Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Beschluß — als solcher ist er ja der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden, im Gegensatz zu der Maßnahme vom 19. September 1950, die ausdrücklich als eine Anordnung bezeichnet wurde —, dieser Beschluß des Kabinetts ist unserer Auffassung nach eine Fortsetzung der Politik, die die Adenauer-Regierung mit der Anordnung vom 19. September 1950 eingeleitet hat. Ich komme auf die Folgen, die diese Anordnung in den Ländern bzw. in den Gemeinden gehabt hat, bei der allgemeinen Betrachtung des Haushalts des Bundesministeriums- des Innern zurück. An dieser Stelle sei nur eine Feststellung getroffen: die Verfassungswidrigkeit der damaligen Anordnung ist in der Zwischenzeit durch zahllose Urteile von Arbeitsgerichten, Landesarbeitsgerichten, von Land- und Oberlandesgerichten, ja sogar durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Landes Bremen festgestellt. Alle angerufenen Gerichte haben — nicht weil sie unabhängig sind, sondern mit der Begründung, es handle sich um eine verfassungswidrige Anordnung —
diese Anordnung der Bundesregierung zurückgewiesen. Man hätte annehmen dürfen, daß die Bundesregierung eine derartige, nach ihrer eigenen Konzeption durch die Urteile der drei Säulen ihres Staates zerfetzte Anordnung längst zurückgezogen hätte. Die Bundesregierung denkt gar nicht daran. Sie geht auf dem beschrittenen Wege weiter. Nur eine kleine Nuance hat sie diesmal in ihren Beschluß hineingearbeitet. Während es damals, im Herbst 1950, noch hieß, daß diese Anordnung gegen „verfassungsfeindliche und verfassungswidrige" Organisationen gerichtet sei, gebraucht man heute ein Wort, dessen Inhalt viel vager, viel unklarer
— gewollt unklarer — ist und viel weniger Handhabe etwa zu einer Überprüfung durch die von dieser Regierung selber eingesetzten Organe, etwa des Bundesverfassungsgerichts, bietet. Diesmal heißt es nur, es handele sich um Organisationen, die „verfassungsfeindlich" seien.
— Die gibt es? Aber, sehr verehrter Herr Kollege Bausch, man sollte derartige Urteile dann nicht in Bausch und Bogen fällen.
Man sollte als „Hüter der Verfassung" eine derartige Feststellung der doch dafür von dieser Regierung bzw. von dem Parlamentarischen Rat bzw. von der Mehrheit dieses Hauses ausdrücklich eingesetzten Instanz, nämlich dem Bundesverfassungsgericht, überlassen. Heute sind wir so weit, daß der kleinste Polizeiinspektor schon Maßnahmen gegen uns mit der Begründung durchführt, die Bestrebungen unserer Partei seien „verfassungswidrig".
Ich bringe dafür bei der Betrachtung des Etats einen sehr eklatanten Beweis. Heute haben wir den Zustand, daß Minister in öffentlichen Parteiversammlungen, in amtlichen Anordnungen sich ein Urteil über die Verfassungswidrigkeit einer Organisation, einer Gruppe von Menschen anmaßen, die eigentlich nach dem klaren Inhalt des Grundgesetzes nur durch das genannte Gericht festgestellt werden kann. Im Grundgesetz heißt es darüber hinaus, daß sogar der Umfang der Maßnahmen gegen die als „verfassungswidrig" angesprochenen Organisationen durch das Bundesverfassungsgericht festgelegt wird. Wir haben einen Bun-
desinnenminister, der neulich einmal hier auf einen Zwischenruf von mir geantwortet hat, daß er noch einmal bereit sei, der NSDAP die Tür zu öffnen.
— Ich hoffe auch. Er hat zwar diese seine Antwort
mit der Behauptung abzuschwächen versucht, er
habe meinen Zwischenruf falsch verstanden. Er
hat vor der Öffentlichkeit behauptet, er habe mich
dahingehend verstanden, ich hätte ihm vorgeworfen, er habe schon einmal der KPD die Tür zugeschlossen. Ich bin der Meinung, daß ein Innenminister, der so schwerhörig ist und nicht den Unterschied zwischen dem Öffnen und dem Schließen
einer Tür versteht, sich von seinem Amt zurückziehen und einen Krankenschein beantragen soll.
Das ist meine Meinung. Diese damalige Reaktion von ihm ist nur so zu erklären, daß sie der Ausdruck des in ihm schlummernden Unterbewußtseins war. Uns hat er noch nie die Tür zugeschlagen, und er wird sie uns auch nicht zuschlagen.
Wir stehen heute vor einer Maßnahme, die die direkte Fortsetzung der Bestrebungen ist, die mit der damaligen Anordnung verfolgt wurden. Die selbständigen -Gewerbetreibenden, die Kaufleute und die Industriellen, die den fortschrittlichen, für Frieden und Einheit kämpfenden Organisationen angehören oder ihnen nahestehen oder sie gelegentlich auch einmal geldlich unterstützen, sollen durch den neuesten Beschluß der Adenauer-Regierung vom 28. März 1951 getroffen werden. Ihre Existenz soll vernichtet werden. Das soll in der Form geschehen, daß sie nicht mehr an Aufträgen beteiligt werden, die die öffentlichen Organe aus Bundesmitteln finanzieren. Es handelt sich dabei keineswegs etwa um die Luxusausgaben für die Einrichtung gewisser Sitze von höchsten Bundesbeamten, sondern es handelt sich um viel, viel einfachere, schlichtere Dinge, um die Lieferung für die Behörden bis herunter zur Post und Eisenbahn. Ich nehme doch an, daß der Herr Bundesinnenminister unter seinem großen Spitzelapparat wenigstens einige wenige Beamten und Agenten hat, die die tatsächlichen Kassenverhältnisse unserer Partei in etwa übersehen können und die beurteilen können, ob und wieviel finanzieller Zuschuß uns aus den von ihm genannten Kreisen der Industrie zufließt. Er weiß ganz genau, daß es sich da um einen alten Schwindel handelt. Den wollte er nicht abstoppen. Er wollte darüber hinaus vielmehr eine Diffamierung unserer Partei und der Organisationen erzielen, die sich für den Frieden und gegen die Remilitarisierung einsetzen. Um das zu erreichen, nahm er auch die Länder zur Hilfe.
Welche Auswirkungen das hat, dafür ein Beispiel, das hoffentlich — oder gar sicherlich, wage ich zu behaupten — vor einem ordentlichen Gericht recht bald durch Urteilsspruch die Rechtswidrigkeit auch dieses Beschlusses beweisen wird. In Essen veranstaltete am vergangenen Sonntag eine in dieser Liste nicht einmal genannte Organisation eine Filmvorführung. Der Hauseigentümer rät dem Pächter des Kinos an, ja den Saal nicht abzugeben, damit ihm, dem Eigentümer des Hauses, keine Schwierigkeiten entstehen. Es handelt sich um den „Fürstenhof" in Essen, also um dieses bescheidene Restaurantehen mit einer allen Essenern bekannten Vergangenheit, wo seinerzeit — es hat gerade noch dafür ausgereicht — Adolf Hitler seine Orgien gefeiert hat. Jetzt hat man es ganz nett wieder aufgebaut, und jetzt werden dort Veranstaltungen durchgeführt, an denen die Ministerien beteiligt
sind, also heute noch ein hochfeudaler Laden. Der Inhaber dieses hochfeudalen Ladens fürchtet, er könnte mit den hohen Herren der Ministerien, vor allem der Herren von Düsseldorf, in Konflikt kommen, und er stoppt ab. Sie kennen ihn doch auch, Herr Pünder,
und Sie wissen genau, daß ich den Charakter dieses Luxushotels richtig gekennzeichnet habe.
Es kommt darauf auch gar nicht so entscheidend an. Es kommt darauf an: Der Inhaber dieses Restaurants beruft sich auf die Anordnung des Herrn Bundesinnenministers.
Darauf beruft er sich, und wir sind der Meinung, dem Herrn Bundesinnenminister sollte durch den Bundestag klargemacht werden, daß es sich hier wieder einmal mehr um eine verfassungswidrige Anordnung, einen Beschluß handelt.
— Was habe ich denn unterlassen, Ihnen zu erzählen? Vielleicht nehmen Sie nach mir das Wort, sehr verehrte Frau Weber, die Sie die Essener Verhältnisse auch sehr gut kennen und auch die Essener kleinen Adenauers genau kennen, Ihren Freund Toussaint z. B. — —
— Da sind keine kleinen Renner in der Regierung.
— Da ist kein kleiner Renner in der Regierung. Seien Sie ganz beruhigt: wenn der kleine Renner noch in der Essener Regierung säße, sähe es dort ganz anders aus.
Ich verlasse mich in der Frage auf das Urteil, das mir damals solche Kenner der Kommunalpolitik wie Ihr Herr Kollege Pünder abgestattet haben. Nicht wahr, Herr Pünder, Sie haben mich ja nicht gerade zu den allerschlechtesten in der Gruppe der Oberbürgermeister gezählt!