiter. Aber bei aller Hitzigkeit unserer Meinungskämpfe bleibt es doch ein Lebenserfordernis der Demokratie, den andern als einen, der anders denkt, gelten zu lassen und ihm nicht ohne zwingende Beweise die Ehrlichkeit seiner Ansichten abzusprechen.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

Ein Bundesjustizminister insbesondere, der den so empfindlichen Kontakt zur Rechtspflege als einer besondersartigen Ausübung der Staatsgewalt herzustellen hat, sollte sich einer gewissen Zurückhaltung befleißigen. Und den Spiegel, Herr Hasemann, den drehen Sie um; denn es wird mir hier im Hause niemand vorwerfen können, daß ich je den Herrn Bundesjustizminister persönlich angegriffen hätte.

(Oho-Rufe in der Mitte. — Abg. Hilbert: Nur persönlich!)

— Das sollten Sie mir beweisen! Das ist nicht wahr! Ich habe Herrn Staatssekretär Strauß im Wirtschaftsrat und ich habe Herrn Bundesjustizminister Dr. Dehler niemals persönlich und niemals in der Ehrlichkeit ihrer Motive angegriffen.

(Erneute erregte Zurufe von den Regierungsparteien.)

Aber wo man auch immer der Spur des Herrn Bundesjustizministers folgt, stößt man in immer neuen Variationen — und darum muß bei der allgemeinen Kritik dieses Ministeriums davon gesprochen werden — auf den erschütternden Tatbestand, daß er dem Andersdenkenden sofort mit Diffamierung antwortet.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das war schon so im bayerischen Landtag. Ich könnte eine Fülle von Zitaten bringen. Ich erinnere an seine Behauptungen in der 108. Sitzung des bayerischen Landtages vorn 13. Mai 1949, daß die bayerische Landesregierung, wie er gesagt hat, mit den gleichen Schlagworten, mit den gleichen Beteuerungen -wie Hitler kämpfe. „Hitler" war nicht mehr aussprechbar, weil ein großer Lärm einsetzte. Damals hat der bayerische Ministerpräsident, Herr Dr. Ehard, gesagt — ich darf diesen einen Satz aus dem stenographischen Protokoll vortragen —: „Das,
was so schwer wiegt in dieser Erklärung des Herrn Abgeordneten Dr. Dehler, ist nicht etwa der Umstand, daß er seine Meinung vertritt oder daß er sie mit scharfen Worten vertritt, sondern daß er mit dieser Wendung tatsächlich — und so mußte es jeder verstehen — einem ehrlichen Menschen seinen ehrlichen Willen abspricht."

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diese Worte des Herrn Ministerpräsidenten Ehard gelten leider für zahlreiche verbürgte weitere Außerungen des Herrn Bundesjustizministers, die hier im einzelnen zu wiederholen ich mich scheuen würde. Nur eine einzige Äußerung will ich aus der Fülle herausgreifen. Sie ist von dem Zeugen, einem Herrn Willi Haufe, vor dem Amtsgericht Lichtenfels eidlich bekundet. Mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus dem richterlichen Protokoll über die beeidete Aussage folgende Sätze zitieren:
Bundesminister Dr. Dehler erklärte, Dr Schumacher wäre nicht nur körperlich und seelisch krank, sondern auch geistig.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Er stellte seinen körperlichen Zustand mit seinem geistigen Zustand auf eine Stufe. Diese Äußerungen Dr. Dehlers haben mich aufs tiefste erschüttert, zumal ich mit Bundesminister Dr. Dehler seit 1942/43 gut befreundet bin.
Und dann heißt es weiter:
Während der Versammlung verließ der erste Bürgermeister von Lichtenfels Dr. Wittmann den Saal. Ich traf ihn im Vorraum und fragte ihn: „Na, was sagen Sie nun?" Dr. Wittmann erwiderte mir dem Sinne nach: „Eine solche Entgleisung unseres Ehrenbürgers hätte ich nicht erwartet:"

(Zurufe von der KPD.)

In seiner eigenen eidlichen Aussage hat der Herr
Bundesjustizminister vor dem Amtsgericht in Bonn
bekundet, er habe Dr. Schumacher als — ich zitiere
wieder wörtlich — „a u c h krank in seinem Sinn"
bezeichnet so wie daß — und jetzt zitiere ich wieder
wörtlich — „in meiner Ausführung eine Verbindung zwischen dem körperlichen und dem geistigen
Zustand Dr. Schumachers gesehen werden konnte".

(Pfui-Rufe von der SPD. — Zurufe von der SPD: So was ist Justizminister! Eine solche Gemeinheit! — Zuruf von der KPD: Und das ist Justizminister!)

Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kiesinger hat einmal das Wort gesprochen, daß zur Demokratie und zu unserer Arbeit hier in dem Hohen Hause ein ideologisches Existenzminimum erforderlich sei. Ich halte dieses Wort für richtig.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Aber glauben Sie mir, noch elementarer nötig als das ideologische Existenzminimum ist ein Mindestmaß des Menschlichen.

(Zustimmung und Beifall bei der SPD.)

Ich habe deshalb zuletzt nur noch darauf hinzuweisen, was mich aber hiernach nicht mehr weiter verwundert, daß es der gleiche Herr Bundesjustizminister ist, der zu behaupten pflegt, daß wir Sozialdemokraten die Macht erstrebten, um sie nie wieder herzugeben

(Zurufe rechts)

— ich würde doch den Beweis des politischen
Analphabetentums nicht so laut von mir geben —,

(starker Beifall bei der SPD)



(Dr. Arndt)

daß sich zum Osten bekenne, wer für den Sozialisnus eintrete. Ja, er spricht der größten und ältesten politischen Partei Deutschlands die demokratische Gesinnung ab.
Statt zahlreicher Bleichlautender Meldungen über den letzten Landesparteitag der FDP in Fürth darf ich kurz aus der Fränkischen Presse vom 20. Februar 1951 zitieren:
Indem er von der Härte der Opposition sprach, rief Dr. Dehler in großer Erregung: Mit der von Dr. Schumacher geführten Sozialdemokratie läßt sich keine Demokratie aufbauen. Der SPD geht es nicht um das Recht des einzelnen, sondern um die Macht, um eine böswillige Macht. Wer den Sozialismus unterstützt, der muß auf die Demokratie verzichten.

(Rufe bei der SPD: Hu! Hu!)

Ich enthalte mich jeder Kritik!

(Abg. Dr. Greve: Da haben Sie Ihre Freunde! — Abg. Hilbert: Das sind doch dumme Vergleiche von Ihnen, Herr Dr. Greve! — Abg. Dr. Greve: Kommen Sie einmal nach Niedersachsen, da werden Sie etwas erleben, aber da wagen Sie sich gar nicht hin!)

Meine Damen und Herren, ich enthalte mich jeder Kritik dieser Äußerungen, weil sie meines Erachtens nicht nötig ist. Aber Sie werden verstehen, daß wir einem solchen Bundesjustizminister restlos jedes Vertrauen versagen, und Sie dürfen mir glauben, daß ein solcher Bundesminister der Justiz auch in der Öffentlichkeit sowie insbesondere in der Justiz weithin nicht das Vertrauen besitzt, dessen jeder Bundesminister der Justiz, gleich welcher Partei, bedarf. Ich bin auch überzeugt, daß die meisten unter Ihnen bei der Rejerungskoalition mit mir der Meinung sind, daß Herr Dr. Dehler nicht den Vorstellungen entspricht, die man sich von einem demokratischen Bundesminister der Justiz zu machen pflegt. Vielleicht werden Sie von mir erwarten, daß ich irgendeinen Appell an den Herrn Bundesjustizminister richte und ihn zum Rücktritt auffordere. Dazu ist es zu spät, und ich verspreche mir von einem solchen Appell nichts, nichts, nichts.

(Ironische Zurufe rechts: Sehr richtig!)

Aber die Verantwortung für den Schaden, den. die
Demokratie und die Rechtspflege leidet, trifft Sie!

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe rechts.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113301000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0113301100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Schaden, der für die gemeinsame Rechtsüberzeugung in unserem Lande mit der vorhergehenden Rede angerichtet worden ist, beträchtlich ist.

(Zustimmung und Beifall in der Mitte und rechts.)

Es fällt außerordentlich schwer, auf diese Anwürfe gegen einen Mann und gegen die Führung einer Regierungspolitik in seinem Ressort in einer Form zu antworten, die nicht in jedem Wort Empörung ist. Es fällt schwer, sich nicht provoziert zu fühlen und daher eine Rede hinzulegen, wie wir sie in diesem Hause nicht hören wollen. Aber eins sei festgestellt. Sie sagten, Herr Kollege Arndt, wir beklagten uns über eine gewisse Entwicklung zur Radikalisierung in Niedersachsen im Wahlkampf.
Ich stelle hiermit fest: ohne das Verfahren, das Sie bei Ihrer Rede angewandt haben und Ihre Parteifreunde unter Ansprechen der verletzten Gefühle unseres gequälten Volkes seit den eineinhalb Jahren, in denen wir hier im Bundestag sitzen, anwenden, ohne dieses Verschulden einer Volksverhetzung wäre es unmöglich, daß wir in Deutschland diese Radikalisierung hätten.

(Stürmischer Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Arnholz: Das ist eine Gemeinheit! — Anhaltende Zurufe. — Erneuter lebhafter Beifall. — Abg. Meyer [Bremen]: Ohne Ihre Arroganz könnte man ruhig zuhören!)

Wir haben alle Energie angewandt, daß ein solches Verfahren in der politischen Auseinandersetzung nicht stattfindet.

(Andauernde Zurufe links.)

Wir haben uns bemüht, in allen Dingen Maß zu halten.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmid [Tübingen].)

— Was ich eben gesagt habe, mußte einmal ausgesprochen werden.

(Zustimmung und Beifall rechts.)

Es tut mir leid, daß ich so etwas aussprechen mußte. Ich habe bisher in meinen gesamten Ausführungen und auch meine politischen Freunde haben in der Art, wie wir unsere politischen Gedanken vorgetragen haben, diesen Ton vermieden. Aber nachdem es hier möglich gewesen ist, daß die Politik des Bundesjustizministers und damit die Politik der Regierung,

(Zuruf links: Das nennen Sie Politik?) insbesondere alles das, was zugunsten unserer Kriegsgefangenen getan worden ist, von meinem Herrn Vorredner in einer solchen Form kritisiert worden ist, wie man es als Deutscher nicht verantworten kann, muß ich sagen: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus! Diese Auseinandersetzung m u ß einmal stattfinden. Aber es ist ein Trauerspiel, daß wir uns in diese Auseinandersetzung hineinbegeben müssen ausgerechnet bei der Erörterung des wichtigsten gemeinsamen Fundaments, nämlich dem Gebiet der Rechtspolitik, dem kostbaren Gut des Rechts, von dem auch Herr Kollege Arndt gesprochen hat.


(Zuruf von der SPD: Das hätten Sie beachten sollen!)

Aber ich halte es für meine Pflicht, in aller Deutlichkeit klarzustellen: Wenn Sie dieses Gut, das uns alle verbindet und dem wir alle verpflichtet sind, zerstören wollen, dann üben Sie eine Kritik an der Justizpolitik, wie Sie es getan haben, eine Kritik, in der nicht ein Wort darüber enthalten gewesen ist, was in diesen schweren Jahren auf dem Gebiete der Rechtsschöpfung in der Bundesrepublik geschehen ist!

(Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

Nicht ein positives Wort ist darin gewesen!

(Zuruf links: Da lachen ja die Hühner!)

Das aber ist die Politik, die Sie und Ihre Freunde zum Nachteil des gemeinsamen Wohls nun bereits eine ganze Weile treiben.

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)

Sie haben kritisiert, daß das Bundesjustizministerium angesichts der Frage des vörkerrechtlichen Status' Deutschlands keine klare Konzeption entwickelt habe und mit ihm auch die gesamte Regierung nicht. Ich weise diese völlige Ent-


(Dr. von Merkatz)

stellung, die davon zeugt, daß man von den Arbeiten dieses Ministeriums offenbar überhaupt nichts kennt, mit allem Nachdruck zurück. Die Regierung und mit ihr die Koalition und jeder Deutsche, Sie und wir, sind immer von dem einen Grundsatz ausgegangen, daß das Deutsche Reich als Rechtspersönlichkeit, — so auch gemäß der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 —, bestehen geblieben ist. Wir sind von dem Grundsatz ausgegangen, daß zwischen der Bundesrepublik und der Rechtspersönlichkeit des alten Deutschen Reiches Identität besteht und daß auf der Grundlage der Identität die künftige politische Konzeption zu gewinnen ist, insbesondere unsere Einstellung gegen etwaige Vorwegnahmen vor dem Friedensvertrag. Die Frage, die Herr Kollege Arndt hier angeschnitten hat, gehört nur zu einem Teil zum Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums; es ist eine Frage, die in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes zu behandeln ist.
Ich weise, obwohl das nicht Gegenstand der heutigen Debatte sein kann, mit allem Nachdruck zurück, daß im Hinblick auf die Saarfrage die Bundesregierung und als deren Berater der Bundesjustizminister auch nur das geringste unterlassen habe, was in dieser Frage zu tun gewesen sei.

(Abg. Niebergall: Die Saar habt ihr abgeschrieben! Schon lange!)

In dieser Frage können wir lediglich mit dem Hinweis auf das Völkerrecht und mit den Mitteln der Rechtsverteidigung kämpfen. Alles, was auf diesem Gebiet überhaupt geschehen konnte, ist geschehen,

(Sehr gut! in der Mitte und rechts)

und ich bin überzeugt, diese Interessen Deutschlands, die die Interessen des Deutschen Reiches sind, werden nicht nur von der Koalition, sondern von diesem ganzen Hause in voller Gemeinsamkeit wahrgenommen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Daß man es für notwendig befunden hat, das Urteil gegen Hedler nochmals zum Gegenstand der Aussprache zu machen, — nun, dazu muß ich sagen, daß ich es eigentlich für etwas gedankenarm halte,

(Sehr richtig! rechts)

diese abgestandene Sensation erneut hervorzuziehen.

(Zuruf von der SPD: Das ist Ihnen wohl unangenehm?!)

— Das Urteil ist uns nicht unangenehm! Ich teile sogar die Auffassung von Kollegen Arndt in diesem Punkte, daß es nicht Aufgabe eines Gerichtes sein kann, historische Vorgänge justitiabel zu machen. Das ist tatsächlich nicht möglich. In der Weimarer Zeit haben alle diese Urteile einen außerordentlich schädlichen Einfluß gehabt, gleichgültig, wie sie ausgefallen sind.

(Abg. Arnholz: Na also!)

Aber daß man daraus für sich die Befugnis ableitet, einen Richter, der seine Pflicht tut, vor Abschluß des Verfahrens zu kritisieren, und zwar in einer ziemlich starken Weise sogar zu diffamieren, ist untragbar. Daß sich dann der Justizminister gegen dieses die richterliche Unabhängigkeit und die Würde der Justiz beeinträchtigende Verfahren zur Wehr setzt, das halten wir allerdings — und wir haben es damals zum Ausdruck gebracht —
für die einzig mögliche Haltung eines Justizministers in einem Rechtsstaat.

(Anhaltender lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)

Es sind hier Ausführungen über das alte Reichsgericht gemacht worden. Es ist gesagt worden, dieses Reichsgericht habe sich in allen Senaten dem vergangenen totalitären Regime gefügig gezeigt. Zur Ehre der deutschen Justiztradition halte ich es für notwendig, diesen Anwurf als eine schwere Entstellung zurückzuweisen.

(Zuruf des Abg. Dr. Greve.)

Die Tradition des Reichsgerichts war die letzte
Bastion, die überhaupt für Rechtsstaatlichkeit und
Rechtsgesittung in diesem Lande zurückgeblieben
war. Wenn wir diese Tradition nicht gehabt hätten,
hätten wir nun keine Möglichkeit des Neubeginns.

(Abg. Dr. Greve: Eine sehr morsche Bastion war das schon!)

— Daß diese Bastion so „morsch" war, Herr Kollege Greve, ist nicht das Verschulden des Reichsgerichts. Wenn die Methode, die aus der heutigen Debatte und aus der Kritik der Justizpolitik zu erkennen war, wiederum an Boden gewinnt, dann sind wir binnen fünf Minuten genau wieder soweit, daß wir sagen können: das deutsche Rechtsgefühl ist morsch!

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts. — Abg. Dr. Greve: Weil Sie nur die Klassenjustiz gebrauchen können, Herr von Merkatz!)

— Ach, was heißt „Klassenjustiz"? Was ist das für ein Unsinn? Was ist das für eine Diffamierung des deutschen Richters?

(Sehr richtig! rechts.)

Richter, die sich für das Interesse einer Klass hätten mißbrauchen lassen, — so etwas hat es niemals gegeben; wenn man mit einiger Unvoreingenommenheit auf die deutsche Justizgeschichte zurückblickt, wird man dies feststellen können.
Meine Damen und Herren! Das deutsche Schicksal ist nicht zuletzt eine Tragödie des Rechts gewesen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir sollten die Männer, die auf der letzten Schanze gestanden haben und die uns das lautere deutsche Rechtsdenken und die lautere deutsche Justiz in ihrer Tradition überkommen ließen, wir sollten unser eigenes Nest und unsere eigene Vergangenheit nicht beschmutzen. Wir Juristen kennen diejenigen, die charakterlich schwach gewesen sind, ganz genau.
Zu dem Vortrag, der das Gebiet des Richterwahlausschusses betraf, habe ich nichts weiter zu sagen. Wir haben uns auf diesem Gebiet einmal ausgesprochen, und unser Wort ist ein bindendes und endgültiges. Ich versage mir daher, auf die Polemik unseres Kollegen Arndt in diesem Punkt näher einzugehen.
Im Namen meiner Fraktionsfreunde habe ich nun noch — leider habe ich mich so lange mit der Polemik gegen die Rede des Kollegen Arndt aufhalten müssen — einige positive Dinge vorzutragen, die wir als Wünsche für die Zukunft haben. Mit besonderem Interesse verfolgen wir die Frage der Ausbildung und des Nachwuchses. Bei der Rechtspolitik des Bundes sollte die Möglichkeit einer neuen einheitlichen Justizausbildungsordnung erwogen werden, dabei insbesondere auch schon für den Referendar die Möglichkeit einer gewissen


(Dr. von Merkatz)

sozialen Sicherung, d. h. eines ausreichenden Unterhaltsbetrages erwogen werden. Ich bin mir bewußt, daß das eine Angelegenheit der Länder und nicht des Bundes ist, aber dabei sollten auch vom Bunde Impulse ausgehen.
Auch auf dem Gebiet des Presserechtes bestehen Lücken und Mißstände, die unbedingt ausgefüllt bzw. beseitigt werden müßten. Vor allen Dingen glaube ich, daß es — und darin hat das Justizministerium bereits viel geleistet — notwendig sein wird, eine Bereinigung der beiden Sphären, nämlich der des Besatzungsrechts und des deutschen Rechts, vorzunehmen, damit wir nunmehr von der Befugnis, das deutsche Recht in die deutsche Sphäre voll und ganz zurückzubilden, Gebrauch machen.
Ferner ist es unbedingt notwendig, die seit vielen Jahrzehnten anstehende Strafrechtsreform in vollem Umfange durchzuführen und im Zusammenhang mit dieser Strafrechtsreform auch eine Reform des Strafvollzuges, die alle Erfahrungen der modernen Psychologie berücksichtigt. Das ist eine Angelegenheit, die vom Bundesjustizministerium nur in Zusammenarbeit mit den Ländern in Angriff genommen werden kann. Aber in der gemeinschaftlichen Arbeit mit den Landesjustizministern muß auch Vorsorge getroffen werden, daß für den Strafvollzug in den Ländern größere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Denn es hat sich durch die Not der Zeit eine ungewollte und im Urteilsspruch nicht begründete Verschärfung des Strafvollzugs ergeben, die unbedingt beseitigt werden muß. Die Not, die beim Strafvollzug allerorten besteht, ist groß.
Ferner müßten alle Versuche, die einer weiteren Zersplitterung des deutschen Rechts Vorschub isten, in enger Zusammenarbeit mit den Landesjustizministern bekämpft werden. Besonders auf dem Gebiet des Rechts ist eine enge Fühlungnahme zwischen dem Bundesjustizminister und den Landesjustizministern - erforderlich. Was Herr Kollege Arndt_ im Hinblick .auf die Begriffe ,,Bundesgebiet" und „Geltungsbereich des Grundgesetzes" ausgeführt hat, teile ich voll und ganz. Hier ist eine praktische und klare Konzeption zu erarbeiten, die vor allem bei der Frage des Geltungsbereichs der Gesetze, die in der Bundesrepublik erlassen werden, einer genauen Prüfung bedarf.
Ich teile auch die Auffassung von Herrn Abgeordneten Arndt, daß die in der sowjetisch-besetzten Zone von einer angemaßten Gewalt erlassenen Gesetze als deutsche Gesetze nicht angesehen werden können, daß insbesondere bei Fragen der Rechtshilfe besondere Aufmerksamkeit erforderlich sein wird, damit nicht aus reinem Formalismus Mißstände entstehen.
Alles in allem möchte ich am Schluß meiner Darlegungen nochmals auf die dringende Notwendigkeit hinweisen, daß das rechtsstaatliche Denken und die Einstellung gegenüber dem Gesetz und gegenüber der Justiz ein gemeinsames Fundament sein muß, daß wir alles dazu beitragen müssen, um in Deutschland und in unserem Volk wieder eine lautere, feste, ja charakterfeste Rechtsgesinnung zu ermöglichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und der BP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0113301200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.

Dr. Kurt Georg Kiesinger (CDU):
Rede ID: ID0113301300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Dr. Arndt zwingen auch mich,' einiges dazu zu extemporieren. Die Gelegenheit einer Aussprache über den Justizetat hätte uns an sich zwingen können, uns in Sachlichkeit und Ruhe über das Nötige zu unterhalten. Ich habe wohl um die tragischen menschlichen Gegensätze, die zwischen Herrn Dr. Dehler und Herrn Dr. Arndt seit langer Zeit bestehen, gewußt und daher gefürchtet, daß die Debatte eine andere Wendung nehmen werde. Sie hat sie in der Tat auch genommen. Ich will nicht versuchen, mit derselben sprachlichen Schärfe, mit der Herr Dr. Arndt zu den Dingen Stellung genommen hat, zu antworten. Ich werde aber mit aller sachlichen Entschiedenheit antworten.

(Sehr gut! rechts.)

Ich möchte an die letzten Worte von Herrn Dr. Arndt anknüpfen, der gesagt hat, daß auch ein gewisses Mindestmaß an Menschlichem in der Demokratie unentbehrlich sei. Vielleicht ist sich Herr Dr. Arndt selber nicht immer klar bewußt, wie stark seine allzu zugespitzten Formulierungen den Gegner verwunden müssen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Man hat häufig kein echtes kritisches Vermögen mehr seinen eigenen Formulierungen gegenüber. Ich kenne Herrn Dr. Arndt ja aus der Arbeit der Ausschüsse und gestehe gern, daß ich dort seine sachliche Mitarbeit jederzeit geschätzt habe. Um so mehr tut es mir leid, daß er, sobald er hier auf die Tribüne tritt, eine wesentlich andere Sprache spricht, als er dies in der sachlichen Unterhaltung tut. So viel möge er mir, ohne daß ich irgendwie schulmeisterlich werden will, zu sagen erlauben.

(Abg. Dr. Arndt: Sie brauchen mir keine Grabrede zu halten!)

— Nein, das tue ich nicht. Im Gegenteil, ich will Sie durch meine Worte zu neuem, menschlicherem Leben erwecken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie haben, Herr Dr. Arndt, den Vorteil gehabt, hier gewisse Äußerungen und, wenn sie so stimmen, wie Sie sie vorgetragen haben, auch ohne Zweifel gewisse rednerische Entgleisungen des Herrn Bundesjustizministers vorzulesen. Aber, Herr Dr. Arndt, wenn wir schon vom Mindestmaß des Menschlichen in unserem gegenseitigen politischen Verkehr sprechen: es bedürfte wirklich nicht großer Mühe, um hier Berge von Äußerungen Ihrer politischen Freunde vorzulesen, die im Augenblick dieses Haus in eine wilde Orgie von Zorn und Entrüstung verwandeln würden.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir kennen doch alle diese Reden und diese Auslassungen. Ich selber, der ich mich vom ersten Tag meiner Tätigkeit an in diesem Hause bemüht habe, selbst im wildesten Wahlkampf noch eine Sprache zu sprechen, die des Respektes auch vor dem politischen Gegner nicht enträt, darf dazu ein Wort sagen. Ich verteidige keine rednerischen Entgleisungen, von niemandem. Ich verteidige aber auch nicht die rednerischen Entgleisungen des Herrn Dr. Schumacher. Sie sind häufig und sie sind so, daß gerade auch die Gutwilligen unter uns, die seiner Persönlichkeit Respekt zollen wollen, sich oft genug mühsam bändigen müssen, um nicht ihrerseits rednerische Entgleisungen zu begehen.

(Zustimmung in der Mitte.)



(Kiesinger)

Sie haben die Freundlichkeit gehabt, das Haus an mein Wort vorn ideologischen Existenzminimum zu erinnern. In der Tat, ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß unsere moderne Demokratie sich dieses ideologische Existenzminimum unter allen Umständen bewahren muß, wenn sie nicht in. einem wilden Kampf der Interessen untergehen will.

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

Aber dieses ideologische Existenzminimum wird nicht so leicht erarbeitet. Es wird auch auf dem Gebiete des Rechts nicht so leicht erarbeitet. Wir nehmen alle die Schlagworte aus dem vergangenen Jahrhundert, auch das Schlagwort des Rechtsstaates oder der rechtsstaatlichen Demokratie gern in den Mund. Aber wie sieht es um dieses Wort als Begriff in den verschiedenen Gehirnen aus? Der heute schon einmal zitierte und von mir als Mensch, Jurist und Politiker gleichermaßen verehrte, einstige politische Gegner meiner Richtung, Gustav Radbruch, hat in seinen jüngst erschienenen Lebenserinnerungen zu diesen Dingen einiges gesagt. Er hat z. B. gesagt, er persönlich habetiefe Genugtuung darüber, daß er jederzeit auch stürmischem Verlangen seiner Parteifreunde gegenüber auf der Unabhängigkeit des Richters bestanden habe. Wir wissen doch, daß der Rechtsstaat, wie er auf uns überkommen ist, eine Schöpfung des liberalen bürgerlichen Staates des 19. Jahrhunderts ist, daß von dort her seine Tradition lebt, vielleicht nicht immer in allem so, wie es die heutige Zeit fordern darf. Wir wissen aber auch, daß gerade auf der Seite des Sozialismus gewisse Tendenzen bestehen, die den Rechtsstaat gefährden können. Gustav Radbruch schreibt z. B. in diesen Erinnerungen, wie gewisse Tendenzen der damaligen jungen sozialistischen Generation sich in der Kampfparole verdichtet hätten: „Re-. publik, das ist nicht viel — Sozialismus ist das Ziel!" -

(Aha-Rufe bei den Regierungsparteien.) Hier liegt ein Problem, vor dem wir die Augen nicht verschließen dürfen. Der Sozialismus hat Tendenzen, die dem Rechtsstaat, wie wir ihn wollen und bewahren wollen, gefährlich werden können. Sie müssen es nicht. Ich bin nicht unbedingt der Meinung etwa des Sozialisten Schumpeter, der sagt: Der Sozialismus wird kommen, aber er wird ganz anders kommen, als seine Anhänger dies glauben; er wird eher faschistische als demokratische Züge tragen.


(Hört! Hört! in der Mitte.)

Hier sind Tendenzen, vor denen wir auf der Hut sein sollen. Mehr möchte ich nicht sagen. Ich akzeptiere gern, daß im deutschen Sozialismus, in der Tradition der deutschen Sozialdemokratischen Partei — und das ist ein Verdienst, das man anerkennen soll — die demokratische Tradition neben der sozialistischen immer stark gewesen ist, und ich hoffe, daß sie dieser Tradition auch in der neuen Ara treu bleiben wird.
Hier sehe ich gewisse Gegensätze nicht menschlich-persönlicher, sondern geistiger Art in der Auffassung von der rechtsstaatlichen Demokratie zwischen Herrn Dr. Dehler und Herrn Dr. Arndt. Niemand in diesem Hause wird Herrn Dr. Dehler, der heute so scharf attackiert worden ist, wirklich bestreiten können, daß er zu denen unter den neuen Politikern gehört, in denen das rechtsstaatliche Ethos und Pathos .am stärksten lebt.

(Sehr gut! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

In der Kritik, die Herr Dr. Arndt an ihm geübt I hat, ist er fast als ein autokratischer Finsterlin, erschienen, ein Mann, der die Rechte des Parlaments durch seine düstere Gutachtertätigkeit ständig einzuschränken trachte. Herr Dr. Arndt weiß genau, daß auch ich nicht mit alien Auffassungen des Herrn Bundesjustizministers einverstanden gewesen bin. Wie sollte es auch anders sein? Wir alle sind Menschen mit verschiedenen Auffassungen, Menschen auch mit unseren Widersprüchen. Aber ich kann mich an kein einziges Gutachten erinnern, in dem wirklich diese kritisierte Tendenz auch nur in eines Gedankens Blässe zum Ausdruck gekommen wäre.

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Rufe bei der SPD: Oho!)

Die rechtsstaatliche Demokratie, die parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes, sie ist ja eine noch nicht zu Ende diskutierte Angelegenheit. Es wird immer so sein, daß diejenigen, die auf den Regierungsbänken sitzen, stärker danach tendieren werden, die Prärogative der Exekutive zu betonen, und diejenigen, die auf diesen Bänken sitzen —, dazu zähle auch ich mich — werden bemüht sein, die Rechte des Parlaments gegen Übergriffe der Exekutive zu sichern. Darüber sollten wir uns nicht großen Aufregungen hingeben. Überhaupt hatte ich leider aus den Ausführungen von Herrn — —(Abg. Dr. Greve: Wenn ein Gesetzgebungsmonopol des Ministeriums daraus gemacht
wird!)
— Gut, wenn Sie mich an dieses Wort erinnern, Herr Kollege Greve, Sie sind Jurist und wissen, was in Wahrheit gemeint war: Nicht das Gesetzgebungsmonopol, das Rechismonopol war es ja wohl, das Herr Dr. Arndt zitiert hat.

(Abg. Dr. Greve: Ich sage jetzt: Gesetzgebungsmonopol des Ministeriums!)

Aber daß die Schaffung, die Fortbildung, die Weiterentwicklung des Rechts in einer Demokratie nicht ausschließlich Angelegenheit des Parlaments ist, liegt doch offenbar vor aller Augen. Die Richterschaft jedes Landes hat die hohe Aufgabe, das Recht weiterzubilden. Jeder, der auch nur einmal in irgendeinem Lande die lange Reihe von Bänden der Rechtsprechung der obersten Gerichte durchgesehen hat, weiß doch, wie aus den schmalen Räumen eines Gesetzes heraus eine gewaltige Fülle von Recht durch Rechtsprechung geschaffen und entfaltet wird.
Aber nun zu einigen kritischen Feststellungen von Herrn Dr. Arndt ein — ich muß schon sagen — mahnendes Wort. Zunächst hatte ich den Eindruck, als ob Herr Dr. Arndt. hier eine außenpolitische Debatte heraufbeschwören wolle, als er dem Herrn Bundesjustizminister die Verantwortung für die Außenpolitik des Bundes auferlegen wollte. Ich bin gewiß, daß der Herr Bundesminister diesen hohen Ehrgeiz nie gehabt hat.

(Zuruf von der SPD: Wer weiß!)

Ich muß aber vor allen Dingen zu einer Bemerkung von Herrn Dr. Arndt Stellung nehmen, und zwar zu der Kritik gegenüber der Äußerung des Herrn Bundeskanzlers, als er über die Kriegsgefangenenfrage sprach. Hier hat Herr Dr. Arndt zunächst einmal festgestellt, nach seiner Auffassung sei nicht genügend geschehen, um das Los unserer Kriegsgefangenen draußen zu lindern. Verehrter Herr Dr. Arndt! Sie haben genau so wie ich die Tätigkeit der Rechtsschutzstelle im Bundesjustiz-


(Kiesinger)

ministerium verfolgt. Wir alle waren doch ständig damit beschäftigt. Bin ich denn blind gewesen, als ich bei meinen Nachforschungen die Arbeit dieses Amtes beobachtete? Wer immer an diese Stelle herankam, wegen eines Angehörigen bangend, gewann den Eindruck, daß dort Menschen tätig sind, die alles tun, um das Los der Gefangenen zu erleichtern!

(Sehr richtig! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich frage dieses Haus und alle, die einmal mit dieser Stelle zu tun hatten, ob sie etwa den Eindruck bekommen haben, daß dort schwere Versäumnisse begangen worden sind.

(Zuruf rechts: Im Gegenteil!)

Gewiß, Herr Dr. Arndt, ich will gern zugestehen, wenn es um das Schicksal unserer noch immer im Ausland befindlichen Kriegsgefangenen geht, sollte man gar nicht das Wort gebrauchen: Es ist alles getan worden, was geschehen kann. Jeder, der in diesen Dingen tätig ist, müßte sagen: Es ist noch nicht genug geschehen! Es kann überhaupt nicht genug geschehen in diesen Dingen. Aber es ist soviel geschehen, wie in Menschenkraft, was in der Kraft dieser Regierung steht, und wir schulden den Menschen, die sich dafür eingesetzt haben, allen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun lassen Sie mich — um auch wieder zu rügen, daß Herr Dr. Arndt gewisse Dinge in einer übermäßigen Zuspitzung formuliert hat, so daß sie, ohne daß er's vielleicht will, falsch erscheinen — zu dem Wort des Herrn Bundeskanzlers Stellung nehmen. Ich habe mir das Protokoll geben lassen und lese mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers noch einmal zur Stärkung der Erinnerung des Hauses vor. Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer hatte zu der Verurteilung des Generals Ramcke Stellung genommen und gesagt: „Seine Verurteilung ist unerwartet." Dann fuhr er wörtlich fort:
Ich möchte mich in diesem Augenblick aller weiteren Bemerkungen enthalten. Bei dieser Frage wie auch bei der Frage nach dem Los deutscher Gefangenen in anderen Ländern spielen psychologische Dinge auch auf der anderen Seite eine sehr große, manchmal sogar eine entscheidende Rolle. Ich bitte diese Gefangenen, und zwar alle und ihre Angehörigen, davon überzeugt zu sein, daß die deutsche Bundesregierung alles tut, was in ihrer Kraft steht, um das Los der Gefangenen zu erleichtern und ihnen baldmöglichst die Freiheit wiederzuverschaffen. Aber in diesen Dingen kommt man viel weiter, wenn man nicht zu viel darüber redet.
Meine Damen und Herren, alle, die sich mit diesen Dingen zu befassen hatten, wissen doch, daß auf ganz weiten Strecken dieses Gebietes einfach nicht geredet und gelärmt werden durfte, gerade damit die armen Kriegsgefangenen ihre Freiheit wiederbekamen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Ich will auch jetzt nicht darüber reden, aus dem gleichen Grunde, der uns schon früher veranlaßt hat, die Dinge nicht an die große Glocke zu hängen. Der Herr Bundeskanzler hat doch nicht vom Rechte gesprochen, das eingeschränkt werden müßte. Er hat einfach darauf hingewiesen, daß das Pochen auf das Recht unter Umständen für diese armen Menschen das Gegenteil dessen bewirke, was man ihnen erstreiten will.

(Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, damit kann ich diese Frage verlassen.
Wenn Herr Dr. Arndt den Herrn Justizminister Dr. Dehler mitverantwortlich macht für eine falsche staats- und völkerrechtliche Konzeption, die die Deutsche Bundesregierung vor allen Dingen in eine — wie er meint — verkehrte und verhängnisvolle Außenpolitik hineintreibe, dann ist es das gute Recht des Vertreters der Opposition, seine Auffassung darzustellen und die nach seiner Auffassung falsche Politik der Regierung zu rügen. Allerdings läßt sich im Rahmen einer solchen kurzen Debatte dieses schwierige Gebiet natürlich nicht behandeln. Wenn ich die Saarfrage herausgreifen darf, dann genüge die Feststellung, daß die Bundesregierung hier vom ersten bis zum letzten Augenblick eine völlig klare Konzeption gehabt hat, die Konzeption nämlich, daß die vollzogenen Akte und faktischen Zustände Unrecht sind und daß dieses Unrecht bei einem kommenden Friedensvertrage gutzumachen ist.

(Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Die Frage der Methode, mit der man dieses Ziel erreicht, also die Frage, ob man die Saarfrage heute zu einer großen aktuellen Tagesstreitfrage macht oder ob man dieses Problem zu einem anderen Zeitpunkt aufgreift, wird im übrigen immer streitig bleiben. Kein Mensch kann von sich behaupten, vor allen Dingen kein Außenpolitiker, daß er allwissend sei. Wir müssen Vorwürfe dieser Art in Kauf nehmen, und wir hoffen und erwarten, daß die kluge, maßvolle, vorsichtige und bei aller Vorsicht feste Politik der Bundesregierung eines Tages beweisen wird, daß sie richtig war.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich will mich noch ganz kurz zu der Frage der Eigenart des deutschen Richtertums, der richterlichen Unabhängigkeit usw. äußern. Ich weiß mich mit Herrn Kollegen Dr. Arndt in vielen dieser Fragen völlig einig. Ich bin z. B. mit ihm einig — wir haben es ja im Rechtsausschuß gemeinsam durchgehalten —, daß man sicherlich beim Gebrauch von bestimmten eingebürgerten Schlagwörtern, Ausdrücken, vorsichtiger sein könnte. Das Wort vom Geltungsbereich des Grundgesetzes zum Beispiel, für das Herrn Dr. Arndt das Verdienst gebührt, ist richtig; es zeigt unseren rechtlichen Standpunkt. Aber man sollte es nun nicht zum Anlaß einer großen, scharfen Kritik nehmen, wenn sich ein solcher guter Sprachgebrauch nicht sofort allgemein einbürgert. Auch ich bin dafür, daß wir bei uns im Lande einen Richterstand bekommen, der ebenso unabhängig — äußerlich wie innerlich —wie volksnahe ist; und ich bin weit davon entfernt, zu sagen, daß dieser Richterstand ideal sei. Meine Damen und Herren, dieses ganze deutsche Volk ist nicht ideal!

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wie alle Menschen auf der Welt höchst problematische Wesen sind, so teilt auch das deutsche Volk dieses menschliche Schicksal. Vielleicht hat es am allgemeinen menschlichen Schicksal in den letzten Jahren etwas zu stark nach der Richtung des Kranken hin teilgenommen. Jeder, der im Volke herumhört, mit den Leuten diskutiert, spürt doch,


(Kiesinger)

wie verstört und verwirrt die Herzen unserer Menschen sind.
Hier knüpfe ich an eine Kritik an, die Herr Dr. von Merkatz geübt hat. Meine Damen und Herren von der Opposition, auch ich stehe wie die meisten von uns ständig draußen in der Auseinandersetzung mit den Leuten; und etwas von dem, was Herr von Merkatz gesagt hat, muß auch ich in schwerer Sorge — nur sie bewegt mich dazu — Ihnen zu bedenken geben: daß in einer Zeit wie der unseren, wenige Jahre nach einer furchtbaren Katastrophe, diesem Volke ununterbrochen vorgeredet wird: „Dir geht es schlecht, es könnte dir besser gehen, es geht dir nur deswegen nicht besser, weil irgendein stures Besitzbürgertum das nicht anders haben will und weil Kapitalismus, Klassenstaat und alle diese Dinge da sind."

(Zuruf von der SPD: Ist das etwa nicht wahr?!)

Meine Damen und Herren, gestern hatten wir hier ein gemeinsames großes Werk zustande gebracht; und am Schluß dieses gemeinsamen großen Werkes wagte es einer Ihrer Abgeordneten, hier aufzustehen und zu sagen, die Regierungsparteien hätten durch ihre Politik unsägliches Leid über Millionén von Menschen gebracht!

(Zuruf von der SPD: Wahrheit! — Weitere Zurufe von der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

Das ist doch einfach nicht wahr! Der wirkliche Gegensatz zwischen uns ist doch ein ganz anderer, wenn wir es ehrlich sagen. Hüben wie drüben wird es Menschen geben, die mit echter und idealistischer Überzeugung Politik machen, und es wird Leute geben, die aus irgendwelchen anderen Gründen Politik machen. Aber eines steht fest: Willen zu sozialer Gerechtigkeit müssen wir Menschen aus beiden Lagern zugestehen. Die Frage ist nur, ob soziale Gerechtigkeit auf sozialistischem Wege gefunden werden kann, oder ob der Weg zu sozialer Gerechtigkeit ein nichtsozialistischer sein muß.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Mellies.)


(Abg. Mellies: Kennen Sie die durch diese Wirtschaftspolitik entstandene Lage der Sozialrentner?)

— Herr Mellies, auch die Lage der Sozialrentner wird in allerkürzester Zeit von meiner Fraktion gebessert werden; denn meine Fraktion ist nicht willens, etwa ein Gesetz nach Art. 131 durchzubringen und gleichzeitig die Lage der Sozialrentner nicht erheblich zu bessern.

(Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Abwarten!)

Wenn ich überzeugt wäre, daß der sozialistische
Weg der Weg der sozialen Gerechtigkeit wäre,
dann würde ich heute Sozialist werden. Weil ich
aber davon überzeugt bin, daß dieser Weg nicht
der richtige Weg ist, deswegen bin ich es nicht.

(Sehr gut! in der Mitte. — Zuruf links.)

Warum ich das alles sage? — Weil ich draußen in unserem Volk ununterbrochen auf Menschen treffe, die, von Schlagworten gefüttert, von Schlagworten verstört und über sie empört,

(lebhafter Beifall in der Mitte)

.die politische Diskussion in unserem Vaterland zu jenem unseligen Schauspiel machen, das wir tagtäglich erleben müssen.

(Abg. Mellies: Wen meinen Sie damit? — Abg. Dr. Greve: Kommen Sie bloß mal nach Niedersachsen, wie da Bundesminister reden, in Hannover in der Niedersachsenhalle!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113301400
Herr Greve, Sie können sich gleich zum Wort melden.

Dr. Kurt Georg Kiesinger (CDU):
Rede ID: ID0113301500
Gut, schön, ich habe nie gesagt, daß diese Schuld einzig und allein etwa bei den Sozialdemokraten liege.

(Zurufe von der SPD.)

Aberes ist nun einmal so, die sozialdemokratische Partei ist die stärkste Partei der Opposition; sie ist eine Partei, auf die man schon allein wegen ihrer Zahl schauen und mit der man, jawohl, auch wegen ihrer Tradition rechnen muß. Mich kümmert nicht, was ein paar rabiat gewordene vorgestrige Rechtsradikale sagen,

(Zuruf des Abg. Mellies: Und Herr Erhard?) das ist nicht ernst. Gewiß, was jetzt in Niedersachsen vor sich geht, mag ein Alarmzeichen sein. Ich bin aber nicht besorgt. Ich glaube, wenn dieses ideologische Existenzminimum, das unser aller ist, von uns endlich in gemeinsamer Liebe zu dieser gemeinsamen politischen Heimat, die wir bauen wollen, realisiert wird, dann ist es sehr bald zu Ende mit diesen Radikalisten von drüben.


(Beifall in der Mitte.)

Weil wir auf Sie angewiesen sind, weil diese große Opposition die Mitverantwortung an unserer Politik trägt, deswegen diese Beschwörung an Sie. Auch wir werden und müssen Selbstbesinnung und Gewissenserforschung üben, gewiß. Aber machen Sie, meine Herren von der Opposition, es uns nicht allzu schwer!
Ich darf mich noch ein paar positiven Dingen zuwenden. Auch ich wünsche, daß möglichst bald endlich das große Werk der Strafrechtsreform zustande kommt. Die Juristen unter uns wissen, daß so viele Jahre vergeblich daran gearbeitet worden ist, daß immer wieder das Unglück es gewollt hat, daß das neue Strafgesetz, das wir dringend brauchen, nicht zustande gekommen ist. Hier steht dem Herrn Justizminister und seinem Ministerium eine große Aufgabe bevor.
Ferner möchte ich mich insbesondere dem Appell von Herrn Dr. von Merkatz anschließen: Die junge Juristengeneration, unser Nachwuchs, sollte eine ganz besondere Sorge für das Justizministerium sein. Ich weiß, es ist Länderangelegenheit, aber wenn irgendwo die Länder zusammenarbeiten und sich zusammenfinden müßten, dann wäre es auf diesem Gebiet. Denn diese jungen Menschen sind es, die später zwangsläufig in wichtige Positionen des öffentlichen Lebens einrücken müssen. Diese Menschen von dem bloßen öden Trott eines handwerklichen Juristendaseins wegzubringen, sie hinzuleiten zum Staat und zu den öffentlichen Aufgaben, sie mit dem großen Ethos und Pathos der rechtsstaatlichen Demokratie zu erfüllen, ist eine Aufgabe, die wahrhaft des Schweißes der Edlen wert ist. Wenn diese Aufgabe erfüllt wird, dann werden wir einmal eine staatsbürgerliche Elite haben, auf die wir stolz sein können und auf die wir uns verlassen können. Hier sollte Länderegoismus zurücktreten zugunsten eines gemeinsamen großen Werks.
Ich kenne den ..Betrieb an unseren Universitäten und in den Vorbereitungsstadien unserer Gerichte. Es ist da keineswegs alles erfreulich. Viel zuviel ist da


(Kiesinger)

noch alter öder Trott. Viel zuviel werden die jungen Kräfte mit Stoff überfüttert, der ihnen auf den Universitäten geboten und bei den Examina zugemutet wird. Viel zuviel werden die jungen Referendare während ihrer Gerichtslaufbahn mit öder Tagesarbeit überlastet, ohne dem eigentlichen Ziel der Ausbildung, nämlich der Ausbildung zum vollen Juristen, zugeführt zu werden. Ich möchte dem Herrn Justizminister dieses Anliegen sehr ans Herz legen.
Wir haben auf dem Gebiet der Jusitz eine große Arbeit zu tun. Die Rechtskrise unserer Zeit ist eine Seelenkrise, eine Erscheinung der Seelenkrise unseres Volkes. Daß es zu den bösen Dingen unserer jüngsten Vergangenheit gekommen ist, liegt in dieser Seelenkrise unseres Volkes begründet. Man darf von der Arbeit eines Justizministeriums des Bundes keine Wunder erwarten, aber wir alle sind dafür verantwortlich — nicht nur der Herr Bundesjustizminister —, daß in diesem Volk wieder ein echter Rechtssinn erwache, lebendig werde und lebendig bleibe. Ist einmal dieser Rechtssinn — gleichgültig, welcher Interessengruppe einer angehöre — wieder da, dann ist das vorhanden, was unser Staat braucht, um zu leben: dann ist auch die Seele dieses Staates wieder da!

(Lebhafter und langanhaltender Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113301600
Das Wort hat der Abgeordnete Neumayer.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0113301700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich will versuchen, nach den Worten des Herrn Kollegen Dr. Arndt die Ruhe zu bewahren. Wenn wir hier eine Kritik am Justizministerium üben sollen oder wollen, müssen wir uns vergegenwärtigen, wie die Situation war, als unsere Regierung ihr Amt übernahm. Nur dann, wenn wir die damaligen Zustände in Betracht ziehen, kann die Größe dessen ermessen werden, was bereits geleistet worden ist, und kann auch die Größe der Aufgabe erkannt werden, die dem Justizministerium obliegt.

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, wie war es denn damals? Eine völlige Rechtszersplitterung, das Recht aufgerissen durch die Zonengrenzen. Wie war es weiter in unserem Volke selbst? Ich knüpfe hier an das an, was Herr Kollege Kiesinger vorhin ausführte. Etwas war zerbrochen in unserem Volk. Es war zerbrochen der Glaube an das Recht, der Glaube an die menschliche Gerechtigkeit. Und wie kam das? Das war durch die Vorgänge im „Dritten Reich" gekommen, als unter der Maske des Rechts das Unrecht Triumphe feierte. Es war dadurch gekommen, daß durch die gelenkte Rechtsprechung die Unabhängigkeit der. Richter zwar öffentlich proklamiert wurde, in Wirklichkeit aber nicht mehr vorhanden war.
Der Glaube an den Rechtsstaat, der Glaube an die Gerechtigkeit war aber auch aufs tiefste durch Maßnahmen getroffen, die nach dem Kriege eingesetzt haben. Das rechtsstaatliche Denken war zerrüttet: durch die Diffamierung unserer Soldaten, durch verschiedene Maßnahmen der Alliierten, die dem deutschen Rechtsgefühl keine Rechnung trugen, durch die Art und Weise, wie die Entnazifizierung durchgeführt wurde.

(Sehr gut! rechts.)

Es war auch zerrüttet durch die Einstellung einer
Reihe von Leuten in öffentliche Ämter, die zu
ihrem Befähigungsnachweis nichts mitbrachten als einen mehr oder weniger weißen Fragebogen.

(Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

Wenn man diese Zustände betrachtet, dann wird man beurteilen können, was hier schon geschehen ist. Natürlich durfte man' von einer Tätigkeit von 11/2 Jahren keine Wunder erwarten. Aber der Aufbau, den das Justizministerium zur Wiederherstellung des Rechtsstaates und damit auch zur Wiedererweckung der rechtsstaatlichen Gesinnung geleistet hat, ist wirklich bewundernswert.
Ich will hier auf die vielen gesetzlichen Maßnahmen, die zur Vereinheitlichung des Handelsrechts, des Wirtschaftsrechts, des bürgerlichen Rechts getroffen wurden, nicht im einzelnen eingehen. Lassen Sie mich nur einige große Gesetzeswerke nennen, die für das, was hier geschehen ist, grundlegend waren. Ich möchte zunächst das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet des Zivilprozesses, auf dem Gebiet des Strafprozesses und auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung hervorheben. Diese Gesetze gehen von dem Grundsatz aus, daß nicht nur die Rechtseinheit wieder hergestellt werden, sondern auch die Rechtssicherheit und der Rechtsschutz des einzelnen in besonderem Maße wieder gewährleistet sein müsse. Zu diesem Zweck wurde auf die Erleichterung in der Einlegung von Rechtsmitteln und die damit zusammenhängende Rechtssicherheit und den Rechtsschutz besonderes Augenmerk gerichtet. Weiter möchte ich auf das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof Bezug nehmen. Herr Kollege Arndt, Sie haben an diesem so schwerwiegenden Gesetz selbst mitgearbeitet, und Sie wissen, wie schwer es gerade dem Herrn Bundesjustizminister gefallen ist, seine Lieblingsidee des roulierenden Systems bei der Struktur des Verfassungsgerichts aufzugeben. Er hat aber schließlich dieses Opfer trotz inneren Widerstrebens gebracht. Und warum? Doch nur deswegen, damit eine möglichst breite Mehrheit einschließlich der Sozialdemokratischen Partei für dieses Gesetz gefunden werde, das ja einen Markstein in der Entwicklung unserer jungen Demokratie bedeutet.

(Abg. Dr. Greve: Wir doch auch! Wir haben doch auch etwas von unserer Konzeption aufgegeben! Der Justizminister kann das doch nicht für sich allein in Anspruch nehmen!)

— Wir haben uns alle geeinigt. Ich weise ja nur darauf hin, daß jener Vorwurf, als ob hier parteipolitische Interessen im Vordergrund gestanden hätten, völlig unbegründet ist.

(Abg. Niebergall: Daran glauben Sie doch selber nicht!)

Schließlich möchte ich noch auf das Gesetz über die Strafrechtsänderung, das uns bereits vorliegt, das im Rechtsausschuß aber noch nicht verabschiedet ist, Bezug nehmen und bemerken, daß auch dieses Gesetz von äußerster Wichtigkeit ist, weil es den Schutz unseres jungen Staates bezweckt. Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß es uns bald gelingt, dieses Gesetz zu verabschieden.
Meine Damen und Herren! Es ist vorhin gerügt worden, daß in der Frage der Kriegsgefangenen noch nicht soviel getan worden sei, wie möglich wäre. Ich möchte demgegenüber betonen, daß nach einer persönlichen Mitteilung eines Mitgliedes dieses Hauses von allen Seiten bestätigt werden kann, daß nicht nur in Belgien und Frankreich, sondern auch in den Niederlanden, in Jugoslawien und Griechenland für unsere Kriegsgefangenen alles getan worden ist. was nur irgend möglich ist, und


(Neumayer)

daß diese Kriegsgefangenen das auch selbst anerkannt haben.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Diese Rechtsschutzstelle, die beim Justizministerium eingerichtet worden ist, hat sich außerordentlich bewährt.

(Zuruf des Abg. Dr. Arndt.)

Es war eine der ersten Taten des Herrn Justizministers, daß er diese Stelle hier eingerichtet hat.

(Abg. Dr. Arndt: Nein, die war schon viel älter! Davon habe ich ja gar nicht geredet, Herr Neumayer!)

— Sie ist hier eingerichtet worden; sie war nicht älter — Es mag sein, daß in Frankfurt eine gewesen ist.

(Abg. Dr. Arndt: In Stuttgart!)

— Das weiß ich nicht. Aber jetzt hat der Bundesjustizminister hier in Bonn darauf gedrungen, daß eine solche Stelle sofort errichtet wird.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß es doch eine -Tat war, ein oberes Bundesgericht zu schaffen, so daß wir wieder die Einheit der Rechtsprechung in Deutschland erwarten dürfen. Das wird besonders dazu beitragen, den Rechtsschutz und die Rechtssicherheit zu stärken und damit auch wieder das rechtsstaatliche Denken unseres Volkes zu beleben.

(Abg. Dr. Greve: Das hat doch der Parlamentarische Rat gemacht!)

— Das hat der Parlamentarische Rat gemacht. Es konnte aber, Herr Kollege Greve, erst auf Grund der kleinen Justizreform durchgeführt werden, die wir hier in diesem Hause gebilligt haben und die der Bundesjustizminister vorgelegt hat.

(Abg. Dr. Greve: Es war die Pflicht des Bundsjustizministers, das zu tun!)

— Das war die Pflicht des Justizministers, selbstverständlich; aber er hat sich dieser Pflicht mit großer Eile unterzogen.

(Abg. Dr. Greve: Das mußte er auch! — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113301800
Herr Abgeordneter Dr. Greve, Ihre Fraktion hat noch 5 Minuten Redezeit; Sie können sich alsdann zum Wort melden.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0113301900
Ich möchte hier feststellen, daß sich der Justizminister den Aufgaben, die ihm gestellt waren und die er sofort klar erkannt hat, mit großer Energie unterzogen und daß er alles getan hat, um diesen Aufgaben in der kurzen Zeit, die ihm zur Verfügung stand, zu genügen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Arndt hat hier bittere Kritik geübt. Kritik ist erwünscht und ist notwendig, und es ist ein Vorrecht der Opposition, Kritik zu üben. Wenn aber Kritik die objektive Betrachtungsweise vermissen läßt und zu kritiklosen, auf persönlichen Ressentiments beruhenden Angriffen wird,

(Na, na! bei der SPD)

dann muß sie zersetzend wirken.

(Abg. Dr. Arndt: Das beweisen Sie erst einmal!)

Was hier vorgetragen worden ist, war nicht dazu angetan, das Ansehen der jungen Bundesrepublik, das Ansehen unseres Rechts und unserer Gerichte hei der Bevölkerung zu vertiefen;

(Sehr richtig! bei der FDP) es war dazu angetan, dies Ansehen in den Staub


(Sehr richtig! bei der FDP.)

Es war der Geist, der stets verneint, der aus den Worten des Redners der sozialdemokratischen Opposition gesprochen hat,

(Beifall bei der FDP — Lachen- und Zurufe bei der SPD)

und diese Verneinung muß zur Zersetzung führen.
Ich will nicht auf die einzelnen Vorwürfe eingehen. Mein Kollege und Freund Dr. Schneider wird darüber noch sprechen. Aber eines will ich hier feststellen. Der Herr Bundesjustizminister hat es nicht nötig, sich hier über Nationalgefühl belehren zu lassen.

(Lachen bei der SPD.)

Auch der Bundesjustizminister hat nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß de jure das alte Deutschland noch besteht. Er hat nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Saar und das Land jenseits der Oder und der Neiße von uns als deutsches Land zu betrachten ist.

(Beifall bei der FDP.)

Was -Sie hier gepredigt haben, das war Nationalismus,

(Au! bei der SPD)

der zum Radikalismus führen muß,

(Zuruf von der SPD: Entsetzlich!)

und eine solche Art und Weise des Vortrags ausgerechnet bei der Behandlung des Justizetats lehnen wir ab. Es war ja überhaupt schon sehr merkwürdig, daß man, um Vorwürfe gegen den Herrn Justizminister erheben zu können. sich in das Gebiet der auswärtigen Politik, die schließlich den Justizminister von Haut und Haaren nichts angeht, flüchten mußte,

(Sehr gut! bei der FDP)

und es war sehr merkwürdig, daß man aus allen möglichen Zeitungsartikeln, die man sigh zusammengesucht hatte, hier Vorwürfe erhoben und die Persönlichkeit des Mannes, der für das Bundesjustizministerium verantwortlich ist, in seiner menschlichen Qualität anzuzweifeln versucht hat.

(Abg. Dr. Greve: Das stimmt ja gar nicht!) Auch diese Vorwürfe weisen wir entschieden zurück, und wer die Äußerungen des Herrn Justizministers gelesen hat — sie mögen vielleicht einmal über das Ziel hinausgeschossen sein —, der wird nie verkennen können, daß diese Äußerungen aus einem heißen deutschen Herzen kamen.


(Zurufe von der SPD.)

Das war aus allem, was er gesagt hat, immer wieder ohne weiteres zu erkennen.

(Abg. Dr. Greve: Wir halten ihn ja auch gar nicht für einen Chinesen!)

— Ich habe sie nicht alle gelesen, Herr Kollege Greve.

(Abg. Dr. Greve: „Gelesen" habe ich nicht gesagt, sondern „Chinesen"!)

Ich habe nicht die Zeit dazu, alle Äußerungen der Minister, die irgendwo in einem Blatt erscheinen, nachzulesen. Das war Ihnen überlassen.

(Abg. Niebergall: Freie Demokraten sind auch Patentdeutsche!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben von dem Herrn Justizminister gehört, welche großen Aufgaben er noch zu bewältigen hat.

(Aha! bei der SPD.)


Neumayer)
Wir haben gehört, daß eine Rechtsanwaltsordnung in Aussicht genommen wird, die wieder auf der freien Advokatur, die auch wir wünschen und bejahen, beruhen wird. Wir haben weiter gehört, daß er besonderen Wert darauf legt, daß allseitig gebildete Richter amtieren, daß also das Niveau des Richters als solchen gehoben wird und daß den Richter ein allgemeiner weiter Blick auszeichnen soll. Das ist, wie der Herr Justizminister auch ausgeführt hat, nur möglich, wenn die materiellen Voraussetzungen hier gegeben werden. Wir begrüßen die Initiative auf diesem Gebiet, und wir hoffen und wünschen, daß es bald möglich sein wird, auch diese Gesetzentwürfe dem Bundestag vorzulegen. Desgleichen sind wir der Auffassung, daß das neue Strafrecht baldigst in Angriff genommen werden soll.
Nun sind seitens des Herrn Kollegen Arndt noch wegen eines angeblich ausgegebenen Repräsentationsfonds von 18 000 DM Vorwürfe erhoben worden.

(Zurufe von der SPD.)

Ich möchte dazu nur ganz kurz bemerken, daß allein 6000 DM für den Bundesgerichtshof zur Einweihung und zur Feierlichkeit einschließlich der verschiedenen Festschriften, die an diesem Tage ausgegeben worden sind, verwandt worden sind.

(Zuruf von der KPD: Unnötiges Geld!) Weitere 3000 DM sind dem Bundespatentamt und dem Bundesgerichtshof zur Repräsentation überwiesen worden, so daß noch ein Rest von 9000 DM übrigbleibt. die zu Repräsentationszwecken vor dem hiesigen Ministerium ausgegeben worden sind. Dieser Betrag bleibt hinter den Beträgen zurück, die allgemein von den Ministerien ausgegeben worden sind oder ausgegeben werden.

Herr Kollege Arndt hat noch auf den Hedler-Prozeß verwiesen. Ich mache darauf aufmerksam, Herr Arndt: Sie sinn eingetreten für die Unabhängigkeit der Richter, Sie haben betont, daß Sie die Unabhängigkeit der Gerichte in den Vordergrund stellen. Deswegen ist es mir unverständlich, wie Sie hier den Bundesjustizminister dafür verantwortlich machen können, wenn ein nach Ihrer Auffassung unrichtiges Urteil in einem Strafprozeß gefällt worden ist.

(Abg. Dr. Greve: Doch nicht dafür!)

Abgesehen davon ist das Sache der Landesminister.

(Abg. Dr. Greve: Nein! Weil der Bundesjustizminister dazu Stellung genommen hat, und zwar falsch Stellung genommen hat!)

— Dann wäre es unnötig, es- hier vorzutragen, wenn er nicht dafür verantwortlich gemacht wird!
— Wir haben es ja hier mit dem Etat des Bundesjustizministers zu tun und nicht mit dem Etat der Länderminister. Sie wissen ja alle, daß der Bundesjustizminister auf die Besetzung der einzelnen Richterstellen überhaupt gar keinen Einfluß ausüben kann, daß das Sache der Länder ist. Warum also diese Vorwürfe hier?
Meine Damen und Herren! Zum Richterwahlausschuß hat Herr Kollege von Merkatz schon die nötige Erklärung abgegeben. Ich versage es mir hierzu noch einmal Stellung zu nehmen, nachdem wir unsere diesbezügliche Erklärung auch Ihnen gegenüber, Herr Dr. Arndt, mit Nachdruck zur Geltung gebracht haben.
Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an. dem Herrn Bundesjustizminister und seinen hervorragenden Mitarbeitern für alles das, was in der
Zeit seit dem Bestehen des Bundesjustizministeriums in stiller, aufopfernder Arbeit geleistet worden ist, — geleistet worden ist im Dienste des Volkes und im Dienste des Rechtes —, meinen Dank und den Dank meiner Fraktion auszusprechen.

(Beifall "bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113302000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.

Dr. Ludwig Schneider (CDU):
Rede ID: ID0113302100
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, die Debatte durch absolut ruhige Ausführungen wieder in ein etwas ruhigeres Fahrwasser zurückzuführen. Herr Kollege Arndt hat heute hier versucht, wie er sich ausdrückte, „bittere Kritik" an dem Herrn Justizminister zu üben. Es ist nach meiner Auffassung das gute Recht jeder Gruppe hier im Hause und auch jedes einzelnen Abgeordneten, Kritik zu üben, wenn er es für notwendig findet. Aber, meine Damen und Herren, es kommt nicht allein darauf an, Kritik zu üben, sondern es kommt nach meiner Auffassung sehr entscheidend auf das Ausmaß und auch letzten Endes auf die Form dieser Kritik an. Ich will dazu etwas deutlicher werden. Ich möchte mich dem eigentlich anschließen, was Herr Kollege Arndt zum Schluß seiner Ausführungen gesagt hat, als er — auch daran wieder eine Kritik an dem Herrn Justizminister anknüpfend; ich komme noch darauf zurück! — sagte: Es geht doch nicht an, daß wir in einer Demokratie uns gegenseitig den guten Willen absprechen, daß wir einander unsachlich kritisieren, daß wir unterstellen, wir wollten nicht alle das Beste für diesen unseren gemeinsamen Staat. — Ganz dasselbe, Herr Kollege Arndt, sind meine Sorgen. Das ist dasselbe, was ich in unzähligen Wahlversammlungen immer wieder gepredigt habe. Und ich sehe einen Grund für die Unglücke, die sich in der Vergangenheit in unserer politischen Entwicklung ereignet haben, darin, daß der Deutsche nun einmal an dem Erbübel krankt, dazu zu neigen, einen Menschen, der eine andere politische Auffassung hat als er selbst, als seinen politischen Feind zu betrachten und glaubt daraus das Recht herleiten zu müssen oder zu sollen, ihn persönlich zu diffamieren. Das lehne ich grundsätzlich ab! Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir auch die poli tische Auseinandersetzung wieder auf ein Niveau hinaufführen wollen -- und das müssen wir —, wie es eigentlich einem Parlament, auch wenn sich Abgeordnete in Wahlversammlungen auseinandersetzen, geziemt, dann müssen wir uns dessen immer bewußt sein: es darf uns niemals etwas dazu verleiten, in dem politisch Andersdenkenden einen persönlichen Feind zu sehen oder aber ihm gar von vornherein — das betone ich — zu unterstellen, daß er etwas Schlechtes, daß er etwas möchte, was man unter allen Umständen verurteilen müßte. Wenn man das nicht im Einzelfalle nachweisen kann, ist das etwas anderes. Man darf ihn nicht persönlich diffamieren wollen, sondern die politische Auseinandersetzung muß auf der geistigen Ebene vorgenommen werden, und zwar in Formen, die uns eben einfach auferlegt werden, wenn wir wieder zu einem echten politischen Stil kommen wollen.

(Abg. Dr. Greve: Das, was Sie Herrn Arndt immer vorwerfen: eiskalter Geistesmann, das sagen Sie immer noch!)

— Lassen Sie mich doch bitte fortfahren, Herr Kollege Greve.


(Dr. Schneider)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113302200
Herr Abgeordneter Greve, ich wiederhole: Ihre Fraktion hat noch 5 Minuten Redezeit. Sie können sich nachher zum Wort melden.

(Abg. Dr. Greve: Aber was ich hier sage, geht nicht auf meine Redezeit!)


Dr. Ludwig Schneider (CDU):
Rede ID: ID0113302300
Gerade weil ich daran glaube, weil ich der Meinung bin, daß es nur so möglich sein wird und möglich sein kann, den Radikalismus in der Politik, der heute hier schon so oft angesprochen wurde — mag er kommen, woher er will —, in der Zukunft zu bekämpfen, deshalb müssen wir nach meiner Auffassung zueinander stehen in dieser Erkenntnis, und wir, gerade wir, die das Vertrauen des deutschen Volkes an diese Stelle getragen hat, sind in allererster Linie verpflichtet, mit gutem Beispiel voranzugehen.

(Beifall rechts.)

Und weil ich festzustellen meinte, daß der Herr Kollege Arndt in der Vergangenheit — gerade was die Person des Herrn Justizministers Dr. Dehler anlangt — vielleicht aus einer Einstellung, die ich persönlich tief bedauere und die vorhin hier schon einmal als ein tragisches Verhältnis angesprochen wurde, doch manchmal die subjektive Selbstkontrolle, die man sonst normalerweise haben müßte, bei seinen Ausführungen verloren hat,

(Abg. Dr. Arndt: Stimmt denn das etwa nicht?)

deshalb habe ich schon einmal, Herr Kollege Arndt,
bei einer anderen Debatte von dieser Stelle aus
Sie angesprochen — ganz persönlich; Sie werden
sich erinnern — und habe Sie damals gebeten —
ich weiß nicht mehr, bei welcher Sachdebatte es
) war —, doch zu versuchen, in ein anderes, besseres
Verhältnis, ich meine ein menschliches Verhältnis
zu dem Herrn Bundesjustizminister zu kommen.
Und was antworteten Sie mir damals? Es klingt
mir heute noch furchtbar im Ohr. Sie antworteten
mir damals: Herr Kollege Schneider, Sie haben
ganz recht; aber wenn dieser Justizminister spricht,
ist es jedesmal ein nationales Unglück. Das war
wirklich das, was Sie mir damals erwidert haben.

(Abg. Dr. Arndt: Das ist auch heute noch meine politische Überzeugung. — Gegenrufe rechts: Pfui!)

Sehen Sie, Herr Kollege Arndt, diese überspitzten Formulierungen, diese ätzenden Formulierungen — möchte ich einmal sagen --- müssen natürlich auf der anderen Seite auch Wirkungen auslösen. Sie müssen auf der anderen Seite, wenn überhaupt noch ein Ehrgefühl vorhanden ist, doch sehr entscheidend verletzen. Sie dürfen sich darum nicht wundern, daß dann vielleicht auf der anderen Seite auch einmal ein Wort fällt, das auch ich nicht entschuldigen möchte. Aber in der Hitze des Gefechts passiert das eben. Man muß sich dabei aber immer fragen, ob man nicht selbst einen Grund dazu gegeben hat.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Sehen Sie, wenn ich mir Ihre heutigen Ausführungen betrachte. Herr Kollege Arndt, dann muß ich sagen: Sie haben wieder in genau der gleichen überspitzten, atzenaen, verletzenden Weise formuliert. Sie sagten, nachdem Sie ein Zitat aus den Ausführungen gebracht hatten, die der Herr Bundesjustizminister irgendwann einmal — ich weiß es nicht mehr so genau — im Bayerischen Landtag gemacht hat: Und welche Auffassung vertritt der Herr Bundesjustizminister heute? Sie skizzierten
das und kamen dann zu dem Schluß: Er vertritt
also zweierlei Rechtsauffassungen in einer Person.

(Abg. Dr. Arndt: Das stimmt auch!)

— Sehen Sie, Herr Kollege Arndt, ich kenne den Vorgang nicht, um den es sich damals gedreht hat; aber von den Kollegen aus Bayern hier im Plenum, die die Dinge kannten, die wußten, zu welchem Sachgebiet Herr Minister Dehler damals gesprochen hat, nämlich wahrscheinlich zu der bayerischen Verfassung, würde Ihnen ganz mit Recht entgegengerufen: Damals stand eine ganz andere Frage zur Debatte! Wenn man das so komprimiert, nämlich gewollt, vorsätzlich und subjektiv zusammenfaßt, und dann zu einer derartigen Formulierung kommt, dann — verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das sage — betrachte ich das als überspitzt, als ätzend, als unberechtigt. Und genau das gleiche muß ich Ihnen sagen, wenn Sie formulieren: Der Herr Justizminister würde die Ansicht jedes Andersdenkenden oder jede andere Denkart sofort mit persönlicher Diffamierung beantworten.

(Abg. Dr. Arndt: Ich kann Ihnen sechzig Beispiele bringen! — Abg. Neumann: Siehe die Ausführungen gegen Schumacher! Was sagen Sie dazu?)

-- Ich komme gleich darauf. — Ich habe mich vorhin bemüht, ganz objektiv darzustellen. Wenn man so kritisiert, dann muß man sich nicht wundern, wenn auf der anderen Seite auch mal — wie ich mich ausgedrückt habe — ein unbedachtes Wort fällt.

(Aha-Rufe bei der SPD.)

Die Frage ist die: Wer hat diese Form der Auseinandersetzung angefangen?

(Sehr richtig! rechts.)

Wer hat diese Form der Auseinandersetzung verursacht?

(Sehr richtig! rechts.)

Und es ist die Frage: Setzt man sich hier — das ist nämlich die entscheidende Frage — mit dem Justizminister der Bundesrepublik auseinander oder setzt man sich mit dam Politiker Dehler auseinander, mit dem man politisch nicht einverstanden ist? Das ist eine ganz andere Frage. Kollege Kiesinger hat schon darüber gesprochen. Wir sind nicht alle der gleichen Meinung. Wir wollen vielleicht alle das gleiche, nämlich die Wohlfahrt unseres Volkes. Wir sind aber über die Wege, die dahin führen, verschiedener Meinung. Das ist unser gutes Recht. Kiesinger hat das eingehend begründet. Ich kann da nur jedes Wort, das er gesagt hat, unterstreichen. Das darf aber nicht dazu führen, daß man nun in einer Weise Kritik übt, die eben dazu angetan ist, unser gemeinsames Wollen, nämlich diesen Staat, den wir uns doch letzten Endes alle gleich vorstellen, zu untergraben.
Herr Kollege Arndt, Sie sagten: Unser Volk muß wieder Vertrauen zu seinen Richtern gewinnen. Ohne weiteres! Das unterschreibe ich hundertprozentig. Aber wer sind denn diese Richter? Diese Richter sind Angehörige von Einrichtungen dieses Staates. Sie sind die Träger der rechtsprechenden Gewalt. Wenn Sie hier den obersten Repräsentanten dieser rechtsprechenden Gewalt

(Abg. Dr. Greve: Der Justizminister ist doch nicht Repräsentant der rechtsprechenden Gewalt!)

in dieser Art, in dieser verletzenden — verzeihen Sie, wenn ich das noch einmal wiederhole — kritischen Art angreifen, dann müssen Sie sich über die Wirkungen in unserem Volk klar sein. Denn


(Dr. Schneider )

wenn man diesen Staat in seinen Grundfesten mit derartig ätzenden Kritiken angreift, dann darf man sich nicht wundern, wenn hier und dort zu einer Säule dieses Staates, nämlich zu der rechtsprechenden Gewalt, allmählich vielleicht kein Vertrauen mehr da ist. Wir sind der Meinung, daß wir uns alle bemühen müssen, dieses Vertrauen mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, zu stärken. Und wenn sie gar so weit gegangen sind, zu sagen
— ich habe es nicht ganz verstanden, tatsächlich nicht —, daß der Herr Minister bei der Einweihung des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe eine Formulierung gefunden hätte, — —

(Abg. Dr. Greve: Das war Herr Weinkauf, der Präsident; das war nun mal ein Repräsentant der rechtsprechenden Gewalt, Herr Dr. Schneider!)

— Herr Kollege Greve, ich hatte ja die Ehre, mit Ihnen damals bei diesem Einweihungsakt zugegen zu sein, und ich muß eigentlich sagen: ich war damals zutiefst beeindruckt gerade von den Ausführungen, die der heute so entscheidend kritisierte Bundesjustizminister Dehler machte. An diesem Höhepunkt der vorläufigen Entwicklung sprach er so aus seinem vollen Herzen heraus, so mit offener Seele. Da legte er klar, was ihn bewegt, da legte er klar, was sein Ideal ist, da bekannte er sich zu dem, was wir alle wollen: zu Recht, Gesetz und Freiheit. Und, Herr Kollege Greve, wenn ich mich recht erinnere, machte ich sogar im Anschluß an diese Rede eine persönliche Bemerkung, und Sie bestätigten mir absolut das, was ich hier in knappen Zügen zu umreißen versuche.

(Zuruf des Abg. Dr. Greve.)

Wenn man das alles miterlebt, gehört und gesehen hat, dann ist es meines Erachtens nicht angängig, daß man auch noch die menschliche Substanz des Herrn Ministers hier anzutasten versucht. Denn das liegt doch in der Formulierung: „der Herr Justizminister vertritt in einer Person zweierlei Rechtsauffassung". Das ist doch ein Angriff auf die menschliche Substanz, dem man sich gar nicht entziehen kann. Das heißt nämlich mit dürren Worten ganz einfach: der Herr Bundesjustizminister ist charakterlos genug, in einer Person zwei Auffassungen zu vertreten. Wenn man solche ätzende Kritik übt, muß man sich nicht über die Folgen und auch nicht darüber wundern,' daß wir selber wieder die Totengräber dieser Demokratie werden; dann muß man sich nicht darüber wundern, daß schon wieder Strömungen aufkommen, deren schamlose Auswirkungen wir dieser Tage hier zu behandeln Gelegenheit hatten.

(Zurufe von der SPD.)

Das ist die letzte Konsequenz aus diesen Ansätzen.

(Erneute lebhafte Zurufe von der SPD.)

Weil ich das so genau sehe, deshalb warne ich davor.
Herr Abgeordneter Arndt, ich möchte Sie persönlich als Kollege und Jurist herzlich bitten, sich zu revidieren, sich zu überlegen, ob Sie sich, wenn Sie an dem Herrn Bundesjustizminister Kritik üben müssen, in Zukunft nicht zum mindesten in der Form anders ausdrücken müßten. Ich sehe sonst für uns alle, auch für unseren Staat Gefahren heraufkommen. die wir dann vielleicht nicht einmal mehr dämpfen können.

(Abg. Neumann: Kommen Sie jetzt einmal auf die Äußerung über Dr. Schumacher! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Ich bin der Meinung, daß diese Kritik an dem Herrn Bundesjustizminister in keiner Weise berechtigt war. Wfr sind der Auffassung, daß er als Jurist und als Mensch das größte Vertrauen verdient, und wir glauben mit ihm, daß, wie er heute am Schluß seiner Rede gesagt hat, nur dort, wo Gesetz und Recht herrschen, die Freiheit und die Würde des Menschen bestehen können. Wir werden deshalb auch den Etat genehmigen, und ich bitte das Hohe Haus, ebenfalls zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Neumann: Sie haben vergessen, noch auf etwas zu antworten!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113302400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.

Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0113302500
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige so erregte Debatte um den Justizetat hat wohl eines ganz klar gezeigt: daß nicht bloß die Richter, sondern auch die obersten Spitzen der Justizverwaltung aus der Tagespolitik möglichst herausgehalten werden müssen und sich auch selber heraushalten müssen. Und hieran hat es, weiß Gott, die ganzen Jahre hindurch gefehlt. Als ich die Zusammenstöße heute erlebte, habe ich mir ein Wort Vergils durch den Kopf gehen lassen: Iliacos intra muros peccatur et extra.

(Zurufe von allen Seiten: Was heißt das auf deutsch?)

— Frei übersetzt heißt es: Auf beiden Seiten ist in dieser Hinsicht schon gesündigt worden. Es ist sehr viel gesündigt worden!
Ich möchte auf diese persönlichen Dinge, auf diese gegenseitigen Vorwürfe hier gar nicht näher eingehen. Ich kenne den Herrn Minister Dr. Dehler schon sehr lange, viel länger als die meisten von Ihnen.

(Zuruf links: Na, na!)

Ich kann Ihnen vielleicht einen kleinen Hinweis dafür geben, warum so manche Rede zustande gekommen ist, die hier heute angegriffen wurde. Herr Dr. Dehler ist zwar ein sehr fleißiger Mann. Das kann ich ihm jederzeit bestätigen.

(Zuruf von der Mitte: Er wird keinen Wert darauf legen!)

Er arbeitet Tag und Nacht. Das ist die Wahrheit. Aber er ist kein Freistilredner; weiß Gott nicht!

(Heiterkeit und Zurufe links,)

Und nach zehn oder zwanzig Minuten weiß er vielleicht manchmal nicht mehr, was er gerade an Invektiven gesagt hat. Und so glaube ich, daß es für den Herrn Justizminister sehr gut wäre, in aller Zukunft nur aus einem Manuskript vorzulesen,

(Heiterkeit und Zurufe)

gerade bei Einweihungsreden oder bei sonstigen feierlichen Anlässen!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113302600
Herr Abgeordneter, die Geschäftsordnung schreibt aber für dieses Haus die freie Rede vor . . .

Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0113302700
Ich spreche nicht von der Rede hier, Herr Präsident, sondern — ich habe mich, glaube ich, ziemlich deutlich ausgedrückt — ich spreche von Reden bei Eröffnungen und Einweihungsfeiern — solche wurden ja heute schon von verschiedenen Seiten zitiert und kritisiert —, ich spreche von Reden in öffentlichen Versammlungslokalen wie in Hamburg und anderwärts.

(Zurufe von der Mitte.)



(Loritz)

Meine Damen und Herren, da ist manches Wort gefallen, das der Herr Bundesjustizminister höchstwahrscheinlich gar nicht mal gesagt hätte, wenn er nicht wiederum eine „freie Rede" gehalten hätte!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte zum Kern der ganzen Sache kommen! Ich glaube, es ist dringendst notwendig, daß der Justizminister und sein Mitarbeiterstab von der allgemeinen Politik möglichst frei gehalten werden.

(Abg. Stücklen: Er ist aber ein politischer Minister!)

— Er ist ein politischer Minister wie die Mitglieder des ganzen Kabinetts.

(Abg. Stücklen: Natürlich!)

Auch der Postminister ist ein politischer Minister.

(Abg. Stücklen: Sie waren ja auch Minister in Bayern!)

— Sehr richtig, Herr Abgeordneter. Ich will Ihnen aber eines sagen: Gerade der Justizminister muß mehr noch als jeder andere im Kabinett Fachminister sein.

(Abg. Stücklen: Das eine schließt das andere ja nicht aus!)

Meine Damen und Herren, so gibt es nur eines — dasselbe gilt für die Justizminister der Länder —: Wir müssen dafür sorgen — und das kann mit einer nicht erregten Debatte wohl besser geschehen als mit einer erregten —, daß gerade der Justizminister möglichst wenig in Parteisachen sprechen soll und daß zweitens gerade der Justizminister bei Einweihungsfeierlichkeiten usw. nicht extemporieren sollte, wenn er es nicht kann.

(Zurufe von der Mitte.)

Für uns ist es beim Justizetat wichtig, immer wieder eines zu betonen: Gerade auf dem Gebiet der Justiz brauchen wir das alte solide Berufsbeamtentum von vor, sagen Sie meinetwegen 1910 oder noch weiter zurück,

(erneute Zurufe von der Mitte)

das unabhängige Berufsbeamten- und Richtertum, das sogar dem König zu widersprechen wagte wie das Kammergericht da droben in Potsdam, das in die Geschichte eingegangen ist! Und das, was für den Richter gilt, gilt genau so für die Staatsanwaltschaft. Nichts ist schlimmer, als wenn der Staatsanwalt zum Hampelmann irgendeines Justizministers wird,

(fortgesetzte Zurufe von der Mitte)

ganz egal, ob er von der CDU, der SPD, der FDP oder irgendeiner anderen Partei gestellt wird

(ironische Zurufe von der Mitte: Oder von der WAV!)

— oder WAV oder sonst etwas, das ist ganz egal!
Der Staatsanwalt darf nicht der Handlanger des Ministers sein! Ich kenne den Einwand, den vielleicht sofort einige Kollegen hier bringen werden: der Staatsanwalt ist den Weisungen des Justizministers untergeordnet. Ich wage zu behaupten, in politischen Sachen soll er nicht den Weisungen des Justizministers unterstehen, wenn der Justizminister irgendwie politisch allzu sehr exponiert erscheint.

(Zuruf: Reden Sie in eigener Sache?)

Es ist schade, daß heute über die Funktion des
Staatsanwalts so wenig gesprochen worden ist, und
doch ist sie die wichtigste, vielleicht noch wichtiger
als die des Richters! Denn der Staatsanwalt ist es,
der den ersten Anstoß gibt. Der Staatsanwalt ist
es, der, ohne daß der Richter den Akt erst zu
Gesicht bekommt, darüber befindet, ob ein Verfahren eingeleitet werden soll oder nicht. Nur in den allerseitensten Fällen wird ein Ermittlungsrichter da sein. Der Staatsanwalt ist der Bevölkerung gegenüber derjenige, der das Gesetz unmittelbar und primär anzuwenden hat, bevor noch der Richter mit einer causa befaßt wird. Gerade die Position des Staatsanwalts müssen Sie mehr ausbauen und unabhängiger machen und namentlich in politischer Hinsicht unabhängig machen von irgendwelchen Länder- oder Bundesjustizministern, heißen sie, wie sie wollen. Wir werden alles tun, wenn aus diesem Hause Gesetzentwürfe eingebracht werden, um die Stellung des Staatsanwalts näher zu umreißen, diese zu unterstützen. Wir behalten uns übrigens vor, hier selbst mit Gesetzentwürfen zu kommen.
Wir warten mit Sehnsucht darauf, daß endlich einmal ein neues Strafprozeßrecht kommt, nicht bloß ein Flickwerk, wie wir es jetzt haben. Das ist, nebenbei bemerkt, nicht Ihre Schuld, Herr Justizminister, sondern das kommt aus verschiedenerlei Gründen. Wir warten mit Sehnsucht auf ein unifassendes Strafprozeßrecht, in dem der Staatsanwalt nicht mit ein paar kläglichen Paragraphlein abgespeist und in seiner Stellung skizziert wird, sondern in dem die Position des Staatsanwalts ganz klar und deutlich definiert wird.
Die Ausbildung der Juristen! Einige Vorredner haben erkannt, und die Mehrheit des Hauses wird ihnen wohl beipflichten, daß alles auf die Ausbildung der zukünftigen Juristen ankommt. Unser Vertrauen kann nur diejenige heranwachsende Staatsanwalts- und Richtergeneration besitzen, die den Zerwürfnissen abseits steht, die uns leider Gottes jetzt schon manches Jahrzehnt hindurch getrennt haben. An ihre Ausbildung ist alle Mühe zu verwenden, und kein Geld, was darauf verwendet wird, ist irgendwie zum Fenster hinausgeworfen. Da muß ich mit einem Vorredner ein Wort zugunsten der in der Ausbildung befindlichen Juristen sagen: Es ist geradezu schandbar, was man mit diesen Leuten treibt. Die Leute können buchstäblich verhungern, wenn sie sich nicht neben ihrer so harten Tätigkeit zusätzlich, manche sogar als Trambahnschaffner oder als Boten, als Verkehrslotsen usw. täglich einige Mark dazuverdienen.

(Abg. Dr. Orth: Den Landesparlamenten müssen Sie das sagen!)

— Landesparlamentssache? Sehr verehrter Herr Kollege, das ist auch Sache des Bundes, und ich glaube, der Herr Justizminister wird mir hier jederzeit zustimmen, daß es Bundessache ist, allgemeine Richtlinien zu erlassen, um in Besprechungen mit den Ländern die einzelnen Ländermaßnahmen zu koordinieren.

(Abg. Dr. Greve: Aber nicht für Trambahnschaffner!)

— Für die Ausbildung von Juristen, Herr Kollege! Sie haben wahrscheinlich nicht richtig zugehört, was ich sagte!
Meine Damen und Herren! Der Rechtsanwaltstand ist ebenfalls eine ganz wichtige Stütze der Justiz. In anderen Ländern thront nicht der Staatsanwalt droben und sitzt der Rechtsanwalt schön unten; in anderen demokratischen Ländern sind die zwei auf gleicher Ebene, der Herr Staatsanwalt und der Herr Rechtsanwalt! Die Ausbildung und Festigung ihrer Position ist gerade für die Rechtsanwaltschaft von allergrößter Bedeutung.
Deutscher Bundestag — 133. Sitzurig. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1951 5151

(Loritz)

)Auch hier müssen wir dem Justizministerium leider den Vorwurf machen, daß eine moderne, den Verhältnissen in den Nachbarstaaten angeglichene Rechtsanwaltsordnung bis heute noch nicht existiert. Gehen Sie mal, meine Herren, die Sie fachkundig sind, in andere Länder hinaus, schauen Sie sich die Position des Rechtsanwalts in der Schweiz oder in Frankreich, in England oder Amerika an, und Sie werden wissen, was ich meine und sagen will!
Meine Damen und Herren! Über den Strafprozeß und das dringend notwendige neue Strafprozeßrecht habe ich schon gesprochen. Ich möchte mich nun über zivilrechtliche Fragen noch kurz auslassen dürfen.
Wir kranken an einem Bürgerlichen Gesetzbuch, das leider in weiten Teilen veraltet ist. Ich spreche jetzt nicht von Buch 1 und 2 und 3, sondern ich spreche von Buch 4 des BGB, ich spreche von einer ganzen Reihe von familienrechtlichen Bestimmungen. Namentlich auf dem Gebiete des ehelichen Güterrechts sind die ältesten Schinken des Pandektenrechtes usw. noch im Bürgerlichen Gesetzbuch zu finden; sie gehören eliminiert und ausgemerzt neben verschiedenen anderen Dingen! Auch auf diesem Gebiete vermissen wir eine Initiative des Justizministeriums.
Wir vermissen ebenso eine Initiative auf dem Gebiete des zivilen Zwangsvollstreckungsrechtes. Hier gibt es ebenfalls Hunderte von veralteten Bestimmungen — ich muß mir ersparen, hier in dieser Generaldebatte darauf im einzelnen einzugehen —, von denen vielleicht jeder einzelne manchen Herren des Hauses als nicht wichtig genug erscheint, die aber zusammengefaßt für die Wirtschaft und für den gedeihlichen Ablauf des Geschäftslebens einen ganz schweren Hemmschuh darstellen. Auch hier müßte das Justizministerium schon unter allen Umständen tätig gewesen sein.
Was den Strafvollzug betrifft, so ist er ja vor allem Ländersache. Aber auch hier gilt, daß eine gewisse Koordinierung durch den Herrn Bundesjustizminister gar nichts schaden würde, denn die Strafvollzugsbestimmungen in einer ganzen Reihe von deutschen Ländern sind dermaßen veraltet, daß man sich an den Kopf greift, wie das Volk sich das noch gefallen läßt. Von moderner Strafvollziehung ist da und dort noch verflucht wenig zu spüren.

(Abg. Hilbert: Sprechen Sie in eigener Sache?)

— Ich bin niemals verurteilt gewesen, Herr Kollege Hilbert! Das nur, weil Sie mich fragen, ob ich in eigener Sache spreche. Aber als Rechtsanwalt und als Vertreter meiner Klienten bin ich schon hunderte Male in Gefängnisse gekommen und weiß, wie es dort zugeht. Hier spreche ich als Fachmann, der Sie auf diesem Gebiet nicht sind!

(Anhaltende Zurufe. — Abg. Stücklen: Als Fachmann für Stadelheim!)

Das sind einige der wichtigsten Gebiete, auf die wir das Augenmerk des Herrn Justizministers lenken möchten.
Wir lehnen den Etat des Bundesjustizministeriums nicht etwa deswegen ab, weil wir die persönliche Integrität des Herrn Justizministers irgendwie bezweifelten. Wir lehnen ihn auch nicht deswegen ab, weil wir seinen good will und seinen Fleiß bestreiten würden. O nein! Wir lehnen ihn ab, weil leider das, was von seiten des Justizministers und seines Ministeriums geschehen ist, sachlich, in den großen Zügen, stark zu beanstanden ist. Ich erinnere nur an das bekannte Petersberg-Gutachten, ich erinnere an das Gutachten in Sachen Ruhrstatut, und ich erinnere an den Fall, der uns erst vor wenigen Tagen im Altestenrat bekannt wurde, an ein Gutachten des Herrn Justizministers, in dem sogar bestritten wird, daß irgendeinem Minister auf Grund eines Antrages in der Haushaltsdebatte sein Gehalt gestrichen werden könne. Hier wird eine Prärogative des Parlaments beeinträchtigt. Gegen diese Beeinträchtigung müssen wir uns schärfstens zur Wehr setzen. Hier müssen wir sagen: principiis obsta! Den Anfängen muß schon gewehrt werden! Deshalb können wir dem Etat nicht zustimmen. Insbesondere können und wollen wir keine Verantwortung tragen für die ganzen bisherigen Maßnahmen des Justizministers, von denen ich einige erwähnt habe.
Meine Damen und Herren, eines dürfte doch jedem klar sein: Wenn es uns nicht glückt, die Justiz zu entpolitisieren, dann vernichten wir die Grundlage, auf der wir alle in diesem Hohen Hause stehen, ob links oder rechts, dann vernichten wir die Grundlage der gesamten deutschen Demokratie.

(Beifall bei der WAV. — Zuruf rechts: Gut gebrüllt!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113302800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0113302900
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kiesinger irrte soeben, wenn er glaubte, das Kriterium zur Unterscheidung zwischen Opposition und Regierungskoalition sei der Sozialismus. Er hat dabei übersehen, daß die Regierungsparteien keineswegs alle nichtsozialistischen Gruppen umfassen, daß die Koalition mehrere Parteien ausgelassen hat und daß außer uns sich wahrscheinlich auch die Fraktion der Bayernpartei dagegen wehren wird, nur deswegen, weil sie nicht von der Koalition umfaßt wird, nunmehr als sozialistische Fraktion bzw. Partei angefaßt zu werden.

(Zuruf des Abg. Kiesinger.)

Aber, Herr Kollege Kiesinger, Sie sind auch darüber hinweggeglitten, daß sich gegen die Politik der Bundesregierung insgesamt wie insbesondere gegen die Politik des Herrn Bundesjustizministers, um die es hier geht, aus sachlichen Gründen — ganz abgesehen von dem Unterschied, den Sie eben als Ihre Unterscheidung von der SPD aufgezeigt haben — Einwände erheben lassen. Zunächst erscheint es mir bemerkenswert, daß bei dem an sich sachlichen Thema des Justizetats die Gemüter einigermaßen erhitzt aufeinanderprallen. Ich wundere mich darüber und bedaure es eigentlich, weil mir das an sich nicht notwendig erscheint. Aber ich glaube, es ist das die Folge davon, daß im Laufe der Zusammenarbeit hier im Bundestag in verschiedenen Fraktionen, nicht bloß in der SPD, sondern auch in anderen Fraktionen, und ich glaube sogar sagen zu können, bis weit in die Reihen der Koalitionsparteien hinein, eine zunehmende Unzufriedenheit sich breit macht darüber, daß die Politik des gesamten Kabinetts, insbesondere die des Herrn Bundeskanzlers, sich zusehends vom Hause entfernt, daß in zunehmendem Maße Politik ohne Berücksichtigung des Hauses gemacht wird. Wir erleben doch jetzt wieder die Verhinderung der Saardebatte, die Ablehnung der Erörterung einer außenpolitischen Frage, solange noch Zeit dafür wäre, Zeit auch dafür, beispielsweise noch über den Schumanplan zu sprechen. All das hängt doch da-


(Dr. Reismann)

mit zusammen, daß in diesem Hause eine Atmosphäre verbreitet ist, die der rein sachlichen Erörterung dieser ganz entscheidenden Frage nicht nützlich ist.

(Zuruf von der CDU: Aus Angst, daß zuviel Porzellan zerschlagen wird!)

— Ich weiß nicht, wer in Ihrem Lager erwartet, daß Ihre Redner Porzellan zerschlügen. Bisher hat die Opposition dazu immer nur konstruktive Beiträge geleistet,

(Lachen bei den Regierungsparteien)

die der Bundeskanzler nicht immer aufzufangen verstanden hat. Es ist an sich ein Zeichen eines besonders qualifizierten Politikers, die Opposition für seine Zwecke in außenpolitischen Fragen einzusetzen. Der Umstand, daß der Bundeskanzler es vermeidet, die ihn bewegenden Fragen öffentlich zu diskutieren, daß er es vermeidet, sich dieser Möglichkeit zu bedienen,. spricht nicht gerade dafür, daß er es verstünde, diesen Wind in seine Segel zu fangen.

(Sehr richtig! links.)

Aber nun zum Etat des Justizministeriums. Es ist verschiedentlich gesagt worden, Herr Minister Dehler habe bei all seiner persönlichen Liebenswürdigkeit, die niemand bestreitet, eine unglückliche Hand, wenn er in der Öffentlichkeit Reden halte. Das berührt auch seine Stellung als Justizminister; denn er ist Kabinettsmitglied. Man hat den Eindruck, daß er auf diese Art und Weise, die, sagen wir einmal, Zurücksetzung abreagieren möchte, die er von seiten seines Kanzlers

(Zurufe links: Seines Chefs!)

— seines Chefs, sagen wir es ruhig, ebenso erfährt, wie der Kanzler sie dem Hause gegenüber an den Tag zu legen scheint.

(Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)

Es ist doch eine Tatsache, daß die Kabinettsmitglieder inzwischen zu Staatssekretären aus der kaiserlichen Zeit degradiert worden sind. Sie lassen es sich gefallen. Es läßt sich diese Degradation zum Staatssekretär der kaiserlichen Zeit auch insbesondere der Herr Bundesjustizminister gefallen. Er sucht offenbar einen Ausgleich in außenpolitischen Reden, wo er sich dann am Herzen der Öffentlichkeit ausweint, um ein Zitat, das aus Ihren Reihen einmal gebraucht wurde, zu wiederholen. Man könnte auch anders sagen: er ergreift die Flucht in die Öffentlichkeit. Das ist ihm nicht immer schön gelungen. Ich glaube also, man würde diese Eskapaden am besten vermeiden, wenn man ihm einmal Gelegenheit gäbe, seine Stimme im Innern des Kabinetts etwas nachdrücklicher zu erheben.
In einem gewissen Gegensatz hierzu steht auf der anderen Seite seine Gefügigkeit in punkto Gutachten. Als ein treuer Diener seines Herrn — so hat man den Eindruck — liefert er und sein Ministerium dem Herrn Bundeskanzler jedes Gutachten, das er wünscht. Er hat immer den richtigen Mann zur Stelle, um die Zuständigkeit des Bundestages zu leugnen oder zu bejahen, die Zuständigkeit der Länder anzuerkennen oder zu verneinen. Wir haben es doch einmal erlebt, daß, nachdem zunächst ein verneinendes Gutachten vorgelegt worden war, hinterher ein bejahendes Gutachten angeboten wurde. Das spricht nicht gerade für die innere Unabhängigkeit gegenüber einer so starken Persönlichkeit, wie es der Herr Bundeskanzler im Kabinett zu sein scheint, die man doch gerade bei einem Justizminister gerne hätte.
Um so mehr muß man aber anerkennen, daß er sich bemüht hat, die Justiz als solche in ihrer Gesamtheit aus dem politischen Getriebe herauszuhalten und unabhängig zu erhalten. Ich vermag die Angriffe nicht zu teilen, die gerade gegen ihn wegen der Rechtsprechung gerichtet werden, die man mit Recht als gewisse Auflehnung gegen die Amnestie und die politischen Gedanken der Amnestie bezeichnet hat. Das gerade ihm zur Last zu legen, halte ich nicht für berechtigt. Denn letzten Endes ist das ja eine Angelegenheit der Länder. Und gerade das Hedler-Urteil, das zitiert wurde, ist in einem Lande gesprochen worden, für das weder der Justizminister Dehler noch seine Fraktion zuständig ist. Daran kann man nun einmal nichts ändern. Das ist die Folge der Unabhängigkeit der Richter. Aber man müßte von seiten des Justizministeriums — das hat ja der Herr Minister auch versprochen — noch in erhöhtem Maße und ganz anders als bisher Sorge dafür zu tragen, daß der Geist des Richtertums sich von den Zuständen entfernt, die wir zwischen 1918 und 1933 erlebt haben. Es scheint, daß einige Ansätze vorhanden sind. Denn, wo ich auch immer es bisher im Lande Nordrhein-Westfalen erlebt habe — ich spreche jetzt nicht von dem Fall Hedler —, daß untere Gerichte sich vergaloppiert hatten und daß Staatsanwaltschaften sich den Schutz der früheren Nazi-Ortsgruppenleiter und ähnlicher Größen besonders angedeihen ließen, habe ich bisher immer Vorgesetzte gefunden, die das einzurenken verstanden. Ich hoffe, daß das in anderen Ländern auch der Fall ist und nicht bloß im Lande Nordrhein-Westfalen. Ich habe auch Beschlüsse erlebt, bei denen man, wenn man sie gänzlich unvoreingenommen las, den Eindruck hatte, hier will man geradezu Sabotage an dem Amnestiegesetz-treiben, und man versucht, ob man nicht auf irgendeine Art und Weise noch im Interesse der angeblich beleidigten oder sonst zurückgesetzten Nazi an der Amnestie vorbeikommen könne. Diesen Eindruck habe ich auch gehabt. Aber dann gab es immer noch Mittel und Wege, ein übergeordnetes Gericht anzurufen, und ich habe bisher damit die besseren Erfolge gehabt. Es hat sich hier langsam von oben nach unten hin -die bessere Einsicht durchgesetzt. Wir müssen also mit einiger Geduld, allerdings auch mit öffentlicher Kritik und mit öffentlichen Erörterungen den Übelständen, wo sie noch bestehen, zu Leibe gehen. -
Mit Recht hat der Herr Justizminister schon darauf hingewiesen, daß er sich bemühen wolle, einen neuen Richtertyp heranzuziehen. Ich vermisse da-hei allerdings, daß er sich etwas näher, konkreter ausgedrückt hat. Ich will ihn hier auf das Beispiel des Landes -Nordrhein-Westfalen verweisen. Herr Justizminister Dr. Amelunxen hat sowohl öffentlich wie in seinem Ministerium kürzlich seine Intentionen dahin kundgetan, daß er den Gedanken aufgreifen will, der schon in einer anderen Konstellation einmal im Lande Nordrhein-Westfalen — im Justizausschuß — erörtert wurde, nämlich eine Strukturänderung der Gerichte selber ins Auge zu fassen und in die Hand zu nehmen, derart, daß man die Spruchrichter von den Richtern mit verwaltender Tätigkeit, den Richtern der freiwilligen Gerichtsbarkeit, unterscheidet, diese Spruchrichter, die in den Augen der Öffentlichkeit ganz anders als die verwaltenden Richter in Erscheinung treten und ganz anders im Rampenlicht der Öffentlichkeit und der öffentlichen Kritik stehen, die auch mehr mit politischen Dingen befaßt werden können und die eher mit ihnen zu tun haben, einer


(Dr. Reismann)

ganz besonderen Auswahl unterzieht und nur hierfür besonders qualifizierte Richter nimmt. Denn längst nicht jeder gute Jurist, der ein guter Stubenarbeiter sein mag und die Rechtsprechung perfekt beherrscht, ist ein geeigneter Verhandlungsleiter, und längst nicht jeder ist ein geeigneter Fragesteller. In dieser Hinsicht muß also eine besondere Auslese und eine besondere Auswahl, allerdings auch eine besondere Schulung erfolgen. Es bietet sich hierbei auch die Gelegenheit, die Richter, die in der Öffentlichkeit eine besonders verantwortungsvolle Arbeit zu leisten haben, finanziell, gehaltsmäßig, besoldungsmäßig herauszustellen. Wir möchten dem Herrn Justizminister von unserer Fraktion aus nahelegen, mit dem Justizminister Dr. Amelunxen, der der Zentrumsfraktion im Lande Nordrhein-Westfalen angehört, Hand in Hand zu arbeiten. Denn es ist sehr schwer möglich, solche Arbeiten, die im Zuge der inneren Justizverwaltung ohne Gesetzesänderungen an sich möglich sind, bundeseinheitlich zu machen, wenn da nicht in etwa der Justizminister des Bundes seine Hand im Spiel hat.
So stellen wir uns insbesondere auch das Bestreben des Justizministeriums vor, die Rechtsprechung sowohl wie die Richter mehr in den neuen Staat einzuführen, als das bisher der Fall gewesen ist.
Gegenüber einem Vorwurf allerdings muß ich das Justizministerium, so wie es bisher aufgezogen war, in Schutz nehmen, nämlich gegen den Vorwurf der Cliquenwirtschaft. Wenn irgendeinem Ministerium, so muß ich Allerdings diesem Ministerium bescheinigen, daß ich eine Cliquenwirtschaft hier nicht feststellen konnte. Wenn man hier Herrn Globke zitiert hat, so kommt mir das so vor wie: „Reim dich, oder ich freß dich!" Ich weiß nicht, welche Komplexe — abgesehen von den früher erörterten — die SPD und ihre Sprecher veranlassen, ausgerechnet immer auf Herrn Globke herumzureiten. Es gäbe hier sehr viele andere Persönlichkeiten, z. B. den General Kreipe mit dem Blutorden
— oder wie hieß er? — und noch andere mehr, die in Bundesministerien beschäftigt werden und mit denen zu befassen sich viel mehr lohnte als mit diesem Herrn, mit dem das Justizministerium offenbar nun einmal gar nichts zu tun hat. Es ist bei anderer Gelegenheit und an anderer Stelle schon über ihn gesprochen worden.

(Abg. Dr. Arndt: Er hat im Justizministerium intrigiert!)

— Wie bitte? Was hat er getan?

(Abg. Dr. Arndt: Er hat im Justizministerium intrigiert!)

— Ich habe noch niemals gehört, daß er mit dem Justizministerium oder in dem Justizministerium überhaupt irgend etwas getan hat. Dann wäre es vielleicht richtig, das detailliert mit dem Herrn Minister und meinetwegen in der Öffentlichkeit zu besprechen, in welchen Punkten er denn intrigiert haben soll. Wie gesagt, es kam mir so unsubstantiiert, so nach „Reim dich, oder ich freß dich" vor.
Jedenfalls ist mir bei dem Justizministerium folgendes aufgefallen, was man leider nicht von allen Ministerien sagen kann. Wenn aus dem Justizministerium eine Antwort auf eine sachliche Frage kam, so war sie präzise und richtig. Ich spreche nicht von Gutachten; das ist eine Meinungsangelegenheit. Die Antwort war tatsachenmäßig richtig und nicht frisiert und nicht falsch gegeben. Das war leider nicht immer bei allen Ministerien so. Ich werde Gelegenheit nehmen, später bei der Erörterung eines .anderen Etats darauf I zurückkommen.
In den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers ist dann von seinen Absichten die Rede gewesen, den Strafprozeß zu reformieren. Nach dem, was wir bei der kleinen Justizreform gehört haben, glaube ich nicht, daß er die Absicht hat, gewisse Reformen in dem Sinne vorzunehmen, wie ich es gern haben möchte und als den Wunsch meiner Fraktion ausspreche. Gerade diese Wünsche möchte ich ihm bei dieser Gelegenheit in aller Öffentlichkeit ans Herz legen. Zunächst scheint es uns untragbar, daß man für die wichtigsten Strafsachen, wo es heute zwar nicht mehr um den Kopf, aber zum mindestens um den Kragen, um hohe und schwere Freiheitsstrafen geht, nur eine Tatsacheninstanz hat. Es mag richtig sein, daß es sehr schwer und zeitraubend und unter Umständen teuer ist, zwei Tatsacheninstanzen zu haben. Aber während man für jede nebensächliche Angelegenheit, praktisch heute noch für jede Übertretung, für jede belanglose Formalbeleidigung oder für geringfügige Veruntreuungen zwei Tatsacheninstanzen mit der Möglichkeit der Aufklärung hat, wo meistens der Sachverhalt sich in einer kurzen Verhandlung übersehen läßt und mit wenigen Zeugen festgestellt werden kann, wo praktisch die Feststellung nicht länger als eine Stunde dauert, glaubt man mit einer einzigen Tatsacheninstanz gerade dann auskommen zu können, wenn in tagelangen oder wochenlangen Verhandlungen ein umfangreicher Sachverhalt mit Dutzenden von Zeugen festzustellen ist. Man kann daher immer wieder, gerade in seiner Eigenschaft als Verteidiger, erleben, wie die tatsächlichen Feststellungen am Ergebnis der Beweisaufnahme praktisch vorbeilaufen. Das kann man dann meistens so gut wie gar nicht revidieren, außer im Gnadenweg. Mit dem Gnadenweg ist aber dem Betroffenen nicht gedient. Man hat uns seinerzeit bei der kleinsten Justizreform, die wir im vergangenen Jahr hinter uns gebracht haben, gesagt, das müßte der späteren Justizreform überlassen bleiben. Aber ich wiederhole, wir hatten dabei den Eindruck, daß die Absicht, zwei Tatsacheninstanzen zu schaffen, im Justizministerium nicht vorgeherrscht hat. Darauf lege ich großen Wert.
Ferner möchten wir Wert darauf legen, eine gewisse Waffengleichheit in der Hauptverhandlung der Strafsache zwischen dem öffentlichen Ankläger, dem Staatsanwalt, und der Verteidigung herzustellen, damit nicht in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht und erhalten bleibt — und zum Teil auch berechtigt ist —, hier liegt der Staatsanwalt in der Vorhand, hier hat der Staatsanwalt eine größere Chance. Vor dem Richter, der sich von den beiden Parteien absetzen muß, die vor ihm streiten, auch wenn die eine Partei der Staat ist, müssen die beiden Rollen gleich sein und müssen die Waffen, mit denen sie kämpfen, gleich sein. Ein beschränktes Kreuzverhör könnte nichts schaden, wenn man auch' nicht gerade das englischamerikanische System des vollständigen Kreuzverhörs hier empfehlen kann, das mehr Nachteile als Vorzüge hat.
Wenn über die Richter an sich gesprochen wird, so neigt man dazu, sie entweder mehr zu kritisieren, als sie verdienen, oder sie mehr zu loben, als sie verdienen. Beides scheint mir nicht richtig zu sein. Aber anzuerkennen ist — dafür ist keineswegs der Justizminister verantwortlich, weder im positiven noch im negativen Sinne; es sind nicht


(Dr. Reismann)

die Richter des Bundes, von denen wir vorläufig sprechen, sondern die des Landes —, daß das Niveau der Rechtssprechung und das Niveau der Richter in Deutschland sehr erfreulich und sehr beträchtlich hoch ist. Aber das kann kein Grund sein, uns selbstzufrieden hiermit zu begnügen. Im Gegenteil, das rechtfertigt uns, nach wie vor den schärfsten und höchsten Maßstab anzulegen. Insbesondere läßt, von der technisch-juristischen Seite abgesehen, gerade in den unteren Instanzen verschiedentlich immer noch das politische Fingerspitzengefühl erheblich zu wünschen übrig, das Fingerspitzengefühl für das Leben in der Demokratie heute, da sich noch viel zu viele Leute im Richterstand außeralb der Staatsordnung gestellt sehen und glauben, auch über politische Vorgänge urteilen zu können.
Die Justiz ist von der Qualität der Menschen abhängig, die ihr dienen, nicht zuletzt auch von der Qualität der Rechtsanwälte, die ihr dienen. Damit komme ich auf die Anwaltsordnung, deren Bedeutung man nicht unterschätzen darf. Es handelt sich nicht darum, Herr Kollege Arndt — Sie sind offenbar zu lange aus der Anwaltspraxis heraus —, daß hier für die Anwälte ein Reservat geschaffen werden soll, in das keiner einbrechen darf. Das Problem wäre völlig verkannt, wenn man die Frage der Zulassungsregelung so sehen würde. Aber wenn es so uferlos weitergeht wie bisher, dann artet die Anwaltschaft dahin aus, daß sie nicht bloß für pensionierte Beamte ein Sammelbecken wird, sondern auch für die wegen Unfähigkeit oder aus anderen Gründen entlassenen Beamten. Wenn jeder sich zulassen lassen kann, der die Examina hinter sich hat, strömen alle Gescheiterten dahin. Zur Zeit ist die Anwaltschaft geradezu ein Auffangbecken für die aus politischen Gründen entlassenen früheren Nazis geworden. Das kann kein Mensch für richtig halten. Eine solche Disqualifikation des Anwaltstandes schädigt auf die Dauer nicht bloß den Beruf, sondern die Justiz.
Es kommt noch hinzu, daß auch der materielle Stand dieses Berufes von beträchtlicher Bedeutung ist. Das Niveau der Anwaltschaft in Deutschland überragt das mancher anderer Länder erheblich und entspricht insgesamt gesehen durchaus dem Niveau der Richter. Wenn man aber durch uferlose Zulassung gerade von solchen, die sich nicht Berufsanwälte nennen dürfen, sondern die sich bloß am Rande, nachträglich diesen Stand als Lückenbüßer ausgesucht haben, die wirtschaftliche Grundlage dieses Standes schwächt, dann muß man auch mit bösen Folgen rechnen, die eine wirtschaftliche Untergrabung dieses Standes bewirken können. Gerade meine Fraktion bedauert es deswegen, daß man es verabsäumt hat, unserem Gedanken einer Alters-und Notversorgung durch eine Versicherung ernsthaft näherzutreten. Wir hatten diesen Antrag am Beginn dieser Sitzungsperiode des Hohen Hauses gestellt. Ich habe mich gefreut, als von verschiedenen Fraktionen die Anregung an mich herangetragen worden ist, wir möchten den Gedanken wieder aufgreifen und dié interfraktionelle Arbeit von neuem, nicht bloß im Interesse der Rechtsanwälte, sondern darüber hinaus der freien Berufe überhaupt wieder aufgreifen. Ich bitte den Herrn Justizminister, sich auch ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie er zur Sicherung dieses wichtigen Zweiges der Justiz beitragen kann. Denn nach zwei Währungsreformen und zwei derart vernichtenden, existenzberaubenden Ereignissen in einer Generation muß man sich ernsthaft um das Schicksal gerade der alten, invaliden und arbeitsunfähig n Standesgenossen mehr kümmern, als es bisher geschehen ist. Man kümmert sich um zahlreiche, man möchte fast sagen, um zahllose Angelegenheiteli und ist besorgt um viele. Dieser Stand, der eine große ethische und eine große rechtspolitische Bedeutung hat, wiegt nach Zahl nur gering. Sosehr er die Angelegenheiten anderer im Auge zu haben pflegt und sosehr er sie vertritt, er versteht es im allgemeinen schlecht, seine eigenen Angelegenheiten zu vertreten. Es ist Sache des Justizministeriums, sich auch um diesen Zweig der Justiz mehr zu kümmern, als es bisher der Fall war, und ich lege das dem Mininisterium ganz besonders ans Herz.
Ganz am Rande — wir kommen später darauf zurück — sei noch erwähnt, daß die Zurücksetzung, der freien Berufe bei der Einkommensbesteuerung, die man zunächst zu einer erhöhten Lebensversicherung getrieben hat und nun darauf sitzen läßt,. ohne die versprochenen Vorteile zu halten, auch in' dieses Kapitel gehört. Der Herr Justizminister wird hiermit gebeten, sich mit seinem Finanzkollegen in Verbindung zu setzen, um diesem Übelstand, so gut es geht, abzuhelfen. Man empfindet es allgemein als Illoyalität einer Verwaltung, zunächst die hohen Ausgaben zu verursachen und dann die versprochenen, daran geknüpften Vorteile nicht zu halten. Aber das nur am Rande. Viel wichtiger ist es, zu vermeiden, durch Schwächung der wirtschaftlichen Kraft und der Existenzsicherheit eines so wichtigen Berufszweiges die Justiz und ihr Ansehen auf die Dauer zu gefährden.
Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn man kein Sozialist ist, so braucht man sich keineswegs mit dem, was das Justizministerium bisher bei der zweifellos fleißigen und gutgemeinten Arbeit getan hat, zu begnügen. Wir haben, abgesehen von dem, was mir in der kurzen Redezeit, die mir zur Verfügung steht, zu sagen möglich ist, noch eine ganze Reihe von weiteren Wünschen anzumelden. Aber es bleibt mir jetzt nur übrig, auf den Mangel hinzuweisen, der in dieser Art der Redezeitverteilung überhaupt besteht. Es ist doch an sich maßgebend, was gesagt werden soll, und es ist maßgebend, welche Ideen man zu vertreten hat. Dabei spielt es nach meiner Meinung keine Rolle, ob diese Ideen vom Zentrum, von der CDU oder von der SPD vertreten werden. Deswegen sollte man dem Zweck des Parlaments, das dazu da ist, Gedanken, Anregungen, Kritiken und Forderungen auszusprechen, auch ernsthaft nachgehen und wenigstens in einer Etatsdebatte die Redezeit nicht so beschränken, wie es heute leider wieder geschehen ist.

(Beifall beim Zentrum und in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113303000
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0113303100
Meine Damen und Herren! Schaltet man einmal aus der bisherigen Diskussion die polemischen und zum Teil, wie bei dem Kollegen Dr. Arndt, substantiierten Auseinandersetzungen aus, so schält sich ein Kern heraus, der sowohl in den Ausführungen des Justizministers wie auch in den Ausführungen des Kollegen Dr. Arndt zum Ausdruck gekommen ist, nämlich der Versuch, das Postulat einer unabhängigen Justiz, eines unabhängigen Rechts und einer Rechtspflege aufzustellen. Ich glaube, 'daß diese Absicht nicht von ungefähr kommt. Man muß den Versuch machen, im Volke den Eindruck zu erwecken, als ob


(Müller [Frankfurt])

Recht, Rechtspflege und Gesetz unabänderliche Dinge sind, die in den Augen der arbeitenden Bevölkerung, des Volkes draußen, als eine Art Heiligtum hingestellt werden, um damit eine Sicherung, eine Barriere im Volk selbst zu schaffen, also den Versuch zu machen, die bestehenden Machtverhältnisse vor dem Volk zu schützen. Dabei ist doch eines ganz zweifellos Tatsache und kann nicht bestritten werden: daß es ein solches absolutes, abstraktes Recht nicht gibt. Gesetz und Recht — das zeigt die gesamte geschichtliche Entwicklung — sind immer Ausdruck der Klassenverhältnisse, sind immer Beweis für die Machtverhältnisse der jeweils herrschenden Schicht gewesen, gleichgültig, ob in der Epoche des Feudalismus oder des Kapitalismus, und sie haben keine andere Aufgabe als die, die Herrschaft eben der herrschenden Schicht zu schützen.
Meine Damen und Herren! Ich hielt es für notwendig, diese Tatsache nur kurz zu erwähnen, um nun mit einem Beispiel das, was hier festgestellt werden muß, zu untermauern. Ich denke an die Zeit vor 1933; ich denke an die Zeit des Republikschutzgesetzes, in der mit Hilfe jenes Gesetzes und des dadurch geschaffenen sogenannten Rechts so evident bewiesen wurde, daß dieses Recht dem Schutz der damals herrschenden Schicht dienen sollte. Die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion werden sich an Hand eines von einem Sozialdemokraten zusammengestellten Beweismaterials selbst noch davon überzeugen können. Wie dieser feststellte, wurden in der Zeit jenes Gesetzes Delikte ein und derselben Art, wenn es sich um Angehörige der SA oder der SS handelte, von den Gerichten um das Zehnfache geringer bestraft, als wenn es sich um die Strafbemessung gegen Kommunisten, Sozialdemokraten oder Reichsbannerkameraden handelte.

(Zuruf von der SPD: So wie jetzt bei der SED!)

Hier zeigte sich also der ganze Charakter dieses Klassenstaates und der Klassenjustiz. Ich glaube, daß nach 1945 und insbesondere in der letzten Zeit das Vorgeheh der Gerichte gegen junge Menschen, die sich für den Frieden einsetzen,

(Lachen rechts)

oder auch gegen Erwachsene im Kampfe um die deutsche Einheit ganz eindeutig wiederum den Charakter der Klassenjustiz zum Ausdruck bringt. Von dieser Ebene aus verstehe ich auch absolut die Haltung des Justizministers, der ja eine besondere Perle in der Krone dieser Bonner Millionärsregierung ist,

(Lachen in der Mitte und rechts)

verstehe ich auch die Haltung und den Haß dieses Justizministers Dr. Dehler gegenüber der Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik.

(Erneutes Lachen in der Mitte -und rechts.)

Aber bevor ich darauf zu sprechen komme, noch eine Bemerkung. Die ganzen Ausführungen, die der Justizminister hier gemacht hat, und ebenso auch die Änderungen im Strafrecht, die er vorgeschlagen hat und die dem Hause zur Beratung vorliegen, sind alle, glaube ich, eindeutige Beweise dafür, daß der Herr Justizminister als Mitglied dieses Kabinetts auch auf dem Gebiete des Rechts alle Voraussetzungen schaffen hilft, damit die Politik, die von Washington aus gesteuert wird, hier in Westdeutschland durchgeführt werden -kann, d. h. damit auf dem Gebiete des Rechts die Vorausetzungen geschaffen werden, um die Bewegung und den Kampf des Volkes gegen den Krieg zu unterdrücken.
Eine der entscheidendsten Voraussetzungen im Zuge der Kriegsvorbereitungen war von jeher, das Volk seiner Rechte zu berauben. Dem dienen diese Änderungen, die Dr. Dehler vorgeschlagen hat. Wenn ich aber sagte, daß in seinen Ausführungen der ganze Haß gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck kam, dann verstehe ich das absolut; denn es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß in der Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik die Schicht, die Dr. Dehler hier vertritt, entwurzelt worden ist und dort nicht mehr den Einfluß hat, den sie hier in Westdeutschland noch besitzt, und daß auf Grund der Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik das Recht nicht mehr ein Mittel zum Schutze der früher dort herrschenden Klasse der ostelbischen Junker usw. ist, sondern daß es, ausschließlich dem Volke dient und dort mithilft, daß diese Kräfte, die hier bei uns in Westdeutschland unter dem Schutze dieser Justiz, dieser Gesetze und dieses Rechtes noch an der Macht sind, drüben ihre Funktionen nicht mehr ausüben können.

(Zurufe und Lachen rechts.)

Das ist die Ursache für den Haß und für die Ausführungen, die Herr Dr. Dehler gegenüber der Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik gemacht hat.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß zu der Gesamtkonzeption der Politik dieser Regierung, zu deren Bestandteilen ja auch die Justiz, die Rechtsprechung, die Rechtsetzung gehören, noch ein Wort hinzugefügt werden muß. Wenn ich vorhin von einer Anzahl von Urteilen sprach und wenn heute sowohl in den Ausführungen des Justizministers wie auch in denen einiger Diskussionsredner von den Richtern gesprochen wurde, dann gehört das, meine Damen und Herren, zu den Bestandteilen der Klassenjustiz. Denn wo kommen die Richter im wesentlichen her? — Sie sind Fleisch vom Fleische und Geist vom Geiste der Schicht, die bei uns in Westdeutschland politisch herrscht. Sie werden in der Regel' infolgedessen nicht nur allein auf Grund der Schaffung der Klassengesetzgebung und der Klassenjustiz, sondern auch auf Grund ihrer eigenen Verbundenheit mit der Schicht, aus der sie herkommen, das Recht sprechen, nämlich das Recht für die Herrschenden und gegen das Volk.

(Sehr richtig! bei der KPD.)

Meine Damen und Herren, ich glaube also, die Frage, die insgesamt beantwortet werden muß, ist, daß draußen in der Bevölkerung darüber völlige Klarheit vorhanden sein muß: Es gibt keine unabhängige Justiz und kein unabhängiges Recht, sondern es ist Klassenjustiz und Klassenrecht, so daß infolgedessen die Änderung der Verhältnisse und damit auch der Rechtsprechung zur Voraussetzung hat, daß eine Entwicklung angebahnt wird, die die Klassenjustiz ausschaltet, damit der Kampf unseres Volkes um den Frieden gesichert wird. Das wird nur möglich sein, wenn wir zu einem einheitlichen und demokratischen Deutschland kommen,

(Beifall bei der KPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113303200
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. Dr. Greve: Ich bitte ums Wort!)

— Abgeordneter Greve! — Ihre Fraktion hat noch fünf Minuten. Wir haben eine lange Tagesordnung zu erledigen. WI. bitte, diese Zeit einzuhalten.


Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0113303300
Meine Damen und Herren! Aus den Ausführungen derjenigen Kollegen, die sich weniger mit dem Herrn Bundesjustizminister und seinem Etat als mit meinem Freunde Dr. Arndt befaßt haben, ist — von ganz wenigen abgesehen — nichts sachlich Gegenteiliges herausgekommen; nicht ein einziges der von Herrn Dr. Arndt vorgetragenen Argumente mit den von ihm zitierten Belegen ist von Ihnen irgendwie gegenstandslos gemacht worden. Warum nicht? — Weil die Argumente von Herrn Dr. Arndt und die Unterlagen, die er zu diesen Argumenten beigebracht hat, einfach nicht zu widerlegen sind.

(Abg. Kiesinger: War das keine Widerlegung aus dem Protokoll?)

— Ich sagte: von einigen Ausnahmen abgesehen — wenn Sie persönlich deswegen angesprochen werden wollen, Herr Kollege Kiesinger, bin ich in diesem Falle bereit, Ihnen eine Ausnahme zu konzedieren.
Meine Damen und Herren, diese Argumente und die Belege, die Herr Dr. Arndt Ihnen beibrachte, waren einfach nicht zu widerlegen; das vermochten auch die Herren Dr. von Merkatz, Neumayer und Dr. Schneider nicht, die sich gegen seine „zersetzende, ätzende und verletzende Art" wandten. Sicher ein sehr nettes Wortspiel, das aber in keiner Weise geeignet ist, sachlich dem entgegenzutreten, was Herr Dr. Arndt dem Herrn Bundesjustizminister vorgeworfen hat; und er hat ihm allerlei vorgeworfen. Sicher, Sie haben mehr oder weniger die Art und Weise kritisiert, in der Herr Dr. Arndt das, was er sachlich zu sagen hatte, vorgetragen hat. Das ist zu einem großen Teil der Inhalt Ihrer Ausführungen gewesen. Wenn Sie, Herr Dr. von Merkatz, zum Ausdruck brachten, daß das, was Herr Dr. Arndt gesagt hat, die schuldhafte HerbeiOführung der Volksverhetzung sei, so möchte ich Sie fragen, wer zuerst das Porzellan zerschlagen hat, das in der Auseinandersetzung, um die es sich hier handelt, zerschlagen worden ist.
In den „Frankfurter Heften" vom Dezember vorigen Jahres können Sie auf Seite 1326 von Herrn Friedrich Reiferscheid, München, unter der Überschrift: „Sprechen so Demokraten?" Kritik an dem Herrn Bundesjustizminister und an dem Herrn Präsidenten des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe lesen. Ich empfehle Ihnen diese Lektüre, damit Sie den Beweis dafür erhalten, daß nicht nur von sozialdemokratischer Seite Kritik an dem Herrn Bundesjustizminister und an einem Teil dieser Justiz geübt wird. Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß der Herr Bundesjustizminister für das, was draußen in den Gerichten geschieht, in keinem Fall voll verantwortlich zu machen ist. Wir wissen, daß ein großer Teil der Richter in Ordnung ist; ein großer Teil nicht. Darüber kann ich mich hier nicht mehr auslassen.
Ich möchte nur noch auf einen Punkt hinweisen, nämlich auf die Frage der Rechtsschutzstelle. Herr Dr. Arndt hat in keiner Weise irgendwie etwas zum Ausdruck gebracht, was Ihnen Veranlassung zur Kritik geben könnte. Diese Rechtsschutzstelle ist bereits als Dreizoneneinrichtung in Stuttgart eingerichtet worden. Wir haben uns dagegen gewandt, daß von seiten der Bundesregierung bei der Besprechung über den Plevenplan in Paris nicht darauf hingewirkt wurde, daß gerade auf diesem Gebiet eine Änderung in der Tendenz der französischen Gesetzgebung stattfinden möge, und nichts anderes! Auch dagegen haben wir uns mit Recht zu wenden. Wir haben nicht allein vom Bundesjustizministerium aus fürsorgerisch für Krieggefangene tätig zu sein — das auch —, sondern in erster Linie darauf hinzuwirken, daß in der Tendenz der französischen Gesetzgebung auf diesem Gebiete eine Änderung vollzogen wird, wenn wir uns mit den Franzosen auf die Dauer an einen Tisch setzen sollen. Das wird von uns verlangt. Ich glaube, es kann sich keiner in diesem Hause dem entziehen, daß insoweit eine gerechte und sachlich gerechtfertigte Kritik an dem bisherigen Unterlassen des Herrn Bundesministers der Justiz angebracht ist.
Meine Damen und Herren, und nun noch als letztes ein persönliches Wort zu dem Herrn Bundesminister der Justiz! Ich glaube, als einer von denjenigen, die ihn sehr lange kennen, kann ich mir erlauben, ihm das zu sagen. Der Herr Bundesminister der Justiz hat es bisher nicht, wie seine Vorgänger in der Weimarer Republik und vielleicht auch im Kaiserreich, die entsprechenden Beamten im Reich und in den einzelnen Ländern, als das nobile officium empfunden, sich aus der „politischen Drecklinie" herauszuhalten. Wir sind nicht der Auffassung, daß sich der Herr Bundesjustizminister in eine politische Klausur begeben soll; das verlangen wir von keinem Menschen, auch von dem Bundesjustizminister nicht. Aber wir erwarten von ihm, daß er sich nicht bewußt in die politische Drecklinie hineinbegibt. Daß wegen dieses Umstands auch in Ihren eigenen Reihen sehr viel Kritik geübt worden ist, das wissen Sie selbst, Herr Minister. Es ist von dem „Amokredner Dehler" gesprochen worden. Ja, wer Amok redet, der muß sich auch gefallen lassen, daß er dabei einige Stiche abbekommt; und anders ist es auch heute nicht gewesen. Wir haben nach wie vor den Wunsch, mit dem Herrn Bundesjustizminister in sachlicher und in erfolgversprechender Weise zusammenzuarbeiten. Dann kann man aber nicht nur von uns verlangen, daß, wir uns ändern mögen, daß wir in unserer Kritik ablassen mögen; dann mag auch der Herr Bundesjustizminister erst einmal von sich aus als Justizminister und als Politiker den Beweis des guten Willens gegenüber der Sozialdemokratie und ihrem ersten Repräsentanten, Herrn Dr. Schumacher, erbringen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113303400
Die Rednerliste ist erschöpft. Keine weiteren Wortmeldungen? — Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt vor der Antrag des Haushaltsausschusses Umdruck Nr. 99 Ziffer 2, nach dem auf Seite 9 der Drucksache Nr. 1908 unter der Überschrift „Allgemeine Haushaltsausgaben" Tit. 32 in beiden Spalten zu streichen ist. Wer für diese Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —(Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, der Antrag ist vom Haushaltsausschuß unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 99 gestellt:
Auf Seite 9 ist unter der Überschrift „Allgemeine Haushaltsausgaben" Tit. 32 in beiden Spalten zu streichen.
Es ist der Titel, der überschrieben ist: „Auslagen in Rechtssachen (einschließlich Reisekosten)". Es handelt sich um einen Betrag von 30 000 DM bzw. 34 000 DM.

(Zuruf von der SRP: Alles Zureden hilft nichts!)



(Vizepräsident Dr. Schmid)

Wer für die Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —

(Zuruf von der SRP: Aha!) Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit. Die Streichung ist abgelehnt.

Dann liegt ein Entschließungsentwurf Ollenhauer und der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 130 vor. Grundsätzlich ist nach der Geschäftsordnung über Entschließungen erst nach Abschluß der dritten Lesung zu beschließen. Besteht der Wunsch nach einer Ausnahme, d. h. schon in zweiter Lesung zu beschließen?

(Rufe: Nein!)

— Das ist nicht der Fall. Dann wird das bis zur dritten Lesung zurückgestellt. Weitere Änderungsanträge oder Entschließungsanträge liegen nicht vor.
Wir haben nunmehr über den Antrag des Haushaltsausschusses abzustimmen, der dahin geht, die Vorlage mit den aus der Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen anzunehmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Damit ist Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz — in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 a) der gestrigen Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats

(Nr. 2109 der Drucksachen).

Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß sich das Haus mit der schriftlichen Begründung begnügen möge. Ist das Haus einverstanden?

(Zurufe: Jawohl!)

Weiter schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, daß keine Generaldebatte erster Lesung stattfinden soll, sondern daß die Anträge, die angekündigt sind, in zweiter Lesung paragraphenweise begründet werden sollen. Ist das Haus einverstanden?

(Zurufe: Jawohl!)

Dann rufe ich auf zur ersten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. — Ich schließe die allgemeine Aussprache. Damit ist die erste Beratung geschlossen.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
§ 1. Hier ist ein Antrag der Bayernpartei, Umdruck Nr. 144, angekündigt, und zwar zu Abs. 1 und Abs. 2. Sie begründen gleich beide, Herr Abgeordneter Seelos?

(Abg. Seelos: Ja!)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seelos.

Dr. Gebhard Seelos (BP):
Rede ID: ID0113303500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayernpartei hat sich bereits bei der ersten Wahl der deutschen Delegierten zum Europarat dagegen gewandt, daß diese ausschließlich aus den Reihen des Bundestages genommen werden, wodurch verhindert wird, daß führende Männer der Europabewegung teilnehmen können und wodurch auch dem förderalistischen Charakter des Bundes nicht Rechnung getragen wird. Es ist doch so, daß in Straßburg eine ganz wichtige und wesentliche Kommission bzw. ein Ausschuß die kulturellen Fragen behandelt. Es ist nun einmal C in unserer Verfassung so festgesetzt, daß die kulturellen Fragen von den Ländern behandelt werden. Ich glaube also, daß es durchaus richtig ist, wenn hier diesem Bundescharakter Rechnung getragen wird.

(Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

Ich darf darauf hinweisen, daß der Bundesratspräsident Dr. Ehard sich im vorigen Jahr in Verhandlungen mit allen politischen Parteien sehr bemüht hat, ein gewisses Zugeständnis zu der Auffassung des Bundesrats zu bekommen. Der Bundesrat hat am 23. Juni 1950 eine Entschließung gefaßt, die in Anlage 2 der hiesigen Vorlage enthalten ist und worin er vorschlägt, daß der Bundestag 12 Delegierte und 12 Stellvertreter wählt und der Bundesrat 6 Delegierte und 6 Stellvertreter. Dann hat er am 28. Juli erneut Stellung genommen, nachdem der Bundestag in seiner Wahl vom 26. Juli über diese Entschließung des Bundesrats einfach hinweggegangen ist und, was ihn mit Recht etwas verärgert hat — im Verkehr zwischen verfassungsmäßigen Organen —, überhaupt keiner Antwort gewürdigt hat. Ich glaube, daß wir diesem Wunsche des Bundesrats doch etwas stärker Rechnung tragen sollten.
Die Bayernpartei hat deshalb einen Antrag gestellt, der der Haltung des Bundestages etwas mehr entgegenkommt, daß nämlich die Vertreter der Bundesrepublik in der Beratenden Versammlung des Europarats und ihre Stellvertreter vom Bundestag zu zwei Dritteln aus seiner Mitte und zu einem Drittel auf Vorschlag des Bundesrats gewählt werden. Es ist also so, daß sämtliche Vertreter zwar vom Bundestag gewählt werden, aber ein Drittel auf Vorschlag des Bundesrats. Ich glaube, man sollte dieses kleine Zugeständnis an den Bundesrat wohl machen. Die Bayernpartei kann erwarten, daß insbesondere die CDU/CSU diesem Vorschlag zustimmt,

(Abg. Dr. Laforet: Jawohl!)

nachdem der Fraktionsvorsitzende Herr von Brentano in der Sitzung des Bundestags vom 28. Juli 1950 folgende Erklärung abgegeben hat, daß nämlich diese erste Wahl keine präjudizielle Bedeutung für die Zukunft haben soll. Er sagte ferner:
Wir hoffen und wünschen, daß die Regierung, wie wir es erbeten haben, ein Wahlgesetz für die Wahl der Delegierten zum Europarat vorlegt, und wir hoffen und wünschen insbesondere auch, daß dieses Wahlgesetz in vollkommener Übereinstimmung mit dem Bundesrat zustande kommt, weil wir glauben, daß das auch der gemeinsamen Aufgabe in Straßburg dienen könnte.
Ich nehme an, daß die CDU dieses Wort, diese Zusage ihres Fraktionsvorsitzenden heute honoriert und, da der Bundesrat seine Meinung ja nicht geändert hat, die Auffassung, die im Antrag der Bayernpartei zum Ausdruck gebracht wird, teilt.
Ich darf noch zu § 1 Abs. 2 sagen, daß auch das Verfahren der Wahl nicht durch Gesetz geregelt worden ist, wie es Bundesrat und Bundestag eigentlich wünschten, sondern es wird durch einfachen Beschluß des Bundestages festgelegt, der nur geschäftsordnungsmäßigen Charakter hat. Ich darf daher bitten, daß der Zusatz in Abs. 2, daß nämlich die Wahl mit Zustimmung des Bundesrats erfolgt, angenommen wird.
Ich darf schließlich als eine Anregung den Parteien folgendes sagen. Vielleicht kommt, wenn unser Antrag abgelehnt werden sollte, aus Ihrer


(Dr. Seelos)

Mitte der Antrag, daß zum mindesten die Worte gestrichen werden: „aus seiner Mitte". Ich bitte, daß eine der anderen Parteien vielleicht diesen Antrag stellt, weil er uns zu weit geht. Aber man hätte bei dieser Fassung den Vorteil, daß Sie zwar praktisch alle Vertreter aus der Mitte des Bundestages wählen können, daß es aber keiner gesetzlichen Änderung dazu bedarf, wenn sich in Zukunft aus irgendeinem Grunde die Notwendigkeit herausstellen sollte, doch irgend jemand anderen zu wählen, der nicht dem Bundestag angehört, gleichgültig wieviele, ob einen oder zwei, ob sie dem Bundesrat oder dem Bundestag angehören oder nicht. Das ließe Ihnen jedenfalls jede Möglichkeit offen.
Also ich bitte, zunächst unserem Antrag zuzustimmen und, wenn das nicht geschehen sollte, daß eine der anderen Parteien wenigstens diesen Streichungsantrag einbringt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113303600
Herr Abgeordneter,
Sie bringen den Streichungsantrag nicht ein?

(Abg. Dr. Seelos: Nein! — Abg. Dr. Horlacher: Aber ich werde den Streichungsantrag einbringen!)

Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0113303700
Ich kann hier nur für die CSU sprechen, weil ich mich nicht mit meinem Vorstand in der CDU auseinandersetzen kann. Das ist eine sehr schmerzliche Angelegenheit. Aber ich würde es für vernünftig halten, daß man dem Vorschlag Rechnung trägt, den Kollege Seelos gemacht hat, und zwar aus folgendem Grunde. An der parteimäßigen Zusammensetzung der Mitglieder in der )Europa-Versammlung würde sich ja nichts ändern, weil die letzte Entscheidung über die Auswahl der Mitglieder beim Bundestag liegt, so daß also nur die Vorschläge des Bundesrats mit 6 Vertretern Berücksichtigung finden sollen. Sollte der Antrag des Kollegen Seelos abgelehnt werden, so beantrage ich, die Worte in § 1 „aus seiner Mitte" zu streichen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113303800
Keine weitere Wortmeldung.
Dann kommen wir zur Abstimmung, zunächst über die Abänderungsanträge. Ich rufe zunächst auf den Abänderungsantrag zu Abs. 1 des § 1. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Nun zum Streichungsantrag zu Abs. 1. Wer dafür ist, die Worte „aus seiner Mitte" zu streichen, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres war die Mehrheit. Abgelehnt.
Ich rufe weiter auf den Änderungsantrag der Bayernpartei zu Abs. 2, Umdruck Nr. 144 Ziffer 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir über die Vorlage ab. Wer für die Annahme von § 1 der Vorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.

(Abg. Dr. Laforet: Enthaltungen!)

— Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
§ 2, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen. § 2 besagt ja nur, daß das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft tritt.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache und rufe auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen

(Abg. Dr. Laforet: Enthaltungen!)

bei einigen Enthaltungen angenommen.
Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist dieses Gesetz in dritter Lesung beschlossen, dieser Punkt der Tagesordnung von gestern erledigt.
Punkt 5 der Tagesordnung von gestern:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Pächter

(Nr. 2091 der Drucksachen).

Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, daß keine mündliche Begründung entgegengenommen werden soll, sondern das Haus sich mit der schriftlichen Begründung begnügen möge. Ist das Haus einverstanden?

(Zustimmung.)

Es soll weiter keine Aussprache erfolgen, sondern unmittelbar eine Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und den Ausschuß für Er-1 nährung, Landwirtschaft und Forsten beschlossen werden, wobei der Ausschuß für Geld und Kredit federführend sein soll. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Nun Punkt 7 der Tagesordnung von gestern:
Beratung des interfraktionellen Antrags
betr. Überweisung von Anträgen an die
Ausschüsse

(Umdruck Nr. 127).

Keine Wortmeldung. — Das Haus ist einverstanden. Es ist so beschlossen.
Damit ist die Tagesordnung von gestern erledigt. Wir kommen zur heutigen Tagesordnung: Ich rufe auf Punkt 1:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und eines Wirtschaftsstrafgesetzes

(Nr. 2100 der Drucksachen).

Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, nach einer kurzen Begründung durch die Regierung die Vorlage ohne Aussprache an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen, wobei der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend sein soll.
Wer begründet? — Ich erteile das Wort dem Herrn Justizminister zur Begründung.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0113303900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann auf das verweisen, was ich vorhin in meiner Haushaltsrede gesagt habe, in der ich den wesentlichen Kern der beiden Gesetze, insbesondere des Gesetzes


(Bundesminister Dr. Dehler)

über Ordnungswidrigkeiten, schon umschrieben habe. Es handelt sich um den Versuch, die Zweiteilung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit in dem Gesetz gegen Ordnungswidrigkeiten durchzuführen, die allgemeinen materiellen Begriffe und das Verfahren zu klären und im übrigen als erstes praktisches Ausführungsgesetz dazu das Wirtschaftsstrafgesetzbuch danach zu strukturieren. Ich darf im übrigen auf die gedruckten Darlegungen Bezug nehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113304000
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache in der ersten Beratung ist geschlossen.
Stimmt das Haus der Überweisung an die beiden Ausschüsse zu? — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung mit Abschluß der ersten Beratung des Gesetzes erledigt.
Punkt 2:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
betreffend die Aufhebung von Kriegsvorschriften (Nr. 2093 der Drucksachen).
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat ebenfalls vor, eine kurze Begründung durch die Regierung entgegenzunehmen und die Vorlage ohne Aussprache an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu verweisen. — Das Haus ist mit dem Vorschlag des Ältestenrats einverstanden.
Das Wort hat der Bundesjustizminister.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0113304100
Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die Aufhebung der gesetzlichen Bestimmungen, der innerstaatlichen Bestimmungen, die auf Anlaß des Krieges erlassen worden sind und die Rechtsstellung der Angehörigen der Feindstaaten umschrieben haben. Diese Rechtsbestimmungen sind tatsächlich schon seit der militärischen Kapitulation obsolet. Die Bedeutung des Gesetzes liegt in seiner Präambel, die da sagt:
Um der Beendigung des Kriegszustandes zwischen Deutschland und den alliierten Staaten
im innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik
. Ausdruck zu geben, hat der Bundestag das folgende Gesetz beschlossen,
nach dem diese Kriegsbestimmungen aufgehoben werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113304200
Die allgemeine Aussprache ist eröffnet. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Ist das Haus mit der Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einverstanden? — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Punkt 2 der Tagesordnung Ist mit der Überweisung an den Rechtsausschuß erledigt.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Schaffung eines Internationalen Patentbüros (Nr. 2094 der Drucksachen).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, nach Entgegennahme einer kurzen Begründung durch die Regierung die Vorlage ohne Aussprache an den Ausschuß, und zwar den Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz zu überweisen.

(Zustimmung.)

— Das Haus ist damit einverstanden.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesjustizminister.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0113304300
Ich darf auf die schriftliche Begründung Bezug nehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113304400
Das Haus begnügt sich mit der Entgegennahme der schriftlichen Begründung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Das Haus ist mit der Überweisung an den Ausschuß far Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz einverstanden? — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Die erste Beratung ist geschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über die Verlängerung von Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 2095 der Drucksachen).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, nach
Entgegennahme einer kurzen Begründung durch
die Regierung — —

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0113304500
Aus der Überschrift ergibt sich der Inhalt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113304600
Es wird wohl genügen, sich mit der schriftlichen Begründung zu begnügen und die Vorlage ebenfalls an den Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz zu überweisen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Das Haus ist mit der Überweisung an den genannten Ausschuß einverstanden. Damit ist die erste Beratung abgeschlossen und Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den ersten Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nrn. 720, 1153 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2106 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 84. Sitzung.)

Zur Berichterstattung in der zweiten Beratung erteile ich das Wort Herrn Kollegen Dr. Kleindinst.

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0113304700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem Gesetzentwurf, über den ich Ihnen vor einigen Tagen zu berichten hatte, handelt es sich heute um eine sehr kleine Vorlage, wenn auch nicht ohne grundsätzliche Bedeutung. Sie wissen, daß die Beamten und die öffentlichen Angestellten infolge des Militärregierungsgesetzes Nr. 20 vom Jahre 1949 mit der Annahme der Wahl zum Bundestage aus ihrem Dienstverhältnis ausgeschieden sind. Es sollte damit die scharfe Trennung der Gewalten, die Trennung zwischen Legislative und Exekutive gesichert werden. Das ist geschehen, aber die Rechtsverhältnisse dieser Mitglieder des Hauses sind seitdem völlig ungeregelt geblieben.
Es wurden nun verschiedene Versuche unternommen, zum Teil vom Ruhen der Rechtsverhält-


(Dr. Kleindinst)

)pisse, der Ansprüche und Verpflichtungen zu sprechen oder mit dem Begriff des Wartestandes zu arbeiten. Wir haben uns dann entschlossen, den des Ruhestandes in die Konstruktion dieses Gesetzes aufzunehmen. Die Mitglieder sind also mit dem Tage der Annahme der Wahl in den Ruhestand getreten und treten nach der Beendigung ihrer Tätigkeit im Bundestag wieder in ihr aktives Dienstverhältnis zurück. Angestellte werden entsprechend behandelt. Die Ausnahmen sind dieselben, die in dem Gesetz der Militärregierung vorgesehen sind.
Dabei haben wir besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die Hochschullehrer nicht in das Gesetz einbezogen werden. Denn auch das Militärregierungsgesetz Nr. 20 sieht vor, daß Hochschullehrer nicht aus dem Dienst ausscheiden müssen. Wir haben keinen Anlaß, weiter zu gehen, als das Militärregierungsgesetz gegangen ist. Wir legen auch besonderes Gewicht auf die Mitwirkung der Hochschullehrer. Sie ist uns eine Sicherung unserer Arbeit, und umgekehrt werden das Lehramt und die Forschungstätigkeit durch die Erfahrungen im Parlament wiederum gefördert.
Das Gesetz soll mit Wirkung vom 24. Mai 1949 in Kraft treten, in bezug auf die Wirkungen des Ruhestandes aber erst am 1. April dieses Jahres.
Das ganze Gesetz dient der Sicherung der Rechtsverhältnisse, vor allem aber der Sicherung der Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundestages. Namens des Ausschusses bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113304800
Ich danke dem_ Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in der zweiten Beratung auf § 1. — Keine Wortmeldungen. ,§ 2, — § 3, — § 4, —§ 5. — Wer für die Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 6 sind Abänderungsanträge angekündigt. Wer begründet sie? — Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0113304900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Kollegen im Bundestag sind auch einige Fälle zu regeln, in denen ein Wahl-Beamtenverhältnis auf Zeit vorliegt, in denen es sich also um sogenannte Wahlbeamte auf Zeit handelt. Hier ist bei der verschiedenen rechtlichen Stellung dieser Beamten in den einzelnen Ländern eine Bundesregelung nur sehr schwer möglich. Wir bitten deshalb, unseren Abänderungsantrag anzunehmen und zur Klärung die Worte „auf Zeit" einzufügen. Es bleibt somit der Landesgesetzgebung überlassen, die Verhältnisse dieser Beamten für die Zeit der Ausübung ihres Mandats zu regeln. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. Wenn dieser Antrag nicht angenommen würde, dann ist für diese Kollegen keine klare Regelung getroffen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113305000
Der Umdruck ist noch nicht numeriert.
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0113305100
Meine Damen und Herren! Wenn ich den Herrn Kollegen Strauß richtig verstanden habe, dann wünscht er, daß in § 6 eine Vorschrift aufgenommen werden soll, nach der die Rechtsstellung der Wahlbeamten der Landesgesetzgebung überlassen bleibt. Diese Regelung ist bereits in § 6 Abs. 2 der Vorlage vorgesehen.

(Abg. Strauß: Der Wahlbeamten auf Zeit!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113305200
Der Unterschied ist der, daß dies nicht für Wahlbeamte schlechthin, sondern für Wahlbeamte „auf Zeit" gelten soll. Die beiden Worte „auf Zeit" sollen eingefügt werden. Ich glaube, daß das schon richtig ist.

(Abg. Arnholz: Die gehören doch auch dazu! — Abg. Strauß: Ich bin selbst einem Irrtum unterlegen! Es handelt sich um die Wahlbeamten auf Zeit!)

— Ja, Wahlbeamte auf Zeit. — Keine weiteren Wortmeldungen.
Dann lasse ich abstimmen. Wer für den Abänderungsantrag ist — ich wiederhole ihn: in Abs. 1 sollen nach dem Wort „Wahlbeamte", also nach dem letzten Wort des Abs. 1, die beiden Worte „auf Zeit" eingefügt werden, und in Abs. 2 sollen ebenfalls nach dem Wort „Wahlbeamten" die beiden Worte „auf Zeit" eingefügt werden. Sonst bleibt der Text, wie er war —,

(Zustimmung) -

wer also dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun lasse ich abstimmen über § 6 in der nunmehrigen Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 7, — Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.

(Abg. Brese: Ich widerspreche!)

— Das Haus kann beschließen, daß die vorgesehenen Fristen verkürzt werden. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß die dritte Lesung heute durchgeführt wird. Wenn das Haus es beschließt und nicht zehn Mitglieder des Hauses widersprechen, ist dieser Beschluß wirksam. — Wer für die Durchführung der dritten Lesung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Zumindest war das die Mehrheit.
Wer widerspricht der Durchführung der dritten Lesung? Ich zähle sieben Mitglieder des Hauses. — Das reicht nicht aus, meine Herren. Die dritte Beratung des Gesetzes findet also statt. Sie steht außerdem auf der Tagesordnung, der nicht widersprochen wurde.
Ich rufe auf die §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,7, — Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Eine Stimme dagegen; das Gesetz ist gegen eine Stimme angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0113305300

Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern (Nr. 1907 der Drucksachen);

(Erste Beratung: 99. und 100. Sitzung) in Verbindung damit:



(Vizepräsident Dr. Schmid)

a) Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Wiederbesiedlung der Insel Helgoland (Nr. 2017 der Drucksachen);
b) Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Sicherung von Eigentum auf der -Insel Helgoland (Nr. 2018 der Drucksachen);
c) Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Bemühungen zur Freilassung von in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen (Nr. 2019 der Drucksachen);
d) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen (Nr. 2099 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Steinhörster als Berichterstatter. Die Begründung durch den Herrn Berichterstatter soll 15 Minuten nicht überschreiten. Die Gesamtredezeit ist auf 240 Minuten festgesetzt und für die Punkte a), b), c) und d) auf je 15 Minuten. — Bitte, Herr Abgeordneter!

Willi Steinhörster (SPD):
Rede ID: ID0113305400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan des Bundesministeriums des Innern, der Einzelplan VI, für das Rechnungsjahr 1950 ist mit dem Haushaltsplan des Jahres 1949, der nur einen Zuschußbedarf von rund 2,2 Millionen DM erforderte, nicht zu vergleichen, weil der Zuschußbedarf des 'Haushalts für das Jahr 1949 lediglich die Kosten für den beginnenden Aufbau des Ministeriums während der ersten sechs Monate darstellte und weil es sich erst allmählich im Laufe des Haushaltsjahres 1950 ergab, wie groß der Umfang des Ministeriums in seiner Gesamtheit sein würde. Erst dieses Bild konnte endgültig die Größe und auch die Zahl der zu übernehmenden oder neu zu errichtenden nachgeordneten Behörden festlegen.
Der dem Hohen Hause vorliegende Regierungsentwurf sah im ordentlichen Haushalt 22 Kapitel vor. Im Laufe der Beratungen im Haushaltsausschuß des Bundestages sind weggefallen das Kapitel XV, das Amt für Kartographie und Kartendruck, das Kapitel XVI, das Institut für angewandte Geodäsie, das Kapitel XVIII, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und das Kapitel XIX, die Bundesprüfstelle zur Bewertung von Filmen.
Zum Kapitel XV ist zu sagen, daß das als Dienststelle der Stadt Berlin vorgesehene Amt für Kartographie und Kartendruck auch weiterhin als Dienststelle dieser Stadt beibehalten werden soll. Ein für dieses Amt notwendiger Zuschuß in Höhe von 250 000 DM ist in einem neu eingerichteten Titel, im Kapitel II unter Titel 4, ausgebracht worden. Der Titel ist durch entsprechende Erläuterungen ergänzt. Gleichfalls ist den Ihnen vorliegenden Unterlagen ein entsprechender Wirtschaftsplan beigefügt.
Hinsichtlich des Kapitels XVI, das das Institut für angewandte Geodäsie betrifft, beschloß der Haushaltsausschuß entsprechend einem Vorschlag des Bundesministeriums des Innern die Streichung dieses Kapitels. Die Deutsche Geodätische Kommission, die aus Vertretern der Landesvermessungsverwaltungen zusammengesetzt ist, hatte beschlossen, ein eigenes Forschungsinstitut zu errichten, in das das Institut für angewandte 'Geodäsie als Abteilung II eingebaut werden sollte. Im Haushaltsausschuß entwickelte sich darüber eine lebhafte Debatte. Die Opposition trug vor, daß nach ihrer Meinung eine solche Regelung nicht zweckmäßig sei, da der Bund an diesem Institut ein großes Interesse haben müsse. Eine solche Neuregelung dürfe — so führte die Opposition weiter aus—nicht 'dazu führen, daß daraus eine dauernde Verpflichtung des Bundes entstehe; das Bundesinteresse sei bei der bis jetzt bestandenen Regelung doch zweifellos besser gewahrt. Diese Auffassung der Opposition wurde dann vom gesamten Ausschuß geteilt. Er beschloß, die Regierung zu ersuchen, über die endgültige Lösung dieser Frage neue Überlegungen anzustellen. Mit dieser Einschränkung genehmigte der Haushaltsausschuß die Streichung und dafür die Einsetzung des Zuschusses an das Institut für angewandte Geodäsie in Bamberg mit 120 000 DM bei Kap. 2 Tit. 6. Der Wirtschaftsplan dieses Instituts ist den Unterlagen beigefügt.
Das Kap. 18, meine Damen und Herren, von dein ich vorhin sprach — Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften — wurde gestrichen, da eine gesetzliche Regelung noch aussteht. Ebenso erfolgte eine Streichung des Kap. 19 sowohl in Einnahme als auch in Ausgabe, weil nach Vereinbarung mit den Ländern beabsichtigt ist, Landesprüfstellen zu errichten.
Den verbliebenen 22 Kapiteln der Regierungsvorlage sind während der Haushaltsberatungen zwei weitere Kapitel, und zwar die Kap. 23 und 24, neu hinzugefügt worden. Kap. 23 betrifft die Bundesausgleichsstelle. Für das Rechnungsjahr 1950, um das es jetzt geht, kommen aber in Einnahme und Ausgabe keine Ansätze in Frage. Erst im Haushaltsjahr 1951 wird dieses Kapitel in Anspruch genommen.
Kap. 24 enthält die Ausgaben für 'die Bedarfsstellen, die zur Durchführung der Vereinbarung über die Bereitschaftspolizei vorgesehen sind, für die notwendigen Funkstellen und für eine Beschaffungsstelle zur Beschaffung der Ausstattung
der Bereitschaftspolizei für den Rest des Haushaltsjahres 1950.
Ich darf nun, meine Damen und Herren, in meinem Bemühen, zunächst den Aufbau des Ministeriums darzustellen, auf diejenigen Kapitel des Einzelplans VI hinweisen, die eine besondere Bemerkung erfordern.
Zum Stellenplan dies Kap. 1, also des Ministeriums selbst, dürfte folgendes wichtig sein. Die Opposition im Haushaltsausschuß beanstandete, daß die Zahl der Sachbearbeiter ganz allgemein überhöht sei. Der Ausschuß schloß sich in seiner Gesamtheit dieser Kritik an und beauftragte das Ministerium zu einer Überprüfung. Das Ergebnis dieser Überprüfung war, daß von 'den bisherigen sechs A 2 b-Stellen nur noch vier verblieben; dagegen konnte die Zahl der A 3 b-Stellen nicht geändert werden. Von den bisherigen zwölf A 4 b 1-Stellen wurden nach der Überprüfung dem Haushaltsausschuß nur noch zehn Stellen genannt, und von den A 4 2 C- Stellen wurde dem Ausschuß nur noch eine zur Bewilligung vorgeschlagen. Das Referat Wohnraumbetreuung für das Personal des


(Steinhörster Ministeriums wurde als selbständiges Referat ,gestrichen, und die Aufgaben wurden vom Haushaltsausschuß einem anderen Referat übertragen. Die Kap. 3 und 4 — Bundesverwaltungsgericht und Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht — sind vom Haushaltsausschuß mit einem Sperrvermerk versehen worden, da für diese Organe noch keine gesetzliche Grundlage besteht. Das Kap. 13 — Bundesarchiv — enthält ebenfalls einen Sperrvermerk, da diese Einrichtung erst im Aufbau begriffen ist. Zu Kap. 17 ist lediglich ein Hinweis auf eine redaktionelle Änderung zu geben. Das Amt für Landeskunde soll nach einem Beschluß des Haushaltsausschusses Bundesanstalt für Landeskunde heißen. Ich darf mir nun gestatten, die wichtigsten Gesamtabschlußzahlen zu nennen, bevor ich auf bedeutsame Veränderungen in den einzelnen Kapiteln durch Beschlüsse des Ausschusses hinweise. Die Regierungsvorlage sah einen Gesamtzuschußbedarf für das Haushaltsjahr 1950 in Höhe von 57 183 100 DM vor. Nach Abschluß der Haushaltsberatungen stellt sich der Zuschußbedarf für 1950 nunmehr auf 86 436 300 DM. Das bedeutet gegenüber der Regierungsvorlage ein Mehr von insgesamt 29 253 200 DM. Dieses Mehr, meine Damen und Herren, ist erheblich, und ich darf Ihnen aufzeigen, wie sich die Veränderungen von einigem Gewicht im einzelnen darstellen. Zunächst ist der Bundesjugendplan zu nennen, der rund 16 Millionen DM aus diesem Einzelplan erfordert. Dann kommen 11 700 000 DM hinzu, die das Kap. 24 — Befehlsund Beschaffungseinrichtungen — unter einmalige Ausgabe Tit. 34 beansprucht. Hinzu kommen 500 000 DM für die Bundeszentrale für Heimatdienst und eine Million DM als Zuschuß für die Neue Deutsche Wochenschau. Das sind zusammen rund 29 200 000 DM. Im Laufe der Beratungen haben sich an manchen Stellen Einsparungen ermöglichen lassen. Aber diese Einsparungen sind im wesentlichen durch notwendig gewordene Mehrausgaben wieder ausgeglichen worden. Beim Bundesministerium des Innern und seinen nachgeordneten Dienststellen und Einrichtungen ist folgender Personalbestand veranschlagt und vom Haushaltsausschuß bewilligt worden. Beim Kap. 1 — hier handelt es sich um das eigentliche Ministerium — sind nunmehr 362 Arbeitskräfte veranschlagt worden. Der Haushaltsausschuß hat versucht, Vergleiche insbesondere gegenüber dem vorjährigen Haushaltsplan und gegenüber den Empfehlungen der Schlangenbader Konferenz des Organisationsbüros der Ministerpräsidentenkonferenz anzustellen. Gegenüber diesen Empfehlungen ist eine wesentliche Vermehrung eingetreten. Die Empfehlungen sahen vor, daß das neu einzurichtende Bundesinnenministerium einen Personalbestand von rand 220 Kräften aufweisen sollte, während nunmehr, wie ich Ihnen schon sagte, bereits 362 Kräfte beschäftigt werden. Beim Bundesverwaltungsgericht beträgt der Personalbestand nach Abschluß der Beratungen 51. Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beschäftigt 8 Leute, der Dienststrafhof 24, der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Dienststrafhof 8, die Dienststrafkammern beschäftigen 20 Kräfte. Das Statistische Bundesamt, über das nachher noch zu sprechen sein wird, hat 1067 Kräfte, das Bundesamt für Verfassungsschutz 85 Kräfte, das Bundeskriminalamt 326 Kräfte, die Bundesstelle für das Auswanderungswesen 11 Kräfte, das Bundesarchiv 29 Kräfte, das Institut für Raumforschung 25 Kräfte, die Bundesanstalt für Landeskunde 55 Kräfte, das Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 105 Kräfte. In den Kap. 21 und 22 — das sind Abwicklungsstellen — werden insgesamt noch 77 Kräfte ausgewiesen und bei Kap. 24, Befehlsund Beschaffungseinrichtungen, insgesamt 195 Kräfte. Das Bundesministerium des Innern mit seinen nachgeordneten Behörden beschäftigt also insgesamt 2448 Kräfte, wovon 722 beamtete sind, 113 unter Tit. 3 ausgewiesen werden, dann unter Tit. 4 1397 Angestelltenkräfte, 204 Arbeiter und unter Tit. 5 weitere 12 Kräfte ausgewiesen sind. Gegenüber der Kabinettsvorlage bedeuten diese Zahlen ein Mehr von 162. Die personellen Veränderungen, meine Damen und Herren, ergeben sich im einzelnen aus den Berichtsunterlagen, die Ihnen vorliegen und die ich genauestens einzusehen bitte. Zu Kap. 1 ist zu sagen, daß als ein besonderes Problem wieder einmal das Veterinärwesen Gegenstand der Beratungen war. Durch einen Mehrheitsbeschluß ist das Veterinärwesen aus dem Kap. 1 des Ministeriums des Innern gestrichen und auf den Haushalt des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten übertragen worden. Dem Hohen Hause ist dieses Problem bekannt, so daß ich mir ersparen kann, im einzelnen darauf einzugehen. Die sächlichen Kosten haben sich insgesamt gegenüber dem Regierungsentwurf verringert. Hinsichtlich des Aufbaues des Paßwesens, das nun, wie bekannt ist, in deutsche Zuständigkeit übertragen worden ist, wird vom Ausschuß eine zentrale Paßstelle für zweckmäßig gehalten. Wenn ich mich recht erinnere, hat diese Auffassung auch die Zustimmung des Vertreters des Ministeriums gefunden. Nun zu Kap. 2 Sonstige Bewilligungen! Der Tit. 1 des Kap. 2 wurde auf den Haushalt des Bundesarbeitsministeriums übertragen. Hinsichtlich des nunmehr als Tit. 5 erscheinenden Zuschusses fr das Amt für Kartographie und Kartendruck darf ich auf das bereits in meinem Bericht über den Aufbau Gesagte verweisen. Das gleiche gilt für den nunmehr als Tit. 6 erscheinenden Zuschußbetrag von 120 000 DM für das Institut für angewandte Geodäsie. Als neuer Tit. 8 erscheinen die Kosten für eine Bundeszentrale für Heimatdienst. Ich darf auf die Erläuterungen auf Seite 33 des Berichtsmaterials verweisen. Der Betrag wurde auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses aus dem Einzelplan des Bundeskanzleramtes herausgenommen, weil der Ausschuß eine Überschneidung der Zuständigkeiten nicht wünschte. Als neuer Tit. 33 in Kap. 2 erscheint nunmehr ein Zuschußbetrag in Höhe von 1 Million DM für die Neue Deutsche Wochenschau. Es handelt sich bei der Bewilligung in diesem Falle um einen Mehrheitsbeschluß des Ausschusses. Der Tit. 61 erhöht sich von 1,5 Millionen DM auf 17,5 Millionen DM. Bei diesem Titel handelt es sich um den von mir schon erwähnten Landesjugendplan. Eine Aufgliederung finden Sie auf Seite 33 und 34 des Materials. Der Ausschuß brachte bei der Beratung über diesen Titel zum Ausdruck, er wünsche unter keinen Umständen, daß Zuwendungen an solche Organisationen gegeben würden, deren politische Ziele nicht voll erkennbar seien. Das Ministerium wurde vom Ausschuß aufgefordert, ihm eine Aufstellung über die Aufwendungen vorzulegen. Bei Tit. 27 — hier handelt es sich um die Förderung des europäischen Gedankens — übte der Ausschuß Kritik an der bisherigen Verwendung der Mittel. Bei Tit. 29 — hier geht es um den Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes — sah sich der Ausschuß gleichfalls genötigt, Kritik zu üben, diesmal aber deshalb, weil er die Mittel für keineswegs ausreichend hielt. Bei dem folgenden Tit. 30, bei dem es sich um die Förderung der ideellen und wirtschaftlichen Bestrebungen der Deutschen Studentenschaft handelt, hat der Ausschuß eine Erhöhung des Betrages von 100 000 auf 120 000 DM vorgenommen. Tit. 31 enthält einen Zuschuß für die GoetheStiftung. Der Haushaltsausschuß sprach den Wunsch aus, das Ministerium möge im Jahre 1951 ähnlich wie bei der Goethe-Stiftung auch eine Schiller-Stiftung aufziehen. Tit. 40 befaßt sich mit dem Zuschuß zur Unterstützung und Förderung der Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes. Hierbei geht es um einen Betrag von 150 000 DM. Der Haushaltsausschuß hat die Erwartung ausgesprochen, daß nunmehr die dringend notwendig gewordene Umorganisation der Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes erfolge. Besonderer Erwähnung, meine Damen und Herren, bedarf noch das Kap. 8, Statistisches Bundesamt, auf das ich schon hinwies. Der Zuschußbedarf für das Statistische Bundesamt beträgt nach Abschluß der Beratungen durch den Ausschuß 26 300 000 DM. Er hat sich gegenüber dem Regierungsentwurf kaum oder nur unwesentlich verändert. Ich darf auf den Personalbestand Ende 1950 hinweisen. Die Zahl habe ich schon genannt, ich möchte sie noch aufgliedern. Der Personalbestand betrug 82 Beamte, 903 Angestellte und 68 Arbeiter. Neben diesen Beschäftigten werden im vorübergehenden Beschäftigtenverhältnis natürlich noch Kräfte bei den jeweiligen Zählungen selbst benötigt. Bei seinen Prüfungen und Beratungen lag dem Haushaltsausschuß der Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes vor. Die Ausschußmitglieder konnten sich überzeugen, daß insbesondere der dem Regierungsentwurf zugrunde liegende Stellenplan dem Prüfungsvorschlag des Bundesrechnungshofes entsprach. Der Ausschuß verzichtete daher auf eine eingehende Beratung des Organisationsund Stellenplanes. Im Laufe der allgemeinen Aussprache kritisierte der Ausschuß die mangelnde Zusammenarbeit der statistischen Behörden und brachte den Wunsch zum Ausdruck, daß einheitliche Grundlagen für alle Statistiken und ihr Zustandekommen geschaffen werden möchten. Die Opposition wünschte, daß das Statistische Bundesamt so bald wie möglich wieder ein Statistisches Jahrbuch herausbringe. Der Ausschuß würdigte die außerordentliche Bedeutung der Statistik und anerkannte, daß beispielsweise die Außenhandelsstatistik und die Produktionsstatistik von besonderer Wichtigkeit sind und daß Erhebungen, die zu diesem Zweck angestellt werden müssen, natürlich auch finanzielle Belastungen zur Folge haben. Die Größe des jetzigen Statistischen Bundesamtes gegenüber der Größe des früheren Statistischen Reichsamtes läßt erkennen, daß die heutige Ausstattung relativ bescheiden ist. Der Ausschuß nahm aber zur Kenntnis, daß für 1951 mit Personalverstärkungen zu rechnen sei. Ich darf mir noch gestatten, auf folgendes hinzuweisen: Dem Ausschuß wurde mitgeteilt, daß allein für die Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung 1950 ein Betrag von rund 16 Millionen DM benötigt wurde. Der Gesamtanteil an dieser Zählung ist auf rund 28 Millionen DM berechnet und verteilt sich auf die Rechnungsjahre 1950, 1951 und 1952. Kap. 10 enthält die Einnahmen und Ausgaben des Bundeskriminalamtes. Hier ist eine Erhöhung des Personalbestandes gegenüber der Regierungsvorlage auf 161 Beamte, 140 Angestellte und 14 Arbeiter erfolgt. Auch die sächlichen Kosten erfuhren eine nicht unwesentliche Erhöhung, insbesondere bei Tit. 11 dieses Kapitels, die überwiegend mit der Herausgabe eines Fahndungsblattes durch den Vertreter des Ministeriums begründet wurde. Kap. 12, Bundesstelle für das Auswanderungswesen, die sich bekanntlich in Bremen befindet: Hier hat der Haushaltsausschuß eine Sperre für die Beamtenstellen beschlossen. Die Besetzung mit Beamten soll so lange zurückgestellt werden, bis das Gesetz über das Bundesamt für Auswanderung erlassen ist. Auf Wunsch der Länder wurde der erste Absatz der Vorbemerkung zu Kap. 14 gestrichen. Und nun noch ein Wort zu den Kap. 20, 21 und 22. Hier hat der Ausschuß erhebliche Verminderungen der Ansätze beschlossen, wie Sie aus dem Berichtsmaterial ersehen wollen. Diese Dienststellen — es handelt sich um Abwicklungsdienststellen — befinden sich schon seit langem in Abwicklung und sollten — das hat der Haushaltsausschuß bereits im Vorjahr zum Ausdruck gebracht — nun auch wirklich baldigst aufgelöst werden. — Das, meine Damen und Herren, zum ordentlichen Haushalt. Bei den einmaligen Ausgaben ist unter E 18 ein neuer Tit. 3 geschaffen worden für die Einrichtung einer amtseigenen Fernsprechanlage beim Statistischen Bundesamt. Der Ausschuß hat dieser Anforderung zugestimmt. Die Anlage soll 400 Anschlüsse und 25 Amtsleitungen enthalten. Eine gutachtliche Empfehlung durch den Bundesrechnungshof lag in diesem Falle vor. Noch ein paar Worte zum außerordentlichen Haushalt. Hier ist bei Kap. 2 Tit. 1 der Ansatz von 200 000 DM auf 10 000 DM herabgesetzt worden. Es handelt sich hierbei um den Förderungsbeitrag für die Forschungsgruppe Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Die Herabsetzung ist auf Grund eines Vorschlages des Ministeriums erfolgt, der eine andersartige Regelung in Aussicht stellt. Damit, meine Damen und Herren, glaube ich meiner Pflicht als Berichterstatter Genüge getan zu haben. Das Sekretariat des Haushaltsausschusses hat Ihnen nach meiner Meinung ein gut durchgearbeitetes und sicher Ihren Wünschen entsprechendes schriftliches Material vorgelegt, das Sie sicher in den Stand versetzen wird, ein umfassendes Bild von den Veränderungen und von der umfangreichen Ausschußarbeit zu erhalten. Ich habe zum Schluß den Auftrag, Sie um die Annahme des Einzelplanes VI, also um die An nahme des Haushalts des Ministeriums des Innern für das Rechnungsjahr 1950 mit den vom Ausschuß vorgeschlagenen und beschlossenen Veränderungen zu bitten. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, mit dem Punkt 6 der Tagesordnung sind vier Anträge verbunden. Ich glaube, die Anträge unter Punkt 6a)


(Steinhörster)


(Steinhörster)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0113305500

Dr. Wilhelm Hamacher (DZP):
Rede ID: ID0113305600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat wohl eine sinnreiche, symbolische Bedeutung, wenn die Frage Helgoland mit dem Etat des Innenministeriums verbunden wird. Denn damit wird zum Ausdruck gebracht, daß die Frage Helgoland aus dem außenpolitischen Bereich, in den wir sie vor wenigen Wochen hineinstellen mußten, nun in den Bereich der deutschen Innenpolitik getreten ist. Das heißt mit anderen Worten, wir haben einen großen Fortschritt zu verzeichnen. Die Bundesregierung verfügt wieder stärker denn je in den vergangenen Jahren über diese Insel. Damit tritt die Frage in unseren Sorgenbereich, wie diese Insel aufgebaut werden muß.
Meine politischen Freunde haben mich daher beauftragt, die Anträge, die Ihnen vorliegen, ganz kurz zu begründen. Ich darf der Genugtuung Ausdruck geben, daß sich auch die anderen großen Fraktionen, die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP diesem Gedanken anschließen, jedoch mit der Maßgabe, vorläufig in keine große Debatte einzutreten, sondern diese Anträge dem entsprechenden Ausschuß zu überantworten, damit der Wiederaufbau Helgolands, der mit dem kleinen Betrag von einer Million DM nicht bewerkstelligt werden kann, dort besser vorbereitet und gründlich durchberaten werden kann. Wir bezwecken mit diesem Antrag, daß die ersten Vorbereitungen für den Wiederaufbau der Insel Helgoland getroffen werden. Darum beantragen wir, in den Haushalt des Innenministeriums wenigstens 1 Million DM einzusetzen. Im Namen aller Fraktionen bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, auch Punkt 6 c) der Tagesordnung hiermit zu verbinden. Auch hier liegt die Möglichkeit vor, auf dem Gebiete der Menschenrechte eine große Geste zu machen. Es handelt sich um die Frage, ob die zuständigen Stellen der Bundesregierung nicht in der Lage sind, einen Ausgleich dergestalt herbeizuführen, daß der kommunistische Helgolandfahrer mit den in der Ostzone zu schweren Gefängnisstrafen bzw. zum Tode verurteilten jungen Menschen in ein gleiches Verfahren hineingebracht wird. Hier böte sich doch die Möglichkeit, zu einem Ausgleich zu kommen. Deshalb auch die Bitte an die Bundesregierung, diesem Gedanken zu entsprechen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0113305700
Das Wort zur Begründung des Antrages der KPD betreffend Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen, hat der Abgeordnete Renner.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0113305800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Beschluß — als solcher ist er ja der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden, im Gegensatz zu der Maßnahme vom 19. September 1950, die ausdrücklich als eine Anordnung bezeichnet wurde —, dieser Beschluß des Kabinetts ist unserer Auffassung nach eine Fortsetzung der Politik, die die Adenauer-Regierung mit der Anordnung vom 19. September 1950 eingeleitet hat. Ich komme auf die Folgen, die diese Anordnung in den Ländern bzw. in den Gemeinden gehabt hat, bei der allgemeinen Betrachtung des Haushalts des Bundesministeriums- des Innern zurück. An dieser Stelle sei nur eine Feststellung getroffen: die Verfassungswidrigkeit der damaligen Anordnung ist in der Zwischenzeit durch zahllose Urteile von Arbeitsgerichten, Landesarbeitsgerichten, von Land- und Oberlandesgerichten, ja sogar durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Landes Bremen festgestellt. Alle angerufenen Gerichte haben — nicht weil sie unabhängig sind, sondern mit der Begründung, es handle sich um eine verfassungswidrige Anordnung —

(Sehr gut! bei der KPD)

diese Anordnung der Bundesregierung zurückgewiesen. Man hätte annehmen dürfen, daß die Bundesregierung eine derartige, nach ihrer eigenen Konzeption durch die Urteile der drei Säulen ihres Staates zerfetzte Anordnung längst zurückgezogen hätte. Die Bundesregierung denkt gar nicht daran. Sie geht auf dem beschrittenen Wege weiter. Nur eine kleine Nuance hat sie diesmal in ihren Beschluß hineingearbeitet. Während es damals, im Herbst 1950, noch hieß, daß diese Anordnung gegen „verfassungsfeindliche und verfassungswidrige" Organisationen gerichtet sei, gebraucht man heute ein Wort, dessen Inhalt viel vager, viel unklarer
— gewollt unklarer — ist und viel weniger Handhabe etwa zu einer Überprüfung durch die von dieser Regierung selber eingesetzten Organe, etwa des Bundesverfassungsgerichts, bietet. Diesmal heißt es nur, es handele sich um Organisationen, die „verfassungsfeindlich" seien.

(Abg. Bausch: Die gibt es!)

— Die gibt es? Aber, sehr verehrter Herr Kollege Bausch, man sollte derartige Urteile dann nicht in Bausch und Bogen fällen.

(Sehr gut! bei der KPD.)

Man sollte als „Hüter der Verfassung" eine derartige Feststellung der doch dafür von dieser Regierung bzw. von dem Parlamentarischen Rat bzw. von der Mehrheit dieses Hauses ausdrücklich eingesetzten Instanz, nämlich dem Bundesverfassungsgericht, überlassen. Heute sind wir so weit, daß der kleinste Polizeiinspektor schon Maßnahmen gegen uns mit der Begründung durchführt, die Bestrebungen unserer Partei seien „verfassungswidrig".
Ich bringe dafür bei der Betrachtung des Etats einen sehr eklatanten Beweis. Heute haben wir den Zustand, daß Minister in öffentlichen Parteiversammlungen, in amtlichen Anordnungen sich ein Urteil über die Verfassungswidrigkeit einer Organisation, einer Gruppe von Menschen anmaßen, die eigentlich nach dem klaren Inhalt des Grundgesetzes nur durch das genannte Gericht festgestellt werden kann. Im Grundgesetz heißt es darüber hinaus, daß sogar der Umfang der Maßnahmen gegen die als „verfassungswidrig" angesprochenen Organisationen durch das Bundesverfassungsgericht festgelegt wird. Wir haben einen Bun-


(Renner)

desinnenminister, der neulich einmal hier auf einen Zwischenruf von mir geantwortet hat, daß er noch einmal bereit sei, der NSDAP die Tür zu öffnen.

(Abg. Niebergall: Kommt er nicht mehr dazu!)

— Ich hoffe auch. Er hat zwar diese seine Antwort
mit der Behauptung abzuschwächen versucht, er
habe meinen Zwischenruf falsch verstanden. Er
hat vor der Öffentlichkeit behauptet, er habe mich
dahingehend verstanden, ich hätte ihm vorgeworfen, er habe schon einmal der KPD die Tür zugeschlossen. Ich bin der Meinung, daß ein Innenminister, der so schwerhörig ist und nicht den Unterschied zwischen dem Öffnen und dem Schließen
einer Tür versteht, sich von seinem Amt zurückziehen und einen Krankenschein beantragen soll.

(Lachen.)

Das ist meine Meinung. Diese damalige Reaktion von ihm ist nur so zu erklären, daß sie der Ausdruck des in ihm schlummernden Unterbewußtseins war. Uns hat er noch nie die Tür zugeschlagen, und er wird sie uns auch nicht zuschlagen.
Wir stehen heute vor einer Maßnahme, die die direkte Fortsetzung der Bestrebungen ist, die mit der damaligen Anordnung verfolgt wurden. Die selbständigen -Gewerbetreibenden, die Kaufleute und die Industriellen, die den fortschrittlichen, für Frieden und Einheit kämpfenden Organisationen angehören oder ihnen nahestehen oder sie gelegentlich auch einmal geldlich unterstützen, sollen durch den neuesten Beschluß der Adenauer-Regierung vom 28. März 1951 getroffen werden. Ihre Existenz soll vernichtet werden. Das soll in der Form geschehen, daß sie nicht mehr an Aufträgen beteiligt werden, die die öffentlichen Organe aus Bundesmitteln finanzieren. Es handelt sich dabei keineswegs etwa um die Luxusausgaben für die Einrichtung gewisser Sitze von höchsten Bundesbeamten, sondern es handelt sich um viel, viel einfachere, schlichtere Dinge, um die Lieferung für die Behörden bis herunter zur Post und Eisenbahn. Ich nehme doch an, daß der Herr Bundesinnenminister unter seinem großen Spitzelapparat wenigstens einige wenige Beamten und Agenten hat, die die tatsächlichen Kassenverhältnisse unserer Partei in etwa übersehen können und die beurteilen können, ob und wieviel finanzieller Zuschuß uns aus den von ihm genannten Kreisen der Industrie zufließt. Er weiß ganz genau, daß es sich da um einen alten Schwindel handelt. Den wollte er nicht abstoppen. Er wollte darüber hinaus vielmehr eine Diffamierung unserer Partei und der Organisationen erzielen, die sich für den Frieden und gegen die Remilitarisierung einsetzen. Um das zu erreichen, nahm er auch die Länder zur Hilfe.
Welche Auswirkungen das hat, dafür ein Beispiel, das hoffentlich — oder gar sicherlich, wage ich zu behaupten — vor einem ordentlichen Gericht recht bald durch Urteilsspruch die Rechtswidrigkeit auch dieses Beschlusses beweisen wird. In Essen veranstaltete am vergangenen Sonntag eine in dieser Liste nicht einmal genannte Organisation eine Filmvorführung. Der Hauseigentümer rät dem Pächter des Kinos an, ja den Saal nicht abzugeben, damit ihm, dem Eigentümer des Hauses, keine Schwierigkeiten entstehen. Es handelt sich um den „Fürstenhof" in Essen, also um dieses bescheidene Restaurantehen mit einer allen Essenern bekannten Vergangenheit, wo seinerzeit — es hat gerade noch dafür ausgereicht — Adolf Hitler seine Orgien gefeiert hat. Jetzt hat man es ganz nett wieder aufgebaut, und jetzt werden dort Veranstaltungen durchgeführt, an denen die Ministerien beteiligt
sind, also heute noch ein hochfeudaler Laden. Der Inhaber dieses hochfeudalen Ladens fürchtet, er könnte mit den hohen Herren der Ministerien, vor allem der Herren von Düsseldorf, in Konflikt kommen, und er stoppt ab. Sie kennen ihn doch auch, Herr Pünder,

(Abg. Dr. Pünder: Jawohl, Herr „Oberbürgermeister" von Essen!)

und Sie wissen genau, daß ich den Charakter dieses Luxushotels richtig gekennzeichnet habe.

(Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Nein, nicht ganz richtig!)

Es kommt darauf auch gar nicht so entscheidend an. Es kommt darauf an: Der Inhaber dieses Restaurants beruft sich auf die Anordnung des Herrn Bundesinnenministers.

(Hört! Hört! bei der KPD.)

Darauf beruft er sich, und wir sind der Meinung, dem Herrn Bundesinnenminister sollte durch den Bundestag klargemacht werden, daß es sich hier wieder einmal mehr um eine verfassungswidrige Anordnung, einen Beschluß handelt.

(Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Dann haben Sie uns wohl nicht alles erzählt, Herr Renner!)

— Was habe ich denn unterlassen, Ihnen zu erzählen? Vielleicht nehmen Sie nach mir das Wort, sehr verehrte Frau Weber, die Sie die Essener Verhältnisse auch sehr gut kennen und auch die Essener kleinen Adenauers genau kennen, Ihren Freund Toussaint z. B. — —

(Abg. Dr. Wuermeling: Die kleinen Renner!)

— Da sind keine kleinen Renner in der Regierung. (Abg. Dr. Wuermeling: Nein, die anderen, Sie sind der große!)

— Da ist kein kleiner Renner in der Regierung. Seien Sie ganz beruhigt: wenn der kleine Renner noch in der Essener Regierung säße, sähe es dort ganz anders aus.

(Große Heiterkeit. — Sehr richtig! bei der KPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Das glaube ich auch! — Abg. Strauß: Da haben Sie ausnahmsweise recht!)

Ich verlasse mich in der Frage auf das Urteil, das mir damals solche Kenner der Kommunalpolitik wie Ihr Herr Kollege Pünder abgestattet haben. Nicht wahr, Herr Pünder, Sie haben mich ja nicht gerade zu den allerschlechtesten in der Gruppe der Oberbürgermeister gezählt!

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0113305900
Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie kommen vom Thema ab, wenn Sie sich dauernd mit den Essener Lokalangelegenheiten befassen.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0113306000
Nein, ich fürchte, daß sich das, was sich in Essen getan hat, dank der großen Beziehungen des Herrn Bundesinnenministers in der ganzen jämmerlichen Sphäre, über die er regiert, wiederholen könnte. Darum bin ich dagegen.
Wir sind der Auffassung, daß dieser Beschluß nichts anderes ist als eine Nötigung, eine Boykottmaßnahme gegenüber diesen kleinen und größeren Firmen- und Geschäftsinhabern, eine Boykottmaßnahme, die, sobald sie vor einen Gerichtshof sogar dieser Ihrer Republik gezogen wird, genau dieselbe Beurteilung wie die Anordnung vom vorigen Jahre erfahren wird, wenn das Recht nicht gebrochen wird. Ich bin der Meinung, daß Sie, die Sie


(Renner)

sogar über den von Amts wegen zum Hüter Ihrer Verfassung bestimmten Herrn Minister hinaus die Verfassung zu wahren haben

(Zuruf von der Mitte.)

— ich habe an Sie nicht gedacht, Herr Schröter, ich habe an die Gesamtheit gedacht —, ich bin der Auffassung, daß Sie verpflichtet sind, dafür zu sorgen, daß ein verfassungswidriger Beschluß zurückgezogen wird.

(Sehr richtig! bei der KPD.)

Heute geht es gegen uns, und die Erfahrung lehrt, daß es morgen auch gegen andere gehen kann.

(Sehr gut! bei der KPD.)

— Herr Menzel, Sie lachen so stillvergnügt; einmal haben Sie es ja erlebt! — Und kommt es dazu, daß es dieser Klasse, deren Repräsentant dieser Bundesinnenminister ist, gelingt, den Krieg auszulösen, Herr Innenminister a. D. Menzel, dann, fürchte ich, werden die ehrlichen, abwehrbereiten Kräfte auch in Ihrem eigenen Lager dieselbe Behandlung erfahren, wie wir sie heute erfahren. Es geht hier gegen die Verfechter des Friedensgedankens für die, die den Krieg wollen. Darum sollten auch Sie diese Maßnahme ablehnen und sich dagegen zur Wehr setzen.

(Beifall bei der KPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0113306100
Die Berichterstattung und die Begründung der Anträge sind damit beendet. Wir kommen nun zur Aussprache.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Robert Lehr (CDU):
Rede ID: ID0113306200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme zunächst zu der Helgoländer Frage. Die Aufgaben, die die Rückführung der Bevölkerung nach Helgoland und die Wiederbesiedlung der Insel nach ihrer Freigabe betreffen, gehören an sich nicht zur Kompetenz des Bundes; sie gehören zur Kompetenz des zuständigen Landes Schleswig-Holstein. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein unternimmt bereits die nötigen und die möglichen Vorarbeiten zur Wiederbesiedlung der Insel. Am Ostermontag hat auf Veranlassung der schleswig-holsteinischen Landesregierung eine amtliche Besichtigung der Insel stattgefunden, an der auch verschiedene Bundesministerien durch ihre Vertreter teilgenommen haben. Die Besichtigung diente dazu, einen ersten Überblick über den beklagenswerten Zustand der Insel zu schaffen und danach Vorbereitungen für den späteren Wiederaufbau zu planen. Das Innenministerium war ebenfalls durch einen Vertreter an dieser Besichtigung und Planung beteiligt.
Im übrigen ist die Bundesregierung bereit, Anträge des Landes Schleswig-Holstein auf finanzielle Unterstützung des Wiederaufbaues der Insel so wohlwollend, wie es die Lage nur irgendwie gestattet, zu prüfen. Sie wissen vielleicht, daß gerade in diesen Tagen die schleswig-holsteinische Regierung ein Kuratorium gebildet hat, um aus allen Teilen des Bundesgebiets Unterstützung heranzuziehen, und daß, soweit ich unterrichtet bin, wohl an sämtliche Mitglieder des Kabinetts die Aufforderung ergangen ist, sich anzuschließen. Ich selbst habe jedenfalls heute meinen Beitritt erklärt.

(Zuruf von der KPD: Oh, das ist viel wert!)

Zu dem Antrage der Zentrumsfraktion, daß die Bundesregierung alsbald Verhandlungen mit dem britischen Hohen Kommissar zwecks Verlegung einer Polizeiabteilung nach Helgoland aufnehmen möge, damit die Ausplünderung der Insel verhindert werde, läßt sich sagen, daß dort tatsächlich im gewissen Umfange Diebstähle an Schrott und an dem dort sonst anfallenden Material vorgekommen sind. Aber es ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen ja nicht möglich, Polizeiabteilungen auf der Insel zu stationieren, und zwar wegen der mit dem Aufenthalt auf der Insel unmittelbar verbundenen Gefahr für Leib und Leben. Für den Fall der weiteren Prüfung der Frage werden wir uns je nach dem Maß der uns zur Verfügung stehenden Mittel jedenfalls beteiligen und die möglichen Schritte unternehmen.
Ich komme damit zu dem Antrag der KPD. Auf die persönliche Seite werde ich dann am Schlusse eingehen. Der Antrag der Fraktion der KPD, den Beschluß der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen, abzulehnen, wird damit begründet, daß dieser Beschluß eine Verletzung des Art. 3 unserer Verfassung enthalte. Der Einwand ist nicht begründet.

(Abg. Renner: Das ist klar!)

Der Art. 3 ist hineingestellt in die verfassungsmäßige freiheitliche Grundordnung unserer Bundesrepublik. Nach Art. 2 des Grundgesetzes hat jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und soweit er nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt.

(Zuruf von der KPD: Das tun Sie doch täglich!)

Daraus folgt, daß der Art. 3 nur in Zusammenhang mit den diese Grundordnung konstituierenden Bestimmungen ausgelegt werden kann. Wenn die Bundesregierung solchen Wirtschaftsunternehmungen, die verfassungsfeindliche Organisationen unterstützen, keine wirtschaftliche Förderung zuteilwerden läßt und ihnen insbesondere keine Aufträge erteilt, dann handelt sie in Ausübung der Verpflichtung zu staatlicher Selbsterhaltung.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien. —Zurufe von der KPD.)

Wenn die Bundesregierung die notwendigen Maßnahmen zum Schutze der freiheitlichen Grundordnung nicht ergreifen würde, würde sie sich selbst aufgeben und es unterlassen, das ihr nach der allgemeinen Staatsrechtslehre zustehende Notwehrrecht in Anspruch zu nehmen.

(Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD.)

Zu der persönlichen Seite. Ich glaube, Herr Abgeordneter Renner, ich habe Ihnen bei vielen Gelegenheiten bewiesen, daß ich für Sie und Ihre Freunde und Ihre Bestrebungen hellhörig genug bin.

(Zuruf von der KPD: Mit Ihrem Spitzelapparat, ja; der gefälschte Berichte geliefert hat! — Abg. Renner: Und Schwindelnachrichten! )

— Über Spitzelapparate wissen wir allerdings genau Bescheid!

(Zuruf von der KPD: Da müßten wir bei Ihnen in die Schule gehen!)

Im übrigen möchte ich Sie darauf verweisen, daß Sie mir schon einmal im Landtage von NordrheinWestfalen mit denselben sinnlosen Verdächtigungen gegenübergetreten sind und behaupteten, ich


(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

9 hätte den Nationalsozialisten in irgendeiner Form Beistand geleistet. Mein Kampf gegen die Nationalsozialisten, den ich jahrelang geführt habe, ist hinreichend bekannt. Ich brauche das hier nicht noch einmal anzuführen.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


(diese Beschuldigungen, als Herr Renner mit seinen Freunden meine Entfernung als Landtagspräsident verlangte, eingehend geprüft hat und wegen der ;Sinnlosigkeit dieser Beschuldigungen zur Tagesordnung übergegangen ist. (Lebhafte Zustimmung und Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

In dieser Einstellung bewerte ich auch Ihre Ausführungen, Herr Renner.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0113306300
Das Wort hat der Abgeordnete Maier.

Friedrich Maier (SPD):
Rede ID: ID0113306400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan VI über den Haushalt des Bundesministeriums des Innern ist, wie der Herr Berichterstatter schon erwähnte, gegenüber dem im Vorjahre verabschiedeten Übergangsplan stark angeschwollen. Das Soll der Beamtenstellen des Ministeriums selbst in Kap. 1 konnte zwar im vergangenen Jahre so, wie es die Schlangenbader Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vorgesehen hatten, noch gehalten werden, ist aber inzwischen auf 362 Stellen angewachsen. Im gesamten weist die Zahl der in dem Einzelplan ausgewiesenen Beschäftigten ein Mehr von 162 gegenüber der Regierungsvorlage aus. Die Vermehrung ist, wie der Herr Berichterstatter schon ausführte, zum Teil auf eine Erweiterung der Aufgaben, zum anderen Teil auf die Errichtung neuer Bundesbehörden zurückzuführen. Trotzdem glauben wir, auch von dieser Stelle aus, wie es von meinen Freunden im Haushaltsausschuß schon geschehen ist, ein Wort ernster Mahnung an das Bundesinnenministerium für den künftigen Haushaltsplan richten zu müssen, gerade im Bereich der Personalausgaben sparsamst zu wirtschaften. Wir sprechen diese Mahnung aus, obwohl wir für einzelne Titel, die wir für besonders wichtig erachten, gewisse Forderungen zu stellen haben.
Daß man die in der Regierungsvorlage vorgesehenen Kap. 15, 16, 18 und 19 gestrichen hat, findet die Zustimmung meiner Fraktion. Desgleichen sind wir der Auffassung, daß man endlich die aus dem ehemaligen Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets noch verbliebenen Bediensteten in irgendeiner Bundesbehörde unterbringen sollte, um das Personalamt auflösen zu können. In diesem Zusammenhang müssen wir mit Bedauern feststellen, daß es sich bei den noch nicht Untergebrachten in der Hauptsache um Gesinnungsfreunde meiner Partei handelt. Das Kanzlerwort, daß die Opposition zu gerechtem Teil an der Verwaltung zu beteiligen sei, scheint also nur von wenigen Verwaltungen praktiziert zu werden.

(Abg. Mellies: Sehr richtig!)

Für das Bundesinnenministerium darf ich sowohl für dessen ersten Minister Dr. Heinemann als auch für den derzeitigen Bundesinnenminister Dr. Lehr mit Befriedigung eine loyale Handhabung des aufgestellten Grundsatzes feststellen.
Die beiden weiteren Abwicklungsstellen in den Kap. 21 und 22 sollten nun endlich aufgelöst werden. Wenn ich schon bei Einsparungsvorschlägen bin, darf ich anregen, daß alle wissenschaftlichen Anstalten und zu fördernden Forschungsinstitute beim Bundesinnenministerium zusammengefaßt werden sollten. Zuvor aber sollte genau die Notwendigkeit jedes Instituts überprüft werden. Wir sind durchaus für jegliche Förderung der wissenschaftlichen Forschung; es muß aber für die einzelnen Institutionen hinsichtlich ihrer personellen Besetzung einwandfrei geklärt sein, ob diese Institutionen auch förderungswürdig sind. Zur Zeit bestehen solche Institute neben denjenigen beim Innenministerium beim Wirtschafts- und bei dem Vertriebenenministerium. Außerdem ist im Bundeskanzleramt ein Referent mit Koordinierungsaufgaben auf diesem Gebiet betraut, was uns überflüssig erscheint. Die vorgeschlagene Zusammenlegung aller solcher Einrichtungen im Bundesministerium des Innern würde nicht nur Mittel für den eigentlichen Zweck der Förderung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit freimachen; sie hätte den weiteren Vorzug, dem Hohen Hause eine bessere Kontrolle zu ermöglichen.
In einem Falle ist, wie schon im Bericht erwähnt, die Zusammenlegung von Titeln aus verschiedenen Haushalten erfreulicherweise gelungen, indem man die beim Bundeskanzleramt angeforderten Mittel für die Demokratisierung der Jugend und ähnliche Aufgaben in dem Titel „Zentrale für Heimatdienst beim Bundesinnenministerium" zusammengefaßt hat. Wir haben bereits im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung den Regierungsvertreter gebeten, über die beabsichtigte Verwendung der Mittel aus dieser Haushaltsposition eine aufgeschlüsselte Darstellung zu geben. Wir richten auch an den Herrn Bundesinnenminister die gleiche Bitte, das Hohe Haus über die zuständigen Fachausschüsse über die Verwendung der nicht unbeträchtlichen Haushaltssumme laufend zu unterrichten.
Ich komme nun zu kritischen Ausführungen auf dem Gebiete der Gesetzgebung und sonstiger Maßnahmen. Zu unserem Bedauern müssen wir ein Versagen des Bundesinnenministeriums hinsichtlich einer neuzeitlichen Gestaltung des Beamtenrechts feststellen. Das vorläufige Beamtengesetz entspricht in keiner Weise den Anforderungen eines demokratischen öffentlichen Dienstes. Das ist nicht zuletzt auf den Mangel an Zusammenarbeit mit den zuständigen Gewerkschaften zurückzuführen. Trotz wiederholter Zusagen und Versprechungen liegt noch keine Vorlage eines endgültigen Beamtengesetzes vor. Nach der Verlängerung des vorläufigen Gesetzes am 31. Dezember des vergangenen Jahres war in den Ausschußsitzungen des Bundestags immer wieder mit größter Bestimmtheit zugesagt worden, daß spätestens bis Mitte 1950 das endgültige Gesetz vorgelegt würde.

(Hört! Hört! links.)

Jetzt haben wir April 1951 und kennen noch keinen amtlichen Entwurf.

(Abg. Mellies: Vielleicht ist auch Korea daran schuld!)

— Das ist möglich. — Die Milderungen des vorläufigen Gesetzes in dieser Frage genügen nicht, um die Vorschriften des Grundgesetzes zu verwirklichen. Die bisher bekanntgewordenen Entwürfe entsprechen keineswegs dem Programm, das der Herr Bundesinnenminister bei seinem Amtsantritt




(Maier [Freiburg])

sowohl in Erklärungen vor dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung als auch im Ausschuß zum Schutze der Verfassung bekanntgab.
Zu dem Erlaß betreffend die politische Betätigung der Beamten hat meine Fraktion schon zu einem früheren Zeitpunkt Stellung genommen. Ich möchte heute nur noch einmal wiederholen, daß wir ihn nicht als Rechtens anerkennen können.
Hinsichtlich der Personalpolitik wäre zu bemängeln, daß erst zu einem sehr späten Zeitpunkt die Ausschreibungen freier Stellen erfolgt sind und daß nicht immer der beste Bewerber ausgewählt wurde. Wir dürfen in diesem Zusammenhang auf das Weißbuch der Gewerkschaften verweisen. Aber auch auf dem Gebiet der Ausbildung von Polizeiführern haben wir genügend Beispiele, daß die Auswahl nicht immer mit der nötigen Sorgfalt getroffen wurde.
Beamtenstellen sollten nach unserer Auffassung nur für Aufgaben angesetzt werden, für die Beamte notwendig sind. Erfreulicherweise haben wir heute bei der Beratung des Etats des Justizministeriums gehört, daß man sich dort bei Einstellungen von Arbeitskräften für Aufgaben, die zeitlich bedingt sind, mit Angestellten begnügt. Im Bundesministerium des Innern hingegen werden für solche vorübergehende Aufgaben in der Regel Beamte eingesetzt. Insbesondere sollte der Grundsatz, mehr Angestellte zu verwenden, beim Aufbau neuer Behörden beachtet werden.
Mit der Schaffung von Bundesoberbehörden sollte man besonders sparsam sein. Aus diesem Grunde haben wir auch bei dem Gesetz zur Errichtung des Bundesgrenzschutzes an Stelle der Oberbehörde die Verlegung der Spitze in das Ministerium beschlossen. Solche Eingliederungen in den ministeriellen Apparat erleichtern dem Parlament die Kontrolle.
Wenn wir auch die Auffassung des Bundesrats hinsichtlich der Überbewertung mancher Referate teilen und weder einer Ministerialratsinflation das Wort reden noch die Auffassung vertreten, daß eine Hilfsreferentenstelle nur nach A 2 b besetzt werden könne, so erscheinen uns doch einige Aufgabengebiete so wichtig, daß sie durch die Schaffung entsprechend herausgehobener Planstellen in ihrer Bedeutung unterstrichen werden sollten. Das trifft zunächst für das Kommunal-Referat zu, dessen Wichtigkeit erst dieser Tage bei der Beratung des Gesetzes zu Art. 131 wieder hervortrat. Im Gegensatz zum Bundesrat ist meine Fraktion der Auffassung, daß das kommunale Arbeitsgebiet die Schaffung einer Unterabteilung für kommunale Fragen mit den entsprechenden Referaten rechtfertigt, um so mehr, als Gegenstände der ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebung starke Rückwirkungen auf die Gemeinden haben. Man spricht viel von der Gemeinde als der Urzelle des demokratischen Staates, vergißt aber dabei, diese lebenswichtige Zelle so gesund zu erhalten, daß der Gesamtorganismus Staat lebensfähig bleibt.

(Sehr gut! links.)

Aus diesem Grunde bedauern wir auch, daß der Herr Bundesinnenminister, wie mein Freund Henßler bei der Beratung des Gesetzes zu Art. 131 dieser Tage feststellen mußte, das notwendige Verständnis für die schwierige Lage der täglich mit neuen Aufgaben belasteten Gemeinden vermissen ließ. Wenn auch, was mit auf alliierte Einflüsse zurückzuführen ist, die Konstruktion des Grundgesetzes eine direkte Einflußnahme des Bundes zugunsten der Gemeinden bedauerlicherweise nicht zuläßt, so sollte doch die von uns angestrebte Gemeindeabteilung als Koordinierungsstelle in lebendigem Kontakt mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Konferenz der Innenminister der Länder alle Möglichkeiten ausschöpfen, die eine gedeihliche Entwicklung der Gemeinwesen gewährleisten.

(Sehr richtig! links.)

Wir bitten deshalb den Herrn Bundesinnenminister, diese Anregungen bei der Aufstellung des Haushaltsplanes für das Jahr 1951 berücksichtigen zu wollen.
Desgleichen sind wir der Auffassung, daß das heutige Referat für die Kriegssachgeschädigten dem Umfang und der Bedeutung der Aufgaben, die ihm durch die große Zahl der zu Betreuenden erwachsen, nicht gerecht werden kann.

(Abg. Kunze: Sehr richtig!)

Der Bundestag hat bei der Beratung über das Gesetz über die Verteilung der Heimatvertriebenen dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß bald ein Gesetz über die Rückführung der Evakuierten vorgelegt werden sollte und daß ähnlich wie bei den Heimatvertriebenen auch für den Personenkreis der Kriegssachgeschädigten gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen werden müßten, die den unverschuldet in Not geratenen, vom Kriege besonders hart getroffenen Menschen ihre soziale Lage erleichtern. Meine Fraktion ist daher der Auffassung, daß auch in diesem Falle der Ausbau des vorhandenen Referats zu einer Abteilung dringend erforderlich ist.
Bei der vom Bundesinnenministerium für eine große Zahl von Referaten beantragten Hebung der Planstellen für die betreffenden Stelleninhaber nach A 1 a bzw. A 1 b wurde in der Begründung immer darauf hingewiesen, daß gute Kräfte nur zu bekommen sind, wenn ihnen durch eine entsprechende Dotierung ihres Amtes ein Anreiz geboten werde. Wenn irgendwo dieser Grundsatz Beachtung verdient, so nach unserer Auffassung bei der Besetzung des Verfassungsschutzamtes. Die Bedeutung dieser Bundesbehörde gerade in unseren Tagen, wo sich Extremisten rechts und links anschicken, die Fundamente der jungen Demokratie anzunagen, wird von keinem aufrechten Demokraten verkannt werden. Dieses Schutzinstrument, das zu schaffen die Bundesrepublik, wenn sie sich nicht selbst aufgeben wollte, als notwendig anerkannte, hat in der deutschen Demokratie kein Vorbild. Man kann also nicht mit alten Maßstäben messen, wie das Amt auszustatten ist. Sollen in einem Ausleseprozeß nur die besten, die befähigtsten, die unbestechlichsten und zuverlässigsten Beamten für die Verteidigung der Bundesrepublik und ihre Einrichtungen tätig werden, dann ist auch in diesem Falle eine der Verantwortung entsprechende Hebung der Stellen notwendig. Wir erwarten deshalb vom Bundesinnenministerium, daß bei Aufstellung des Haushaltsplans 1951 die Stelle des Leiters dieses Amtes eine der Bedeutung dieser wichtigen Bundesbehörde entsprechende Eingruppierung erfährt und daß sein Stellvertreter entsprechend eingestuft wird. Die Abteilungsleiter der Erfassungs-
und Auswertungsabteilung sollten den Hauptreferenten im Ministerium durch Eingruppierung nach A 1 a gleichgestellt werden. Um die besondere Aufgabe, die weit über die Norm hinausgehende Dienstleistungen erfordert, zu unterstreichen, sollten den Bediensteten Zulagen, ähnlich wie sie im Ministerium gezahlt werden, zuerkannt werden.


(Maier [Freiburg])

Was die sachlichen Aufgaben dieses Amtes anlangt, so ist Tit. 31 der normalen Haushaltskontrolle entzogen. Die Rechnungslegung erfolgt nach besonderer Vereinbarung zwischen dem Herrn Bundesminister des Innern und dem Präsidenten des Rechnungshofes. Deshalb ist es um so wichtiger und notwendiger, darauf hinzuweisen, daß der Herr Bundesinnenminister strengstens darauf achte, daß die in diesem Titel vorgesehenen Mittel zweckgebunden durch den verantwortlichen Leiter des Amtes für den Bundesverfassungsschutz ausgegeben werden. Es besteht sonst die Gefahr, daß aus diesem Titel Ausgaben gedeckt werden wie etwa die Kosten für das ehemalige Büro Schwerin und andere nicht etatisierte neue Einrichtungen, an deren Kontrolle der Bundestag ein Interesse hat.
In diesem Zusammenhang sei die Anfrage an den Herrn Minister gestattet, aus welchem Titel der für den Aufbau des Bundeskriminalamts eingesetzte schwedische Spezialist für internationale Kriminalistik und in welcher Höhe Herr Söderman besoldet wird. Ich stelle diese Frage, weil nach einem umgehenden Gerücht gesagt wird, Herr Söderman sei in diese Stellung berufen, um einen anderen Herrn einer Privatverpflichtung zu entheben, und würde aus einem Gutachterfonds und aus einem Dispositionsfonds des Ministers bezahlt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Schon um solchen Gerüchten, wenn an ihnen nichts Wahres sein sollte, entgegentreten zu können, ist es uns wichtig, vom Herrn Minister auf diese Frage eine Antwort zu erhalten.
Aber eine zweite Frage noch in dieser Sache: Weshalb hat die Bundesregierung diesen Mann geholt?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Seine Fachkenntnisse in Ehren, und es sei auch zugegeben, daß man an einer Ausbildungsstätte für Kriminalpolizeibeamte eine Fachkraft von internationalem Ruf durchaus als Gastvortragenden verwenden kann. Aber bei der Errichtung des Bundeskriminalamts, das schon durch die zwangsläufige Übernahme des Hamburger Zonenkriminalamts seinen organisatorischen Kern hat, handelt es sich doch fast ausschließlich um den technischen und personellen Aufbau eines erweiterten Organisationsapparats. Mußte dazu ein Mann aus dem Ausland geholt werden?

(Sehr richtig! bei der WAV.)

Hat man bei der Bundesregierung kein Gefühl dafür, daß mit dem Bekanntwerden dieser Tatsache in der deutschen Öffentlichkeit der Eindruck entstehen mußte, wir hätten in der deutschen Bundesrepublik keinen Mann, der in der Lage wäre, den formalen Aufbau des Bundeskriminalamts verantwortlich zu leiten?

(Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Renner: Wahrscheinlich ist kein Gestapobeamter mehr arbeitslos! Die sind wahrscheinlich alle untergebracht!)

Haben wir in Deutschland keine Kriminalfachleute, die die dem Bundeskriminalamt gestellten Aufgaben lösen können? Ist etwa die Initiative im Falle der Berufung Södermans gar nicht vom Ministerium des Innern ausgegangen,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und welche andere Stelle ist dann für die Berufung des Herrn Söderman verantwortlich?
Bei der personellen Besetzung der nach Übernahme des Zonenkriminalamts verbleibenden Stellen erwarten wir vom Bundesinnenministerium,
daß es dabei zunächst an die Wiedereinstellung derjenigen Beamten denkt, die das Hitlerregime aus rassischen oder politischen Gründen aus ihren Ämtern verdrängt hat. Es sollte nicht wieder verfahren werden wie bei der Auswahl der Kursisten für die Polizeischulen, von denen die Mehrzahl politisch belastete ehemalige Nazis gewesen sind. Wir protestieren energisch dagegen, daß solche Kursisten den Ländern als Hüter von Gesetz und Verfassung zur Einstellung empfohlen werden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wir haben dem Herrn Minister listenmäßige Aufstellungen über eine größere Zahl solcher belasteter Führeranwärter übergeben, weil wir angenommen hatten, daß ihm die personellen Mißgriffe seiner Bürokratie nicht bekannt waren. Wenn aber als Antwort auf diesen Bericht die Mitteilung erfolgte, daß es sich bei den SS-Leuten nur um rangmäßige SS-Titel gehandelt habe und daß die Spruchkammerurteile die betreffenden Personen als für den Dienst verwendbar bezeichneten, so fragen wir auch hier: Weshalb hat das Ministerium nicht in erster Linie auf die für die Demokratie absolut zuverlässigen Beamten zurückgegriffen, die 1933 ihre Treue zur Demokratie und ihre republikanische Überzeugung mit ihrer Entlassung bezahlten?

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Der Herr Bundesinnenminister — das darf hier ausdrücklich festgestellt werden — hat sich wie sein Vorgänger personellen Vorschlägen der Opposition gegenüber stets loyal verhalten, und wir wünschten, daß diese Feststellung auch für die anderen Ministerien zuträfe.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich darf noch zur Unterstreichung der vorhin angeführten Tatsachen erwähnen, daß in die Kurse der Polizeiführer-Lehrgänge Leute gekommen sind, die, wie die Listen ausweisen, bis zu 80 % einer nationalsozialistischen SS-, SA- oder Parteiformation angehörten. Es sind also nicht, wie das Spruchkammerurteil sagt, „harmlose Leute". Außerdem bin ich im Besitz von Photokopien aus einer Dokumentensammlung. Die Urkunden tragen die Unterschrift eines Bewerbers um eine solche Polizeiführerstelle. Dabei ist aufschlußreich, was von diesem heute als harmlos bezeichneten Manne 1938 geschrieben wurde. Ich darf vielleicht mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einen kurzen Auszug aus einem dieser Schreiben verlesen. Das Schreiben betrifft den Oberleutnant der Schutzpolizei Rudolf Schönlebe, der von der zuständigen Abteilung des Bundesministeriums dem Lande Niedersachsen zur Einstellung empfohlen wurde.
Der jetzige Oberleutnant der Schutzpolizei Rudolf Schönlebe hat sich seit Ende des Jahres 1931 — obwohl er damals Polizeiwachtmeister war und ihm jegliche politische Betätigung für die NSDAP dadurch verboten war — zunächst im geheimen Nachrichtendienst der SA ununterbrochen aktiv betätigt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Der Nachrichten- und Abwehrapparat sowie der geheime Polizeiapparat der damaligen SA-Standarte 6 unterstand seit der Gründung Sommer 1931 meiner Leitung.
Ich will nicht alles weiter vorlesen. Dieser Brief wurde am 15. 1. 1938 von dem Staffelführer Kurt Hoppe, Schulungsleiter der Motorgruppe Berlin des NSKK, als Empfehlung an eine Dienststelle gerichtet, um diesem Herrn Schönlebe bei seiner Beförderung dienlich zu sein. Ähnliche Bescheinigun-


(Maier [Freiburg])

gen liegen schon vom 6. 9.. 1933 und vorn 10. 10. 1933 vor. In der Bescheinigung wird Schönlebe als nationalsozialistischer Verbindungsmann genannt. Die Echtheit der Schriftstücke wird durch die an dem Briefkopf befestigte Photographie des Bewerbers bestätigt.
Für den personellen Bereich gibt es in den großen Bundesverwaltungen so viele zuständige Dienststellen, daß bei der großen Zahl einflußreicher restaurierter Beamter Einstellungen erfolgen können, die nur dann zur Kenntnis des dem Parlament verantwortlichen Ministers kommen, wenn sich die öffentliche Kritik regt.
Daß politische Zuverlässigkeit nicht nur keinen Schutz zu bedeuten braucht, sondern für den einzelnen Beamten zum Verhängnis werden kann, dafür ein klassisches Beispiel aus dem Bereich eines anderen Bundesministeriums, das nicht zur Nachahmung empfohlen wird. Gestatten Sie mir, daß ich den Namen des betreffenden Briefschreibers — es handelt sich um einen Originalbrief — nicht nenne.
Da ich bisher lebenslänglicher Beamter nach dem alliierten Militärgesetz Nr. 15 war und dieses Gesetz eine Versetzung in den Wartestand nicht ermöglicht hätte, mußte vorher noch meine Übernahme als Bundesbeamter folgen." —
Er schreibt voraus — das muß ich noch erwähnen —:
Es wird Sie vielleicht interessieren, daß meine Zugehörigkeit zu Ihrer Partei ziemlich prompt die Versetzung in den Wartestand zur Folge hatte.
Und dann führt er aus, wie es ihm gegangen ist:
Es gehörte zur besonderen Delikatesse der
Bonner Personalpolitik, daß Übernahme in den Bundesdienst und alsbaldige Abschiebung in den Wartestand uno actu erfolgten. Am Freitag, dem 30. vorigen Monats, 12 Uhr 5, wurde ich feierlich auf die Bundesrepublik vereidigt und unterschrieb die darüber vorbereitete Urkunde: 12 Uhr 7 erhielt ich alsdann die Urkunde mit der Versetzung in den Wartestand.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Auch sonst war mir vorher von der vom 29.
auf den 31. März vorgenommenen Versetzung
in den Wartestand nichts angekündigt worden.
Was die Polizei anbelangt, so ist bei der Beralung des Polizeigrenzschutzgesetzes und bei der Beratung der Anträge auf Verfassungsänderung zur Schaffung einer Bereitschaftspolizei der mit der Polizeifrage zusammenhängende Fragenkomplex so eingehend erörtert worden, daß ich mir Wiederholungen ersparen kann. Deshalb nur eine Feststellung gegenüber den Vorwürfen, die wegen der Verschleppung der Lösung des inneren Sicherheitsproblems in der Öffentlichkeit erhoben werden. Wenn heute das Problem Bundesbereitschaftspolizei noch ungelöst ist, so liegt die Schuld nicht bei der sozialdemokratischen Opposition. Meine Fraktion ist es gewesen, die hinsichtlich der Bereitschaftspolizei die Initiative ergriffen und dem Bund eine eigene Exekutive auf polizeilichem Gebiet zugestanden hat. Sie war bereit und ist es noch heute, die notwendigen Verfassungsänderungen zu beschließen. Das Hemmnis bei dem Nichtzustandekommen der erforderlichen Gesetze liegt bei einem Teil der Regierungsparteien, die ihrem eigenen Minister versagen, was die Opposition aus der Erkenntnis der Notwendigkeit ihm zu geben bereit ist. Wir möchten für die etwa doch noch zustande kommende Bundesbereitschaftspolizei dem Herrn Minister heute schon sagen, daß wir die Personalpolitik auf diesem Gebiet mit wachsamem Auge verfolgen und nicht zulassen werden, daß die ewig Gestrigen als Wölfe im Schafspelz in die innere Schutzmacht der demokratischen Bundesrepublik einziehen, um später, wie schon einmal, ihre Totengräber zu werden.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der KPD: Die sitzen ja schon drin!)

Wir machen den Herrn Minister darauf aufmerksam, daß nach einem Bericht der „Rheinischen Zeitung" vom 7. März der Schutzbund ehemaliger Polizeibeamter in seiner Betätigung bis an die Grenzen des Hochverrats gegangen ist. Als Leiter eines Beamtenschutzbundes ehemaliger Polizeibeamter betätigt sich der ehemalige Chef des Kommandoamtes im Hauptamt für Ordnungspolizei Berlin, Generalleutnant a. D. SS-Gruppenführer von Bomhardt, der während des Krieges als Polizeichef von Kiew fungierte. Als Redner assistiert ihm Major a. D. Rummler, der kürzlich — nachdem er die Mitglieder der Bundesregierung als „Ölköppe" bezeichnet hatte — durchblicken ließ, daß „die Sache um uns günstig steht. Wir müssen nur in der Öffentlichkeit stark auftreten, damit die Bonner das Zittern kriegen!"

(Lachen in der Mitte. — Zurufe von der KPD.)

Dazu wird in den Kreisen der Polizeigewerkschaft erklärt, man könne sich vorstellen, welch paradiesische Zustände uns bevorstehen, wenn die Einstellungsaspiranten schon heute einen solchen Ton anzuschlagen wagen.

(Abg. Niebergall: Das sind die Garanten der Verfassung!)

Daß Leute wie der Oberleutnant Schönlebe als Kursisten zu einem Bundesschullehrgang berufen wurden, ist unentschuldbar. Wir fragen Sie, Herr Minister, wer für solche Berufungen verantwortlich ist.
Wir fragen weiter: Wollen Sie, Herr Bundesminister, mit solchen Leuten, wie sie die Lehrgänge besuchten, gegen die Restauration der Reaktion in Niedersachsen ankämpfen?
In diesen Tagen ging eine Meldung durch die Presse, daß der Stahlhelm neu gegründet wurde, und daß ein gewisser Stahlhelmmann von ehedem namens Simon aus Köln sich aktiv bei der Neugründung betätigt habe.

(Zuruf von der KPD: Der Innenminister ist Ehrenmitglied darin!)

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser Mann identisch ist mit jenem Kölner Stahlhelmer von 1933 gleichen Namens, der, noch ehe die Nazis eingriffen, die Kölner Arbeiterwohlfahrt besetzte und ihre Bücher mit sich nahm.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Was man vom neuen Stahlhelmbund hört, erinnert lebhaft an die Zeiten der Harzburger Front. Wir bedauern deshalb, daß in der Presse der Name des Herrn Bundesinnenministers im Zusammenhang mit dieser Stahlhelmneugründung genannt wurde.

(Sehr gut! bei der SPD. — Zuruf von der KPD: Ihr Mitglied!)

Da wir wissen, daß solche Presseveröffentlichungen nicht immer den Tatsachen entsprechen, bis heute aber auch unwidersprochen geblieben sind, würden wir dem Herrn Bundesinnenminister empfehlen, vor dem Haus zu den Verdächtigungen Stellung zu nehmen.


(Maier [Freiburg])

Neben dem sogenannten Alten Frontkämpferbund macht die vom Herrn Bundeskanzler unter die republikfeindlichen Verbände eingereihte Sozialistische Reichspartei, die, wie man hört, für die Lübecker CDU aber durchaus koalitionsfähig ist, durch ihr aggressives Auftreten mehr und mehr von sich reden. Ihr Führer General Remer soll nach Berichten in diesen Tagen die Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus als Landesverräter bezeichnet haben. Was gedenkt der Herr Bundesminister des Innern, der wiederholt und mit Recht auf die Gefahr des östlichen Bolschewismus hingewiesen hat, gegen diese nicht minder große Gefahr eines erwachenden Rechtsextremismus zu tun?

(Zuruf von der KPD: Er wird ihn unterstützen! Das ist doch einfach!)

Wenn, wie ich eingangs meiner Ausführungen zu dem Kapitel Polizei schon ausführte, eine echte Polizeidebatte vertagt werden soll, bis die Beratungen über die Bundesbereitschaftspolizei wiederaufgenommen werden, so sind zu diesem Titel doch einige Fragen an den Herrn Minister erlaubt. Aus welchen Mitteln wurden die verschiedenen Polizeiführerkurse des Bundes bezahlt, nachdem eine haushaltsmäßige Bewilligung nicht vorgelegen hat? Weshalb hat die Bundesregierung nicht in erster Linie auf die vorhandenen ausgebildeten Polizeikräfte der Länder zurückgegriffen oder den Ländern solche Ausbildungslehrgänge übertragen? Was ist aus den Polizeiverträgen mit den Ländern geworden? Gibt es noch Landesregierungen, die den Abschluß eines Vertrags verweigern, weil Vertragsbestimmungen nach Ihrer Auffassung nicht in Einklang mit dem Grundgesetz stehen? Wie weit ist die praktische Durchführung des Gesetzes über den polizeilichen Grenzschutz gediehen? Entspricht es den Tatsachen, daß man den Einzeldienst an der Grenze zugunsten der kasernierten Bereitschaften aufzulösen beabsichtigt? Ist das Bundesinnenministerium von seiner ursprünglichen und im Plenum und im zuständigen Ausschuß wiederholt vorgetragenen Absicht, den Paßkontrolldienst an allen Hauptübergängen an den Grenzen selbst durchzuführen, abgekommen? Falls es zuträfe, daß Kompetenzen, die nach dem Gesetz einzig dem Bund zukommen, einzelnen Ländern bei Abschluß von Polizeiverträgen als Gegenleistungen angeboten worden sein sollten, könnte ein solches Handeln nicht unsere Billigung finden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Im Zusammenhang mit den polizeilichen Aufgaben wurde vor Monaten auch die Neugründung einer Technischen Nothilfe erörtert. Gleichzeitig wurde in Presseverlautbarungen diese Technische Nothilfe als notwendiges Instrument, das bei etwaigen größeren Streiks zum Einsatz kommen müßte, bezeichnet.

(Zuruf von der KPD.)

Wir haben mit Befriedigung von den Erklärungen des Herrn Bundesinnenministers vor diesem Hohen Hause Kenntnis genommen, in welchen er sich von den Pressemeldungen distanzierte und er ausdrücklich feststellte, daß er niemals gegen die Streiks der Gewerkschaften Streikbrechergarden einsetzen werde. Wir haben bei früheren Gelegenheiten darauf verwiesen, daß etwa bei Katastrophen notwendige technische Bereitschaften leicht aus den Gewerkschaften zu bilden wären. Wir freuen uns zu hören, daß sich der Herr Bundesinnenminister bereits mit den zuständigen Instanzen des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Verbindung gesetzt hat, um auf diesem Wege eine Technische Nothilfe zu bekommen. Für eine Ergänzung einer solchen Einrichtung durch eine sogenannte technische Kompanie im Rahmen der Polizei können wir uns jedoch nicht erwärmen.
Wenn ich in meinen weiteren Ausführungen einzelne Kapitel nicht ebenso ausführlich behandle wie die eben besprochenen Fragen, so bedeutet das nicht, daß wir ihnen geringere Bedeutung zumessen. Bei dem Umfang der Aufgaben, die dem Bundesministerium des Intern gestellt sind, ist es zeitlich nicht möglich, die vielen Haushaltstitel kritisch zu würdigen. Das ist aber bei der Beratung des Einzelplans VI im Haushaltsausschuß geschehen.
Aus dem Bereich der Gesundheitsabteilung müssen wir feststellen, daß zu unserem Bedauern auch der Rest der tierärztlichen Abteilung aus dem Bundesinnenministerium in das Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium verwiesen wurde.

(Zuruf rechts: Sehr gut!)

Meine Freunde sind der Meinung, daß das Gesundheitswesen für Mensch und Tier eine Einheit darstellt und daß die Seuchenbekämpfung nicht im Kuhstall aufhört.

(Abg. Dr. Wuermeling: Dann müssen es dieselben Veterinärbeamten machen!)

Wir würden es begrüßen, wenn das Tierarztwesen wegen seiner Bedeutung für die Volksgesundheit ressortmäßig wieder beim Innenministerium läge, wie es auch bei den meisten Ländern sein dürfte. Um wenigstens den seitherigen Zustand aufrechtzuerhalten, hat meine Fraktion in Umdruck Nr. 146 einen Änderungsantrag gestellt, mit dem verlangt wird:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. 1, Stellenplan, wird das Referat IV/7 mit den Stellen Nr. 265 und 266 wiederhergestellt.
Wir wollen damit jenes im vergangenen Jahre zwischen den beiden zuständigen Fachministern geschlossene Kompromiß wiederherstellen, das einen Teil der Aufgaben des Tierarztdienstes im Bereich des Innenministeriums beläßt.
Große Sorge bereitet uns im Bereiche des Gesundheitswesens die Not der Jungärzte. Wenn auch die Länder für ihre Unterbringung zuständig sind, so ersuchen wir doch das Bundesinnenministerium, zu prüfen, mit welchen Mitteln dieser für den ganzen Ärztestand zu einer Gefahr werdenden Not begegnet werden kann.
Der Gesundheitsabteilung wollten wir auch empfehlen, wie vom Berichterstatter namens des Ausschusses schon verlangt wurde, das Rote Kreuz auch in den Ländern nach demokratischen Grundsätzen zu reorganisieren. Das Rote Kreuz war seither einer der vier freien Wohlfahrtsverbände, die aus Bundesmitteln dotiert werden. Die Aufgaben des Roten Kreuzes sind aber ganz andere als die der Caritas, der Inneren Mission und der Arbeiterwohlfahrt. Deswegen würden wir vorschlagen, daß das Rote Kreuz aus der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände ausgegliedert und für d i e Aufgaben eingesetzt wird, für die es im besonderen durch die Konvention bestimmt ist.
Was für die wissenschaftlichen Institute gilt, sollte auch für den Bereich des Bundesjugendplans Geltung haben. Er ist ein Teil der Jugendfürsorge und sollte deshalb mit allen seinen Teilbeträgen im Haushalt des Einzelplans VI ausgewiesen werden. Da die Aufgaben nach dem von uns begrüßten Plan sehr zahlreich sind und gewaltige Mittel er-


(Maier [Freiburg])

fordern, möchten wir anregen, im Haushalt 1951 den seitherigen Betrag von 54 Millionen DM wesentlich zu erhöhen. An Stelle der in einem Schmutz- und Schundgesetz zu errichtenden Verbotstafeln sollten im Jugendplan Mittel verfügbar gemacht werden, um die Jugend an das gute Buch heranzuführen.
Eine weitere dringliche Aufgabe müßte die schleunigste Schaffung von Lehrstellen sein, die den bei Beendigung des laufenden Schuljahres in einer Zahl von über einer Million erscheinenden Stellensuchenden Ausbildungsmöglichkeiten eröffnen.
Die vom Herrn Bundesminister des Innern nach einem Pressebericht über einen Vortrag in Königswinter empfohlene Wiedereinführung des Freiwilligen Arbeitsdienstes als Übergangsmaßnahme muß von uns strikt abgelehnt werden, während wir andererseits seinen Appell an das Handwerk und die Industrie, neue Lehrstellen zu schaffen, Lehrlingsheime zu bauen und ähnliches mehr, wärmstens unterstützen.
Vom Jugendreferat erwarten wir dringend die Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz und vom Ministerium endlich die Beantwortung einer von meiner Fraktion bereits im September 1949 gestellten Anfrage, inwieweit die Bestimmungen des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes bei den Ländern noch angewendet werden.
Ich sehe, meine Redezeit ist um. Aber ich möchte Sie, Herr Präsident, bitten, noch auf eine Frage eingehen zu dürfen, die uns besonders am Herzen liegt. Es handelt sich um den Tit. 29, die Studienstiftung des deutschen Volkes. Wie bereits vom Berichterstatter erwähnt, ist sie nur mit 150 000 DM dotiert. Da es sich bei dieser Position um die Durchführung des Grundsatzes handelt „Freie Bahn dem Tüchtigen" und da einem mittellosen Personenkreis geholfen werden soll, der nach einer Intelligenzauslese durch die Studienstiftung für Stipendienzuteilung vorgesehen ist, möchten wir dem Bundesinnenminister empfehlen, im nächsten Haushaltsplan eine wesentlich größere Summe anzufordern. Wenn der Kreis, der bereits im Studium stehenden und wenn die für dieses Jahr Ausgewählten mit den entsprechenden Zuschüssen bedacht werden sollen, erscheint uns die Erhöhung des Titels auf 500 000 DM angezeigt.
Meine Damen und Herren! Ehe ich meine Ausführungen zum Haushaltsplan des Einzelplans VI abschließe, drängt sich mir auf, einen politisch bedeutsamen Vorgang während des abgelaufenen Etatjahres in Ihre Erinnerung zurückzurufen. Im vorigen Sommer ist aus Gründen politischer Differenzen mit dem Herrn Bundeskanzler der erste Innenminister der Deutschen Bundesrepublik, Herr Dr. Heinemann, von seinem Amt zurückgetreten. In jedem anderen demokratischen Lande Europas würde ein solches Ereignis Gegenstand einer eingehenden Parlamentsdiskussion gewesen sein. Infolge des Umstandes, daß der Bundestag in den entscheidenden Tagen des Adenauer-HeinemannKonflikts nicht versammelt war, hatte der scheidende Minister nicht mehr die Möglichkeit, vor dem Hohen Hause seinen Standpunkt in der Frage der inneren Sicherheit zu vertreten. Seit jenen Tagen ist die Diskussion des Falles Heinemann auf die Weltbühne verlagert worden, und noch heute beschäftigen sich amerikanische Zeitungen mit der aufrechten und konsequenten Haltung des ersten Bundesinnenministers.

(Zuruf rechts: Jetzt plötzlich?)

Er hat durch seinen damaligen Rücktritt nicht nur die Öffentlichkeit alarmiert für die Behandlung einer Frage, die, wenn es nach dem Willen des Herrn Bundeskanzlers gegangen wäre, für das deutsche Volk von schicksalsschwerer Bedeutung hätte werden können. Wenn Herr Bundesminister Dr. Lehr bei seinem Antritt die Frage reine Polizei oder militärische Schutztruppe im Sinne seines Vorgängers entschieden sah, dann kommt dafür neben der Haltung der Opposition das Verdienst Herrn Dr. Heinemann zu.
Trotz ihrer Opposition zur Bundesregierung stand meine Fraktion dem ersten Bundesinnenminister loyal gegenüber. Das haben wir schon bei der letztjährigen Haushaltsberatung zum Ausdruck gebracht.

(Abg. Dr. Wuermeling: Bei der zweiten nicht?)

Diese Loyalität haben wir insbesondere bei der Verteidigung von Haushaltspositionen bewiesen, die — wie die Kommunal- und Kulturreferate — Zankapfel der absoluten Föderalisten im Bundesrat und bei den Regierungsparteien gewesen sind. Wir hatten diese Haltung gegenüber Herrn Dr. Heinemann eingenommen, weil wir in ihm den aufrechten Republikaner sahen, von dem wir die Überzeugung hatten, daß er alles tun werde, was der Demokratie frommt, und alles abzuwehren bereit war, was die demokratische Grundordnung bedrohen könnte.
Herr Minister Dr. Lehr hat in wiederholten Erklärungen zu erkennen gegeben, daß er in der Frage der inneren Sicherheit den Standpunkt seines Vorgängers stets einnehmen und verteidigen werde. Der Herr Bundesminister hat im Gegensatz zu vielen seiner Ministerkollegen jede gebotene Gelegenheit wahrgenommen, den Beratungen in den zuständigen Parlamentsausschüssen persönlich beizuwohnen, und seine Bereitwilligkeit erklärt, in Zusammenarbeit mit dem Bundestag die schwierigen Probleme der inneren Sicherheit einer befriedigenden Lösung entgegenzuführen. Wenn der Herr Minister als Leiter des Ministeriums für den Schutz der Verfassung und der Demokratie getreu seinem Amtseid alle Maßnahmen ergreifen und durchführen wird, die geeignet sind, diesen Schutz gegen Angriffe von links und rechts zu gewährleisten, wird ihm die Opposition mit gleicher Loyalität wie seinem Vorgänger begegnen.

(Bravo!)

Die Zeichen der Zeit deuten darauf hin, daß diese Bewährungsprobe gefordert werden könnte. Wir geben der Erwartung Ausdruck, daß sie bestanden wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113306500
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Dr: Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen des Herrn Kollegen Maier gleich im unmittelbaren Anschluß an seine Rede beantworten, da die Vielseitigkeit der angeschnittenen Probleme es erfordert.
Allgemein darf ich zu seinen Ausführungen vorausschicken, daß ich mich vor Ihnen immer wieder zu dem Grundsatz bekenne, daß die polizeilichen Maßnahmen zur Festigung der inneren Sicherheit und zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens keine Angelegenheit einer einzelnen Partei oder


(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

einiger Gruppen sind, sondern daß ich dieses Problem als ureigene Sache des ganzen Hauses auffasse mit Ausnahme derer, die zu unserem Grundgesetz und zu unserer demokratischen Ordnung im Gegensatz stehen. So benutze ich jede Gelegenheit, um Ihnen in Ihrer Gesamtheit und namentlich in den von Ihnen eingesetzten und für diese Materien zuständigen Ausschüssen persönlich Rede und Antwort zu stehen und jeden Aufschluß zu geben, den Sie wünschen. Ich freue mich, daß der Herr Kollege Maier diese Bereitwilligkeit hier anerkannt hat.
Meine Damen und Herren! Eine der schwierigsten Aufgaben im Bereiche des Innenministeriums sind die Personalfragen angesichts des großen Personenkreises, der dort auf mich und meine Mitarbeiter zukommt, und angesichts des besonderen Umstandes, daß wir ja in vielem von Grund auf neu aufbauen. Ich gebe von vornherein zu: Bei diesen Tausenden von Personalien, die jetzt dort zu behandeln sind, kann es trotz allen guten Willens sehr wohl vorkommen, daß hier und dort einmal ein Mißgriff unterläuft. Aber wenn ein solcher Mißgriff unabsichtlich begangen ist und wenn die Bereitwilligkeit besteht, nach einem Hinweis auf einen Mißgriff diesen zu beseitigen, liegt kein Grund zur Klage vor. Ich bitte zu bedenken, daß es beispielsweise auch bei Angehörigen der Opposition, die mir Vorschläge für Personalien gemacht haben, namentlich für Polizeikräfte, vorgekommen ist, daß ein Irrtum unterlief und Leute genannt wurden, von denen man nachher abrückte. Das kann alles passieren. Aber ich versichere Ihnen, daß die Personalien im großen und ganzen mit der denkbar größten Sorgfalt behandelt werden.
Das geschieht allein schon im Interesse unserer Sicherheit. Ich hatte nach vor wenigen Tagen mit unserem Bundesamt für Verfassungsschutz eine eingehende Besprechung darüber, wie wir uns schützen wollen gegen jedes Eindringen unerwünschter Elemente nicht nur in das Haus, für das ich die Verantwortung speziell trage, sondern in den ganzen Bereich der Bundesregierung. Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf den Schriftwechsel Bezug nehmen, den ich mit den Mitgliedern des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung geführt habe, wenn sie sich mit Beschwerden oder Vorstellungen an mich gewandt haben.
Ich bitte Sie auch, zu berücksichtigen, daß die Polizei bei ihrer Rekrutierung in einer ganz besonders schwierigen Lage ist. Wir sollen jetzt etwa 30 000 Mann einstellen, von denen 10 000 auf die Länderbereitschaftspolizeien und 10 000 auf den Bundesgrenzschutz entfallen, während von meinem Hause angestrebt wird, die restlichen 10 000 als bundeseigene Bereitschaftspolizei zu erhalten. Bei diesen Rekrutierungen stößt man immer wieder auf Leute, die früher der SS in irgendeiner Form rangangeglichen waren, ohne jemals innerlich SS-Leute gewesen zu sein.

(Zurufe links.)

Das gleiche gilt namentlich für Polizeikriminal- und Exekutivbeamte, die im Laufe ihrer früheren Karriere hier oder dort zwangsweise in nationalsozialistische Ämter und Positionen einberufen wurden, diesem Rufe wohl oder übel Folge leisteten und froh waren, wenn sie sich in Verwaltungsstellen bergen konnten und nicht in Gewissenskonflikte kamen zwischen dem, was von ihnen verlangt wurde, und dem, was sie innerlich vertreten konnten, Wir suchen nach Möglichkeit einmal an
Hand der Entnazifizierungsbescheide, zum andern aber auch aus der ganzen Situation, in der der Betreffende war, uns ein klares Bild darüber zu machen, ob man diesen Mann nehmen kann oder ob die Belastung zu groß ist.
Eine sehr wichtige Frage, die der Herr Kollege Maier angeschnitten hat, ist die des Beamtenrechts und des Beamtengesetzes. Es ist das Bestreben sowohl schon meines Vorgängers gewesen, wie es auch mein eigenes Bestreben ist, mit möglichster Beschleunigung zu einem endgültigen Berufsbeamtengesetz zu kommen. Leider war es bei der Schwierigkeit der Materie nicht möglich, sofort auf dieses endgültige Ziel loszusteuern. Wir waren genötigt, erst ein vorläufiges Beamtenrecht zu schaffen. Ich kann Ihnen aber heute die Erklärung abgeben, daß wir in unserem Hause mit dem Entwurf des endgültigen Beamtengesetzes bereits fertig sind und ihn in allernächster Zeit dem Kabinett zur Beschlußfassung zuleiten werden und daß Sie hier im Hause noch im Laufe der nächsten Monate zu entscheiden haben werden, ob Ihnen unser Entwurf paßt oder nicht.
Der Herr Kollege Maier hat dann über die Beamtenübernahme gesprochen. In diesem Falle sind wir insofern in einer etwas schwierigen Lage gewesen, als wir die Angehörigen der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vor uns hatten und sie nun mit einem Schlage übernehmen mußten. Das Personalamt der früheren Verwaltung . des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gehört zu den Behörden, die dem Bundesministerium des Innern auf Grund des Art. 130 Abs. 1 des Grundgesetzes unterstellt sind. Als die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes aufgelöst wurde, waren beim Personalamt insgesamt 101 Verwaltungsangehörige vorhanden, und zwar 54 Beamte, 35 Angestellte und 12 Arbeiter. Dazu darf ich Ihnen erklären, daß von diesen 54 Beamten bereits 51 untergebracht sind. Von den drei übrigbleibenden Beamten ist einer krank, so daß wir ihn wohl pensionieren müssen. Ich hoffe, auch die beiden übriggebliebenen Beamten in Bälde unterzubringen. Die 35 Angestellten und die 12 Arbeiter sind sämtlich untergebracht worden. Ich glaube, daß wir damit das, was uns oblag, in ausreichendem Maße erfüllt haben.
Der Herr Kollege Maier hat mein mangelndes Verständnis für die Kommunalverwaltung und für die Gemeinden beklagt. Meine Damen und Herren, wenn man an der Oberfläche des Innenministers etwas kratzt, kommt der alte Kommunalbeamte, der Oberbürgermeister, sehr stark zum Vorschein.

(Abg. Mellies: Na, na!)

Ich habe zwei Jahrzehnte meines Lebens im kommunalen Gemeindedienst gestanden — -

(Abg. Mellies. Davon haben wir in den letzten Tagen nicht viel gemerkt, Herr Minister!)

— Sie werden es auch weiter merken!

(Abg. Mellies: Nicht gemerkt!)

— Nicht gemerkt?! Ich dachte, Sie hätten es gemerkt.

(Abg. Mellies: Nein, leider nicht! — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Man wird es aber künftig merken!)

— Sie werden es künftig merken. — Ich habe in diesen zwanzig Jahren sämtliche Gemeinderessorts, die es gibt, von der Pike auf durchlaufen und zehn Jahre als Beigeordneter, zuletzt als Kämmerer in einer Großstadt, maßgebend mitgearbeitet und


(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

nicht ganz zehn Jahre als Oberbürgermeister. Sie können mir glauben, daß ich in amtlichen und ehrenamtlichen Stellen, im Vorstand des Rheinischen, des Preußischen und des Deutschen Städtetages Gelegenheit gehabt habe, mich hinreichend zu informieren. Vom Grunde meiner Einstellung aus bin ich ein warmer Freund der Selbstverwaltung, in der ich die starken Wurzeln staatlicher Kraft sehe., Wer aber zwanzig Jahre in alle Einzelheiten der kommunalen Selbstverwaltung hineingesehen hat, weiß, daß es wie überall auch sonst in Regierung und Verwaltungen Licht und Schatten gibt und daß nicht alle Engel sind. Ja, wenn sie alle Engel wären, — —

(Abg. Müller [Frankfurt] : Sie waren ja Engel in der Harzburger Front!)

— Der Harzburger Front habe ich nicht angehört und habe ihr damals ausdrücklich widersprochen! Ich kann zur Beruhigung sagen, daß damals gegen mich ein Parteiverfahren eingeleitet wurde, weil ich der Harzburger Front nicht zugehörte. — Aber ich habe neulich vor Ihnen ganz offen bekannt, daß der Staat auf ein gewisses Druckmittel nicht verzichten kann, gerade im Interesse derjenigen, die ihre Pflicht erfüllt haben und die von uns, dem Staat, wollen, daß wir ihnen denen gegenüber behilflich sind, die mit der Erfüllung ihrer Pflichten etwas zögern. Deshalb kann ein Staat bei so großen Unterbringungsaufgaben nicht darauf verzichten, ein gewisses Druckmittel in der Hand zu haben, um auch hier auf der Erfüllung des Gesetzes zu bestehen. Sie haben hier einige Kostproben von Fällen vorgesetzt bekommen, in welchen wir die Einstellung, ,die notwendig ist, vermißt haben.

(Abg. Mellies: Sie vergessen nur, daß das Gesetz damals noch nicht da war, Herr Minister!)

— Ich habe ja selbst die erste Regierung in Nordrhein geführt und weiß ganz genau, daß damals besondere Verhältnisse obwalteten, daß man Leute, die geeignet waren, Aufgaben zu übernehmen, mit der Laterne suchen mußte. Ich berücksichtige diese Verhältnisse durchaus; sie sind überwunden, und es ist jetzt Zeit, Ordnung zu schaffen.
Ich darf nochmals betonen, daß die höchste Belastung, die den Gemeinden blühen kann, wenn sie ihre Pflichten in dieser Beziehung überhaupt nicht erfüllen, nicht mehr als 5 % ihrer Personalausgaben beträgt. Ich darf auch daran erinnern — das ist einzelnen Herren Abgeordneten offenbar nicht bekannt gewesen —, daß unser Innenministerium eine ausgewachsene und für ihre Arbeiten durchaus hinreichend organisierte Kommunalabteilung hat.

(Abg. Mellies: Na, das letzte dürfte etwas übertrieben sein!)

Ich komme zu den Kriegssachgeschädigten. Es ist immer der Wunsch der Herren meines Hauses gewesen, die Interessen der Kriegssachgeschädigten und Evakuierten in Form eines besonderen Referats zu betreuen. Aber diese Aufgaben hinsichtlich der Kriegssachgeschädigten berühren eine ganze Anzahl von verschiedenen Ministerien, so z. B. das Bundesfinanzministerium wegen des Lastenausgleichs, ferner das Wohnungsbauministerium. Im Innenministerium werden diese Angelegenheiten in der Abteilung V — Kriegssachgeschädigte, Evakuierte — bearbeitet, soweit es sich um die Vertretung der sozialpolitischen Belange handelt. Bei den Verhandlungen hat das Innenministerium stets den Grundsatz der Gleichstellung der Kriegssachgeschädigten mit den Vertriebenen vertreten, soweit bei den Kriegssachgeschädigten gleiche oder doch ähnliche Verhältnisse wie bei den Vertriebenen vorliegen. Ich gebe Ihnen zu, daß unsere ausgedehnte Abteilung V sehr stark überlastet ist. Ich habe vor dem Hohen Hause schon wiederholt betont, daß hier dringend eine personelle Verstärkung notwendig ist. Deshalb begrüße ich mit den Herren meines Hauses ausdrücklich den Antrag, für die Aufgaben der Kriegssachgeschädigten und Evakuierten ein besonderes Referat einzurichten. Ich bin der Meinung, daß bei der großen Bedeutung der Probleme der Kriegssachgeschädigten die Schaffung eines solchen größeren besonderen Referats, das sich mit den Angelegenheiten der Kriegssachgeschädigten und Evakuierten befaßt, dringend notwendig ist.
Ich komme zu der Frage des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Ich darf dem Herrn Kollegen Maier sagen, daß ich noch vor wenigen Tagen mit den Herren meines Hauses, die auf diesem Gebiete meine engsten Mitarbeiter sind, das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln aufgesucht habe, dort den Entwurf des Haushaltsplans für das neue Jahr in allen Einzelheiten durchverhandelt habe und daß wir, wie Sie es wünschten, eine Reihe von Höhergruppierungen und besseren Besoldungen vorgesehen haben, die wir jetzt dem Herrn Finanzminister zur Zustimmung vorlegen müssen. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die besonderen Aufgaben des Amtes und die Versuchungen, die an dieses Amt herantreten können, eine sorgfältige Auswahl in der Person und eine sorgfältige Betreuung der Angehörigen dieses Amtes in ihren Einkommensverhältnissen notwendig machen. Ich bin auch der Meinung, daß hier ein besonderer Dienstaufwand gegeben ist, da eine Ministerialzulage im eigentlichen Sinne nicht möglich ist. Diese Wünsche werden von unserer Seite aus erfüllt werden.
Ich möchte ein besonderes Wort zu Ihrer Anfrage betreffend die besonderen Verfügungsmittel sagen. Das ist ein größerer Betrag. Damit man eine ausreichende Kontrolle über diesen besonderen Betrag hat, habe ich angeordnet, daß er zunächst einmal in dem Haushaltsplan meines Hauses besonders aufgeführt wird. Ich habe mir die Genehmigung für alle größeren Beträge vorbehalten. In bestimmten Fragen wird das Amt für Verfassungsschutz von dort aus finanziert. Diese Mittel werden also sorgfältig kontrolliert.
Sie haben mich dann nach dem Personalfall des Herrn Dr. Harry Söderman gefragt. Ich darf Ihnen hierzu folgendes mitteilen. Der heute etwa 50jährige Dr. Harry Söderman, Oberdirektor der Kriminalpolizei in Schweden, ist von Haus aus Naturwissenschaftler. Er studierte in Deutschland zwei Jahre lang Chemie, reiste dann vier Jahre lang im Innern Asiens, ging schließlich zu Professor Locard in Lyon, wo er in dessen amtlichem und halbamtlichem Kriminallaboratorium arbeitete, um sich zum Kriminaltechniker auszubilden. Söderman promovierte in Lyon mit einer Arbeit über Schußwaffenuntersuchung. Auf weiteren Auslandsreisen studierte er die Einrichtungen der Kriminalpolizei in New York und Berlin.

(Abg. Dr. Menzel: Wann war das in Berlin?)

— Ich kann im Augenblick die Daten nicht sagen, aber sie stehen Ihnen morgen, wenn ich im Ministerium bin, sofort zur Verfügung. Söderman ist Verfasser eines für Beamte der Kriminalpolizei bestimmten Handbuchs „Modern Criminal Investigation" — hier ist auch ein Anhaltspunkt für die


(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

Jahre gegeben; das Buch ist 1930 erschienen —, das etwa in der Art der deutschen Handbücher von Lichem und Kley-Schneikert ein praktisches Handbuch für Kriminalwissenschaft ist. Nach seiner Rückkehr nach Schweden hat Dr. Söderman im staatlichen Kriminaltechnischen Institut gearbeitet, dessen Leiter er heute ist. In dieser Eigenschaft ist Söderman Vertreter Schwedens in der internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission und Berichterstatter für Geldfälschungen. Er ist heute einer der Generalrapporteure in der internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission in Paris. Söderman habe ich als persönlichen Berater für einige Monate zu mir gebeten. Er soll mich in Angelegenheiten des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz beraten und mir insbesondere behilflich sein, die Bande mit dem Ausland wieder anzuknüpfen, die durch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zerrissen sind. Ich wünsche von ihm insbesondere die Festigung und Wiederanknüpfung der internationalen Beziehungen auf all diesen Gebieten. Im Interesse der Staatssicherheit möchte ich über diese Aufgaben nicht noch mehr sagen und Ihnen nur den Rahmen angeben. Ich bin aber bereit, Ihnen in meinem Amtszimmer jede Einzelauskunft zu geben, die Sie etwa noch von mir wünschen.
Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Maier ausgeführt hat, etwa 80% der Polizeibeamten seien im Sinne der Tätigkeit im früheren Nationalsozialismus belastet, so möchte ich glauben, daß, in dieser Form ausgesprochen, der Satz nicht richtig ist. Die besonderen Verhältnisse bei der Polizei habe ich vorhin schon dargelegt. Das Material, das Herr Kollege Maier hier genannt hat, kenne ich ja im einzelnen nicht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir solches Material immer rechtzeitig zuleiteten, damit ich es prüfen und Stellung nehmen kann. Aber aus dem Handgelenk heraus kann ich natürlich über mir völlig unbekannte Personen, die dort genannt sind, nichts sagen. Ich kann Ihnen versichern, daß hier ein ganz einwandfreier, klarer Kurs in meinem Hause gesteuert wird.
Der Fall, den Sie besonders nannten — ich glaube, ihn zu kennen —, ist wohl der Fall Külz, des Beamten, der an einem Tage ernannt und wieder in den Ruhestand versetzt worden ist.

(Abg. Maier [Freiburg]: Ist in Ihrem Ministerium!)

— Nein, nicht in meinem Ministerium. Aber ich glaube, aus den Hinweisen, die Sie gegeben haben, auf die Richtung schließen zu können, in der sich ein Fall ähnlicher Art ereignet hat. Ich werde diesem Falle nachgehen und ihn prüfen. Nach Abschluß meiner Prüfung gebe ich Ihnen gern die entsprechende Auskunft.
Die Frage des Schutzbundes ehemaliger Polizeibeamten und die Ausführungen eines Herrn Rummele, früherer Polizeibeamter, und des Generalleutnants Bomhard sind mir durch das Verfassungsschutzamt und durch andere Meldungen bekannt geworden, und ich habe Strafanträge wegen der Äußerungen gestellt, die dort gefallen sind.

(Bravo! bei der SPD.)

Ich bedauere überhaupt, feststellen zu müssen, daß sich ein Radikalismus von rechts in Erscheinungsformen breitmacht, die im Interesse der Staatssicherheit und des Ansehens der Demokratie nicht hingenommen werden können.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich bedauere in diesem Falle, daß unsere Strafrechtsnovelle noch nicht verabschiedet ist.

(Abg. Bausch: Sehr richtig! Das ist der Punkt!)

Meine Damen und Herren hier im Hause, soweit Sie Einfluß haben, bitte, beschleunigen Sie die Verhandlungen zur Herbeiführung der Strafrechtsnovelle, damit ich ein besseres Schwert in die Hand bekomme, als ich es jetzt habe.

(Sehr richtig!)

Aus Niedersachsen sind besonders lebhafte Klagen wegen des mangelnden Verfassungsschutzes an mich gekommen, und vor ein paar Tagen hat der Herr niedersächsische Innenminister mich aufgesucht und gefragt, was wir denn vom Bunde aus tun könnten und ob nicht die Möglichkeit bestände, solange das Bundesverfassungsgericht noch nicht besteht, im Verwaltungswege von uns aus Anordnungen zu treffen, die das Bundesverfassungsgericht ersetzen. Meine Damen und Herren! Das kann ich leider nicht. Ich kann ja keine verfassungsrechtlichen Experimente machen. Es bleibt gar nichts anderes übrig als festzustellen, daß gegenüber diesen beklagenswerten Ausschreitungen der radikalen Rechten im Lande Niedersachsen und namentlich bei den gerade hier genannten Fällen des übelbeleumundeten und berüchtigten Herrn Remer nicht schon durch ein Verfassungsgericht eingeschritten werden kann, so daß diese Organisation, diese ganze Gruppe, die da ist, für verfassungswidrig erklärt und verboten werden kann.

(Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien und der SPD.)

Meine Damen und Herren! Was kann man in diesem Stadium in diesem Augenblick tun? Man kann nur an Ort und Stelle polizeilich fest zupacken, und ich kann dem Wunsche Ausdruck geben, daß das mit dem nötigen Nachdruck geschieht.

(Lebhafte Rufe: Bravo!)

Ich hoffe, nächstens bei den Wahlkämpfen in Niedersachsen Gelegenheit zu haben, selbst einmal zu kontrollieren, ob in diesen Versammlungen mit dem nötigen Nachdruck gegen Ruhestörer eingeschritten wird.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Föderalismus! — Zuruf von der CDU: Wer ist denn da Polizeiminister?)

Einen gewissen Bundeseinfluß werden Sie auf dem Gebiet mir zugestehen.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Ich freue mich darüber! Abg. Dr. Menzel: Da müssen Sie nach der anderen Seite sprechen! — Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Ich bin gefragt worden, wie wir die Kasten der Lehrgänge für künftige Polizeiführer an Polizeischulen gedeckt haben. Ursprünglich sind die Ausgaben aus dem Titel 31 des Haushaltsplans bestritten worden. Das war eine Vorwegnahme aus den dort zur Verfügung gestellten Mitteln. Inzwischen habe ich, nachdem die ganze Angelegenheit geregelt werden konnte, die Kosten im Wege der Vorwegbeantragung von Polizeigeldern bestritten. Aber die Kurse waren notwendig; denn wir müssen so schnell wie möglich die 30 000 Mann aufstellen, die uns von der Außenminister-Konferenz in New York zugebilligt worden sind.

(Abg. Dr. Menzel: Aber die Länder haben doch schon ausgezeichnete Schulen!)



(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

— Sie laufen auch ruhig daneben weiter; aber noch langt das, was ausgebildet worden ist, nicht für die Deckung des Bedarfs. Das ist noch zu wenig.
Sie haben sodann nach dem Paßkontrolldienst gefragt. Meine Damen und Herren, der Paßkontrolldienst geht ja jetzt auf uns über, und an allen Hauptübergangsstellen wird er von uns selbst ausgeübt werden.

(Abg. Loritz: Und führt bereits zu den größten Verkehrsstörungen! — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Ach, wie schrecklich!)

— Ich kann mir nicht vorstellen, daß der vorläufig ja von uns noch nicht ausgeübte Paßkontrolldienst zu irgendwelchen Verkehrsstörungen führt, die wir zu verantworten hätten. Erst müssen wir einmal den Paßkontrolldienst haben;

(Abg. Loritz: Haben wir schon!)

dann können wir fragen, ob er stört.
Meine Damen und Herren, die Technische Nothilfe haben wir in den ersten Anfängen der Planung mit den Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinschaftlich beraten; wir haben ihnen unsere Pläne dargelegt und haben um ihre Mitarbeit gebeten. Die Technische Nothilfe soll in keiner Form eine Streikbrecherorganisation sein und kann es nach unserer Konstruktion und den Aufgaben, die wir ihr zugewiesen haben, auch nicht werden.
Ich komme zu der Frage der Notlage der Ärzte und besonders der Jungärzte. Meine Damen und Herren, die Notlage namentlich der Jungärzte ist tief beklagenswert. Aber in meinem eigenen Hause kann ich außer guten Anregungen und Ratschlägen leider in diesem Falle nichts weiter tun.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0113306600
Das Ernährungsministerium bearbeitet die Tierzucht und Tierkrankheitsbekämpfung; das Innenministerium übernimmt neben allgemeinen Fragen des tierärztlichen Prüfungswesens und der Berufszulassung die gesamte Lebensmittelgesetzgebung, weil sie dem Schutze der Gesundheit des Menschen dient. Das Ernährungsministerium wird beteiligt, soweit es sich um Erzeugnisse tierischer Herkunft handelt. Bei der Fleischbeschau soll die Bearbeitung gemeinsam erfolgen. So hoffen wir, dem Streit zwischen diesen beiden Ministerien auf eine salomonische Weise ein Ende gemacht zu haben. Deshalb ist uns Ihr Antrag als eine Unterstützung in diesem Sinne außerordentlich willkommen.
Meine Damen und Herren, ich habe bei Ihren Vorträgen so schnell mitgeschrieben, daß ich es jetzt nicht einmal alles lesen kann; aber ich glaube, aus diesen Hieroglyphen zu entziffern, daß ich etwas über das Rote Kreuz sagen wollte. Das kann ich in folgender Weise tun. Das Rote Kreuz hat von jeher Kriegs- und Friedensaufgaben gehabt. Bei den Friedensaufgaben bereitete es sich hauptsächlich auf die Kriegsaufgaben vor, übernahm aber zur Abrundung seiner Tätigkeit auch gewisse sozialfürsorgerische, pflegerische Aufgaben. In derselben Weise arbeitet es auch heute.
Dann darf ich noch zu der Frage des Arbeitsdienstes Stellung nehmen. Ich habe vor drei Tagen bei dem Deutschen Industrie- und Handelstag in Königswinter über die Jugendarbeit und die Eingliederung der Jugend in die Wirtschaft gesprochen. Prompt ist in der Presse erschienen, ich hätte den Freiwilligen Arbeitsdienst verlangt. Ich habe das Original meiner Rede hier. Ich stelle es zur Einsicht zur Verfügung. Der betreffende Passus meiner Rede lautet wörtlich:
Der Einsatz der Jugend in der Wirtschaft ist der natürliche Weg, die Arbeits- und Berufsnot der Jugend zu lindern. Nur insoweit dieser natürliche Weg sich nicht öffnet, sind Übergangslösungen zu suchen. Ein solcher Weg der Übergangslösung ist die Förderung von sogenannten Jugendgemeinschaftswerken. In ihnen schließen sich kleine Gruppen von Jugendlichen freiwillig unter Selbstverwaltung zu gemeinnützigen Arbeiten, Schaffung von Sportplätzen, Kinderspielplätzen usw. zusammen.
Das ist ganz gewiß kein freiwilliger Arbeitsdienst.

(Abg. Dr. Orth: Wenn schon!)

Aber die Berichterstattung verfügt nicht immer über die notwendige Sachkunde, wie man sie selbst gern wünschte.
Ich darf dann noch zum Schluß bemerken, daß die Vergrößerung der Mittel zur Studienstiftung ein Wunsch aller Parteien und auch meines eigenen Hauses ist.
Ich glaube, damit in großen Zügen — —

(Zurufe von der SPD: Stahlhelm!)

— Der Stahlhelm. Auch darüber kann ich Ihnen Auskunft geben. Vor etwa zwei Monaten erschienen bei mir zwei Herren, die erklärten, den Stahlhelm wieder gründen zu können. Ich habe ihnen darauf erwidert, daß es nach unserer Verfassung jedem Deutschen frei steht, sich zu erlaubten Zwecken zusammenzuschließen, und wenn die Herren, die den Stahlhelm wieder gründen wollen, sich im Rahmen der Verfassung, im Rahmen eines republikanischen, sozialen und demokratischen Staatswesens zusammenschließen wollten, sagte ich dazu Ja.

(Zuruf von der SPD.)

Das wäre mir sogar viel lieber, als wenn der Herr Beck-Broichsitter und andere Genossen einen östlich orientierten Kreis um sich versammelten. Ich hätte viel lieber eine klare Trennung zwischen denen, die nach dem Osten wollen und die als ihren Oberhäuptling sich Herrn Beck-Broichsitter und ähnliche Genossen auswählen, und anderen, die doch dafür zu haben sind, daß man sich hier in unserer Republik zu erlaubten Zwecken zusammenschließen kann.

(Zuruf des Abg. Renner. — Gegenruf von der Mitte: Sind Sie still, Herr Renner! — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Der Westen für sich allein macht es nicht, das ist nur ein geographischer Begriff! — Abg. Dr. Menzel: Besser einen Zylinderhut aufsetzen!)

— Meine Herren, ich kann doch nur eine verfassungsmäßige Auskunft geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Wie Sie sie auslegen! — Zuruf von der SPD: Geht es nicht ohne Kriegerverein?)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113306700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.


Dr. Hugo Decker (FU):
Rede ID: ID0113306800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme der Fraktion der Bayernpartei zum Haushalt des Innenministeriums ist unverändert gegenüber der des Vorjahres. Es erübrigt sich daher, hier auf Wiederholungen einzugehen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich möchte nur eine Spezialfrage behandeln, die vom Herrn Bundesinnenminister angeschnitten worden ist und die auch der SPD-Redner vorher schon erwähnt hat. Wir sind der Ansicht, daß das Referat 2 der Abteilung V in seinem heutigen Umfang den ihm gestellten Aufgaben nicht annähernd gerecht werden kann. Es ist insbesondere nicht in der Lage, den Angelegenheiten der Fliegergeschädigten, der Evakuierten und der Währungsgeschädigten die nötige Sorgfalt zu widmen und sie mit dem nötigen Aufwand an Arbeit zu betreuen.
Wir haben im Vorjahr versucht, die notwendigen administrativen Voraussetzungen für die Gleichstellung der Fliegergeschädigten mit den Vertriebenen zu schaffen, indem wir mit der Drucksache Nr. 749 im März 1950 den Antrag auf Umorganisation und Umbenennung des Flüchtlingsministeriums in ein Ministerium für Kriegsgeschädigte gestellt haben. Wir sind dabei davon ausgegangen, daß die Fliegergeschädigten, die Evakuierten und die Währungsgeschädigten ein gleiches Recht auf Betreuung haben und daß auch in dieser Kategorie der Kriegsgeschädigten Not und Elend in einem solchen Ausmaß vorhanden sind, daß der Staat sich mit allen Mitteln ihrer annehmen muß. Auch die Fliegergeschädigten sind eine Gruppe von Menschen, der gegenüber der Staat Versprechungen gemacht hat, der gegenüber er Verpflichtungen hat und die ein Recht auf die Einlösung dieser Versprechungen und Verpflichtungen hat.
Es macht allerdings den Eindruck, als ob diese Gruppe der Kriegsgeschädigten leicht und gern vergessen und beiseite gestellt wird, — vielleicht deswegen, weil sie es versäumt hat, sich rechtzeitig und aggressiv genug zu organisieren und damit politischen Druck auszuüben. Aber es muß einmal laut gesagt werden, daß gerade diese Gruppe von Menschen ihr schweres Geschick mit besonderer Würde und Ruhe trägt und es darum nicht verdient, als zweit- oder drittrangig in ihren Ansprüchen behandelt zu werden.

(Bravo!)

Meine Fraktion stellt daher den folgenden Antrag:
In der Abteilung V — des Innenministeriums — wird ein Referat V 6 eingerichtet, das zuständig ist für die Bearbeitung und Betreuung von Angelegenheiten der Fliegergeschädigten, der Währungsgeschädigten und der Evakuierten.
Diesen Antrag, den Sie im Umdruck Nr. 148 bekommen haben, erweitern wir noch dahin, daß das Referat V 6 mit folgenden Planstellen ausgestattet wird: eine A-1-a-Stelle: ein Ministerialrat als Referent, eine A-2-d-Stelle: ein Amtsrat, und eine A-3-b-Stelle: ein Amtmann.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Das gehört doch ins Finanzministerium!)

Gleichzeitig mit diesem Antrag zieht meine Fraktion den vorjährigen Antrag Drucksache Nr. 749, den ich schon erwähnt habe, zurück, da sie zur Ansicht gekommen ist, daß die Betreuung der einheimischen Kriegsgeschädigten beim Flüchtlingsministerium immer nur ein Anhängsel zu den übrigen Aufgaben sein wird. Sie kommt damit einem besonderen Wunsch des Kollegen Tichi entgegen, den er wohl für die Flüchtlinge geäußert und den er vielleicht dem BHE als Stammbuchvers zugedacht hat, als er sagte, „daß er es nicht für richtig halte, das Flüchtlingsministerium" — ich zitiere wörtlich — „mit einer Gruppe von Menschen" — er meinte damit die Fliegergeschädigten — „zu belasten, die mit den Vertriebenen als solchen nichts gemeinsam haben".

(Hört! Hört! links.)

Indem wir nun auch dem von dieser Seite geäußerten Wunsch nach einer klaren Trennung nachkommen, hoffen wir, daß auch da unser neuer Antrag Anklang finden wird.

(Abg Dr. Orth: Vielleicht haben Sie Glück!)

Zum Ganzen: Angesichts der immer wieder in stärkster Form hervortretenden zentralistischen Tendenzen des Innenministeriums

(Zurufe von der Mitte: Das ist ja furchtbar!)

fällt es unserer Fraktion schwer, Ihrem Etat zuzustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten.

(Abg. Stücklen: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst zu nennen! — Heiterkeit.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113306900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0113307000
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich nicht der Auffassung bin, daß jeder Redner bei einem Haushaltsplan zu allen im Rahmen eines solchen Haushaltsplanes aufkreuzenden Gesichtspunkten Stellung zu nehmen hat, will ich mich bemühen, mich namens der größten Fraktion des Hauses recht kurz zu fassen, zumal ich auch glaube, daß keine Fraktion gezwungen ist, die Redezeit, die ihr gesetzt ist, auszunutzen

(Sehr gut! in der Mitte)

oder gar sie zu überschreiten. Ich möchte im übrigen, meine Damen und Herren, namens der CDU die etwa späte Stunde dadurch ein wenig beleben — das soll die Sache nicht verlängern —, daß wir nicht nur ein en Redner auf die Tribüne stellen, sondern in bunter Reihe Damen und Herren unserer Fraktion sprechen, die zu den Problemen Stellung nehmen.

(Abg. Mellies: Weil Ihr verschiedener Meinung seid!)

Ganz kurz nur einiges Wenige zu einzelnen Fragen, die hier aufgeworfen worden sind und deren kurze Beantwortung mir am Herzen liegt. Da lieg
zunächst der Antrag der KPD Drucksache Nr. 2099 vor, durch den die Bundesregierung gehindert werden soll, Maßnahmen gegen diejenigen zu treffen, die dabei sind, die Grundlagen unseres demokratischen Staates zu unterminieren.

(Zuruf von der KPD: Die sitzen da drüben!) Ein solcher Antrag spricht für sich selbst, und wir brauchen die Gründe dazu nicht zu sagen. Wir lehnen ihn selbstverständlich ab. Wir begrüßen es auf das wärmste, daß wir einen Innenminister haben, der mit aller Kraft und sicherlich auch mit vollem Erfolg bemüht ist, die Grundlagen unseres demokratischen Staates gegen jede Infiltration totalitärer Methoden zu sichern.


(Beifall in der Mitte.)

Die Frage der Sicherheit und damit auch der Polizei, soweit der Bund hier Zuständigkeiten hat, liegt uns in ganz besonderm Maße am Herzen.


(Dr. Wuermeling)

Wenn wir etwas zur Sicherheit und zur Frage des Verfassungsschutzes sagen, so müssen wir hinzufügen, daß wir wirksamen Verfassungsschutz in gleicher Weise gegenüber Unterminierungen von rechts wie gegenüber Unterminierungen von links für unerläßlich halten. Es ist vollkommen gleichgültig, ob die Feinde dieses Staates Reimann oder Remer heißen. Alle werden abgewehrt, und die Republik bleibt gesichert!

(Beifall in der Mitte. — Abg. Renner: Wie schon einmal! — Abg. Dr. Orth: Ruhe in der KPD!)

Zum zweiten. In ganz besonderem Maße liegt uns aus dem Haushaltsplan des Innenministeriums das Kap. 2 b am Herzen, das Wissenschaft, Bildung, Schule und kulturelle Angelegenheiten umfaßt. Der Ansatz für die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, der für 50/51 mit 2 Millionen DM vorgesehen ist, müßte im kommenden Jahr noch erhöht werden, weil die staatliche Förderung der Wissenschaft und Forschung bei uns leider bisher nur in allzu geringem Maße erfolgt.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Sehr richtig!)

Die Forschung von heute ist der Fortschritt von
morgen! Dessen sollte man sich immer bewußt sein.
Besonders erwünscht wäre auch uns im kommenden Jahr eine Erhöhung der Position „Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes", wie von den Vorrednern bereits hervorgehoben worden ist. Auch wir werden uns bemühen, im kommenden Haushaltsjahr hier zu einer Erhöhung der Summen zu kommen.
Dann ist von dem sozialdemokratischen Fraktionsredner über einige Fragen des Beamtenrechts gesprochen worden.

(Zuruf von der Mitte: Der versteht davon nichts!)

Wenn ich es richtig notiert habe, wurde gesagt, daß das vorläufige Beamtengesetz den demokratischen Erfordernissen „in keiner Weise" entspreche. Wir von der CDU können uns dieser Auffassung ebenso „in keiner Weise" anschließen, da wir der Meinung sind, daß die demokratischen Grundlagen für ein geordnetes Berufsbeamtentum in diesem Gesetz in den Grundzügen bereits gelegt sind.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir haben nicht den mindesten Zweifel daran und wollen auch keinen Zweifel darüber lassen, daß sich beim endgültigen Beamtengesetz noch Abänderungen der jetzigen beamtenrechtlichen Vorschriften als erforderlich erweisen werden. Wir werden uns gesunden Notwendigkeiten da in keiner Weise verschließen. Aber darüber besteht innerhalb unserer gesamten Fraktion nicht der mindeste Zweifel: wir stehen nach wie vor zu der bewährten Einrichtung unseres deutschen Berufsbeamtentums, von dem unser deutsches Volk und Vaterland in den letzten Jahren und Jahrzehnten unendlichen Nutzen gehabt hat.

(Zuruf des Abg. Mellies.)

Wenn dann gesagt wurde, daß die Vorlage über das endgültige Beamtengesetz noch nicht weitergekommen sei, so brauchen wir daraus keinen allzustarken Vorwurf gegen das Ministerium herzuleiten, weil wir wissen, daß — ebenso wie wir im Beamtenrechtsausschuß — auch das Ministerium durch die Beratung des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes in seinen zuständigen Referaten so beansprucht gewesen ist, daß sich die Arbeiten am endgültigen Beamtengesetz einfach nicht fördern ließen. Aber nachdem das Gesetz zu Art. 131 verabschiedet ist, sind wir auch entschlossen, die Beratung des unserem Beamtenrechtsausschuß aus dem Hause vorliegenden Entwurfes eines Bundesbeamtengesetzes nunmehr fortzusetzen, die wir vor der Beratung des Gesetzes zu Art. 131 ja bereits begonnen haben. Wir hoffen nur, daß das Ministerium uns nun aber recht bald seine Vorschläge für die Gestaltung des endgültigen Beamtengesetzes übermittelt.
Zur Frage der politischen Gleichberechtigung der Beamten stehen wir auf dem Standpunkt, daß die politische Betätigung auch den Beamten schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verboten werden darf.

(Abg. Dr. Orth: Da müssen Sie mal die Veröffentlichungen der Bundesbahn lesen!)

Auch bezüglich der parlamentarischen Mandate sind wir der Auffassung, daß die Beamten nicht grundsätzlich von der Übernahme parlamentarischer Mandate ausgeschlossen werden dürfen und daß man sich da, soweit der betreffende Beamte durch das Mandat voll in Anspruch genommen wird, mit einer Versetzung in den Wartestand oder auf sonstigen Wegen helfen kann. Bei den Landtagen liegen die Dinge wohl so, daß die zeitliche Inanspruchnahme jetzt nicht mehr so stark ist, so daß eventuell auch eine aktive Beamtentätigkeit mit einem Mandat vereinbar ist. Man könnte darüber reden, ob man aus Gründen der Gewaltenteilung für Landesbeamte die Mandate im Landtag nicht erlaubt, für Bundesbeamte die Mandate im Bundestag und für Kommunalbeamte die Mandate in ihren Kommunalparlamenten nicht zuläßt, um sie nicht auf gleicher Ebene über ihre eigenen Haushaltspläne beschließen zu lassen. Das ist eine Losung, über die man reden kann und auf die wir vielleicht bei der endgültigen Regelung der Dinge auch kommen können.
Was die Personalpolitik angeht, so stimmen wir dem sozialdemokratischen Fraktionsredner sehr gern zu, wenn er hier erklärte, daß Beamtenstellen nur da geschaffen werden sollen, wo solche wirklich im sachlichen Interesse wegen des Aufgabenkreises der Stelle notwendig sind. Aber ich glaube, meine Damen und Herren, wir wissen alle — ich will dabei nicht die Frage aufwerfen, ob die Schuld links oder rechts oder sonstwo liegt —, daß in der Vergangenheit hier vielfach nicht nach diesem Grundsatz gehandelt worden ist, und wir müssen nun endlich dazu kommen, das Prinzip durchzuführen, daß Beamtenstellen nur geschaffen werden für hohheitsrechtliche oder solche Befugnisse, die ganz besondere Verantwortung und ganz besonderes Vertrauen erfordern, wo also die beamtenmäßigen Sicherungen geschaffen werden müssen.

(Sehr gut! bei der CDU.)

Im übrigen, meine Damen und Herren, ist der Grundsatz der Auswahl nach der fachlichen Qualifikation für unsere Beamtenpersonalpolitik die wichtigste Forderung, und wir wünschten von Herzen, daß auch in allen Landesverwaltungen ebenso wie in allen Kommunalverwaltungen dieser Grundsatz bis zum letzten zur Durchführung gelangte, vor allem auch zum Nutzen des echten Berufsbeamtentums, das sachlich leistungsfähig ist und dessen Ruf, wenn ungeeignete Kräfte dort hineinkommen, nur darunter leidet, wenn diese Kräfte ihre Aufgaben nicht hinreichend erfüllen können.

(Sehr richtig! bei der CDU.)



(Dr. Wuermeling)

Damit möchte ich kein grundsätzliches Wort gegen die Hereinnahme von tüchtigen, befähigten Außenseitern gesprochen haben, die wir aufrichtig begrüßen, weil eine gesunde Belebung der Behördenstuben durch solche Kräfte durchaus erwünscht ist. Aber diese dürfen nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten, sondern ausschließlich nach ihrer fachlichen Qualifikation und ihrer charakterlichen Eignung ausgesucht werden.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD.)

Was die Verfolgten des Naziregimes angeht, so sind auch wir dem Gedanken gegenüber sehr aufgeschlossen, daß hier jede mögliche Wiedergutmachung erfolgt. Wir müssen uns aber gegen den Gedanken wehren, daß etwa die Eigenschaft als Naziverfolgter allein schon einen Anspruch auf Verwendung in der öffentlichen Verwaltung gäbe, wenn keine sachlichen Qualifikationen vorhanden sind.
Meine Damen und Herren, dann ist noch von den Gemeinden als der Lebenszelle des Staates gesprochen worden. Wir von der CDU brauchen diesen Satz nicht besonders zu unterstreichen, weil wir uns ja wohl immer, ausgehend vom Prinzip der Subsidiarität, als Vorkämpfer der Selbstverwaltung erwiesen haben. Wenn jetzt vielleicht daran gedacht wird, daß gestern eine nach außen möglicherweise selbstverwaltungsunfreundlich erscheinende Abstimmung stattgefunden hat, dann möchte ich dazu folgendes sagen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es notwendig ist, immer die wichtigsten und die höchsten Interessen zum Durchbruch zu bringen. In der gestrigen Abstimmung hat das Problem der Vertriebenen im Vordergrund gestanden, und demgegenüber müssen schließlich auch einmal gewisse Interessen der Selbstverwaltung zurücktreten können, da ja überall im Lande Opfer zugunsten der Vertriebenen und zur Lösung des Vertriebenenproblems gebracht werden müssen.

(Abg. Mellies: Es war nur eine Regelung für den Finanzminister!)

Im übrigen darf ich abschließend sagen, daß wir der Tätigkeit des Herrn Bundesministers des Innern mit vollem Vertrauen gegenüberstehen, insbesondere weil er, wie wir wissen, alles in seinen Kräften Stehende tut, und zwar wirksam tut, um die Sicherheit in unserm Lande und die Verfassung zu schützen, und deswegen werden wir dem Haushaltsplan des Innenministeriums gern unsere Zustimmung geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113307100
Das Wort hat der Abgeordnete Brunner.
Meine Damen und Herren, wir haben noch zahlreiche Wortmeldungen. Ich hoffe aber, daß sich das in Kürze abwickeln läßt.

Karl Brunner (SPD):
Rede ID: ID0113307200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich betrete diesen Platz mit einigem Bangen, weil ich mir nicht ganz gewiß bin, ob ich den gemütvollen Stil der Unterhaltung hier werde durchhalten können.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Vor kurzem ist dem Hohen Hause ein Antrag der Deutschen Partei vorgelegt worden, die Bundesregierung zu beauftragen, ein Bundesrundfunkgesetz einzubringen. Dieser Antrag ist dann wieder abgesetzt worden, und man hörte, daß das Bundesinnenministerium an dieser Angelegenheit interessiert sei und binnen kurzem selbst ein solches Gesetz dem Hohen Hause vorlegen wolle. Wir haben es hier auch mit einem der Bereiche zu tun, wo noch bestehendes Besatzungsrecht oder Zustände, die vom Besatzungsrecht hergeleitet sind, durch ein deutsches Recht ersetzt werden müssen. Nun ist es hier freilich so, daß wir alles in allem besorgt sein müssen, uns das zu bewahren, was durch das Besatzungsrecht auf diesem Gebiet geschaffen worden ist: ein Rechtszustand, der die in dieser Beziehung gewiß garantierte Meinungsfreiheit aufrechterhält.
Nun hört man mancherlei Dinge, die einem Zweifel darüber beibringen, ob überall dieses Bestreben vorhanden ist. Um nur ein Beispiel zu nennen: Aus dem Bereich des Südwestfunks hört man von bereits — na, sagen wir: paraphierten Staatsverträgen, die aber nicht etwa jene Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit des Rundfunks festlegen sollen, sondern die den Rundfunk zu einem Instrument der Propaganda der betreffenden Länderregierungen machen wollen. Man hat sehr stark den Eindruck, daß hier das Beispiel aus der vergangenen Zeit nicht abschreckend, sondern eher ermunternd wirkt, und die Aufgabe ist, daß ein Staatsrundfunk auf alle Fälle verhindert werden muß, ganz gleich, ob er sich in die bescheidende Joppe des Länderrundfunks oder in den weiten Mantel des Bundesrundfunks kleiden will.

(Abg. Stücklen: Haben wir doch gar nicht!)

Wenn jetzt von diesem Bundesrundfunkgesetz die Rede ist, so gilt es zu überlegen, ob die Bundesregierung imstande und vor allen Dingen ob sie gewillt sein wird, diesen Standpunkt der Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten. Was ist hier von der Bundesregierung zu erwarten? Wenn wir diese Frage stellen, so haben wir auch einige unserer Ansicht nach sehr anschauliche, sehr klar wirkende, gute Gründe — um in der Sprache von gestern zu reden —, um uns ein Urteil bilden zu können. Einer dieser Punkte, die eine bestimmte Haltung anschaulich machen, ist der Fall Peter von Zahn, der dadurch besonders wirksam und eindrucksvoll geworden ist, daß wir jetzt eigentlich zwei Fälle Peter von Zahn haben. Zahn hat im Januar im Rundfunk — wie er das zu tun pflegt — einige seiner Vorträge gehalten, die jetzt unter dem Titel „Von fern und nah" stehen, womit in der Tat die schöne Möglichkeit gegeben ist, über alles zu reden. Er hat bei der Gelegenheit über die Mitbestimmung gesprochen und er war dafür. Unser Herr Bundesinnenminister das hören und böse werden, war eines.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Er hatte sich schon einmal wegen Herrn von Zahn mit dem Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks Dr. Grimme in Verbindung gesetzt. Er tat das bei der Gelegenheit noch einmal. Er hatte ihm schon einmal nahegelegt — um in der eigenen Ausdrucksweise des Herrn Bundesinnenministers zu reden —, Herrn Peter von Zahn „kaltzustellen".

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Das wird auch höchste Zeit! — Gegenruf des Abg. Heiland: Das ist eine Unverschämtheit! — Weitere Rufe und Gegenrufe in der Mitte und bei der SPD.)

Diese freundliche Ermunterung schien in diesem Falle nicht ausreichend, und er schrieb an den Generaldirektor einen Brief, aus dem ich — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — hier einige


(Brunner)

Sätze zitieren darf. In diesem Zusammenhang mit diesem Vortrag über den Bundesrundfunk wurde festgestellt:
Ich kann nicht umhin, Ihnen vom Standpunkt der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung und des inneren Friedens diese meine schweren Bedenken zum Ausdruck zu bringen, und bitte Sie, angesichts der Zersetzungsarbeit, die sich unter Ihren Augen vollzieht, zu prüfen, als wessen Strohmann eigentlich Herr von Zahn fungiert.
Der Herr Bundesinnenminister hielt diesen Satz für so schön, daß er ihn sofort auch Hans Böckler mitgeteilt hat, an den er übrigens appellierte, ihm in diesem Bestreben, Herrn von Zahn „kaltzustellen", freundlichst zu unterstützen.

(Sehr gut! rechts.)

Er hat dann in derselben Angelegenheit noch einen weiteren Brief geschrieben. In diesem Brief finden sich die folgenden Sätze:
Eine Bundesregierung, die solcher öffentlichen Wühlarbeit gegen die Staatsgewalt und den Staat nicht Einhalt gebietet, verliert das Vertrauen und die Achtung der Staatsangehörigen.

(Richtig! in der Mitte.)

Ja, es ist die Frage aufgeworfen worden: Als wessen Strohmann agierte eigentlich Herr von Zahn? Was hat er getan? Er hat empfohlen, was der Bundeskanzler sich nachher vorgenommen hat und was schließlich gestern der Bundestag getan hat: die Forderungen der Gewerkschaften in dieser Beziehung zu erfüllen.

(Zuruf in der Mitte: Nein! Nein! — Das ist Ihre Auffassung!)

Ich weiß nicht, ob Herr Dr. Lehr die Absicht gehabt hat, in dieser Hinsicht den Herrn Bundeskanzler zu desavouieren, oder ob er zum Ausdruck bringen wollte, daß alles, was für die Mitbestimmung getan wurde, höchst widerwillig getan wurde. Jedenfalls hat der Minister, der im besonderen berufen ist, als Schützer der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit einzutreten, diese Grundsätze der Unabhängigkeit und der Meinungsfreiheit aufgehoben. Es ist unmöglich, daß eine Staatsinstanz gewissermaßen den Anspruch erhebt, die Rundfunkkommentatoren zu ernennen und zu entlassen, und sogar Neigung zeigt, Gewaltmittel einzusetzen, um gegen das Auftreten gewisser Kommentatoren vorzugehen.

(Abg. Spies: Manchmal wäre es schon notwendig gewesen! Denken Sie an Geßner!)

Der Vorgang hat übrigens seine tragische Folge gehabt. Herr von Zahn hat einen fürchterlichen Schock bekommen, hat einen langen Anlauf genommen und sich dem Bundeskanzler an den Hals geworfen; und als er seine Arme wieder frei hatte, griff er in die Harfe und jubelte gleich einer Lerche ein Preislied auf den Schumanplan in die Lüfte. Nach all den Befürwortern dieses Plans, die ich bisher gehört habe, glaube ich sagen zu müssen: Wenn sie diesen Vortrag gehört hätten, hätten sie feststellen müssen: So poetisch können wir das nicht. Auch das war eine ausgesprochene Parteinahme für eine in der Politik höchst umstrittene Sache, eine Parteinahme, die außerdem verbunden war mit einer impertinenten Kritik an denjenigen,

(Abg. Dr. Orth: Haben Sie den Stuttgarter Rundfunk gehört?)

— ja, haben Sie die Vorträge gehört, Herr Kollege? —, die eine andere Auffassung in dieser Beziehung haben als die Bundesregierung. Lediglich dem Verantwortungsgefühl der Vorgesetzten von Herrn Zahn ist es zu verdanken gewesen, daß in diesem Vortrag nicht ausgesprochene Ruppigkeiten und Unanständigkeiten stehengeblieben sind. Als ich diesen Vortrag hörte,, war meine erste spontane Reaktion die: Jetzt schreibt der Lehr wieder einen Brief an den Grimme! Aber das geschah nicht. Dabei sind Qualität, Art und Stil der Darstellung gleich gewesen: Kommentar mit einem ganz ausgeprägten Standpunkt! Einmal hat man auf die Angelegenheit heftig und böse reagiert, das andere Mal hat man sie praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Ich habe den Eindruck, daß man das eine Mal Einsicht mit Polemik und das andere Mal Zustimmung mit Objektivität verwechselt hat. Wir würden uns in dem Blick auf ein kommendes Rundfunkgesetz etwas wohler fühlen, wenn gerade diese Begriffe von der zuständigen Instanz schärfer unterschieden werden könnten.
Meine Redezeit kommt zum Schluß; ich muß auch zum Schluß kommen. In der Pressearbeit der Bundesregierung hat sich jetzt eine neue, ich möchte sagen, Art Institution herausgebildet. Der Name, 'den ich jetzt gebrauchen werde, stammt nicht von mir, sondern von der zuständigen Instanz der Bundesregierung. Man spricht von „Staatsschreibern" und meint damit Journalisten, die die besondere Aufgabe haben, die Auffassungen der Bundesregierung populär zu machen. Wenn man etwa beim Rundfunk meinen sollte,, das sei die richtige Tribüne für „Staatssprecher", so sind wir der Meinung, daß das nicht der richtige Geist ist, aus dem die Gesetzgebung für diese Institution und diesen Bereich gestaltet werden kann. Wir haben den Eindruck — und wir haben zu unserer Freude feststellen können, daß viele Kollegen auch aus anderen Parteien, mit denen wir in diesen Dingen zusammenarbeiten, diesen Eindruck teilen —, daß wir hier auf der Hut sein müssen; und wir werden auf der Hut sein.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113307300
Das Wert hat der Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0113307400
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst ein Wort zu den Ausführungen zu sagen, die mein Herr Vorredner gemacht hat.

(Zuruf des Abg. Schmid [Tübingen].)

Es gibt in der ganzen Welt kaum einen einzigen Staat, in dem die Dinge so geordnet sind, daß der Rundfunk nicht in irgendeiner positiv gearteten Zusammenarbeit mit der Staatsführung steht.

(Oho-Rufe bei der SPD.)

Das gibt es nicht in England, und das gibt es nicht in Amerika. Nur in Deutschland glaubt man, darauf verzichten zu können, daß der Rundfunk in positivem Kontakt mit der Staatsführung steht. Die Dinge sind bei uns so, wie sie jetzt liegen, keinesfalls befriedigend geregelt.

(Zuruf von der Mitte: In keiner Weise! — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Das war grad' nicht richtig, was Sie sagen!)

— Meine Damen und Herren von der Opposition,
wenn Sie heute zu regieren hätten, dann würden
Deutscher Bundestag — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den il. April 1951 5181

(Bausch)

1 Sie meiner Auffassung durchaus zustimmen. Sie würden ganz sicher als eine Ihrer ersten Maßnahmen eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Rundfunk und Staatsführung durchführen.

(Abg. Spies: Die haben Sie ja schon! — Abg. Mellies: Sind Sie Prophet geworden?)

— Ich weiß, daß politische Prophetie eine gefährliche Sache ist.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen] : Sie würden dann die Freiheit des Rundfunks verteidigen! — Heiterkeit.)

— Ich bin für Freiheit des Rundfunks. Aber ich bin auch für vernünftige Zusammenarbeit. Gerade angesichts der Situation, in der wir heute leben, angesichts der Weltlage, wie sie uns heute entgegentritt, darf es keinen vernünftigen Menschen geben, der nicht für eine gute, ordentliche Zusammenarbeit zwischen Rundfunk und Staatsführung eintritt.

(Zurufe von der SPD und KPD.)

Nun möchte ich aber zu zwei Fragen Stellung nehmen, die uns im Blick auf die Tätigkeit des Bundesministeriums des Innern besonders am Herzen liegen. Die eine Frage betrifft die Jugendfürsorge. Der- Herr Bundesminister- des Innern hat sich ein großes Verdienst dadurch erworben, daß er die Fragen der Jugend mit großer Entschlossenheit und mit einer großen inneren Wärme in Angriff genommen hat.

(Abg. Dr. Gerstenmaier: Sehr richtig!) Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen.


(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Man hat bei der ganzen Tätigkeit des Bundesinnenministeriums in Jugendfragen gemerkt, daß ein warmer Herzton mitspricht. Das hat die Jugend gemerkt, und das hat das ganze Volk gemerkt. Das war der gute Weg, den wir gerade in dieser Frage besonders sorgfältig einhalten müssen.

(Zurufe von der KPD.)

Wir wissen alle, daß im Haushalt des Bundesinnenministeriums 171/2 Millionen für Zwecke der Jugend bereitgestellt sind. Im übrigen Haushalt sind weitere Beträge bereitgestellt. Insgesamt sind im Haushalt für 1950, wenn man die verschiedenen Einzelpläne zusammennimmt, etwa 53 Millionen DM für Jugendzwecke zur Verfügung gestellt.
Nun liest man neuerdings eine Reihe von kritischen Bemerkungen darüber, daß der Bundesjugendplan wohl sehr. sorgfältig 'aufgestellt worden sei, daß aber neuerdings gewisse Hemmungen in der Durchführung in Erscheinung getreten seien. In einer Zeitung, die in meiner Heimat erscheint, in der „Stuttgarter Zeitung" stand gestern oder vorgestern ein Artikel, aus dem ich mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Sätze vorlesen möchte:
Es ist unverständlich, wie der Jugendförderungsplan, der kurz vor Weihnachten verkündet wurde, in Bonn behandelt worden ist. Ein Gesamtbetrag von 53 Millionen DM wurde damals für Zwecke der beruflichen Erziehung in Aussicht gestellt. Nach monatelangen Verhandlungen ist dieser Betrag auf 13,5 Millionen zusammengestrichen worden. Gerade die dringlichsten Projekte sind gefallen. So sollten z. B. der freien Wirtschaft und besonders den Betrieben, in deren Lehrwerkstätten Maschinendemontiert worden sind, 20 Millionen DM
Kredite gegeben werden, um zusätzliche Lehrstellen zu schaffen. Der Finanzminister hat es nicht genehmigt. Es sollten ferner 13 Millionen DM ,den Ländern zur Verfügung stehen, um für die Flüchtlinge, die Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Spätheimkehrer Umschulungs- und Fortbildungskurse einzurichten. Sie sind auf eine Million zusammengeschmolzen, die praktisch überhaupt nichts mehr bedeutet. Auch die für die Errichtung von Jugendwohnheimen vorgesehenen Mittel sind so reduziert worden, daß sie kaum noch eine Rolle spielen.
Ich kann mir kein Urteil darüber erlauben, ob und inwieweit diese Kritik berechtigt ist. Ich wäre aber sehr dankbar, wenn uns der Herr Minister Auskunft darüber geben würde, wie es mit der Durchführung des Bundesjugendplans steht und ob wir damit rechnen können, daß die dafür im Haushaltsplan bereitgestellten Mittel tatsächlich auch diesen Zwecken zugeführt werden.
Ich darf sodann noch auf eine Frage zurückkommen, die der Herr Minister selbst angeschnitten hat. Sie, Herr Minister, sind ja auch der Verfassungsminister. Sie sind der Mann, dem es besonders obliegt, die Verfassung zu verteidigen. Sie haben mit Recht darüber geklagt, daß heute nicht nur von links, sondern auch von rechts die schwersten Angriffe gegen unseren Staat gerichtet werden. Sie haben auf gewisse Vorgänge hingewiesen, die sich jetzt im Wahlkampf in Niedersachsen ereignet haben. Aber nicht nur in Niedersachsen, sondern fast in allen Ländern können wir solche Vorgänge beobachten. Ich bin mir völlig klar darüber, daß mit polizeilichen Maßnahmen nicht das Entscheidende geschehen kann.

(Zuruf des Abg. Spies.)

Es wird in allererster Linie darauf ankommen, daß unser ganzes Volk, vor allem unsere Jugend, zu einer inneren Überwindung des „Ohne-Mich"Standpunktes kommt

(Zuruf von der KPD)

und daß sich die breitesten Schichten unseres Volkes in lebendiger Anteilnahme und in innerer Verbundenheit für den heutigen Staat einsetzen und Verantwortung für diesen Staat übernehmen.

(Abg. Renner: Und sich für die amerikanischen Imperialisten totschießen lassen!)

Aber das allein genügt nicht. Dieser Staat muß sich seiner Haut wehren. Wir haben in der Geschichte die bittersten Erfahrungen machen müssen, und zwar einfach deshalb, weil die Weimarer Demokratie nicht entschlossen genug war, sich ihrer Haut zu wehren und ihre Existenz gegen Staatsfeinde zu verteidigen.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Beim Ermächtigungsgesetz hättet Ihr daran denken müssen! — Gegenrufe von der Mitte.)

Diese Lehren der Geschichte sollten heute beachtet werden. Keine Partei, die für 'diese Demokratie eintritt, kann darauf verzichten, diese Lehren zu beachten. Sonst werden wir wiederum ,diese bitteren Erfahrungen machen müssen.
Wir sollten uns ganz offen die Fehler eingestehen, die gemacht worden sind. Ich will zuerst von Iden Fehlern sprechen, die dieses Parlament gemacht hat.

(Abg. Spies: Das ist nicht notwendig!)



(Bausch)

— Dies ist dringend nötig! Diese Fehler sind gemacht worden. Sie müssen ausgesprochen und festgestellt werden.
Ich erinnere mich, daß es im Ausschuß zum Schutze der Verfassung in einer 'der allerersten Sitzungen zu einer grundlegenden Aussprache darüber kam, wie dieser Staat seine Existenz verteidigen soll. Alle Parteien waren sich darüber einig, daß der Staat entschlossen sein müsse, alle seine Machtmittel anzuwenden, um den Feinden der Demokratie entgegenzutreten. Es war der Abgeordnete Professor Carlo Schmid,

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Jawohl!)

der in dieser Sitzung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung erklärt hat, dieser Staat müsse ,.mit Rute und Beil" verteidigt werden.

(Abg, Dr. Schmid [Tübingen]: Nein. mit Ruten!)

Aber, meine Damen und Herren, ich habe bisher mach nichts davon gesehen, daß dieser Staat solche Machtmittel angewandt hätte.

(Zuruf des Abg. Heiland.)

Bis zum heutigen Tag gibt es keine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür, den Feinden der Demokratie entgegenzutreten. Dieses Parlament war in 11/2 Jahren nicht fähig, diese Rechtsgrundlage zu schaffen. Sie, Herr Bundesminister, haben diesen Mangel soeben festgestellt. Es ist niemand in diesem Hause, der dieser Feststellung wird widersprechen können.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

Wir haben uns vor einiger Zeit über die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten dieses Hauses unterhalten, der einen Innenminisber eines deutschen Landes in der groblichsten Weise beschimpft hat. Ich habe der Aufhebung der Immunität dieses Mannes zugestimmt. Ich bin mir aber völlig klar darüber gewesen, daß die Gerichte gar keine ausreichende rechtliche Handhabe besitzen, um diesen Mann ernsthaft zu verfolgen und ihn dort hinzubringen, wohin er gehört.

(Wiederholte Zurufe von der SPD.)

Wir wollen zugestehen, daß dies ein Fehler und eine Schande für uns alle ist. Hier ist etwas versaumt worden. Wir haben seinerzeit vom Justizministerium die Strafrechtsnovelle zugestellt bekommen. Sie liegt ja nun — ich weiß nicht genau, wie lange, wohl schon seit einem Jahr — beim Rechtsausschuß.

(Zuruf des Abg. Renner.)

Ich will nichts gegen unsere Kollegen von der Juristenzunft sagen, die sich mit diesen Fragen im Rechtsausschuß befassen. Die Dinge liegen aber nun wirklich nicht so, daß man sie einfach auf die lange Bank schieben 'kann. Man kann die Beratung dieses umfangreichen Gesetzentwurfes nicht monatelang und nochmals monatelang hinziehen, ohne daß auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes überhaupt etwas Wirksames geschieht. Das ist ein, vollkommen unmöglicher Zustand.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Richtig!)

Ich möchte namens meiner Fraktion erklären, daß wir nicht willens sind, diesen Zustand noch länger hinzunehmen. Ich halte es für notwendig, daß die wichtigsten in dieser Strafrechtsnovelle vorgesehenen Paragraphen zum Schutze des Staates aus dem Gesetzentwurf herausgenommen, in einem Sondergesetz zusammengefaßt und vom Parlament möglichst rasch verabschiedet werden. Wenn man auf anderen Gebieten Gesetze rasch verabschieden
kann, muß es auch möglich sein, auf dem Gebiet des Staatsschutzes ein Gesetz mit größter Beschleunigung zustande zu bringen, das unseren Gerichten, dem ganzen Staat und dem ganzen Volk das Bewußtsein gibt, daß dieser Staat entschlossen ist, sich seiner Haut zu wehren, seine Autorität und seine Existenz zu verteidigen

(Zuruf des Abg. Arnholz)

und die Zustände nicht länger so bestehen zu lassen, wie sie jetzt sind.

(Zuruf des Abg. Renner.)

Aber auch die Regierung und insbesondere Sie, Herr Bundesinnenmmister, möchte ich bitten, dafür einzutreten, daß diesem Zustand unverzüglich ein Ende gemacht wird'. Sie haben es selbst bedauert, daß es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage fehlt, um den Staat zu schützen. Treten Sie, Herr Minister, im Kabinett bitte dafür ein, daß auch das Kabinett unsere 'Bemühungen unterstützt, diesem unerträglichen Zustand ein Ende zu machen. Unser Volk hat einen Anspruch darauf, von dieser Obrigkeit und von diesem Staat davor geschützt zu werden, daß sich Katastrophen, wie wir sie in der Vergangenheit erlebten, noch einmal ereignen, weil die 'berufenen Organe nicht rechtzeitig die nötigen Maßnahmen durchgeführt haben.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113307500
Der Herr Bundesminister des Innern hat das Wort.

Dr. Robert Lehr (CDU):
Rede ID: ID0113307600
Meine Damen und Herren! Ein ganz kurzes Wort zur Frage der Meinungsfreiheit im Rundfunk, die hier angeschnitten worden ist. Ich habe mich damals bei dem Fall Peter von Zahn nicht dagegen gewehrt, daß Herr von Zahn seine eigene Meinung zu einer bestimmten Frage äußerte. Ich habe mich gegen die Art und Weise gewehrt, wie er es getan hat. Die fand ich in dem Augenblick zersetzend und staatsgefährdend, und ich habe meine Pflicht getan, indem ich den verantwortlichen Stellen Bescheid sagte.

(Zuruf von der KPD: Jetzt ist er absolviert?)

Meine Damen und Herren! Wir müssen tatsächlich ein Bundesrundfunkgesetz haben, und wir müssen dafür sorgen, daß wir Deutsche diesen Rundfunk unter unsere eigene Hoheit bekommen und daß dieses wichtige Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung nicht nach fremdem Recht errichtet wird, sondern innerhalb unserer eigenen Gesetzgebung bleibt. Die erforderlichen Schritte den Alliierten gegenüber sind eingeleitet.

(Sehr gut!)

Im Falle des Herrn von Zahn habe ich mit einer gewissen Interessiertheit festgestellt, daß er offenbar zuletzt auch einmal verkehrt herum geredet

(Sehr richtig! in der Mitte)

und daß ihm das hier auch keine Lobrede eingetragen hat. Aber das ist eine Sache für sich.
Zu der Frage des Bundesjugendplanes darf ich Ihnen kurz folgendes sagen. 30 Millionen DM stehen abrufbereit im Haushaltsplan. Ungefähr ein Drittel des Betrages ist abgerufen. Sämtliche Richtlinien, die in dieser Hinsicht zu geben sind, sind gegeben. Das Kuratorium ist sich in seinen Beschlüssen völlig einig. Wir haben wertvolle Kräfte zur Mitarbeit in diesem Kuratorium, und es war auch selbstverständlich, daß wir bei der Vorbereitung die Länder nicht umgangen haben.


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113307700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113307800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte bei dieser Debatte nicht vergessen, daß der Herr Bundesminister des Innern auch so etwas wie der Ersatzkultusminister des Bundes ist, und ich glaube, daß in dieser Debatte etwas zu einigen Erscheinungsformen unseres Kulturföderalismus gesagt werden sollte. Unser Grundgesetz gibt die Kulturhoheit den Ländern. Es gibt dem Bunde nur sehr beschränkte Kompetenzen, im Grunde nur in Sachen der Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Davon haben wir auszugehen. Ich meine aber, daß diese geringe Gesetzgebungskompetenz kein Grund für den Herrn Bundesinnenminister sein sollte, auf Initiativen zu verzichten, die aus diesem Kulturföderalismus eine einigermaßen vernünftige Angelegenheit machen könnten. Es scheint nämlich nicht so, als ob die Konferenz der Länderkultusminister in der Lage wäre, die 88 verschiedenen Systeme auf dem Gebiet der höheren Schule einigermaßen vernünftig zu koordinieren. Ich glaube, daß hier von dem Herrn Innenminister eine stärkere Initiative ergriffen werden sollte, als sie vielleicht bisher möglich war; denn der heutige Zustand kann nicht länger ertragen werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es ist schlechthin nicht möglich, bei Zuständen zu verbleiben, die praktisch das Recht der Freizügigkeit in Deutschland gegenstandslos machen!

(Zustimmung.)

Ich meine, man sollte sich durch den Unkenruf, die deutsche Kultur werde damit durch den Zentralismus bedroht, nicht allzu sehr erschrecken lassen. Ich glaube, daß in unserem Volke sehr viel Verständnis für Bodenständigkeit auf dem Gebiete der Erziehung vorhanden ist, andererseits aber auch dafür, daß man diese Bodenständigkeit nicht zu Partikularismus werden läßt. Ich glaube, Herr Bundesinnenminister, wenn Sie hier in Ihren Initiativen mutiger werden, werden Sie den Beifall des ganzen Volkes ohne Unterschied der Partei finden.
Und zweitens unsere Universitäten! Dort hat sich allmählich der Zustand entwickelt, daß es selbst dort schwer wird, den Ort zu wechseln. Die verschiedenen Länder haben recht verschiedene Zulassungsbedingungen. Ihre Examensvorschriften unterscheiden sich mehr und mehr, so daß es heute für das Fortkommen eines jungen Menschen wirklich nicht mehr gleichgültig ist, ob er sein Examen in Bonn, in Tübingen oder in München macht. Auch das geht nicht an, auch das muß geändert werden! Denn wenn wir das nicht ändern, werden wir die deutschen Universitäten zu recht provinziellen Anstalten degradieren.

(Sehr richtig!)

Wenn es allmählich so wird, daß nur noch das Landeskind an die Universität des Landes gehen kann, dann wird diese Universität provinziell, denn das wird sich auch auf den Lehrkörper auswirken. Leider Gottes ist es doch heute schon so — es hat in meinem eigenen Lande darüber eine ernsthafte Debatte gegeben —, daß man bei der Berufung von Professoren mehr darauf sieht, Landeskinder zu versorgen, als darauf, den besten Mann an die Universität zu bekommen. Das ist keine gute Sache. Wenn wir auf diesem Wege weitergehen, nun, dann kommen wir sehr weit hinter den Stand zurück,
an dem der Herr von Humboldt einmal begonnen hat, die moderne deutsche Universität zu schaffen. fen.

(Beifall.)

Ich glaube, daß auch hier der Herr Innenminister mehr Initiative entfalten könnte. Auch hier wird er auf allen Seiten dieses Hauses und in allen Schichten unseres Volkes Gefolgschaft finden!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113307900
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Robert Lehr (CDU):
Rede ID: ID0113308000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unter dem Stichwort „Schulchaos" in den letzten Monaten geführte Polemik hat ihren Ausgangspunkt in dem Umstand, daß die schon seit Jahren währenden Bemühungen der Länder um eine möglichst weite Angleichung in grundsätzlichen Fragen des Schullebens noch nicht überall zu einem befriedigenden Ergebnis geführt haben.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Mit den bisherigen Methoden wird das nie erreicht werden!)

— Darf ich zunächst noch ein weiteres sagen. Namentlich die bei den höheren Schulen noch vorhandenen Unterschiede im Aufbau des fremdsprachlichen Unterrichts bedeuten insbesondere für die vielen Flüchtlingskinder, die jetzt und auch noch während der nächsten Jahre in sehr großer Zahl den Wohnort wechseln müssen, eine empfindliche Mehrbelastung und für ihre Eltern erhebliche Mehraufwendungen.
Unter diesem Gesichtspunkt hat der Kulturpolitische Ausschuß des Bundestages sich der gegenwärtigen Schwierigkeiten mit Recht angenommen. Zwischen diesem Ausschuß, der Leitung des Städtetages und den Kultusministern haben in den letzten Monaten gemeinsame Besprechungen und Verhandlungen stattgefunden, in denen die Kultusminister nicht nur auf die bisherigen Ergebnisse ihrer Bemühungen um eine stärkere Koordinierung ihrer Schulorganisationen hingewiesen, sondern auch weitere Maßnahmen gleicher Art zugesagt haben. Da der Bund nun keine gesetzliche Zuständigkeit in Schulfragen besitzt, habe ich mich darauf beschränken müssen, das Interesse der Länder an einem möglichst schnellen und weiten Ausgleich zu wecken. Ich bin überzeugt, daß sich die Länder dieser Bitte nicht verschließen werden, und ich kann Ihnen die erfreuliche Tatsache mitteilen, daß ich die Erlaubnis bekommen habe, an der Konferenz der Länderkultusminister als Gast teilzunehmen!

(Heiterkeit und Beifall. — Abg. Mellies: Armes Deutschland! — Weitere Zurufe: Hört! Hört!)

Eine weitere Erörterung des auch im Kulturpolischen Ausschuß erwogenen Gedankens einer Erweiterung der grundgesetzlichen Zuständigkeit des Bundes auf das örtliche Erziehungswesen wäre durchaus zu wünschen.
Die Berechtigung auch der Klagen, die namentlich hier in Bonn erhoben werden, läßt sich nicht leugnen. Ich bin seit Monaten bemüht, gemeinsam mit dem Lande Nordrhein-Westfalen hier Abhilfe zu schaffen. Ich habe gerade heute noch einen Brief an den Herrn Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen geschrieben und ihn drin-


(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

gend um sein persönliches Eingreifen und seine Unterstützung gebeten, denn ich darf feststellen, daß hier die Mittel für den Aufbau einer neuen doppelgleisigen höheren Lehranstalt jetzt vorhanden sind, daß die Einigung erfolgt ist, daß aber die Ausführung, die Baupläne und alles, was damit zusammenhängt, noch viel zu wünschen übrig lassen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113308100
Meine Damen und Herren! Ich weise darauf hin, daß noch acht Wortmeldungen vorliegen.

(Zurufe: Ach du lieber Gott!)

Ich appelliere an die Redner und an die Personen, denen das Recht auf jederzeitiges Gehör zusteht, nach Möglichkeit dazu beizutragen, daß wir noch vor Mitternacht fertig werden.

(Beifall.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Neumayer.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0113308200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Professor Schmid hat auf ein Wort Wilhelm von Humboldts hingewiesen.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Auf das Werk!) Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, daß, als Wilhelm von Humboldt den Vorschlag zur Gründung der Berliner Universität machte, König Friedrich Wilhelm III. sagte: Alles das, was wir an materiellen Gütern verloren haben, müssen wir durch geistige ersetzen!


(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Das ist ihm aber nicht selber eingefallen! Aber das macht nichts!)

— Er hat es aber gesagt!

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Das ist dem König damals nicht selber eingefallen!)

— Ich weiß nicht, ob es ihm jemand souffliert hat.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Seine Frau hat ihm das aufgeschrieben!)

Ich glaube, dieses Wort, meine Damen und Herren, gilt auch heute. Deshalb unterschreiben wir alles, was Herr Professor Schmid und Herr Minister Lehr hier ausgeführt haben. Wenn wir der Universität wieder den Charakter der universitas geben wollen, dann müssen wir sie auch von landsmannschaftlichen Rücksichten und Bindungen befreien. Derartige Bindungen und Rücksichten müssen zurücktreten, damit unserer Jugend wieder der weite; allgemeine, freie Blick vermittelt wird, den die Universität früher uns gegeben hat.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun noch kurz zu einigen Problemen des Innenministeriums Stellung nehmen. Wir haben, Herr Minister, mit besonderer Freude die Initiative begrüßt, die Sie auf dem Gebiete der Polizei entfaltet haben. Es ist vorhin hier schon ausgeführt worden, daß es notwendig ist, den jungen Staat, die junge Demokratie zu schützen, und zwar gegen Angriffe von links und von rechts. Ich erkläre hier auch namens meiner Fraktion ausdrücklich, daß wir alles billigen und unterstützen, was die Bereitschaft des Staates, sich gegen derartige Unterwühlungen zu schützen, stärkt. Herr Kollege Maier hat schon auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die der Schaffung einer Bereitschaftspolizei entgegenstehen. Wir sind uns dieser Schwierigkeiten bewußt. Sie liegen zum Teil im Grundgesetz begründet. Aber wir stehen auf dem Standpunkt, daß das Grundgesetz eben geändert werden muß, wenn die Notwendigkeit des Staates dies erfordert.

(Beifall bei der FDP und SPD.)

Wir bedauern nur, daß es bis jetzt leider noch nicht möglich war, all diese Schwierigkeiten, die sich der Bildung der Bereitschaftspolizei entgegenstellen, zu überwinden.
Meine Damen und Herren! Wir haben seitens der alliierten Hohen Kommission — ich glaube, schon seit November — die Genehmigung, eine Bereitschaftspolizei von 30 000 Mann aufzustellen. Für die junge Republik ist es kein Ruhmesblatt, daß diese Zahl bis heute, im April, immer noch nicht — ich kann sagen, bei weitem noch nicht — erreicht worden ist.

(Abg. Renner: Es finden sich nicht genug Dumme!)

— Ja, ja, Herr Renner!

(Abg. Renner: Also geben Sie mir recht!)

Ich darf hier nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Initiative des Herrn Innenministers sich weiter durchsetzen wird, daß nämlich dem Staat das Instrument gegeben wird, dessen er bedarf, um sich gegen alle Angriffe, die gegen ihn gerichtet werden könnten, zu schützen.
Im Zusammenhang damit möchte ich auf eine weitere Aufgabe des Innenministeriums verweisen; es ist die innergebietliche Neuordnung. Wir wissen, daß zur Durchführung des Art. 29 des Grundgesetzes noch die alliierte Genehmigung fehlt, hoffen aber, daß es den Bemühungen der Regierung gelingen wird, die Zustimmung der Alliierten zur Inkraftsetzung dieser Bestimmung zu erlangen. Wir halten die innergebietliche Neuordnung um deswillen für so wichtig, weil der überspitzte Föderalismus endlich einmal auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden muß. Ich bin überzeugt, daß, wenn wir eine vertretbare Zahl von Ländern haben, auch das Verhandeln mit diesen wenigen Ländern bedeutend geringere Schwierigkeiten bereiten wird als heute, da es sich um elf Länder handelt. Dann werden gerade die historisch gewordenen und gewachsenen Länder eine entsprechende Berücksichtigung finden können.
Zu den Beamtenfragen ist seitens des Herrn Kollegen Dr. Wuermeling das Nötige schon gesagt worden. Ich möchte hier nochmals unterstreichen, daß auch wir unbedingt für das Berufsbeamtentum eintreten, daß wir ein integeres Berufsbeamtentum wünschen, das nicht nach dem Parteibuch, sondern lediglich nach der Tüchtigkeit ausgewählt wird. Wir vertreten den Standpunkt, daß bei der Auswahl der Beamten heute nicht nochmals eine neue Entnazifizierung durchgeführt werden kann. Wir müssen uns von diesen Dingen endlich frei machen; die Tüchtigkeit und die Qualifikation allein müssen den Ausschlag geben.
Herr Innenminister, wir haben zu Ihnen das volle Vertrauen, daß Sie Ihr Amt im Sinne dieser Ausführungen verwalten werden. Wir stimmen dem Plan des Innenministeriums zu.

(Beifall bei der FDP und in der Mitte.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113308300
Frau Abgeordnete Dr. Weber wünscht zwei Worte zu sagen. Ich hoffe, daß sie sich an ihre Zusage hält.

(Beifall beim Zentrum. — Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: „Zwei Minuten" habe ich gesagt! — Zurufe: Schluß der Debatte!)

Frau Dr. Weber [Essen] (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen, heute abend die kürzeste Rede zu halten,

(Bravo! bei der SPD)



(Frau Dr. Weber [Essen])

und ich verspreche Ihnen auch, ein Thema zu behandeln, über das bis jetzt noch niemand gesprochen hat. Es würde, Herr Minister, etwas fehlen, wenn ich bei diesem Thema — ich habe gesagt „in zwei Minuten" und nicht „mit zwei Worten" — nicht etwas über das Frauenreferat im Bundesinnenministerium sagen würde. Wir haben, Herr Minister, sehr lange auf das Referat gewartet. Es kam dann aber endlich zustande, und wir möchten dafür danken. Wir wissen, daß dieses Frauenreferat eine Aufgabe übernimmt, die sonst nicht geleistet werden würde. In diesem Frauenreferat sollen all' die Fragen, die in den verschiedenen Ministerien die Angelegenheiten der Frauen betreffen, angeregt, gesammelt und auch in Verbindung mit den großen Frauenorganisationen und den Referentinnen in den verschiedenen Ministerien besprochen werden.

(Zuruf links: Wo bleibt das Männerreferat?)

— Ja, es sind bis jetzt fast lauter Männer in den Ministerien. Sie haben nicht ein Referat, die haben viele Referate. Im Anschluß daran möchte ich sagen, wir wollen wegen des Frauenreferates nicht auf die Sachreferentin in den verschiedensten Ministerien verzichten.

(Sehr richtig! links. — Weitere Zurufe.) Ich habe Zustimmung von dem ganzen Hause.


(Heiterkeit.)

Herr Minister, gerade im Bundesministerium des Innern gibt es noch eine Reihe von Fragen, die von Frauen mitbearbeitet werden müßten. Ich will heute abend noch keine Antwort auf die Frage haben, wieviel Frauen dort schon arbeiten und welche Fragen sie behandeln. Weil ich mich immer gut informiere, weiß ich aber, daß es noch viel zu wenige sind. Wenn jetzt auf der Ministerbank mit dem Herrn Kanzler und Vizekanzler alle Minister säßen, dann würde ich sie bitten, einmal ihr Gewissen darüber zu erforschen, welche Frauen an sachverständiger Stelle in den verschiedenen Ministerien mitarbeiten. Das ist noch eine ganz kleine Schar. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, man soll die Gleichberechtigung so weit treiben, daß in den Ministerien genau so viel Frauen wie Männer arbeiten.

(Zuruf von der Mitte: Warum kein weiblicher Minister?)

— Ja, warum nicht auch ein weiblicher Minister? Ich finde, daß viel zu wenig Frauen — ob es sich um das Arbeitsministerium, das Wirtschaftsministerium, das Ernährungsministerium handelt; — als Sachverständige mitarbeiten. Ich meine sogar
— ich glaube, ich habe das in einer Aussprache schon einmal gesagt —, es würde in den deutschen Bundesministerien und überhaupt in unserer Bundesrepublik manches besser und friedlicher werden, wenn die Frauen stärker mitarbeiteten.

(Zurufe: Friedlicher?)

Wir haben Debatten, für die das gilt, in den letzten Tagen erlebt! Besonders bei einer Debatte habe ich immer gedacht; „Wenn doch in all den Debatten unter all den Rednern die eine oder andere Frau dazwischen wäre! Es waren aber wirklich lauter Männer.
Ich habe nun noch eine Frage — damit ich nicht den Vorwurf bekomme, ich hätte doch zu lange geredet — an den Herrn Minister: Wann wird die Frauenreferentin, wie das doch im Haushaltsausschuß beschlossen war, Ministerialrätin werden? Ich habe ja nicht gefragt: Wann werden wir einmal
— das hängt ja nicht von Ihnen, sondern von dem
Herrn Kanzler ab — einen weiblichen Minister erhalten, wie das in den Ländern der Fall ist? Wann einen weiblichen Staatssekretär? Ich bin sehr bescheiden, wenn ich frage: Wann wird die Frau Referentin Frau Ministerialrat? Das ging damals bei uns in Preußen sehr viel schneller. Ich war wirklich sehr viel schneller Ministerialrätin als jetzt die Frau Referentin. Ich richte deshalb einen herzlichen Wunsch an den Herrn Innenminister. Ich habe diesen Wunsch gar nicht als Wunsch meiner Partei, sondern ich bin davon überzeugt, was ich heute abend gesagt habe, gilt für die Frauen aller Parteien. Ich glaube, daß ich im Namen der Frauen aller hier vertretenen Parteien spreche, wenn ich Sie frage: Wann dürfen wir Frau Ministerialrat sagen?

(Zuruf des Bundesinnenministers Dr. Dr. h. c. Lehr.)

— Das Versprechen ist da.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113308400
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.

(Heiterkeit. — Abg. Dr. Wuermeling: Das ist bunte Reihe! — Weitere Zurufe.)


Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0113308500
Ja, meine Damen und Herren, leider zu sehr später Stunde wird dieser Etat behandelt! Und doch ist der Etat des Bundesinnenministeriums einer der allerwichtigsten! Lassen Sie mich nur noch einige wenige Punkte herausgreifen:
Ich spreche zunächst von der Sicherheitspolizei. Wir sind der Auffassung, daß die Sicherheitspolizei eine Sache der Länder ist und bleiben sollte. Wir sehen nicht ein, warum eine Bundespolizei, abgekürzt Bupo, in diesem Lande hier runden soll.

(Heiterkeit und Zurufe.)

— Das ist die offizielle Abkürzung für Bundespolizei. Wir haben in den einzelnen Ländern bereits seit Jahr und Tag die Rahmen für eine Sicherheitspolizei. Ich sehe nicht ein, warum wir neben und zu diesen Rahmenorganisationen hinzu noch von Bundes wegen eine Sicherheitspolizei schaffen müssen.

(Ironische Zurufe: Bupo!)

Der Herr Bundesinnenminister sprach dann über das Paßwesen an den Grenzen. Er sagte, wenn ich ihn recht verstanden habe, auf einen Zwischenruf, daß es noch keinen Paßkontrolldienst an den Grenzen gebe. Das stimmt nicht, Herr Innenminister! Da kennen Sie die Dinge an den Grenzen leider sehr wenig. Seit vielen Wochen schon existieren solche Grenzpolizeistellen, und zwar leider mit sehr negativem Erfolg. Große Beschwerden auch vom Ausland sind bereits da. Seriöseste Blätter des Auslandes — ich erinnere nur an die „Basler Nachrichten", aber auch wichtige Zeitungen aus anderen Ländern — haben sich bereits über die an den Grenzen herrschenden Zustände beschwert und darauf hingewiesen, wie hier durch die Schuld eines bürokratischen Systems die Durchreise sowie die Ein- und Ausreise aus und nach Deutschland erschwert werden. Jeder einzelne Reisende, jeder Durchreisende und Ausreisende wird nämlich mit Vornamen, Zunamen, Wohnort, Straße, Beruf usw.
— das alles muß in Blockschrift geschrieben werden — von dem zuständigen Grenzpolizeibeamten in ein Register eingetragen. Wie mir bekannt ist, ist das in keinem Lande Westeuropas der Fall. Das führt in Basel sogar zu Zugverspätungen von einer halben Stunde, einer Stunde und noch mehr und führt dazu, daß die Holländer und die Belgier, die


(Loritz)

in die Schweiz und nach Italien reisen wollen, nicht mehr über die deutsche Rheintal-Linie, sondern über die französische Strecke fahren, weil es dort derartige Dinge nicht gibt. Wir haben hier einen Formalismus übelster Art. Schade, daß die Herren der CDU von den Grenzgegenden mich hier nicht unterstützen. Der Herr Kollege Hilbert — er ist leider nicht da — sollte wissen, wie es hier zugeht, nicht bloß in Lörrach und Weil, sondern genau so in Kehl und an anderen Grenzübergangsstellen! Diese Zustände sind für uns kein Ruhmesblatt, und wir ersuchen den Herrn Innenminister als den zuständigen Polizeiminister, hier nach dem Rechten zu sehen, damit die eigene deutsche Grenzwacht nicht wieder mit diesem forschen Stil beginnt, der uns in der Vergangenheit in der Welt nicht gerade viele Freunde gemacht hat.

(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr: Alliierte Anordnung!)

— Diese Eintragungen, Herr Minister, sind, wie mir bekannt ist, keine direkte alliierte Anordnung Es genügt das Abstempeln der Passe usw., wie es andere Länder auch vorschreiben. Wenn das wirklich eine alliierte Anordnung ist, hätten Sie, Herr Bundesinnenminister, das gegenüber den Stimmen aus dem Ausland schon lange erwähnen müssen! Dann kann ich Ihrem Pressechef nur den Vorwurf machen, daß er anscheinend keine Zeitungen liest oder sich überhaupt nicht informiert.
Meine Damen und Herren! Ein weiteres wichtiges Thema: der Rundfunk. Wir wehren uns schärfstens dagegen, daß der Rundfunk direkt oder indirekt eine Staatsorganisation, ein Hilfsdienst für die jeweiligen Staatsmachthaber werden soll. Es wurde heute gefragt: Gibt es denn Länder, bei denen es nicht so wäre? Ein Abgeordneter — wenn ich mich nicht täusche, war es der Kollege Bausch — sagte, das sei doch in allen Ländern so.

(Abg. Bausch: In allen normalen! — Heiterkeit.)

In allen normalen Ländern, ganz richtig, Herr Kollege Bausch, das sagten Sie! Ich antworte Ihnen, daß es keineswegs so in allen normalen Ländern ist. Oder, wollen Sie Amerika nicht als normales Land in Ihrem Sinne betrachten? In Amerika ist der Rundfunk weitgehend frei, und in anderen Ländern ist es ebenso. Jedenfalls, eines ist in diesen Ländern nicht der Fall: daß bei den politischen Parteien ein Unterschied gemacht wird, wer jeweils sprechen darf. Die, die an der Regierung sind, die können in Deutschland über den Rundfunk reden, und anderen wird das unter fadenscheinigen Begründungen verunmöglicht. Das ist keine Demokratie mehr; das ist etwas ganz anderes!

(Abg. Dr. Orth: Aber Sie dürften in Amerika auch nicht reden!)

Das führt dazu, daß unsere Bevölkerung nicht mehr die Hochachtung vor dem Rundfunk und nicht mehr vor der Regierung hat, die in einer Demokratie nötig wäre.

(Abg. Dr. Orth: Sie dürften in Amerika auch nicht reden!)

In Amerika kann sich jeder sogar eine Zeit beim Rundfunk mieten und dort sprechen, Herr Kollege! Sie kennen die Verhältnisse dort anscheinend nicht. Ich empfehle Ihnen, melden Sie sich für die nächste Reisegruppe nach Amerika hinüber. Ich kenne die Verhältnisse dort sehr gut.

(Abg. Kunze: Woher denn? — Zuruf: Dann hätte ich aber Bedenken für Sie, Herr Loritz!)

Meine Damen und Herren! Wir sprachen heute beim Etat des Innenministeriums auch noch von der kulturellen Angleichung in den einzelnen Ländern.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

— Jawohl, genau der Satz wurde gebraucht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113308600
Meine Herren, halten Sie doch bitte ein wenig Ruhe! Der Redner ist ja kaum zu verstehen.

Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0113308700
Meine Herren! Falls Sie nicht 'mehr in der Lage sind, ruhig einem Vortrag zu folgen, — —

(Gelächter. — Zuruf: Soweit man das Vortrag nennen kann! — Abg. Kunze: Das ist eine Theatervorstellung! — Abg. Renner: Das ist „angewandte Demokratie!" — Glocke des Präsidenten. — Zurufe von der SPD: Aus! Aus!)

— Ich warte nur, bis Sie zur Ruhe kommen. (Glocke des Präsidenten. — Händeklatschen.)

Von der Angleichung auf kulturellem Gebiet — —

(Lachen.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113308800
Meine Damen und Herren! Unter den Lachern sind doch eine ganze Reihe von Kollegen, die sonst recht viel für heimatliche Sonderdinge übrig haben. Ich verstehe darum nicht, warum Sie lachen, wenn der Herr Kollege Loritz dieses Wort so betont, wie das bei ihm zu Hause üblich ist.

(Zurufe: Nein, nein! So ist es nicht!)


Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0113308900
Ja, vielleicht werden einige von Ihnen noch die hiesige Betonung des Schriftdeutschen von mir verlangen! Da werden wir uns widersetzen, vielleicht auch einige Herren von der CSU und der Bayernpartei dazu!

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß eine so weitgehende Angleichung der einzelnen Lehrpläne, wie sie uns heute von gewisser Seite vorgeschlagen wurde, doch große Nachteile hat, und wir glauben nicht, daß hier eine schematische Vereinfachung unter allen Umständen das Richtige wäre.

(Zurufe: Nein, nein!)

Lassen Sie mich dazu eines sagen: Die bayerischen Prüfungsordnungen einschließlich der Schulzeitregelungen und alles das haben sich im Laufe von vielen Jahrzehnten bewährt. Ich glaube, davon könnte manches auch hierher übernommen werden, und nicht umgekehrt könnten die Verhältnisse in Bayern nach dem, was hier gang und gäbe ist, nivelliert werden.

(Zurufe.)

— Nein, ich gehöre nicht zu denen, die alles verdammen, was hier besteht. Keineswegs! Da müssen Sie sich an die andere Seite des Hauses wenden.

(Zuruf: Nein, Loritz hat sich schon gebessert! — Zuruf von der Mitte: Das ist unmöglich!)

Meine Damen und Herren, der Etat des Innenministeriums! Eines möchte ich betonen: wir dürfen uns nicht etwa dazu verleiten lassen, aus Gründen der Staatsräson einem uferlosen Ausbau der Polizeiallgewalt unsere Zustimmung zu geben. Herr Bundesminister, ich weiß — oder ich nehme es wenigstens an —, daß Sie nichts davon er-


(Loritz) fahren haben, was sich vor wenigen Tagen in Bonn abspielte, als die zweite Lesung des Gesetzes zu Art. 131 zur Debatte stand, wo eine Absperrung durch den Polizeipräsidenten von Bonn angeordnet wurde,


(Zuruf: Ländersache!)

die nicht bloß von uns, sondern auch von anderen Seiten des Hauses mit Recht gerügt wurde und die in der Öffentlichkeit wirklich Anstoß erregt hat.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine Länderangelegenheit!)

Herr Innenminister, bitte sorgen Sie dafür, notfalls durch Herausgabe von Richtlinien, wenn Sie auch keine Befehle an Länderminister geben können — das weiß ich —, aber immerhin können Sie Richtlinien geben,

(Zuruf von der Mitte: Kann er nicht!)

daß solche Schönheitsfehler nicht wieder passieren. Wir haben oft und oft das Gefühl, als sollte die alte Polizeigewalt wieder bei uns Eingang finden und als würde die alte Generalklausel zum preußischen Polizeistrafgesetz bald in irgendeiner neuen Form wieder ihre fröhliche Auferstehung feiern.

(Zuruf: Welche Klausel meinen Sie denn?) Dem wollen wir uns widersetzen, und auch hier gilt es, den Anfängen zu wehren.

Wir sind nicht in der Lage, dem Etat zuzustimmen. Wir bitten Sie, Herr Innenminister, darüber zu wachen, daß nicht das wiederkommt, was uns in der Vergangenheit so geschadet hat, nämlich ein Polizeistaat, ein Reglementierwesen der öffentlichen Meinung, das hier eines niemals ersetzen kann: eine gute Regierung und eine gute Staatsverwaltung. Wo diese vorhanden sind, da braucht es wenig Polizeireglementierung; wo diese nicht vorhanden sind, da nützen auch 30 000 Mann Schutzpolizei nichts!

(Beifall bei der WAV.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113309000
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Steinbiß.

Dr. Viktoria Steinbiß (CDU):
Rede ID: ID0113309100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Punkten sprechen. Einmal möchte ich auf den Etat, und zwar auf die Punkte hinweisen, die das Gesundheitswesen betreffen. Uns springen da Zahlen in die Augen, die. wegen ihrer Geringfügigkeit auffallen. Ich glaube, es ist hier wirklich ein ernstes Wort zu sagen. Wenn wir das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik weiter so hintansetzen wollen, wie wir es bis jetzt getan haben, so werden wir dem Volke auf die Dauer großen Schaden zufügen. Wir haben uns angewöhnt, die Gesundheit als ein selbstverständliches Gut hinzunehmen. Wenn wir z. B. einen Etatposten suchen, der dafür eingesetzt ist, daß medizinische Forschungen betrieben werden sollen, so finden wir keine Zahlenangabe. Ich erinnere da nur an die Rheumaforschung, die in allerstärkstem Maße aufgenommen werden müßte, da die rheumatischen Erkrankungen in unserem Volke sehr zahreich auftreten, und zwar gerade auch bei jungen Menschen. Man kann diese Aufgabe nicht den einzelnen Ländern zumuten, weil dies ja auch ein Gebiet ist, das das ganze Volk betrifft. Der Bund muß sich entschließen, hier die Aufgaben zu übernehmen, die ihm wirklich zukommen; und wir vom Bundestag, meine Damen und Herren, müssen ihm die Mittel
geben, damit er diese Aufgaben erfüllen kann. Ich möchte Sie daher bitten, für den nächsten Etat doch zu bedenken, daß wir hier für das Gesundheitswesen höhere Mittel bewilligen müssen, als es in diesem Etat vorgesehen ist.
Nun komme ich zu einem anderen Punkt. Er betrifft den Antrag, den die SPD eingereicht hat. Ich möchte mich absolut zu diesem Antrage bekennen und möchte sagen, daß ich ihn begrüße.

(Bravo! bei der SPD.)

Was betrifft der Antrag? — Bei Errichtung des Bundes wurde beschlossen, die Bearbeitung der Angelegenheiten des Tierschutzes von der Behandlung der Fragen des Schutzes der menschlichen Gesundheit zu trennen. Man glaubte, es wäre richtiger, die Sicherung der Gesundheit des Tieres dem Landwirtschaftsministerium zu übertragen und die Sicherung der Gesundheit des Menschen beim Innenministerium zu belassen. Seit Begründung des Reiches wurden die Fragen der Sicherung der Gesundheit des Tieres zusammen mit denen der Sicherung der Gesundheit des Menschen in Deuschland stets beim Reichsinnenministerium bearbeitet, desgleichen vor allen Dingen auch die mit der Fleischbeschau und die mit der Überwachung der Lebensmittel tierischer Herkunft in Zusammenhang stehenden Fragen.
In der Weimarer Zeit blieb es in den wesentlichsten Bundesländern wie z. B. Bayern und Württemberg beim alten; Preußen allerdings überwies den Arbeitsbereich „Schutz der Gesundheit des Tieres" dem Landwirtschaftsministerium. Die Erfahrungen waren jedoch nicht gut, wie noch in den letzten Jahren von den damaligen Leitern der Veterinärverwaltung, den Herren Ministerialdirigenten Dr. Giese und Müßemeier, in Veröffentlichungen betont worden ist.
Wenn nun seinerzeit im Dezember 1949 entgegen den Schlangenbader Empfehlungen das Kabinett zu dem Beschluß kam, die Bearbeitung der Fragen der Sicherung der Gesundheit des Tieres aus dem Innenministerium herauszunehmen und dem Landwirtschaftsministerium zuzuteilen, so hat das seinen Grund darin gehabt, daß der Landwirtschaftsminister für den Stand der Leistungsfähigkeit der Nutz- und Lasttiere verantwortlich war. Die Grenzlinie zwischen den Fragenkomplexen „Gesundheitssicherung der Tiere" und „Sicherung der Gesundheit der Menschen" ist — darauf möchte ich aufmerksam machen — sofort nach dem Kabinettsbeschluß von den beiden Ministerien zutreffend gezogen worden, und zwar dahingehend, daß beim Landwirtschaftsministerium die Tierzucht und die Tierkrankheitsbekämpfung liegt und beim Innenministerium die Lebensmittelüberwachung. Bei der Lebensmittelüberwachung wird das Landwirtschaftsministerium beteiligt. Bei der Fleischbeschau erfolgt die Bearbeitung gemeinsam, weil hier ebenfalls der Schutz der Gesundheit der Menschen eine entscheidende Rolle spielt.
Daneben kommt auch die Ermittlung von Tierseuchen in Frage. Allerdings betreffen 99,2 % aller Beanstandungen bei der Tierbeschau die Untauglichkeit für den menschlichen Genuß, und nur ein winziger Teil, nämlich unter ein Prozent, betrifft eine Seuchenmeldung.
Die Bearbeitung der Fragen der Sicherung der Gesundheit des Tieres und das Tierärztewesen soll beim Landwirtschaftsministerium bleiben. Aber die Lebensmittelüberwachung, also der Schutz der Gesundheit des Menschen, erfordert ebenfalls Beamte mit tierärztlicher Vorbildung. Nun wollen


(Frau Dr. Steinbiß)

gewisse tierärztliche Kreise, daß alle Beamten und Angestellten mit tierärztlicher Vorbildung in einer Verwaltung vereinigt sein sollen. Es müßten also die in der Lebensmittelüberwachung tätigen Tierärzte mitsamt ihren Aufgaben zum Landwirtschaftsministerium.

(Zuruf von der Mitte.)

Eine Hauptverwaltung, eine Staatsverwaltung kann aber nur nach sachlichen Zusammenhängen aufgebaut werden und nicht nach standespolitischen.

(Erneute Zurufe.)

Wir kennen ja auch keine „Juristenverwaltung", keine „Kaufmannsverwaltung" und keine „Ärzteverwaltung". Jedes Sachgebiet beschäftigt heute Fachkräfte der verschiedensten Vorbildung. Auch der Landwirtschaftsminister beschäftigt z. B. mit Recht einen Lebensmittelchemiker, obwohl die gesamte Gruppe der Lebensmittelchemiker zur Gesundheitsverwaltung gehört. Die Lebensmittelgesetzgebung fordert dementsprechend drei Gruppen von Sachverständigen, nämlich den Amtsarzt, den Lebensmittelchemiker und den Tierarzt, letzteren als Sachverständigen für Lebensmittel tierischer Herkunft. Diese Gruppe der Tierärzte dient somit der Sicherung der menschlichen Gesundheit und gehört in die Gesundheitsabteilung. Die Lebensmittelüberwachung ist ein sehr wichtiges Gebiet der Gesundheitspolizei. Sie kann nicht nach Standesgruppen aufgesplittert und zerschlagen werden. Die Verantwortung trägt immer die Gesundheitsverwaltung, wo sie verbleiben muß.

(Abg. Hilbert: Richtig!)

Diese Gesundheitsverwaltung kann aber die Verantwortung gar nicht übernehmen, wenn ihr eines ihrer wichtigsten Sachgebiete, nämlich die Überwachung des Verkehrs mit Fleisch, Milch und anderen Lebensmitteln tierischer Herkunft entzogen wird, lediglich weil Beamte mit tierärztlicher Vorbildung hierbei mitwirken. Übrigens hat in einem der größten ausländischen Staaten, und zwar in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, die Lebensmittel- und Arzneikontrolle bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes im Jahre 1909 in der Bundeszentrale beim Landwirtschaftsministerium gelegen, weil damals die Bundeszentrale in Amerika noch nicht über eine Gesundheitsverwaltung verfügte. Aber die USA haben sich 1938 entschließen müssen, durch eine Gesetzesänderung die gesamte Lebensmittelgesetzgebung und Lebensmittelkontrolle der Zentralinstanz, der Zentrale für Sozialversicherung und Gesundheitswesen zuzuteilen.
Die Streichung des tierärztlichen Referenten und seines Expedienten, die der Haushaltsausschuß vorschlägt, bedeutet auch keineswegs eine Sparmaßnahme, sondern dieselben Stellen sind im Haushaltsplan des Landwirtschaftsministeriums neu eingesetzt. Es ist nicht recht einzusehen, warum die vom Kabinett beschlossene und von den beiden Ministern in klarer, sachlicher Weise durchgeführte Trennung des Sachgebietes des Gesundheitsschutzes des Tieres von dem des Gesundheitsschutzes des Menschen aufgehoben und zugleich die einheitliche Lebensmittelüberwachung zerschlagen werden soll. Darum bitte ich Sie, dem Antrag der SPD bei der letzten Beratung Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113309200
Das Wort hat der Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0113309300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit dem Problem der Eingliederung des Veterinärwesens in unsere Verwaltung im Haushaltsausschuß und auch im Plenum schon häufiger beschäftigt.

(Abg. Mellies: Und wir werden es weiter tun! — Zuruf rechts: Hier?)

— Hier im März vorigen Jahres. — Frau Dr. Steinbiß hat in längeren Ausführungen heute noch einmal die Dinge klargelegt. Ich kenne diese Argumente und ich weiß nicht recht, wieweit vom Innenministerium dabei Hilfestellung geleistet worden ist.

(Zuruf rechts: Das ist nicht nötig!)

Die Dinge liegen doch ganz einfach. Als Bauer muß ich sagen, daß es wirklich sehr, sehr schwer ist, hier den Willen der Bevölkerung durchzusetzen. Die Bevölkerung — wie soll ich mich ausdrücken
— die wirklichen Fachleute, stehen auf unserer Seite. Die Fachleute verlangen, daß das Veterinärwesen bei der Landwirtschaft mit verwaltet wird.

(Zuruf von der Mitte: Gar nicht wahr!)

— Es ist einmal so. Der Senat der tierärztlichen Hochschule hat auch in einer Sitzung den Beschluß gefaßt, das Veterinärwesen ungeteilt dem Landwirtschaftsministerium zuzuteilen. Auch das
Kabinett hat bei der Aufteilung der Zuständigkeiten diesen Standpunkt eingenommen, und ebenso hat sich der Bundesrat — Sie können das Protokoll nachlesen — auf den Standpunkt gestellt, daß das Veterinärwesen beim Landwirtschaftsministerium verwaltet werden soll.

(Sehr richtig! rechts.)

Meine Berufsvertretung, der Bauernverband, vertritt denselben Standpunkt. Sie sehen also, es sind nahezu alle 'Verbände und alle in Betracht kommenden Stellen.

(Zuruf rechts: Alle Interessenverbände!)

— Das sind keine Interessenverbände, sondern Verbände, die die Materie genau kennen.
Es ist ja nicht auf diesen Nenner zu bringen, daß ein Sachgebiet wie das der Gesunderhaltung des Menschen beim Innenministerium und ein anderes wie das der Gesunderhaltung des Tieres beim Landwirtschaftsministerium zu verwalten ist. Dies ist ein einheitlicher Komplex, den man nicht trennen kann. Ich habe das schon im März vorigen Jahres ausführlich dargestellt. Gerade wegen der Seuchenbekämpfung — hier wurde uns immer die Tuberkulose als das Schreckgespenst vorgehalten — muß die Fleischbeschau unbedingt im Landwirtschaftsministerium, also in einer Hand liegen, sonst kollidieren die üblichen Zuständigkeiten. Wir können ja im Haushaltsausschuß ein Lied davon singen, wie sich verschiedene Aufgabengebiete sowieso schon gehörig überschneiden. Hier haben Sie einmal die Gelegenheit, zur Vereinfachung der Verwaltung

(Zuruf links: Na! Na!)

und zur Entbürokratisierung beizutragen.

(Abg. Dr. Orth: Sind die Seuchen anders, wenn die Zuständigkeit beim Innenministerium ist?)

— Sie müssen lauter sprechen, sonst kann ich Sie nicht verstehen. — Wir haben uns im Vorjahr im Haushaltsausschuß in der ersten Lesung auf den Standpunkt gestellt, daß für diese Veterinärverwaltung das Landwirtschaftsministerium zuständig sein sollte. Erst bei der zweiten Lesung ist es da-


(Brese)

mals durch das Eingreifen eines Regierungsvertreters, der von dem Gentlemen Agreement der beiden Minister sprach, dazu gekommen, daß der Haushaltsausschuß den gegenteiligen Standpunkt einnahm.

(Abg. Blachstein: Der war aber richtig!) Wir haben dann versucht, ihn im Plenum wieder rückgängig zu machen. Wir wurden da mit ganz wenigen Stimmen überstimmt.


(Abg. Blachstein: Das War auch richtig!)

Bei der diesjährigen Haushaltsberatung haben wir
das ganze Problem noch einmal eingehend beraten
und sind dann allerdings mit Mehrheitsbeschluß

(Abg. Blachstein: Mit sehr knapper Mehrheit!)

zu der Überzeugung gekommen, daß das Aufgabengebiet dem Landwirtschaftsministerium zugeteilt werden sollte.

(Abg. Blachstein: Zufallsmehrheit!)

— Wenn Sie jetzt sagen: eine kleine Mehrheit, dann muß ich Ihnen jetzt auch einmal eine kleine Wahrheit sagen. Wenn Ihre Fraktion jetzt geschlossen diesen Antrag stellt, so ist das ja sowieso eine gefährliche Sache. Denn bei Ihnen herrscht Fraktionszwang.

(Abg. Kunze: Aber doch nicht mehr nachts um 11 Uhr! — Heiterkeit.)

Ich habe mit vielen Vertretern Ihrer Fraktion gesprochen, die mir gesagt haben: Wir als Landwirte und als Kenner der Sache stehen selbstverständlich auf dem Standpunkt, daß es zum Landwirtschaftsministerium muß. Deshalb habe ich es außerordentlich bedauert, daß Sie sich jetzt mit Ihrer ganzen Fraktion hinter diesen Antrag stellten.

(Zuruf links: Es geht nichts über die Gewissensfreiheit bei den Veterinären! — Heiterkeit.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113309400
Hören Sie bitte den Redner.

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0113309500
Ich habe es außerordentlich bedauert, daß der Herr Minister selbst sich jetzt für den Antrag der SPD ausgesprochen hat. Das soll uns aber nicht entmutigen.

(Heiterkeit.)

Wir werden diesen Kampf nicht aufgeben.

(Abg. Dr. Orth: Sonst wären wir keine Bauern!)

Denn man würde ja draußen für unsere Arbeit überhaupt kein Verständnis mehr haben, wenn wir hier den Willen der Sachkenner nicht durchsetzen können.

(Abg. Mellies: „Der Bevölkerung", haben Sie vorhin gesagt!)

— Bevölkerung ist zuviel gesagt, Herr Mellies, ich will sagen: Sachkenner.
Aber ich will Sie nicht länger mit meinen Ausführungen aufhalten.

(Abg. Dr. Orth: Sie werden doch nicht jetzt schon aufhören! Heiterkeit.)

Ich möchte Sie noch einmal eindringlich bitten: prüfen Sie Ihren Standpunkt und entschließen Sie sich, die Einstellung der landwirtschaftlichen Vertreter zu übernehmen. Sie sind ja alle, wenn es sich um landwirtschaftliche Dinge handelt, so gern geneigt, ein Loblied auf die Landwirtschaft zu singen. Wir haben ja immer eine Einheitsfront von der KPD bis zur äußersten Rechten, wenn es
darum geht, sich zur Landwirtschaft zu bekennen. Nur bei den Abstimmungen haben wir leider Gottes immer das andere Bild, daß sich die Geister scheiden. Also bitte, es ist Ihnen leicht gemacht. Es wird dadurch nur eine Vereinfachung in der Verwaltung herbeigeführt. Stimmen Sie mit uns dafür, daß das Veterinärwesen dem Landwirtschaftsministerium eingegliedert wird, und lehnen Sie den Antrag der SPD ab.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113309600
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0113309700
Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz zwei Sätze: Die Ausführungen meiner beiden geschätzten Vorredner, nämlich der Vorrednerin und des Vorredners, scheinen mir Anlaß zu der Befürchtung zu geben, daß die zwischen den ärztlichen Betreuern der Menschen und der Tiere bestehenden Differenzen sich zu einem Kampf zwischen den weiblichen und männlichen Abgeordneten dieses Hauses zuspitzen könnten.

(Heiterkeit.)

Zwar scheinen mir die Rollen relativ gut verteilt: die Frauen für das Menschliche und die Männer für das Tierische.

(Heiterkeit.)

Aber man sollte da doch zu einer Synthese zwischen Frauen und Männern und zwischen Menschlichem und Tierischem kommen,

(erneute Heiterkeit)

zu einer Synthese nicht etwa in dem Sinne, daß die Männer die Frauen verzehren, wie die Menschen es mit den Tieren tun, sondern in dem Sinne, daß das Veterinärwesen auf jeden Fall in einem Ministerium vereinigt wird, wobei es gleichgültig ist, ob es das Landwirtschaftsministerium oder das Innenministerium ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113309800
Damit scheint diese interessante Materie in der Diskussion erledigt zu sein?

(Zuruf.)

— Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.

(Abg. Kunze: Das ist der letzte! Zur Geschäftsordnung nach Herrn Renner! — Zuruf von der Mitte: Auch zum Veterinärwesen, Herr Renner?!)


Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0113309900
Nein, ich rede zu etwas Konkreterem.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister des Innern hat im Laufe seiner mehrfachen Ausführungen, die so zustande gekommen zu sein scheinen, als wenn sie in einem vorher genau abgesteckten Programm festgelegt worden seien — heute sind die Rollen wirklich gut verteilt, es ist gut zusammengespielt worden —, gesagt: „Wenn man an mir" — dem Bundesinnenminister — „leise kratzt, dann kommt der alte Kommunalpolitiker zum Vorschein."

(Abg. Dr. Köhler: Und bei den Russen der Barbar!)

Das war nicht nur ein Irrtum. Ich habe aber gar nicht nötig, an ihm lange zu kratzen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113310000
Das wäre auch unparlamentarisch.

(Große Heiterkeit. Zuruf von der Mitte: Tun Sie das lieber bei sich selber, Herr Renner!)



Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0113310100
Auch das ist gelegentlich mal nötig!
Wie gesagt, ich kenne ihn ja. Ich habe ein außerordentlich gutes Gedächtnis, und in dem, was ich in meinem Leben erfahren habe, ist kein Riß eingetreten, so daß ich also diesen Herrn Lehr von dem Tag an beurteile, an dem ich ihn kennengelernt habe, bis zu dem Zeitpunkt, in dem wir, er und ich, uns im Augenblick befinden. Und da bin ich etwas anderer Auffassung als der, daß bei ihm, wenn man ihn kratzt, der „alte Kommunalpolitiker" zum Vorschein kommt. Ich weiß, was hinter der demokratischen Maske steckt, die er heute aufgesetzt hat.

(Abg. Stücklen: Das ist eine Beleidigung! Das ist ein starkes Stück!)

Ich weiß auch, wie die demokratische Rolle zu werten ist, die er heute mit Virtuosität gespielt hat. Hinter all dem steckt der alte, der eingefleischte Reaktionär,

(Lachen bei den Regierungsparteien)

der Mann, dessen gesellschaftliche und soziale Grundhaltung die eines ausgesprochenen Herrenmenschen ist,

(Gelächter bei den Regierungsparteien)

ein Mann, der durch seine ganze politische und menschliche Vergangenheit bewiesen hat, daß er kein Freund des kleinen Mannes, daß er ein Feind der Arbeiterklasse ist.

(Hört! Hört! — Zuruf von der CDU: Sie behaupten alles, ohne es zu beweisen!)

Und wenn bei der Sozialdemokratie noch der eine oder andere vorhanden wäre, der auch noch etwas aus der alten Geschichte des Herrn Lehr behalten hätte, — —(Zuruf des Abg. Mellies.)

— Ganz recht, aber die Angriffe, die heute abend von dieser Stelle aus als Fanfare begonnen und als süßliche Schamade geendet haben, haben nicht bewiesen, daß die SPD sich an seine Vergangenheit erinnert. Aber wenn hier einer wäre, der ihn aus seiner Düsseldorfer Oberbürgermeisterzeit beurteilen könnte, der z. B. weiß, welche Rolle er noch in den Tagen des November 1918 gespielt hat, wo er Dezernent der Polizei war, der wüßte, wie Ihre Fraktion in Düsseldorf 1932 reagiert hat, als Herr Lehr dem Adolf Hitler, dessen Partei damals so pleite war, daß ihre großen Führer nicht einmal in der Lage waren, für ihre Angestellten die Beiträge zu den Krankenkassen zu bezahlen, wenn Sie sich erinnerten, wie damals mit vollem Recht in Ihrer Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung die Haltung aufs schärfste verurteilt wurde, die er anläßlich dieses Besuches oder, besser gesagt, anläßlich der durch ihn herbeigeführten Einführung Hitlers gespielt hat, — -

(Lebhafte Zurufe bei der CDU: Hoi! Hoi! — Bundesminister Dr. Dr. h. c. Lehr: Ist ja alles nicht wahr, Herr Renner! — Zuruf von der CDU: Das haben Sie ja schon so oft erzählt!)

— Sollen wir die Stadtverordnetenberichte aus der
damaligen Zeit herausholen?

(Bundesminister Dr. Dr. h. c. Lehr: Ja!)

Daß Sie sagen: „das ist nicht wahr", das beweist nur eins: mit welcher Kühnheit Sie hier den Versuch machen, Ihre Vergangenheit zu vertuschen, um kein härteres Wort zu gebrauchen. Mein lieber Herr Lehr, mir machen Sie nichts vor!

(Zuruf von der CDU: Reden Sie doch über den Haushaltsplan 1950 und nicht über die Vergangenheit!)

Schlagen Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, einmal Ihre Zeitungen aus der damaligen Zeit nach!

(Zuruf von der SPD: Damals waren Sie Revolutionär; jetzt sind Sie Reaktionär!)

— Versuchen Sie doch einmal, etwas geistreichere Zwischenrufe zu machen! Ich gehe sehr gern auf geistreiche Zwischenrufe ein.

(Zuruf von der CDU: Da müssen Sie zuerst geistreicher reden! — Weitere Zurufe.)

— Ich habe mich so rechtzeitig zum Wort gemeldet, daß ich meiner Berechnung nach früher drankommen mußte.
Als ich von der Berufung des Herrn Lehr zum Innenminister erfuhr, weit von hier, durch den Rundfunk,

(Lachen und Zuruf: Wo waren Sie da?)

— wenn ich damals hier gewesen wäre, hätte ich es damals schon in aller Deutlichkeit gesagt; so kann ich es erst heute mit der wünschenswerten Deutlichkeit sagen —, da habe ich mir natürlich auch über diese Berufung meine Gedanken gemacht.

(Zuruf von der CDU: Gedanken sind zollfrei!)

— Sind zollfrei, richtig! — Ich habe mir die Frage vorgelegt: Was hat denn das zu bedeuten, daß der Herr Adenauer diesen Herrn Lehr zum Innenminister macht? Nun will ich nicht indiskret sein. Ich will nicht Urteile wiederholen, die Herr Konrad Adenauer — —

(Zuruf des Abg. Dr. Orth.)

— Sitzen Sie schon wieder in der ersten Reihe?

(Abg. Dr. Orth: Ja, ja!)

— Bleiben Sie auf Ihrem Platz!

(Abg. Dr. Orth: Auch wenn Sie es ärgert, sitze ich hier!)

— Das ärgert mich nicht; aber das ist ein sehr gefährlicher Platz für Provokateure hier in der ersten Reihe!

(Abg. Dr. Orth: Täuschen Sie sich nicht, mein lieber Herr!)

Ich habe mir damals gedacht: Wie ist es möglich, daß der Herr Adenauer, der sich doch bei Gelegenheit manchmal ganz offenherzig darüber geäußert hat, wie er den Herrn Lehr beurteilt, diesen Mann zum Innenminister machen konnte?

(Zuruf: Da haben Sie falsch gedacht!)

— Nein, nein! Ach, der alte Konrad, der kennt seine Menschen schon und setzt sie richtig ein! (Heiterkeit.)

Überlassen Sie ihm das Urteil schon. Das bringt er schon fertig, einen richtig einzuschätzen. Ich habe mir aber etwas anderes gedacht, und ich glaube, damit komme ich der Wahrheit nahe.

(Zuruf in der Mitte: Endlich mal!)

Ich habe mir gedacht: Wieweit muß es doch in diesem westdeutschen Stätchen gekommen sein, wenn man mit der Aufgabe, die ein Innenminister durchzuführen hat, einen Herrn Lehr betraut. Und ich bin dann zu dem Schluß gekommen, daß die Zeit für Herrn Adenauer gekommen ist, wo er einen Mann einsetzen muß, der ohne jede Hemmung die Pläne eines Adenauer durchführt.

(Hu-Rufe und Zurufe in der Mitte: Ausgezeichnet! — Das verlangen wir ja von ihm!)

— Ja, sicher verlangt ihr das von ihm! Ihr seid ja schließlich Geist vom Geist des Herrn Adenauer!

(Zurufe in der Mitte: Natürlich! Natürlich verlangen wir das von ihm!)



(Renner)

Auf das, was der Herr Adenauer, wie sich jetzt offensichtlich herausstellt, mit Ihrer Zustimmung plant, darauf komme ich am Schluß meiner Ausführungen zu sprechen.
Ich will mich heute abend nur mit zwei Maßnahmen dieser Regierung Adenauer beschäftigen, für die eigentlich der Herr Bundesinnenminister als Wahrer und Hüter der Verfassung zuständig ist. Ich habe diese Absicht vorhin schon angedeutet. Ich beschäftige mich zuerst mit dem Erlaß der Bundesregierung vom 20. September 1950, durch den es den Beamten verboten wurde, Parteien und Organisationen zu unterstützen, die nach Ansicht des Herrn Adenauer als „verfassungswidrig" anzusprechen sind.

(Zuruf von der CDU: 5. Kolonne!)

— 5. Kolonne? — 5. Kolonne: das waren einmal in Frankreich und im übrigen Ausland die Agenten Hitlers,

(Lachen bei der CDU)

und von diesen führenden Leuten, die damals diese Agenten machten — gucken Sie sich mal in seinem Ministerium und im Justizministerium etwas um! —, ist so mancher hier wieder aufgetaucht. Der Herr Sprecher der Sozialdemokraten hat ja einige Namen genannt; ich kann auch noch mit einigen Namen dienen, falls es gewünscht wird.
Was enthielt nun dieser damalige Erlaß? Dieser Erlaß, für den der Herr Dr. Heinemann als Bundesinnenminister noch zeichnete, — —

(Abg. Kunze: Der spielt doch mit Ihnen Skat!)

— Haben Sie ihm das so furchtbar übelgenommen?

(Abg. Kunze: Gar nicht, aber er war doch Ihr Freund!)

— Das ist er auch heute noch, die Privatpersönlichkeit Heinemann.

(Abg. Kunze: Und doch beschimpfen Sie ihn!)

. - Er besitzt meine freundschaftliche Hochachtung als Person; den Politiker Heinemann lehne ich ab. Ebenso lehne ich es auch ab, zwischen ihm und Herrn Lehr eine Parallele zu ziehen, wie das geschehen ist, denn er ist mir zu schade dazu!

(Abg. Dr. Köhler: Es ist doch allmählich eine Flapsigkeit, von einem Minister immer nur mit dem Namen zu sprechen! Die einfachsten Anstandsregeln kann man doch einhalten!)

— Was Anstand ist, das haben Sie uns hier zum Teil abgewöhnt; gerade Sie, Herr Köhler!

(Zuruf von der Mitte: Na, na! Haben Sie nie gehabt!)

— Darüber läßt sich streiten, wer hier der Anständigere ist, Sie oder ich. —

(Zurufe von der Mitte: Kommen Sie zum Schluß!)

Nun, in diesem damaligen Erlaß sind neben unserer Partei eine Reihe von Organisationen als verfassungswidrig angesprochen worden, —

(Zuruf von der Mitte: Mit vollem Recht! — Verwandte Organisationen!)

— Was wissen Sie denn, was mit uns verwandt ist?

(Zuruf von der Mitte: Ja, das merken wir an Ihren Taten, Herr Renner, was mit Ihnen verwandt ist!)

— Was wissen Sie, was mit uns verwandt ist? Kommt es darauf an, zu klären, was mit uns verwandt ist, oder kommt es darauf an, zu klären, ob die Regierung berechtigt ist, diese Organisationen von sich aus, aus eigenem Willen und politischen Wollen heraus als „verfassungswidrig" abzustempeln? Das ist doch die Streitfrage.
Zu diesen Organisationen, die so charakterisiert und verunglimpft worden sind, gehört neben der Freien Deutschen Jugend die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Dabei ist mir auf Grund der Diskussionen und des Charakters der heutigen Polizei eine Reminiszenz aufgetaucht. Die Zugehörigkeit zur VVN — vielleicht könnte sich Ihr Kollege Menzel darüber äußern — ist im Lande Nordrhein-Westfalen lange, lange bevor es diesen Erlaß gab, bereits so beurteilt worden, daß ein Mitglied der VVN nicht Angehöriger unserer, damals noch Kreispolizei genannten Polizei sein durfte.

(Zuruf von der Mitte: Rechtzeitig erkannt!)

Es war also der damalige sozialdemokratische Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, der die Zugehörigkeit zur VVN so gewertet hat.
Weiter zählt zu diesen Organisationen das „Komitee der Kämpfer für den Frieden", das „Komitee der Jungen Friedenskämpfer", die „Nationale Front", die „Vereinigung der Freunde der Sowjetunion",

(Zurufe von der Mitte: Alles das gleiche! Alles Unterorganisationen!)

die „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion", der „Kulturbund zur Demokratischen Erneuerung", der „Gesamtdeutsche Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft", die „Sozialdemokratische Aktion", wie es in der Anordnung steht: eine kommunistisch beeinflußte Splittergruppe.

(Zuruf von der Mitte: Sie heißt nicht umsonst SA! — Große Heiterkeit.)

Weiter waren — sozusagen als Feigenblatt für die Regierung — auch die Sozialistische Reichspartei und die sogenannte Schwarze Front, die OttoStrasser-Bewegung, genannt.

(Zuruf von der Mitte: Schöne Gesellschaft!) — Ihre alte Gesellschaft!

Nun, dieser verfassungswidrige Erlaß lief darauf hinaus, den Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes die Zugehörigkeit zu diesen Organisationen zu verbieten,

(Abg. Dr. Orth: Warum auch nicht?)

aber, darüber hinaus, ihnen auch zu verbieten, diese Organisationen in irgendeiner Form zu unterstützen oder die Ideen und Ziele, die von diesen Organisationen verfolgt werden, irgendwie zu propagieren und zu teilen, — ja, sogar zu teilen!
Nun hat diese Verordnung einige Auswirkungen höchst interessanter Art gehabt. Es gab einige Landesregierungen, die auf Grund dieser Verordnung in ihrem Lande prompt gleichlaufende oder weitergehende Maßnahmen durchgeführt haben. Zuerst schaltete sich die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen mit dem CDU-Mann Arnold an der. Spitze ein, dann kam die Regierung von Württemberg-Baden und dann die von Hessen und zuletzt die von Rheinland-Pfalz. Ministerpräsident Altmeier von Rheinland-Pfalz beraumte eine Sondersitzung an, um in seinem Ländchen in dieser Frage nun alles auf einen Nenner zu bringen. Auf der Tagesordnung dieser Sitzung stand die von dem Vorsitzenden des Städteverbandes Oberbürgermeister Dr. Emil Krauß, Frankenthal, geforderte Herausgabe klarer Richtlinien zur Regierungsverordnung von Rheinland-Pfalz vom 27. Februar über die Ausschaltung der


(Renner)

Kommunisten aus 'den öffentlichen Ämtern. Aber außer dieser Frage wurde auf dieser Versammlung auch bezeichnenderweise eine andere Frage gestellt und behandelt, nämlich die, was mit den kommunistischen Fraktionen und Fraktionsvorsitzenden in den Stadt- und Gemeinderäten geschehen solle. Da haben wir also den ersten Versuch, diese Verordnung auszuweiten und die Frage so zu stellen, daß damit ein Verbot unserer Partei herbeigeführt werden könnte. Dr. Krauß stellt laut Bericht der „Neuen Zeitung" vom 10. Oktober 1950 fest, daß in den hohen Verwaltungsstellen in Rheinland-Pfalz Beamte und Angestellte säßen, denen zwar keine Mitgliedschaft zur Kommunistischen Partei nachzuweisen sei, von denen aber dennoch „vermutet" werden könne — laut Zeitung —, daß sie mit der KPD in Verbindung ständen. Das ist also meines Erachtens eine Gesinnungsschnüffelei in höchster Potenz.
Die Haltung der Gemeindevertretungen, der Bürgermeister, Oberbürgermeister, Oberstadtdirektoren, Kreisdirektoren usw. usw. gegenüber diesen Anordnungen von Bundesregierung und Landesregierungen war sehr unterschiedlich. Der Eßlinger Oberbürgermeister Dr. Roser verweigerte die Durchführung des Beschlusses der württemberg-badischen Regierung vom 11. Oktober 1950. Der FDP-Bürgermeister — FDP, nicht S! — Hagen-burger aus Mohringen erklärte, die Verordnung stehe im Gegensatz zur Demokratie und führe zum Gewissenszwang. Düsseldorf nimmt kurzfristige Beurlaubungen auf unbestimmte Zeit vor, ist aber schon Ende November 1950 durch die Stadtverordnetenversammlung gezwungen, diese Beurlaubungen wieder aufzuheben. Essen — mit Zustimmung der CDU- und SPD-Fraktion — führt durch. Dort haben wir den ulkigen Zustand, daß seit diesem Zeitpunkt ein Stadrat, nur weil er Kommunist ist
— seine Qualifikation als Beamter ist nicht auch nur leise angezweifelt worden —, bei vollem Gehalt spazierengeht. Und die Verwaltung und die maßgebenden Parteien haben nicht den Mut oder haben nicht die Absicht, gegen den Stachel des Herrn Arnold zu löcken. In Mülheim-Ruhr, einer Stadt mit einer politischen Zusammensetzung, die Ihnen ja bekannt ist und die sehr einseitig ist, hat man Beurlaubungen und Entlassungen glatt abgelehnt. Dort hat man den städtischen Beamten und Angestellten den Regierungserlaß, den berüchtigten „Schnüffelerlaß" lediglich zur Kenntnis gegeben, und der von der Regierung obligatorisch geforderte Fragebogen wurde- einfach nicht herausgegeben.

(Abg. Dr. Wellhausen: Zur Sache!)

— Das ist zur Sache! Ich spreche zu diesem Erlaß und zu seiner Durchführung. Wenn es Ihnen nicht paßt, setzen Sie sich ins Restaurant! Meine Redezeit ist noch nicht erschöpft!
Der Oberbürgermeister Seidel in Kassel von der SPD bezeichnet die Maßnahmen des Bundesinnenministers als undemokratisch und- mit dem Grundgesetz als nicht vereinbar. Stadtverwaltung und Gemeindeverwaltung lehnen die Durchführung ab. In Kirn kommt ein einstimmiger Beschluß des Stadtrates zustande.

(Abg. Blachstein: Ist Ihnen das zuviel Demokratie, Herr Renner, oder warum beschweren Sie sich?)

— Nein, ich beschwere mich überhaupt nicht.

(Zuruf von der Mitte: Na also! — Erneuter Zuruf des Abg. Blachstein.)

— Ich freue mich über den Tatbestand, daß es noch Oberbürgermeister Ihrer Richtung gibt neben denen anderer Parteien, die dieselbe Stellung bezogen haben, — unter uns gesagt sogar Oberbürgermeister der FDP,

(Zuruf rechts: Die nichts gelernt haben!)

die in der Beurteilung dieser Verordnung als verfassungswidrig einig gehen.
Diese Auffassung ist ja auch durch so viele Gerichtsurteile bis zu den höchsten Instanzen, ja bis zu dem Verfassungsgerichtshof in Bremen bestätigt worden. Ich will den Beweis dafür liefern, daß die politische und juristische Beurteilung durch die zur Beurteilung dieser Verordnung berufenen Instanzen ausschließlich in der Richtung geht, daß diese Verordnung rechtswidrig und verfassungswidrig ist. Die Gewerkschaften, zum Beispiel der Deutsche Beamtenbund, die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr usw. usw., die Betriebsräte der Sozialbehörde in Hamburg z. B. und Hunderte und aber Hunderte von Organisationen gewerkschaftlicher Art haben diese Verordnung als rechtswidrig bezeichnet. Die Verwaltung hat aus dieser Auffassung keine Konsequenzen gezogen. Sie besteht nach wie vor und wird, was ich schon besprochen habe, nun neuerlich durch diesen Beschluß ergänzt, die Unternehmer, die Händler und die kleinen Leute, die die genannten Organisationen, die diesmal als „verfassungsfeindlich" angesprochen werden, in irgendeiner Form unterstützen, von der Teilnahme an den öffentlichen Ausschreibungen und an Aufträgen für die öffentliche Hand auszuschalten.
Nun die Folgen dieser Maßnahmen der Landesregierungen. Es sind die Folgen, die wir aus der Vergangenheit nur zu gut kennen. Diese Verordnungen haben zu „Saalabtreibungen" geführt. Diese sind so welt gegangen, daß man die Saalbesitzer — auch die privaten —, die Wirte, direkt bedroht hat, daß man ihnen mit Sperrung ihrer Betriebe gedroht hat.

(Abg. Blachstein: Wie in der Ostzone!)

— Nicht wie „bei uns", sondern wie zu Zeiten eines Carl Severing.

(Zuruf von der Mitte: Ach, Herr Renner!)

— Entschuldigen Sie, wie zu Zeiten eines Carl Severing. Man hat der Kommunistischen Partei die städtischen Säle, sogar die Schulräume zur Durchführung von Veranstaltungen entzogen. Man hat den kommunistischen Presseorganen die Veröffentlichung der amtlichen Mitteilungen entzogen, — alles keine neuen Dinge, alles Dinge, die wir aus der Weimarer Republik kennen!
Man ist sogar einen Schritt weitergegangen. Man hat den sozialpolitischen Organisationen, die hier genannt worden sind, z. B. der Gemeinschaftshilfe, die im Rahmen des Haushaltsplans vorgesehenen Mittel zur Durchführung öffentlicher Wohlfahrtsaufgaben glatt gesperrt. Man hat aus den Kreissonderhilfeausschüssen die Vertreter der VVN hinausgesetzt. Man hat systematisch eine direkte Terror- und Unterdrückungskampagne gegen die Freie Deutsche Jugend durchgeführt.

(Lebhafte Zurufe bei der SPD und in der Mitte: Oho!)

Das hat zu solchen skandalösen Vorfällen geführt

(Zuruf von der Mitte: Flade-Urteil!)

wie etwa der Sprengung der Kundgebung der FDJ in Essen-Werden, wo die Landessonderpolizei eingesetzt worden ist, gesunde, kerngesunde, aus-


(Renner)

gewachsene, von Kraft strotzende Polizeibeamte gegen Kinder, Jugendliche, Mädchen, und zwar mit brutalsten Mitteln.

(Erneuter Zuruf von der Mitte: Flade! — Weitere Zurufe von der Mitte: Kinder sollen zu Hause bleiben, Kinder gehören ins Haus, nicht auf die Straße!)

— Richtig! Richtig! Kinder gehören ins Haus! Und wenn sie zu Hause sind und sie sind die Kinder von Wohlfahrtsunterstützungsempfängern, dann gibt ihnen die Gemeinde, in der S i e herrschen, ganze 28 Mark Wohlfahrtsunterstützung pro Monat, nicht wahr? So geht es den Kindern, wenn sie ,brav zu Hause bleiben, in Ihrem Reich.

(Rufe: Schluß! — Abg. Dr. Wuermeling: Die Lampe brennt!)

Heute ist hier festgestellt worden,

(erneute Schluß-Rufe)

wie sich dieser Geist, der in unserer Polizei herrscht, erklärt. Hier ist sogar von dem Sprecher der Sozialdemokratie darauf hingewiesen worden, daß dieser Geist aus der Tatsache resultiert, daß die Leitung dieser Polizeiorgane zum Teil bis zu 80 °/o und darüber hinaus noch durch die leitenden Polizeioffiziere der Nazi-Polizeiorganisationen besetzt ist. Herr Menzel ist leider weg; er würde mir sicher z. B. bestätigen, was ich jetzt sage: daß die sogenannte Entnazifizierung des Polizeiapparates und des Justizapparates bei uns in Nordrhein-Westfalen und in der ganzen britischen Zone erfolgt ist, ohne daß irgendeine deutsche Instanz die Möglichkeit hatte, sich irgendwie einzuschalten. Diese ehemaligen Nazi-Polizeiterroristen sitzen auch heute noch in diesen führenden Funktionen, und sie sind verantwortlich dafür, daß es unter den unteren Beamten bedauerlicherweise Elemente gibt — zum Glück sind es bei weitem nicht alle —,

(Zurufe von der Mitte: Die Redezeit ist abgelaufen! — Ich sehe rot!)

die sich zu einer Armee der Bürgerkrieges gegen die Arbeiterschaft und vor allen Dingen gegen die Jugend, die für den Frieden kämpft, mißbrauchen lassen.

(Fortgesetzte Schluß-Rufe.)

Wir haben vor kurzem im Zusammenhang mit der Grenzschutzpolizei — wenn ich nicht irre, aus dem Munde des Herrn Kollegen Menzel — einmal erfahren, daß die Polizei nur sehr schlecht mit Munition ausgerüstet sei.

(Zurufe rechts: Leider!)

Dieser Mangel ist behoben. Man hat der Polizei sogar etwas Neues in die Hand gedrückt, nämlich einen neuen Schießerlaß. Nach diesem neuen Schießerlaß, den der jetzt zuständige Minister von Nordrhein-Westfalen herausgegeben hat, hat die Polizei in dem Falle, daß sich ein Verhafteter, ein Mann, der sich in Gewahrsam der Polizei befindet, diesem Gewahrsam entzieht, etwa durch Flucht, ohne weiteres das Recht, auf diesen Mann zu schießen. So weit sind wir heute.

(Zuruf von der Mitte: Wo steht das?)

— Das steht in dem neuen Schießerlaß. Diesen habe nicht ich, sondern den hat Ihr CDU-Minister gemacht. Ich erinnere aus unserer Vergangenheit an diese Vorfälle, an diese Morde, die uns nachher unter dem Stigma „auf der Flucht erschossen" deklariert worden sind.

(Erregte Zurufe von der SPD und von den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD: Sie sind der richtige, der von Morden spricht! — In Moskau, meinen Sie?! — Wo ist Kurt Müller? — Schluß-Rufe von der Mitte. — Abg. Dr. Orth: Schluß, das rote Licht brennt! — Glocke des Präsidenten.)

Der SPD möchte ich noch eines sagen: (Zuruf des Abg. Blachstein. — Weitere Zurufe von der SPD. — Erneute Zurufe von
der Mitte und rechts.)
Wenn Sie, meine Herren Sozialdemokraten, heute wiederholt erklärt haben, daß Sie bereit sind, sogar die Verfassung zu ändern, um diesem Herrn Minister die Möglichkeit zu geben, entgegen dem im Augenblick bestehenden Grundgesetz eine Bundespolizei aufzubauen, wenn Sie gleichzeitig auf die politische Zusammensetzung der leitenden Organe dieser Polizei hinweisen, für die er ja mit verantwortlich ist, und wenn Sie dann im Anschluß daran die Hoffnung aussprechen, er würde dafür sorgen, daß diese neue zentrale Bundespolizei nicht von diesem Geist getragen sei, dann erinnere ich Sie an eine Tatsache aus der Weimarer Zeit.

(Erneute Schlußrufe.)

Damals wurde auch eine Reichswehr, damals wurde auch eine Polizei aufgebaut. Und was hat man uns gesagt, als sich herausstellte, daß der Einfluß der Arbeiterschaft in dieser Polizei und in dieser Reichswehr gleich Null war?

(Lebhafte Zurufe von der SPD und von den Regierungsparteien.)

Da hat man uns gesagt: Die Arbeiter sind selber schuld daran, daß dieser Geist da ist, sie hätten ja in die Reichswehr und in die Polizei hineingehen können. Ich fürchte, daß wir nach einigen vier oder fünf Jahren dieselbe Begründung aus Ihrem Mund hören, wenn es einfach nicht mehr zu verschweigen ist, welcher Geist in dieser Bürgerkriegsarmee vorherrscht.

(Anhaltende Zurufe von der SPD und den Regierungsparteien. — Wiederholte Schlußrufe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113310200
Herr Renner, Ihre Redezeit ist überschritten.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0113310300
Ich habe mit dem Herrn Präsidenten — Ihrem Kollegen — abgemacht, daß ich auf die Begründung der Anträge verzichten und sie in der Generaldebatte behandeln werde,

(Widerspruch in der Mitte)

so daß ich vollkommen zu Unrecht auf den Ablauf der Redezeit hingewiesen werde. Aber ich kann ja abtreten und nachher wiederkommen, wenn es sich um die Besprechung unserer Anträge handelt. Das können Sie mir nicht verbieten.

(Zurufe: Also Schluß!)

— Nein, nicht Schluß!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113310400
Im Ältestenrat wurde vereinbart, daß der Kollege Renner zur Begründung seines Antrags 15 Minuten haben soll. Dazu hat er natürlich die 20 Minuten, die ihm von der für ,die Aussprache vereinbarten Redezeit zustehen. Sie müssen sich also schon die 35 Minuten gedulden.

(Abg. Kunze: Schicken wir uns darein, meine Damen und Herren! — Weitere Zurufe von der Mitte und der SPD.)



Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0113310500
Ich bin in fünf Minuten fertig.
Vor einigen Tagen ist hier von dem Vertreter einer Partei, die in Bayern dominiert, gesagt worden, daß in Bayern bisher kein Minister eine Wahlkundgebung verboten habe. Ich habe hier eine Mitteilung unserer Partei aus Kiel.

(Zuruf von der CSU: Was, Kiel?)

— Kiel! Das kennen Sie ja. Da kommen die Kieler Sprotten her, wenn Sie das nicht wissen sollten.

(Große Heiterkeit. — Zuruf von der CSU: Ich habe gedacht, daß Sie von Bayern sprechen!)

— Wenn Sie zu denken anfangen, wird es gefährlich!

(Erneute Zurufe von der Mitte: Kiel ist doch nicht in Bayern!)

Ich habe da die Abschrift eines Briefes des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters der Stadt Kiel als Leiter des Ordnungsamts vom 10. April dieses Jahres, also von gestern. Dieser Brief enthält eine Ordnungsverfügung. Es heißt darin — ich muß ihn ja wohl vorlesen —: Auf Grund des Erlasses der Landesregierung Schleswig-Holstein — der Landesminister des Innern von Sowieso und Sowieso und demzufolge auf Grund der §§ 11 und 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes und des § 1 usw. — es kommt eine ganze Reihe von Gesetzen — wird die von Ihnen für Sonnabend, den 14.4., 18 Uhr auf dem Rathausplatz in Kiel vorgesehene Kundgebung verboten. Die Kundgebung kennzeichnet sich insbesondere dadurch als leine gegen den Bestand der demokratischen Grundordnung gerichtete, daß sie schon in der Ankündigung in besonders hervorgehobener und damit ,aufreizender Form als eine solche angezeigt ist, in der über Krieg gesprochen werden sollte.

(Lachen und Zurufe von der Mitte und rechts.)

— Ich lese das nur vor, ich bin ja für das schlechte Deutsch nicht verantwortlich. Es heißt dann weiter: Aus dieser Ankündigung ergibt sich im Zusammenhang mit den weiteren Ankündigungen, daß auf dieser Kundgebung unter freiem Himmel eine gegen den Bestand der demokratischen Grundordnung gerichtete und damit nach dem Grundgesetz verbotene Tätigkeit entfaltet werden soll, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Die Kundgebung ist demgemäß auf Grund der oben genannten Bestimmungen zu verbieten.
— Einspruchszeit ist angegeben. Es heißt weiter: Einer eventuellen Beschwerde wird auf Grund des § 51 der Militärregierungsverordnung Nr. 165 die aufschiebende Wirkung versagt. — Also da ist alles drin, sogar die Bezugnahme auf eine noch geltende Anordnung der Militärregierung.
Was liegt nun diesem Verbot zugrunde? — Ein Plakat, auf das man sich ausdrücklich bezogen hat. In diesem Plakat heißt es: Steigende Preise, sinkende Lebenshaltung, Remilitarisierung — Krieg. Darüber spricht ... An dieser Stelle wird der Redner genannt.

(Zuruf von der Mitte: Wer denn?)

— Ein Bundestagsabgeordneter: Herr Gundelach! Sie werden lachen!

(Schallende Heiterkeit.)

— Was gibt es denn da zu lachen?

(Abg. Dr. Köhler: Wir sollen doch lachen!) Sind Sie der Meinung, — —


(Abg. Kuntscher: Auf Befehl lachen wir!) — Auf wessen Befehl?


(Abg. Kuntscher: Auf Ihren Befehl!)

Soll ich aus Ihrem Lachen schließen, daß Sie der Meinung sind, daß ein Bundestagsabgeordneter nicht in einem Wahlkampf in irgendeinem Lande auftreten darf?

(Abg. Kuntscher: Doch, und wie!)

Dann heißt es:
Kämpft mit der KPD gegen die Wiederaufrüstung, für den Friedensvertrag noch im Jahre 1951, für den Abzug der Besatzungstruppen, für Einheit und Freiheit unseres Vaterlandes.

(Zurufe.)

— Demonstrieren Sie nicht allzusehr Ihre schlechte Konzeption von der Demokratie! Dieses Plakat hat die Kieler Polizei, den Kieler Oberbürgermeister veranlaßt, diese Wahlkundgebung mit der Begründung zu verbieten: die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist gestört.
So weit sind wir heute! Jeder Polizeiinspektor gefällt sich in der Rolle eines Auslegers des Grundgesetzes.

(Lachen in der Mitte.)

Er maßt sich Rechte an aus dem von Ihnen geschaffenen Grundgesetz, das Sie doch so hoch und heilig halten. Er maßt sich das Recht an, das nach Ihrem Willen, nach Ihrer Deklaration zum mindesten der Bundesverfassungsgerichtshof allein haben sollte. Sehen Sie nicht die Parallele: hier der Minister, der in öffentlicher Versammlung als Parteimann oder in amtlicher Eigenschaft als Minister ohne jede Hemmung unter Bruch der Verfassung

(Zuruf in der Mitte: Oho!)

Anordnungen durchführt, die er mit der Behauptung begründet, die Organisation, gegen die sie sich richten, sei „verfassungswidrig", der Minister, der es nicht mehr notwendig hat, seine eigene Verfassung zu beachten, der es nicht mehr notwendig hat, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtshofes einzuholen, und ein Polizeiinspektor, der sich dieselben Funktionen wie Richter ides Bundesverfassungsgerichts anmaßt.

(Zuruf von der SPD: Das sind immerhin Deutsche, drüben sind es die NKWD und die Russen!)

Das ist Ihre Auffassung von Demokratie.
Genau so ungehemmt, meine Herren, wie die Hetze gegen unsere Partei und gegen die Organisationen, die sich für den Frieden und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands einsetzen, betrieben werden kann, entwickelt sich unter den Augen dieser Polizei in den Kreisen, in den Ländern und im Bund jeden Tag stärker sichtbar ein Antisemitismus, der zu solchen Folgerungen führt. Sehen Sie sich diese Photos an! Da ist das Ehrenmal der jüdischen Gemeinde in Essen. Unter diesem Holzkasten versteckt sich das Ehrenmal. Dieser Holzkasten ist als Protest dagegen angebracht worden, daß es weder der Stadtverwaltung noch der Polizei der Stadt Essen möglich war, zu verhüten,


(Renner)

daß zum dritten Male der Davidstern, der auf diesem Ehrenmal angebracht worden ist, entfernt, gestohlen, von faschistischen Elementen geraubt wurde, ohne daß es möglich war, diese Schändung irgendwie aufzuhalten.

(Abg. Kuntscher: Waren es wirklich Faschisten?)

— Wollen Sie mir erzählen, daß es Metalldiebe gewesen sind?

(Abg. Kuntscher: Nein, aber vielleicht waren es Bestellte! — Zuruf von der SPD: Vielleicht sogar kommunistische!)

— Werden Sie doch nicht zu flach! Verraten Sie doch nicht zu sehr den Geist, der sich in Ihrem berühmten und berüchtigten Hannoverschen Büro austobt!

(Zuruf: Das haben wir aber schon erlebt!)

Das ist ein schandbares Zeichen der Zeit, das ist
ein Beweis dafür, was in diesem „Deutschland der
Demokratie" möglich ist, das angeblich mit seiner
hitlerfaschistischen Vergangenheit gebrochen hat.

(Zuruf.)

— Sie haben nachher die Möglichkeit, hier heraufzukommen und mich zu desavouieren.

(Abg. Dr. Gerstenmaier: Sie haben kein Recht, hier so zu reden!)

Ich komme zum Schluß. Wer bedroht die Sicherheit dieses Landes, und wer bedroht die Sicherheit, die Ruhe und den Frieden des schaffenden Volkes in diesem Lande?

(Zuruf von der Mitte: Die SED! — Abg. Dr. Wuermeling: Das sollten Sie doch wissen!)

Die Organe, die Verwaltungen, die Minister, die Parteien, die für derartiges verantwortlich sind!

(Abg. Dr. Gerstenmaier: Schluß!)

Je näher wir an den Krieg herankommen, desto systematischer muß die Hetze gegen unsere Partei und gegen alle anderen Organisationen getrieben und gesteigert werden, die genau wie wir für die Erhaltung des Friedens kämpfen, gegen die Kriegsgefahr kampfen, gegen die Remilitarisierung kampfen. Das gehört dazu; das eine ist die Folge des anderen. Zu Ihren Kriegsplänen kommen Ihre verscharften Attacken gegen, uns und gegen den Fortschritt. Darum müssen Sie, auch Sie, meine Herren von der SPD, diese Maßnahmen verteidigen.
Da dieser Minister für diese Situation in Westdeutschland verantwortlich ist und da er für den Geist seiner Organe verantwortlich ist, für die politische Vergangenheit der Beamten in den leitenden Positionen seines Ministeriums verantwortlich ist, lehnen wir diesen Haushalt des Bundesministeriums des Innern mit besonderer Klarheit und Eindringlichkeit ab. Um Ihnen Gelegenheit zu geben, zu beweisen, wie ernst es Ihnen mit Ihrer Kritik, die doch eine Kritik war — oder sollte es nur ein Gerede gewesen sein? — an den Mißstanden in diesem Ministerium ist, haben wir diesen Antrag eingebracht, das Gehalt des Bundesinnenministers zu streichen.

(Heiterkeit und Bravorufe. — Zuruf: Das hatten Sie doch gleich sagen können!)

Ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie für diesen Antrag stimmen.

(Abg. Dr. Wuermeling: Warum stellen Sie ihn denn dann?)

Ich bin mir darüber klar, daß der Innenminister
nicht nur von Gnaden Adenauers, sondern auch
von Gnaden Ihrer Parteien und Fraktionen dort sitzt, wo er sitzt. Ich verlange also von Ihnen nicht etwas, was Ihnen einfach unmöglich ist. Aber ich gebe den Fraktionen, die doch vielleicht gewillt sind, aus den Mißständen, die gerade in diesem Ministerium besonders eindringlich zutage treten, die einzige nach dem Grundgesetz mögliche Konsequenz zu ziehen, Gelegenheit, für unser Mißtrauen gegen den Minister und sein Ministerium zu stimmen, das wir dadurch zum Ausdruck bringen, daß wir ihm sein Dienstgehalt ablehnen.

(Abg. Bausch: Das ist eine Ehre für den Herrn Minister Dr. Lehr!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113310600
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Robert Lehr (CDU):
Rede ID: ID0113310700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Renner hat eben behauptet, daß ich in meinen Ausführungen in der Öffentlichkeit die .Verfassung gebrochen habe. Ich bitte, mich gegen diesen unerhörten Vorwurf, gegen den ich mich mit aller Schärfe verwahre, in Schutz zu nehmen.
Im übrigen verdient das Geschwätz des Herrn Renner keine weitere Erörterung.

(Lebhafter Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113310800
Meine Damen und Herren! Ich fasse diese Worte des Herrn Bundesinnenministers auf als eine Aufforderung an mich, einen Ordnungsruf zu erteilen.

(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr: Jawohl!)

— Ich bedauere, das nicht tun zu können, und zwar aus folgendem Grund. Es ist Idas Recht eines jeden Mitgliedes dieses Hauses, von jedermann, auch von Mitgliedern der Regierung, zu behaupten, er habe etwas Tadelnswertes getan. Einen Ordnungsruf kann ich nur dann erteilen, wenn diese Behauptung in einer Form vorgebracht wird, die nach der Gepflogenheit der Parlamente als unparlamentarisch gilt.

(Abg. Dr. Wuermeling: Halten Sie „Verfassungsbruch" für parlamentarisch?!)

— Ich muß es mir auch gefallen lassen, daß man mir vorwirft, ich hätte die Geschäftsordnung mißachtet.

(Abg. Dr. Wuermeling: Das ist etwas anderes!)

— Wir sollten darüber nicht an dieser Stelle diskutieren.

(Abg. Renner: Ich verlange ja schon gar nicht, daß Sie mich in Schutz nehmen gegen die Feststellung des Herrn Ministers, meine Ausführungen seien Geschwätz gewesen!)

— Das ist nicht gesagt worden. Es ist nur gesagt worden: Ihre Worte.

(Unruhe. — Fortgesetzte Zurufe. — Abg. Kunze: Zur Geschäftsordnung!)

- Herr Abgeordneter Kunze zur Geschäftsordnung!

Johannes Kunze (CDU):
Rede ID: ID0113310900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Zeichen demokratischer Haltung dieses Hauses, daß wir das, was uns hier in der letzten halben Stunde geboten wurde, mit soviel Ruhe angehört haben.

(Abg. Stücklen: Das ist christliche Nächstenliebe!)



(Kunze)

Es entspricht aber nicht der Würde dieses Hauses, praktisch nur deshalb in den nächsten Tag hineinzugehen, um auf diese Rede noch zu antworten. Ich beantrage daher namens meiner Freunde Schluß der Sitzung für heute und Verschiebung der Abstimmung über den Haushalt dies Bundesministeriums des Innern und die damit verbundenen Anträge auf die Sitzung von morgen vormittag.

(Abg. Dr. Reismann: Ich widerspreche! Zur Geschäftsordnung!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113311000
Das Wor hat der Abgeordnete Dr. Reismann zu diesem Geschäftsordnungsantrag.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0113311100
Ich finde es, wenn es beabsichtigt war, von Herrn Kollegen Kunze höchst unfreundlich, daß er dann, wenn meine Fraktion zum Zuge kommen soll, Antrag auf Schluß stellt. Ich habe aber nicht zu lange gewartet. Fünfmal habe ich den Herrn Innenminister angehört, um dann noch den Kommunisten reden zu hören, und jetzt, wo wir so weit sind, zum Zuge zu kommen, wird gesagt: Jetzt wird Schluß gemacht, und morgen soll nur noch abgestimmt werden.

(Abg. Dr. Wuermeling: Wir haben ja auch gewartet!)

— Es soll aber morgen nur abgestimmt werden!

(Unruhe.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113311200
Nein, Herr Abgeordneter, Sie haben den Antrag falsch verstanden. Der Antrag ging dahin, heute abzubrechen und morgen fortzufahren, auch mit der Diskussion.

(Abg. Mellies: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mellies!

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0113311300
Meine Damen und Herren, es ist eben interfraktionell über die Dinge gesprochen worden. Ich hatte allerdings auch den Eindruck, daß nur vereinbart war, morgen früh die Abstimmung vorzunehmen. Ich würde es auch bedauern, wenn wir jetzt die Debatte abbrechen würden und morgen früh neu anfangen müßten. Auch ich bin der Ansicht, daß wir die Debatte heute abend zu Ende führen und morgen nur noch die Abstimmung vornehmen sollten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113311400
Auf der Rednerliste stehen nur noch zwei Namen!

(Abg. Dr. Reismann: Ich bin einverstanden, wenn ich morgen Gelegenheit habe, zu sprechen. Ich wehrte mich nur dagegen, daß die Debatte für heute geschlossen werden sollte!)

— Können wir uns nicht einigen? — Vielleicht klären wir die Sache durch Abstimmung, wenn Sie wollen.

(Widerspruch.)

Es liegen zwei Anträge vor: entweder jetzt abbrechen und morgen die Debatte fortführen und morgen abstimmen — oder die Debatte heute zu Ende führen und morgen nur abstimmen.

(Abg. Kunze: Die Debatte zu Ende führen und morgen abstimmen!)

— Auch Herr Kunze sagt eben, er möchte die Debatte jetzt fortgeführt wissen, insoweit also seinen weitergehenden Antrag reduzieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0113311500
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich eigentlich darüber ,gewundert, daß Herr Renner mit solcher Erregung hier gesprochen und daß man ihm so heftig erwidert hat. Ich habe nicht den Eindruck, daß es sich lohnt, sich um diese Zwiesprache zwischen dem Hause und Herrn Renner groß zu kümmern, da es offenbar doch unmöglich ist, daß der eine den andern überzeugt.
Aber nun zu den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers. Er hat erklärt, daß es ihm an einer Möglichkeit fehle, gewisse Äußerungen z. B. des Herrn Remer und anderer staatsfeindlicher Elemente zu verfolgen, und hat sich darauf bezogen, daß die Strafrechtsnovelle noch nicht fertiggestellt sei. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Strafrechtsnovelle schon zum Zuge käme. Der Rechtsausschuß tut trotz seiner Überlastung mit Aufgaben alles, was er kann, um mit dieser Arbeit möglichst schnell fertig zu werden.
Aber der wesentliche Mangel, der den Herrn Innenminister daran hindert, gegen Bewegungen und Organisationen, wie sie Herr Remer hinter sich hat, vorzugehen, ist doch der, daß es noch kein Parteiengesetz gibt. Das ist aber ein Mangel, den das Innenministerium, den der Herr Innenminister zu verantworten hat. Er möge also sich selbst bzw. seinem eigenen Ministerium den Vorwurf machen, daß es ihm an einer Möglichkeit, hiergegen einzuschreiten, noch fehlt.
Es dreht sich ja nicht nur um Herrn Remer als Einzelpersönlichkeit, sondern um mehr. Ich habe mich gewundert, Herr Minister, daß Sie nicht mit größerer Deutlichkeit zu der Behauptung Stellung nehmen konnten, die die Zeitungen brachten, daß der wieder auftauchende „Stahlhelm" seine alte Tradition wieder aufzunehmen versprochen habe. Der Herr Minister hat eine formale Erklärung dazu abgegeben, die gar nicht so weit abliegt von dieser Zeitungsnachricht, die man somit also nicht als ausgesprochen falsch bezeichnen kann.

(Zuruf links: Der Herr Innenminister hört ja gar nicht zu, Herr Reismann!)

Wenn der „Stahlhelm" davon spricht, seine alte Tradition wieder aufnehmen zu wollen, so erhebt sich doch die Frage, was damit gemeint ist. Es gibt zwei Traditionen, eine vor und eine nach der Eingliedeung und Gleichschaltung durch Hitler. Ich halte es für selbstverständlich, daß die Tradition des Stahlhelm nach seiner Gleichschaltung vom Herrn Innenminister dann nicht gemeint war, und noch weniger vom Innenminister als vom Stahlhelm selbst, also wohl die Tradition von vorher, die dahin geführt hat, daß der Stahlhelm und gewisse andere Elemente sich in der Harzburger Front vereinigt haben, um die Demokratie zu bekämpfen. Wenn der Stahlhelm, der eine politische, eine parteiähnliche Bewegung darstellt, nicht bekämpft werden kann, so liegt das daran, daß, obwohl unser Antrag länger als ein Jahr vorliegt, das Innenministerium immer noch kein Parteigesetz vorgelegt hat.
Wie steht es im übrigen mit der Bewegung der „Ersten Legion", eine etwas dunkle und unklare Angelegenheit, von der niemand weiß, wie man damit dran ist? Der Innenminister hätte nach meiner Meinung jetzt, da er schon wiederholt das Wort ergriffen hat, Veranlassung, hierzu klar Stellung zu nehmen. Dabei spielt — ich weiß nicht, in welcher Verbindung dieses Unternehmen mit der Ersten Legion oder mit dem Bundestag steht — ein


(Dr. Reismann)

Unternehmen, das sich Bundesverlags-G.m.b.H. nennt, eine gewisse Rolle. Ich habe zunächst fälschlich — denn ich bin inzwischen durch ein Schreiben des Herrn Innenministers belehrt worden, daß er damit nichts zu tun hat — geglaubt, daß der Herr Bundesinnenminister oder der Herr Bundesjustizminister damit zu tun habe. Beides trifft nicht zu. Aber diese Bundesverlags-G.m.b.H. bedient sich eines Schließfaches hier im Bundeshaus. Es liegt also doch irgend etwas zwischen einer offiziellen Stelle im Bundeshaus und dieser BundesverlagsG.m.b.H. in der Luft. Wir wollen wissen, was das eigentlich ist. Diese Bundesverlags-G.m.bH. bedient sich ganz offenbar des Namens „Bund" zu unrecht. Diese Bundesverlags-G.m.b.H. ist eine sehr zweifelhafte Institution, die zwischen Stahlhelm, Erste Legion und so etwas ähnlichem herumkreucht. Es besteht alle Veranlassung, diesem Mißbrauch mit dem Namen des Bundes ein Ende zu machen.
Ich möchte jetzt nur noch kurz auf zwei Anträge eingehen, die heute zur Besprechung standen. Da ist zunächst der Antrag der Bayernpartei, in der Abteilung V des Bundesinnenministeriums ein Referat V 6 einzurichten. Ich verstehe den Antrag nicht recht. Denn es ist ja längst beschlossen, daß die Abteilung V sich der Angelegenheiten der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten ganz besonders annehmen soll. Ich fürchte, daß dieser Antrag dazu führt — statt das ganze Referat einzuschalten —, nur eine kleine Unterabteilung damit zu befassen. An sich ist es natürlich wünschenswert, wenn man sich überhaupt um die Angelegenheiten der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten mehr als bisher kümmern würde, und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Wohlfahrt, der Fürsorge, sondern in der Weise, daß man eine Stelle schafft, die sich dieser Anliegen annimmt. Diese Stelle müßte sich der Anliegen genau so annehmen wie das Flüchtlingsministerium, also . ex officio und nicht nur reflexmäßig aus dem Gesichtspunkt der Wohlfahrt. Ich bin aber besorgt, dieser Antrag könnte zu einer geringeren Einschätzung dieser Interessen führen, wenn er so angenommen wird, wie er vorliegt. Es bedürfte zunächst der Klärung durch die Fraktion der Bayernpartei, was sie hiermit gemeint hat.

(Zuruf von der SPD: Herr Reismann, die Bayernpartei ist ja gar nicht da! Warum reden Sie?)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113311600
Herr Kollege, unterbrechen Sie doch nicht.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0113311700
Ich kann nichts dazu tun. Wenn die Herren es vorgezogen haben, wegzugehen, so ist das die Folge des unglücklichen Umstandes, daß wir so spät bis in die Nacht tagen. Ich würde es für zweckmäßiger gehalten haben, um 10 Uhr abzubrechen. Aber das liegt nicht in meiner Macht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113311800
Sie hätten ja den Antrag stellen können.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0113311900
Herr Kollege Bertram hat sich schon darum gekümmert. Es war keine Mehrheit für den Antrag zu bekommen. Es hat keinen Zweck, den Antrag zu stellen, wenn man durch Umfrage bei den Fraktionen feststellt, daß der Antrag keine Mehrheit findet.
Lassen Sie mich noch kurz zu dem von der SPD-Fraktion zu dem Einzelplan VI gestellten Antrag sprechen, das Referat IV/7 mit den Stellen Nr. 265 und 266 wiederherzustellen. Unsere Fraktion vertritt den Standpunkt, daß die Gesundheitspolizei in vollem Umfange zu dem Ressort des Innenministeriums gehört. Das Tierärztewesen mag dann ruhig beim Ernährungsministerium verbleiben. Ich finde es witzig, hier beobachten zu können, daß gerade Herr Brese, ein Vertreter der Landwirtschaft, dem aus seiner eigenen Fraktion hervorgegangenen Minister den Vorwurf macht, er verstehe nicht viel von der Sache. Er muß es ja schließlich wissen. Es ist allemal eine mißliche Sache, wenn ein Redner erklärt, daß er allein die Weisheit versteht und daß alle anderen nichts von der Sache verstehen oder sich nicht ausreichend damit befaßt haben. Wenn aber Herr Kollege Brese das seinem Minister vorwirft, dann bringt mich das doch dazu, daran zu erinnern, daß der Vorschlag des Herrn Innenministers und der Antrag der SPD sich im übrigen doch in guter Gesellschaft befinden. Mir liegt hier das Organisationsgesetz über die schweizerische Bundesverwaltung vor, das ausdrücklich bestimmt, daß zum menschlichen Gesundheitswesen die Vorbereitung und Vollziehung der Gesetze über die Lebensmittelpolizei sowie über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen gehört, und worin es weiter ausdrücklich heißt: Die Organisation für die Beaufsichtigung des tierärztlichen Dienstes gehört zum Veterinäramt und damit in unserer Behördenorganisation zur Landwirtschaft. Wollte man anders vorgehen, so wäre die zwangsläufige Folge davon, daß beispielsweise die ganze Nahrungsmittelpolizei, auch die Baupolizei dem Innenminister entzogen und den entsprechenden Ressorts, also die Nahrungsmittelpolizei dem Ernährungsministerium und die Baupolizei dem Wiederaufbauministerium, zugeteilt werden müßte. Das ist offenbar eine unmögliche Angelegenheit. Ich unterstütze, um das nochmals klarzustellen, ausdrücklich den Antrag der SPD.
Zum Schluß habe ich noch eine Bitte. Es wäre wünschenswert, eine Kommunalabteilung im Bundesinnenministerium zu organisieren, welche sich der Förderung der kommunalpolitischen Interessen auch auf der Bundesebene besonders annimmt. Wir haben hier im Hause wiederholt erlebt, daß, da zufällig ein maßgeblicher leitender Angestellter des Städtetages hier in den Reihen der SPD ist, dieser im letzten Augenblick mit Anträgen kam und wesentliche Interessen der Gemeindeverwaltungen bisher als vernachlässigt nachwies. Es wäre doch zweckmäßig, wenn es im Bundesinnenministerium eine Kommunalabteilung gäbe, um sich nicht bloß dieser Anliegen anzunehmen, sondern um auch eine gewisse Koordinierung der Interessen und der Behandlung der Gemeinden in den verschiedenen Ländern herbeizuführen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113312000
Meine Damen und Herren! Die Rednerliste ist erschöpft. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Die Fraktionen haben vereinbart, die Abstimmung erst morgen vorzunehmen. Ich schlage Ihnen daher vor, die Beratung jetzt zu unterbrechen.

(Zustimmung.)

— Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest.
Ich berufe die 134. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, den 12. April 1951, 9 Uhr 30, ein und schließe die heutige Sitzung.