Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte bei dieser Debatte nicht vergessen, daß der Herr Bundesminister des Innern auch so etwas wie der Ersatzkultusminister des Bundes ist, und ich glaube, daß in dieser Debatte etwas zu einigen Erscheinungsformen unseres Kulturföderalismus gesagt werden sollte. Unser Grundgesetz gibt die Kulturhoheit den Ländern. Es gibt dem Bunde nur sehr beschränkte Kompetenzen, im Grunde nur in Sachen der Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Davon haben wir auszugehen. Ich meine aber, daß diese geringe Gesetzgebungskompetenz kein Grund für den Herrn Bundesinnenminister sein sollte, auf Initiativen zu verzichten, die aus diesem Kulturföderalismus eine einigermaßen vernünftige Angelegenheit machen könnten. Es scheint nämlich nicht so, als ob die Konferenz der Länderkultusminister in der Lage wäre, die 88 verschiedenen Systeme auf dem Gebiet der höheren Schule einigermaßen vernünftig zu koordinieren. Ich glaube, daß hier von dem Herrn Innenminister eine stärkere Initiative ergriffen werden sollte, als sie vielleicht bisher möglich war; denn der heutige Zustand kann nicht länger ertragen werden.
Es ist schlechthin nicht möglich, bei Zuständen zu verbleiben, die praktisch das Recht der Freizügigkeit in Deutschland gegenstandslos machen!
Ich meine, man sollte sich durch den Unkenruf, die deutsche Kultur werde damit durch den Zentralismus bedroht, nicht allzu sehr erschrecken lassen. Ich glaube, daß in unserem Volke sehr viel Verständnis für Bodenständigkeit auf dem Gebiete der Erziehung vorhanden ist, andererseits aber auch dafür, daß man diese Bodenständigkeit nicht zu Partikularismus werden läßt. Ich glaube, Herr Bundesinnenminister, wenn Sie hier in Ihren Initiativen mutiger werden, werden Sie den Beifall des ganzen Volkes ohne Unterschied der Partei finden.
Und zweitens unsere Universitäten! Dort hat sich allmählich der Zustand entwickelt, daß es selbst dort schwer wird, den Ort zu wechseln. Die verschiedenen Länder haben recht verschiedene Zulassungsbedingungen. Ihre Examensvorschriften unterscheiden sich mehr und mehr, so daß es heute für das Fortkommen eines jungen Menschen wirklich nicht mehr gleichgültig ist, ob er sein Examen in Bonn, in Tübingen oder in München macht. Auch das geht nicht an, auch das muß geändert werden! Denn wenn wir das nicht ändern, werden wir die deutschen Universitäten zu recht provinziellen Anstalten degradieren.
Wenn es allmählich so wird, daß nur noch das Landeskind an die Universität des Landes gehen kann, dann wird diese Universität provinziell, denn das wird sich auch auf den Lehrkörper auswirken. Leider Gottes ist es doch heute schon so — es hat in meinem eigenen Lande darüber eine ernsthafte Debatte gegeben —, daß man bei der Berufung von Professoren mehr darauf sieht, Landeskinder zu versorgen, als darauf, den besten Mann an die Universität zu bekommen. Das ist keine gute Sache. Wenn wir auf diesem Wege weitergehen, nun, dann kommen wir sehr weit hinter den Stand zurück,
an dem der Herr von Humboldt einmal begonnen hat, die moderne deutsche Universität zu schaffen. fen.
Ich glaube, daß auch hier der Herr Innenminister mehr Initiative entfalten könnte. Auch hier wird er auf allen Seiten dieses Hauses und in allen Schichten unseres Volkes Gefolgschaft finden!