Rede von
Dr.
Ludwig
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Gerade weil ich daran glaube, weil ich der Meinung bin, daß es nur so möglich sein wird und möglich sein kann, den Radikalismus in der Politik, der heute hier schon so oft angesprochen wurde — mag er kommen, woher er will —, in der Zukunft zu bekämpfen, deshalb müssen wir nach meiner Auffassung zueinander stehen in dieser Erkenntnis, und wir, gerade wir, die das Vertrauen des deutschen Volkes an diese Stelle getragen hat, sind in allererster Linie verpflichtet, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Und weil ich festzustellen meinte, daß der Herr Kollege Arndt in der Vergangenheit — gerade was die Person des Herrn Justizministers Dr. Dehler anlangt — vielleicht aus einer Einstellung, die ich persönlich tief bedauere und die vorhin hier schon einmal als ein tragisches Verhältnis angesprochen wurde, doch manchmal die subjektive Selbstkontrolle, die man sonst normalerweise haben müßte, bei seinen Ausführungen verloren hat,
deshalb habe ich schon einmal, Herr Kollege Arndt,
bei einer anderen Debatte von dieser Stelle aus
Sie angesprochen — ganz persönlich; Sie werden
sich erinnern — und habe Sie damals gebeten —
ich weiß nicht mehr, bei welcher Sachdebatte es
) war —, doch zu versuchen, in ein anderes, besseres
Verhältnis, ich meine ein menschliches Verhältnis
zu dem Herrn Bundesjustizminister zu kommen.
Und was antworteten Sie mir damals? Es klingt
mir heute noch furchtbar im Ohr. Sie antworteten
mir damals: Herr Kollege Schneider, Sie haben
ganz recht; aber wenn dieser Justizminister spricht,
ist es jedesmal ein nationales Unglück. Das war
wirklich das, was Sie mir damals erwidert haben.
Sehen Sie, Herr Kollege Arndt, diese überspitzten Formulierungen, diese ätzenden Formulierungen — möchte ich einmal sagen --- müssen natürlich auf der anderen Seite auch Wirkungen auslösen. Sie müssen auf der anderen Seite, wenn überhaupt noch ein Ehrgefühl vorhanden ist, doch sehr entscheidend verletzen. Sie dürfen sich darum nicht wundern, daß dann vielleicht auf der anderen Seite auch einmal ein Wort fällt, das auch ich nicht entschuldigen möchte. Aber in der Hitze des Gefechts passiert das eben. Man muß sich dabei aber immer fragen, ob man nicht selbst einen Grund dazu gegeben hat.
Sehen Sie, wenn ich mir Ihre heutigen Ausführungen betrachte. Herr Kollege Arndt, dann muß ich sagen: Sie haben wieder in genau der gleichen überspitzten, atzenaen, verletzenden Weise formuliert. Sie sagten, nachdem Sie ein Zitat aus den Ausführungen gebracht hatten, die der Herr Bundesjustizminister irgendwann einmal — ich weiß es nicht mehr so genau — im Bayerischen Landtag gemacht hat: Und welche Auffassung vertritt der Herr Bundesjustizminister heute? Sie skizzierten
das und kamen dann zu dem Schluß: Er vertritt
also zweierlei Rechtsauffassungen in einer Person.
— Sehen Sie, Herr Kollege Arndt, ich kenne den Vorgang nicht, um den es sich damals gedreht hat; aber von den Kollegen aus Bayern hier im Plenum, die die Dinge kannten, die wußten, zu welchem Sachgebiet Herr Minister Dehler damals gesprochen hat, nämlich wahrscheinlich zu der bayerischen Verfassung, würde Ihnen ganz mit Recht entgegengerufen: Damals stand eine ganz andere Frage zur Debatte! Wenn man das so komprimiert, nämlich gewollt, vorsätzlich und subjektiv zusammenfaßt, und dann zu einer derartigen Formulierung kommt, dann — verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das sage — betrachte ich das als überspitzt, als ätzend, als unberechtigt. Und genau das gleiche muß ich Ihnen sagen, wenn Sie formulieren: Der Herr Justizminister würde die Ansicht jedes Andersdenkenden oder jede andere Denkart sofort mit persönlicher Diffamierung beantworten.
-- Ich komme gleich darauf. — Ich habe mich vorhin bemüht, ganz objektiv darzustellen. Wenn man so kritisiert, dann muß man sich nicht wundern, wenn auf der anderen Seite auch mal — wie ich mich ausgedrückt habe — ein unbedachtes Wort fällt.
Die Frage ist die: Wer hat diese Form der Auseinandersetzung angefangen?
Wer hat diese Form der Auseinandersetzung verursacht?
Und es ist die Frage: Setzt man sich hier — das ist nämlich die entscheidende Frage — mit dem Justizminister der Bundesrepublik auseinander oder setzt man sich mit dam Politiker Dehler auseinander, mit dem man politisch nicht einverstanden ist? Das ist eine ganz andere Frage. Kollege Kiesinger hat schon darüber gesprochen. Wir sind nicht alle der gleichen Meinung. Wir wollen vielleicht alle das gleiche, nämlich die Wohlfahrt unseres Volkes. Wir sind aber über die Wege, die dahin führen, verschiedener Meinung. Das ist unser gutes Recht. Kiesinger hat das eingehend begründet. Ich kann da nur jedes Wort, das er gesagt hat, unterstreichen. Das darf aber nicht dazu führen, daß man nun in einer Weise Kritik übt, die eben dazu angetan ist, unser gemeinsames Wollen, nämlich diesen Staat, den wir uns doch letzten Endes alle gleich vorstellen, zu untergraben.
Herr Kollege Arndt, Sie sagten: Unser Volk muß wieder Vertrauen zu seinen Richtern gewinnen. Ohne weiteres! Das unterschreibe ich hundertprozentig. Aber wer sind denn diese Richter? Diese Richter sind Angehörige von Einrichtungen dieses Staates. Sie sind die Träger der rechtsprechenden Gewalt. Wenn Sie hier den obersten Repräsentanten dieser rechtsprechenden Gewalt
in dieser Art, in dieser verletzenden — verzeihen Sie, wenn ich das noch einmal wiederhole — kritischen Art angreifen, dann müssen Sie sich über die Wirkungen in unserem Volk klar sein. Denn
wenn man diesen Staat in seinen Grundfesten mit derartig ätzenden Kritiken angreift, dann darf man sich nicht wundern, wenn hier und dort zu einer Säule dieses Staates, nämlich zu der rechtsprechenden Gewalt, allmählich vielleicht kein Vertrauen mehr da ist. Wir sind der Meinung, daß wir uns alle bemühen müssen, dieses Vertrauen mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, zu stärken. Und wenn sie gar so weit gegangen sind, zu sagen
— ich habe es nicht ganz verstanden, tatsächlich nicht —, daß der Herr Minister bei der Einweihung des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe eine Formulierung gefunden hätte, — —
— Herr Kollege Greve, ich hatte ja die Ehre, mit Ihnen damals bei diesem Einweihungsakt zugegen zu sein, und ich muß eigentlich sagen: ich war damals zutiefst beeindruckt gerade von den Ausführungen, die der heute so entscheidend kritisierte Bundesjustizminister Dehler machte. An diesem Höhepunkt der vorläufigen Entwicklung sprach er so aus seinem vollen Herzen heraus, so mit offener Seele. Da legte er klar, was ihn bewegt, da legte er klar, was sein Ideal ist, da bekannte er sich zu dem, was wir alle wollen: zu Recht, Gesetz und Freiheit. Und, Herr Kollege Greve, wenn ich mich recht erinnere, machte ich sogar im Anschluß an diese Rede eine persönliche Bemerkung, und Sie bestätigten mir absolut das, was ich hier in knappen Zügen zu umreißen versuche.
Wenn man das alles miterlebt, gehört und gesehen hat, dann ist es meines Erachtens nicht angängig, daß man auch noch die menschliche Substanz des Herrn Ministers hier anzutasten versucht. Denn das liegt doch in der Formulierung: „der Herr Justizminister vertritt in einer Person zweierlei Rechtsauffassung". Das ist doch ein Angriff auf die menschliche Substanz, dem man sich gar nicht entziehen kann. Das heißt nämlich mit dürren Worten ganz einfach: der Herr Bundesjustizminister ist charakterlos genug, in einer Person zwei Auffassungen zu vertreten. Wenn man solche ätzende Kritik übt, muß man sich nicht über die Folgen und auch nicht darüber wundern,' daß wir selber wieder die Totengräber dieser Demokratie werden; dann muß man sich nicht darüber wundern, daß schon wieder Strömungen aufkommen, deren schamlose Auswirkungen wir dieser Tage hier zu behandeln Gelegenheit hatten.
Das ist die letzte Konsequenz aus diesen Ansätzen.
Weil ich das so genau sehe, deshalb warne ich davor.
Herr Abgeordneter Arndt, ich möchte Sie persönlich als Kollege und Jurist herzlich bitten, sich zu revidieren, sich zu überlegen, ob Sie sich, wenn Sie an dem Herrn Bundesjustizminister Kritik üben müssen, in Zukunft nicht zum mindesten in der Form anders ausdrücken müßten. Ich sehe sonst für uns alle, auch für unseren Staat Gefahren heraufkommen. die wir dann vielleicht nicht einmal mehr dämpfen können.
Ich bin der Meinung, daß diese Kritik an dem Herrn Bundesjustizminister in keiner Weise berechtigt war. Wfr sind der Auffassung, daß er als Jurist und als Mensch das größte Vertrauen verdient, und wir glauben mit ihm, daß, wie er heute am Schluß seiner Rede gesagt hat, nur dort, wo Gesetz und Recht herrschen, die Freiheit und die Würde des Menschen bestehen können. Wir werden deshalb auch den Etat genehmigen, und ich bitte das Hohe Haus, ebenfalls zuzustimmen.