Rede von
Karl
Brunner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich betrete diesen Platz mit einigem Bangen, weil ich mir nicht ganz gewiß bin, ob ich den gemütvollen Stil der Unterhaltung hier werde durchhalten können.
Vor kurzem ist dem Hohen Hause ein Antrag der Deutschen Partei vorgelegt worden, die Bundesregierung zu beauftragen, ein Bundesrundfunkgesetz einzubringen. Dieser Antrag ist dann wieder abgesetzt worden, und man hörte, daß das Bundesinnenministerium an dieser Angelegenheit interessiert sei und binnen kurzem selbst ein solches Gesetz dem Hohen Hause vorlegen wolle. Wir haben es hier auch mit einem der Bereiche zu tun, wo noch bestehendes Besatzungsrecht oder Zustände, die vom Besatzungsrecht hergeleitet sind, durch ein deutsches Recht ersetzt werden müssen. Nun ist es hier freilich so, daß wir alles in allem besorgt sein müssen, uns das zu bewahren, was durch das Besatzungsrecht auf diesem Gebiet geschaffen worden ist: ein Rechtszustand, der die in dieser Beziehung gewiß garantierte Meinungsfreiheit aufrechterhält.
Nun hört man mancherlei Dinge, die einem Zweifel darüber beibringen, ob überall dieses Bestreben vorhanden ist. Um nur ein Beispiel zu nennen: Aus dem Bereich des Südwestfunks hört man von bereits — na, sagen wir: paraphierten Staatsverträgen, die aber nicht etwa jene Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit des Rundfunks festlegen sollen, sondern die den Rundfunk zu einem Instrument der Propaganda der betreffenden Länderregierungen machen wollen. Man hat sehr stark den Eindruck, daß hier das Beispiel aus der vergangenen Zeit nicht abschreckend, sondern eher ermunternd wirkt, und die Aufgabe ist, daß ein Staatsrundfunk auf alle Fälle verhindert werden muß, ganz gleich, ob er sich in die bescheidende Joppe des Länderrundfunks oder in den weiten Mantel des Bundesrundfunks kleiden will.
Wenn jetzt von diesem Bundesrundfunkgesetz die Rede ist, so gilt es zu überlegen, ob die Bundesregierung imstande und vor allen Dingen ob sie gewillt sein wird, diesen Standpunkt der Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten. Was ist hier von der Bundesregierung zu erwarten? Wenn wir diese Frage stellen, so haben wir auch einige unserer Ansicht nach sehr anschauliche, sehr klar wirkende, gute Gründe — um in der Sprache von gestern zu reden —, um uns ein Urteil bilden zu können. Einer dieser Punkte, die eine bestimmte Haltung anschaulich machen, ist der Fall Peter von Zahn, der dadurch besonders wirksam und eindrucksvoll geworden ist, daß wir jetzt eigentlich zwei Fälle Peter von Zahn haben. Zahn hat im Januar im Rundfunk — wie er das zu tun pflegt — einige seiner Vorträge gehalten, die jetzt unter dem Titel „Von fern und nah" stehen, womit in der Tat die schöne Möglichkeit gegeben ist, über alles zu reden. Er hat bei der Gelegenheit über die Mitbestimmung gesprochen und er war dafür. Unser Herr Bundesinnenminister das hören und böse werden, war eines.
Er hatte sich schon einmal wegen Herrn von Zahn mit dem Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks Dr. Grimme in Verbindung gesetzt. Er tat das bei der Gelegenheit noch einmal. Er hatte ihm schon einmal nahegelegt — um in der eigenen Ausdrucksweise des Herrn Bundesinnenministers zu reden —, Herrn Peter von Zahn „kaltzustellen".
Diese freundliche Ermunterung schien in diesem Falle nicht ausreichend, und er schrieb an den Generaldirektor einen Brief, aus dem ich — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — hier einige
Sätze zitieren darf. In diesem Zusammenhang mit diesem Vortrag über den Bundesrundfunk wurde festgestellt:
Ich kann nicht umhin, Ihnen vom Standpunkt der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung und des inneren Friedens diese meine schweren Bedenken zum Ausdruck zu bringen, und bitte Sie, angesichts der Zersetzungsarbeit, die sich unter Ihren Augen vollzieht, zu prüfen, als wessen Strohmann eigentlich Herr von Zahn fungiert.
Der Herr Bundesinnenminister hielt diesen Satz für so schön, daß er ihn sofort auch Hans Böckler mitgeteilt hat, an den er übrigens appellierte, ihm in diesem Bestreben, Herrn von Zahn „kaltzustellen", freundlichst zu unterstützen.
Er hat dann in derselben Angelegenheit noch einen weiteren Brief geschrieben. In diesem Brief finden sich die folgenden Sätze:
Eine Bundesregierung, die solcher öffentlichen Wühlarbeit gegen die Staatsgewalt und den Staat nicht Einhalt gebietet, verliert das Vertrauen und die Achtung der Staatsangehörigen.
Ja, es ist die Frage aufgeworfen worden: Als wessen Strohmann agierte eigentlich Herr von Zahn? Was hat er getan? Er hat empfohlen, was der Bundeskanzler sich nachher vorgenommen hat und was schließlich gestern der Bundestag getan hat: die Forderungen der Gewerkschaften in dieser Beziehung zu erfüllen.
Ich weiß nicht, ob Herr Dr. Lehr die Absicht gehabt hat, in dieser Hinsicht den Herrn Bundeskanzler zu desavouieren, oder ob er zum Ausdruck bringen wollte, daß alles, was für die Mitbestimmung getan wurde, höchst widerwillig getan wurde. Jedenfalls hat der Minister, der im besonderen berufen ist, als Schützer der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit einzutreten, diese Grundsätze der Unabhängigkeit und der Meinungsfreiheit aufgehoben. Es ist unmöglich, daß eine Staatsinstanz gewissermaßen den Anspruch erhebt, die Rundfunkkommentatoren zu ernennen und zu entlassen, und sogar Neigung zeigt, Gewaltmittel einzusetzen, um gegen das Auftreten gewisser Kommentatoren vorzugehen.
Der Vorgang hat übrigens seine tragische Folge gehabt. Herr von Zahn hat einen fürchterlichen Schock bekommen, hat einen langen Anlauf genommen und sich dem Bundeskanzler an den Hals geworfen; und als er seine Arme wieder frei hatte, griff er in die Harfe und jubelte gleich einer Lerche ein Preislied auf den Schumanplan in die Lüfte. Nach all den Befürwortern dieses Plans, die ich bisher gehört habe, glaube ich sagen zu müssen: Wenn sie diesen Vortrag gehört hätten, hätten sie feststellen müssen: So poetisch können wir das nicht. Auch das war eine ausgesprochene Parteinahme für eine in der Politik höchst umstrittene Sache, eine Parteinahme, die außerdem verbunden war mit einer impertinenten Kritik an denjenigen,
— ja, haben Sie die Vorträge gehört, Herr Kollege? —, die eine andere Auffassung in dieser Beziehung haben als die Bundesregierung. Lediglich dem Verantwortungsgefühl der Vorgesetzten von Herrn Zahn ist es zu verdanken gewesen, daß in diesem Vortrag nicht ausgesprochene Ruppigkeiten und Unanständigkeiten stehengeblieben sind. Als ich diesen Vortrag hörte,, war meine erste spontane Reaktion die: Jetzt schreibt der Lehr wieder einen Brief an den Grimme! Aber das geschah nicht. Dabei sind Qualität, Art und Stil der Darstellung gleich gewesen: Kommentar mit einem ganz ausgeprägten Standpunkt! Einmal hat man auf die Angelegenheit heftig und böse reagiert, das andere Mal hat man sie praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Ich habe den Eindruck, daß man das eine Mal Einsicht mit Polemik und das andere Mal Zustimmung mit Objektivität verwechselt hat. Wir würden uns in dem Blick auf ein kommendes Rundfunkgesetz etwas wohler fühlen, wenn gerade diese Begriffe von der zuständigen Instanz schärfer unterschieden werden könnten.
Meine Redezeit kommt zum Schluß; ich muß auch zum Schluß kommen. In der Pressearbeit der Bundesregierung hat sich jetzt eine neue, ich möchte sagen, Art Institution herausgebildet. Der Name, 'den ich jetzt gebrauchen werde, stammt nicht von mir, sondern von der zuständigen Instanz der Bundesregierung. Man spricht von „Staatsschreibern" und meint damit Journalisten, die die besondere Aufgabe haben, die Auffassungen der Bundesregierung populär zu machen. Wenn man etwa beim Rundfunk meinen sollte,, das sei die richtige Tribüne für „Staatssprecher", so sind wir der Meinung, daß das nicht der richtige Geist ist, aus dem die Gesetzgebung für diese Institution und diesen Bereich gestaltet werden kann. Wir haben den Eindruck — und wir haben zu unserer Freude feststellen können, daß viele Kollegen auch aus anderen Parteien, mit denen wir in diesen Dingen zusammenarbeiten, diesen Eindruck teilen —, daß wir hier auf der Hut sein müssen; und wir werden auf der Hut sein.