Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst ein Wort zu den Ausführungen zu sagen, die mein Herr Vorredner gemacht hat.
Es gibt in der ganzen Welt kaum einen einzigen Staat, in dem die Dinge so geordnet sind, daß der Rundfunk nicht in irgendeiner positiv gearteten Zusammenarbeit mit der Staatsführung steht.
Das gibt es nicht in England, und das gibt es nicht in Amerika. Nur in Deutschland glaubt man, darauf verzichten zu können, daß der Rundfunk in positivem Kontakt mit der Staatsführung steht. Die Dinge sind bei uns so, wie sie jetzt liegen, keinesfalls befriedigend geregelt.
— Meine Damen und Herren von der Opposition,
wenn Sie heute zu regieren hätten, dann würden
Deutscher Bundestag — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den il. April 1951 5181
1 Sie meiner Auffassung durchaus zustimmen. Sie würden ganz sicher als eine Ihrer ersten Maßnahmen eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Rundfunk und Staatsführung durchführen.
— Ich weiß, daß politische Prophetie eine gefährliche Sache ist.
— Ich bin für Freiheit des Rundfunks. Aber ich bin auch für vernünftige Zusammenarbeit. Gerade angesichts der Situation, in der wir heute leben, angesichts der Weltlage, wie sie uns heute entgegentritt, darf es keinen vernünftigen Menschen geben, der nicht für eine gute, ordentliche Zusammenarbeit zwischen Rundfunk und Staatsführung eintritt.
Nun möchte ich aber zu zwei Fragen Stellung nehmen, die uns im Blick auf die Tätigkeit des Bundesministeriums des Innern besonders am Herzen liegen. Die eine Frage betrifft die Jugendfürsorge. Der- Herr Bundesminister- des Innern hat sich ein großes Verdienst dadurch erworben, daß er die Fragen der Jugend mit großer Entschlossenheit und mit einer großen inneren Wärme in Angriff genommen hat.
Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen.
Man hat bei der ganzen Tätigkeit des Bundesinnenministeriums in Jugendfragen gemerkt, daß ein warmer Herzton mitspricht. Das hat die Jugend gemerkt, und das hat das ganze Volk gemerkt. Das war der gute Weg, den wir gerade in dieser Frage besonders sorgfältig einhalten müssen.
Wir wissen alle, daß im Haushalt des Bundesinnenministeriums 171/2 Millionen für Zwecke der Jugend bereitgestellt sind. Im übrigen Haushalt sind weitere Beträge bereitgestellt. Insgesamt sind im Haushalt für 1950, wenn man die verschiedenen Einzelpläne zusammennimmt, etwa 53 Millionen DM für Jugendzwecke zur Verfügung gestellt.
Nun liest man neuerdings eine Reihe von kritischen Bemerkungen darüber, daß der Bundesjugendplan wohl sehr. sorgfältig 'aufgestellt worden sei, daß aber neuerdings gewisse Hemmungen in der Durchführung in Erscheinung getreten seien. In einer Zeitung, die in meiner Heimat erscheint, in der „Stuttgarter Zeitung" stand gestern oder vorgestern ein Artikel, aus dem ich mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Sätze vorlesen möchte:
Es ist unverständlich, wie der Jugendförderungsplan, der kurz vor Weihnachten verkündet wurde, in Bonn behandelt worden ist. Ein Gesamtbetrag von 53 Millionen DM wurde damals für Zwecke der beruflichen Erziehung in Aussicht gestellt. Nach monatelangen Verhandlungen ist dieser Betrag auf 13,5 Millionen zusammengestrichen worden. Gerade die dringlichsten Projekte sind gefallen. So sollten z. B. der freien Wirtschaft und besonders den Betrieben, in deren Lehrwerkstätten Maschinendemontiert worden sind, 20 Millionen DM
Kredite gegeben werden, um zusätzliche Lehrstellen zu schaffen. Der Finanzminister hat es nicht genehmigt. Es sollten ferner 13 Millionen DM ,den Ländern zur Verfügung stehen, um für die Flüchtlinge, die Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Spätheimkehrer Umschulungs- und Fortbildungskurse einzurichten. Sie sind auf eine Million zusammengeschmolzen, die praktisch überhaupt nichts mehr bedeutet. Auch die für die Errichtung von Jugendwohnheimen vorgesehenen Mittel sind so reduziert worden, daß sie kaum noch eine Rolle spielen.
Ich kann mir kein Urteil darüber erlauben, ob und inwieweit diese Kritik berechtigt ist. Ich wäre aber sehr dankbar, wenn uns der Herr Minister Auskunft darüber geben würde, wie es mit der Durchführung des Bundesjugendplans steht und ob wir damit rechnen können, daß die dafür im Haushaltsplan bereitgestellten Mittel tatsächlich auch diesen Zwecken zugeführt werden.
Ich darf sodann noch auf eine Frage zurückkommen, die der Herr Minister selbst angeschnitten hat. Sie, Herr Minister, sind ja auch der Verfassungsminister. Sie sind der Mann, dem es besonders obliegt, die Verfassung zu verteidigen. Sie haben mit Recht darüber geklagt, daß heute nicht nur von links, sondern auch von rechts die schwersten Angriffe gegen unseren Staat gerichtet werden. Sie haben auf gewisse Vorgänge hingewiesen, die sich jetzt im Wahlkampf in Niedersachsen ereignet haben. Aber nicht nur in Niedersachsen, sondern fast in allen Ländern können wir solche Vorgänge beobachten. Ich bin mir völlig klar darüber, daß mit polizeilichen Maßnahmen nicht das Entscheidende geschehen kann.
Es wird in allererster Linie darauf ankommen, daß unser ganzes Volk, vor allem unsere Jugend, zu einer inneren Überwindung des „Ohne-Mich"Standpunktes kommt
und daß sich die breitesten Schichten unseres Volkes in lebendiger Anteilnahme und in innerer Verbundenheit für den heutigen Staat einsetzen und Verantwortung für diesen Staat übernehmen.
Aber das allein genügt nicht. Dieser Staat muß sich seiner Haut wehren. Wir haben in der Geschichte die bittersten Erfahrungen machen müssen, und zwar einfach deshalb, weil die Weimarer Demokratie nicht entschlossen genug war, sich ihrer Haut zu wehren und ihre Existenz gegen Staatsfeinde zu verteidigen.
Diese Lehren der Geschichte sollten heute beachtet werden. Keine Partei, die für 'diese Demokratie eintritt, kann darauf verzichten, diese Lehren zu beachten. Sonst werden wir wiederum ,diese bitteren Erfahrungen machen müssen.
Wir sollten uns ganz offen die Fehler eingestehen, die gemacht worden sind. Ich will zuerst von Iden Fehlern sprechen, die dieses Parlament gemacht hat.
— Dies ist dringend nötig! Diese Fehler sind gemacht worden. Sie müssen ausgesprochen und festgestellt werden.
Ich erinnere mich, daß es im Ausschuß zum Schutze der Verfassung in einer 'der allerersten Sitzungen zu einer grundlegenden Aussprache darüber kam, wie dieser Staat seine Existenz verteidigen soll. Alle Parteien waren sich darüber einig, daß der Staat entschlossen sein müsse, alle seine Machtmittel anzuwenden, um den Feinden der Demokratie entgegenzutreten. Es war der Abgeordnete Professor Carlo Schmid,
der in dieser Sitzung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung erklärt hat, dieser Staat müsse ,.mit Rute und Beil" verteidigt werden.
Aber, meine Damen und Herren, ich habe bisher mach nichts davon gesehen, daß dieser Staat solche Machtmittel angewandt hätte.
Bis zum heutigen Tag gibt es keine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür, den Feinden der Demokratie entgegenzutreten. Dieses Parlament war in 11/2 Jahren nicht fähig, diese Rechtsgrundlage zu schaffen. Sie, Herr Bundesminister, haben diesen Mangel soeben festgestellt. Es ist niemand in diesem Hause, der dieser Feststellung wird widersprechen können.
Wir haben uns vor einiger Zeit über die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten dieses Hauses unterhalten, der einen Innenminisber eines deutschen Landes in der groblichsten Weise beschimpft hat. Ich habe der Aufhebung der Immunität dieses Mannes zugestimmt. Ich bin mir aber völlig klar darüber gewesen, daß die Gerichte gar keine ausreichende rechtliche Handhabe besitzen, um diesen Mann ernsthaft zu verfolgen und ihn dort hinzubringen, wohin er gehört.
Wir wollen zugestehen, daß dies ein Fehler und eine Schande für uns alle ist. Hier ist etwas versaumt worden. Wir haben seinerzeit vom Justizministerium die Strafrechtsnovelle zugestellt bekommen. Sie liegt ja nun — ich weiß nicht genau, wie lange, wohl schon seit einem Jahr — beim Rechtsausschuß.
Ich will nichts gegen unsere Kollegen von der Juristenzunft sagen, die sich mit diesen Fragen im Rechtsausschuß befassen. Die Dinge liegen aber nun wirklich nicht so, daß man sie einfach auf die lange Bank schieben 'kann. Man kann die Beratung dieses umfangreichen Gesetzentwurfes nicht monatelang und nochmals monatelang hinziehen, ohne daß auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes überhaupt etwas Wirksames geschieht. Das ist ein, vollkommen unmöglicher Zustand.
Ich möchte namens meiner Fraktion erklären, daß wir nicht willens sind, diesen Zustand noch länger hinzunehmen. Ich halte es für notwendig, daß die wichtigsten in dieser Strafrechtsnovelle vorgesehenen Paragraphen zum Schutze des Staates aus dem Gesetzentwurf herausgenommen, in einem Sondergesetz zusammengefaßt und vom Parlament möglichst rasch verabschiedet werden. Wenn man auf anderen Gebieten Gesetze rasch verabschieden
kann, muß es auch möglich sein, auf dem Gebiet des Staatsschutzes ein Gesetz mit größter Beschleunigung zustande zu bringen, das unseren Gerichten, dem ganzen Staat und dem ganzen Volk das Bewußtsein gibt, daß dieser Staat entschlossen ist, sich seiner Haut zu wehren, seine Autorität und seine Existenz zu verteidigen
und die Zustände nicht länger so bestehen zu lassen, wie sie jetzt sind.
Aber auch die Regierung und insbesondere Sie, Herr Bundesinnenmmister, möchte ich bitten, dafür einzutreten, daß diesem Zustand unverzüglich ein Ende gemacht wird'. Sie haben es selbst bedauert, daß es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage fehlt, um den Staat zu schützen. Treten Sie, Herr Minister, im Kabinett bitte dafür ein, daß auch das Kabinett unsere 'Bemühungen unterstützt, diesem unerträglichen Zustand ein Ende zu machen. Unser Volk hat einen Anspruch darauf, von dieser Obrigkeit und von diesem Staat davor geschützt zu werden, daß sich Katastrophen, wie wir sie in der Vergangenheit erlebten, noch einmal ereignen, weil die 'berufenen Organe nicht rechtzeitig die nötigen Maßnahmen durchgeführt haben.