Meine Damen und Herren! Aus den Ausführungen derjenigen Kollegen, die sich weniger mit dem Herrn Bundesjustizminister und seinem Etat als mit meinem Freunde Dr. Arndt befaßt haben, ist — von ganz wenigen abgesehen — nichts sachlich Gegenteiliges herausgekommen; nicht ein einziges der von Herrn Dr. Arndt vorgetragenen Argumente mit den von ihm zitierten Belegen ist von Ihnen irgendwie gegenstandslos gemacht worden. Warum nicht? — Weil die Argumente von Herrn Dr. Arndt und die Unterlagen, die er zu diesen Argumenten beigebracht hat, einfach nicht zu widerlegen sind.
— Ich sagte: von einigen Ausnahmen abgesehen — wenn Sie persönlich deswegen angesprochen werden wollen, Herr Kollege Kiesinger, bin ich in diesem Falle bereit, Ihnen eine Ausnahme zu konzedieren.
Meine Damen und Herren, diese Argumente und die Belege, die Herr Dr. Arndt Ihnen beibrachte, waren einfach nicht zu widerlegen; das vermochten auch die Herren Dr. von Merkatz, Neumayer und Dr. Schneider nicht, die sich gegen seine „zersetzende, ätzende und verletzende Art" wandten. Sicher ein sehr nettes Wortspiel, das aber in keiner Weise geeignet ist, sachlich dem entgegenzutreten, was Herr Dr. Arndt dem Herrn Bundesjustizminister vorgeworfen hat; und er hat ihm allerlei vorgeworfen. Sicher, Sie haben mehr oder weniger die Art und Weise kritisiert, in der Herr Dr. Arndt das, was er sachlich zu sagen hatte, vorgetragen hat. Das ist zu einem großen Teil der Inhalt Ihrer Ausführungen gewesen. Wenn Sie, Herr Dr. von Merkatz, zum Ausdruck brachten, daß das, was Herr Dr. Arndt gesagt hat, die schuldhafte HerbeiOführung der Volksverhetzung sei, so möchte ich Sie fragen, wer zuerst das Porzellan zerschlagen hat, das in der Auseinandersetzung, um die es sich hier handelt, zerschlagen worden ist.
In den „Frankfurter Heften" vom Dezember vorigen Jahres können Sie auf Seite 1326 von Herrn Friedrich Reiferscheid, München, unter der Überschrift: „Sprechen so Demokraten?" Kritik an dem Herrn Bundesjustizminister und an dem Herrn Präsidenten des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe lesen. Ich empfehle Ihnen diese Lektüre, damit Sie den Beweis dafür erhalten, daß nicht nur von sozialdemokratischer Seite Kritik an dem Herrn Bundesjustizminister und an einem Teil dieser Justiz geübt wird. Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß der Herr Bundesjustizminister für das, was draußen in den Gerichten geschieht, in keinem Fall voll verantwortlich zu machen ist. Wir wissen, daß ein großer Teil der Richter in Ordnung ist; ein großer Teil nicht. Darüber kann ich mich hier nicht mehr auslassen.
Ich möchte nur noch auf einen Punkt hinweisen, nämlich auf die Frage der Rechtsschutzstelle. Herr Dr. Arndt hat in keiner Weise irgendwie etwas zum Ausdruck gebracht, was Ihnen Veranlassung zur Kritik geben könnte. Diese Rechtsschutzstelle ist bereits als Dreizoneneinrichtung in Stuttgart eingerichtet worden. Wir haben uns dagegen gewandt, daß von seiten der Bundesregierung bei der Besprechung über den Plevenplan in Paris nicht darauf hingewirkt wurde, daß gerade auf diesem Gebiet eine Änderung in der Tendenz der französischen Gesetzgebung stattfinden möge, und nichts anderes! Auch dagegen haben wir uns mit Recht zu wenden. Wir haben nicht allein vom Bundesjustizministerium aus fürsorgerisch für Krieggefangene tätig zu sein — das auch —, sondern in erster Linie darauf hinzuwirken, daß in der Tendenz der französischen Gesetzgebung auf diesem Gebiete eine Änderung vollzogen wird, wenn wir uns mit den Franzosen auf die Dauer an einen Tisch setzen sollen. Das wird von uns verlangt. Ich glaube, es kann sich keiner in diesem Hause dem entziehen, daß insoweit eine gerechte und sachlich gerechtfertigte Kritik an dem bisherigen Unterlassen des Herrn Bundesministers der Justiz angebracht ist.
Meine Damen und Herren, und nun noch als letztes ein persönliches Wort zu dem Herrn Bundesminister der Justiz! Ich glaube, als einer von denjenigen, die ihn sehr lange kennen, kann ich mir erlauben, ihm das zu sagen. Der Herr Bundesminister der Justiz hat es bisher nicht, wie seine Vorgänger in der Weimarer Republik und vielleicht auch im Kaiserreich, die entsprechenden Beamten im Reich und in den einzelnen Ländern, als das nobile officium empfunden, sich aus der „politischen Drecklinie" herauszuhalten. Wir sind nicht der Auffassung, daß sich der Herr Bundesjustizminister in eine politische Klausur begeben soll; das verlangen wir von keinem Menschen, auch von dem Bundesjustizminister nicht. Aber wir erwarten von ihm, daß er sich nicht bewußt in die politische Drecklinie hineinbegibt. Daß wegen dieses Umstands auch in Ihren eigenen Reihen sehr viel Kritik geübt worden ist, das wissen Sie selbst, Herr Minister. Es ist von dem „Amokredner Dehler" gesprochen worden. Ja, wer Amok redet, der muß sich auch gefallen lassen, daß er dabei einige Stiche abbekommt; und anders ist es auch heute nicht gewesen. Wir haben nach wie vor den Wunsch, mit dem Herrn Bundesjustizminister in sachlicher und in erfolgversprechender Weise zusammenzuarbeiten. Dann kann man aber nicht nur von uns verlangen, daß, wir uns ändern mögen, daß wir in unserer Kritik ablassen mögen; dann mag auch der Herr Bundesjustizminister erst einmal von sich aus als Justizminister und als Politiker den Beweis des guten Willens gegenüber der Sozialdemokratie und ihrem ersten Repräsentanten, Herrn Dr. Schumacher, erbringen!