Rede von
Dr.
Viktoria
Steinbiß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Punkten sprechen. Einmal möchte ich auf den Etat, und zwar auf die Punkte hinweisen, die das Gesundheitswesen betreffen. Uns springen da Zahlen in die Augen, die. wegen ihrer Geringfügigkeit auffallen. Ich glaube, es ist hier wirklich ein ernstes Wort zu sagen. Wenn wir das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik weiter so hintansetzen wollen, wie wir es bis jetzt getan haben, so werden wir dem Volke auf die Dauer großen Schaden zufügen. Wir haben uns angewöhnt, die Gesundheit als ein selbstverständliches Gut hinzunehmen. Wenn wir z. B. einen Etatposten suchen, der dafür eingesetzt ist, daß medizinische Forschungen betrieben werden sollen, so finden wir keine Zahlenangabe. Ich erinnere da nur an die Rheumaforschung, die in allerstärkstem Maße aufgenommen werden müßte, da die rheumatischen Erkrankungen in unserem Volke sehr zahreich auftreten, und zwar gerade auch bei jungen Menschen. Man kann diese Aufgabe nicht den einzelnen Ländern zumuten, weil dies ja auch ein Gebiet ist, das das ganze Volk betrifft. Der Bund muß sich entschließen, hier die Aufgaben zu übernehmen, die ihm wirklich zukommen; und wir vom Bundestag, meine Damen und Herren, müssen ihm die Mittel
geben, damit er diese Aufgaben erfüllen kann. Ich möchte Sie daher bitten, für den nächsten Etat doch zu bedenken, daß wir hier für das Gesundheitswesen höhere Mittel bewilligen müssen, als es in diesem Etat vorgesehen ist.
Nun komme ich zu einem anderen Punkt. Er betrifft den Antrag, den die SPD eingereicht hat. Ich möchte mich absolut zu diesem Antrage bekennen und möchte sagen, daß ich ihn begrüße.
Was betrifft der Antrag? — Bei Errichtung des Bundes wurde beschlossen, die Bearbeitung der Angelegenheiten des Tierschutzes von der Behandlung der Fragen des Schutzes der menschlichen Gesundheit zu trennen. Man glaubte, es wäre richtiger, die Sicherung der Gesundheit des Tieres dem Landwirtschaftsministerium zu übertragen und die Sicherung der Gesundheit des Menschen beim Innenministerium zu belassen. Seit Begründung des Reiches wurden die Fragen der Sicherung der Gesundheit des Tieres zusammen mit denen der Sicherung der Gesundheit des Menschen in Deuschland stets beim Reichsinnenministerium bearbeitet, desgleichen vor allen Dingen auch die mit der Fleischbeschau und die mit der Überwachung der Lebensmittel tierischer Herkunft in Zusammenhang stehenden Fragen.
In der Weimarer Zeit blieb es in den wesentlichsten Bundesländern wie z. B. Bayern und Württemberg beim alten; Preußen allerdings überwies den Arbeitsbereich „Schutz der Gesundheit des Tieres" dem Landwirtschaftsministerium. Die Erfahrungen waren jedoch nicht gut, wie noch in den letzten Jahren von den damaligen Leitern der Veterinärverwaltung, den Herren Ministerialdirigenten Dr. Giese und Müßemeier, in Veröffentlichungen betont worden ist.
Wenn nun seinerzeit im Dezember 1949 entgegen den Schlangenbader Empfehlungen das Kabinett zu dem Beschluß kam, die Bearbeitung der Fragen der Sicherung der Gesundheit des Tieres aus dem Innenministerium herauszunehmen und dem Landwirtschaftsministerium zuzuteilen, so hat das seinen Grund darin gehabt, daß der Landwirtschaftsminister für den Stand der Leistungsfähigkeit der Nutz- und Lasttiere verantwortlich war. Die Grenzlinie zwischen den Fragenkomplexen „Gesundheitssicherung der Tiere" und „Sicherung der Gesundheit der Menschen" ist — darauf möchte ich aufmerksam machen — sofort nach dem Kabinettsbeschluß von den beiden Ministerien zutreffend gezogen worden, und zwar dahingehend, daß beim Landwirtschaftsministerium die Tierzucht und die Tierkrankheitsbekämpfung liegt und beim Innenministerium die Lebensmittelüberwachung. Bei der Lebensmittelüberwachung wird das Landwirtschaftsministerium beteiligt. Bei der Fleischbeschau erfolgt die Bearbeitung gemeinsam, weil hier ebenfalls der Schutz der Gesundheit der Menschen eine entscheidende Rolle spielt.
Daneben kommt auch die Ermittlung von Tierseuchen in Frage. Allerdings betreffen 99,2 % aller Beanstandungen bei der Tierbeschau die Untauglichkeit für den menschlichen Genuß, und nur ein winziger Teil, nämlich unter ein Prozent, betrifft eine Seuchenmeldung.
Die Bearbeitung der Fragen der Sicherung der Gesundheit des Tieres und das Tierärztewesen soll beim Landwirtschaftsministerium bleiben. Aber die Lebensmittelüberwachung, also der Schutz der Gesundheit des Menschen, erfordert ebenfalls Beamte mit tierärztlicher Vorbildung. Nun wollen
gewisse tierärztliche Kreise, daß alle Beamten und Angestellten mit tierärztlicher Vorbildung in einer Verwaltung vereinigt sein sollen. Es müßten also die in der Lebensmittelüberwachung tätigen Tierärzte mitsamt ihren Aufgaben zum Landwirtschaftsministerium.
Eine Hauptverwaltung, eine Staatsverwaltung kann aber nur nach sachlichen Zusammenhängen aufgebaut werden und nicht nach standespolitischen.
Wir kennen ja auch keine „Juristenverwaltung", keine „Kaufmannsverwaltung" und keine „Ärzteverwaltung". Jedes Sachgebiet beschäftigt heute Fachkräfte der verschiedensten Vorbildung. Auch der Landwirtschaftsminister beschäftigt z. B. mit Recht einen Lebensmittelchemiker, obwohl die gesamte Gruppe der Lebensmittelchemiker zur Gesundheitsverwaltung gehört. Die Lebensmittelgesetzgebung fordert dementsprechend drei Gruppen von Sachverständigen, nämlich den Amtsarzt, den Lebensmittelchemiker und den Tierarzt, letzteren als Sachverständigen für Lebensmittel tierischer Herkunft. Diese Gruppe der Tierärzte dient somit der Sicherung der menschlichen Gesundheit und gehört in die Gesundheitsabteilung. Die Lebensmittelüberwachung ist ein sehr wichtiges Gebiet der Gesundheitspolizei. Sie kann nicht nach Standesgruppen aufgesplittert und zerschlagen werden. Die Verantwortung trägt immer die Gesundheitsverwaltung, wo sie verbleiben muß.
Diese Gesundheitsverwaltung kann aber die Verantwortung gar nicht übernehmen, wenn ihr eines ihrer wichtigsten Sachgebiete, nämlich die Überwachung des Verkehrs mit Fleisch, Milch und anderen Lebensmitteln tierischer Herkunft entzogen wird, lediglich weil Beamte mit tierärztlicher Vorbildung hierbei mitwirken. Übrigens hat in einem der größten ausländischen Staaten, und zwar in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, die Lebensmittel- und Arzneikontrolle bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes im Jahre 1909 in der Bundeszentrale beim Landwirtschaftsministerium gelegen, weil damals die Bundeszentrale in Amerika noch nicht über eine Gesundheitsverwaltung verfügte. Aber die USA haben sich 1938 entschließen müssen, durch eine Gesetzesänderung die gesamte Lebensmittelgesetzgebung und Lebensmittelkontrolle der Zentralinstanz, der Zentrale für Sozialversicherung und Gesundheitswesen zuzuteilen.
Die Streichung des tierärztlichen Referenten und seines Expedienten, die der Haushaltsausschuß vorschlägt, bedeutet auch keineswegs eine Sparmaßnahme, sondern dieselben Stellen sind im Haushaltsplan des Landwirtschaftsministeriums neu eingesetzt. Es ist nicht recht einzusehen, warum die vom Kabinett beschlossene und von den beiden Ministern in klarer, sachlicher Weise durchgeführte Trennung des Sachgebietes des Gesundheitsschutzes des Tieres von dem des Gesundheitsschutzes des Menschen aufgehoben und zugleich die einheitliche Lebensmittelüberwachung zerschlagen werden soll. Darum bitte ich Sie, dem Antrag der SPD bei der letzten Beratung Ihre Zustimmung zu geben.