Rede:
ID0113300800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 29
    1. und: 3
    2. die: 3
    3. der: 2
    4. Meine: 1
    5. Damen: 1
    6. Herren!: 1
    7. Ich: 1
    8. eröffne: 1
    9. Aussprache: 1
    10. zur: 1
    11. zweiten: 1
    12. Beratung: 1
    13. darf: 1
    14. vorschlagen,: 1
    15. daß: 1
    16. wir: 1
    17. im: 1
    18. Interesse: 1
    19. Vereinfachung: 1
    20. Gesamtaussprache: 1
    21. Einzelbesprechung: 1
    22. verbinden.: 1
    23. Das: 1
    24. Wort: 1
    25. hat: 1
    26. Herr: 1
    27. Abgeordnete: 1
    28. Dr.: 1
    29. Arndt.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 18g. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1951 5119 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. April 1951 Geschäftliche Mitteilungen 5120B Änderungen der Tagesordnung 5120C Erste Beratung des Entwurfs eines Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) (Nr. 2090 der Drucksachen) 5120C Storch, Bundesminister für Arbeit 5120C Ausschußüberweisung 5121C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen): Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz (Nr. 1908 der Drucksachen, Umdruck Nrn. 99, 130) . 5121D Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 5121D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5125C Dr. Arndt (SPD) 5131D Dr. von Merkatz (DP) 5139B Kiesinger (CDU) 5141C Neumayer (FDP) 5145A Dr. Schneider (FDP) 5147C Loritz (WAV) 5149C Dr. Reismann (Z) 5151C Müller (Frankfurt) (KPD) 5154D Dr. Greve (SPD) 5156A Abstimmungen 5156D Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats (Nr. 2109 der Drucksachen) 5157A Dr. Seelos (BP) 5157B Dr. Horlacher (CSU) 5158A Abstimmungen 5158B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Pächter (Nr. 2091 der Drucksachen) 5158C Ausschußüberweisung 5158C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 127) 5158D Ausschußüberweisung 5158D Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und eines Wirtschaftsstrafgesetzes (Nr. 2100 der Drucksachen) 5158D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5158D Ausschußüberweisung 5159A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Aufhebung von Kriegsvorschriften (Nr. 2093 der Drucksachen) . . 5159A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5159A Ausschußüberweisung 5159B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Schaffung eines Internationalen Patentbüros (Nr. 2094 der Drucksachen) . . . . 5159B Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5159C Ausschußüberweisung 5159C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über die Verlängerung von Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 2095 der Drucksachen) 5159C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 5159C Ausschußüberweisung 5159D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den ersten Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nrn. 720, 1153 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2106 der Drucksachen) 5159D Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 5159D Strauß (CSU) 5160B Arnholz (SPD) 5160B Abstimmungen 5160A, C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen): Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern (Nr. 1907 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Wiederbesiedlung der Insel Helgoland (Nr. 2017 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Sicherung von Eigenturn auf der Insel Helgoland (Nr. 2018 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Bemühungen zur Freilassung von in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen (Nr. 2019 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen (Nr. 2099 der Drucksachen) . . 5160D Steinhörster (SPD), Berichterstatter . 5161A Dr. Hamacher (Z), Antragsteller . 5164A Renner (KPD): als Antragsteller 5164C als Abgeordneter 5189D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5166A, 5172D, 5182C, 5183C, 5195C Maier (Freiburg) (SPD) 5167A Dr.-Ing. Decker (BP) 5177A Dr. Wuermeling (CDU) . . . . 5177C, 5189C Brunner (SPD) 5179B Bausch (CDU) 5180D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . 5183A Neumayer (FDP) 5184A Frau Dr. Weber (Essen) (CDU) . . 5184D Loritz (WAV) 5185C Frau Dr. Steinbiß (CDU) 5187B Brese (CDU) 5188C Kunze (CDU) (zur Geschäftsordnung) 5195D Dr. Reismann (Z): zur Geschäftsordnung 5196A zur Sache 5196C Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 5196B Weiterberatung vertagt 5197D Nächste Sitzung 5197D Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Behandlung meines Haushalts benutzen, um Ihnen in Kürze über die Arbeiten und über die Aufgaben meines Ministeriums zu berichten. Der Herr Abgeordnete Erler hat Ihnen die Überzeugung des Haushaltsausschusses vermittelt, daß der Stellenplan meines Ministeriums sehr sparsam aufgestellt ist. Wenn überhaupt in einem Ministerium, dann kommt es in dem meinen auf die Qualität der Mitarbeiter an.

    (Lachen bei der KPD.)

    Ein Justizministerium muß eine Gemeinschaft von Könnern sein.

    (Zuruf von der SPD: Sollte es sein!)

    Mir steht gewissermaßen als verpflichtendes Vermächtnis das vor Augen, was jemand, der es erfahren hat, nämlich der frühere Reichsjustizminister Dr. Gustav Radbruch, vom Reichsjustizministerium berichtet hat. Er hat es dargestellt als eine Bauhütte von Handwerkern und von Künstlern der Gesetzgebung, als eine Stätte der höchsten Objektivität, in der es eben nur eine Leidenschaft geben solle, nämlich die heiße Hingabe an das Recht.
    Aber, meine Damen und Herren, es ist schwerer, als man meint, diesen Stab von Mitarbeitern zu bekommen. Das Reservoir an hochwertigen Kräften ist gering geworden, und man muß auch beifügen: die Neigung der Menschen, die dafür in Frage kommen, hierher nach Bonn in die Zentralbehörden, die man nicht ohne Grund als „Nervenmühlen" bezeichnet, zu gehen, ist geringer, als man erwarten sollte, auch schon deswegen, weil diese Übersiedlung für manche ein erhebliches wirtschaftliches Opfer bedeutet. Das Bundesjustizministerium verfügt auch nicht über Mittel- und Unterinstanzen, sondern ist darauf angewiesen, daß die Landesjustiz-


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    verwaltungen ihre Kräfte zur Verfügung stellen; und diese sind oft nicht gewillt, gerade ihre besten Leute herzugeben.

    (Abg. Mellies: Besonders nicht hierher!)

    Es war für mich vor allem sehr schwierig, die Vorschrift des Art. 36 des Grundgesetzes zu erfüllen, nämlich Beamte aus allen Ländern in angemessenen Verhältnis zu verwenden, besonders deswegen, weil ich das Zentraljustizamt in Hamburg und ferner das Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt übernommen habe, Ämter, die beide landsmannschaftlich — na, ich darf wohl sagen, etwas einseitig zusammengesetzt waren, und weil sich — das möchte ich doch auch einmal sagen — Beamte aus süddeutschen Ländern seltener zur Verfügung stellen, als es der Idee und der Verpflichtung des Föderalismus entspräche.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Häufig streben diese süddeutschen Beamten auch zu bald wieder in ihre Heimat zurück. Aber ich darf glauben, daß es uns trotz dieser besonderen Schwierigkeiten, die dem Aufbau und dem Ausbau meines Ministeriums entgegenstanden, gelungen ist, im wesentlichen den vielfältigen Aufgaben, die an mich herangetreten sind, gerecht zu werden.
    Ich halte das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts, das am 1. Oktober vorigen Jahres in Kraft getreten ist und das seit dem 1. Januar dieses Jahres auch für Berlin gilt, für einen Meilenstein auf dem Wege zur Rechtseinheit, zur Rechtssicherheit und vielleicht auch zur Rechtserneuerung. Wir haben erreicht, daß für die ordentliche Gerichtsbarkeit wieder ein einheitliches Verfahrensrecht gilt, das von dem Gestrüpp der Kriegszeit und der Nachkriegszeit befreit ist. Alle Praktiker, Anwälte, Richter und Staatsanwälte, erkennen diese Neuerung als wertvoll, als eine fühlbare Erleichterung ihrer Arbeit an. Aber dieses Gesetz stellt nur ein Fundament dar, auf dem die sehr wichtigen und für unsere Rechtsentwicklung bedeutsamen Reformarbeiten weitergetrieben werden müssen. Insbesondere wird eine Neugestaltung der GerichtsverFassung nicht zu umgehen sein, ein Ziel, das i a dann zwangsläufig auch zu Änderungen der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung führen muß.
    Dieses Vereinheitlichungsgesetz hat, wie der Herr Abgeordnete Erler Ihnen schon dargestellt hat, als Nachfolger des Reichsgerichts den Bundesgerichtshof in Karlsruhe geschaffen und damit der ordentlichen Gerichtsbarkeit wieder die um der Rechtseinheit und um der Rechtssicherheit willen notwendige oberste Spitze gegeben. Wir waren uns von Anfang an der Schwierigkeiten der Aufgabe bewußt, dieses anspruchsvolle verletzliche Institut eines obersten Revisionsgerichtes wieder zu schaffen. Diese Schwierigkeiten sind auch aufgetreten. Die Bildung des Richterkorps hat sich verzögert, und es ist leider nicht so, wie es der Herr Abgeordnete Erler unterstellt hat, daß dieses Gericht erst allmählich anläuft. Es mußte ja sofort die Erbschaft des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone übernehmen.
    Man muß schon sagen: es ist eine Flut von Arbeit an dieses Gericht herangekommen. Ich will Ihnen nur einige Zahlen nennen. Die Revisionen in Strafsachen haben im November 120 und jetzt im Februar schon 414 betragen, die Revisionen in Zivilsachen im November 484, jetzt im Februar schon 674. Dazu kommen jetzt noch die Revisionen von Berlin rückwirkend vom 1. Januar dieses Jahres an. Also eine gewaltige Arbeitsfülle!
    Ich werde von der Möglichkeit, die mir in § 130 des neugefaßten Gerichtsverfassungsgesetzes eingeräumt worden ist, Gebrauch machen und möglichst rasch in Berlin einen detachierten Strafsenat des Bundesgerichtshofes errichten. Dafür ist allerdings wieder ein kleiner Stab von Richtern — ein Senatspräsident, mindestens sechs Bundesrichter, ein Bundesanwalt und die Hilfsstellen — erforderlich.
    Ich muß auch jetzt schon darauf hinweisen, daß sich mit der Errichtung des Bundesverfassungsgerichts höchstwahrscheinlich die Notwendigkeit einer Erhöhung der Richterzahl am Bundesgerichtshof ergeben wird; denn die Richter, die vom Bundesgerichtshof als Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt werden, werden für den Bundesgerichtshof ausfallen, und es wird nicht zu umgehen sein, daß die Planstellen dann wieder ergänzt werden. Auf jeden Fall: so wie die Dinge augenblicklich liegen, kann der Bundesgerichtshof seine Aufgabe nicht so erfüllen, wie wir es wünschen. Ich nehme an, daß Klagen über die Verzögerung seiner Arbeit auch schon an Sie herangetragen worden sind. Diese werden erst verstummen, wenn wir die Ihnen eben vorgetragene Ergänzung der Planstellen geschaffen haben. Der Rechtsschutz des Bürgers ist erst dann gewährleistet, wenn nicht nur mit einer gründlichen und hochwertigen, sondern auch mit einer raschen Erledigung der anhängigen Verfahren gerechnet werden kann. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mein Bemühen, diesen Rechtsschutz wirksam zu machen und zu stärken, unterstützen wollten.
    Zu den für die Praxis wichtigen Gesetzen, die in meinem Ministerium bearbeitet worden sind — ich darf Ihnen einige nennen — und besonders der Vereinheitlichung, Säuberung und Vereinfachung der unübersichtlich und verworren gewordenen Rechtsgebiete dienen, gehören das handelsrechtliche Bereinigungsgesetz, das Gesetz über die Neuordnung des Verschollenheitsrechts, das Gesetz, das das Verjährungsrecht ergänzt und vereinheitlicht, das Gesetz über die Anerkennung von Nottrauungen, das Gesetz über die Anerkennung von freien Ehen rassisch und politisch Verfolgter.
    Aus der Arbeit meiner wirtschaftsrechtlichen Abteilung gehören hierher das D-Mark-Bilanzgesetz, das Gesetz über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien, die teilweise überaus komplizierte Verhältnisse rechtlich klären und ordnen mußten, dann der Abschluß der Gesetzgebung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes.
    Das für unser Verfassungsrecht wohl wichtigste Gesetz war das von Ihnen erst vor einigen Wochen verabschiedete Bundesverfassungsgerichtsgesetz, das hier bei der Behandlung eine eingehende Würdigung gefunden hat. Seine Bedeutung für unser Verfassungsleben kann wohl kaum überschätzt werden. Es wird in diesen Tagen verkündet werden. Ich habe immer geglaubt, ich könnte die Verkündung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes verbinden mit der Verkündung der beiden anderen notwendigen Gesetze, die nach Ihrer Entscheidung ausgesprochene Sondergesetze geworden sind, nämlich des Besoldungsgesetzes für die Richter am Bundesverfassungsgericht und des Gesetzes über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts. Mit der Verkündung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes beginnen einige wichtige Ausschlußfristen zu laufen. Das Gericht kann aber unmöglich schon mit der Verkündung, mit dem Inkrafttreten des Ge-


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    setzes seine Tätigkeit aufnehmen; die Richter müssen gewählt, die notwendigen sächlichen Mittel beschafft, die Räume für das Gericht geschaffen werden. Alle diese notwendigen Maßnahmen sind zwar vorbereitet, aber die Durchführung hängt davon ab, daß Sie, meine Damen und Herren, das Gesetz über den Sitz des Gerichtes verabschieden, und zwar möglichst rasch. Gerechnet von diesem Zeitpunkt ab, in dem der Sitz bestimmt ist, wird man wohl etwa drei Monate rechnen müssen, bis das Bundesverfassungsgericht funktionsfähig ist. Ich wäre Ihnen zu besonderem Danke verpflichtet, wenn Sie die Entscheidung über den Sitz des Bundesverfassungsgerichtes möglichst umgehend fällen wollten.
    In diesem Zusammenhang darf ich eine andere Bitte wiederholen, die ich schon vor Wochen ausgesprochen habe, mir Vorschläge für die Bundesverfassungsrichter zu übermitteln. Nach § 3 des Gesetzes können solche Vorschläge nur von den Fraktionen des Bundestags, von der Regierung und von den Länderregierungen gemacht werden. Ich bin dann gehalten, diese Vorschläge in eine Liste aufzunehmen und sie den Wahlkörperschaften zuzuleiten.

    (Abg. Dr. Greve: Und den Mitgliedern des Richterwahlausschusses!)

    — Ja, aber ich kann diese Vorschläge nicht in die Liste aufnehmen, solange sie nicht gemacht sind; sie können erst bei den Beratungen der Wahlkörperschaften behandelt werden. Ich darf also nochmals die Bitte aussprechen, mir die Vorschläge für dieses sehr hohe Amt in unserer Demokratie möglichst bald zu machen. _
    Ein Gesetz, dem ich für die Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den nächsten Jahren Bedeutung beimesse, ist das Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht, dessen Fassung in meinem Ministerium entstanden ist. Es war bisher nur einem verhältnismäßig kleinem Teil unseres Volkes möglich, das eigene Heim zu Eigentum zu erwerben. In Zukunft kann praktisch jeder mit den gleichen Mitteln, die er bisher für die Miete aufgewendet hat, seine Wohnung zu Eigentum erwerben.
    Auf dem Gebiete des Strafrechts ist das Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 zu erwähnen, besonders bemerkenswert wegen der Bejahung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf diesem Gebiet, wichtig auch für die künftige Strafverfahrensreform wegen des Experiments des objektiven Feststellungsverfahrens bei Beleidigungen, eines nach meiner Überzeugung im wesentlichen gelungenen Experimentes.
    Weiter darf ich das nach meiner Ansicht für die Sicherung der Existenzgrundlagen unseres Staates außerordentlich wichtige und dringende Strafrechtsänderungsgesetz erwähnen, das zur Zeit bei Ihrem Rechtsausschuß liegt und dessen baldige Verabschiedung mir eine Sorge ist. Weiterhin erwähne ich den Entwurf eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und eines Wirtschaftsstrafgesetzes, der heute von Ihnen in erster Lesung zu behandeln ist. Ich glaube, daß das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten einen Versuch der Scheidung zwischen kriminellem Unrecht und Verwaltungsunrecht, der im alten Wirtschaftsstrafgesetzbuch begonnen wird, systematisch und wirksam weiterführt.
    Damit Sie einen Überblick über die Tätigkeit meines Ministeriums bekommen können, darf ich vielleicht noch kurz das Gesetz zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt, das Gesetz über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse, das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Schiffsregister, das Gesetz über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei Immobiliarzwangsvollstreckungen und das Gesetz über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen erwähnen.
    Im vergangenen Jahr ist das Bundesjustizministerium in ganz außerordentlichem Umfange auf einem Rechtsgebiet beschäftigt worden, das in Zukunft nach der Errichtung des Auswärtigen Amtes wenigstens zum Teil dort bearbeitet werden wird. Ich meine die sehr vielfältigen Fragen der Überleitung der besatzungsrechtlichen Vorschriften in das deutsche Recht, die Vorarbeiten und Untersuchungen mit dem Ziele der Lockerung und Ersetzung des Besatzungsstatuts, die Mitwirkung an den Verhandlungen des Schuman-Plans, die Prüfung der Rechtsfragen über den Beitritt zum Europarat, die mit der Unterzeichnung der Konvention über die Menschenrechte zusammenhängen.
    Das Schwergewicht meines Ministeriums lag auf dem Gebiete der Gesetzgebung. Aber auch seine Verwaltungstätigkeit ist, wie Sie aus dem Bericht des Herrn Abgeordneten Erler entnommen haben, nicht gering. Sie ist allerdings beschränkt, und es besteht ein Anlaß, daß ich auf diese Beschränkung hier einmal hinweise, weil die Gerichte mit Ausnahme der oberen Bundesgerichte grundsätzlich Ländergerichte sind, so daß mir als Bundesjustizminister hier insoweit jede Dienstaufsicht, jeder irgendwie geartete Einfluß auf die Personalpolitik und die Verwaltungszuständigkeit fehlt. Wenn daher an die Presse und auch in täglichen Eingaben an mich Anregungen, Beschwerden wegen gewisser Vorgänge in Strafverfahren, wegen des Strafvollzuges, auf gnadenweisen Erlaß von Freiheits- oder Geldstrafen, auf Einschreiten gegen Richter einlaufen, so ist das ein völliges Verkennen meiner Zuständigkeit. Der Bundesjustizminister ist in diesen Fällen ein völlig einflußloser Mann. Er kann nichts anderes tun als diese Eingaben an die Länderjustizverwaltungen weiterleiten.
    Die bedeutsamste Verwaltungszuständigkeit, die ich habe, hat der Herr Abgeordnete Erler stark unterstrichen. Das ist der Aufbau des Bundespatentamtes in München und die Ausübung der Dienstaufsicht über diese Behörde. Der Aufbau ist im wesentlichen abgeschlossen. Das Bundespatentamt ist in einem Teil des Deutschen Museums in München untergebracht. Eine Zweigstelle ist in Berlin errichtet worden in einem Teil der Räume des alten Reichspatentamtes. Das Bundespatentamt ist zur Zeit die größte Bundesoberbehörde — Sie haben die Zahlen gehört — mit 1187 Planstellen, 1051 in München und 136 in der Dienststelle in Berlin. Die Arbeit des deutschen Patentamtes ist über Erwarten gut angelaufen; ich habe deshalb die Absicht, spätestens im nächsten Jahr die gegenwärtige Beschränkung auf dem Gebiete der Neuheitsprüfung aufzuheben und zu dem alten und bewährten amtlichen Vorprüfungsverfahren, das, ich darf es wohl sagen, den Ruf des alten deutschen Reichspatentamtes begründet hat, wieder zurückzukehren, ein Wunsch, der besonders auch von seiten der Erfinder fortgesetzt an mich herangetragen wird.
    Sie haben aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Erler auch gehört, daß wir nicht nur durch das Bundespatentamt, sondern auch durch die Herausgabe des Bundesgesetzblattes und des
    5128 Deutscher Bundestag — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 19t1

    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    Bundesanzeigers finanziell und geschäftlich gut abschneiden. Es ist, darf ich wohl sagen, mit völlig neuen Mitteln in sehr kurzer Zeit gelungen, die Gesetze und die Verordnungen mit der gleichen Genauigkeit und Raschheit, mit derselben technischen Vollkommenheit zu publizieren, wie wir das früher beim Reichsgesetzblatt und beim Reichsanzeiger gewohnt waren.
    Ein gewaltiges Stück Arbeit ist in meinem Ministerium im letzten Jahr entsprechend einem Beschluß dieses Hohen Hauses auch in der Rechtsschutzstelle geleistet worden, die meinem Ministerium organisch eingegliedert worden ist. Diese Rechtsschutzstelle betreibt die Sammlung der Nachrichten, der Unterlagen über die noch immer in der Sowjetunion und in den kommunistischen Staaten des Ostens und Südostens Europas zurückgehaltenen Kriegsgefangenen, über das Schicksal der Vermißten, der in jenen Staaten verurteilten und inhaftierten Deutschen.

    (Zuruf von der KPD.)

    Sie arbeitet an einer sehr gründlichen Dokumentation über diese — ich darf es vielleicht so nennen — Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die auch für die internationale Behandlung dieser Frage von Bedeutung sein wird. Die Rechtsschutzstelle leiht daneben ihre Hilfe den zahlreichen ehemaligen deutschen Wehrmachtsangehörigen, die in ausländischen Staaten wegen Handlungen oder Unterlassungen im Zuge der Besetzung der fremden Länder in Untersuchungshaft sitzen oder verurteilt wurden. Sie vermittelt Auskünfte, sie bemüht sich um Beweismaterial, sie sorgt für die Rechtsberatung der Angeklagten und stellt ihnen im Rahmen des Möglichen geeignete Verteidiger. Ich glaube, das ist ein Stück praktischen Kampfes geien die Legende von einer deutschen Kollektivschuld.
    Dann befassen wir uns mit einer sehr umfangreichen und zeitraubenden Arbeit, deren Ergebnis für alle Zentralbehörden, für die gesetzgebenden Organe des Bundes und der Länder und auch für die Wissenschaft von Bedeutung sein wird, nämlich mit der Überprüfung und mit der Sichtung des Gesamtbestandes des alten Reichsrechts und auch des nach 1945 erlassenen Rechtes, der Gesetze und Verordnungen, mit dem Ziele einer Bestandsaufnahme des gesamten als Bundesrecht fortgeltenden Rechtes aus der Zeit vor und nach 1945.
    Parallel damit geht die Sammlung aller vom deutschen Recht abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge und die Untersuchung, inwieweit sie noch fortgelten oder inwieweit sie einer Erneuerung bedürfen.
    Damit habe ich in großen Zügen den Kreis der Aufgaben und Arbeiten umschrieben oder wenigstens angedeutet, auf denen das Bundesjustizministerium federführend ist. Dazu ist ein umfangreiches und in reiner rechtspolitischer Bedeutung nicht leicht abschätzbares Arbeitsgebiet getreten. Durch einen Beschluß des Kabinetts ist das Justizministerium mit der Überprüfung aller Gesetz-und Verordnungsentwürfe der übrigen Bundesministerien auf ihre Rechtsförmlichkeit und ihre materielle Vereinbarkeit mit dem übrigen Recht und mit dem Grundgesetz beauftragt worden. Bei der Fülle der Entwürfe, die seit Beginn der gesetzgeberischen Arbeit von der Bundesregierung vorgelegt wurden, war die damit verbundene Arbeit sehr erheblich. Sie kommt aber, so hoffe ich, der Gesetzestechnik und der Gesetzessprache zugute. Sie fördert die Entwicklung einheitlicher Grundsätze über die Auslegung des Grundgesetzes. Dieser Beschluß, das Bundesjustizministerium in diesem Sinne zum Rechts ministerium innerhalb der Regierung zu machen, stellt — so sehe ich es — einen erheblichen Fortschritt auf dem Wege zur Verwirklichung des Rechtsstaates dar. — Soviel über die Vergangenheit.
    Ich darf Ihnen nun einiges über die nächsten Aufgaben meines Ministeriums, also über den Arbeitsplan der nächsten Jahre, sagen. Ich habe Ihnen die in meinem Ministerium entstandene Denkschrift zum Problem der Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des Familienrechtes zugeleitet. Sie ersehen daraus, daß ich die Verwirklichung der Forderung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes nach Gleichberechtigung von Mann und Frau als vordringlich behandele. Auf dem Gebiete des ehelichen Güterrechts, der gegenseitigen Unterhaltspflicht der Ehegatten, auch hinsichtlich der Frage, inwieweit Mann und Frau in der Ehe den andern Teil in Rechtsgeschäften verpflichten können, wird sich die gerade hier in die Augen springende Benachteiligung der Frau verhältnismäßig leicht beseitigen lassen.
    Wesentlich schwieriger wird es dagegen sein, über den Inhalt und die Tragweite des Begriffes der Gleichberechtigung im Eherecht im engeren Sinne Einverständnis zu erzielen. Hier wird zu klären sein, inwieweit sich aus dem Wesen der Ehe Folgerungen für die Konkretisierung des Satzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" ergeben. Es wird aber auch, nachdem es inzwischen wohl allgemeine Überzeugung geworden ist, daß Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes keine mechanische Gleichmacherei fordert, sondern Gleichberechtigung unter Beachtung der natürlichen Verschiedenheit von Mann und Frau, sehr sorgfältig und gewissenhaft im einzelnen zu prüfen sein, in welcher Weise und in welchem Umfang die Verschiedenheit der Geschlechter sich auch in der vom Grundgesetz geforderten neuen rechtlichen Ordnung des Instituts der Ehe durch die Anerkennung besonderer Rechte und Pflichten des Mannes und der Frau äußert. Die Fragen sind überaus schwierig. Ich habe es deshalb lebhaft begrüßt, daß sich Mitglieder dieses Hohen Hauses zu einem Ausschuß vereinigen wollen, der mir bei der weiteren Arbeit auf diesem Gebiete der Erneuerung des Familienrechts beratend zur Seite steht.
    Möglichst bald will ich Ihnen, meine Damen und Herren, den Entwurf einer neuen Rechtsanwaltsordnung vorlegen. Die alte Reichsrechtsanwaltsordnung ist teilweise wegen ihrer nationalsozialistischen Tendenz, teilweise aber auch infolge der seit 1945 entstandenen Rechtsverschiedenheit dringend erneuerungsbedürftig.

    (Abg. Dr. Greve: Die hätte schon lange vorliegen sollen!)

    Das Prinzip der freien Advokatur hat unseren Anwaltsstand groß gemacht. Deshalb bin ich der Meinung, daß es einen numerus clausus in Zukunft nicht geben darf. Voraussetzung für die Zulassung muß und darf nur sein die fachliche Eignung, die nachgewiesen wird durch die erfolgreiche Ablegung der beiden juristischen Staatsprüfungen, die auch die Befähigung zum Richteramt verleiht. Der Stand des Rechtsanwaltes muß das Recht der Selbstverwaltung besitzen. Daraus kann aber, möchte ich meinen, nicht gefolgert werden, daß die Standesorganisation selbst über die Zulassung oder Nichtzulassung entscheidet: Diese Entscheidung muß aus mehrfachen Gründen in der Hand der


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    1 Justizverwaltung liegen. Die anwaltschaftlichen Ehrengerichte, die ein unentbehrliches Attribut der Selbstverwaltung sind, werden getrennt und unabhängig von dem Selbstverwaltungsorgan des Berufsstandes errichtet werden müssen und ihre Spitze, insbesondere für die schweren Dienststrafen des Berufsverbotes und der Zurücknahme der Zulassung, in einem Ehrengerichtshof haben müssen, der zugleich die Qualitäten eines obersten staatlichen Gerichtes besitzt.
    Ich habe Ihnen damit einige der Probleme angedeutet, die mir für die Erneuerung des Rechtes des Anwaltstandes von besonderer Bedeutung zu sein scheinen. Mein Ziel ist es, mit der neuen Bundesrechtsanwaltsordnung die Grundlage für einen beruflich ausgezeichneten, charakterlich hochwertigen, freiheitlichen, mutigen, mit Selbstzucht und Verantwortung gegenüber dem Recht arbeitenden Anwaltstand zu schaffen, der sich als wichtiges, ich sage: als unentbehrliches Organ der Rechtspflege fühlt und bewährt.

    (Beifall.)

    Parallel mit den Arbeiten an der Rechtsanwaltsordnung laufen bei mir die Arbeiten an einem Richtergesetz. Es wird nach meiner Vorstellung die Rechtsstellung der Richter aller Gerichte, nicht nur der ordentlichen, sondern auch der Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, nicht allein der Bundesrichter, sondern — in Rahmenvorschriften — auch der Landesrichter regeln. So wird dieses Gesetz ein sichtbares Zeichen der Einheit der rechtsprechenden Gewalt in unserem Staate sein. Ich möchte mit diesem Gesetz aber mehr erreichen. Ich möchte darin die Grundlage schaffen für die Entwicklung eines neuen Richtertyps; richtiger wäre es, zu sagen: die Grundlage für die Verwirklichung des Richtertyps, den alle unsere guten Richter anstreben, aber augenblicklich aus Gründen, die außerhalb ihrer Kraft und außerhalb ihrer Verantwortlichkeit liegen, nicht erreichen können. Ich will den im vollen Sinne des Wortes allseitig gebildeten Richter, die in sich gefestigte Richterpersönlichkeit mit dem wachen Sinn für das Leben, für dieses so mühselige, harte, drängende und verzehrende Leben unseres Volkes, mit dem Verständnis für die Nöte und die Bedürfnisse des einzelnen und der Gemeinschaft, mit dem Willen, zu helfen, mit der Aufgeschlossenheit gegenüber den sozialen, wirtschaftlichen, politischen und geistigen Fragen unserer Zeit, aber auch mit dem unbestechlichen Blick für das Richtige und Gerechte und mit der Standhaftigkeit, die allein die innere Freiheit, Unbefangenheit und Unabhängigkeit bewahren, auch wenn sie von außen bedroht wird.
    Meine Damen und Herren! Dieser Richter gedeiht nicht, wenn er in Arbeit erstickt, besonders wenn ihm angesichts der Dürftigkeit der Justizetats unserer Länder die primitivsten Voraussetzungen zur Arbeit fehlen, wenn er weder Zeit noch Mittel hat, um sich zu bilden, wenn er — man muß das schon sagen — in beschränkten Verhältnissen verkümmert. Nach meiner Meinung müssen deshalb im Richtergesetz Wege gefunden werden, um den Richter in seiner Stellung zu heben, ihn freier zu machen. Dazu wird es nötig sein, den Richter von allen ihrer Natur nach nicht richterlichen Aufgaben zu befreien, die Richtergeschäfte, auch die Zahl der Richter und der Gerichte zu vermindern und die Versorgung der Richter fühlbar zu verbessern.
    In diesem Zusammenhang wird man sich überlegen müssen, ob nicht der Instanzenzug in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vereinfacht werden kann. Mir schwebt als Endziel die Dreiteilung des
    Rechtszuges vor: das Tatsachengericht des ersten Rechtszuges mit dem Einzelrichter, die Berufungsinstanz auch als Tatsachengericht mit Kollegialverfassung und darüber das Rechtsrügegericht. Wir müssen auf, jeden Fall auch überlegen, ob durch die Beseitigung kleiner und kleinster Amtsgerichte etwas gewonnen werden kann. Wir müssen prüfen, welche Geschäfte, die bis jetzt den Richtern obliegen, im einzelnen in die ausschließliche Zuständigkeit der Rechtspfleger verwiesen werden können.
    Es geht, meine Damen und Herren, nicht um den Richter. Es geht um das Recht, um die Rechtspflege, um den wirksamen Rechtsschutz des einzelnen Staatsbürgers, der doch gerade von der Güte des Richters, dieses Vertreters eines Urberufes der Menschheit, abhängt. Im Hintergrund steht — das ist mein persönlicher Wunsch — das Streben nach der Einheit der Rechtsprechung, nach d e m Gericht, vor dem das Volk sein Recht suchen kann. Es wäre deswegen aus mehrfachem Grunde richtig, sämtliche Zweige der rechtsprechenden Gewalt verwaltungsmäßig schon jetzt an einer Stelle, zwangsläufig beim Justizministerium zusammenzufassen.
    In diesem Zusammenhang ist es mir ein Bedürfnis, an diesem Platz ein Wort für den deutschen Richter zu sagen. Er erweist sich — so gut wie ausschließlich — als ein pflichteifriger, kenntnisreicher und unparteiischer Diener des Rechts, der unser Vertrauen und unseren, Dank verdient.
    Die Tätigkeit unserer Gerichte findet in der Presse zunehmend Verständnis. Nach meinen Feststellungen ist das Zusammenwirken zwischen Justiz und Presse ein durchaus fruchtbares geworden.
    Dem ersten Strafrechtsänderungsgesetz, das noch von Ihnen beraten werden wird, soll möglichst bald ein zweites Strafrechtsänderungsgesetz folgen. das Lücken des Strafrechts schließen soll, die auf Grund der Entwicklung — teilweise bedrohlichen Entwicklung — der Kriminalität sichtbar geworden sind, das Überspanntheiten im Strafmaß, die vor 1945 hineingekommen sind, und Unklarheiten und Zweifel, die durch die Rechtsprechung und durch die Gesetzgebung nach 1945 entstanden sind, beseitigen soll.
    Daran muß sich die allgemeine Reform unseres Strafrechts anschließen. Meine Damen und Herren! Es ist meine Überzeugung, daß eine Fülle von Problemen des Strafrechts neu durchdacht werden muß.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Mein Ministerium wird nach der Beendigung dieses zweiten Strafrechtsänderungsgesetzes sofort an diese Arbeit gehen und wird sich dabei auf das reichliche Material der früheren Strafrechtsreformarbeiten stützen können. Das Ergebnis dieser Arbeit wird sodann mit den Länderjustizverwaltungen besprochen werden. Ich werde mir dann darüber schlüssig werden müssen, ob es erforderlich ist, dann noch einmal — wie es einem angekündigten Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei entspricht — einen besonderen Reformausschuß einzusetzen.
    Das reformbedürftige Gebiet des Jugendstrafrechts einschließlich des Jugendgerichtsgesetzes ist bereits Gegenstand der Überprüfung mit dem Ziel, eine Gesetzesvorlage zu erstellen, in der nicht nur das Strafverfahren vor den Jugendgerichten erneuert, sondern auch das materielle Jugendstrafrecht weiterentwickelt wird. Die von dem Abgeordneten Erler erwähnten Arbeiten über die Einführung des sogenannten Probationsverfahrens


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    sind auch ein Teil dieser Arbeiten. Weiterhin hoffe ich, daß sich auch meine Überlegungen über die Verbesserung des Strafvollzugs bald zu einer Gesetzesvorlage verdichten können.
    Das Auslieferungsrecht muß uns sehr bald beschäf Ligen. Die Praxis des letzten Jahres hat ergeben, daß das deutsche Auslieferungsgesetz in verschiedenen Punkten nicht mehr mit dem Recht des Grundgesetzes zu vereinbaren ist und deswegen erneuert werden muß. Dazu wird eine Reihe von Rechtshilfeverträgen mit fremden Staaten kommen, die Ihnen nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes als Bundesgesetze dann zur Verabschiedung vorgelegt werden.
    Ein sehr wichtiges Gesetz für den Rechtsschutz des Bürgers gegenüber Eingriffen in seine persönliche Freiheit wird das Gesetz zur Ausführung des Art. 104 des Grundgesetzes sein, das in seinen Grundzügen schon fertiggestellt ist. Ich darf auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wehner, die er am vergangenen Freitag an dieser Stelle gemacht hat, Bezug nehmen. Er hat gerügt, daß ein Beschluß des Bundestags vom 14. September 1950 noch nicht ausgeführt worden sei, in dem verlangt wurde, daß gegen alle Personen, die an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der sowie-tischen Besatzungszone beteiligt sind, im Gebiete der Bundesrepublik Strafverfolgung eingeleitet wird und daß gegen alle Personen vorgegangen wird, die im Auftrag und im Sinne der auf Gewalthandlungen abzielenden Beschlüsse des dritten Parteitages der kommunistischen SED und des sogenannten Nationalen Kongresses wirken. Ich darf darauf hinweisen, daß die hier umschriebenen Aufgaben zum Teil in dem Strafrechtsänderungsgesetz, zum Teil in dem Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit behandelt worden sind, das besonders die Tatbestände der Denunziation und der Verschleppung behandelt. Das Gesetz wird in der nächsten Zeit eingebracht werden. Die Verzögerung ist nicht von mir verschuldet; sie hat sich dadurch ergeben, daß das Gesetz selbstverständlich mit Berlin abgestimmt werden mußte.
    Ich darf noch darauf hinweisen, daß die Vereinheitlichung, Vereinfachung und Bereinigung des überaus unübersichtlich gewordenen Rechts der Zwangsvollstreckung mir ebenfalls eine dringliche Angelegenheit ist.
    Sie sehen aus der Fülle des Stoffes, welche Arbeitsgebiete mir obliegen. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit vielleicht noch einen Augenblick in Anspruch nehmen, weil es sich wirklich um bedeutsame Materien handelt, die im übrigen besonders auch auf dem Gebiete des Wirtschaftsrechts von mir zu erfüllen sind. Hier darf ich auf meine Arbeiten an einem Antimonopolgesetz, das den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung verhüten soll, gerade wegen seiner Bedeutung für die Wirtschaftspolitik und für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit hinweisen.
    Die Neuordnung des Rechts der Arbeitnehmererfindungen ist vorbereitet und wird bald in den Gesetzgebungsgang kommen. Ich denke auch an die Erneuerung des Urheberrechts. Einen besonderen Raum nehmen dann die Bemühungen ein, im Laufe des kommenden Jahres auf dem Gebiete des Urheberrechts den Anschluß an die internationalen Übereinkünfte zu finden. So sind insbesondere die Vorarbeiten im Gange, die in Kürze den Beitritt Deutschlands zu der 1947 in Brüssel revidierten Fassung der internationalen Berner Übereinkunft ermöglichen sollen.
    Von Bedeutung wird auch die Reform des Aktienredits sein. Das Aktienrecht von 1937 wird in dieser Gestalt nicht weiter bestehen können. Es wird auch zu überlegen sein, inwieweit es mit der heutigen Wirtschafts- und Rechtsauffassung noch in Einklang steht und inwieweit es mit dem übrigen Gesetzgebungswerk dieses Hauses in Einklang zu bringen ist.
    Eine Reform des Aktienrechts wird zwangsläufig eine Erneuerung des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach sich ziehen. Auch das Genossenschaftsgesetz bedarf in einzelnen Punkten der Reform.
    Aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen ist von mir weiterhin eine Neufassung des Handelsvertreterrechts ins Auge gefaßt, eine Materie, die im Ausland schon längst eine Kodifizierung gefunden hat, während in Deutschland zwei Weltkriege den Abschluß der Arbeiten immer wieder verhindert haben.
    Ich habe schon darauf hingewiesen, daß dem Bundesjustizministerium Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Justizverwaltung im allgemeinen fehlen. Auf der anderen Seite habe ich selbstverständlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf dem Gebiete der Justizverwaltung die materielle Übereinstimmung der Vorschriften durch Verhandlungen mit den Länderjustizverwaltungen anzuregen und zu fördern. Überall, wo ein Bedürfnis nach der Einheitlichkeit von Justizverwaltungsvorschriften zutage getreten ist, habe ich den Landesjustizverwaltungen meine vermittelnde Tätigkeit — ich glaube, mit Erfolg — angeboten. Eine Reihe von solchen Vereinbarungen ist zustande gekommen. Ich habe die Zuversicht, daß auf diesem durchaus föderalen Wege auch in Zukunft mit Erfolg fortgeschritten werden kann. Die enge, verständnisvolle und bereitwillige Zusammenarbeit zwischen den Justizverwaltungen und dem Bundesjustizministerium gibt mir die Gewähr, daß es mir gelingt, auch auf diesem Wege zu einer einheitlichen deutschen Justiz und Rechtspflege zu gelangen.
    Wenn ich von einheitlicher deutscher Justiz und Rechtspflege spreche, dann wendet sich unser Blick zwangsläufig nach dem Osten unseres Vaterlandes. Wir alle beobachten mit größter Sorge die Entwicklung der Rechtsprechung und der Gesetzgebung in der Sowjetzone. Der Herr Abgeordnete Wehner hat am letzten Freitag — ich glaube, in zutreffender Weise — die erschütternden Zustände des staatlichen Unrechts in der Sowjetzone geschildert. In der Strafrechtspflege treten dort drüben die politischen Strafsachen immer mehr in den Vordergrund, vor allem die Wirtschaftsstrafsachen politischen Inhalts. Weder das Verfahren noch die sachlichen Entscheidungen in diesen Strafsachen entsprechen den Grundsätzen eines demokratischen Staates. Es bedarf wohl kaum der Darlegung, daß solche Urteile von uns grundsätzlich nicht anerkannt werden. Derartige Entscheidungen mit politischer Tendenz werden deswegen im Gebiete der Bundesrepublik grundsätzlich nicht vollstreckt. Auch wird in diesen Strafsachen keinerlei Rechtshilfe geleistet, geschweige denn ein Angeklagter oder Beschuldigter in die Sowjetzone ausgeliefert.
    Anders liegen die Dinge auf dem Gebiete der reinen Kriminalität. Mit wenigen Ausnahmen, kann man sagen, besteht hier kein allzu auffälliger Unterschied zwischen der Rechtsprechung der Sowjetzone und derjenigen im Bundesgebiet. Trotz


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    der starken Bedenken, die sich im allgemeinen, schon wegen der Besetzung der Gerichte mit ungenügend vorgebildeten Volksrichtern in immer mehr zunehmendem Maße, gegen die sowjetzonale Rechtsprechung ergeben, scheint hier zunächst — zunächst, sage ich — noch ein Rechtshilfeverkehr möglich. Aber diese Rechtshilfe muß entsprechend den wechselnden Umständen elastisch durchgeführt werden. Sie darf in keinem Falle dazu dienen, daß gegen allgemeine Grundsätze der Gerechtigkeit verstoßen wird. Bei unangemessen hohen Strafen wird deswegen grundsätzlich nur ein nach unserer Auffassung angemessen erscheinender Teil der Strafe vollstreckt. Die laufenden Verfahren werden, soweit es irgendwie möglich ist, nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung hierher übernommen. Die Durchführung dieser Rechtshilfe in diesen Angelegenheiten ist in die Hände der Generalstaatsanwalte gelegt worden, die wohl am ehesten in der Lage sind, auf Grund ihres größeren Blickfeldes und ihrer Erfahrungen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Bundesrepublik zu wahren.
    Im Augenblick, sage ich, ist eine gesetzliche Regelung, wie sie jetzt in Berlin durch das Gesetz über die Behandlung der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen in Strafsachen von Behörden außerhalb Berlins vom 9. Januar 1951 getroffen worden ist, von uns noch nicht beabsichtigt. Ob die Regelung erforderlich ist, wird sich gerade an Hand der Erfahrungen, die Berlin mit seinem Gesetz macht, erweisen. Wir stehen deswegen selbstverständlich mit der Berliner Justizverwaltung fortgesetzt in engem Kontakt.
    Um nichts außer acht zu lassen, haben die Landesjustizverwaltungen einen besonderen Ausschuß gebildet, der alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Rechtshilfe für die Sowjetzone ergeben, darunter auch schwierige Einzelfälle, prüft und geeignete Maßnahmen vorschlägt, um bedenkliche und unerwünschte Folgen zu verhindern. Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, daß die zunächst in der Öffentlichkeit mit gutem Grunde erhobenen Beanstandungen gegen eine zu weitgehende Leistung von Rechtshilfe aufgehört haben. Ich glaube, daß das der richtige Weg ist, um dieses überaus schmerzliche Problem zu meistern.
    Die andere Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sowjetzonale Gesetze in der Bundesrepublik anzuerkennen sind, wird zur Zeit von Fall zu Fall unter Anwendung der von der Praxis und von der Wissenschaft entwickelten Grundsätze entschieden wird. Dabei wird immer im Einzelfall insbesondere geprüft, ob die Anwendung eines sowjetzonalen Gesetzes mit denen in der Bundesrepublik vereinbar ist. Die Frage, ob grundsätzlich die Anwendung ostzonalen Rechts im Bundesgebiet ausgeschlossen werden soll, ist eine politische Frage, die über den Bereich meines Ministeriums hinausgeht und die notfalls von Ihnen im Wege der Gesetzgebung geklärt werden muß.
    Die Tragweite verschiedener sowjetzonaler Gesetze, z. B. des Gesetzes über die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters, das Mutterschutzgesetz, die Regelung der elterlichen Gewalt, Vormundschaft über uneheliche Kinder, führen ja zu erheblichen Spannungen, die von uns fortgesetzt geprüft werden. Bei einer gesetzlichen Regelung muß nach meiner Meinung auf jeden Fall vermieden werden, daß sich eine grundsätzliche Nichtanerkennung sowjetzonaler Gesetze zum Nachteil der Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs auswirkt.
    Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht schließen, ohne der ersprießlichen Zusammanarbeit zwischen meinem Ministerium und Ihnen, besonders auch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dankbar zu gedenken und insbesondere für die sachkundige, verantwortungsbewußte Unterstützung meiner Bemühungen meinen Dank zu sagen. Mir geht es als Bundesjustizminister heute und in der Zukunft nur um eines: um das Recht, um die Verwirklichung der Gerechtigkeit und um die Gewährleistung eines wirksamen und starken Rechtsschutzes für jeden, gerade für den schwachen Bürger unseres Volkes. Das setzt aber eines voraus: daß unser Volk weiß, was sein Recht ist, daß unser Volk weiß, was Recht ist. Dieses Bewußtsein ist durch eine verbrecherische Zeit des Unrechts erschüttert worden. Die Rufe von der Vertrauenskrisis der Justiz oder von der Rechtskrisis werden erst verstummen, wenn unsere Menschen wieder zur inneren Anerkennung des Rechtsgebots, zur Ehrfurcht vor dem Rechte kommen. Eine namenlos schwere Aufgabe für jeden von uns! Denn jedem von uns ist diese Aufgabe gestellt. Der Gesetzgeber muß lernen, sich zu bescheiden, nicht Gesetz auf Gesetz zu türmen, sondern unser ordentliches Recht auf seine einfache und klare Grundgestalt zurückzuführen und daneben das auf bloße Zweckmäßigkeit gegründete Ordnungsrecht unseres modernen Verwaltungsstaates möglichst einzuschränken. Dann wird der Sinn unserer Menschen für die Verbindlichkeit des Rechts und der Gesetze wieder lebendig werden. Und nur wo Gesetz und Recht herrschen, können die Freiheit und die Würde des Menschen bestehen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache zur zweiten Beratung und darf vorschlagen, daß wir im Interesse der Vereinfachung die Gesamtaussprache und die Einzelbesprechung verbinden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag kann im letzten Haushaltsjahr nicht ohne Genugtuung auf die Verabschiedung der kleinen Justizreform und des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht zurückblicken. Darin ist dem Herrn Bundesjustizminister zuzustimmen. Der Bundestag hat damit an die gute Überlieferung des Wirtschaftsrates angeknüpft, der alle von seinem Rechtsausschuß vorbereiteten Gesetze ausnahmslos einstimmig verabschiedete: die Organisationsgesetze, das Wirtschaftsstrafgesetz, das D-Mark-Eröffnungsbilanzgesetz und das Wertpapierbereinigungsgesetz — Gesetze, die nach dem einhelligen Urteil der Wissenschaft die beste Tradition rechtsstaatlichen Denkens wahren. Bei aller Schärfe und trotz aller Härte unserer oft schneidenden Gegensätze im Bereich der allgemeinen Politik, besonders der Wirtschaftspolitik, sollté unsere Gemeinsamkeit des rechtsstaatlichen Denkens, die Gleichheit unseres demokratischen Wollens so groß sein, daß sich auf dem rechts- und justizpolitischen Gebiet die Vielheit unserer Meinungen doch stets wieder vereinigen lassen könnte.

    (Lebhafte Rufe in der Mitte: Sehr gut!)

    Mag sonst das politische Geschehen von der notwendigen Trennung in Regierung und Opposition leben, so bin ich doch überzeugt, daß im rechts-und justizpolitischen Bereich unsere Einigkeit möglich, ja geradezu unentbehrlich ist.

    (Zustimmung in der Mitte und bei der SPD.)



    (Dr. Arndt)

    Ich beklage es deshalb zutiefst, daß wir als Opposition uns gezwungen sehen, bittere Kritik an der Amtsführung des Herrn Bundesjustizministers vorzubringen. In einem Rechenschaftsbericht der Bundesregierung hat der Herr Bundesjustizminister sein Ministerium stolz als das Rechtsministerium bezeichnet. Der Herr Bundesjustizminister trägt die parlamentarische Verantwortung für die Politik der Bundesregierung, soweit in ihr eine Konzeption der staats- und völkerrechtlichen Lage der Bundesrepublik Deutschland sichtbar werden sollte.
    Meine Damen und Herren! Im Ost-West-Konflikt der Welt, angesicht der qualvollen Zerreißung unseres Vaterlandes in Besatzungszonen werden wir nicht bestehen können, ohne daß wir uns in der Sicherheit einer klaren Rechtsvorstellung wissen. Mit vollem Recht hat der Herr Kollege von Merkatz in der 125. Sitzung des Bundestages am 9. März 1951 als Sprecher der Regierungskoalition betont, wenn ich das mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier wörtlich zitieren darf:
    Alle Überlegungen im Zusammenhang mit der
    Wiedergewinnung der deutschen Einheit
    sollten von zwei Tatsachen ausgehen: erstens,
    daß Deutschland de jure nicht aufgehört hat,
    als Staat in den Grenzen des 31. Dezember
    1937 zu bestehen, und daß jede Änderung
    dieser Grenzen der deutschen Zustimmung bedarf und einem Friedensvertrage nicht vorweggenommen werden darf.
    Leider können wir nicht anerkennen, daß dieser Ausgangspunkt aller deutschen Politik auch im Tun und Lassen der Bundesregierung so sichtbar geworden wäre, wie es zu wünschen ist. Ich erinnere an die juristische und politische Haltung der Bundesregierung zur Saarfrage

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und an das Problem der deutschen Auslandsschulden. Auch den Herrn Bundesjustizminister müssen wir mit dafür verantwortlich machen, daß in der Saarfrage die zwingende Folgerung aus dem Fortbestehen des einen deutschen Staates von der Bundesregierung nicht so gezogen wird, wie es notwendig wäre.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der naive Einfall eines Professors für Zivilrecht, man könne nach der Art eines Prozeßvergleiches offenlassen, wer unter den Vertragsparteien beim Schuman-Plan für das Saargebiet mitunterschreibe, konnte wegen seiner politischen und völkerrechtlichen Weltiremdheit als lacherlich bezeichnet werden, wenn die Folgen einer solchen staatsrechtlichen und national-politischen Unzulänglichkeit nicht so tragisch wären.
    Wir verwahren uns gegen dieses Pflichtversäumnis, dessen sich auch der für das Recht zuständige Bundesminister der Justiz mitschuldig macht.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir beklagen, daß erst der geschlossene Widerstand wohl aller demokratischen Fraktionen im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten die Bundesregierung auf ihre Pflicht hinweisen mußte, nicht von einer staats- und völkerrechtlich indiskutablen Position aus über die deutschen Auslandsschulden zu verhandeln, die wir nicht anzuerkennen oder gar zu übernehmen, sondern nur als unsere fortbestehenden eigenen Schulden zu bestätigen hatten.
    Ebenso hat der Ausschuß für Rechtswesen und
    Verfassungsrecht in Übereinstimmung mit dem Parlamentarischen Rat den ununterbrochenen Fortbestand des einheitlichen gesamtdeutschen Staates erst herausarbeiten müssen und deshalb in zahlreichen Gesetzen, die vorerst allein in den Westzonen gültig sind, den Begriff „Bundesgebiet" durch den Begriff „Geltungsbereich des Grundgesetzes" ersetzt; denn Bundesgebiet ist nach wie vor ganz Deutschland in den Grenzen von 1937

    (lebhafte Zustimmung bei der SPD) einschließlich der Saar und einschließlich der Ostzone und einschließlich der deutschen Gebiete jenseits der Oder und Neiße.


    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    In aller Form lege ich deshalb auch dagegen Verwahrung ein, daß uns die Bundesregierung weiterhin Gesetzentwürfe vorlegt, in denen bloß die Westzonen, bloß der vorläufige Geltungsbereich des Grundgesetzes als Bundesgebiet bezeichnet wird, als ob das Bundesgebiet an der Elbe und vor der Saar ende. Wie verhängnisvoll es sich auswirkt, hier keine klare Sprache zu sprechen, hier nicht eindeutig in jedem Gesetz und in jedem Re-. gierungsakt zum Ausdruck zu bringen, daß es keinen neugegründeten westdeutschen Bund, sondern einzig den ununterbrochen fortbestehenden einen Staat „Bundesrepublik Deutschland'` gibt, wollen Sie daraus ersehen, daß neuerdings gedankenlose Richter in Hannover und West-Berlin die sowjetische Zone bereits als „Deutsche Demokratische Republik" in ihren schriftlichen Urteilsbegründungen anerkannt haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es ist an der Zeit, die Bundesbürokratie aufzuwecken, und es ist an der Zeit, jeden Richter und
    jeden Autor in einer juristischen Fachzeitschrift,
    der die sowjetische Zone — und es ist nichts als
    eine sowjetische Zone — als angebliche „DDR"
    oder „Deutsche Demokratische Republik" zu bezeichnen wagt, einen Rückversicherer zu nennen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich verstehe nicht, daß der Herr Bundesjustizminister soeben ausgeführt hat, das sei eine politische Frage, die über den Bereich seines Ressorts hinausgehe und unter Umständen gesetzgeberisch von uns gelöst werden müsse. Es gibt keine Deutsche Demokratische Republik, und es gibt keine Gesetzgebung dieser Republik, und wir werden diese angebliche Gesetzgebung weder de jure noch de facto anerkennen können.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    In den völkerrechtlichen Bereich der Verantwortung des Herrn Bundesjustizministers fällt auch die von ihm zu erwartende Fürsorge für deutsche Soldaten, die noch immer als sogenannte Kriegsgefangene im Ausland unter der Anklage eines Kriegsverbrechens stehen oder bereits verurteilt sind. Wer sich einer Straftat schuldig gemacht hat, der soll auch dafür mit der ganzen Härte und Strenge des Gesetzes gerichtet werden; aber es genügt nicht, Einzelfälle zu bearbeiten, und es genügt auch nicht, wie es der Herr Bundesjustizminister getan hat, nur vom Osten zu sprechen und den Westen zu vergessen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Will der Herr Bundesjustizminister der Minister des Rechts sein, so mußte er das grundsätzliche Problem erkennen und aufgreifen, das sich erhob, als man sich in Paris auf Grund des Pleven-Plans zu militärischen Verhandlungen mit der gleichen Nation an einen Tisch setzte, die noch immer in




    (Dr. Arndt)

    I ihren Kerkern deutsche Soldaten hält, die lediglich wegen ihrer kollektiven Zugehörigkeit zu einer Formation zu barbarischen Strafen verurteilt werden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Man kann das Recht nicht der Politik opfern; und das sage ich mit aller Deutlichkeit gegenüber der Erklärung, die der Herr Bundeskanzler vor wenigen Tagen hier zu dem Gesetz nach Art. 131 abgegeben hat. In dieser Erklärung behauptete der Herr Bundeskanzler, die Bundesregierung .nähme sich dieser noch im Ausland in Haft befindlichen deutschen Soldaten mit allem Nachdruck an, man müsse aber gewisse psychologische Rücksichten walten lassen. Ich bedaure, daß wir diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht akzeptieren können; denn wir behaupten, daß die Bundesregierung nicht das Ihre tut und getan hat, sich dieser Soldaten anzunehmen.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte und rechts: Unverschämt! — Abg. Bausch: Das ist ganz falsch! — Anhaltende Zurufe von der Mitte und rechts.)

    — Wenn Sie alle auf einmal reden, kann ich Sie zu meinem Bedauern nicht verstehen.

    (Abg. Bausch: Das müssen Sie beweisen! — Zuruf rechts: Dasselbe haben die Deutschnationalen früher Ihren Kollegen im Reichstag erklärt! — Abg. Dr. Wuermeling: Das sind wohl wieder Wahlkämpfe? — Weitere Zurufe.)

    — Sie scheinen die Deutschnationalen sehr gut zu kennen, nicht wahr?

    (Zuruf rechts.)

    Hier handelt es sich darum, daß der Herr Bundeskanzler gesagt hat, aus psychologischen Gründen müßten gewisse Rechtserwägungen zurücktreten.

    (Erneute Zurufe rechts und von der Mitte.) Nach meiner Überzeugung kann das Recht hinter gar nichts zurücktreten!


    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Im staatsrechtlichen Bereich obliegt dem Herrn Bundesjustizminister nach einem Kabinettsbeschluß die Überprüfung aller Gesetzentwürfe auf Verfassungsmäßigkeit und Rechtsförmlichkeit. Bereits der erste deutsche Juristentag, der nach Konstituierung der Bundesrepublik zusammentrat, mußte wohl einhellig feststellen, daß das von dem Herrn Bundesjustizminister mit zu verantwortende Beamtengesetz dadurch, daß es die Gleichberechtigung der Frau verletzt, die Verfassung brach. Ich habe auch heute nur mit einem gewissen Grauen solche Andeutungen gehört, daß die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nun unter Berücksichtigung, wie es hieß, der natürlichen Unterschiede allein gelten dürfe.

    (Zuruf rechts: Gibt es ja gar nicht! — Abg. Dr. Wuermeling: Wollen Sie die beseitigen? — Lachen in der Mitte und rechts.)

    — Nein, Herr Kollege Wuermeling, die will niemand beseitigen, aber die Gleichberechtigung von Mann und Frau heißt, daß eine rechtliche, und zwar absolute Gleichheit zwischen Mann und Frau in dem Rechtsleben anerkannt wird.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Sie dürfen da nicht, wie Sie das so gerne tun, mit spitzfindigen Unterscheidungen zwischen der mechanischen und der organischen Gleichheit, und was Sie da alles erfinden, kommen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das ist richtig!)

    Das Grundgesetz ist völlig eindeutig und kennt nur die rechtliche Gleichheit; die kennt es aber absolut. Wir sind nicht gewillt, hier auch nur einen I-Punkt davon abhandeln zu lassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wann immer der Herr Bundesminister der Justiz sogenannte Gutachten erstattete, liefen sie darauf hinaus, die verfassungsmäßigen Rechte des Bundestags zu schmälern.

    (Zuruf rechts: Oho!)

    Das begann mit dem unheilvollen Gutachten über das Petersberger Abkommen, das noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird. Ich mache hier eine Zwischenbemerkung. Der Verfasser dieses Gutachtens über das Petersberger Abkommen scheint uns weder politisch noch juristisch die geeignete Person, um Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt zu werden.

    (Abg. Dr. Hasemann: Das scheint Ihnen so!)

    Die Stellungnahme zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen geschah gegen die Rechte des Parlaments, gegen den von allen demokratischen Parteien hier im Hause getragenen Willen des Bundestags. Diese Reihe wird fortgesetzt beim Zolltarifgesetz durch die Behauptung, der Bundestag könne sein Recht zur Gesetzgebung nur bedingungslos übertragen. Es war geradezu unerhört in dem sogenannten Gutachten zur Frage des deutschen bewaffneten Beitrags, daß behauptet wurde, aus den Artikeln 4 und 24 des Grundgesetzes lasse sich die Zuständigkeit des Bundestags herleiten, durch einfaches Bundesgesetz eine Wehrverfassung zu beschließen. Sie, meine Damen und Herren, waren damals sehr belustigt, als insbesondere Herr Kollege von Merkatz Äußerungen des Herrn Kollegen Carlo Schmid und des früheren Herrn Abgeordneten Rudolf Katz aus dem Parlamentarischen Rat zitierte. Diese Äußerungen waren alle richtig, und sie gelten alle auch heute noch. Aber Sie haben sich eigentlich nur an Ihrer eigenen Unwissenheit gefreut. Denn die Kommandogewalt, die nach kontinental-europäischem Staatsrecht etwas qualitativ anderes ist als die Organisationsgewalt, und die Gesetzgebungskompetenz zur Wehrgesetzgebung, d. h. die Frage, wer zuständig ist, um solche Gesetze zu erlassen, sind im Grundgesetz bewußt nicht geregelt — Sie werden mir keine Bestimmung zeigen können, in der etwas Derartiges stünde — und daher nur durch eine Verfassungsänderung zu ordnen.
    Aber, meine Damen und Herren, diese merkwürdigen Gutachten des Herrn Bundesjustizministers, die immer darauf hinauslaufen, die Rechte des Parlamentes einzuengen und zu schmälern, fanden einen besonders pikanten Höhepunkt durch das sogenannte Gutachten zu dem Zweck, den Abberufungsantrag der Bayernpartei gegen den Herrn Bundesfinanzminister Schäffer uberhaupt nicht auf die Tagesordnung des Bundestages kommen zu lassen. Neuerdings soll sogar ein Gutachten erstattet worden sein — ich habe es noch nicht gesehen —, daß wir nicht einmal über den Antrag, das Gehalt eines Bundesministers zu streichen, hier abstimmen dürfen. Über einen gleichartigen Antrag hatte einmal der bayerische Landtag zu beschließen. Damals ging es gegen den Sozialdemokraten Dr. Zorn als Wirtschaftsminister, und damals hielt ein Mitglied des bayerischen Landtages -- nach der bayerischen Verfassung sind diese Dinge nämlich sogar noch strenger geregelt
    5134 Deutscher Bundestag — 153 Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. April 1951

    (Dr. Arndt)

    als hier nach dem Grundgesetz — in dessen 8. Sitzung am 20. Februar 1947 eine Rede, die in den Worten gipfelte — ich darf das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen —:
    Ich sehe auch gar kein Bedenken verfassungsrechtlicher Art, einem Einzelminister das Mißtrauen auszusprechen. Nach der Verfassung ist der einzelne Minister in seinem Ressort dem Landtag verantwortlich. Dies kann nur in der Form geschehen, daß der Landtag, wenn er das Verhalten des Ministers nicht billigt, das beschlußmäßig zum Ausdruck bringt. Es ist unmöglich zu sagen, der Landtag dürfe den terminus technicus „Mißtrauen" nicht gebrauche. Wir lassen uns doch keinen Maulkorb vorbinden. Was der Landtag sagen will, das sagt er. Da gibt es keine Einschränkung. Auch in der Verfassung ist eine solche nicht vorgesehen.
    Jener Redner hieß Dr. Thomas Dehler!

    (Heiterkeit!)

    Wenn der Herr Bundesjustizminister mit jenem Dr. Dehler identisch sein sollte, so sehen wir, daß dieser Herr Bundesjustizminister in einer Person zweierlei Rechtsauffassungen zu vertreten die erstaunliche Fähigkeit hat.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hasemann: Das ist doch eine andere Verfassung! — Zuruf des Abg. Euler.)

    — Herr Kollege Euler, die bayerische Verfassung ist noch strenger. Nach der bayerischen Verfassung wird der Ministerpräsident fur vier Jahre fest gewahit, so daß es noch weniger Möglichkeiten gibt, —

    (Abg. Strauß: In Bayern wird doch jeder Minister vom Parlament bestätigt!)

    — Ja, er wird bestätigt, aber es gibt nach der bayerischen Verfassung noch weniger Möglichkeiten, einen Minister zu stürzen als hier.

    (Abg. Strauß: Als Spitzenjurist darf man das nicht sagen! Ausgerechnet Sie, Herr Kollege Arndt! — Zuruf des Abg. Dr. Seelos.)

    — Herr Kollege Seelos, Sie können nachher über die „Bluatschand" reden!

    (Zuruf des Abg. Dr. Schmid [Tübingen].) Mich kann darum nicht mehr wundern, daß der Herr Bundesjustizminister über die Entbehrlichkeit des Bundestages bei der Getreidepreisgestaltung ein Gutachten erstattet haben soll, über das man in der amerikanischen „Neuen Zeitung" — wenn mir das vorzutragen erlaubt ist — in Nr. 58 vom 9. März 1951 folgendes liest. — Die Bundestagsabgeordneten bekommen ja die Gutachten nicht; sie müssen sich, wenn sie nicht in den Verdacht des Diebstahls geraten sollen, aus der Zeitung darüber informieren. — Also dort heißt es:

    Die sehr weitgehende Auslegung in einem Gutachten des Bundesjustizministers, daß die Verordnung zulässig und „gesetzlich" sei, weil die Strafverfolgung bei Preisüberschreitungen ohnehin eine Ermessensfrage sei, hat der Stellung der Regierung wohl eher geschadet als genützt. Hier dürfte in erster Linie der Grund zu suchen sein, weshalb ein solch erheblicher Teil der Koalition der Regierung die Gefolgschaft versagte. Denn der Standpunkt des stillschweigenden Duldens von Preisüberschreitungen sei mit den Grundlagen eines Rechtsstaates unvereinbar.
    In diesem Zusammenhang hat Herr Kollege
    Dr. Dr. Müller — höflich gesagt — die unüberlegte
    Bemerkung gemacht, wir wünschten, die Regierung
    im Zuchthaus zu sehen. Nein, wir wünschen die Regierung nicht im Zuchthaus, sondern auf dem Wege des Rechts zu sehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir mißbilligen es deshalb, daß der Herr Bundesjustizminister in allen bisher zur Entscheidung stehenden Fragen der Rechtsteilung zwischen Bundesregierung und Bundestag seine Gutachten so sehr unter den Gesichtspunkt der Opportunität gestellt zu haben scheint. Ein Bundesjustizminister, der aufhören würde, das rechtliche Gewissen der Bundesregierung zu sein, hat das Vertrauen verwirkt, das sonst auch die Opposition ihm willig entgegenbringen würde.

    (Zurufe rechts.)

    Denn, meine Damen und Herren, hier steht viel mehr auf dem Spiel als Parteiinteresse.

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Verfassungstreue und Rechtlichkeit in der Führung
    der Regierungsgeschäfte sollten für uns alle ebenso
    ein nationales Fundament, ein gemeinsames Anliegen sein wie die Frage der deutschen Einheit.
    Die Stellung eines Bundesjustizministers ist auch deshalb eine besonders geartete, weil seine Amtsführung von der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt zur rechtsprechenden Gewalt eine Brücke zu schlagen hat. Er ist für die Justizpolitik verantwortlich. Alle Justizpolitik hat darauf bedacht zu sein, die Unabhängigkeit der Richter und die Unparteilichkeit der Rechtspflege als die in jedem Rechtsstaat elementaren Voraussetzungen der Gerichtsbarkeit zu sichern.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die Unparteilichkeit der Rechtspflege erfordert materiell, alles Justizfremde, alles, was nicht justitiabel ist, von den Gerichten fernzuhalten. Denn die Gerichte sind kein Instrument der Politik.
    Mit Grauen haben wir aus dem Munde des Herrn Bundesministers für Wirtschaft in der 126. Sitzung am 14. März 1951 gehört:
    Ich
    — Herr Professor Erhard —
    werde weitere Vorschläge in der Richtung einer Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts dem Kabinett unterbreiten.
    Diese Bundesregierung muß in der Tat eine bemerkenswerte Geschäftsverteilung haben, wenn das Rechtsproblem der Wiedergutmachung dem Herrn Bundesfinanzminister zugewiesen wird und sie sich in dieser Kernfrage der Nation vor dem Parlament nur durch den Staatssekretär jenes Ministeriums vertreten läßt und wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister Strafgesetze ankündigt. Ich kann dem Herrn Bundeswirtschaftsminister darauf nur antworten: Hände weg von der Strafjustiz! Sie ist kein Instrument der Wirtschaftspolitik.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Die Justiz kann, soll sie nicht ihre Unparteilichkeit einbüßen, auch nicht berufen werden, politische und historische Fragen zu entscheiden. Gegen dieses justizpolitische Grundgebot verstößt das von dem Herrn Bundesminister der Justiz eingebrachte Strafrechtsänderungsgesetz 1950 in bedenklichster Weise. Ich erinnere nur an die unmögliche Bestimmung, daß Gerichte die politische Frage entscheiden sollen, ob eine Handlung geeignet sei, eine Kriegsgefahr zu begründen oder den Frieden zu gefährden. Die Justiz verliert immer dort ihre Unparteilichkeit, wenn sie sich selbst zum Richter


    (Dr. Arndt)

    über die Geschichte aufwirft. Das -war der Sündenfall der Justiz in zahlreichen Entscheidungen der Weimarer Zeit, insbesondere im Ebert-Urteil, und das ist heute das Problem des Hedler-Urteils. Nach dem Geist des Grundgesetzes kann das rechtliche Fundament der staatsbildenden Kraft unseres Volkes einzig die Überzeuung sein, daß innerhalb des Staates Deutschland' die nationalsozialistische Gewaltherrschaft stets nur eine Störung war und daß Hitler und seine Helfershelfer an keinem Tag und zu keiner Stunde legal und legitim, gerechtfertigt und rechtmäßig in Deutschland herrschten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Kein Gericht kann hinter die historische Grenzlinie des Grundgesetzes zurückgehen und prüfen, ob der faschistische Totalitarismus in Deutschland angeblich Rechtens gewesen wäre, und somit die Recht, mäßigkeit der Demokratie und des Grundgesetzes selbst in Frage stellen.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Hilbert: Sehr gut!)

    Auf das tiefste müssen wir deshalb beklagen, daß der Herr Bundesjustizminister an diesem entscheidenden Ansatzpunkt aller Rechtspolitik zumindest eine klare Haltung vermissen läßt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In einem Schreiben des Herrn Bundesjustizministers vom 25. März 1950 an den Betriebsrat des Landratsamtes in Schwabach heißt es insoweit — ich darf das wohl vortragen —:
    Daß Widerstand gegen die nazistische Gewaltherrschaft und ihre Verbrechen rechtmäßig war, ist so selbstverständlich, daß es einer gesetzlichen Regelung nicht bedarf. Wenn Sie aber daran dachten, auch alle gegen nationalsozialistische Einrichtungen gerichteten oder aus antinationalsozialistischen Beweggründen begangenen strafbaren Handlungen fur Rechtens zu erklären — das würde bedeuten, daß auch der politische Mord, der politische Raub, der Diebstahl aus politischen Gründen Rechtens wären —, dann wäre das im Grunde nur eine Anleihe bei den Nationalsozialisten, die 1934 die Gewaltmaßnahmen aus Anlaß des sogenannten Röhm-Putsches für Rechtens erklärten.

    (Hört! Hört! bei der SPD).

    Meine Damen und Herren! Soll — wenn dieses juristische Delirium einen Sinn hat — das heißen, daß die sogenannten Gesetze, ja vielleicht sogar die Führerbefehle Hitlers zu ihrer Zeit gültiges Recht waren und deshalb Notwehr dagegen unzulässig? Ich kann nicht glauben, daß das die Auffassung des Herrn Bundesjustizministers wäre.

    (Zurufe rechts.)

    Wir fordern aber von der Bundesregierung das unzweideutige Anerkenntnis, daß die Hitlerischen Akte — —

    (Zuruf des Abg. Dr. Hasemann.)

    — Ach, Herr Hasemann, Sie brauchen gar nichts zu sagen! Sie waren ja schon seit 1932 in der „Partei"!

    (Lebhafter Beifall und Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Wir fordern von der Bundesregierung das unzweideutige Anerkenntnis, daß die Hitlerischen Akte zu jeder Zeit rechtswidrig waren.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Uns empört das am Hedler-Urteil, daß es in unmißverständlich drohender Weise die Rechtmäßigkeit des deutschen Widerstandes, über den erst die
    Geschichte befinden werde, in Zweifel zog und damit die Fundamente antastete, auf denen das Grundgesetz beruht. Uns empören am Hedler-Urteil seine verfassungswidrigen Unrechtssätze, mit deren Hilfe es die von ihm selbst tatsächlich festgestellte Diffamierung der Juden als Nichtdeutscher und als nicht in Deutschland Heimatberechtigter rechtsbeugerisch ungesühnt ließ. Diese Kritik besteht heute wie je; denn es ist ja nicht wahr — und ich bitte auch den Herrn Präsidenten Dr. Ehlers, das zur Kenntnis zu nehmen —, daß wir die Entscheidungsgründe nicht gekannt hätten, als wir das Urteil verdammten, und es ist nicht wahr, daß Hedler nur aus Mangel an Beweisen freigesprochen wäre und uns bloß die allerdings immerhin fragwürdige Beweiswürdigung des Gerichts nicht gepaßt hätte.
    Was aber tat der Herr Bundesjustizminister? Mit der ihm eigenen Selbstgerechtigkeit zog er redend und schreibend durch die Lande, um zu verkünden, nur er denke rechtsstaatlich, die Sozialdemokraten aber versündigten sich am Recht. Sogar das evangelische Männerwerk in München suchte er mit einem Vortrag heim, um den jungen Leuten zu erzählen, bloß aus parteipolitischen Gründen hätten die Sozialdemokraten das HedlerUrteil angegriffen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Meine Damen und Herren! Das Hedler-Urteil war ein Fanal. Das Hedler-Urteil war die Stunde, in der das Versagen des Herrn Bundesjustizministers hoffnungslos offenbar wurde.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Und, meine Damen und Herren, wenn Sie heute darüber jammern, was Sie im niedersächsischen Wahlkampf von der SRP für Wahlreden hören, so wollen Sie sich daran erinnern, daß das mit dem Hedler-Urteil seinen Anfang genommen hat;

    (erneuter Beifall bei der SPD — Zurufe rechts.)

    denn die Unparteilichkeit der Rechtspflege wird verloren sein, wenn Sie in dieser ihr nach dem Grundgesetz nicht mehr zugänglichen geschichtlichen Frage Partei ergreift gegen den deutschen Widerstand und — verkennen Sie das nicht! — dadurch notwendigerweise zugleich für eine angebliche deutsche Kollektivschuld.
    Mit brennender Sorge müssen wir beobachten, wie, ermutigt durch die Zweideutigkeit und die restaurative Tendenz im rechtspolitischen Kurs der Bundesregierung, eine Rehabilitierung des nationalsozialistischen Regimes in der Rechtspflege sich andeutet. Ich kann Urteile vorlegen, in denen die Hitlersche Rassengesetzgebung als zu ihrer Zeit Rechtens behandelt wird.

    (Lebhafte Rufe bei der SPD: Hört! Hört! — Zuruf des Abg. Euler.)

    Ich kann Urteile vorlegen, in denen z. B. die Gestapo als eine zum Empfang von Anzeigen zuständige Behörde behandelt wird, so daß solche Anzeigen weder sittenwidrig noch zum Schadenersatz verpflichtend gewesen wären.

    (Abg. Euler: Das sind die Richter, die Herr Katz eingesetzt hat! — Große Unruhe rechts.)

    — Ach, Herr Euler, ich werde Ihnen etwas sagen: Schon spricht der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe von einem „Dritten Reich", als ob das ein Rechtsbegriff wäre und nicht


    (Dr. Arndt)

    nur ein Spottname, den man allenfalls ironisch und in Gänsefüßchen gebrauchen sollte.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Wenn wir die Justiz mit justizfremden Aufgaben belasten oder wenn die Gefahr im Verzuge ist, daß sich die Justiz selbst zur Richterin über geschichtliche Fragen aufwirft, so geht nicht nur die unentbehrliche Unparteilichkeit der Rechtspflege, sondern unvermeidlich auch die Unabhängigkeit der Richter verloren. Diese Unabhängigkeit ist doch keine nur formale, die sich mit Beamtengesetzen regeln läßt. Unabhängig ist der Richter, um dem Gesetz unterworfen zu sein. Der Sinn der Unabhängigkeit ist, daß der Richter sich als Diener des Rechtes, nicht als sein Herr begreifen soll. Deshalb war es kein gutes Wort bei Eröffnung des Bundesgerichtshofs, die auf dem Grundgesetz beruhende gesetzgeberische Zuständigkeit des Parlaments als ein „Rechtserzeugungsmonopol" zu ironisieren. Eine Warnung sollten hier auch die Amnestiebeschlüsse der Gerichte Würzburg und Bamberg in Sachen Ankerbauer sein, die geradezu eine Auflehnung gegen das hier beschlossene Straffreiheitsgesetz bedeuten. Wir fördern die Unabhängigkeit der Richter nicht damit, daß wir beständig von ihr reden, sondern dadurch, daß wir ihre Voraussetzungen sichern, und dazu gehört in allererster Linie, daß jede parteipolitische Einflußnahme unterbleibt.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Mich bewegt die entsetzliche Sorge, daß in manchen Ländern trübe Ereignisse vorgekommen sind und der Zeitpunkt heranreift, wo wir darüber auf der Bundesebene werden sprechen müssen. Für unsere junge Demokratie ist es eine Lebensfrage, daß der Bürger endlich Vertrauen zu seinem Richter fassen kann und den Glauben gewinnt, daß der Richter unparteilich und unabhängig seine Rechte schützt, wer immer sie antasten möge. Diesen Glauben zu erwecken, ist allerdings nach den bitteren Erfahrungen der Weimarer Zeit und der sogenannten gelenkten Justiz Hitlers nicht leicht. Wir werden daher bei der Auswahl der höchsten Richter, der Bundesrichter, und auch der Bundesanwälte besondere Behutsamkeit walten lassen müssen.
    Von den öden Formeln der Denazifizierung wissen wir uns frei und halten es nicht für bedeutsam, ob ein Richter formell dieser oder jener Organisation angehörte. Wir machen auch kein Märtyrerturn zur Bedingung; aber wir wollen uns davon überzeugen können, daß die Frauen und Männer, die an die Bundesgerichte berufen werden sollen, ein Gefühl für das Unrecht der Hitlerischen Diktatur hatten und unter diesem Unrecht seelisch und geistig gelitten haben. Uns fehlt daher jedes Verständnis dafür, daß der Herr Bundesjustizminister als einen der Bundesanwälte einen Mann vorgeschlagen hat, von dem auch der Rechtsausschuß des Bundesrats nicht der Meinung war, daß diese Qualifikation für ihn zuträfe.
    Wir halten auch die Errichtung des Bundesgerichtshofs nicht für den geeigneten Anlaß zu einer Restauration des früheren Reichsgerichts.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wohl hatte das Reichsgericht bis zuletzt auch untadelige Männer in seinen Reihen, auf die wir stolz sein dürfen und die heute für den Bundesgerichtshof zu gewinnen wir uns glücklich schätzen können. Aber auf dem einst so glanzvollen Namen des Reichsgerichts liegt auch der düstere Schatten des Ossietzky-Urteils. Und so bitter dies sein mag: zu
    unserm Schmerz weiß die deutsche Rechtsgeschichte nichts davon zu berichten, daß ein Senat des Reichsgerichts sich einmal Hitler so versagt hätte, wie es einst der Ruhm des preußischen Kammergerichts war, den seine Räte auf der Festung Spandau büßen mußten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Vor allem hätte bei der Errichtung des Bundesgerichtshofes nicht außer acht gelassen werden dürfen, daß wir in Gestalt des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone und des Deutschen Obergerichts schon zonale und überzonale, also vorläufige Bundesgerichte besaßen, zumal die Mitglieder des Deutschen Obergerichts sogar mit Zustimmung des Wirtschaftsrats und des Frankfurter Länderrats berufen waren. Die Richter des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone hatte der Nestor der westdeutschen Juristen, Herr Dr. Kiesselbach, weiland Präsident des Zentral-Justizamts in Hamburg, ausgewählt. Als das Zentral-Justizamt aufgelöst werden konnte, hat der Herr Bundesjustizminister freilich gesagt, er übernehme das Werk wie ein Sohn von seinem Vater. Aber er übernahm es wie ein Sohn, der sich der väterlichen Verwandtschaft schämte.

    (Unruhe und Widerspruch rechts.)

    Das haben nicht nur manche von Kiesselbachs Mitarbeitern zu spüren bekommen, sondern in peinlicher Weise auch führende und hochachtbare Richter des Kölner Obersten Gerichtshofes für die britische Zone.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenn Sie die Überleitung einst vom Reichsoberhandelsgericht auf das Reichsgericht vergleichen mit der Überleitung des Deutschen Obergerichts und des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Köln auf den Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dann werden Sie bemerken, welcher beklagenswerte Abstand zwischen dem Reden über die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter und der Verwirklichung dieses Grundsatzes klafft.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Um optimal die Unparteilichkeit der Bundesrichter zu gewährleisten, hat es das Grundgesetz nicht mehr allein dem notwendig parteipolitisch bestimmten Bundesminister der Justiz überlassen, die Bundesrichter zu berufen, sondern den Richterwahlausschuß als selbständiges Verfassungsorgan eingesetzt, damit Exekutive und Parlament sich gleichsam gegenseitig hemmen -und daran hindern sollen, Parteientscheidungen zu treffen. Die Gemeinsamkeit für die Entschließung des Herrn Bundesjustizministers und des Richterwahlausschusses ist im Grundgesetz feierlich vorgeschrieben. Ehe jedoch der Richterwahlausschuß auch nur zu seiner ersten Beratung in der Sache zusammentreten konnte, hatte der Herr Bundesjustizminister die Gemeinsamkeit bereits zweimal verletzt

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    dadurch, daß er die dem Richterwahlausschuß angehörigen Mitglieder der Regierungskoalition zu einer Geheimbesprechung zu sich berief,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und dadurch, daß er verfassungswidrig einen Beschluß des Kabinetts über die Person des Herrn
    Präsidenten des Bundesgerichtshofes herbeiführte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich will es mir gleichwohl versagen, auf Einzelheiten des Konfliktes im Richterwahlausschuß ein-


    (Dr. Arndt)

    zugehen, nicht wegen der Verschwiegenheitspflicht; was ihr unterliegt, ist im Rechtsausschuß des Bundestages nach meiner Erinnerung und Überzeugung sehr eindeutig klargestellt. Auch der Herr Bundesjustizminister würde das wissen, wenn er nicht in den bald zwanzig Monaten des Bestehens des Bundestages im ganzen bisher bloß zweimal zwanzig Minuten an den Arbeiten des Bundestagsausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht teilgenommen hätte,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    vermutlich weil er die übrige Zeit zu angestrengt damit beschäftigt war, gut von sich selber zu denken.

    (Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der FDP: Unverschämtheit!)

    Ich habe zwei Gründe — um von den Einzelheiten dieses Konfliktes nicht zu sprechen —: erstens bedarf der Bundesgerichtshof so notwendig des allgemeinen Vertrauens, daß unsere Kritik an der Amtsführung des Herrn Bundesjustizministers und der Arbeit des Richterwahlausschusses nicht den Ruf dieses Gerichtes antasten darf; und zweitens sind wir uns darüber einig geworden, daß für den Richterwahlausschuß künftig andere Regeln gelten sollen als für Ausschüsse des Bundestages, insbesondere, daß es im Richterwahlausschuß keine parteipolitischen Mehrheitsbildungen geben darf. Wir haben neue Hoffnung geschöpft, daß in Zukunft eine verfassungstreue Zusammenarbeit im Richterwahlausschuß möglich sein wird, besonders wenn durch eine Reform des Richterwahlgesetzes die bisher zutage getretenen institutionellen Schwächen beseitigt werden. Grundzüge dieser Reform müssen insbesondere sein die Beseitigung ) der geheimen Abstimmung und die Sicherung der Gemeinsamkeit zwischen dem Richterwahlausschuß und dem Herrn Bundesjustizminister in der Beratung und Entschließung.
    Wir müssen aber auch der Erwartung Ausdruck geben, daß der Herr Bundesjustizminister es fortan unterläßt, tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten in der Sache dadurch persönlich zu verschärfen, daß er von „Brunnenvergiftung" spricht, die angeblich aus parteipolitischen Gründen einem mißbeliebigen Politiker gegenüber verübt sei, und daß er es insbesondere unterläßt, ohne Zeitnot in geheimen Rundbriefen ungeprüft, obgleich schnell prüfbar, diffamierende Gerüchte über hochachtbare Juristen zu verbreiten, die für den Bundesgerichtshof vorgeschlagen sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Über eine dieser Verdächtigungen, die der Herr Bundesjustizminister in einem seiner Briefe den Mitgliedern des Richterwahlausschusses mitgeteilt hat, hat sich der Senior der deutschen Justiz, Hert Reichsminister a. D. Dr. Schiffer, durch Schreiben vom 16. Februar 1951 so geäußert — wenn ich das eben sagen darf —:
    Nach alledem hätte mich Ihre Anfrage noch mehr überraschen müssen, als es tatsächlich der Fall war, wenn ich nicht inzwischen erfahren hätte, daß eine gleichartige. An frage von seiten des Ministeriums des Innern auch an andere Stellen, insbesondere an ein früheres Mitglied meiner Behörde, gerichtet worden war. Der Empfänger verbarg mir nicht seine Entrüstung über die in ihr enthaltenen un- begründeten Verdächtigungen. Ich teile dies Gefühl und kann angesichts der mir entgegentretenden Verzerrung und Verdrehung aller
    Tatsachen mich nur schwer entschließen, nicht an dem guten Glauben des unbekannten Denunzianten zu zweifeln. Es scheint mir das vorzuliegen, was der Staatsanwalt im Prozeß Waldeck als ein Bubenstück, einen Mann zu verderben, bezeichnete.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich kann Ihnen sagen, aus welchem Schmutzwinkel dieses Bubenstück kam: aus dem Klüngel, den das Witzwort als „Bundessicherheitshauptamt" bezeichnet und in dessen Mitte sich ein gewisser Herr Globke

    (Fortgesetzte Rufe von der SPD: Globke! Globke!)

    befindet, über den noch zu einem Zeitpunkt zu reden sein wird, den wir bestimmen.

    (Zuruf von der KPD: Sehr interessant!)

    Gern hätte ich noch eingehend über die uns aufgegebene Justizgesetzgebung gesprochen, insbesondere auch die so dringend notwendige Bundesrechtsanwaltsordnung, die, wie ich es begrüße, der Herr Bundesjustizminister auch als vordringlich und eilig ansieht; denn in der sogenannten Ehrengerichtsbarkeit sind teilweise abscheuliche Mißstände zu beklagen, und das Bestreben reaktionärer Kreise, aus der Bundesrechtsanwaltsordnung so eine Art „Anwaltsgesindeordnung" zu machen,

    (Abg. Dr. Schumacher: Hört! Hört!)

    die den Assessor zwingt, drei Jahre unentgeltlich als sogenannter Anwaltsassessor zu arbeiten, hat mit Recht unter den Jungjuristen helle Empörung hervorgerufen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben noch einen weiten Weg bis zur Freiheit der Advokatur, die eine politische Grundforderung der Demokratie ist und bleibt, und wir verzeichnen mit Unruhe, daß es nach wie vor in Deutschland strafrechtlich Verfolgte gibt, die keinen Verteidiger finden, weil Rechtsanwälte sich scheuen, es mit den jeweils Mächtigen, insbesondere mit den Herren Justizministern, zu verderben, worüber ich Ihnen eine ganze Reihe von Briefen vorlegen könnte.

    (Lebhafte Unruhe.)

    Heute muß ich mich zum Thema Justizgesetzgebung auf den Hinweis beschränken, daß alsbald die Reform des allgemeinen Strafrechts in Angriff genommen werden sollte. Da der Bundestag zu überlastet ist, um nach dem Vorbild des Reichstages selbst eine ständige Kommission bilden zu können, empfehlen wir, nach Art der Königlichen Kommissionen in Großbritannien einen außerparlamentarischen Arbeitsstab zu bilden. Wir sind nicht davon überzeugt, daß es so durchgeführt werden kann, wie es der Herr Bundesjustizminister ankündigte, daß sein Ministerium erst die Arbeit machen wolle und dann unter Umständen ein solcher Stab eingesetzt werden müsse. Wir sind der Meinung, daß die Größe und Dringlichkeit der Arbeit alsbald einen solchen Arbeitsstab erforderlich machen. Wir erwarten allerdings, daß der Herr Bundesjustizminister die Mitglieder des Arbeitsstabes unparteiisch im Einvernehmen mit den demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses berufen wird. Ich bitte Sie deshalb, unserer Entschließung Umdruck Nr. 130 zuzustimmen.
    Meine Damen und Herren, gerne hätte ich hiermit meine Ausführungen beendet, sehe mich aber noch zwei unangenehmen Aufgaben gegenüber. Ich halte es erstens für meine Pflicht, im Rahmen der Haushaltsdebatte, und zwar einer Debatte über einen


    (Dr. Arndt)

    Haushalt, der sonst alles Lobes würdig ist, Kritik daran zu üben, daß der Herr Bundesjustizminister, wenn ich recht unterrichtet bin, im letzten Haushaltsjahr etwa 18 000 DM für Repräsentation verbraucht hat. Angesichts unserer allgemeinen Armut, angesichts des Elends, unter dem weiteste Kreise des deutschen Volkes nicht ohne erhebliche Schuld dieser Bundesregierung leiden müssen, halten wir einen derartigen Aufwand nicht für verantwortlich.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe von der KPD.)

    Zweitens habe ich die bittere Pflicht, darauf aufmerksam zu machen, daß von keinem Mitglied der Regierung eine solche Vorbildlichkeit in der demokratischen Haltung unerbittlich gefordert werden muß wie von, jedem Bundesjustizminister. Ich knüpfe hier an die letzten Worte in den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers an, in denen er sagte, daß erst Recht und Gesetz die Würde des Menschen zur Geltung bringen. Ich bin hier an einem Punkt angelangt, über den zu sprechen mir schwer fällt: die Hemmungslosigkeit, die den Herrn Bundesjustizminister vergessen läßt, was er seinem Amte schuldet.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Keiner von uns wird erwarten, daß ein Bundesminister der Justiz so schweigsam ist wie der Bamberger Reiter. Aber bei aller Hitzigkeit unserer Meinungskämpfe bleibt es doch ein Lebenserfordernis der Demokratie, den andern als einen, der anders denkt, gelten zu lassen und ihm nicht ohne zwingende Beweise die Ehrlichkeit seiner Ansichten abzusprechen.

    (Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

    Ein Bundesjustizminister insbesondere, der den so empfindlichen Kontakt zur Rechtspflege als einer besondersartigen Ausübung der Staatsgewalt herzustellen hat, sollte sich einer gewissen Zurückhaltung befleißigen. Und den Spiegel, Herr Hasemann, den drehen Sie um; denn es wird mir hier im Hause niemand vorwerfen können, daß ich je den Herrn Bundesjustizminister persönlich angegriffen hätte.

    (Oho-Rufe in der Mitte. — Abg. Hilbert: Nur persönlich!)

    — Das sollten Sie mir beweisen! Das ist nicht wahr! Ich habe Herrn Staatssekretär Strauß im Wirtschaftsrat und ich habe Herrn Bundesjustizminister Dr. Dehler niemals persönlich und niemals in der Ehrlichkeit ihrer Motive angegriffen.

    (Erneute erregte Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Aber wo man auch immer der Spur des Herrn Bundesjustizministers folgt, stößt man in immer neuen Variationen — und darum muß bei der allgemeinen Kritik dieses Ministeriums davon gesprochen werden — auf den erschütternden Tatbestand, daß er dem Andersdenkenden sofort mit Diffamierung antwortet.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das war schon so im bayerischen Landtag. Ich könnte eine Fülle von Zitaten bringen. Ich erinnere an seine Behauptungen in der 108. Sitzung des bayerischen Landtages vorn 13. Mai 1949, daß die bayerische Landesregierung, wie er gesagt hat, mit den gleichen Schlagworten, mit den gleichen Beteuerungen -wie Hitler kämpfe. „Hitler" war nicht mehr aussprechbar, weil ein großer Lärm einsetzte. Damals hat der bayerische Ministerpräsident, Herr Dr. Ehard, gesagt — ich darf diesen einen Satz aus dem stenographischen Protokoll vortragen —: „Das,
    was so schwer wiegt in dieser Erklärung des Herrn Abgeordneten Dr. Dehler, ist nicht etwa der Umstand, daß er seine Meinung vertritt oder daß er sie mit scharfen Worten vertritt, sondern daß er mit dieser Wendung tatsächlich — und so mußte es jeder verstehen — einem ehrlichen Menschen seinen ehrlichen Willen abspricht."

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Diese Worte des Herrn Ministerpräsidenten Ehard gelten leider für zahlreiche verbürgte weitere Außerungen des Herrn Bundesjustizministers, die hier im einzelnen zu wiederholen ich mich scheuen würde. Nur eine einzige Äußerung will ich aus der Fülle herausgreifen. Sie ist von dem Zeugen, einem Herrn Willi Haufe, vor dem Amtsgericht Lichtenfels eidlich bekundet. Mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus dem richterlichen Protokoll über die beeidete Aussage folgende Sätze zitieren:
    Bundesminister Dr. Dehler erklärte, Dr Schumacher wäre nicht nur körperlich und seelisch krank, sondern auch geistig.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Er stellte seinen körperlichen Zustand mit seinem geistigen Zustand auf eine Stufe. Diese Äußerungen Dr. Dehlers haben mich aufs tiefste erschüttert, zumal ich mit Bundesminister Dr. Dehler seit 1942/43 gut befreundet bin.
    Und dann heißt es weiter:
    Während der Versammlung verließ der erste Bürgermeister von Lichtenfels Dr. Wittmann den Saal. Ich traf ihn im Vorraum und fragte ihn: „Na, was sagen Sie nun?" Dr. Wittmann erwiderte mir dem Sinne nach: „Eine solche Entgleisung unseres Ehrenbürgers hätte ich nicht erwartet:"

    (Zurufe von der KPD.)

    In seiner eigenen eidlichen Aussage hat der Herr
    Bundesjustizminister vor dem Amtsgericht in Bonn
    bekundet, er habe Dr. Schumacher als — ich zitiere
    wieder wörtlich — „a u c h krank in seinem Sinn"
    bezeichnet so wie daß — und jetzt zitiere ich wieder
    wörtlich — „in meiner Ausführung eine Verbindung zwischen dem körperlichen und dem geistigen
    Zustand Dr. Schumachers gesehen werden konnte".

    (Pfui-Rufe von der SPD. — Zurufe von der SPD: So was ist Justizminister! Eine solche Gemeinheit! — Zuruf von der KPD: Und das ist Justizminister!)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kiesinger hat einmal das Wort gesprochen, daß zur Demokratie und zu unserer Arbeit hier in dem Hohen Hause ein ideologisches Existenzminimum erforderlich sei. Ich halte dieses Wort für richtig.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber glauben Sie mir, noch elementarer nötig als das ideologische Existenzminimum ist ein Mindestmaß des Menschlichen.

    (Zustimmung und Beifall bei der SPD.)

    Ich habe deshalb zuletzt nur noch darauf hinzuweisen, was mich aber hiernach nicht mehr weiter verwundert, daß es der gleiche Herr Bundesjustizminister ist, der zu behaupten pflegt, daß wir Sozialdemokraten die Macht erstrebten, um sie nie wieder herzugeben

    (Zurufe rechts)

    — ich würde doch den Beweis des politischen
    Analphabetentums nicht so laut von mir geben —,

    (starker Beifall bei der SPD)



    (Dr. Arndt)

    daß sich zum Osten bekenne, wer für den Sozialisnus eintrete. Ja, er spricht der größten und ältesten politischen Partei Deutschlands die demokratische Gesinnung ab.
    Statt zahlreicher Bleichlautender Meldungen über den letzten Landesparteitag der FDP in Fürth darf ich kurz aus der Fränkischen Presse vom 20. Februar 1951 zitieren:
    Indem er von der Härte der Opposition sprach, rief Dr. Dehler in großer Erregung: Mit der von Dr. Schumacher geführten Sozialdemokratie läßt sich keine Demokratie aufbauen. Der SPD geht es nicht um das Recht des einzelnen, sondern um die Macht, um eine böswillige Macht. Wer den Sozialismus unterstützt, der muß auf die Demokratie verzichten.

    (Rufe bei der SPD: Hu! Hu!)

    Ich enthalte mich jeder Kritik!

    (Abg. Dr. Greve: Da haben Sie Ihre Freunde! — Abg. Hilbert: Das sind doch dumme Vergleiche von Ihnen, Herr Dr. Greve! — Abg. Dr. Greve: Kommen Sie einmal nach Niedersachsen, da werden Sie etwas erleben, aber da wagen Sie sich gar nicht hin!)

    Meine Damen und Herren, ich enthalte mich jeder Kritik dieser Äußerungen, weil sie meines Erachtens nicht nötig ist. Aber Sie werden verstehen, daß wir einem solchen Bundesjustizminister restlos jedes Vertrauen versagen, und Sie dürfen mir glauben, daß ein solcher Bundesminister der Justiz auch in der Öffentlichkeit sowie insbesondere in der Justiz weithin nicht das Vertrauen besitzt, dessen jeder Bundesminister der Justiz, gleich welcher Partei, bedarf. Ich bin auch überzeugt, daß die meisten unter Ihnen bei der Rejerungskoalition mit mir der Meinung sind, daß Herr Dr. Dehler nicht den Vorstellungen entspricht, die man sich von einem demokratischen Bundesminister der Justiz zu machen pflegt. Vielleicht werden Sie von mir erwarten, daß ich irgendeinen Appell an den Herrn Bundesjustizminister richte und ihn zum Rücktritt auffordere. Dazu ist es zu spät, und ich verspreche mir von einem solchen Appell nichts, nichts, nichts.

    (Ironische Zurufe rechts: Sehr richtig!)

    Aber die Verantwortung für den Schaden, den. die
    Demokratie und die Rechtspflege leidet, trifft Sie!

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe rechts.)