Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben eine Gesetzesvorlage vor sich. die bereits einmal den Wirtschaftsrat beschäftigt hat. Die Verhandlungen im Wirtschaftsrat waren von dem Grundgedanken getragen, den Arbeitnehmern im deutschen Wirtschaftsleben eine bessere wirtschaftliche Fundierung und Sicherheit zu geben. Das damals vom Wirtschaftsrat verabschiedete Gesetz hat nicht die Zustimmung der Militärregierungen gefunden, nicht deshalb, weil man bei den Militärregierungen in diesem Kündigungsschutzgesetz etwas nicht Gewünschtes gesehen hätte, sondern weil man der Meinung war, daß die Bildung des Bundes kurz vor der Tür stände und es deshalb nicht angängig sei, für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet ein .Sonderrecht entstehen zu lassen.
Es wäre nach der Bildung des Bundes und der Bildung der Bundesregierung leicht gewesen, den bereits in Frankfurt verabschiedeten Gesetzentwurf nunmehr dem Hohen Hause vorzulegen. Die Bundesregierung ist aber von dem Gedanken ausgegangen, daß es zweckmäßiger sei, wenn sich erst einmal diejenigen Organisationen und auch die Einzelmenschen, die von diesem Gesetz erfaßt werden, mit diesen Problemen selbst beschäftigen. Wenn man auf sozialpolitischem Gebiet vorwärtsschreiten will, genügt es ja nicht, Gesetzesparagraphen zu schaffen, sondern bei solchen Gelegenheiten ist es notwendig, eine geistige Verfassung zu schaffen, die alle Beteiligten davon überzeugt, daß das Neue etwas wirklich Gutes und im Interesse der Allgemeinheit Liegendes ist.
Aus diesen Gründen haben wir die Sozialpartner, die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften, gebeten, zu diesen Problemen Stellung zu nehmen und uns eine einheitliche Auffassung ihrerseits vorzulegen. In monatelangen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern ist dann eine einheitliche Auffasung zustande gekommen, auf der im wesentlichen das vorliegende Gesetz aufgebaut ist. Wir
können den an. diesen Verhandlungen und Besprechungen Beteiligten nur den Dank der Bundesregierung dafür aussprechen, daß sie in so vorbildlicher Weise hier etwas Neues mitgeschaffen haben.
Wenn Sie das Gesetz durchsehen, finden Sie, daß es sich um drei Fragenkomplexe handelt. Erstens wird der Schutz des Einzelnen gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen behandelt, zweitens finden Sie den Kündigungsschutz für die Betriebsratsmitglieder und drittens einen Kündigungsschutz bei notwendig werdenden Massenentlassungen. Das Gesetz sagt, daß eine Entlassung, die nicht in der Person des Arbeitnehmers und nicht in den Notwendigkeiten des Betriebs ihre Grundlage hat, als sozial ungerecht bezeichnet werden muß und daß derartige Kündigungen rechtsunwirksam sind. Damit gehen wir in der Entwicklung des Kündigungsschutzes, der erstmalig eine Verankerung in dem Betriebsrätegesetz von 1920 gefunden hat, einen wesentlichen Schritt weiter.
Zweitens handelt es sich darum, 'daß heute unsere Betriebsräte nicht den Kündigungsschutz genießen, wie er früher einmal im Betriebsrätegesetz deutscher Prägung gegeben war. Wir wissen noch nicht, wann das neue Betriebsräte- oder Betriebsverfassungsgesetz wirksam werden wird. und halten es deshalb für nötig, schon in 'diesem Gesetz die Grundlagen für den Kündigungsschutz der Betriebsräte wiederherzustellen.
Drittens handelt es sich darum, daß wir bei notwendig werdenden Massenentlassungen Fristen einräumen oder festlegen, durch die Gelegenheit gegeben ist, die Schwierigkeiten in dem Betrieb eventuell noch zu überwinden oder es der Arbeitsverwaltung zu ermöglichen, für möglichst baldige andere Verwendung der freiwerdenden Arbeitskräfte zu sorgen.
Dieses Gesetz beabsichtigt nicht, Entlassungen überhaupt unmöglich zu machen. Dort vielmehr, wo sie notwendig werden, ist keine Hinderung vorgesehen. Das Gesetz will aber dafür sorgen, daß der einzelne Arbeitnehmer, der auf eine längere Arbeitszeit im einzelnen Betriebe zurücksieht, mit innerer Ruhe in die Zukunft sehen kann.
Nun sind uns im Arbeitsministerium — und wahrscheinlich auch Ihnen als Bundestagsabgeordneten — vor allen Dingen aus ,den Kreisen des Handwerks und der Landwirtschaft Bedenken gegen einige Formulierungen in diesem Gesetz mitgeteilt worden. Auch der Bundesrat hat es für zweckmäßig gehalten, uns seine Meinungsäußerung zugehen zu lassen, nach der die Grenze für die Dauer 'der Beschäftigung, nach der der Kündigungsschutz eintreten soll, statt auf drei auf sechs Monate festgelegt werden soll. Es wird nun Aufgabe des zuständigen Ausschusses sein, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Es wird auch Aufgabe des Ausschusses sein, die Bedenken zu prüfen, die vor allen Dingen von den Betrieben des Handwerks und der Landwirtschaft wegen der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Betriebe vorgetragen worden sind.
Wir glaubten, den Gesetzentwurf in der Form vorlegen zu sollen, wie er von den Sozialpartnern als richtig angesehen worden ist. Ich glaube, daß wir, wenn der Bundestag dieses Gesetz möglichst bald verabschiedet, einen wesentlichen Schritt vorwärts in der sozialen Befriedung unseres deutschen Volkes getan haben.