Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zur Haushaltswoche des Deut-
schen Bundestages, mit der wir nach der parlamentari-
schen Sommerpause wieder in die Arbeit eintreten.
Der Kollege Oskar Lafontaine begeht heute seinen
65. Geburtstag, wozu ich ihm im Namen des ganzen
Hauses herzlich gratulieren möchte.
Das gilt auch für die Kolleginnen Erika Steinbach und
Dr. Herta Däubler-Gmelin sowie den Kollegen
Wolfgang Gehrcke, die während der parlamentarischen
Sommerpause ihren 65. Geburtstag gefeiert haben. Ihren
60. Geburtstag haben die Kolleginnen und Kollegen
Jürgen Klimke, Michael Müller, Dr. Angelica
Schwall-Düren, Brunhilde Irber und Maria Eichhorn
gefeiert. Ihnen allen übermittele ich auf diesem Wege
nachträglich noch einmal die guten Wünsche des ganzen
Hauses.
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Redet
Die Fraktion Die Linke hat mitgeteilt, dass die Kolle-
gin Diana Golze von der Kollegin Elke Reinke das Amt
der Schriftführerin übernehmen soll. Sind Sie damit ein-
verstanden?
– Das scheint trotz einzelner artikulierter Skepsis im
Ganzen mit hinreichender Mehrheit der Fall zu sein. Da-
mit ist die Kollegin Diana Golze zur Schriftführerin ge-
wählt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und
a) Erste Beratung des von der Bundesreg
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes
gierung
Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012
– Drucksache 16/9901 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind im
ahmen der Haushaltsberatungen für die heutige Aus-
prache im Anschluss an die Einbringung des Haushaltes
ünfeinviertel Stunden, für Mittwoch acht Stunden, für
onnerstag siebeneinhalb Stunden und für Freitag drei
tunden vorgesehen. – Auch dagegen erhebt sich kein
iderspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich erteile das Wort zur Einbringung des Haushalts
em Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Ein Tag im politischen Deutschland –Überschriften: „Finanzminister im Glück“, „Deutsch-land schreibt schwarze Zahlen“, „Staat erzielt6,7 Milliarden Euro Überschuss“, „Spielraum für Steu-ersenkungen“, „Die deutsche Wirtschaft fällt ins Stim-mungstief“, „Auf Talfahrt“, „Die Angst ist wieder da“.
elüberschriften aus renommierten deut-ungen, wie sie gegensätzlicher nicht seint aber nicht etwa eine Collage aus Presse-rgangenen fünf, sechs, sieben Monate;1 b auf:ierung ein- über dieDas sind Artikschen Tageszeitkönnten. Das isartikeln der ve
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Bundesminister Peer Steinbrücknein, das ist das Ergebnis der Presseauswertung eineseinzigen Tages, des 27. August 2008.
– Ich habe die Justierschraube leider nicht in der Hand.
Wir haben schon die Anweisung gegeben, die Laut-
stärke elektronisch zu justieren. Vielleicht können wir
uns ja darauf verständigen, dass der Finanzminister in
der Zwischenzeit ein bisschen lauter als üblich spricht
und das Plenum etwas leiser als üblich ist. Dadurch ließe
sich dieses Problem sicher lösen. – Bitte schön, Herr Mi-
nister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, in diesem Saal gibt es manche, die derMeinung sind, dass ich gelegentlich zu laut spreche. In-sofern folge ich dieser Aufforderung gerne.
Ich war bei der Aussage stehen geblieben, dass dieArtikel sehr unterschiedlich sind. Es handelt sich nichtum eine Collage aus Zeitungsmeldungen der vergange-nen sechs Monate oder des letzten Jahres, sondern umZeitungsmeldungen eines einzigen Tages. Ich will da-rauf hinaus, dass diese Artikel eines einzigen Tages, diemanchmal schon absurde Züge annehmenden, wirt-schafts- und finanzpolitischen Diskussionen im politi-schen Berlin wiedergeben.Diese Diskussion wird weiter aufgemischt von diver-sen Chefvolkswirten, vornehmlich aus Unternehmen derFinanzindustrie, die genau wissen, wie es um die Wirt-schaft in der Bundesrepublik Deutschland bestellt ist undwas nottut. Wenn ich mir dann allerdings die Finanz-märkte und die Unternehmen, die sie vertreten, ansehe,wäre ich gelegentlich dankbar gewesen, wenn dieseChefvolkswirte ihre Fähigkeiten stärker dem Unterneh-men hätten zuteil werden lassen als diesen öffentlichenVerlautbarungen.
Es finden sich auch diverse Professoren mit einer be-wundernswerten Prognosefähigkeit. In einer Sonntags-zeitung konnte ich die Prognosen von acht befragtenProfessoren lesen, die haargenau die Wahrscheinlichkeiteiner Rezession voraussagen konnten, schade nur, dassdiese acht verschiedenen Prognosen zwischen 5 bis50 Prozent lagen. Der Finanzexperte eines Kieler Insti-tuts bietet sich auch gern und regelmäßig als Kronzeugean, sodass dieses Mal, einen Tag vor dem Beginn derHaushaltsberatungen, eine Wirtschaftszeitung mit derBehauptung aufmachen konnte: „Steinbrück verfehltEtatziel“.
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llerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass amnde der Jahresabschluss im Ist immer besser gewesenst als der Sollabschluss.
Die Wirtschaftskonjunktur dreht in einen Ab-chwung. Das ist richtig; keiner verharmlost dies. Damitpringt offenbar die Konjunktur von Untergangsprophe-en und Krisenpredigern an. Das ist schädlich. Was mei-en Sie, wie solche Stellungnahmen auf die Bürgerinnennd Bürger wirken, insbesondere wenn diese als Exper-enwissen quasi einen besonderen Ritterschlag bekom-en? Das heißt, diese rangieren auf der Glaubwürdig-eitsskala in der Öffentlichkeit wahrscheinlich weitberhalb aller ohnehin verdächtigen und propagandisti-chen Stellungnahmen der Politik. Verwirrt und orientie-ungslos ist wahrscheinlich noch freundlich ausgedrückt.ie führen sicherlich zu fortschreitender Politikverdros-enheit, weil unsere politischen Reaktionen den geweck-en Erwartungen wieder einmal nicht nachkommen wol-en oder teilweise nicht nachkommen können. Dieserielstimmige Chor liefert Belege für Forderungen undorschläge, die sich Konjunkturprogramme, Antirezes-ionsprogramme, Entlastungsprogramme oder wie auchmmer nennen. Jeder ist für Entlastung – ich auch.
Doch die Frage lautet, ob dies mit unserer politischenernunft, mit unserer finanzpolitischen Vernunft und mitnserem realistischen Sachverstand zu rechtfertigen istder ob dadurch insbesondere unser politisches Handelnn der öffentlichen Wahrnehmung an Stringenz und Kon-equenz verliert. Dies würde in meinen Augen einen vielefährlicheren Entzug von Vertrauen in die Politik be-euten als die Weigerung, gelegentlich verständlicheünsche nicht zu erfüllen.Da die Steuereinnahmen des Bundes immer nochicht ausreichen, um schon heute keine neuen Schuldenehr zu machen, sind – genau wie in den letzten Jahr-ehnten – flächendeckende Entlastungen über die bereitsrfolgten Entlastungen oder in Vorbereitung befindli-hen Entlastungen hinaus bis 2011 nur auf Pump mög-ich. Ich kenne in der Dimension von zweistelligen Mil-iardenbeträgen aufwärts keine realistischen Vorschläge,ie über die von der Bundesregierung ohnehin geplantenntlastungsmaßnahmen oder zu übernehmende Ver-flichtungen hinaus – siehe ein Bundesverfassungsge-ichtsurteil zur steuerlichen Behandlung von Kranken-ersicherungsbeiträgen – durch Umschichtungen oderürzungen finanziert werden könnten. Also läuft es aufump hinaus.
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Bundesminister Peer SteinbrückSteuer- oder Ausgabengeschenke auf Pump engenaber unseren Handlungsspielraum immer weiter ein.Konkret heißt das: Schon heute können wir nur fünf vonsechs eingenommenen Steuereuros für die verschiedens-ten Zwecke, für die verschiedensten staatlichen Leistun-gen, die ja von uns erwartet werden, an die Menschenzurückgeben. Jeder sechste Euro geht für Zinszahlungenan die Banken drauf. Das Geld ist weg, ohne dass damitein einziger Euro getilgt worden ist. Jeder Häuslebauer,jeder Mittelständler weiß, dass diese Situation gefährlichist. Steuerentlastungen oder Ausgabenprogramme aufPump sind ein sehr vergiftetes Geschenk. Denn am Endemüssen sie immer bezahlt werden, vor allem von den-jenigen, die die Grundlast staatlicher Aufgaben finanzie-ren, also den Mittelschichten und den Mittelständlern,die mit höheren Steuern morgen zur Kasse gebeten wer-den.
Letztlich sind es immer wieder solche nicht nachhaltigfinanzierten Geschenke, die langfristig zu einem Ver-trauensverlust der Bürger in die Politik führen; denn dasdicke Ende kommt immer, üblicherweise erst nach Jah-ren. Dann wird von uns selbst und all denjenigen, dieuns kritisch begleiten, die Frage gestellt: Warum konntedie Politik das nicht verhindern? Ich will damit sagen:Bevor man sich daran ausrichtet, was ankommt, sollteman wissen, worauf es ankommt.
Ich habe die politische Erfahrung gemacht: Was dieMenschen von der Politik erwarten, ist nicht Beliebig-keit, nicht Sprunghaftigkeit und auch nicht ein Verspre-chen für den kurzen Beifall eines Nachmittags. Sie er-warten von der Politik Orientierung, erst recht in Zeitenrasanter Umbrüche und erheblicher Verunsicherungen,die mit der Globalisierung und der demografischen Ent-wicklung unausweichlich und in manchen Beziehungenauch schmerzlich verbunden sind. Den Menschen Orien-tierung und Selbstvertrauen zu geben, heißt, ein realisti-sches Bild zu zeichnen und dabei auch das einzuordnen,was in unserem Land in den letzten Jahren passiert istund worauf alle Deutschen stolz sein können.
Durch Reformen hat die Politik in den letzten fünfJahren dazu beigetragen, dass die deutsche Wirtschaftheute wesentlich robuster und wesentlich wettbewerbs-fähiger aufgestellt ist und dass es deutlich weniger Ar-beitslose gibt. Ohne die diversen finanz-, haushalts- undarbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der letzten Jahreund ohne die Beiträge der Wirtschaft zur Verbesserungunserer wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit hätte unsdie anhaltende und sehr ernst zu nehmende globale Fi-nanzmarktkrise aus der Bahn werfen können.Von vielen Experten der EU-Kommission, des Inter-nationalen Währungsfonds und der OECD und in vieleninternationale Studien wurde uns bestätigt: Es hat sichgelohnt, dass wir nach dem tiefen Fall nicht im Stillstandverharrten, sondern uns auf den Weg gemacht und teil-weise auch schmerzhafte Veränderungen durchgeführthHddab1itsüzuAdlpjDubwsdgvdhWVDAssfssdRBbldwdDsssW
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Jetzt sagen einige: Gut, wirtschaftlich hat sich man-ches ausgezahlt. Es ist auch nicht alles falsch gemachtworden, auch nicht von dieser Großen Koalition. Wir ha-ben in den vergangenen Jahren einige Reformschritte ge-macht. Aber es ist doch alles ziemlich ungerecht, wasdamals und seitdem passiert ist.Diejenigen möchte ich an die ungerechte Situationerinnern, die sich seit den 90er-Jahren aufgebaut hat.Jahr für Jahr wurden immer mehr Menschen gegen ihrenWillen in die Arbeitslosigkeit gedrängt. War das nichtungerecht? Jahr für Jahr wurden mehr Menschen zumTeil gegen ihren Willen in die Frühverrentung hineinge-jagt. War das nicht ungerecht? Jahr für Jahr stieg die So-zialversicherungsabgabenlast als einzige Antwort da-rauf, die Sozialsysteme zukunftsfest zu machen. War dasnicht ungerecht?Menschen, die dringend Hilfe brauchten, um einenSchul- und Berufsabschluss zu machen, um wieder Ar-beit zu finden, erhielten keine oder nur unzulänglicheHilfe. War das nicht ungerecht? Junge Familien mit Kin-dern erhielten viel zu wenig Unterstützung für Betreu-ung. Gleichzeitig beklagten damals schon viele die Aus-wirkungen des demografischen Wandels. War das nichtungerecht?
All diese Ungerechtigkeiten gab es. Gelegentlich er-innern wir uns daran, dass es seinerzeit hunderttausendevon Sozialhilfeempfängern gegeben hat, die wenigerGeld bekamen, als heute Hartz-IV-Empfänger bekom-men,
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Sauerkraut.
Wer hat mir den Hinweis gegeben? Herr Kollegechäuble, gut, es sind vier Begriffe.Seit Amtsantritt verfolge ich das Leitmotiv einerestaltenden Finanzpolitik. Seit drei Jahren setzen wirleichzeitig auf Wirtschaftswachstum und solides Haus-alten. Wir setzen gleichzeitig auf Zukunftsinvestitionennd weniger Schulden. Wir setzen gleichzeitig auf einetärkung der Wirtschaft und mehr Teilhabe für mög-ichst viele.Daran halte ich fest, unbenommen der Eintrübungenes wirtschaftlichen Umfeldes. Daran sollten wir allezumindest in der Großen Koalition – festhalten.
Ich habe eingangs schon von den Spekulationen da-über gesprochen, ob die Rezession kommt, ob sie nichtommt oder ob wir uns mitten in ihr befinden. Fakt ist:it einem Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent imrsten Quartal ist die deutsche Wirtschaft besser in das
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Bundesminister Peer Steinbrücklaufende Jahr gestartet, als von vielen erwartet undprognostiziert wurde. Sie alle wissen, dass wir es imzweiten Quartal mit einem knapp rückläufigen Wirt-schaftswachstum zu tun haben, und ich kann nicht aus-schließen, dass das Wachstum auch im dritten Quartalnicht positiv sein wird. Schon hört man aus allen Eckendie Rufe des Entsetzens, dass wir in einer Rezession ste-cken. Diese verbreiteten Sado-Maso-Tendenzen sind mirein absolutes Rätsel.
Um das anzumahnen: Uns Deutschen geht offenbardie Fähigkeit ab, Entwicklungen zu entdramatisieren, siemit kühlerem Kopf zu analysieren und vor allen DingenBalance im Urteil und im Vorgehen zu wahren, statt so-fort Worst-case-Szenarien zu entwerfen, die mit schönerRegelmäßigkeit im günstigsten Fall zum Untergang desAbendlandes führen.
Nach meiner Einschätzung gibt es keinen Grund da-für, aufgrund eines unbestrittenen konjunkturellen Ab-schwungs solche Untergangsszenarien zu malen. Für dasGesamtjahr 2008 hält die Bundesregierung das von ihrprognostizierte Wachstum von 1,7 Prozent nach wie vorfür realistisch. Das gilt erkennbar nicht nur für sie, son-dern auch für die Europäische Kommission, die in ihrerEinschätzung sogar von einem leicht höheren Wirt-schaftswachstum von 1,8 Prozent ausgeht. In den Über-schriften der Meldungen steht aber: Die EU-Kommis-sion prophezeit eine Rezession in Deutschland. – Nein,sie rechnete zu Beginn dieses Jahres mit einem höherenWachstum als die Bundesregierung selber.Auch wenn das Wachstum im kommenden Jahrschwächer ausfallen dürfte, kann von einer Rezessionkeine Rede sein. Auf den Punkt gebracht: Wir befindenuns in einem Abschwung. Aufgrund der internationalenEntwicklung gibt es Risiken für eine Abwärtstendenz.Die Stichworte sind Ihnen allen geläufig. Eine Wirt-schaft mit einer positiven Entwicklung auf dem Arbeits-markt befindet sich aber nicht in einer Rezession.
Diese positive Entwicklung sollte auch nicht durchKassandra-Rufe gestört werden. Es gibt so etwas wieeine negative Selffullfilling Prophecy.
Alle, die mit Lustgewinn und teilweise auch deshalb, umihre Wünsche zu begründen, Entlastungs- und Ausga-benprogramme aufzulegen, das Gespenst einer Krise andie Wand malen, sollten sich ihrer Verantwortung in ei-ner durchaus labilen Lage sehr stark bewusst sein. Faktist und bleibt: Die deutsche Wirtschaft ist wesentlichwettbewerbsfähiger und robuster als vor fünf Jahren.Deshalb sollten wir bei der Analyse der aktuellen wirt-schaftlichen Situation Maß halten.Dazu gehört auf der Negativseite, dass die global ver-ursachten Rekordpreise, die es bei der Energie und denNahrungsmitteln gab und gibt, natürlich ihre SpurenbwtdmPnswGsLtrnznstnidmgDhgdwGddmqwPkDdgdf–nsWwR
Weil mir an diesem Punkt sehr gelegen ist, will icharauf noch einige Sätze verwenden, auch auf die Ge-ahr hin, dass ich langatmig werde.
War das, was ich bisher gesagt habe, nicht ernst zuehmen, Frau Künast? Das entnehme ich Ihrem Zwi-chenruf.
enn der Staat Fürsorgebereitschaft erklärt, ohne dieseirklich erfüllen zu können, weil das außerhalb seinereichweite oder seiner Möglichkeiten liegt, dann führt
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Bundesminister Peer Steinbrückdas zu unerfüllbaren Kompensationsversprechen.Diese unerfüllbaren Kompensationsversprechen führenletztlich zu Enttäuschungen der Bürgerinnen und Bürger.Ich möchte den Sozialpsychologen Harald Welzer zi-tieren:Keine Demokratie der Welt kann dafür einstehen,wenn Ressourcen knapper und damit teurer werden;wenn sie– die Politik –Vertrauen erhalten will, muss sie paradoxerweisesagen, dass sie es nicht kann.Im Übrigen liegt, so schmerzlich das sein mag, in diesemPreissignal die Lösung. Verhaltensänderung, Produkt-und Prozessinnovation im Sinne höherer Energieeffi-zienz, moderne Kraftwerkstechnik, Kraft-Wärme-Kopp-lung und Gebäudetechnik, also alles, was zu einer größe-ren Unabhängigkeit von Energieimporten führt, wirddurch diese Preissignale ausgelöst. Das heißt, dieseSignalwirkung des Preismechanismus sollten wir nichtdurch Subventionen aushebeln.Wie sollten wir auch, wenn der Preis für Rohöl wieein Jo-Jo auf- und abgeht? Mal ist er bei fast 150 Dollarpro Barrel, jetzt liegt er unter 100 Dollar. Hätten wir da-rauf konkret die Steuer- und Ausgabenpolitik des Bun-des innerhalb von wenigen Monaten einstellen sollen?
Was würden wir den Menschen an Subventionen ver-sprechen, wenn der Barrelpreis für Rohöl eines Tagesbei 170, 180 oder 190 Dollar liegt? Die berechtigteFrage, auf die wir eine Antwort finden müssen, ist, wa-rum im Abwärtstrend die Benzinpreise nicht ebensoelastisch sinken, wie sie im Aufwärtstrend für die Ver-braucher steigen?
Ich will abschließend meine tiefe Skepsis gegenübernationalen Konjunkturprogrammen in drei Argumen-ten schildern.Erstens. Es ist nicht möglich, eine konjunkturelle Ein-trübung, deren Ursachen eindeutig in globalen Preis-schüben und Finanzmarktkrisen liegen, mit einem natio-nalen Konjunkturprogramm zu bekämpfen. Wer das tut,verbrennt lediglich Steuergeld.
Wofür? Dafür, dass ein Konjunkturprogramm von zumBeispiel stattlichen 10 Milliarden Euro gerade einmal0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der deutschenVolkswirtschaft entsprechen würde? Das ist viel zu we-nig, um selbst bei einer unterstellten 100-prozentigen In-landsnachfrage oder Inlandswirksamkeit einen nachhal-tigen Konjunktureffekt auszulösen.Zweitens. Jede Abkehr vom notwendigen Konsolidie-rungskurs, die mit einem Konjunkturprogramm verbun-den wäre, würde zwangsläufig zu gegenläufigen Ent-wicklungen führen. Wir sind schließlich nicht dieeedGmkhcsV–Btt3e11WrdJdaDstBgSjkdrgFbHdngkndgJwGz1
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uf drei Beispiele will ich eingehen. Es ist eine Mär,ass der Staat an den Preissteigerungen bei Kraftstof-en verdient. Fakt ist: Die Steuerbelastung des Kraft-toffverbrauchs hat sich seit 2004 trotz der eminent stei-enden Kraftstoffpreise kaum verändert. Für 2008echnen wir mit einem Steuermehraufkommen bei denraftstoffen in Höhe von 300 Millionen Euro. Damitären wir auf dem Niveau von 2004. Es ist nicht dertaat, der bei den steigenden Benzinpreisen mit entspre-hend sprudelnden Steuermehreinnahmen hinlangt. Esind vielmehr Energiekonzerne, die die höchsten Quar-alsgewinne in ihrer Geschichte oder Rekordsteigerun-en im Jahresvergleich erzielen. Es ginge allen besser,enn diese Konzerne einen Teil ihrer unglaublich hohenusatzgewinne über niedrigere Preise an die Konsumen-en bzw. die Verbraucher zurückgäben.
ch sage mit Bedacht und mit Blick auf eine Stabilisie-ung der wirtschaftlichen Entwicklung: Das liegt auchm Interesse der betreffenden Konzerne.Ich habe in diesem Zusammenhang allerdings nie ver-tanden, warum sich die Politik manchmal Schuhe an-ieht, die gar nicht in ihrem Schrank stehen, und warumir uns das anschließend um die Ohren hauen. Ich willesthalten: Entgegen der landläufigen Meinung ist dasufkommen aus den Energiesteuern insgesamt, alsoicht nur aus den Steuern auf Kraftstoffe und Heizöl,007 im Vergleich zu 2006 – nun halten Sie sich fest! –m 2,4 Prozent gesunken. Dieser Trend setzt sich er-ennbar in den ersten Monaten des Jahres 2008 fort. Da-it will ich unterstreichen: Die Wahrnehmung, dass esusätzliche Verteilungs- oder Ausgabenspielräume gibt,st falsch. Auch jeder Landesfinanzminister müsste dasigentlich wissen.Genauso maßlos überzogen werden die Auswirkun-en der sogenannten kalten Progression dargestellt.
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Bundesminister Peer SteinbrückZwei Beispiele: Ein Single mit einem zu versteuerndenEinkommen in Höhe von 25 000 Euro wird bei einer in-flationsgetriebenen Einkommenssteigerung in Höhe von3 Prozent mit weniger als 10 Euro pro Monat zusätzlichbelastet. Bei einem Ehepaar mit einem zu versteuerndenEinkommen in Höhe von 40 000 Euro sind es knapp14 Euro pro Monat. Jetzt kommen wir auf den Punkt:Tatsächlich gibt es ein Begriffswirrwarr. Viele meinennicht den inflationsgetriebenen Staubsaugereffekt zulas-ten der Nettoeinkommen, sondern den tarifbedingten Ef-fekt. Das heißt, wir haben es im Tarifverlauf mit einerschnell wachsenden Grenzbesteuerung von mittlerenEinkommen zu tun; das ist so. Aber dann sollten wir ers-tens in der politischen Aussage präziser werden. Zwei-tens halte auch ich das für ein Problem, dessen Beseiti-gung durch den sogenannten Mittelstandsbauchallerdings nicht unter 22 Milliarden Euro zu haben ist.Wir müssen diese Dimension deutlich machen, aberauch, wie das finanziert werden soll. Einen solchen Ein-nahmeverlust ohne Verwerfungen annähernd zu verkraf-ten, kann erst Thema werden, wenn wir im Bundeshaus-halt nicht mehr auf Pump leben, also keine neuenSchulden machen. Mehr Netto für unsere Kinder, das istmeine Devise.
Ähnliche Verzeichnungen gibt es übrigens bei derEntfernungspauschale. Sie wirkt sich wegen des Ar-beitnehmerpauschbetrages in Höhe von 920 Euro für dieMasse der Berufspendler, für alle mit bis zu rund14 Kilometer Fahrstrecke, rein rechnerisch überhauptnicht aus.
Kaum jemand redet darüber. Von einer Wiedereinfüh-rung der Pendlerpauschale würde lediglich ein Siebtelder Steuerzahlerinnen und Steuerzahler profitieren. Zah-len müssten dafür allerdings alle Steuerzahlerinnen undSteuerzahler. Das ist der Unterschied.Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Führen wir unsselbst und die Bürger – auch in Wahlkämpfen – bittenicht hinter die Fichte!
Der Löwenanteil der Steuereinnahmen resultiert aus derverbesserten Situation auf dem Arbeitsmarkt und ausdem höheren Wirtschaftswachstum. Mehr Beschäftigteals zuvor können nun Steuern zahlen. Die Unternehmenmachen zudem höhere Gewinne. Das sind die Haupt-quellen der Mehreinnahmen und nicht eine relativ hö-here Belastung der Steuerbürgerinnen und Steuerbürger.Anders ausgedrückt: Der Anteil der Steuern und Abga-ben am Bruttoeinkommen ist von 1999 bis 2007 – alsoin den letzten fast zehn Jahren – nahezu für alle Bürge-rinnen und Bürger, bezogen auf das gleiche Einkommen,gesunken. Dass es andere Faktoren gibt, die den Geld-beutel geschmälert haben, ist mir bewusst. Das erwähneich, damit ich nicht für blauäugig gehalten werde. DassnwmnAwhdIefuA3egSrlEDhWtsnddwsBfsdlgmtuKszse
Es ist mir deshalb wichtig, dass wir die doppelte Stra-egie beibehalten, im Schuldenabbau voranzukommennd gleichzeitig in den zentralen Themen wie Bildung,inderbetreuung, Infrastruktur, Entwicklungshilfe, For-chung und Entwicklung und – soweit der Bund das mit-ugestalten hat – berufliche Bildung sowie im Hoch-chulbereich das zu tun, was Zukunft für dieses Landrschließt.
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Bundesminister Peer Steinbrück
Von den ungefähr 160 Milliarden Euro Steuermehr-einnahmen, die wir seit Gründung der Großen Koalitionzu verzeichnen haben, sind ungefähr 55 Prozent in dieAbsenkung des strukturellen Defizits des Bundeshaus-haltes geflossen. 12 bis 15 Prozent entfielen auf dieSchwerpunkte, die ich eben genannt habe.Mir ist durchaus bewusst, dass die zunehmendenPreissteigerungen trotz höherer Löhne in diesem Jahrviele Menschen ebenso belasten, wie sie das erfolgreicheWirtschaften vieler Mittelständler erschweren. Da helfennur solide gegenfinanzierte Entlastungen, aber keineVersprechen. Deshalb will ich an dieser Stelle daraufhinweisen, dass weitere gezielte und gegenfinanzierteoder gegenzufinanzierende Entlastungen im zweistelli-gen Milliardenbereich auf der Tagesordnung unserer Be-ratungen stehen.Erstens die Familienförderung: Mit Blick auf denkommenden Existenzminimumbericht haben wir haus-halterische Vorsorge für den Bund in Höhe von1 Milliarde Euro in unserem Haushaltsplanentwurf ge-troffen. Das sind, auf den Gesamtstaat bezogen, Entlas-tungen für die Familien von über 2 Milliarden Euro. Wasallerdings die konzeptionelle Ausrichtung der Familien-leistungen betrifft, so gibt es aus meiner Sicht noch Be-ratungsbedarf.
Ich halte an meiner Auffassung fest – sei es auch, dassich in einer kleinen, aber feinen Minderheit bin –, unddie jüngste repräsentative Umfrage, die meinem Minis-terium vorliegt, bestärkt mich in meiner Grundhaltung.Mit großem Abstand wünschen sich die Menschen einenweiteren Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für Kin-der. Dies ist ihnen wichtiger als Kindergeld.
Auf die Frage, ob wir 25 000 zusätzliche Kindergärt-nerinnenstellen – nach Lage der Dinge weniger Kinder-gärtnerstellen – finanzieren oder das Kindergeld um10 Euro erhöhen sollen, antworten 80 Prozent der Be-völkerung, dass sie für die Einstellung von 25 000 Kin-dergärtnerinnen sind.
Ich will an dieser Stelle – auch auf die Gefahr hin,dass sich da Meinungsverschiedenheiten auftun – einenanderen Punkt nicht verschweigen: So schnell bekom-men Sie mich nicht da hin, dass es einfach nur um eineErhöhung des Kinderfreibetrages geht.
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Mein Ministerium hat deshalb die Idee eines Kinder-rundfreibetrages geprüft, mit dem wir diese Unge-echtigkeit beseitigen wollen. Denn nicht der Kinderfrei-etrag, sondern ein Kindergrundfreibetrag stellt sicher,ass jedes Kind steuerlich gleich viel zählt. Das ist fürich eine Gerechtigkeitsfrage.
as heißt, wir haben dort einen Beratungsbedarf, aberir sind uns in der Tendenz im Lichte des Existenzmini-umberichtes über das Ob einig.Die zweite Entlastungsmaßnahme wird die uns vomundesverfassungsgericht aufgetragene bessere steuer-iche Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbei-rägen sein. Diese wird sich natürlich nicht alleine aufie Mitglieder der privaten Krankenversicherungen er-trecken können, weil sonst eine Unwucht darin wäre;as wird sich vielmehr auch auf die Mitglieder der ge-etzlichen Krankenversicherungen erstrecken müssen.ir reden in diesem Zusammenhang immerhin über einentlastungsmaßnahme in Höhe von – halten Sie sichest! – 8 bis 9 Milliarden Euro. Wir planen, nur einenergleichsweise geringen Anteil dieser Entlastungenurch Belastungen an anderer Stelle gegenzufinanzieren,eil ich in der Tat verhindern möchte, dass einzelneürgerinnen und Bürger, die vielleicht nur eine geringentlastung haben, plötzlich quasi durch die Hintertür aner Gegenfinanzierung mitbeteiligt sind und belasteterden.Drittens steht eine weitere Senkung des Beitragssat-es zur Arbeitslosenversicherung in Rede. Über dieöhe der weiteren Absenkung wird zu reden sein. Siearf in meinen Augen nicht so weit gehen, dass darunterie Erfüllung der eigentlichen Aufgabe der Bundesagen-ur für Arbeit leidet, nämlich Dienstleistungen für Ar-eitslose zu erbringen und Arbeitslose zu fördern. Ichöchte auf Dauer die Situation vermeiden, dass derund je wieder ein Darlehen oder einen Zuschuss an dieundesagentur geben muss.
ch halte übrigens den klagenden Arbeitgeberorganisa-ionen vor, dass sie so tun, als ob der jetzige Mechanis-us zwischen Bundeshaushalt und Bundesagentur deseufels bzw. verfassungsrechtlich dubios sei. Als derund eingezahlt hat, war das für die Arbeitgeber nichtubios. Da haben sie das Geld gerne mitgenommen.
ch will daran erinnern, dass der Bund Zuschüsse – lei-er Gottes waren das keine Darlehen; sonst könnte ichie Rede jetzt abbrechen – in Höhe von 40 Milliardenuro gezahlt hat. Das waren im JahresdurchschnittMilliarden Euro. Das ist eine ungeheuere Summe, und
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Bundesminister Peer Steinbrückda hat sich kein einziger Arbeitgeber darüber aufgeregt,dass es einen solchen Beitrag zugunsten der Bundesan-stalt bzw. der Bundesagentur gegeben hat.Viertens wird die vom Kabinett bereits beschlosseneVerbesserung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zueiner Entlastung von 230 Millionen Euro führen.Fünftens könnte ich mir vorstellen, dass die Erhö-hung des Wohngeldes vorgezogen wird, um dazu bei-zutragen, dass die deutlichen Energiepreissteigerungengerade von Bedürftigen leichter getragen werden kön-nen.
Sechstens laufen bereits Ressortgespräche nicht nurüber eine Vereinfachung, sondern auch über eine weitereVerbesserung der steuerlichen Absetzbarkeit vonDienstleistungen in den privaten Haushalten. Das istnicht wenig, aber es wird darauf ankommen, dass das so-lide gegenfinanziert wird.Zum aktuellen wirtschaftlichen Umfeld gehört auchdie globale Finanzmarktkrise. Ich werde kaum eineRede zur Einbringung des Haushalts halten können, dienicht auf dieses Thema eingeht. Diese Finanzmarktkriseist sehr ernst und weitreichend und belastet selbstver-ständlich auch Deutschland. Um wie viel schwerer aller-dings die Auswirkungen sein können, zeigt uns ein Blickin die USA und nach Großbritannien, wo Hypothekenfi-nanzierer zusammenbrechen und weitere Finanzinstitutein existenzielle Nöte gekommen sind. Ausgerechnet inden traditionell marktwirtschaftlich geprägten angel-sächsischen Ländern wussten sich die Verantwortlichennicht anders als mit Verstaatlichung zu helfen.
Ich habe mir mehrfach vorgestellt, was wohl passiertwäre, wenn ein sozialdemokratischer Bundesfinanz-minister in Deutschland für die Verstaatlichung einerBank eingetreten wäre.
Im Falle von Northern Rock – das war der erste Fall –,aber auch mit einer gewissen zeitlichen Abfolge bei Fan-nie Mae, Freddie Mac und Bear Stearns konnte der Zu-sammenbruch nur noch durch eine Quasiverstaatlichung– die Amerikaner nennen das Conservatorship, was ichrecht witzig finde, weil dieser Begriff ganz gut um-schreibt, was dort stattfindet – abgewendet werden. Da-durch sind die britischen und die amerikanischen Steuer-zahler zu 100 Prozent in Haft genommen worden. Ichbin sehr froh, dass wir das in Deutschland haben verhin-dern können.
Im Übrigen fällt mir auf, dass in dem einen Fall, nämlichdem der USA, die milliardenschweren Rettungsaktionender Regierung als Beleg für die Tatkraft und Handlungs-fähigkeit der Regierung gelobt werden, während in demanderen Falle, nämlich in Deutschland, vornehmlich vonVVAknWUSlvDsrGwDdfnkwgduvlLguZgqRdaziDtBDbdaikDw
ort landet man jetzt bei dem Konstrukt von Universal-anken, das wir längst haben.In den USA sind die Kreditkonditionen seit Ausbrucher Krise natürlich deutlich verschärft worden. Das wirduch in Europa stattfinden, auch in Deutschland. Abernsgesamt ist das Kreditwachstum in Europa – das isteine schlechte Nachricht – kaum beeinträchtigt. Ineutschland verdanken wir dies nicht zuletzt – daraufill ich ein paar Worte verlieren – den Sparkassen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. September 2008 18549
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Bundesminister Peer SteinbrückDie deutschen Sparkassen haben trotz eingetrübterKonjunktur und Finanzkrise im ersten Halbjahr sogarwesentlich mehr Kredite an Unternehmen vergeben alsim gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die hierdurch er-zielte Stabilität ist ein Vorzug des häufig gescholtenenDrei-Säulen-Modells in Deutschland.
Deshalb unterstreiche ich hier noch einmal, dass ichden öffentlich-rechtlichen Charakter der Sparkasse inDeutschland für einen Standortvorteil halte – im Sinnedes Wettbewerbs, im Sinne der Mittelstandsfinanzie-rung, im Sinne der Dienstleistungen für die Bürgerinnenund Bürger und der Flächenversorgung mit Finanz-dienstleistungen, die nicht einer Gewinnmaximierungs-strategie unterliegen.
Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen gehören zurRechts- und Eigentumsordnung der BundesrepublikDeutschland. Sie sind im europäischen Vertragsrechtund durch zwischenzeitliche Verständigung mit derKommission abgesichert. Deshalb sage ich: Auch nurdie indirekte Gefährdung dieses Status wird die Bundes-regierung nicht hinnehmen können.
Ich will ich in dieser Passage – einen Zwischenrufaufgreifend – auch nicht meine Enttäuschung darüberverhehlen, dass es bisher nicht zu einer weiteren Konso-lidierung bei den Landesbanken gekommen ist.
Diese Konsolidierung wird ohne die Option, sich auchfür privates Kapital zu öffnen, nicht funktionieren. Des-halb unterscheide ich hier zwischen den Sparkassen undden Landesbanken.Es kann umgekehrt allerdings nicht sein, dass dieSparkassen als Rückgrat des deutschen Mittelstandesmöglicherweise dafür in Mitleidenschaft gezogen wer-den, dass es zur rechten Zeit auch aus politischer Kurz-sichtigkeit nicht zu einer horizontalen Fusion bei denLandesbanken gekommen ist.
Mit etwas mehr politischer Weitsicht hätten wir heutenicht die Probleme mit der Europäischen Kommission,auch nicht im Fall der WestLB. Was wir auf den Finanz-märkten erleben, ist atemberaubend und zerstört bei vie-len Menschen den Glauben an die Integrität und Stabili-tät des Finanzsektors. Ich bin darauf und auf dieNotwendigkeit, auf internationaler Ebene eine stärkereund effektivere Regulierung zu verankern, in einer Re-gierungserklärung im Februar oder im März eingegan-gen, sodass ich mir hier weiter gehende Bemerkungensparen möchte, obwohl die Wucht und die Komplexitätdv9JmldDpdnduDnntrdssScGsJrrImMksdnFhggpgß
ch kann mich an meine Enttäuschung erinnern, als da-als der anglo-amerikanische Sektor sowohl anderenitgliedern des Kabinetts – an der Spitze die Bundes-anzlerin – wie auch mir gegenüber dem bei den ein-chlägigen Veranstaltungen gelinde und höflich ausge-rückt sehr reserviert gegenübergestanden hat.Ich will auf weitere Vorschläge mit Blick auf das Fi-ancial Stability Forum und auf die Debatte des jüngsteninanzministerrats, Ecofin, in Nizza nicht weiter einge-en; Sie sollten nur wissen: Da sind die ersten Schritteemacht worden, um in Europa eine Gruppenaufsicht fürrenzüberschreitende Banken- und Versicherungsgrup-en einzuführen. Also: Auch im Bereich der Aufsichteht es schrittweise voran. Ich will gar nicht ausschlie-en, dass am Ende dieser Entwicklung eines Tages eine
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Bundesminister Peer Steinbrückeuropäische Aufsichtsbehörde für Wertpapiere, Versi-cherungen und Banken steht.Ich wage zu behaupten, dass wir in Deutschland weitstärker von der Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogenworden wären, wenn wir die Hände in den Schoß gelegthätten und die IKB sehenden Auges in die Insolvenzhätten gehen lassen.
In den entscheidenden Situationen, wo es darum ging,darüber zu entscheiden, gab es keine ernstzunehmendeStimme, die nicht dazu geraten hat, die IKB zu retten,weil die Risiken für den gesamten deutschen Finanz-markt zu groß gewesen wären und vor allen Dingen aus-ländische Akteure auf unseren Märkten nachhaltig ver-unsichert worden wären.Die Verstaatlichung wie in Großbritannien oder wiein den USA kam nicht infrage. Auf der anderen Seitemussten wir befürchten, dass eine Insolvenz der IKB zugefährlichen Dominoeffekten führen würde, nicht zuletztwegen der Verbindlichkeiten bei ihr. 25 oder 26 Milliar-den Einlagen – was wäre denn im Rahmen eines Insol-venzverfahrens mit denen passiert? Es waren institutio-nelle Anleger dabei, vielleicht eine Sparkasse aus IhremWahlkreis, vielleicht eine Raiffeisen-Volksbank aus Ih-rem Wahlkreis, vielleicht eine gesetzliche Krankenversi-cherung.
– Ich meine: vielleicht in Ihrem Wahlkreis.
Das heißt, wir hätten erhebliche Auswirkungen mitBlick auf diese Verbindlichkeiten, auf die Kreditkondi-tionen für die Wirtschaft und auf die Refinanzierungsbe-dingungen für andere Institute auf breiter Front gehabt.Das alles wäre den Steuerzahler teurer zu stehen gekom-men als das, was wir gemacht haben. Vor dem Hinter-grund bin ich froh darüber, dass die KfW die IKB ver-kaufen konnte. Die beiden beteiligten Häuser, dasWirtschaftsministerium des Kollegen Glos und meinHaus, sind gern bereit, den Ausschüssen zu diesem Ver-kaufsvorgang weiter zu berichten.Wer das Morgen nicht bedenkt, wird Kummer haben,bevor das Heute zu Ende geht. – Das ist ein Satz vonKonfuzius, den er den einzelnen Menschen mitgegebenhat, damit sie auf ihrem Lebensweg edler werden. Fürden Finanz- und Wirtschaftspolitiker bedeutet dieseWeisheit, dass er, wenn er zukunftsfeste Politik für seinLand machen möchte, gelegentlich über den eigenenTellerrand hinausschauen und sich einen Eindruck davonverschaffen muss, was eigentlich um ihn herum passiert.Angesichts der beeindruckenden Dynamik, die ich beimeinen Reisen, übrigens auch unter Begleitung von Ab-geordneten dieses Hauses, beobachten kann, hat sichmein Eindruck verstärkt, dass wir Zeugen einer massi-ven, von der Globalisierung getragenen NeuverteilungdMGmdissLsdCAaKngsszsndAldwsdbgdvaszssdgdVdap
Wir können sie umso besser mit gestalten, je größeras Gewicht Deutschlands sowohl in politischer als auchn wirtschaftlicher Sicht in der internationalen Szene ist.
Ich kann mir in diesem Zusammenhang übrigenschwer vorstellen, dass das Zentralkomitee der chinesi-chen kommunistischen Partei von der Forderung derinkspartei sehr beeindruckt wäre, das Rad der Globali-ierung anzuhalten. Das glaube ich nicht.
Dank der Globalisierung haben inzwischen Milliar-en von Menschen gerade in den Schwellenländern diehance, sich zum ersten Mal aus eigener Kraft aus derrmut zu befreien und sich einen eigenen Wohlstandufzubauen. Dadurch wächst der weltwirtschaftlicheuchen. Es geht nicht darum, den bestehenden Kucheneu zu verteilen, sondern es geht darum, diesen Kuchenrößer zu machen. Für uns Deutsche bedeutet dies, dassich uns erhebliche Chancen eröffnen. Die Zahlen in die-em Zusammenhang sind eindrucksvoll: Allein in Chinaählen mittlerweile 200 Millionen Menschen zur Mittel-chicht. Schätzungen gehen davon aus, dass es in denächsten zehn Jahren 700 Millionen Menschen sein wer-en, die eine entsprechende Kaufkraft haben werden.uch deshalb bin ich der Meinung, dass die mittel- bisangfristigen Aussichten für die deutsche Wirtschafteutlich besser sind, als die Skeptiker dies täglich aus-eisen.Für uns bedeuten die globalen Trends eben nicht nurteigende Preise für Rohstoffe und Energie. Aufgrundes steigenden Wohlstandes in den Schwellenländernedeuten sie auch mehr Nachfrage nach Hochtechnolo-ie und vor allem nach allen Verfahren und Produkten,ie zu einer Entkopplung von Umwelt- und Ressourcen-erbrauch auf der einen Seite und Wirtschaftswachstumuf der anderen Seite beitragen. Wer ist dort gut aufge-tellt? Deutschland. Also sollten wir diese Chancen nut-en.
Voraussetzung ist, dass wir uns auf Stärken rückbe-innen, die wir über Jahrzehnte hatten, in den ostdeut-chen Ländern ebenso wie in den westdeutschen Län-ern. Ich meine damit den Willen, etwas aufzubauen,ründlicher und zuverlässiger zu arbeiten als andere undarüber auch den Spaß und die Freude an Neuem und aneränderungen nicht zu verlieren. Das sind Tugenden,ie uns über Jahrzehnte – wenn nicht über Jahrhunderte –usgezeichnet haben und die wir aus meiner Sicht herausflegen müssen, wenn wir als 80-Millionen-Volk in ei-
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Bundesminister Peer Steinbrückner arbeitsteiligen Weltwirtschaft mit mehreren Milliar-den Menschen nicht nur bestehen, sondern unserenWohlstand halten und möglichst steigern wollen.
Was angesichts der Globalisierung, der zunehmendenAlterung unserer Gesellschaft und nach wie vor knapperöffentlicher Finanzen gewiss kein Zukunftsversprechenbirgt, ist eine Haltung, nach der das Wachstum der Wirt-schaft etwas Urwüchsiges und Automatisches zu seinscheint, von dem alle gern profitieren, allerdings ohnesich über die Voraussetzungen dazu Gedanken zu ma-chen. Vielleicht sollte man nicht nur auf die Verteilungs-seite gucken. Vielleicht sollte man auch einmal auf dieErwirtschaftungsseite schauen.Das Bild von dem Boot, in dem wir alle sitzen, ist– wie ich weiß – überstrapaziert, aber nicht falsch. DasProblem ist, dass unser Boot nicht auf einem stehenden,ruhigen Gewässer schwimmt, sondern in einer sehr dy-namischen Strömung. Sobald wir aufhören zu rudern,werden wir – ob wir es wollen oder nicht – von der Strö-mung zurückgetrieben. Es ist nicht ausgeschlossen, dassunser Boot – will sagen: unsere Gesellschaft – dabeiauch Zerreißproben unterworfen werden kann.Vernünftige Antworten auf die beschriebenen wirt-schaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungensind mit Sicherheit nicht im Populismus, in einer Reali-tätsverweigerung, in einer internationalen Isolierung un-seres Landes oder in der Flucht in die alten Kategoriendes Nationalstaates zu finden. Ich sehe mir die Politik-angebote der Linkspartei zu Wirtschaft und Finanzen– soweit diese überhaupt vorliegen – an. Sie haben jakein Programm.
– Nein, das haben Sie nicht. Ich kenne kein Programmder Linkspartei. Wenn ich mir dieses Politikangebot an-sehe, dann bemerke ich: Die Linke verfolgt eine antikenationalökonomische Vorstellung als Antwort auf dieHerausforderung der Globalisierung. Ihre protektionisti-schen Vorstellungen laufen für ein Land wie Deutsch-land, das sage und schreibe 40 Prozent seinerWirtschaftsleistungen in Außenwirtschaftsbeziehungengeneriert, auf den Verlust von Wohlstand hinaus.
In der Sozialpolitik verfolgt die Linkspartei einen So-zialstaatskonservatismus, der einerseits Millionen vonMenschen nur als Opfer in einer allumfassenden Ali-mentation gefangen hält, der andererseits ohne erhebli-che Belastungen auch und gerade einer noch solidaritäts-bereiten Mittelschicht nicht zu finanzieren ist.
Die Linkspartei hat ein Menschenbild, nach dem esnur kleine, nur schwache und nur arme Menschen gibt,denen mit gigantischen Staatsprogrammen in jeder Le-benslage geholfen werden muss. Dieses Bild nimmt denMenschen ihre Würde. Dieses Menschenbild macht dieMrLdggslahDHsskltdcStiWssFpBMasgslkhZdeSpm
Die haushalts- und finanzpolitischen Positionen derinkspartei stehen allen Bemühungen um eine Konsoli-ierung der Staatsfinanzen – vor allem im Interesse einerrößeren Generationengerechtigkeit – diametral entge-en. Die von ihr vorgelegten finanzpolitischen Vor-chläge führen zu Mehrbelastungen von über 150 Mil-iarden Euro. Zum Ausgleich soll, glaube ich, mal ebenuch der Rentenversicherungsbeitrag auf 28 Prozent er-öht werden.
as entspräche 60 Prozent des Gesamtvolumens desaushaltes, den wir vorlegen. All das geht aus den Vor-chlägen hervor, die mir von Ihnen bekannt gewordenind. Selbstredend ließe sich das nicht über eine noch soonfiskatorische Reichensteuer finanzieren. Nein, dasiefe auf eine auch im internationalen Vergleich leis-ungsfeindliche Steuer- und Abgabenbelastung selbst fürie untere Mittelschicht hinaus.Ich will im Rahmen dieser Rede deutlich unterstrei-hen, meine Damen und Herren, dass meine Partei, diePD, nicht linkspopulistischen Vorgestrigen die Deu-ungshoheit über das überlässt, was zeitgemäße Politikst.
ir stehen für eine Politik, die gleichzeitig die wirt-chaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands und den Zu-ammenhalt dieser Gesellschaft gewährleistet.
olgendes unterscheidet uns fundamental von der Links-artei: Wir wollen freie, selbstbewusste und solidarischeürgerinnen und Bürger unterstützen. Wir sehen dieenschen nicht als Opfer der Globalisierung oder einesnonymen internationalen Finanzkapitals, sondern wirehen die Menschen als Bürger, denen bei der Bewälti-ung der Veränderungen so geholfen werden muss, dassie befähigt werden, mit dem Wandel fertig zu werden.
Die Konsolidierung der Staatsfinanzen über eine so-ide Haushalts- und Finanzpolitik ist und bleibt das Mar-enzeichen der Großen Koalition. Niemand kann ernst-aft bestreiten, dass wir bei diesem Langlauf einen gutenwischenstand erreicht haben. Ich bin überzeugt, dassie Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, die bisherrzielten Konsolidierungserfolge nicht leichtfertig aufspiel zu setzen; denn die Menschen wissen aus ihremrivaten Umfeld und aus ihrer privaten Erfahrung: Nie-and kann auf Dauer über seine Verhältnisse leben, und
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Bundesminister Peer Steinbrückniemand kann sich auf Dauer mehr leisten, als er vorhergeleistet hat, und kein Unternehmen kann sich auf Dauererfolgreich am Markt behaupten, wenn die finanziellenSpielräume für notwendige Investitionen durch immergrößere Zinslasten aufgefressen werden.Es ist uns in den letzten Jahren gelungen, eine Um-kehr bei der Neuverschuldung zu bewerkstelligen. Aberwie können wir sicherstellen, dass dieser Weg dauerhafteingeschlagen bleibt? Können wir uns allein auf die Ein-sicht von uns selbst und von der Gesellschaft verlassen?Ich bin da skeptisch; denn wie illustre Steuerentlastungs-konzepte der vergangenen Jahre und Jahrzehnte zeigen,müssen wir immer damit rechnen, dass ein politischeroder gesellschaftlicher Konsens durch die Mobilisierungvon Partikularinteressen ausgehebelt wird. Deshalb plä-diere ich dafür, dem Staat eine neue klare grundgesetzli-che Regelung für seine Kreditaufnahme aufzuerlegen.Ich plädiere für die Einführung einer Schuldenbremse,indem der jetzige Art. 115 mit seinen Schwächen in denAnreiz- und Sanktionsmechanismen ersetzt wird. Ich be-tone, damit kein Missverständnis, insbesondere vor demHintergrund des Budgetrechtes des Parlamentes, auf-kommt: Es geht nicht darum, das Budgetrecht des Parla-mentes zu beschneiden und staatlichen Gestaltungs-anspruch aufzugeben, sondern es geht im Gegenteildarum, die Handlungsfähigkeit des Staates und des Par-lamentes zu steigern.Ein solches Projekt kann nur eine Große Koalition be-werkstelligen – niemand sonst. Wir können also, indemwir unsere Verantwortung für die nachfolgenden Gene-rationen wahrnehmen, etwas leisten, auf dem diese inden nächsten Jahrzehnten aufbauen und auf das wir stolzsein können. Es sollte uns allen eine Verpflichtung sein,dieses große Projekt im Rahmen der Föderalismus-reform II in dieser Legislaturperiode zu einem guten Ab-schluss zu bringen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zumSchluss sagen: Eine gestaltende und Zukunft gewin-nende Finanzpolitik lässt sich natürlich nicht nur nachAdam Riese gestalten; sie folgt auch politischen Gestal-tungsansprüchen. Aber kein Rechenwerk, auch nichtdieser Haushalt, kommt am Ende ohne Adam Riese aus.Wenn der dicke Strich unter alles gezogen wird, danngibt es kein Ausweichen mehr. Dann gilt vielmehr: Solloder Haben, Plus oder Minus. Dann wird das Jonglierenmit ungedeckten Schecks zur Finanzierung vonWunschlisten ziemlich schnell entzaubert. Dann erklärtsich die Finanzpolitik auch arithmetisch. Es erfüllt michdeshalb mit einer gewissen Genugtuung, dass die Bun-desregierung den Kurs, ab 2011 keine neuen Schuldenmehr aufzunehmen, bestätigt und fortsetzt. Das ist dieeinzige Null, auf die wir in dieser Großen Koalition ge-meinsam stolz sein sollten.
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Es wäre ja vielleicht doch ganz schön, wenn wir jetzt
ieder zu einer geordneten Debattenstruktur zurückkeh-
en könnten und wenn die gleiche Aufmerksamkeit, die
ie Regierungsbank dem Finanzminister gewidmet hat,
uch dem ersten Sprecher der Opposition zugute käme.
Bitte schön, Herr Kollege Koppelin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will jetzt nichteitungsüberschriften zitieren wie der Bundesfinanz-inister, sondern aus dem Koalitionsvertrag. Dort heißts – im November 2005 von den Koalitionsfraktioneneschlossen; die CSU soll auch dabei gewesen sein –:Unsere Haushaltspolitik wird konsequent sparsamsein. … Alle Ausgaben stehen auf dem Prüfstand.… Wir brauchen einen Neuanfang in der Haushalts-politik …chön wäre es ja gewesen.Der Herr Vizekanzler befindet sich gerade in einemntensiven Gespräch; sonst hätte ich ihm noch ein Zitatus der Regierungserklärung von Gerhard Schröder999 mit auf den Weg gegeben:Alle Ausgaben … müssen auf den Prüfstand. DerStaat muß zielgenauer und … wirtschaftlicher han-deln.
Sparhaushalte wollte diese Große Koalition vorlegen;och davon ist weit und breit nichts zu sehen. Sparhaus-alt ist bei Ihnen, um es einmal sehr deutlich zu sagen:ie Ausgaben steigen kräftig, und wir nehmen weiterchulden auf. Das nennen Sie Sparhaushalt. Das ist ge-au das, womit Sie uns 2009 beglücken wollen. Derundeshaushalt 2009 sieht weiterhin Schulden vor, undie steigern die Ausgaben, und zwar um 5,2 Milliardenuro; die neuen Schulden betragen 11 Milliarden Euro –nd das, obwohl Sie beim Bürger ordentlich abkassiert
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Jürgen Koppelinhaben, mit Mehrwertsteuer, Pendlerpauschale usw. Fastjeder Bürger hat das erleiden müssen. Außerdem habenSie durch die gute Konjunktur erhebliche Steuermehr-einnahmen.Um es ganz einfach zu sagen – das kann jeder Bürgernachvollziehen –: Am Ende der Regierungszeit von Rot-Grün nahm der damalige sozialdemokratische Finanz-minister 31 Milliarden Euro neue Schulden auf. Inzwi-schen haben Sie 50 Milliarden Euro Steuermehreinnah-men pro Jahr. Da müsste doch etwas übrig sein. Abernein, Sie nehmen weiter Schulden auf und erhöhen dieAusgaben. Da stimmt doch irgendetwas nicht; das kanndoch jeder nachrechnen.
Ihr Fehler, der Fehler dieser Koalition, ist: Sie hättensich vielleicht einmal darauf besinnen sollen, zu einemStaat der Bescheidenheit zurückzukommen und auf derAusgabenseite zu streichen; aber das haben Sie nicht ge-tan, sondern Jahr für Jahr neue Schulden aufgenommen.Ich will die Zahlen einmal deutlich machen: Alleinfür den Bundeshaushalt, 2009 einbegriffen, hat dieseschwarz-rote Koalition 64 Milliarden Euro neue Schul-den aufgenommen, und Sie wollen auch im nächstenJahr noch neue Schulden aufnehmen, ebenso im Jahr2010. Dem sozialdemokratischen Finanzminister mussman dann doch ins Stammbuch schreiben, dass die so-zialdemokratischen Finanzminister Lafontaine, Eichelund Steinbrück in zehn Jahren 280 Milliarden EuroSchulden aufgenommen haben.
Herr Bundesfinanzminister, Sie sind mehrfach daraufzu sprechen gekommen – teilweise war das ja richtig –,ob das gerecht oder ungerecht war. Darauf sage ich:280 Milliarden Schulden, ist das für die kommenden Ge-nerationen gerecht oder ungerecht? Das ist eine Hypo-thek, die wir aufgenommen haben. Wir alle sind verant-wortlich; auch als die FDP in der Koalition war, wurdenSchulden aufgenommen.
– Entschuldigung, Herr Kollege, da würde ich nicht sodazwischengrölen. Das ist eine Riesenhypothek fürkommende Generationen. Nicht Sie werden das abzah-len, sondern die junge Generation durch hohe Steuernund Abgaben.
Das ist das Problem, und das ist unsere Verantwortung.Das ist eine Hypothek. Deswegen hätten wir von denvielen Schulden herunterkommen müssen.Ihnen, Herr Kollege Tauss, ist, wenn Sie nur dazwi-schenkrakeelen, anscheinend gar nicht bewusst, dassauch in diesem Bundeshaushalt wieder über 42 Milliar-den Euro nur für Zinsen vorgesehen sind.
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Die Bundeskanzlerin sagt in ihren großen Reden im-mer, der Aufschwung sei bei den Menschen angekom-men. Ich zitiere einmal:Es ist nicht nur ein mehrheitliches Gefühl der Be-völkerung, dass sie vom Aufschwung nicht profi-tiert. Es ist Realität. Trotz eines gut dreijährigenKonjunkturaufschwungs ist die reale Einkommens-situation vieler Haushalte heute schlechter als zuvor…Das ist leider wahr.Dieses Zitat stammt nicht von der FDP; es stammt auseiner Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Darum geht es:Die Politik hat dafür zu sorgen, dass die Menschen wie-der Geld im Portemonnaie haben und dass nicht abkas-siert, noch einmal abkassiert und noch einmal abkassiertwird.Herr Bundesfinanzminister, Sie sagen – Sie haben eswieder angedeutet –: Was hat die Opposition denn fürVorschläge? Die hat ja gar keine Ahnung. – Ich nenneIhnen zwei Beispiele aus der Vergangenheit und ein ganzaktuelles – ich hatte es eben schon erwähnt –: die IKB.Die Freien Demokraten waren massiv dagegen, dass dieKfW bei der IKB einsteigt. Was sind wir für unsere Ar-gumente beschimpft und belächelt worden! Jetzt ist diePleite da. Sie hätten zumindest einmal in einem kleinenSchlenker sagen können: Es tut mir leid, die FDP hattedamals doch recht.
Ein anderes Beispiel: die Privatisierung der Bundes-druckerei. Wie oft haben wir gesagt: Es ist Mist, was derEichel dort mit der Privatisierung macht. – Was machenSie jetzt? Jetzt nimmt der Staat alles zurück und setzt zu-lasten des Steuerzahlers wahrscheinlich 500 Millio-nen Euro dafür ein.
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ir sollten vielleicht einmal ehrlich und ernsthaft einge-tehen, dass wir über 40 Jahre deutlich über unsere Ver-ältnisse gelebt haben. Einen Kurs, mit dem dieser Zu-tand beendet werden soll, sollten wir nicht sofortieder durch Begriffe wie „Abkassieren“ und „Abgrei-en“ diskreditieren.
ir sollten uns zu dem Ziel bekennen, endlich keinennterfinanzierten Staat mehr haben zu wollen.Lieber Herr Kollege Koppelin, Ihre Rede schien mirine Rede aus der Epoche der vergangenen 40 Jahren zuein. Das war keine Rede, die in die heutige Zeit passt, iner wir ernsthaft darum ringen, dauerhaft strukturell
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Dr. Michael Meisterausgeglichene Haushalte in Deutschland zu haben. Dawollen wir hin. Das wollen wir auf Dauer festhalten.Wenn wir uns darüber einig sind, dann können wir da-rüber diskutieren, welche Maßnahmen ergriffen werdensollten, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu hätte ich einenBeitrag erwartet und nicht einen Beitrag zur Debatte dervergangenen 40 Jahre.
Ich möchte hier ganz klar und deutlich sagen: Trotzaller Meldungen, die es geben mag, stehen wir zu demZiel, den Haushalt in 2011 ausgleichen zu wollen. WennGewitterwolken aufziehen, müssen wir uns eben wetter-fest machen, um das Ziel trotzdem erreichen zu können.Sanierung ist für uns kein Selbstzweck. Sanierung istfür uns Aufgabe einer generationengerechten Politik.
Wir dürfen nicht heute auf Kosten künftiger Generatio-nen leben. Wir dürfen künftige Generationen nicht dieSchulden und die Zinsen für das, was wir heute tun, zah-len lassen. Der Sanierungskurs ist ein Angebot an unsalle; denn nur wenn wir heute keine Schulden machen,haben wir als Abgeordnete morgen einen Spielraum fürvernünftige Entscheidungen. Deshalb ist der Sanierungs-kurs kein Selbstzweck, sondern politisch sinnvoll. Nurso ist es uns auch in Zukunft möglich, Politik zu gestal-ten. Deshalb wollen wir sanieren.
Sanierung ist auch die Voraussetzung für eine nach-haltige Entlastung der Menschen in unserem Land, wo-rüber so viele reden; denn durch Sanierung schaffen wirSpielräume für Erleichterungen bei Steuern und Abga-ben. Ich sage eindeutig: Die Union will mittelfristig eineEntlastung der Menschen, insbesondere der Leistungs-träger. Deswegen wollen wir jetzt sanieren. Wir wollendie Voraussetzung für eine nicht schuldenfinanzierte,sondern haushalterisch solide gestaltete Entlastungschaffen.Der Dreiklang unserer Politik lautet: Wir wollen sa-nieren, wir wollen reformieren, und wir wollen investie-ren. Mit diesem Haushalt halten wir an diesem Kurs fest.Wenn wir über diese drei Positionen debattieren, werdenwir immer wieder mit dem Anspruch einer gestaltendenFinanzpolitik konfrontiert, den auch der Herr Bundesfi-nanzminister heute Morgen hier formuliert hat. Als Ma-thematiker bin ich an dieser Stelle etwas bescheidener.Mir reicht es aus, wenn wir es schaffen, quantitativ undqualitativ ordentliche Haushalte vorzulegen. Als Finanz-politiker bin ich dann gerne bereit, auf diesen Gestal-tungsanspruch zu verzichten. Nach meiner Einschätzunghat er nämlich dazu geführt, dass wir hinsichtlich derKonsolidierung noch nicht ganz so weit sind, wie wirvielleicht hätten sein können, und das vor dem Hinter-grund einer Eintrübung der konjunkturellen Rahmenbe-dingungen. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass wirnrMmdczrzRtdssvbVtsgEmSilfdemRwupsnwdP4ewvwwuti4dw
Wenn ich über Strukturen rede, denke ich an Bürokra-ieabbau. Da haben wir uns klare Ziele vorgegeben. Wirollten uns an diesen klaren Zielen messen lassen. Eineroße Herausforderung ist nach meiner Einschätzung dienergiepolitik. Meine Fraktion hat die klare Ansage ge-acht – Sie haben das heute Morgen beschrieben, Herrteinbrück –, dass wir keinen Zuwachs an Belastungenn Form von Steuern auf Energie wollen. Insgesamt wol-en wir keine staatliche Induzierung von höheren Kostenür Energie. Wir wollen, dass der Staat den Bürger beien Energiepreisen in Zukunft nicht noch mehr belastet.Dieser Anspruch geht weit über den Bereich der Steu-rn hinaus. Wenn wir diesen Anspruch mit unseren kli-apolitischen Zielen – Ausbau regenerativer Energien,eduzierung der CO2-Emissionen – ernsthaft verbindenollen, dann wird es notwendig sein, dass wir im Sinnenserer Fraktionsbeschlüsse in Bezug auf die Energie-reise den Menschen ein Stück weit Entlastung ver-chaffen, sodass die künftig auftretenden Belastungenicht in ihrem Geldbeutel zu spüren sind. Dafür habenir Vorschläge gemacht. Ich hoffe und wünsche, dassiese Vorschläge breite Unterstützung finden.
Wir haben im strukturellen Bereich einen weiterenunkt: die Lohnnebenkosten. Wir haben immer gesagt:0 Prozent ist aus unserer Sicht ein Ziel, das wir ansteu-rn wollen. Zu dem Zeitpunkt hat sich die Diskussioneniger auf die zweite Nachkommastelle bezogen alsielmehr auf die Größenordnung insgesamt. Denn wiraren aufgrund der demografischen und anderer Ent-icklungen 2 oder 3 Prozent von diesem Ziel entfernt,nd es gab die Tendenz, dass es dort in Zukunft zu wei-eren Steigerungen hätte kommen können. Wir haben esn dieser Koalition zunächst einmal geschafft, auf etwa0 Prozent zu kommen. Die Aufgabe bei den Entschei-ungen zum Gesundheitswesen und zum Arbeitsmarktird jetzt sein, dafür zu sorgen, bei den 40 Prozent zu
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Dr. Michael Meisterbleiben und die Weichen langfristig so zu stellen, dasssich dieser Wert nicht wieder nach oben entwickelt.
Deshalb ist der Anspruch, den wir beim Arbeitslosenver-sicherungsbeitrag gesetzt haben, richtig: Wir wollen dieChance nutzen, auf 2,8 Prozent zu gehen, um damit ins-gesamt mehr Chancen für Arbeit auf dem ersten Arbeits-markt zu schaffen.
Deshalb wollen wir uns diesem Ziel stellen.Lieber Herr Kuhn, wir nehmen die Hinweise, dassdies ein ehrgeiziges Ziel ist, sehr ernst. Aber wenn es einehrgeiziges Ziel ist, dann sollten wir uns dadurch heraus-gefordert fühlen, erstens zu sagen, dass wir es wollen,zweitens Akteure in diesem Bereich dadurch unter einengewissen Erfolgsdruck zu setzen und drittens diesen Ak-teuren Rückhalt aus der Politik zu geben, damit sie durchVeränderungen in ihrem Bereich vielleicht dazu beitra-gen, dass diese 2,8 Prozent solide und nachhaltig finan-ziert sind. Darum werben wir. Deshalb werden wir alsUnionsfraktion dies nicht nur fordern, sondern auchdeutlich machen, dass wir hinter dieser Forderung undden damit verbundenen Konsequenzen stehen und diesvertreten.
Ich will deutlich machen, dass wir alles unterlassensollten, was den ersten Arbeitsmarkt stört. Wir könnensehr stolz sein auf das, was dort in den vergangenen Jah-ren gewachsen ist. Ich denke an den Aufbau sozialversi-cherungspflichtiger Beschäftigung. Wir müssen jetzt al-les unterlassen, was dies zerstört. Deshalb bin ich derMeinung, dass unsere Position richtig ist: kein gesetzlichverordneter Mindestlohn. Denn dieser würde dazu füh-ren, dass Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt verlorengeht.
Er würde auch dazu führen, dass uns Einnahmen verlo-ren gehen und Ausgaben aufwachsen. Deshalb ist daseine wichtige Frage, über die wir an dieser Stelle mitei-nander reden müssen.
– Ich glaube, dass der Aufbauerfolg, wenn er nachhaltigsein soll, liebe Frau Kollegin, auch darin zu sehen ist,dass die Menschen eine Perspektive im ersten Arbeits-markt geboten bekommen.
Ich will daran anknüpfen und darauf hinweisen, dasswir gerade dabei sind – auch dieses Stichwort ist heuteMorgen gefallen –, zu überlegen, wo noch Potenzialestecken. Ich glaube, im ersten Arbeitsmarkt stecken nochPbagmdvdmpwePsggmzIWVmmVgAsgwDsQbuzrufbwDS
ch denke, das ist die falsche Alternative.
ir wollen beides. Im vergangenen Jahr haben wir dieoraussetzungen für den Ausbau der Kinderbetreuungs-öglichkeiten geschaffen. Jetzt werden wir in gemeinsa-er Verantwortung mit den Kommunen die notwendigenoraussetzungen für die Vernetzung der Betreuungsan-ebote schaffen. Allerdings müssen wir auch unsereufgabe wahrnehmen, die Familien finanziell so auszu-tatten, dass sie die Herausforderungen der Zeit bewälti-en können. In diesem Zusammenhang lauten die Stich-orte Kindergrundfreibetrag und Kindergeld.
iese Maßnahmen wollen wir trotz aller Probleme um-etzen.
Ich habe bereits gesagt, dass es nicht nur um dieuantität, sondern auch um die Qualität geht. Im Hin-lick auf die Qualität stellt sich die Frage: Was tun wir,m in Zukunft ohne Steuererhöhungen Mehreinnahmenu akquirieren? Um das zu schaffen, müssen wir die Vo-aussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung innserem Lande verbessern. Es ist richtig – davon bin ichest überzeugt –, dass wir in diesem Haushalt das Lissa-on-Ziel, 3 Prozent des BIP für Forschung und Ent-icklung auszugeben, umsetzen.
as hat zwar Mehrausgaben zur Folge, ist aus meinericht aber richtig.
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Dr. Michael Meister– Natürlich tun wir das. Wir haben in diesem Haushaltrund 11 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklungbereitgestellt. Im kommenden Jahr packen wir noch eineknappe halbe Milliarde Euro obendrauf.
Wir steuern dieses Ziel an, und im Jahre 2010 werdenwir es erreichen.
– Ja, natürlich. Jetzt geht es um den Haushalt 2009. ImJahre 2010 wird der Bund den Anteil, für den er verant-wortlich ist, zur Verfügung stellen. Um das Ziel von3,0 Prozent des BIP zu erreichen, brauchen wir natürlichauch die Länder und die Akteure in der Wirtschaft. Wirkönnen Forschung nicht staatlich verordnen. Wir könnennur die Voraussetzungen schaffen. Daher brauchen wiran dieser Stelle die Mitwirkung der privaten Akteure.Meine letzte Bemerkung. Wir sollten auch die Mittelfür Verkehrsinvestitionen weiter erhöhen; denn Mobili-tät ist eine zwingende Voraussetzung für mehr Wachs-tum und Beschäftigung. Es ist richtig, dass wir, obwohlwir das Ziel der Haushaltssanierung verfolgen, an dieserStelle einen Akzent setzen, um mehr Investitionen in dieVerkehrswege zu ermöglichen.Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Das Wort erhält nun die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch,
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Kurt Beck hatte seiner Partei ein ehrgeiziges Zielverordnet: „Nah bei den Menschen“. Doch wie er fest-stellen musste, befand er sich nicht unter Gleichgesinn-ten, sondern in einem Wolfsrudel. Wir, die Linke, sindwirklich nah bei den Menschen.
Wir kennen und unterstützen die Forderungen der Men-schen.
Herr Steinbrück, natürlich haben wir ein Programm;das wissen Sie so gut wie wir alle.
ur allgemeinen Information sage ich: In Deutschlandibt es ein Parteiengesetz, das vorschreibt, dass eine Par-ei nur dann als solche zugelassen werden darf, wenn siein Programm hat. Das gilt natürlich auch für uns.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Ihnen unserrogramm nicht passt, ist ein anderes Thema. Das habenir bereits erkannt.
Natürlich waren wir nicht überrascht, von Ihnen wie-er einmal den billigen Vorwurf des Populismus zu hö-en. Ich sage Ihnen ganz klar: Von Leuten, die sich mitroßer Arroganz über den Willen von Millionen Men-chen hinwegsetzen, die gegen den erklärten Willen derehrheit der Bürgerinnen und Bürger Krieg in Afgha-istan führen und gegen den erklärten Willen der Mehr-eit die Rente mit 67 eingeführt haben, lasse ich mir kei-en Populismus vorwerfen.
ie Linke gibt vielen Menschen wieder eine Stimme, dieahrelang von den anderen Parteien nicht beachtet wur-en.Wenn wir heute den Entwurf des Bundeshaushalts009 betrachten, müssen wir die Frage stellen, ob dieseraushaltsentwurf wirklich nahe bei den Problemen derenschen ist und welchen Beitrag zum Abbau der Ar-eitslosigkeit er wirklich leistet.Was Sie hier über die Situation am Arbeitsmarkt er-ählt haben, Herr Steinbrück, geht am Leben völlig vor-ei. Über die Verfälschung der Arbeitslosenstatistik wer-en wir am Donnerstag beim betreffenden Haushaltoch im Detail sprechen. Vielleicht nur eine Position, diens alle zum Nachdenken veranlassen sollte: In den ver-angenen zehn Jahren wurden anderthalb Millionen nor-ale Arbeitsverhältnisse in Deutschland abgebaut. Imleichen Zeitraum sind aus zweieinhalb Millionen pre-ären Arbeitsverhältnissen fast 8 Millionen geworden.as heißt denn das? Das heißt übersetzt, dass Menschenn unsicheren Verhältnissen leben, dass sie von Mini-nd Midijobs leben müssen, dass sie einen Lohn erhal-en, von dem sie ihr Leben nicht bestreiten können.enn das Ihre Erfolge auf dem Arbeitsmarkt sind, dannerden Sie meines Erachtens in der Bevölkerung dafüreine Unterstützung finden.
In den nächsten Tagen werden wir noch sehr intensivber die Nettoneuverschuldung diskutieren. Jeder hatine andere Zahl im Kopf. Der Ehrgeiz wird sein, sie
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Dr. Gesine Lötzscheinstellig zu bekommen; das haben wir schon erkannt.Ich sage Ihnen aber ganz klar: Wir müssten heute schonkeine neuen Kredite aufnehmen, wenn Sie nicht in denvergangenen Jahren Milliarden an Unternehmen undWohlhabende verschenkt hätten. Allein durch die letzteUnternehmensteuerreform fehlen uns etwa 10 MilliardenEuro in den öffentlichen Kassen.
Die Rettung der privaten Industrie- und Kreditbank IKBkostet uns allen zusätzlich 10 Milliarden Euro. Wegender Steuergeschenke von Hans Eichel an Unternehmenund Wohlhabende fehlen uns weitere 50 MilliardenEuro. Ich könnte diese Aufzählung fortsetzen. Es zeigtsich: Die Regierung verfährt nach einem ganz simplenMuster: Sie verteilt von unten nach oben, rechnet sicharm, um dann zu erklären, dass es an die Bedürftigennichts mehr zu verteilen gebe. Das ist eine Politik, diemeines Erachtens verlogen ist. Darüber muss man im-mer wieder aufklären.
Natürlich ist es sinnvoll, einen Kredit aufzunehmen,um eine Schule oder eine Universität zu bauen. Verant-wortungslos ist es allerdings, einen Kredit aufzunehmen,um in Afghanistan oder anderswo in der Welt Waffenauszuprobieren.
Kredite, die wir heute aufnehmen, um die Zukunft unse-rer Kinder und Enkel zu sichern, sind wichtig und not-wendig. Deshalb fordert die Linke gerade in Zeiten deskonjunkturellen Abschwungs ein Zukunftsinvestitions-programm.
Kredite, mit denen veraltete Raketen wie die PARS 3– Stückpreis 1,3 Millionen Euro – finanziert werden,sind dagegen herausgeschmissenes Geld. Davon werdenunsere Kinder und Enkel nichts haben.
Wir müssen heute in die Zukunft unserer Kinder inves-tieren. Wer das nicht versteht, der setzt die Zukunft dernächsten Generation aufs Spiel.Ich darf daran erinnern, dass natürlich schon unsereVorfahren Kredite aufgenommen haben, zum Beispieldamit in unserem Land eines der modernsten und leis-tungsfähigsten Eisenbahnnetze der Welt entstehen konnte.Das waren Investitionen in die Zukunft, von denen wirnoch heute profitieren. Allerdings konnten unsere Vor-fahren nicht ahnen, dass CDU/CSU und SPD dieses Ka-pital eines Tages verscherbeln wollen. Bismarck würdesich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wieseine Nachfolger mit der Bahn umgehen.
Lieber Herr Kollege Fromme, liebe Kollegen von derCDU, ich empfehle Ihnen, sich nicht nur mit AdenauerzkVnDGnKbsDtrWu„SdssmEswztaahgwm2kb2DnnbnlugSMCI–ef
Ja, für Seilbahnfahrten. Das sollte sich jeder Bürgerinmal durch den Kopf gehen lassen. – Wir als Linkeordern den verminderten Mehrwertsteuersatz von 7 Pro-
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Dr. Gesine Lötzschzent nicht nur für arbeitsintensive Dienstleistungen, son-dern auch für Medikamente und Bedarfsartikel für Kin-der.
Ich habe schon unterstrichen, dass wir ein Investi-tionsprogramm fordern, mit dem die Zukunft der nächs-ten Generation gesichert wird. Es geht aber nicht nur umdie Zukunft, sondern auch um die Gegenwart. Darummöchte ich an dieser Stelle unsere Forderung nach einemgesetzlichen Mindestlohn, von dem die Menschen inWürde leben können, noch einmal ausdrücklich unter-streichen.
Herr Steinbrück, dieser Mindestlohn hätte auch noch denschönen Nebeneffekt, dass die öffentlichen Haushalteentlastet würden. Allein für die Einkommensaufstocker– das sind Menschen, die von ihren Löhnen nicht lebenkönnen und deshalb staatliche Hilfen benötigen – wur-den im letzten Jahr 9 Milliarden Euro ausgegeben.Damit wird der Staat immer mehr zur zentralen Lohn-auszahlstelle für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter mi-serabel bezahlen. Diese dauerhafte Subventionierungvon Unternehmen hat doch nun wirklich nichts mitMarktwirtschaft zu tun. Das ist reiner Staatsdirigismus.
Wir fordern eine Aufstockung des Arbeitslosen-geldes II, des Mindestelterngeldes und des Kindergeldes.Die Bundesregierung will jetzt monatlich 10 Euro mehrKindergeld bezahlen. Das ist nicht einmal der Inflations-ausgleich.Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen schon ei-nige Vorschläge für mehr Steuergerechtigkeit und mehrEinnahmen benannt. Abschließend kann ich Ihnen nochBeispiele dafür nennen, wo wir im Haushalt kräftig spa-ren können. Es ist aus meiner Sicht wirklich erstaunlich,wie sorgfältig die Koalitionsfraktionen die Wunschlisteder Rüstungslobbyisten abarbeiten.
Ich will nicht alle nutzlosen Rüstungsprojekte be-nennen. Doch denken Sie einfach einmal darüber nach:Großbritannien möchte den Eurofighter nicht mehr; wirwollen ihn weiter finanzieren.
Ich glaube, wir sollten uns ab und zu auch einmal bei un-seren europäischen Nachbarn umschauen.Mit dem Haushaltsentwurf 2009 sind Sie weit vonden Problemen der Arbeitnehmer, der Arbeitslosen, derFamilien und der Rentner entfernt. Sie sind nicht nahebei den Menschen; Sie sind nahe bei den Wirtschafts-und Rüstungslobbyisten. Der einzige, der mir wirklichnahe bei den Menschen zu sein scheint, ist HerrSchäuble – mit seinen Kameras, Mikrofonen, TrojanernuaRrsvR–PwgebsSIZdzgAbftgSwgaAcSl
Herr Koppelin, Sie sind doch stolz darauf, dass Ihreartei als einzige reinrassig für unbeschränkte Markt-irtschaft eintritt. Sie haben doch gegen jeden Vorschlagewettert, der eine Regulierung der Finanzmärkte oderine leistungsgerechte Finanzierung des Gemeinwesensedeutet. Das ist nun einmal Ihr Profil. Inzwischen müs-en Sie zur Kenntnis nehmen, dass die Ereignisse überie hinweggehen und Sie nicht mehr mitkommen.
nsofern hat der Kollege Meister recht: Über Sie ist dieeit hinweggegangen, Herr Koppelin. Ich habe den Ein-ruck, das gilt für die ganze FDP. Das zeigt Ihr Beitragur Haushaltsdiskussion.
Die andere Rede war von einer Vertreterin der Ideolo-en der Verstaatlichung, die auch keine zeitgemäßenntworten auf die Probleme und Herausforderungen ha-en, mit denen wir es zu tun haben. Ich finde das sehr in-ormativ. Ich fürchte die Auseinandersetzung mit Vertre-ern dieser Geistesrichtung überhaupt nicht; denn sieehen an den Realitäten vorbei.
ie spielen in einer virtuellen Realität und können des-egen den Menschen keine realitätstüchtigen Antworteneben. Die Menschen in unserem Land können dieseber verlangen. Die Sozialdemokratie steht dafür, diesentworten zu geben.
Frau Lötzsch, Ihre eigentliche Stärke ist die vorsätzli-he Täuschung der Öffentlichkeit.
ie bringen nicht einmal Halbwahrheiten. In Deutsch-and gibt es Probleme, auch mit der Armut. Aber wir le-
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Joachim Poßben nicht in einem „Elendsquartier“. Diese Behauptungist eine Beleidigung für alle Bürgerinnen und Bürger, diehier leben und arbeiten.
Ihre Täuschungen lassen wir Ihnen nicht durchgehen.Die Wahrheit über die Steuerpolitik der rot-grünen Re-gierungszeit, die auch von Hans Eichel zu verantwortenist, ist, dass wir im Wesentlichen fast 60 Milliarden Euro– das kann zahlenmäßig belegt werden – für die steuerli-che Entlastung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mern, Familien mit Kindern und den wirtschaftlichenMittelstand ausgegeben haben. Die steuerliche Belas-tung im Jahre 2008 ist für Alleinstehende wie für Fami-lien mit Kindern wesentlich niedriger als noch im Jahre1998. Sagen Sie das einmal der Bevölkerung; denn dassind die Fakten, mit denen wir es zu tun haben.
Ich sage nicht, dass angesichts sicherlich mancher Belas-tung, die auf der anderen Seite hinzugetreten ist, an die-ser Stelle nicht noch mehr getan werden muss. Aber wirmüssen nun einmal von Zahlen und Fakten ausgehen.Das gilt genauso für die Neuverschuldung. DieFrage, die heute gestellt worden ist, ist: Haben wir rich-tig konsolidiert? Hier ist heute der Vorwurf gemachtworden, wir hätten im Aufschwung nicht richtig konsoli-diert. Dieser Vorwurf ist falsch. Ein Haushalt besteht im-mer aus mehr als nur der Nettokreditaufnahme. Wir fi-nanzieren mit dem Haushalt 2009 zum Beispiel wichtigegesellschaftspolitische Fortschritte, für die vor allem wirSozialdemokraten uns eingesetzt haben;
das sind keine Wahlgeschenke, wie manche Kommenta-toren schreiben. Damit meine ich etwa die umfangrei-chen Verbesserungen beim Wohngeld. Zum ersten Malseit 2001 wurde die Höhe des Wohngelds an die gestie-genen Kosten angepasst. Künftig wird es zudem einebessere Berücksichtigung der Heiz- und Energiekostengeben. Weiter sind im Haushalt Verbesserungen beimBAföG oder auch die Ausweitung des Kinderzuschlagesvorgesehen. Das sind gesellschaftspolitisch ganz wich-tige Punkte.
Wer behauptet, wir würden nicht sparen, der soll sa-gen, ob er diese Verbesserungen streichen will.
Damit richte ich mich an die FDP und die Grünen. Siemüssen konkret erklären, ob sie die Verbesserungen, diewir durchgesetzt haben, wieder streichen wollen.
Mehr sparen hieße, auf diese sozialen Verbesserungen zuverzichten. Angesichts der aktuellen konjunkturellenEntwicklung wäre das zudem gänzlich kontraproduktiv.ut–igshh–htFEwtcnHsRfnl2wdshIHfhnuav
Herr Koppelin, ich habe von einer „ungewöhnlichnformativen Rede“ gesprochen, weil es selten die Gele-enheit gibt, in etwas mehr als einer Stunde die weltwirt-chaftlichen Zusammenhänge so darzustellen, wie eseute Morgen Herr Steinbrück sehr gekonnt gemachtat. Ich fand das sehr beeindruckend.
Mein Eindruck ist, dass Sie diese Information nötigeraben als die Kolleginnen und Kollegen meiner Frak-ion.
Im Haushalt ist auch zusätzlich 1 Milliarde Euro füramilien mit Kindern vorgesehen. Nach Vorlage desxistenzminimumberichts in ein paar Wochen werdenir in der Koalition entscheiden, wie die Mittel am bes-en einzusetzen sind.In diesem Kontext muss auch die Bildung angespro-hen werden. Der Bund hat im Bildungsbereich nur we-ige Kompetenzen.
ier sind dem Einsatz von Bundesmitteln Grenzen ge-etzt. Der Erfolg der Bildungsoffensive, von der zuecht so oft die Rede ist, steht und fällt daher mit deminanziellen Einsatz der Länder. Ich kann deshalb nichtachvollziehen, warum auch Ländervertreter offensicht-ich bereit sind, ein Auslaufen der Erbschaftsteuer009 hinzunehmen oder sogar darauf hinzuarbeiten. Wieollen Sie Bildung und Betreuung finanzieren, wennen Ländern die derzeit 4 Milliarden Euro aus dem Erb-chaftsteueraufkommen nicht mehr zur Verfügung ste-en?
ch kann die Vertreter der bayerischen CSU wie aucherrn Rüttgers – den Sozialapostel aus Nordrhein-West-alen, der für das Auslaufen der Erbschaftsteuer plädiertat – nicht verstehen, die ohne Rücksicht auf ihre eige-en Länder ausschließlich im Interesse von Millionen-nd Milliardenerben agieren. Das ist die Wahrheit. Allenderen Erben haben mit der Erbschaftsteuer nicht mehriel zu tun.
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Joachim PoßDie SPD erwartet daher, dass es bei der klaren Zusagevon Frau Merkel und Herrn Kauder bleibt, in der Uniondafür zu sorgen, dass unmittelbar nach der Landstags-wahl in Bayern die Erbschaftsteuerreform in trockeneTücher kommt, und zwar verfassungsfest.
Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung ei-nes vorgelegten Bundeshaushaltes ist die Frage, ob erangemessen auf die aktuelle konjunkturelle Situationeingestellt ist. Zur konjunkturellen Entwicklung hat PeerSteinbrück heute, wie ich finde, ausreichend Stellung ge-nommen. Er hat auch nicht verschwiegen, dass die Ent-wicklungen im Bankensektor in den USA bedrohlichsind,
und festgestellt, dass die Kombination aus der inzwi-schen über ein Jahr währenden Krise an den internatio-nalen Finanzmärkten und den kräftig gestiegenen Roh-stoff- und Energiepreisen für die Unternehmen wie fürdie Menschen weltweit eine große Herausforderung dar-stellt.Aber auch wenn in diesem Quartal das Wachstumnoch einmal ein Minus aufweisen sollte und man viel-leicht technisch von einer Rezession sprechen könnte,wäre es nicht verantwortungsvoll von der Politik – egalob in einer Regierungsfraktion oder der Opposition –,die Lage schwarzzumalen und sozusagen politisch zumissbrauchen, indem eine Rezession herbeigeredet wird,die wir nicht haben – das zeigen auch die Wachstums-zahlen – und angesichts der Entwicklung auf dem Ar-beitsmarkt sehr wahrscheinlich auch im nächsten Jahrnicht haben werden.Meine herzliche Bitte ist, dass Sie der Verantwortungin diesem Land gerecht werden. Ich habe die Ausführun-gen von Herrn Westerwelle und anderen, die zu diesemThema geredet haben, verfolgt. Das ist nicht hinzuneh-men. Wir sägen damit höchstens den Ast ab, auf dem wiralle sitzen.Weil wir so gut aufgestellt sind, haben wir dieChance, mit dieser Krise fertigzuwerden, vielleicht sogarbesser als mit dem Crash, den wir 2001 erlebt haben.Wir haben diese Chance auch als Ergebnis der Regie-rungspolitik. Damit meine ich die Regierungspolitiknicht nur der Großen Koalition, sondern auch der rot-grünen Regierungskoalition. Das sollten Sie bei IhrenBeiträgen, auch wenn Sie sich inzwischen in der Opposi-tion befinden, Herr Kuhn, nicht ganz vergessen.Danke schön.
Alexander Bonde ist der nächste Redner für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.
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ber auch solche Reden helfen nicht, wenn die Koali-ion unter Konsolidieren nur Geldausgeben auf allenbenen versteht. Niemand von uns hat ein Interesse da-an, eine Rezession herbeizureden. Aber das Kernpro-lem Ihres Haushaltes und Ihrer Finanzplanung ist dieingeplante Steigerung bei den Steuereinnahmen. Selbstenn sie nur konstant bleiben, steht Ihr Versprechen,011 die Nettoneuverschuldung auf null zu drücken, aufönernen Füßen. Dafür ist also noch nicht einmal einerise notwendig. Schon eine normale Entwicklungimmt Ihnen die Chance, dieses Versprechen einzuhal-en.
Die Ausgaben im Finanzplan wachsen munter weiter.ie zusätzlichen Steuereinnahmen dienen nur dazu, dieusgaben direkt wieder zu steigern. Um es den Men-chen plastisch darzulegen: Wenn eine Familie ein paarundert Euro Schulden hat, dann setzt man sich an den
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Alexander BondeTisch und überlegt, wo man sparen kann. Stellen wir unsdas einmal bei Familie Merkel vor. Hier ist das Kabinettdie Küche. Man sitzt dort gemeinsam zusammen, be-schließt trotz Milliardenschulden, dass alle mehr bekom-men, und versichert sich gegenseitig, dass die Steuerein-nahmen so stark steigen werden, dass sie irgendwann dieAusgaben einholen werden. Das ist die tägliche Realitätin dieser Koalition.
Ihre Planungen und Ihr Versprechen, einen ausgegli-chenen Haushalt vorzulegen, basieren auf mutigenWachstumsprognosen. Sie prognostizieren für 2009 einWachstum in Höhe von 1,2 Prozent. Das ist nicht nur an-gesichts dessen, was wir gestern erlebt haben, sondernauch angesichts der Prognosen der Institute mutig. Wennman sich den gesamten Finanzplan anschaut, dann stelltman fest, dass Sie hier noch mutiger sind. Sie kalkulie-ren mit einem durchschnittlichen Wachstum in Höhe von1,5 Prozent. Man muss keine Krise herbeireden, wohlaber muss man Berufsoptimist sein, um ernsthaft zuglauben, dass sich die gute konjunkturelle Entwicklungder letzten Jahre fortsetzen wird.
Schauen wir uns Ihre anderen kühnen Annahmen an.Sie haben sich in Ihrer Finanzplanung bis 2011 die gro-ßen Posten gezielt vorgenommen. Mit dem vorliegendenFinanzplan des SPD-Finanzministers Steinbrück wirduns erklärt, dass diese Bundesregierung der Auffassungist, man könne bis zum Jahr 2011 2,7 Milliarden Eurobei Hartz IV einsparen. Das sind über 10 Prozent derMittel, die wir für das Arbeitslosengeld II ausgeben. Ichwill von der SPD, aber auch von der Union wissen: Istdas Zahlenkosmetik, mit der Sie uns hinter die Fichteführen wollen, oder ist das eine knallharte Ansage andiejenigen, die darauf angewiesen sind, dass wir ernst-haft darüber nachdenken, ob man mit den heutigen Sät-zen vernünftig leben kann?
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Man muss trotz einer hartenAnsage und der angestrebten Konsolidierung ernsthaftüber eine Erhöhung der Regelsätze auf 420 Euro – dasfordern die Sozialverbände und wir – sprechen. DieseAnsage ist richtig und nicht die von Ihnen erweckte Illu-sion, dass Hartz IV das Sparkästle dieser Koalition ist,um die Nettoneuverschuldung auf null zu drücken.
Aber genau so sieht die Finanzplanung des Finanzminis-ters aus, die mit Ihren Stimmen beschlossen werden soll,liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
Sie blenden noch mehr Risiken aus. Der Arbeitsmi-nister hat eine globale Minderausgabe von 1 MilliardeEuro in der Finanzplanung seines Etats, von der keinerweiß, wo sie herkommen soll. Über die Auswirkungender Finanzkrise wissen wir nur, dass sie kommen wer-den, dass die Einheit „Milliarde“ sein wird, aber auchdwSMzgagbgnE3CauKbssuJZKISnUTdArewntdVwfwszdnia
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Mit der Wiederherstellung staatlicher Handlungsfä-igkeit haben wir auch die Spielräume für aktuelle, vorllen Dingen aber für zukünftige Entlastungen in unsereresellschaft geschaffen; denn eine Begrenzung der Schul-enlast ist ein generationengerechtes Angebot für die zu-ünftigen Generationen. Deutlich über 900 Milliardenuro Schulden allein des Bundes sind eine schwere Alt-ast für die nachfolgenden Politikergenerationen. Deswe-en ist es wichtig, dass wir im Jahr 2011 keine neuenredite aufnehmen und das Verbot, neue Kredite aufzu-ehmen, im Grundgesetz verankern, damit der ausge-lichene Haushalt nicht nur für diese, sondern auch fürukünftige Regierungen der Regelfall im Interesse nach-olgender Generationen wird.
Wir haben konsolidiert, um zu investieren, und wiraben konsolidiert, um zu reformieren. Dass die Staats-uote auf das Niveau der Zeit von Gerhard Stoltenbergesunken ist, macht deutlich, dass ein starker Staaturchaus auch ein schlanker Staat sein kann. Die Bürge-innen und Bürger werden weniger durch den Staat innspruch genommen, auch wenn manches Mal etwasnderes hier vorgetragen wurde. Wir haben konsolidiert,m beispielsweise in Bildung und Forschung zu inves-ieren; denn wir glauben, dass dieses Land auf Dauer nurann wirtschaftlich leistungsfähig bleibt, wenn wir dieesten in unseren Schulen, Hochschulen und im dualen
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Steffen KampeterSystem ausbilden. Das ist eine wichtige Investitionsent-scheidung gewesen.Wir haben beispielsweise in die Infrastruktur für dieBetreuung der unter Dreijährigen investiert, weil wirglauben, dass die Vereinbarkeit von Familie und Berufein wichtiger Baustein für die Zukunftsfähigkeit unseresLandes ist. Wir haben auch in die Verkehrsinfrastrukturinvestiert und den Trend, dass unter Rot-Grün der Anteilder Investitionen in unser Verkehrssystem gesunken ist,gestoppt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben wirmehr baureife Bundesfernstraßenprojekte, als wir über-haupt Mittel haben; da ist noch Steigerungspotenzial.Das waren wichtige Investitionsentscheidungen und einekluge Konsolidierungsrendite.
Wir waren auch in der Lage, in die innere Sicherheitzu investieren, Stichwort BOS-Digitalfunk, damit die Si-cherheitsbehörden vor Ort auch kommunizieren könnenund nicht mit archaischen Systemen ausgestattet sind.Ein Staat, der finanziell nicht handlungsfähig ist – einensolchen haben wir 2005 vorgefunden –, hätte die innereSicherheit vernachlässigt. Wir haben unter KanzlerinAngela Merkel in die innere Sicherheit investiert. Daswar eine kluge Investitionsentscheidung.
Wir haben konsolidiert, um zu reformieren. Ich willIhnen nur einige der von uns getroffenen Entscheidun-gen mit der Überschrift „Mehr Netto, und zwar für alle“– die entsprechenden Gesetze und Verordnungen tretenin den nächsten Monaten in Kraft – noch einmal vor Au-gen führen. Das soll deutlich machen, dass die Konsoli-dierungsrendite bei den Menschen auch tatsächlich an-kommt. Ich erwähne den Kinderzuschlag: 70 000Haushalte werden netto bis zu 140 Euro zusätzlich erhal-ten. Ich erwähne die Ausweitung des BAföGs bei denBedarfssätzen und bei den Freibeträgen. Auch hier:Mehr Netto für die Studierenden. Ich nenne das Wohn-geld, das durchschnittlich um 50 Euro monatlich ange-hoben wird. Wir haben die Rentenerhöhung vorgenom-men. Wir haben das Eigenheimrentengesetz auf den Weggebracht. Die Familienförderung werden wir für alleausweiten,
und zwar nicht nur in Bezug auf Infrastruktur, sondernso – der Bundesfinanzminister hat es sehr richtig gesagt –,dass auch die Familien mehr Netto haben.
Wir machen es so, dass es bei den Familien direkt, also„bar auf Tatze“ ankommt. Das ist unser Vorschlag, denwir hier in die Debatte mit einbringen.
Wir werden die Absetzbarkeit von Krankenkassenbei-trägen ausweiten, nicht weil uns jemand zwingt, sondernweil wir es für richtig empfinden, dass diejenigen, die indhgspzsPBtihrdseEstsbwsleedeDmtveBaketdZdF–KhrddbdnK
Ich will deutlich machen: Der Bundesfinanzministerat hier sehr nüchtern auch die Wolken am konjunktu-ellen Horizont beschrieben. Aber ich will hervorheben,ass ich mir nicht so viele Sorgen mache wie Anfangieses Jahrtausends, als wir die letzte Wachstumseintrü-ung hatten. Da war die Zusammenarbeit zwischen demamaligen Bundeskanzler und dem damaligen Bundesfi-anzminister etwas anders. Berichtet worden ist, dass dieonsolidierungsbemühungen im Kabinett mit einem et-
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Steffen Kampeterwas abfälligen „Lass mal, Hans!“ bewertet worden sind.Heute haben sich sowohl die Frau Bundeskanzlerin alsauch der Bundesfinanzminister eindeutig hinter das Zielgestellt, 2011 keine neuen Schulden mehr machen zuwollen.Der ausgeglichene Haushalt ist keine Rechenlösung,die sich aus Wachstumsprognosen ableitet, sondern erentsteht im Zusammenwirken von wirtschaftlichemWachstum, politischen Zielsetzungen und gemeinsamemHandlungswillen. Die Bundeskanzlerin, der Bundes-finanzminister und die sie tragenden Koalitionsparteienund -fraktionen werden das in dem Bemühen, 2011keine neuen Schulden mehr machen zu wollen, eindeu-tig, klar und nachdrücklich unterstützen.
Ich will allerdings darauf hinweisen, dass wir nocheine Reihe von Aufgaben vor uns haben, auch Dinge un-terlassen müssen, beispielsweise den Arbeitsmarkt zuregulieren. Im Gegenteil, wir müssen im Rahmen der In-strumentenreform den Wirrwarr der arbeitsmarktpoliti-schen Instrumente beseitigen. Wir müssen die unterschied-liche Verwaltungspraxis, die es bei Hartz IV gibt – dieMenschen sind bei Hartz IV eben nicht gleich –, been-den.Wir müssen noch anderes unterlassen. Ich glaubenicht, dass wir regulierend in die Zeitarbeitsbranche ein-greifen sollten. Wir sollten die grundgesetzlich garan-tierte Tarifvertragsfreiheit nicht einschränken. Das sindwichtige Signale. Eine der Erfolgsgeschichten dieserGroßen Koalition ist die Wiederherstellung eines funk-tionsfähigen Arbeitsmarkts.
Wir haben 1,5 Millionen Menschen mehr in Arbeit. Siesind aus den sozialen Sicherungssystemen heraus in einereguläre Beschäftigung überführt worden. Neben der ei-gentlichen Haushaltskonsolidierung und den aufgezeig-ten Reformen ist eine funktionsfähige, marktwirtschaft-liche Arbeitsmarktpolitik mit ein zentraler Schlüssel zurHaushaltskonsolidierung.In diesem Sinne werden wir Kurs halten. Wir werdenden Finanzminister bei seinen Konsolidierungsbemü-hungen unterstützen. Wir als Haushälter werden auchdem freundlichen Feuer der wahlkämpfenden Koali-tionsfraktionen widerstehen und versuchen, die Konsoli-dierung noch ein Stück weit voranzutreiben und dieNettokreditaufnahme auf unter 10 Milliarden Euro zusenken. Wir werden in diesem Sinne auch von vielenhier im Hause unterstützt. Wir starten heute die Beratun-gen. Ich glaube, dieser Haushaltsentwurf ist ein guterVorschlag. Es ist ein gutes Signal. Es ist eine erfolgrei-che Politik für die Menschen in unserem Land.
Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Carl-
Ludwig Thiele.
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ei Regierungsantritt von Schwarz-Rot ist dieser Anteilicht veräußert worden, und das kritisieren wir. Es istben nicht Aufgabe des Staates, Anteile an privaten Ban-en zu halten.Die KfW sagt, mit der IKB habe sie das Ohr am Mit-elstand haben wollen. Daran kann man sehen, wer fürieses Ohr tatsächlich bezahlen muss. Das ist Verschleu-erung von Volksvermögen. Dafür gibt es eine Verant-ortung, und die Verantwortlichen sind nicht zuletzt iner Regierung zu suchen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, Sieeden davon, der Bund habe gespart. Das stimmt einfachicht. Die Ausgaben sollen um über 5 Milliarden Euroteigen. Wer Ausgaben steigert, spart nicht.
Ein Bundeshaushalt 2009 ohne Neuverschuldungäre möglich gewesen. Die Steuereinnahmen des Bun-es steigen im nächsten Jahr um 10 Milliarden Euro, undie Neuverschuldung sinkt nur um 1,4 Milliarden Euro.ür Ihre gesamte Regierungszeit lässt sich festhalten,ass der Bund seit Regierungsantritt der Großen Koali-ion pro Jahr 60 Milliarden Euro mehr Steuern ein-immt, die Neuverschuldung aber nur um 20 Milliardenuro gesenkt hat. Der Bund nimmt also dreimal mehr an
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Carl-Ludwig ThieleSteuern ein, als er an Neuverschuldung abbaut. Deshalbist diese Politik keine Politik des Sparens.
Die Konsolidierung eines Haushaltes muss nach Auffas-sung der FDP über die Ausgabenseite erfolgen. Dasweiß jeder Bürger. Wenn ein privater Haushalt wenigerGeld zur Verfügung hat, dann spart er, indem er wenigerGeld ausgibt. Die öffentliche Hand und auch die GroßeKoalition machen es aber genau anders herum. Die Steu-ern werden erhöht. Die Einnahmen des Staates werdenerhöht. Deshalb haben Sie die größte Steuererhöhung inder Geschichte unseres Landes beschlossen. Deshalb ha-ben Sie in einer Vielzahl von Maßnahmen weitere Steuer-erhöhungen beschlossen. Deshalb haben Sie die Ein-kommensteuer nicht gesenkt, denn durch die kalte Pro-gression erhält der Bund bei höherem Bruttoeinkommender Bürger Jahr für Jahr ein Mehr an Steuereinnahmen.In jedem Jahr hat die FDP Sparsamkeit angemahnt.Wir haben jedes Jahr konkrete Sparvorschläge in Mil-liardenhöhe vorgelegt. Diese Sparvorschläge wurdenvon Ihnen immer abgetan, als hätten sie nichts zu bedeu-ten. Schon in diesem Jahr hätten wir die Neuverschul-dung auf null reduzieren können. Spätestens 2009 müs-sen wir sie erreichen. Wir als FDP sind der Auffassung,dass die Bürger nicht die Melkkühe der Nation sein dür-fen. Wir brauchen eine deutliche und spürbare Entlas-tung der Bürger. Wer die Ausgaben kürzt, hat dadurchGeld für die Entlastung der Bürger.Die Steuern zu senken und den Haushalt zu konsoli-dieren, sind keine Gegensätze. Wenn der Staat spart,dann kann er die Neuverschuldung senken und die Bür-ger entlasten. Deshalb fordern wir von der FDP eineSenkung der Steuerbelastung der Bürger. Wir forderneine durchgreifende Steuerreform, damit der Bürgerüberhaupt die Chance hat, unser Steuerrecht zu verste-hen.Noch vor der letzten Bundestagswahl war dies auchdie Forderung der Union. Wir werden jetzt und imnächsten Jahr immer wieder darauf drängen, dass diesesThema auf die Tagesordnung kommt. Es beschäftigt undbelastet die Bürger und es hindert die Binnennachfrage,die wir in unserem Land benötigen. Wir werden dieganze Zeit über den Finger in die Wunde legen und nichteher ruhen, bis dies durchgesetzt ist.Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Carsten
Schneider.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Thiele, Sie stellen sich hier hin und drän-gen auf Ausgabenkürzungen. Sie stellen sich hier hinund fordern Subventionskürzungen. Das finde ich dreist.ASnsetSDhhErdcusadndEHdgasWdnuI–lzlrMshhhdhw
s ist der letzte Haushalt, den wir in dieser Legislaturpe-iode noch beraten werden. Er folgt dem klaren Ziel under klaren Linie, den Haushalt des Bundes auszuglei-hen und mit dem Geld, das wir an Steuern einnehmennd das die Bürgerinnen und Bürger hart erarbeiten,orgsam umzugehen. Wir alle waren in Regierungsver-ntwortung und der Politik der vergangenen Jahrzehntearan beteiligt, mehr auszugeben, als wir tatsächlich ein-ahmen. Herr Koppelin, Sie haben den höchsten Anteilaran, das sei nur nebenbei erwähnt.
s gilt, damit Schluss zu machen. Deshalb ist dieseraushalt für uns von besonderer Bedeutung.Auch in dem zurzeit schwierigen Umfeld hat die Bun-esregierung Vorsorge getroffen. Die Wachstumspro-nose, die diesem Haushalt zugrunde liegt, ist niedrigerls diejenige, die uns beispielsweise die EU-Kommis-ion für das Jahr 2008 prognostiziert hat.
ir ernten die Früchte der Grundlagen, Kollege Bonde,ie wir in der rot-grünen Regierungszeit mit der Moder-isierungspolitik von Gerhard Schröder im Wirtschafts-nd Arbeitsmarktbereich gelegt haben. Das ist ganz klar.n dieser Zeit wurde die Saat gelegt, durch deren Erfolge wie den Abbau der Arbeitslosigkeit – knapp zwei Mil-ionen Menschen neue Beschäftigung fanden. Das sindwei Millionen Menschen mehr, die selbst für ihre Fami-ien sorgen und nicht mehr auf die Solidarität von ande-en angewiesen sind. Das sind zwei Millionen Väter undütter, die voller Stolz im Arbeitsleben stehen. Diesind die Erfolge der Politik der vergangenen Jahre. Wiraben die Früchte dieser Saat geerntet; das ist ganz klar.Wir haben – das ist vollkommen richtig; das will ichier auch sagen – keine Sparorgien durchgeführt. Ichielte ein solches Vorgehen auch für falsch angesichtser Tatsache, dass wir in vielen Bereichen des Bundes-aushaltes – ich werde auf einige Punkte noch eingehen –ichtige Zukunftsprojekte auf den Weg gebracht haben.
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Carsten Schneider
So erhöhen wir im Sozialbereich das Wohngeld imDurchschnitt von 90 auf 140 Euro. Diese Anpassung warlängst überfällig. Deshalb fordern wir Sozialdemokratenaufgrund der Belastung der Bezieher von niedrigen bzw.geringen Einkünften durch die hohen Energiepreise aucheine Vorziehung der Novelle.Wir haben die Chancengerechtigkeit in diesem Landverbessert. Sie ist zwar noch nicht eins zu eins gegeben– das ist richtig –, aber durch die BAföG-Novelle erhöhtesich die Zahl der Schüler und Studenten, die BAföG be-kommen, von gut einer halben Million auf 1 Million.Damit ist die Chancengerechtigkeit in diesem Land einStück vorangekommen.
Wir werden auch mehr im Bereich der Verkehrsin-frastruktur tun. Natürlich müssen dafür – das ist ganzklar; auch Herr Koppelin hat das vorhin angesprochen –entsprechende Einnahmen vorhanden sein, mit denen diezusätzlichen Investitionen in Höhe von 1 Milliarde Euroin die Straßeninfrastruktur finanziert werden können.Diese wollen wir durch eine Erhöhung der Maut finan-zieren.
Es ist vollkommen klar, dass die davon betroffenen Fir-men in Deutschland an anderer Stelle wieder entlastetwerden. Aber es ist doch in Ordnung, dass wir als euro-päisches Transitland verlangen, dass zum Beispiel Fran-zosen oder Polen etwas dafür bezahlen, dass sie unsereStraßen nutzen.
Die Ministerpräsidenten und Sie sollten wissen, dass– wenn sie dieser Mauterhöhung nicht zustimmen – 1 Mil-liarde Euro fehlen wird, um Straßen in ihren Wahlkreisenund Bundesländern zu bauen oder zu erneuern.Wir sind mittlerweile in der Europäischen Union– der Bundesfinanzminister hat vorhin in seiner Rede dieSchlagzeile vom „kranken Mann Europas“ vom Anfangdes Jahrzehnts zitiert – der Motor der wirtschaftlichenEntwicklung.
Das durchschnittliche Wachstum in Europa liegt lautden bisherigen Zahlen vom Januar 2008 bei 1,3 Prozent,in Deutschland bei 1,8 Prozent. Das Finanzierungsdefi-zit der Bundesrepublik beträgt null. Gesamtstaatlich ha-ben wir sogar einen Überschuss. Insbesondere die Kom-munen bzw. die Gemeinden –
hier zeigen sich ja tagtäglich die Auswirkungen vonPolitik – haben durch die Sicherung der Gewerbesteuer,die wir Sozialdemokraten durchgesetzt haben, einen im-mer größer werdenden Handlungsspielraum. Im Ver-gdo5lEklkdDgwummdssbKrddgumBeEGzSDvlbWdwzEAdnd
ringen uns letztendlich nicht weiter. Vielmehr gilt es,urs zu halten, also zum Beispiel die Ausgabenstruktu-en durch mehr Investitionen im Bundeshaushalt in Bil-ung und Forschung zu verbessern.Ich sehe mit Interesse, dass die Einberufung eines Bil-ungsgipfels angekündigt worden ist. Ich sage aberanz klar: Dieser darf nicht zu einer Talkrunde werdennd in einem präsidialen Stil moderiert werden, weilan gar keine Kompetenzen hat. Vielmehr müssen demund, wenn er sich hier engagiert, auch Kompetenzeningeräumt werden.
s kann nicht sein, dass die Ministerpräsidenten daseld einkassieren und im Endeffekt nichts passiert.Ähnliches ist ja leider im Zuge des Hochschulpaktesu beobachten: Es sollten bis 2010 12 000 zusätzlichetudienplätze geschaffen werden, bisher sind es 2 500.as ist ungenügend. Hier muss von den Bundesländern,on den verantwortlichen Ministerpräsidenten mehr ge-eistet werden, um Deutschland insgesamt nach vorne zuringen.
ir als Haushälter werden versuchen, die Bereiche Bil-ung und Forschung zu stärken. Diese Bereiche sindichtig. Im Haushaltsentwurf ist vorgesehen, 2,8 Pro-ent des Bruttoinlandsproduktes für Forschungs- undntwicklungsaufgaben zu verwenden. Dort, wo dieseusgaben hinfließen, sollen insbesondere private Mitteler Wirtschaft mobilisiert werden. Ich finde, das ist nochicht ausreichend erfolgt. Aber ich bin guter Dinge, dassie Ministerin das im Blick hat.
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Carsten Schneider
Wir werden als Haushälter auch darauf achten müs-sen, Irrsinniges abzuwenden. Es gibt da einen Vorschlagaus dem Wirtschaftsministerium. Herr Glos ist ja von derCSU, und dort ist Wahlkampf; vielleicht wird das auchwieder fallen gelassen.
Denn auf der einen Seite vom Finanzminister zu verlan-gen, so schnell wie möglich bei der Neuverschuldung imBundeshaushalt eine Null zu haben – da gab es auchschon eine Meldung, dass das 2010 sein solle –, auf deranderen Seite aber den Kauf bestimmter Kühlschränkezu subventionieren – da freuen sich Media-Markt undSaturn –, das geht nicht.
Bundesminister Gabriel hat das geprüft und schon imersten Paket abgelehnt, weil das letztendlich nur zu Mit-nahmeeffekten führen würde. Man kann auch nicht nochein Konjunkturprogramm in Höhe von 10 Milliar-den Euro und gleichzeitig Steuersenkungen fordern.All dies ist unsolide und gefährdet unsere Ziele: einenausgeglichenen Haushalt, eine solide Finanzpolitik, ei-nen sicheren Umgang mit Ihren Steuergeldern und dieEinführung einer Schuldenbremse in der Verfassung.Eine Schuldenbremse – da möchte ich dem Ministermeine ausdrückliche Unterstützung signalisieren – führtdazu, dass wir ein gutes Modell dafür haben, wie sich inder Zukunft wirtschaftliche Entwicklung und solide öf-fentliche Finanzen miteinander verbinden lassen.Vielen Dank.
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege
Eduard Oswald.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Kein Zweifel: Deutschland hat seit 2005 beachtlicheFortschritte gemacht. Wir sind dabei, Deutschland fit fürdie Zukunft zu machen. Die Doppelstrategie – Konsoli-dierung des Haushalts und gleichzeitig gezielte Förde-rung des wirtschaftlichen Wachstums – ist und warerfolgreich. Es ist – durch Schaffung der Rahmenbedin-gungen – eine große Leistung der Bundesregierung undder sie tragenden Großen Koalition, aber vor allem einegroße Leistung der Arbeitgeber und Tarifpartner, dass inden vergangenen drei Jahren 1,6 Millionen neue Arbeits-plätze geschaffen wurden. Damit ist die Zahl der Er-werbstätigen auf über 40 Millionen angewachsen. VieleArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben neue Chan-cen zur Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichenLeben gewonnen.gdTunlcmgAtdfBBhSdesMeeWdArdwsnlfdrAcdfKgndbTzArV
ach dem Motto: Man muss immer wissen, was eigent-ich drin ist. An die Stelle einer Kreditwürdigkeitsprü-ung auf der Grundlage eigener Informationen trat alleinas Vertrauen auf die Urteilsfähigkeit der Ratingagentu-en. Zugleich war für diejenigen, die vor Ort bei einernalyse befähigt gewesen wären, überhaupt kein ausrei-hender Anreiz mehr gegeben, eine sorgfältige Auswahler Kreditnehmer vorzunehmen, weil der Kredit ja so-ort abgestoßen wurde.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undollegen, natürlich dürfen wir keine nationalen Allein-änge starten. Vielmehr bedarf es hier eines internatio-alen Vorgehens, da nur so die Probleme behoben wer-en können. Hier erscheinen mir fünf Maßnahmenesonders wichtig zu sein: zum Ersten verbesserteransparenzvorschriften,
um Zweiten die Verbesserung der Zusammenarbeit derufsichten in Europa, zum Dritten verbesserte Bilanzie-ungsregeln für Aktivitäten außerhalb der Bilanz, zumierten Verbesserungen bei den Bestimmungen zur Ka-
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Eduard Oswaldpitalausstattung von Kreditinstituten und zum Fünftendie Beseitigung von Interessenkonflikten bei den Rating-agenturen.
Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass Geldge-schäfte viel zu wichtig sind, als dass man sie demFinanzsektor unkontrolliert überlassen dürfte. ModerneFinanzprodukte haben ja die Risiken nicht vermindert,sondern vielmehr neue geschaffen. Trotzdem gilt: DieBewältigung der Finanzmarktkrise ist maßgeblich vonden Marktakteuren selbst in Angriff zu nehmen. Dazumuss das Vertrauen in den Finanzmarkt gestärkt werden.Vertrauen ist eine wesentliche Grundlage für einen funk-tionierenden Finanzmarkt. Gerade diese Krise machtdeutlich, dass eine unzureichende Verlässlichkeit dieFinanzmarktprozesse nachhaltig stört und die Gefahr ne-gativer Folgen für die Realwirtschaft möglich ist.Mit einem Anteil von nahezu 5 Prozent an der gesam-ten nominalen Wertschöpfung ist das Finanzsystem inDeutschland bereits für sich genommen ein nicht zu ver-nachlässigender Wirtschaftszweig, dessen Zustand undLeistungsfähigkeit mit über die Entwicklung der Wirt-schaftsleistung insgesamt entscheiden. Die Turbulenzenan den Finanzmärkten machen auch deutlich, dass sichdie volkswirtschaftliche Bedeutung des Finanzsystemsnicht in den Wachstumswirkungen erschöpft, sonderndass die Stabilität und vor allem ihr Fehlen ebenfalls ei-nen erheblichen Einfluss auf die Realwirtschaft habenkönnen. Gerade deswegen müssen wir uns in den Aus-schüssen – auch wir im Finanzausschuss – verstärkt da-mit beschäftigen.Wir wollen unsere Politik des Investierens, des Sanie-rens und Reformierens fortsetzen.
Es bleibt unsere Richtschnur, die Wachstumskräfte zustärken und den Beschäftigungsaufbau weiter voranzu-bringen.In den Mittelpunkt unserer Politik stellen wir diejeni-gen Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrer Arbeit undLeistung den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes er-möglichen.
Ohne ihren täglichen Einsatz wäre kein Sozialstaat fi-nanzierbar. Darüber hinaus sichert die Leistung geradeder Mitte unserer Gesellschaft die Wettbewerbsfähigkeitund damit die Zukunft unseres Landes. Neue und ge-sicherte Arbeitsplätze schaffen Perspektiven für die Be-schäftigten und ihre Familien. Wachsende Einnahmenaus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ermögli-chen eine Entschuldung öffentlicher Kassen. So entste-hen weitere Spielräume für Wachstumspolitik in Formvon Strukturreformen, Steuer- und Abgabensenkungensowie Zukunftsinvestitionen. Genau das ist unsere Auf-gabe, und daran arbeiten wir auch zukünftig.BHBKbadhSaiadwiisbcKVEdskrgnsdDKZa
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege
ernhard Brinkmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zueginn meiner Rede den Bundesfinanzminister loben.ollege Poß hat es vorhin schon zum Ausdruck ge-racht: Peer Steinbrück hat in einer informativen unduch sehr beeindruckenden Rede deutlich gemacht, woie Schwerpunkte des Bundeshaushaltes 2009 liegen. Erat auf die Risiken und – das war aufgrund der aktuellenituation von besonderer Bedeutung – die Turbulenzenuf den Finanzmärkten hingewiesen und darauf, was unsn der nächsten Zeit durchaus noch ereilen und vielleichtuch belasten kann.Meine Vorredner haben darauf hingewiesen – ich willas ausdrücklich bestätigen –, dass es absolut richtigar, 2005 den Dreiklang von sanieren, reformieren undnvestieren
n den Mittelpunkt der Haushalts- und Finanzpolitik zutellen. Dieser Dreiklang wird fortgesetzt. Erstmals ha-en wir eine realistische Chance, in 2011 einen ausgegli-henen Bundeshaushalt zu erreichen. Lieber Kollegeoppelin, wenn Sie von Abkassieren reden, dann ist dasergangenheitsbewältigung.
igentlich ist es müßig, gestatten Sie mir aber dennochen Hinweis: Beim Schuldenmachen und beim Abkas-ieren waren die Freien Demokraten mehrere Jahrzehnteräftig dabei. Demzufolge sollten Sie sich ein wenig zu-ücknehmen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Folgendes sa-en: Mit Blick auf 2009 wird schon jetzt einiges übereue Mehrheiten und neue Koalitionsmöglichkeiten ge-agt. Herr Kollege Koppelin, ich empfehle Ihnen, sichen Spiegel genau anzuschauen.
ort wurde eine „Münchhausen-Skala“ erstellt. Derollege Westerwelle soll in einem Sommerinterview imDF gesagt haben – ich habe die Sendung nicht gesehen,ber es steht so im Spiegel –:Zehn Jahre lang haben wir jetzt nur Steuererhöhun-gen gehabt. Das ist genug.
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Bernhard Brinkmann
Das Ergebnis des Tests, der vom Spiegel gemacht wor-den ist, lautet – das Ergebnis sind vier rote Punkte; rot istauch in diesem Fall gut –:Die Steuerentlastungen übertrafen die Erhöhungender vergangenen zehn Jahre. Würde heute noch dasRecht von 1998 gelten– als Sie noch an der Regierung beteiligt waren –,müssten die Bürger rund 30 Milliarden Euro mehran Steuern zahlen.Auch das gehört zur Wahrheit beim Thema „Abkassie-ren und Schulden machen“.
Herr Kollege Koppelin, ich gebe Ihnen das gerne.
Bis heute habe ich keine gegenteilige Stellungnahme zudiesem Spiegel-Artikel vernommen. Wenn in dem Arti-kel ein Fehler sein sollte, können wir uns darüber gerneim Rahmen der in der nächsten Woche im Ausschuss be-ginnenden Haushaltsplanberatungen austauschen.Die finanzpolitische Ausgangslage hat sich gegen-über den Vorjahren deutlich verbessert. Die Konsolidie-rung schreitet konsequent voran. Die Nettokreditauf-nahme konnte von 31,2 Milliarden Euro in 2005kontinuierlich und in beträchtlichen Schritten gesenktwerden. Sie wird, wenn wir am Ende der Haushaltsbera-tungen für das Haushaltsjahr 2009 sind, bei unter10 Milliarden Euro liegen. Das ist ein großes, ein hehresZiel. Dieser Verantwortung sollten wir uns gemeinsamstellen. Das ist eine Entwicklung, auf die wir bei allenProblemen und Risiken, die nach wie vor vorhandensind, durchaus ein wenig stolz sein können. Dankbarsollten wir in diesem Zusammenhang denjenigen Men-schen in unserem Land sein, die mit ihrer Leistung dieseErfolge möglich gemacht haben. Diese Leistung, die je-der Einzelne an seinem Platz erbringt, verdient größtenRespekt, Dank und Anerkennung.Bei dieser Gelegenheit muss man darauf hinweisendürfen, dass unsere Volkswirtschaft im Gegensatz zu an-deren Volkswirtschaften in Europa und darüber hinauserhebliche Milliarden an Sonderaufwendungen für diedeutsche Einheit aufgebracht hat. Auch das ist eine Leis-tung, auf die unsere Volkswirtschaft, auf die alle Men-schen in unserem Land stolz sein können.
Zur Schuldenbremse und zur Nettokreditaufnahme,die künftige Haushalte angeht, sind bereits Ausführun-gen gemacht worden. Ich will sie an dieser Stelle nichtwiederholen.Was die Frage der Ausgaben des Bundes für sozialeLeistungen angeht, könnte man bei manchen Äußerun-gen den Eindruck gewinnen – das betrifft die linke Seitedieses Hauses –, wir würden nicht erhebliche Summenaufwenden. Ich darf darauf hinweisen, dass wir für denBereich Soziales im Bundeshaushalt 2009 immerhinr4HmWdGPmEimwvddMMbWntWMbuhdHSwfbwmV
er sich in dieser Art und Weise hier hinstellt und auchoch auf Geschenke für die oder Kniefälle vor der Rüs-ungslobby hinweist, geht mit seinen Aussagen an derahrheit und Wahrhaftigkeit vorbei.
Ich sehe, die Uhr am Rednerpult geht Richtung null.
it der Null hatten wir heute Morgen schon etwas Spaßezüglich der Nettoneuverschuldung. Liebe Kolleginnennd Kollegen, ich freue mich auf die beginnenden Haus-altsberatungen im Ausschuss. Ich freue mich auch aufas Sparbuch der Freien Demokraten.
offentlich ist in diesem Jahr etwas darauf. Denn einparbuch ist letztendlich nur vernünftig und sinnvoll,enn ein Guthaben darauf ist. Das, was Sie bisher gelie-ert haben, war kein Guthaben, sondern nicht realisier-are Einsparmöglichkeiten.
In diesem Sinne herzlichen Dank fürs Zuhören undeiterhin viel Erfolg bei den Beratungen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Ernährung, Landwirtschaft underbraucherschutz, Einzelplan 10.
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Vizepräsidentin Petra PauDas Wort hat der Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Der Haushalt 2009 rundet die Wahlperiode ab. Ersetzt die richtigen Akzente. Wenn ich mir die einzelnenPositionen ansehe, kann ich für die Bereiche der Land-wirtschaftspolitik und der Verbraucherschutzpolitik sa-gen, dass die Regierungskoalition in dieser Legislaturalle Punkte, die wir zu Beginn der Legislatur vereinbarthatten, auf Punkt und Komma erfüllt hat. Das drückt die-ser Haushalt aus.
Der Haushalt 2009 enthält wichtige neue Akzente.Besonders freut mich nach der jahrelangen Kürzung derMittel für den ländlichen Raum und der Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und desKüstenschutzes“ das Aufwachsen dieser Mittel auf700 Millionen Euro im Jahre 2009. Es waren einmalüber 800 Millionen Euro; sie sind von meiner Vorgänge-rin kräftig gekürzt worden. Wir sind jetzt wieder bei700 Millionen Euro mit den Schwerpunkten Küsten-schutz im Norden unserer Republik und Breitbandverka-belung im ländlichen Raum in der ganzen Republik. Dassind wichtige Schwerpunkte, die rechtfertigen, dass wirdiese Mittelaufstockung durchgeführt haben. Ich denke,die Koalition zeigt, dass wir über die Attraktivität ländli-cher Gebiete als Wirtschafts- und Lebensräume nicht nurreden, sondern auch die notwendigen Finanzmittel zurVerfügung stellen.
Das ist ein ganz wichtiger Schwerpunkt.Der zweite wichtige Schwerpunkt ist die landwirt-schaftliche Sozialpolitik. Ich nehme für diese Regie-rung in Anspruch, dass seit der deutschen Einheit keineRegierung im Amt war, die die landwirtschaftliche So-zialversicherung und die Zuschüsse des Bundes dazunicht gekürzt, sondern erhöht hat. Wir als Bund stelleninsgesamt 3,7 Milliarden Euro für die verschiedenenlandwirtschaftlichen Sozialversicherungszweige zur Ver-fügung. Was die Koalitionsfraktionen bei der Reform derlandwirtschaftlichen Unfallversicherung geleistet haben,
ist ein großes positives Beispiel für Reformen in der So-zialversicherung insgesamt.Wir alle wissen: Die Bevölkerung hat immer dieSorge, dass, wenn man von Reformen spricht, es an-schließend immer etwas schwieriger ist als vorher. Ichdenke, uns ist eine Reform der landwirtschaftlichen Un-fallversicherung gelungen, die für viele Sozialreformenin der Zukunft beispielhaft sein kann. Wir sollten aufdiesem Weg weitergehen. Diese Reform hat sich in derPLRwnieeddrddmdasgszsWsdfgßdgPlwddumuuhdllrzs
Als dritten Schwerpunkt nenne ich die Reform deressortforschung; sie war ein Kraftakt. Dafür stellenir 288 Millionen Euro zur Verfügung. Ich möchte beto-en, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Ressortforschungseinrichtungen der Republikine vorzügliche Arbeit leisten. In Deutschland gibt esine Reihe weltweit führender Institute, beispielsweiseas Institut auf der Insel Riems,
as ich ohne Übertreibung als auf der ganzen Welt füh-end bezeichnen möchte. Vor diesem Hintergrund bin ichem Haushaltsausschuss sehr dankbar, dass er erwägt,ie Investitionskosten, die dort benötigt werden, überehrere Jahre verteilt zur Verfügung zu stellen. Auch inen anderen Bereichen der Ressortforschung sind wiruf einem guten Weg, in Deutschland Exzellenzfor-chung zu erreichen, die keinen internationalen Ver-leich zu scheuen braucht.
Mit diesem Teil der Landwirtschaftspolitik bin ich,ofern er sich in Haushaltszahlen ausdrücken lässt, hoch-ufrieden. Ich denke, wir haben für die Agrarwirtschaftehr verlässliche Investitionsgrundlagen geschaffen.ichtig ist vor allem, dass wir die deutsche Landwirt-chaftspolitik wieder zu einer Einheit gemacht haben;as gilt für die 16 Bundesländer und für den Bund. Viel-alt in der Landwirtschaft ist gut. Uns ist es allerdingselungen, das ehemals unselige Gegeneinander von gro-en und kleinen Betrieben, von Norden, Osten und Sü-en, von Biolandwirtschaft, konventioneller sowie re-ionaler Landwirtschaft und dem Weltmarkt in eineartnerschaft zu gießen. Das Sich-gegenseitig-Ausspie-en ist nun zu Ende.Die Agrarwirtschaft in Deutschland hat insgesamt ge-onnen. Dass sie leistungsstark ist, zeigt sich daran,ass Deutschland noch nie zuvor neben dem Boom iner Biolandwirtschaft, der regionalen Bewirtschaftungnd der regionalen Vermarktung zusätzliche Welt-arktanteile gewonnen hat. Das spricht für die Qualitätnserer landwirtschaftlichen Produkte. Außerdem warennsere Exportanteile in der Agrarwirtschaft noch nie sooch wie im abgelaufenen Wirtschaftsjahr.
Ich bin froh, dass uns auch der vierte Schwerpunkt,en wir gesetzt haben, mit Ihrer Unterstützung gut ge-ungen ist. Wir haben weltweit Verträge geschlossen, zu-etzt mit China, durch die die Exportmöglichkeiten unse-er Landwirtschaft deutlich verbessert werden. So vielu dem einen Standbein unseres Ministeriums.Nun zum anderen Standbein, dem Verbraucher-chutz. Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen
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Bundesminister Horst Seehoferjetzt nicht alle 28 Maßnahmen vortragen, die wir in denletzten drei Jahren zugunsten der Verbraucher – undzwar nicht durch verbale Kraftmeierei, sondern durchganz konkrete Verbesserungen – durchgeführt haben.
Auch wenn wir für den Verbraucherschutz nicht alleinzuständig sind – hier handelt es sich oft um ein Zusam-menspiel verschiedener Ressorts –,
möchte ich stichwortartig einige Erfolge erwähnen, diewir in den letzten Wochen erzielt haben.Wir haben die unerlaubte Telefonwerbung einge-schränkt und die Fahrgastrechte bei der Deutschen Bahngestärkt; ich bin sehr glücklich darüber, dass wir den un-seligen Bedienungszuschlag in Höhe von 2,50 Euro ver-hindert haben.
Außerdem haben wir die Nährwertkennzeichnung im In-teresse der Verbraucher deutlich verbessert, das Label„Ohne Gentechnik“ eingeführt und den Nichtraucher-schutz in öffentlichen Gebäuden des Bundes auf dieHöhe der Zeit gebracht.
Wir haben den großen Wunsch der Bevölkerung er-füllt und dafür gesorgt – hier sind wir zumindest auf ei-nem guten Wege –, dass persönliche Daten nicht ohneausdrückliche Zustimmung der Betroffenen gegen Ent-gelt gewerblich genutzt werden dürfen.
Darüber hinaus haben wir den sehr erfolgreichen Ak-tionsplan IN FORM, der in sehr großem Umfang ange-nommen wird, und einen Aktionsplan gegen Allergienauf den Weg gebracht.
Das waren nur einige Beispiele für das, was wir inden letzten Wochen getan haben. Daran wird deutlich,dass wir auch mit Blick auf unser zweites Standbein er-folgreich waren. Wir haben den Verbraucherschutz ge-stärkt. Wir definieren den mündigen Verbraucher in derWeise, dass wir ihm Informationen, Aufklärung undHinweise zukommen lassen und dann die souveräne Ent-scheidung des Verbrauchers akzeptieren.
Meine Damen und Herren, insgesamt möchte ich sa-gen, dass die deutsche Landwirtschaft sehr gut in Formist. Wir haben den Verbraucherschutz gestärkt. Die Ver-braucher sind jetzt auf der gleichen Augenhöhe wiegroße und mächtige Wirtschaftsunternehmen. Wir wer-dipufsfDtebdLDabdltGRmsMKImeDiWmTI
Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Hans-
ichael Goldmann das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Es ist eigentlich richtungweisend, dass Sie beihrem frühzeitigen Abgang den meisten Beifall bekom-en haben.
Herr Minister Seehofer, ich hatte mich schon daraufingestellt, dass Sie Ihre Bilanz schönreden.
ass Sie aber derartig aus dem Ruder laufen, das hättech fast nicht für möglich gehalten.
ovon reden Sie eigentlich? Von welcher Wahrneh-ungswelt reden Sie? Muss es sein, dass wir uns zehnage vor der Wahl in Bayern dieses Agrargesülze vonhnen ohne jede Faktenlage anhören?
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Hans-Michael GoldmannEs kann doch nicht Ihr Ernst sein, was Sie hier abziehen.Das ist doch eine Beleidigung der Landwirte, der Ernäh-rungswirtschaft und der Verbraucher, die eine Antworthaben wollen.
Sie haben sich auf der Grünen Woche und auf derAgritechnica damit gebrüstet, dass das Konjunktur- undInvestitionsbarometer Agrar nach oben gegangen sei.Nehmen Sie aber nicht zur Kenntnis, dass im Juni diesesJahres dieser Index von 34 Zählern auf 19 Zähler zu-rückgegangen ist, weil niemand Ihrer Politik mehr ver-traut, weil die Bürgerinnen und Bürger sowie die Land-wirte nicht wissen, in welche Richtung dieser Menschmit seiner politischen Arbeit marschiert?
– Das ist nicht „ey, ey, ey“, das ist Fakt. Sie haben demBegriff „PPP“ eine völlig neue Dimension gegeben. WasSie machen, ist populistisch. Was Sie machen, ist plan-wirtschaftlich. Vor allen Dingen beklage ich, dass Siedem Ganzen einen parteipolitischen Touch geben vordem Hintergrund der Wahlen in Bayern.
Das halte ich für eine Katastrophe für die demokratischeAuseinandersetzung; das will ich einmal sehr deutlichsagen.Was bei der Milch passiert ist, ist strikt abzulehnen,weil Sie vorgegaukelt haben, dass Sie etwas regeln kön-nen, was aber überhaupt nicht möglich ist. Sie haben denBauern 40 Cent versprochen. Das war aber rein populis-tisch; denn Sie wissen ganz genau, dass das nicht zu er-zielen ist. Sie führen einen Milchgipfel durch, dessen Er-gebnisse minimal sind. Nun weigern Sie sich, eineLösung auf den Weg zu bringen, weil in Bayern Wahlenanstehen.Wenn Sie sagen, Sie würden für die gesamte Land-wirtschaft in Deutschland eine Politik des Ausgleichsbzw. eine Politik betreiben, die hochzufriedenstellendsei, dann kann ich dazu nur sagen: Mit dem, was Sie inder Milchpolitik gemacht haben, ist niemand in Deutsch-land zufrieden, weder die Bauern in Bayern noch dieBauern in Norddeutschland.
Sie haben einen planwirtschaftlichen Eingriff vorgenom-men. Im Grunde genommen haben Sie einen parteipoliti-schen Kniefall auf Kosten der Agrarwirtschaft und ins-besondere auf Kosten der Milchwirtschaft begangen.Das geht so weiter. Was meinen Sie denn, wenn Siesagen, die Leute hätten Planungssicherheit? Sie habenjetzt eine Modulationsregelung auf den Weg gebracht,die dazu führt, dass die Direktzahlungen an die Bauernvor dem Jahr 2013 in einem Maße gekürzt werden, wieman es nicht erwarten durfte.Zunächst sagen Sie, es bleibe alles beim Alten. Dannheißt es, dass Sie die Modulationsmittel einsetzen wol-len, um einen schleichenden Milchausstieg zu realisie-rWnaKtSbtdIsgc–wAeanaSdFkeDngIwgFOGtB0sW
as ist keine substanzielle Politik. Nein, hier haben Sieichts zu bieten.
Sie sind mit der Milchquote und den Biokraftstoffenescheitert. Sie wollen eins zu eins umgesetzt haben?ch lache mich tot. Fragen Sie doch einmal die Bauern,o Sie eins zu eins umgesetzt haben. Die Modulation istescheitert. Die Probleme mit der Biotechnologie wirdrau Happach-Kasan noch ansprechen.Das schärfste Stück, was es überhaupt gibt, ist diehne-Gentechnik-Kennzeichnung. Es steht „Ohneentechnik“ drauf, enthalten sind aber 0,9 Prozent Gen-echnik. Das sollte man sich einmal in einem anderenereich erlauben. Wenn „Ohne Alkohol“ drauf steht und,9 Prozent Alkohol drin sind, dann würden alle auf-chreien. Herr Seehofer bringt solche Dinge aber auf deneg und verkauft sie auch noch als Erfolg.
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Hans-Michael GoldmannBeim Verbraucherschutz möchte ich einmal zweiDinge herausgreifen: Die Regelung hinsichtlich der ColdCalls wurde nun wirklich höchste Zeit. Darin sind wiruns ja einig.Liebe Julia Klöckner, wie ist aber die Situation beiden Fahrgastrechten? Wie war das denn?
Was wurde denn hinsichtlich der Fahrgastrechte gefor-dert, und was wurde erreicht? Es entstand eine europäi-sche Pseudoregelung, durch die der Bahn im Grundegenommen die Möglichkeit gegeben wird, über eineStunde verspätet zu sein, ohne einen Schadensausgleichan den Kunden leisten zu müssen.
Das sollen Fahrgastrechte sein? Das ist eine Fürsorge-haltung. Das ist ein Kniefall vor einem Monopolisten,der seinen Kram nicht in den Griff bekommt.
Hätten Sie sich an das gehalten, was die FDP auf denWeg gebracht hat, dann wären wir jetzt viel weiter.
Letzter Punkt – Manfred Zöllmer, du bist sicherlichwieder einer Meinung mit mir –: Du willst doch nichternsthaft behaupten, dass durch das Verbraucherinfor-mationsgesetz das erreicht wird, was den Menschenversprochen wurde. Es ist zu eng gefasst. Derjenige, derdie Regelungen in Anspruch nimmt, muss erst einmal50 Euro oder mehr auf den Tisch legen, bevor er eineAuskunft erhält.
Das ist Ihr Verbraucherinformationsgesetz. In meinenAugen ist das eine Verbraucherverhohnepipelung, umhier ein Wort zu benutzen, das auch noch ins Parlamentpasst.Herr Seehofer, Ihre Bilanz ist vernichtend, und dieAntwort darauf geben die Landwirte.
Herr Kollege Goldmann, der Minister hat die Rede-
zeit seiner Fraktion und nicht der FDP-Fraktion zur Ver-
fügung gestellt.
Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Sie
jetzt auf Kosten Ihrer Kolleginnen und Kollegen spre-
chen.
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Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff für die
PD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Meine Damen und Herren! Nach der Redeon Herrn Kollegen Goldmann möchte ich gerne zurachlichkeit zurückkommen. Herr Kollege Goldmann,s hätte mich sehr gefreut, wenn Sie einmal gesagt hät-en, was die FDP will, und nicht, was Sie alles nicht wol-en und was alles schlecht gewesen ist.
Kommen wir jetzt aber zur Sachlichkeit zurück.Wir haben in diesem Haushaltsansatz 5,29 Milliardenuro bereitgestellt. Ich denke, das ist ein guter Ansatzür 2009. Darin ist eine deutliche Aufstockung der Mittelür die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-ung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ enthal-en. Darauf hat Herr Minister Seehofer schon hingewie-en. Außerdem gibt es auch das Programm zum Ausbaues Breitbandnetzes, das für die Entwicklung der ländli-hen Räume ganz wichtig ist. Wir als SPD haben immerroßen Wert darauf gelegt, und wir sehen diese Mit-elaufstockung auch als ein positives Signal für die dortebenden Menschen.
Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau soll mit6 Millionen Euro weitergeführt werden. Hier stehen alsin Schwerpunkt der Förderung Forschung und Entwick-ung ganz besonders im Mittelpunkt. Auch das ist einutes Signal für die Zukunft.Wir haben im letzten Jahr die Fortsetzung dieses Bun-esprogramms durchgesetzt, weil wir sehen, dass derarkt für die Bioprodukte wächst. An dieser Stelleöchte ich mich bei meinem Kollegen Gustav Herzoganz herzlich bedanken, der sich mit guten Argumentenehement für dieses Bundesprogramm eingesetzt hat.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. September 2008 18575
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Waltraud Wolff
Unser Ziel ist, dass die Landwirte die Marktchancen,die sich ihnen bieten, nutzen können. Gleichzeitig ist esuns wichtig, den ökologischen Landbau als einen Bau-stein zur Reaktion auf den Klimawandel zu sehen. Ge-meinsam mit der Entwicklung der ländlichen Räume istdies eine Investition in die Zukunft.
Dies ist aber nicht nur eine Investition in die Zukunft derLandwirtschaft, sondern auch in die Zukunft der gesam-ten Gesellschaft. Sehr geehrter Herr Minister, lieber HerrSeehofer, ich freue mich, dass Sie dieses Jahr das Bun-desprogramm Ökolandbau von sich aus im Haushalt be-rücksichtigt haben. Wir können hier gemeinsam Schwer-punkte setzen. Hier sind wir auf einem guten Weg.Agrarhaushalt klingt für die Menschen im Lande im-mer nach längst überkommenen Subventionen. Aber beigenauerer Betrachtung des Haushalts erkennen wir, dasswir gerade hier in die Zukunft investieren. Wir investie-ren in eine intakte Umwelt. Wir investieren in lebendigeländliche Räume, in wettbewerbsfähige Betriebe und ingesunde Menschen und starke Verbraucherinnen undVerbraucher. Wenn das nicht zukunftsfähig ist, dannweiß ich es nicht.
Aber wir können all das in diesen Haushaltsberatungennoch verbessern. Wir als SPD haben gute Ideen. Ichwerbe in den nächsten Wochen dafür, dass Sie uns dabeihelfen, diese zu verwirklichen.Ich habe die Gemeinschaftsaufgabe angesprochen.Die EU-Kommission hat zu Recht darauf hingewiesen,dass der Klimawandel eine der großen Herausforderun-gen ist und auch der Erhalt der biologischen Vielfaltganz entscheidend sein wird. Wir wissen, dass geradedie Landwirtschaft vom Klimawandel betroffen ist. Des-halb müssen wir diese Herausforderungen annehmen.Es gibt einen Sonderrahmenplan für den Küsten-schutz. Auch das ist ein notwendiger Teil. Notwendig istes aber auch, innerhalb des normalen Rahmenplans da-für zu sorgen, dass die Eindämmung der Klimarisiken,die Anpassung an den Klimaschutz und auch der Erhaltder Biodiversität ein spürbares Gewicht erhalten. DieAgrarpolitik kann die Anpassung der Landwirtschaft andie Herausforderungen des Klimawandels und natürlichauch die Verringerung der Risiken unterstützen. Daswollen wir gerne tun.Dafür müssen wir aber in der Zukunft noch viel stär-ker als bisher an den Zielen einer standortangepasstenLandwirtschaft arbeiten. Wir müssen auf eine auf dieVeränderung ausgerichtete Landbewirtschaftung abstel-len und auch die artgerechte und gesunde Haltung vonTieren als oberstes Gebot sehen.
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ibt es Potenziale, den Treibstoffverbrauch zu senkennd die Fischerei in Zukunft nachhaltiger zu gestalten.ir müssen prüfen, ob es zum Beispiel im Rahmen deressortforschung möglich ist, die Fischer zu unterstüt-en, indem bessere Netze entwickelt werden, die denchleppwiderstand verringern und eine bessere Tren-ung des Fanges ermöglichen. Unser Ziel kann unduss in diesem Zusammenhang eine bestandserhaltendeewirtschaftung unserer Gewässer sein.
Ein anderer Schwerpunkt unseres Haushalts ist dieörderung der nachwachsenden Rohstoffe. Diese Mit-
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Waltraud Wolff
tel werden insbesondere für die Markteinführung und fürdie technischen Verbesserungen ausgegeben. EinSchwerpunkt muss aber auch auf der Technikfolgenab-schätzung liegen. Wir alle haben noch die Diskussionender letzten Zeit in Erinnerung. Deshalb schlagen wir vor,die Technikfolgenabschätzung bei der Nutzung von Bio-masse in den Blick zu nehmen und dabei den Schwer-punkt auf die Untersuchung der Auswirkungen der Aus-bringung von Gärresten auf die Böden zu legen.Außerdem wissen wir alle um die Flächen- und Nut-zungskonkurrenzen der stofflichen und energetischenVerwendung nachwachsender Rohstoffe. Wenn wir einSignal für die Zukunft setzen wollen, dann sollten wirauch die damit verbundenen Möglichkeiten nutzen. Wirinvestieren in die Zukunft.Ich möchte mich beim Verbraucherschutz – dazu wer-den noch zwei Kollegen aus meiner Fraktion reden – aufeinen Punkt konzentrieren. Wir haben in diesem Jahr– das hat Herr Minister Seehofer angesprochen – dieKennzeichnung „Ohne Gentechnik“ beschlossen. DieVerbraucherinnen und Verbraucher erhalten Wahlfreiheit.Die Hersteller können ihre Produkte mit der Kennzeich-nung „Ohne Gentechnik“ bewerben. Unser Vorschlag ist,diese Kennzeichnung mit einer breit angelegten Infor-mationskampagne in der Bevölkerung zu unterstützen.
Finanzminister Peer Steinbrück hat heute Morgenfestgestellt, dass Investitionen in die Zukunft wichtigsind. Der Bundeshaushalt ist entsprechend aufgestellt.Unsere Vorschläge machen deutlich, dass wir uns hieranorientieren. Ich wünsche uns allen gemeinsam konstruk-tive Haushaltsberatungen.
Für die Fraktion Die Linke spricht nun die Kollegin
Dr. Kirsten Tackmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Verehrte Gäste! Haushaltsberatungen sind im-mer auch eine Art Leistungskontrolle oder Zeugnisver-gabe. Insofern sollten wir uns aus meiner Sicht auchdamit befassen, auf welche Situation dieser Haushalts-entwurf trifft.Die Liste der vor allen Dingen von Herrn Seehoferunbewältigten Konfliktfelder im Agrarbereich ist lang.Der Milchstreik ist schon genannt worden. Es gab De-monstrationen von Imkern, Schweinehaltern, Schäfernund der Biokraftstoffbranche. Es gab Feldbesetzungengegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen.Wir hatten einen weiteren Personalabbau und zusätzli-che Standortschließungen im Agrarforschungsbereich zuverzeichnen. Die Betriebsmittelkosten und die Boden-und Pachtpreise explodieren. Es gibt Fördermittelrück-forderungen an Gartenbaubetriebe. Außerdem droht dieKtNtRtrkwtMfF2zgfArFuBcEdpdaQhdDPtmMddnterstt
Die Folgen sind absehbar und stehen im gerade veröf-entlichten „Raumordnungsbericht Berlin-Brandenburg“.ür das Jahr 2030 wird ein Bevölkerungsschwund von5,4 Prozent in den Berlin-fernen Regionen prognosti-iert. Der Grund ist eine „erhebliche Abwanderung jun-er Erwerbstätiger“. Konkret: Vor allem junge Frauenliehen in den Westen oder in Großstädte. Sie wollen demrmutsrisiko und den fehlenden Lebensperspektiven ent-innen; denn es fehlt auf dem Land vieles, was jungerauen brauchen. Es fehlt an öffentlicher Kinderbetreu-ng, Bus- und Bahnverbindungen, Arztpraxen, Kultur,ildung und Dienstleistungen. Es fehlt an sozialer Absi-herung vor allem für mitarbeitende Familienangehörige.s fehlt an qualifizierter Arbeit. Gerade einmal 7 Prozenter Leiter landwirtschaftlicher Betriebe in der Bundesre-ublik sind Frauen. Damit belegt Deutschland in der EUer 27 den letzten Platz.
Es fehlt zudem an gerechter Entlohnung. Laut einerktuellen Studie bekommen Frauen selbst bei gleicherualifikation 33 Prozent weniger Lohn als Männer, daseißt 12 statt 18 Euro brutto pro Stunde. Im Osten giltas nicht. Dort bekommen auch die Männer weniger.ie Antwort von Horst Seehofer auf diese spezifischenrobleme besteht in einer Arbeitsgruppe von acht Minis-erien. Aber ausgerechnet die Familien- und Frauen-inisterin fehlt. Das ist eine glatte Fehlleistung, auch derinisterin.
Blindheit gegenüber Gleichstellungsproblemen aufem Land zeigt auch der Bundeshaushalt. Die Mittel fürie Gemeinschaftsaufgabe werden zwar auf 700 Millio-en Euro aufgestockt. Aber Ansätze für eine geschlech-ergerechte Verteilung dieser Fördermittel sind nichtrkennbar. Es fehlt aber nicht nur an Geld. In der Anhö-ung zur Gemeinschaftsaufgabe haben wir erfahren, wiechwierig der Zugang zu diesen Mitteln ist. Auch das be-rifft besonders Frauen. Das ist alles andere als eine Poli-ik im Interesse der Dörfer und der kleinen Städte.
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Dr. Kirsten TackmannEs gibt aber auch andere Großbaustellen. Wenn derBund über die BVVG den ehemals volkseigenen Bodenzu Höchstgeboten veräußert, mag zwar die Bundeskasseklingeln. Aber viele ortsansässige Landwirtschaftsbe-triebe verlieren dadurch in Ostdeutschland ihre Produk-tionsgrundlage. Sie können bei den spekulativen Boden-käufen nicht mithalten. Das ist keine Politik im Interesseder ortsansässigen Bewirtschafter. Sie trägt stattdessenzur Konzentration von Bodeneigentum und zur sozialenDestabilisierung bei.Im Streit um die flächenabhängige Kürzung der EU-Direktzahlungen verlieren zuerst die ostdeutschen Land-wirtschaftsbetriebe, die viele Arbeitsplätze erhalten undgeschaffen haben. Arbeitsplatzabbau und Lohnzurück-haltung sind die Folge. Das angeblich nur umgeschichteteGeld wird auch in den Landkreisen nicht ankommen, weildie dafür notwendigen Kofinanzierungsmittel der Bun-desländer fehlen. Das ist keine Politik im Interesse derLandwirtschaftsbetriebe und der Dörfer.
Bei der Agrogentechnik weiß man nicht, wofür HorstSeehofer und die Koalition stehen – jedenfalls nicht aufder Seite der gentechnikfreien Landwirtschaft und derImkerei. Beim Milchstreit hat sich gezeigt, dass HorstSeehofer nicht konsequent auf der Seite der Milcherzeu-gerbetriebe sowie der Verbraucherinnen und Verbrau-cher steht. Seine starken Worte gegen kartellartige Han-delstrukturen sind folgenlos verhallt. So bekommen wirdas nicht hin, weder eine flächendeckende einheimischeMilchproduktion noch kostendeckende Erzeugerpreise,die wir im Laden noch bezahlen können.Insofern stellt sich die Frage: Wessen Interessen ver-treten der Minister und die Koalition eigentlich? Ausmeiner Sicht wird der Agrarhaushaltsentwurf 2009 vie-len Problemen im ländlichen Raum nicht gerecht.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
Kollegin Ulrike Höfken das Wort.
Herr Minister Seehofer! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Wenn Sie ernsthaft glauben, dass Sie Ihre Aufga-ben und Ziele mit diesem Haushalt erfüllt haben, dannsollten Sie jetzt konsequenterweise gehen. Aber auch inBayern bleibt dem Wahlvolk der Jubel ja im Halse ste-cken.
Ich will nur ein wichtiges Beispiel nennen, nämlichdas der armen Menschen in diesem Land. Ich habe ge-rade eine Tour zum Thema Armut und Ernährung ge-macht. Hunderttausende von Menschen sind mittlerweileKunden der sogenannten Tafeln. Sehr viele Freiwillige,deren Arbeit äußerst bewundernswert ist,vmdglss–6DalLsAmdaAvsfgh–gkHstdcvdkSesZsWSd
ersorgen diese Menschen mit den notwendigen Lebens-itteln. Aber keiner sagt, dass diese Arbeit allein voniesen Freiwilligen erledigt werden kann. Vielmehr istanz klar, dass diese Probleme nicht von den Tafeln ge-öst werden können. Das sind Probleme der Gesellschaftowie der Politik, und von Letzterer sind sie auch zu lö-en.
Genau.Die schwarz-rote Bundesregierung hat seit 2005 etwa0 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen zu verbuchen.as entspricht einem Fünftel mehr an Haushaltsmitteln,ls wir unter Rot-Grün hatten. Die Mehrwertsteuer be-astet die Menschen; sie stöhnen unter den steigendenebenshaltungskosten. Aber wenn wir in den Haushaltchauen, lautet der Befund: Fehlanzeige beim sozialenusgleich.Das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dort-und hat schon vor Monaten darauf hingewiesen, dassie Hartz-IV-Sätze für Kinder und Jugendliche nichtusreichen. Aber im Haushalt ist kein entsprechenderusgleich zu finden. Trotz der alarmierenden Zahlenon Millionen von fehlernährten Kindern und 800 000chwerkranken adipösen Kindern
indet sich im Haushalt kein adäquates Aktionspro-ramm Ernährung, das diesem Problem auch nur annä-ernd gerecht wird. Ohne ordentliche Essensversorgung das wissen wir doch alle – ist jede Bildungsanstren-ung zum Scheitern verurteilt. Immer mehr Kinder sindrank und leiden an Diabetes, Skeletterkrankungen underz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Aktionsprogrammeind zahnlose Papiertiger, und das Geld wird im Kompe-enzgerangel zwischen Bund und Ländern verschwen-et.
Daran ist diese Regierung nicht schuldlos. Ein biss-hen Schulmilch und Pilotprojekte für die Umsetzungon Qualitätsstandards sind ganz gut, aber nicht im Min-esten ausreichend. Wir brauchen für alle Kinder eineostenlose bzw. bezahlbare Versorgung in Kitas undchulen, und zwar eine gute. Außerdem brauchen wirine Föderalismusreform, die diesen Anforderungen tat-ächlich gerecht wird und mit der eine Korrektur bei denuständigkeiten im Bildungsbereich, einschließlich die-es Falles, vorgenommen wird.
ir brauchen die überfällige Aufstockung der Hartz-IV-ätze, und wir brauchen ernsthafte Förderprogramme,ie sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche nicht in-
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Ulrike Höfkenfolge der Armut weiter unter enormen Gesundheitspro-blemen und mangelnder Unterstützung leiden.
Zu der Bilanz von Herrn Seehofer gehört auch, dassdie Ampelkennzeichnung immer noch nicht durchge-setzt wurde. Deswegen sind 70 Milliarden Euro an er-nährungsbedingten Krankheitskosten zu verbuchen, dieebenfalls in die Bilanz des ehemaligen Gesundheits-ministers gehören.Bei der Landwirtschaft erinnern wir uns an dieBauernbefreiung, zu der BauernverbandspräsidentSonnleitner die Bauern gegen Ministerin Künast auf-hetzte.
Aber wir sehen, dass heute mehr Bauern auf Demonstra-tionen gegen Seehofer gehen, als es in der Geschichtedieses Landes je der Fall war.
Exportanteile nützen nichts, wenn dahinter keineWertschöpfung steht. Aber das ist die Erfahrung, die dieLeute machen. Von der Bundesregierung wird totge-schwiegen – meine Vorredner haben es erwähnt –, dasswir eine enorme Ausräuberung der Förderung der ländli-chen Räume haben. Dank Ihrer, dank der Finanzpolitikvon Frau Merkel fehlen in Deutschland seit dem1. Januar 2007 mehr als 300 Millionen Euro jährlich ausBrüssel. Mit den Kofinanzierungsmitteln sind es min-destens zwischen 400 Millionen und 500 Millionen Eurojährlich weniger. Daneben nimmt sich die Aufstockungder Gemeinschaftsaufgabe doch wirklich lächerlich aus.
Die Mittel für Ökolandbau, Umweltprogramme, tier-gerechte Erzeugung und Qualitätsprogramme wurdengestrichen. Natürlich wurden damit auch die Arbeits-plätze im ländlichen Raum in Gefahr gebracht. Allein inBayern fehlen 40 Prozent der Förderung.Die Milchbauern fordern zu Recht eine zukunftsfä-hige Milchpolitik, weg von der Massen- und Über-schusserzeugung. Die Abstimmung über entsprechendeAnträge wurde im Bundesrat auf die Zeit nach der Wahlin Bayern verschoben.
Kollegin Höfken, beachten Sie bitte die Zeit.
Ich komme zum Schluss.
Damit drücken Sie sich ganz klar vor der Verantwor-
tung.
So werden wir nicht weiterkommen.
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Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Georg
chirmbeck.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich hatte die Ehre, einen Augenblick auf demtuhl des Fraktionsvorsitzenden zu sitzen.
ach dem, was die Oppositionspolitiker eben erzählt ha-en, meine ich, dass das gerechtfertigt war; denn eigent-ich ist unser Einzelplan der zentrale Einzelplan, und allerobleme dieser Republik müssen im Rahmen unseresinzelplans gelöst werden. Das ist mein Eindruck gewe-en. Hier sind bis hin zur Pendlerpauschale alle Pro-leme aufgezählt worden, die wir zu lösen haben.
Kennen Sie eigentlich einen Bauern persönlich? Derormale Bauer wohnt auf seinem Hof. Wollen Sie jetztie Pendlerpauschale für denjenigen einführen, der aufein Feld fährt?
as Elend der ganzen Welt wird hier thematisiert.
Frau Höfken, ich will Ihnen ein Geheimnis erzählen.enn man in Deutschland unterwegs ist, mit Bauernpricht und die Veranstaltungen abends ruhig verlaufen,an aber Stimmung erzeugen will, dann braucht manur von Dosenmaut und verdeckter Feldbeobachtung zuprechen und die Namen Trittin und Künast zu erwäh-en. Dann hat man Stimmung im Saal.
ie Bauern wollen Sie überhaupt nicht wiederhaben. Esützt auch nichts, wenn Sie bestellte Plakate anführen.ie Bauern wollen in die Zukunft schauen, sie wollenine unternehmerische Landwirtschaft. Sie wollen keinelmosen oder etwas Ähnliches.
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Georg SchirmbeckSie können hier eine Menge erzählen. Es gibt Punkte,über die sich CDU/CSU und SPD nicht einig sind. Aberdas, was wir in den letzten drei Jahren gemeinsam aufden Weg gebracht haben, und das, was wir im nächstenJahr auf den Weg bringen werden, ist wirklich vorzeig-bar. Darauf sind wir stolz.
Michael Goldmann und ich sind uns meistens bis aufPunkt und Komma einig. Das hört sich hier manchmalein bisschen anders an; das hat aber etwas mit der Rollezu tun, die wir hier zu spielen haben. Wir beide kommenaus einer landwirtschaftlich geprägten Region, dieboomt. Osnabrück-Emsland, Südoldenburg, das sind er-folgreiche Regionen. Wir sind Abgeordnete in dieser Re-gion. Dass wir beide unterschiedliche Schwerpunkte set-zen müssen, das nehmen wir so hin.Michael, bei aller Kritik, die du an der einen oder an-deren Stelle vorbringen darfst und musst, könntest dunatürlich auch sagen, dass wir mit der Ressortfor-schung ein gigantisches Werk auf den Weg gebracht ha-ben. Es müssen Hunderte von Menschen umziehen undihren Arbeitsplatz wechseln. Das birgt ein hohes Kon-fliktpotenzial, ganz abgesehen von den Sachfragen. Dasswir das ohne große Aufwallung und Kritik hinbekom-men, ist eine gigantische Leistung. Alle, die später ein-mal in diesem Hohen Hause sind, sollten dankbar sein,dass wir diese schwierige Arbeit auf den Weg gebrachthaben. So etwas kann vielleicht nur eine große Koali-tion. Darauf sind wir ein bisschen stolz.
Frau Höfken, jetzt sollten Sie einmal zuhören. WasSie jetzt hören, sollten Sie erzählen, wenn Sie wieder zuHause sind. Wissen Sie, was mich im landwirtschaftli-chen Bereich furchtbar stört – da ich aus der Szenekomme, erlaube ich mir, das ganz offen zu sagen –: Wirnehmen zweimal 200 Millionen Euro zur langfristigenSanierung der landwirtschaftlichen Unfallversicherungin die Hand. Kennen Sie eine einzige Verbandszeitung,in der steht, danke, Deutscher Bundestag, dass du diese400 Millionen Euro in die Hand genommen hast?
Auf der Grünen Woche hat einer Ihnen für Ihre heroi-sche Leistung gedankt; dabei haben Sie bei jeder Ab-stimmung dagegen gestimmt. Ich war ganz durcheinan-der, weil ich die personellen Zusammenhänge nichtkannte.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wir bringen 400 MillionenEuro in unserem Einzelplan auf den Weg, um die land-wirtschaftliche Berufsgenossenschaft langfristig auf si-chere Füße zu stellen. Das ist eine gigantische Leistung,wenn Sie sehen, welchen Handlungsspielraum wir indiesem Zusammenhang haben.
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Die nächsten 200 Millionen Euro müssen in demaushalt, über den wir reden, zur Verfügung gestellterden. Der Unterschied zwischen mir und Ihnen ist,ass ich über den Haushalt 2009 spreche, Sie aber Mär-hen erzählt haben. Das hat doch mit der Realität unse-es Haushalts nichts zu tun.
Geschlampt haben wir in der Vergangenheit beimüstenschutz. Jetzt kann man natürlich sagen: Das hatit Klimaveränderung und all dem, was damit zusam-enhängt, zu tun. In Wirklichkeit ist dafür in den 90er-ahren und auch Anfang dieses Jahrhunderts zu wenigetan worden. Die Mittel, die dafür im Bundeshaushaltur Verfügung standen, sind teilweise gar nicht abgeru-en worden, und jetzt kommen die Ministerpräsidentener norddeutschen Länder und sagen: Der Bund mussehr tun. Ich sage: Ihr müsst die Mittel abrufen, ihrüsst die Mittel gegenfinanzieren. Wir haben die Mittelur Verfügung gestellt. Bundesminister Seehofer hatittlerweile mit unserer Unterstützung dafür gesorgt,ass 25 Millionen Euro in einem Sonderplan zur Verfü-ung stehen. Wir als Bund stehen also zu unserer Ver-flichtung. Aber wenn die, die vor Ort wirklich zustän-ig sind, ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, dannönnen wir natürlich auch nicht helfen. Wir sind nichtür alles Elend zuständig. Manche sind für das Elend,as sie beklagen, selber zuständig.
Gemeinschaftsaufgabe „Küstenschutz“: Jeder Abge-rdnete im ländlichen Raum hat doch unwahrscheinlichedeen, was man alles machen kann. Wenn wir noch00 Millionen Euro hätten, könnten wir diese 300 Mil-ionen Euro doch sehr schnell ausgeben. Man kann miteringfügigen Mitteln wirklich viele gesellschaftlicherojekte auf den Weg bringen; das ist überhaupt keinerage. Aber das muss auch insgesamt darzustellen sein.enn der Bundeshaushalt insgesamt eine Steigerung um,8 Prozent erfährt, dann können wir doch nicht erwar-en, dass in diesen Bereich 20 Prozent mehr fließt. Dasönnen wir zwar erzählen, das glaubt aber kein Mensch,nd es hilft auch draußen niemandem, dem wir wirklichelfen wollen. Aber die Trendwende, die wir bei dieserAK zu verzeichnen haben – 700 Millionen Euro stehenur Verfügung –, das ist doch eine Hausnummer. Wirollten hier keine unrealistischen Erwartungen wecken,ondern zeigen, was wir in diesem Zusammenhang ge-einschaftlich auf den Weg bringen!Ein ganz wichtiger Punkt ist soziale Sicherheit imändlichen Raum. Wir stellen fest, dass das eine oderndere Alterssicherungsprogramm jetzt abschmilzt, weilie Klientel ganz einfach wegstirbt; so brutal ist die Weltben. Wir stellen aber fest, dass es einen Bereich gibt, inem es einen Aufwuchs gibt: in der landwirtschaftlichenrankenversicherung. Das hat natürlich etwas mit der
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Georg Schirmbeckallgemeinen Gesundheitspolitik zu tun. Wir können denMenschen im ländlichen Raum sagen, dass wir zu unse-rer Verantwortung stehen und dass die Mittel entspre-chend aufwachsen. Wir haben dafür gesorgt, dass dieKinder der Bauern so behandelt werden wie alle Kinderin der Republik. Das ist eine Leistung. Das darf man hierdoch einmal positiv herausstellen.
In der Großen Koalition gibt es einen Punkt, über denwir diskutieren – Ernst Bahr und ich versuchen immer,diese Diskussionen vorzubereiten –: den wirtschaftli-chen Verbraucherschutz. Es gibt unterschiedliche An-sätze.
Ich sage uns einmal voraus: Wir führen ein Bericht-erstattergespräch. Frau Drobinski-Weiß ist immer ängst-lich, wenn der wilde Schirmbeck da so zu Werke geht.Aber am Ende der Gespräche werden wir uns geeinigtund sachlich Gutes auf den Weg gebracht haben.Hier wurde gesagt: Es wird überhaupt nichts gegen dieFehlernährung, gegen die Unterernährung von Menschenund anderes getan. Wir müssen einmal zur Kenntnis neh-men, dass Minister Seehofer eine große Kampagne fürgesunde Ernährung in den Schulen durchgeführt hat.Sie nehmen gar nicht zur Kenntnis, wie viel Positives indieser Republik stattfindet. Nur wenn Sie das endlicheinmal zur Kenntnis nähmen, könnten Sie die Kraft ha-ben, sich zukünftig um die Probleme zu kümmern, diewir noch nicht gelöst haben. Ich weiß gar nicht, wie Siemorgens aufstehen. Es muss Ihnen doch schon morgensKopfschmerzen bereiten, wie grau der Tag wird, wennSie sich nicht über das freuen können, was Sie abendsgeleistet haben.
Lassen Sie mich schließlich und endlich eines sagen:Wir können uns hier über vieles unterhalten. Ich glaubeaber, wenn man einmal mit offenen Augen durch dieWelt fährt, dann stellt man fest: Es gibt einen riesigenHunger nach gesunder, ausreichender Ernährung undnach Energie. Angesichts dessen sollten wir uns viel-leicht einmal gemeinsam fragen, wie wir unsere sämtli-chen gemeinsam gepflegten ideologischen Vorbehalteabbauen und die Kraft finden können, um zu sagen:Beim nächsten Mal nehmen wir einen Sonderplan„Grüne Gentechnik“ in Angriff.
– Ich will gar keinen Beifall dafür haben. Ich möchtenur einmal anregen, darüber nachzudenken, ob dasnicht zur Verantwortung eines Hochtechnologielandeswie Deutschland gehört. Wenn wir nicht den Mut ha-ben, uns da einzubringen, wer dann soll die Problemein dieser Welt lösen?DHikShstDAsvske–SsaBsLsWgddKdg
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin
r. Christel Happach-Kasan.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Kollege Schirmbeck, selbstverständlich bedankech mich bei Ihnen für diesen sehr versöhnlichen undonstruktiven Beitrag. Ich fürchte allerdings, Ministereehofer wird nicht in der Lage sein, ihn umzusetzen. Erat deutlich gemacht, dass bei ihm Willkür und Unwis-enschaftlichkeit das Handeln prägen.Überhaupt, Herr Minister, bin ich ein bisschen ent-äuscht von Ihrer Rede, weil Sie die Wirklichkeit ineutschland ausblenden.
ngesichts eines Milchlieferboykotts, wie wir ihn in die-er Republik noch nie gehabt haben, angesichts der Nöteon Milchbauern von der Einheit der Landwirtschaft zuprechen, das ist für mich ein Ausblenden der Wirklich-eit, wie ich es von einem Landwirtschaftsminister nichtrwartet hätte.
Ich frage die Bauern. Ich bin auf der Versammlung inchleswig-Holstein gewesen, wo der Präsident Schwarzehr deutlich für eine Politik geworben hat, wie auch wirls FDP-Bundestagsfraktion sie vertreten – Herr Kollegeleser, Sie könnten ruhig einmal zuhören: wie auch wirie hier vertreten –, nämlich für eine unternehmerischeandwirtschaft. Diese unternehmerische Landwirt-chaft braucht sichere Rahmenbedingungen.
o sind diese sicheren Rahmenbedingungen?
Erinnern wir uns doch einfach einmal an den Milch-ipfel! Viel wurde versprochen, und anschließend warer Milchpreis niedriger als vorher. Das ist das Handelnieses Ministers. Gestaltet er so die Zukunft?
Der Minister ist stolz darauf, dass er alle Punkte desoalitionsvertrags erfüllt habe. Kann er wirklich stolzarauf sein, die gesamte Biodieselbranche in den Duttefahren zu haben?
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Dr. Christel Happach-KasanGenau das hat er gemacht! Mit der Erfüllung des Koali-tionsvertrags hat er dafür gesorgt, dass die gesamte Bio-kraftstoffbranche am Boden liegt. Dass man darauf stolzist, kann ich nicht verstehen.
– Sie kommen auch noch dran, Herr Kelber.Wir wissen im Übrigen: Die Hälfte der Menschen inDeutschland lebt in den ländlichen Regionen. Aber dieBreitbandverkabelung ist dem Minister gerade mal10 Millionen Euro wert. Wie weit soll das eigentlich rei-chen? Das reicht noch nicht einmal für einen einzigenLandkreis. – So viel dazu.
Die Ressortforschung wurde als Ruhmestat benannt.Kollege Schirmbeck, da muss ich Ihnen leider wider-sprechen. Ressortforschung hat die Aufgabe, den Land-wirtschaftsminister zu beraten, und dazu muss manentsprechende Forschung betreiben. Das muss dort ge-schehen, wo es am besten möglich ist. Warum eigentlichzerschlägt man in Kiel eine hervorragend funktionie-rende Milchforschung, die auf die Zukunft ausgerichtetist?
Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Dies nach Karls-ruhe zu verlagern, wo die anderen Einrichtungen nichtvorhanden sind – ob es um Tierhaltung oder sonst etwasgeht –, ist meines Erachtens ein absolutes Armutszeug-nis.
Kollegin Happach-Kasan, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Schirmbeck?
Aber gern, Herr Kollege Schirmbeck.
Verehrte Frau Happach-Kasan, über diese Sache mit
dem Milchinstitut haben wir in unterschiedlichen Ge-
sprächsrunden wiederholt diskutiert. Glauben Sie nicht,
dass die Beurteilung der gesamten Ressortforschung und
der Neuorganisation glaubwürdiger wäre, wenn diesen
Punkt nicht eine Abgeordnete aus Schleswig-Holstein
kritisiert hätte? Wenn die Meinung besteht, dass alles
nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen, dann hät-
ten Sie doch etwas aus Niedersachsen oder Baden-
Württemberg oder Nordrhein-Westfalen nehmen kön-
nen. Klingt das, was Sie jetzt vorgetragen haben, nicht
nach Kirchturmspolitik?
Nein. Einmal ist der Kirchturm in Kiel ein bedeuten-der Kirchturm. Zum anderen muss man feststellen – daskann man im Vergleich der einzelnen Institute sehr deut-lich machen –, dass die Milchforschung in Kiel mit Stär-kdSeevcgwSDDetstID–zsFhEnEnddwciwdaefAkeWdP
ingebunden in eine Unternehmensstruktur, die dort her-orragende Arbeit geleistet hat. In bestimmten Berei-hen kann diese Arbeit in Karlsruhe schlicht nicht fort-eführt werden,
eil es dort zum Beispiel die Tierhaltung vonchaedtbek nicht gibt, weil es dort zum Beispiel dasiabetesprogramm mit der Universitätsklinik nicht gibt.eswegen habe ich mich für Kiel eingesetzt. Ich glaube,s muss auch einer schleswig-holsteinischen Abgeordne-en erlaubt sein, für einen Standort in Schleswig-Hol-tein zu werben. Wer in dem bayerisch geführten Minis-erium tut das denn sonst?
nsofern ist dieser Beitrag voll gerechtfertigt. – Vielenank für die Frage.
Danke, Kollege Koppelin. Ich hätte gern noch eineweite Frage.Ich möchte auf einen anderen Punkt kommen; er istchon angesprochen worden. Auf landwirtschaftlichenlächen wird für die Ernährung produziert. Das ist eineochwichtige Produktion. Aber wir haben auch einenergieproduktion. Wir sind uns in diesem Hause ei-ig: Wir wollen bis 2020 einen Anteil der erneuerbarennergien von 20 Prozent. Gegenwärtig sind wir bei ei-em Stand von 7,3 Prozent. Wir wissen, dass 75 Prozenter erneuerbaren Energien aus Biomasse gewonnen wer-en. Vor diesem Hintergrund, Herr Minister, will ich et-as Lobendes sagen. Das Gutachten des Wissenschaftli-hen Beirats zur energetischen Nutzung von Biomassest ein gutes Gutachten. Aber was nützen uns Gutachten,enn sie nicht umgesetzt werden? Warum hat man beier Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nichtuf diese Daten zurückgegriffen? Das Gutachten besagtindeutig, dass die Produktion von Biomasse in Agro-orstsystemen besonders positiv ist. Wir haben dazu dreinträge von der FDP, von den Grünen und von den Lin-en vorliegen. Die Oppositionsfraktionen machen dazuine Anhörung.
arum bringen Sie nicht endlich die Änderung des Bun-eswaldgesetzes auf den Weg, damit wir diese Art derroduktion von Biomasse endlich naturverträglich und
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Dr. Christel Happach-Kasanfür die Verbraucher kostengünstig auf den Weg bringenkönnen? Ich sehe da von Ihrer Seite überhaupt keineHandlung. Das ist Murks.
Gehen wir zum nächsten Thema, dem Pflanzen-schutz. Sie haben keine Unterstützung geleistet. Sie ha-ben nicht auf den Weg gebracht, dass wir in der EU einePflanzenschutzgesetzgebung bekommen, die auch denAnforderungen von Verbrauchern und Landwirten ent-spricht. Bei Rechtsverstößen duckt sich diese Bundes-regierung weg. Das zeigt sich beim Einsatz von nichtzugelassenen Pflanzenschutzmitteln. Die Antwort derBundesregierung auf meine Frage war nichtssagend. Daszeigt sich beispielsweise genauso beim Versenken vonFelsblöcken im FFH-Gebiet vor Sylt. Auch das ist ille-gal. Diese Bundesregierung hat ein gestörtes Verhältniszum Rechtsstaat.
– Ich habe die Beispiele genannt. Das Beispiel von Syltzeigt dies ebenso wie die nicht zugelassenen Pflanzen-schutzmittel. Gleiches gilt für das Positionieren gegen-über den Zerstörern von Freisetzungsversuchen. Auchdiese werden nicht so behandelt, wie sie es verdienen.
Herr Minister, Sie müssen Vertrauen in eine solche Tech-nologie schaffen. Sie haben in dieser Beziehung totalversagt.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Manfred
Zöllmer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Kollegin Happach-Kasan, das war der typisch an-aerobe Vortrag, den wir mit den immer gleichen Themenvon Ihnen gehört haben.
Die ehemalige Verbraucherschutzministerin RenateKünast hat Ende August der Saarbrücker Zeitung in dieFeder diktiert, sie vermisse den roten Faden bei der FDP.Da hatte sie sicherlich noch nicht die Rede der KolleginHöfken gehört. Liebe Kollegin Höfken, ich habe michwirklich gefragt, zu welchem Haushalt Sie hier eigent-lich geredet haben.WdnbFsSpadzFebGnDnzrdvvsfGMdgr–BdidtgRTazllivdwhstl
ir haben in dieser Regierung insgesamt viel bewegt; iner letzten Legislaturperiode gemeinsam mit den Grü-en, jetzt mit der CDU/CSU. Als Sozialdemokraten ha-en wir auch manches Unsinnige verhindert. Viele derragen, die die Bürgerinnen und Bürger tagtäglich be-chäftigen, sind aktuelle Themen der Verbraucherpolitik:teigende – bzw. im Moment nicht sinkende – Energie-reise, die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Werbe-nrufe, krimineller Datenklau, der ganz aktuell ist, oderie Abzocke im Internet. Manch einer versucht die Ab-ocke auch an den Bahnschaltern. Es gibt missachteteahrgastrechte. An vielen Punkten gibt der Haushalts-ntwurf 2009 die richtigen Antworten auf diese Pro-leme.So sollen die Mittel für den Nationalen Aktionsplanesunde Ernährung und Bewegung um zwei Millio-en Euro auf fünf Millionen Euro aufgestockt werden.as ist gut und richtig, denn wir müssen die 37 Millio-en übergewichtigen oder adipösen Erwachsenen undwei Millionen Kinder zu einem gesünderen Ernäh-ungs- und Bewegungsverhalten veranlassen und da-urch die Verbreitung von Übergewicht mit allen negati-en gesundheitlichen und sozialen Folgen deutlicherringern.Das Thema gesunde Ernährung wird in vielen ver-chiedenen Titeln im Haushalt direkt oder mittelbar ge-ördert. Ich nenne hier den Zuschuss an die Deutscheesellschaft für Ernährung, die Förderung des aid, denitgliedsbeitrag zur Plattform Ernährung, die Förderunges vzbv und das Projekt „Besser essen. Mehr bewe-en.“ Es ist allerdings fraglich, ob hier nicht einiges pa-allel läuft. Wir meinen, die Bundesregierung sollteauch mit Bezug auf den Nationalen Aktionsplan – eineestandsaufnahme und ein koordiniertes Konzept fürie Zukunft vorlegen. Dies sollte auch die Institute undhre Arbeit mit einbeziehen. Wir machen sehr viel, aberie Koordination und Bündelung der vielfältigen Aktivi-äten ist aus unserer Sicht noch verbesserungsbedürftig.
Ein weiteres Thema, auf das der Haushalt auch ein-eht, bleibt die Breitbandversorgung im ländlichenaum. Die Kollegin hat bereits darauf hingewiesen.rotz der immer besseren Verbreitung von Breitband-nschlüssen besteht in Deutschland eine digitale Kluftwischen ländlichen Räumen und Großstädten bzw. Bal-ungszentren. Diese digitale Spaltung können und wol-en wir nicht hinnehmen. Diese Herausforderung wirdm Haushaltsplan aktiv angenommen. Ausgaben in Höheon mindestens 10 Millionen Euro dienen der Förderunger Breitbandversorgung im ländlichen Raum. Dies istichtig zur Sicherung von Arbeitsplätzen und der Teil-abe der Menschen im ländlichen Raum, gerade ange-ichts der zu erwartenden demografischen Entwicklung.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Datenschutz ist ak-iver Verbraucherschutz. Das zeigen die Skandale deretzten Zeit sehr deutlich. Unser Datenschutzrecht muss
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Manfred Zöllmerendlich der digitalen Realität angepasst werden. Ich be-grüße es auf das Schärfste, dass unser Koalitionspartnerendlich aus dem Bremserhäuschen herausgekommen ist.
Herr Minister Schäuble hat ein Eckpunktepapier zumDatenschutzaudit vorgelegt.
– Beim Bremsen! – Darin finden sich eine ganze Reihean Vorschlägen, denen auch wir zustimmen können, zumBeispiel zu einem generellen Opt-in in diesem Bereich,zu einem Kopplungsverbot mit Diensten, zu einer Erhö-hung der Bußgelder, zu einem stärkeren betrieblichenDatenschutz, zu einem Datenschutzaudit und zu einerVerbesserung des Datenschutzes beim Scoring. Danebenwerden auch noch verbesserte Möglichkeiten zur Ab-schöpfung von Unrechtsgewinnen erwähnt. Wenn wirwirklich wollen, dass die Abschöpfung von Unrechtsge-winnen zu einem Tiger mit Zähnen wird –
dieses Problem gibt es ja nicht nur im Datenschutzbe-reich –, dann müssen wir die Voraussetzungen, um Un-rechtsgewinne abschöpfen zu können, deutlich verbes-sern, also im Gesetz nicht nur „Vorsatz“, sondernzumindest auch „grobe Fahrlässigkeit“ vorsehen.Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, zu Unrecht er-langte Gewinne nicht bei den Unternehmen zu belassen.Dazu gehört aber auch, die Verbraucherverbände in dieLage zu versetzen, bei Datenverstößen mit einer Ver-bandsklage reagieren zu können. Dazu muss das Unter-lassungsklagegesetz geändert werden. Nur so kann ge-währleistet werden, dass auch bei datenrechtlichenBagatellschäden eine Forderung verfolgt werden kann.Wegen geringer Schadenssummen wird nämlich kaumjemand bereit sein, privatrechtlich zu klagen.
– Dies ist ein Gesamtpaket, liebe Kollegin, und hat etwasmit Verbraucherschutzpolitik zu tun. Vielleicht als klei-ner Hinweis: Dies sollten Sie noch einmal nachlesen.Wir werden für diesen Bereich und für den BereichScoring in Kürze Gesetzentwürfe vorlegen. Scoring darfnicht länger eine Blackbox für die Konsumenten blei-ben.
Wir brauchen Transparenz und Nichtdiskriminierung beider Kreditvergabe. Ich bin der Auffassung, dass dasScoring auf kreditorische Verträge beschränkt seinsollte. Im Bereich der Wohnungswirtschaft und bei Ener-gielieferungen besteht nämlich ansonsten die Gefahr,dass bestimmte soziale Gruppen ausgegrenzt werden.Das lehnen wir Sozialdemokraten ab.BBGIDwIitodsLBnstwKrfBldtnnnf
amit werden wir dafür sorgen, dass die Zahl uner-ünschter Telefonanrufe deutlich reduziert wird.
n diesen Themenkomplex passt auch meine Initiative,n der ich das aktuelle Verfahren zur privaten Handy-Or-ung kritisiert habe. Ich bin froh, dass nun auch das uni-nsgeführte Wirtschaftsministerium der Auffassung ist,ass wir die aktuelle TKG-Novellierung dazu nutzenollten, die missbräuchliche Ortung auszuschließen. Dasetzte, was wir in Deutschland brauchen, sind privateespitzelungen nach Stasimanier.
Sie sehen, wir stellen uns den Problemen und suchenach Lösungen, die weder bevormunden noch die Wirt-chaft bürokratisch strangulieren. Wir handeln. Wir ver-rauen nicht naiv darauf, dass es der Markt schon richtenerde, wie es ansonsten die FDP immer propagiert.
Kollege Zöllmer, achten Sie bitte auf die Zeit.
Ja. – Vielleicht zum Schluss: Liebe Kolleginnen und
ollegen von den Grünen, Theseus hat aus dem Laby-
inth des Minotaurus mit einem roten Faden herausge-
unden. Von Grün war da nie die Rede.
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Karin
inder das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-egen! Meine Damen und Herren! Vor drei Monaten hater Bundesverband der Verbraucherzentralen den jüngs-en Verbraucherschutzindex veröffentlicht. Das Ergeb-is dieser repräsentativen Verbraucherbefragung wariederschmetternd. Hier nur drei Erkenntnisse:Erstens. Über die Hälfte der Befragten war der Mei-ung, dass die Bundesregierung sich nicht wirkungsvollür Verbraucherinnen und Verbraucher engagiert.
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Karin BinderZweitens. Vor allem bei Familien und einkommens-schwachen Haushalten ist die Unzufriedenheit sehr groß.Drittens. Die Menschen in Deutschland fühlen sichvon der Politik im Stich gelassen. Sie werfen der Bun-desregierung vor, dass sie ihre Interessen gegenüber derWirtschaft nicht vertritt und durchsetzt.Die Fakten: Die Kosten für Strom und Gas wuchernunkontrolliert. Der Handel mit Adressen und Kundenda-ten blüht. Viele Menschen werden nach wie vor durchunerwünschte Telefonwerbung belästigt. Im Bereich derFinanzdienstleistungen werden Verbraucherinnen undVerbraucher von Banken und Versicherungen nach wievor oft unzureichend beraten. Das Recht auf Verbraucher-information kann leider nur sehr beschränkt wahrgenom-men werden. Die Pläne zur Umsetzung der Nährwert-kennzeichnung entsprechen in vollem Umfang den Vor-stellungen der Lebensmittelindustrie.Sie, Herr Minister Seehofer, reden davon, dass dieVerbraucherinnen und Verbraucher mit großen Wirt-schaftsunternehmen auf Augenhöhe seien. In welcherHöhe befindet sich denn hier die Augenhöhe? Gürtel-schnalle?
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Menschen er-warten von der Bundesregierung zu Recht, dass sie imSinne der Bürgerinnen und Bürger handelt. Und sie er-warten auch, dass der Staat da eingreift, wo Verbrauche-rinnen und Verbraucher sonst getäuscht, belogen oderbetrogen werden.In den bekanntgewordenen Fällen von illegalem Da-tenhandel den Verbraucherinnen und Verbrauchern überdie Presse zu empfehlen, dass sie ihre Daten halt nichtangeben sollen, ist im Zeitalter von Internet- und Ver-sandhandel eine Lachnummer, Herr Seehofer.
Auch Datenschutz ist ein wichtiger Bestandteil von Ver-braucherschutz. Das gilt nicht nur für den Handel mitAdressen und Kundendaten; das gilt auch für die vomBundesinnenminister angestrengte Initiative zur heimli-chen Onlinedurchsuchung von Privatcomputern. Ich er-warte vom obersten Verbraucherschützer in Deutsch-land, dass er die berechtigte Kritik von zahlreichenVerfassungsrechtlern aufnimmt und gegen die All-machtsgelüste seines Kollegen Innenminister SchäubleStellung bezieht.
Wirtschaftlicher, finanzieller und digitaler Verbrau-cherschutz spielt in diesem Haushaltsentwurf so gut wiekeine Rolle, obwohl genau in diesen Bereichen die Ver-braucherinnen und Verbraucher am meisten abgezocktwerden. Wenn der Herr Minister Seehofer bei jeder sichbietenden Gelegenheit meint, den einzelnen Verbraucheroder die Verbraucherin auf seine bzw. ihre Eigenverant-wortung hinweisen zu müssen, dann muss er sich zumin-dest fragen lassen, warum sein Ministerium nichts fürdie Verbraucherbildung in Deutschland tut. Denn auchdazu lässt sich im Haushaltsplan bisher wenig finden.SndossgldmmKtsvdSsudHwbetgrselbWdnsVngAf
Für die GAK gibt es zwar 40 Millionen Euro mehr.ber wofür werden sie ausgegeben? 25 Millionen Euroür klimabedingten Küstenschutz, 0 Millionen Euro für
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Cornelia Behmden Klimaschutz. Wenn diese 25 Millionen wenigstensder Umwandlung von Acker- in Grünland dienen wür-den! Aber ich fürchte, es wird wieder nur auf höhereDeiche hinauslaufen.
Ich erinnere an den Breitbandanschluss im ländlichenRaum. Ich stimme zu: Die Anschubfinanzierung in 2007war vielleicht richtig und wichtig. Aber jetzt ist MinisterGlos an der Reihe, nicht der Agrarhaushalt.
Was bleibt für die ländliche Entwicklung? Wann wer-den die zahlreichen Anregungen aus den schönen Minis-teriumsveranstaltungen aufgegriffen? Wann endlich wer-den die Maßnahmen zur Verbesserung der ländlichenWertschöpfung umgesetzt? Und was ist mit dem Öko-landbau? Sie ignorieren weiterhin die Marktentwicklungim Biosegment und die Wettbewerbsverzerrungen durchdie Bioenergieförderung.
Die Schere zwischen der Kundennachfrage und dem An-gebot an deutschen Bioprodukten geht immer weiterauseinander. Diese Schere können Sie nur schließen,wenn Sie die Umstellungsanreize erhöhen.
Dafür braucht die GAK mehr Geld.
Auch beim Bundesprogramm Ökolandbau bleibenSie sparsam, obwohl gerade die ÖkolandbauforschungAntworten auf die Fragen gibt, wie die LandwirtschaftEnergie sparen kann, wie sie umweltverträglicher wirt-schaften kann und wie klimaschädliche Emissionen ver-mindert werden können. Wir Grüne fordern, das Bun-desprogramm Ökolandbau zu einem gut ausgestattetenpermanenten Forschungsbudget umzustrukturieren, mitdem auch Grundlagenforschung finanziert werden kann.Die Mittel dafür können Sie übrigens bequem bei derAgrogentechnik einsparen. Diese Technologie ohne Ak-zeptanz muss wahrlich nicht noch mit Steuermitteln ge-fördert werden, Herr Kollege Schirmbeck.
Selbst bei der Ressortforschung hören wir keine kla-ren Worte: Eine unendliche Geschichte droht die Errich-tung des Standortes Ost des Julius-Kühn-Institutes zuwerden. Bereits im März 2005 hatte Renate Künast ent-schieden, die Institutsteile aus Berlin-Dahlem und Klein-machnow zusammenzuführen. Aber die Errichtung desGebäudes kommt unter Minister Seehofer nicht voran.Sein Haus hat es in drei Jahren noch nicht einmal hinbe-kommen, eine haushaltsseitige Anerkennung des Be-darfs für dieses Institutsgebäude durch das BMF zu er-wirken.HwannkuhnBddDdEzwKuiJhgwmg
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habeen Rednern aus der FDP-Fraktion mit großer Verwun-erung gelauscht. Ich habe die Forderung nach mehrSL-Förderung notiert. An anderer Stelle wurde gefor-ert, Agrardiesel zu verbilligen.
s wurde gesagt, dass Sie sich für Biotreibstoffe einset-en wollen. Ich habe mich gefragt, wie Ihre Position seinird, wenn wir, so der Herrgott will, im nächsten Jahr zuoalitionsverhandlungen zusammentreffen. Wenn Siens bei diesen Themen dann so entgegenkommen, werdech vor Ihnen niederknien und eine Kerze anzünden.
Man muss immer berücksichtigen, dass man auch einahr, nachdem man Position zu einem Thema bezogenat, nach seinen Äußerungen gefragt werden kann. Dasilt auch dann, wenn man in der Opposition ist. Icheiß, wovon ich rede.
Herr Goldmann, Sie haben gesagt, dass das Stim-ungsbarometer gesunken ist. Das stimmt. Es ist leichtefallen. Aber es ist immer noch deutlich im Plusbe-
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Peter Bleserreich. Fragen Sie doch einmal die Landwirte, wie großihre Investitionsbereitschaft ist.
Sie bekommen heute doch keine Landmaschinen mitkürzeren Lieferzeiten als acht, neun Monaten.
So viel zur Bereitschaft, in die Zukunft zu investieren.
Kollege Bleser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Geisen?
Ja, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Kollege
Peter Bleser, ist dir bekannt, dass die CSU vor wenigen
Wochen eine Harmonisierung der Agrardieselbesteue-
rung gefordert hat, das Ministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie das Minis-
terium der Finanzen auf meine Anfrage hin aber eine
Debatte über Agrardieselbesteuerung ganz klar abge-
lehnt haben, obwohl darüber zurzeit in Österreich und
Frankreich debattiert wird?
Lieber Kollege Edmund Geisen, für diese Frage bin
ich Ihnen sehr dankbar, weil Sie uns damit in unserer
Forderung nach einer Harmonisierung der Dieselbesteue-
rung in Europa im Bereich der Landwirtschaft unterstüt-
zen. Wir hoffen, dass wir hier etwas tun können, sobald
die Finanzen in Ordnung sind. Wir wären die Letzten,
die sich einer solchen Entwicklung verschließen würden.
Wir müssen aber das Primat unserer übergeordneten po-
litischen Ziele im Auge behalten. Dazu werde ich gleich
noch etwas sagen.
Ich will aber zunächst einige Worte an Kollegin
Höfken richten. Frau Höfken, Sie wissen, wie sehr die
Landwirtschaft unter Frau Künast gelitten hat.
Nach dem Regierungswechsel, der Bauernbefreiung
– das war ein echtes Gefühl –, gab es einen Aufschrei
der Erleichterung. Stichworte wie „verdeckte Feldbeob-
achtung“ und die Gängelung in allen Bereichen sind al-
len noch in guter Erinnerung. Deshalb ist es gut, dass wir
jetzt diese Regierungskonstellation haben. Natürlich
müssen wir mit unserem Koalitionspartner unterschiedli-
che Positionen ausfechten. Das gehört zum Geschäft.
Das machen wir gerne.
Ich will etwas zur allgemeinen Situation sagen: Wenn
wir standhaft bleiben, werden wir 2011 keine neuen
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ir haben es erreicht, dass der Verbraucherschutz, und
war unionsgetrieben, einen neuen Stellenwert in der
eutschen Politik gefunden hat.
ir haben dafür gesorgt, dass eine Politik für eine ge-
ündere Ernährung und mehr Bewegung greifen konnte
nd entsprechende Programme auf den Weg gebracht.
Herr Kollege Bleser, gestatten Sie eine Zwischenfrage
er Kollegin Höfken?
Natürlich.
Es tut mir leid, die Debatte zu verlängern, aber ange-ichts seiner Ausführungen möchte ich den Kollegenleser fragen, ob er etwas davon gehört hat oder in dereitung darüber gelesen hat, dass es einen Bundesver-and Deutscher Milchviehhalter gibt und vor den Mol-ereien und den Ministerien zahllose Demonstrationentattfinden.
ch möchte ihn fragen, ob er weiß, dass die Imker miteit mehr als fünf Leuten, wie links von mir gerade ge-agt wurde, demonstrieren. Ich möchte ihn fragen, ob ereiß, dass der Bundesverband Deutscher Milchviehhal-er, der fast die Mehrheit der Bauern in dem wichtigstenweig der deutschen Landwirtschaft umfasst, massiv ge-en die Milchpolitik dieser Bundesregierung und deroalition demonstriert. Ich möchte ihn fragen, ob er
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Ulrike Höfkenweiß, dass sich die Bauern heftig gegen die Einführungder Agrogentechnik wehren, und zwar ebenfalls mit gro-ßen Demonstrationen.
Das führt so weit, dass Minister Seehofer schon behaup-tet, eigentlich habe Frau Künast die Agrogentechnik ein-geführt und nicht etwa er persönlich. Wissen Sie von alldiesen Aktivitäten, Demonstrationen und Widerständennichts?
Meine liebe verehrte Kollegin Höfken,
als Milcherzeuger habe ich nicht nur darüber gelesen,
sondern kann aus eigener Erfahrung in diesem Sektor
berichten. Da bestehen schon die ersten Unterschiede
zwischen uns beiden. Dass man sich im Berufsstand Sor-
gen über die Milchpreisentwicklung macht, ist unbe-
streitbar. Aber dass man diese Sorgen für sich politisch
instrumentalisieren will, ist unschön und schäbig.
Ich würde mir nie anmaßen, so etwas zu tun. Sie werden
erleben, dass gerade bezüglich der Milch in den nächsten
Wochen Sachlichkeit in die Politik einkehren wird.
Es ist ein großes Verdienst unseres Ministers,
dass die Spaltung, die im Berufsstand entstanden war,
aufgehoben wurde. Durch unterschiedliche Positionen
kam es zu Feindschaften zwischen Freunden, zwischen
Bauern im Dorf. Diese gehen jetzt wieder aufeinander zu
und orientieren sich gemeinsam auf die Zukunft. Das ist
ein ganz schwieriger Prozess. Diesen sensibel zu beglei-
ten, ist Aufgabe eines Bundesministers. In dieser Bezie-
hung hat er sehr gute Arbeit geleistet.
Ich will noch einen Satz zur Gentechnik sagen.
Frau Höfken, könnten Sie der Höflichkeit halber wieder
aufstehen? Sonst gehen meine Ausführungen von meiner
Redezeit ab.
Herr Kollege, es geht jetzt von Ihrer Redezeit ab.
Wir hatten ein Gentechnikgesetz vorgefunden, das
wir verbessert haben. Wir haben die gute fachliche Pra-
xis definiert. Wir haben Abstandsregelungen eingeführt.
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as alles schafft Wahlfreiheit für Verbraucher und An-
auer einer solchen Pflanze.
as ist das Verdienst der Unionsfraktion zusammen mit
em Koalitionspartner. Die Bezeichnung „ohne Gen-
echnik“ wird zwar von fast niemandem verwendet, aber
ie Möglichkeit dazu ist geschaffen.
ir werden abwarten, inwieweit sie aufgegriffen wird
der nicht.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
rage der Kollegin Höfken?
Ja, ich habe ja Zeit.
Lieber Kollege Bleser, ist es richtig, dass Minister
eehofer den gentechnisch veränderten Mais als Sorten-
ulassung gestattet hat
nd damit den kommerziellen Anbau des Maises ermög-
icht hat? Ist es auch richtig, dass die Verordnung über
ie gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentech-
isch veränderter Pflanzen im Bundesrat bis dahin nicht
kzeptiert, aber auch nicht notwendig gewesen ist, weil
s ja keinen kommerziellen Anbau gegeben hat?
Verehrte Frau Kollegin Höfken, an der Haarspalterei,er an welcher Stelle die Unterschrift geleistet hat, be-eilige ich mich nicht mehr.
ier gibt es eine geltende Rechtsgrundlage, nach derine entsprechende Zulassung zu erteilen ist, wenn dieissenschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Punktnd aus.
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Peter BleserIch möchte jetzt in meinen Ausführungen fortfahrenund feststellen, dass wir uns auf den Erfolgen, die wir inallen drei Zuständigkeitsbereichen erzielt haben, nichtausruhen wollen. Hier ist von mehreren Rednern unsererFraktion schon ausgeführt worden, welche Ergebnisseund Erfolge bezüglich der Gemeinschaftsaufgabe „Ver-besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“,der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und derlandwirtschaftlichen Krankenversicherung erreicht wur-den. Das alles ist schon gesagt worden.Ich wollte auf noch etwas anderes hinweisen. Wir ha-ben in den letzten Monaten von einer Welternährungs-krise gesprochen. Wir haben gesehen, wie schnell sichdas Blatt wenden kann: von Überversorgung und Über-schussproduktion zu Mangelsituation. Nicht wenige for-dern heute: Wir müssen auch in der Ernährung Sicher-heit haben. Es war deshalb vernünftig, dass wir dieLandwirtschaft in den letzten Jahren dabei unterstützthaben, in der Produktion zu bleiben. Wir werden auch inden nächsten Jahren dafür sorgen, dass die Wettbewerbs-fähigkeit unserer deutschen Landwirtschaft verbessertwird. Herr Seehofer hat es schon angesprochen: DieseWettbewerbsfähigkeit hat dazu geführt, dass der Anteilam Export im letzten Jahr immerhin um 18,5 Prozent an-gestiegen ist.
Diese 18,5 Prozent sind zum Teil preisbedingt, zum Teilauch mengenbedingt. Das ist ein Erfolg. Dieser Erfolgschafft in Deutschland Wertschöpfung und sichert Ar-beitsplätze und Einkommen in unserer Land- und Forst-wirtschaft.
Meine Damen und Herren, diese Erfolge haben einenNamen – darauf weise ich in jeder Debatte hin: GerdMüller. Unser Staatssekretär ist permanent auf diesemGebiet aktiv und öffnet Türen; das finde ich toll.
Das ist jahrelang versäumt worden.
Zum Verbraucherschutz. Ich habe bereits gesagt,dass wir in diesem Bereich in den meisten Fällen diejeni-gen waren, die angeschoben haben.
Beispielhaft seien das Verbraucherinformationsgesetz,
das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis und unsereVorschläge zur Stärkung der Fahrgastrechte zu nennen.
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Meine Damen und Herren, zum Thema Bahn möchtech sagen: Wir dürfen unsere Fürsorge nicht zu schnellntziehen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Bahn ei-en Bedienungszuschlag in Höhe von 2,50 Euro einfüh-en wollte, fragt man sich wirklich, was für ein verkom-ener Servicegedanke in diesem Unternehmen Platzegriffen hat;
as kann ich mir nicht erklären. Hierzu hat unser Minis-er sehr frühzeitig und klar Position bezogen
nd gemeinsam mit Herrn Tiefensee
das darf man nicht verkennen – ein Einlenken derahn erreicht.Meine Damen und Herren, aktuell sind wir mit derekämpfung des Missbrauchs von Daten beschäftigt.azu will ich nicht viel sagen. Eines kann ich Ihnen al-erdings versprechen:
ir werden dem Verbraucher die Selbstbestimmungber seine persönlichen Daten zurückgeben. Das ist dieichtigste Botschaft, die in diesem Hause zu diesemhema verbreitet werden muss.
Wie ich sehe, blinkt bereits die rote Lampe. Ichöchte allerdings noch etwas zum Thema Ernährungagen.
ei diesem Thema verfolgen wir eine langfristige Strate-ie. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass unser Minister ge-einsam mit Frau Schmidt – das möchte ich betonen –
in wichtiges Projekt für mehr Bewegung und besserernährung, das über einen langen Zeitraum angelegt ist,uf den Weg gebracht hat.
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Peter BleserFrau Klöckner und Frau Staatssekretärin Heinen,auch in der Ernährungspolitik haben wir wichtige Zei-chen gesetzt. Ich erinnere nur an das Schulmilchprojektin Nordrhein-Westfalen.
Herr Kollege Bleser!
Ja, Frau Präsidentin. – Es ist beispielhaft, was dort ge-
leistet wurde. Das wird in den nächsten Jahren in allen
Bundesländern Platz greifen.
Zum Schluss will ich sagen: Wir haben mit unserer
Politik die Ziele verfolgt, unseren Bäuerinnen und Bau-
ern zu mehr Einkommen zu verhelfen und die Situation
der Verbraucher hin zu selbstbestimmten und selbstbe-
wussten Verbrauchern zu verbessern.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion gebe ich der Kollegin
Mechthild Rawert das Wort.
Herr Bleser, es wäre verführerisch, den Garten derVielfalt aufzutun und deutlich zu machen, wie dankbarwir sind, von der Union getrieben zu werden. WürdenSie, wenn es um das Label „Ohne Gentechnik“, die Am-pelkennzeichnung und ähnliche Themen geht, einmal Ih-rem eigenen Schwung nachgeben, dann käme dabei viel-leicht etwas Gescheites heraus.
Die SPD steht für eine aktive Verbraucherpolitik, undzwar als Teil einer ökologischen und sozialen Marktwirt-schaft. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen aufAugenhöhe mit den Anbietern agieren. Noch sind wirnicht so weit. Daher werden wir viele Themen in diesemBereich auch in Zukunft kraftvoll anschieben. Transpa-renz, Wahlfreiheit und Informationszugang sindnotwendige Voraussetzungen, um die Position der Ver-braucherinnen und Verbraucher zu stärken. Denn selbst-verständlich wollen sie bewusst und selbstbestimmt aus-wählen und somit über fairen Handel und Nachhaltigkeitmitentscheiden.Wir brauchen eine Aufklärung der Verbraucherinnenund Verbraucher. Selbstverständlich wollen wir, dassdieses Anliegen auch im Haushalt unterfüttert ist. ZurVerbraucheraufklärung gehört auch der Bereich deswirtschaftlichen Verbraucherschutzes. Im Jahr 2009werden wir die Maßnahmen der VerbraucherzentralenibtiläAUgznzdBzKVmfGZeoVcBdhDdbfwwBgaHsgsadrDdavwGD
In diesem Bundesprogramm sollen die bestehendenaushaltsansätze gebündelt, Innovationsprojekte ange-toßen und dem sich aus den gesetzlichen Vorgaben ge-ebenen Aufgabenzuwachs im Bereich der Tierfor-chung Rechnung getragen werden.Ein zweiter Schwerpunkt. Tierschutz bedeutet für unsuch immer tier- und artgerechte Haltung. Das gilt fürie Haltung von Nutztieren in landwirtschaftlichen Ein-ichtungen ebenso wie für Wildtiere in Tierparks und fürelfine in Delfinarien.Als Berichterstatterin initiiere ich die Aktualisierunges zwölf Jahre alten Säugetiergutachtens. Dieses Gut-chten formuliert Mindestanforderungen an die Haltungon Wildtieren in Zoos. Dieses Gutachten wird bundes-eit von den Ländern bei den Kontrollen ihrer Zoos alsrundlage zur Bewertung der Tiergehege verwendet.as Gutachten regelt unter anderem den Raumbedarf der
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Mechthild Rawertjeweiligen Tiere, die klimatischen Bedingungen, das Ge-hege, die Gehegeeinrichtungen, das Sozialgefüge, dieErnährung, den Fang und den Transport.Wir alle waren schon einmal im Zoo. Schauen Siedoch einfach einmal unter diesen Gesichtspunkten aufdie Tierhaltung. Nach Einschätzung zahlreicher Exper-tinnen und Experten enthält das aktuelle Gutachten nurunzureichende Minimalanforderungen an die Tierhal-tung und vernachlässigt neueste wissenschaftliche Er-kenntnisse. Viele Zoos legen daher schon von sich aushöhere Maßstäbe an. Wir wollen die Haltungsbedingun-gen von Wildtieren in Zoos verbessern. Daher soll dasSäugetiergutachten im kommenden Jahr überarbeitetund den aktuellen wissenschaftlichen Standards ange-passt werden.Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die SPDihre Schwerpunkte im Bundeshaushalt finanziell veran-kert hat.Die SPD stärkt den Verbraucherschutz durch eine so-lide und gute finanzielle Ausstattung der Verbraucherbe-ratung und der Verbraucherschutzinstitutionen und denTierschutz durch die Einrichtung eines Bundespro-gramms „Tierschutzforschung“. Wir laden unseren Ko-alitionspartner ein, mit unserem Schwung weiterhin ak-tiv zu sein.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz, Einzelplan 07.
Das Wort hat Bundesjustizministerin Brigitte Zypris.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Wenn die Regierung in einer Haushaltswoche vordas Parlament tritt, dann will sie vor allem eines, näm-lich Geld. Das will auch ich. Deswegen stehe ich hier.Ich will aber auch Dank für den Haushalt sagen, den Sieuns für dieses laufende Jahr bewilligt haben.Sie wissen ja, dass der Haushalt des Bundesministeri-ums der Justiz fast ausschließlich durch Personalausga-ben geprägt ist und dass die Personalausstattung für dieArbeitsfähigkeit des Ressorts als solchem – aber natür-lich auch des ganzen Bereichs, der dazugehört – ganzbesonders wichtig ist. Das betrifft insbesondere eine Be-hörde, die zu meinem Geschäftsbereich gehört, nämlichdas Deutsche Patent- und Markenamt.Das DPMA – das wissen Sie alle – hat eine enormeBedeutung für den Schutz geistigen Eigentums und da-mit für die Innovationskraft unserer Wirtschaft. Außer-dem ist das DPMA eine wichtige Einnahmequelle fürunseren Haushalt. Bei der ersten Lesung des letztenHaushalts habe ich deutlich gemacht, in welchem Ver-hältnis die Zahl der Prüfer zu den Einnahmen steht. Ichdanke dafür, dass wir das letzte Mal 35 zusätzliche Stel-len schaffen konnten, die dazu geführt haben, dass dieEvBwd13klIlaSd2ucwlgltzBa8dSIEDImSumdlfdbFlisKdd
Die Vorstellung, alles gehe schneller, billiger und garesser, wenn es nur Private erledigen, hat sich in vielenällen als blanke Ideologie und leider auch als kostspie-ige Fehlentscheidung für den Staat erwiesen. In Hessenst die teilweise Privatisierung eines Gefängnisses bei-pielsweise vollständig gescheitert. Mein hessischerollege musste erst vor wenigen Monaten einräumen,ass die privaten Haftplätze zum Teil deutlich teurer alsie staatlichen sind.
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Bundesministerin Brigitte ZypriesTrotzdem werden manche Kollegen nicht müde, weiterePrivatisierungen zu fordern, zum Beispiel bei den Ge-richtsvollziehern, den Rechtspflegern und den sozialenDiensten der Justiz.Nun bin ich die Letzte, die nicht bereit wäre, darübernachzudenken, wie man im öffentlichen Dienst Aufga-ben besser machen und effizienter organisieren kann.Das Problem ist nur: Bei diesen Forderungen nach Priva-tisierung geht es in der Regel nicht um Qualität. Es gehtschlicht und ergreifend um zwei Aspekte: Der eine As-pekt ist die Kürzung öffentlicher Aufgaben, der andereAspekt ist die Maximierung privater Gewinne.
– Nein, es geht nicht um Geschwindigkeit.
– Wir müssen über Qualität reden, Frau Dyckmans.Wenn das der Fall ist, dann können wir auch über Ge-schwindigkeit reden.
Dann kommen wir ganz schnell dahin, dass wir keinePrivatisierung brauchen, um die Sachen schneller oderkostengünstiger zu machen.Wir müssen klären, welche Aufgaben der Staat über-nehmen muss. Als erstes Beispiel nenne ich die Aus-übung des Grundbuch- und Registerrechts, was ein ganzwichtiger Baustein einer erfolgreichen Wirtschaftsord-nung sind. Diese Aufgabe ist bei unseren Rechtspflegernin den besten Händen.
Ich jedenfalls meine: Wer die Aufgaben der Rechtspfle-ger privatisieren will, gefährdet einen wesentlichenStandortvorteil unseres Landes.Zweites Beispiel. Gerichtsvollzieher besitzen weitrei-chende Zwangsbefugnisse. Sie sind nicht nur Dienstleis-ter ihrer Auftraggeber, sondern sie achten auch auf dieRechte der Schuldner. Das ist keine überflüssige Sozial-arbeit, wie manche meinen, sondern Ausdruck des sozia-len Rechtsstaats. Ich bin deshalb davon überzeugt: AuchGerichtsvollzieher müssen weiterhin und auch in Zu-kunft dem öffentlichen Dienst angehören.
Drittes Beispiel sind die sozialen Dienste der Justiz.Jeder von uns weiß, wie wichtig die Bewährungshilfeund eine gute Entlassungsvorbereitung für Gefangeneist. Im Übrigen ist beides für eine gute Vorbeugung vonStraftaten sehr viel wichtiger als die immer wiederkeh-rende Debatte, ob die Jugendhöchststrafe zehn oder15 Jahre betragen soll.üvWcdfWürlwsndEdlDdlsdWsdsPGLbtkwdwidaslzlsdbgg
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Bundesministerin Brigitte ZypriesAllein dieses Vorhaben macht deutlich, dass wir inden kommenden Monaten in der Rechtspolitik noch ge-nug zu tun haben. Es liegt eine Menge Arbeit vor uns,und wir müssen noch eine ganze Reihe von Projektenabschließen. Wir werden über die gesetzliche Veranke-rung der Patientenverfügung diskutieren, und wir wollendie Reform des Erbrechts beraten und verabschieden.Mit beiden Projekten wollen wir mehr Selbstbestim-mung und Autonomie für die Menschen erreichen.Schon in der nächsten Woche wird der Deutsche Bun-destag über die Modernisierung des Bilanzrechts disku-tieren. Mit diesem Gesetzesvorhaben soll der Mittel-stand weiter entlastet werden.Durch die Strukturreform beim Versorgungsausgleichund beim Zugewinnausgleich wollen wir der Moderni-sierung des Familienrechts einen weiteren Baustein hin-zufügen, damit es bei den Scheidungsfolgen gerecht zu-geht und der schwächere Ehepartner geschützt wird.Wichtige Vorhaben verfolgen wir auch im Verbrau-cherschutz. Das wurde schon im Zusammenhang mitdem Einzelplan 10 des Verbraucherschutzministeriumsangesprochen. Die rechtliche Kompetenz liegt allerdingsbei uns. Dabei geht es um den besseren Schutz vor uner-laubter Telefonwerbung und um die Stärkung der Ver-braucherrechte beim Fahren und beim Fliegen. DieseThemen werden uns sicherlich noch einige Diskussionenbescheren. Wir sollten uns darum bemühen, noch in die-ser Legislaturperiode zu Entscheidungen zu kommen.Ich bin aber davon überzeugt, dass uns das gelingenwird.Die Liste der Gesetzgebungsprojekte, zu denenschon eine Anhörung beschlossen oder zu erwarten ist,ist lang. Es sind insgesamt 20. Das ist viel, wenn manbedenkt, dass wir nur noch 17 Sitzungswochen bis zumEnde der Legislaturperiode haben. Das heißt, die Rechts-politiker dieses Hauses haben ein sehr beträchtlichesProgramm. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass wirunsere Arbeit zügig und konstruktiv fortsetzen. Die Ko-alition hat zumindest in der Rechtspolitik noch eineMenge zu tun. Insofern möchte ich den Kollegen Dillerzitieren, der eben zu mir sagte: „Sag doch einfach: DerHaushalt ist gut. Verändern Sie nichts.“
Das sind fromme Worte, denen nichts hinzuzufügen ist.
Ich gebe das Wort der Kollegin Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Wir führen die erste Beratung des wohl letztenEntwurfs eines Justizhaushalts in dieser Legislatur-periode durch, der aller Voraussicht nach in Kraft tretenwird. Drei Viertel der Legislaturperiode sind vorbei. In-szgfAsedRfbewlEGg„sfWidvLdvdg–GvRrtsDnddsmmSHelsDRv
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Im Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung – egal was derEuGH macht, das Bundesverfassungsgericht wird dasletzte Wort haben – wurde auch die Telefonüberwachungneu geregelt. Es gibt in § 160 a StPO eine Schutzvor-schrift, die für Berufsgeheimnisträger bei staatlichenÜberwachungsmaßnahmen eine einheitliche Grundlageschafft. Das Vorhaben, eine einheitliche Bestimmung zuschaffen, haben wir unterstützt. Aber die Ausgestaltungmuss man nach wie vor kritisieren; denn die Unterschei-dung zwischen Geistlichen, Strafverteidigern und Abge-ordneten auf der einen Seite und Rechtsanwälten, Jour-nalisten und Ärzten auf der anderen Seite führt zu einemZweiklassenrecht. Das ist keine gute Entwicklung.
Das hat bereits Spuren hinterlassen, und zwar im Zoll-fahndungsdienstgesetz und im Gesetzentwurf zumBKA-Gesetz. Nehmen wir doch den ehemaligen Vize-präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Pro-fessor Dr. Hassemer, beim Wort:Wer die Anwaltschaft unter dem Maßstab des Ge-heimnisschutzes in zwei Lager teilt, legt die Axtans Hausgut der Rechtsanwälte. Der Anwalt hat janicht nur ein Recht, er hat auch eine Pflicht, die ihmanvertrauten Geheimnisse zu wahren …; einRechtsanwalt, der sich auf diese Garantie nichtmehr verlassen kann, ist von den überkommenenGarantien seiner Profession verlassen worden, er istnormativ und praktisch verarmt.Wir, die FPD-Fraktion, haben in der Sommerpause denEntwurf eines Gesetzes erarbeitet, das diese Fehlent-wicklung in § 160 a korrigieren soll. Da es inzwischenviele fundierte Ausführungen dazu gibt, hoffe ich sehr,dass der Bundestag gemeinsam die Kraft findet, eineKorrektur vorzunehmen.
Ich komme zum Ende. Es gibt offene Baustellen, be-sonders im Insolvenzrecht. Frau Ministerin, Sie habendie anstehenden Reformen genannt, die wir wie immermit unserem Selbstverständnis begleiten werden; dennes geht um eine Reaktion auf veränderte gesellschaftli-che Rahmenbedingungen. Zur unerlaubten Telefonwer-bgKwChnRNktbDvmDesluansHrdwdasArshmzneu
un ist die Opposition – jedenfalls in der Rechtspolitik –aum wahrnehmbar, mit der Folge, dass wir als Koali-ionsparteien diese Aufgabe auch noch zu erledigen ha-en.
er Rechtsausschuss hat sich mit der höchsten Anzahlon Einzelgesetzen auseinanderzusetzen, sodass wiranchmal vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sehen.eswegen ist eine solche Debatte zum Haushalt auchine Gelegenheit, einmal über den Tellerrand hinaus zuchauen.Die beiden Koalitionsfraktionen haben den Hand-ungsbedarf in der Rechtspolitik sehr schnell entdecktnd die schweren Brocken in die Koalitionsvereinbarungufgenommen. Aber wir haben den Handlungsbedarficht nur entdeckt – das hat manch anderer auch schon –,ondern wir haben die Gesetze mit Handlungswillen undandlungsstärke auch verabschiedet.Nun will ich nicht wie ein Buchhalter alles kleinka-iert bilanzieren. Aber ein paar Dinge will ich vielleichtoch nennen. Kurz vor der Sommerpause haben wir dieohl größte GmbH-Reform seit 100 Jahren verabschie-et. Ich erinnere zudem an die FGG-Reform. Ich könnteußerdem das Familien- und Unterhaltsrecht, die Vater-chaftsfeststellung und Vaterschaftsanfechtung nennen.uf dem Gebiet des Strafrechts haben wir die Siche-ungsverwahrung für nach Jugendstrafrecht Verurteilteowie für andere böse Buben, bei denen bisher Sicher-eitslücken bestanden, geregelt. Schließlich haben wirit dem Rechtsdienstleistungsgesetz und der Regelungu den Erfolgshonoraren das Berufsrecht der Anwälteeu gestaltet. Alles das sind große Projekte und nichttwa nur Petitessen.Gott sei Dank besteht die Welt nicht nur aus Becksnd Ypsilantis; jedenfalls tummeln sie sich nicht in der
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Dr. Jürgen GehbRechtspolitik. Ich habe an dieser Stelle Dank zu sagender Ministerin, dem Parlamentarischen Staatssekretär,meinem Counterpart, Herrn Stünker, sowie allen anderenAusschussmitgliedern, meinen eigenen Kollegen in derArbeitsgruppe Recht sowie den Ministerialbeamten, diealle dazu beigetragen haben, dass wir jedenfalls in derRechtspolitik keinen Anlass dazu haben, nach fremdenBräuten zu schauen.
Man könnte es folgendermaßen zusammenfassen: Re-gierung gut, Koalition prima, Opposition Fehlanzeige!
In den letzten Tagen hat man, wenn man nicht blindwar, gesehen, dass schon ein bisschen mit den Hufen ge-scharrt wird, weil die Performance nicht überall so gutist. Jetzt kommen die Wahlkämpfe: Bundestagswahl-kampf, Europawahlkampf und mehrere Landtagswahl-kämpfe. Da wird an den geeigneten Stellen, zum Bei-spiel auf den Kreisparteitagen, sicherlich auch mitunserem jetzigen Koalitionspartner hart ins Gericht ge-gangen werden. Aber eines kann ich Ihnen versprechen:Wir werden uns zum Wohle des Volkes ähnlich wie inder Vergangenheit auch in Zukunft bemühen, alles mitder Akkuratesse eines Schweizer Uhrwerks abzuarbei-ten, denn dafür sind wir als Volksvertreter gewählt.Manchmal dürften wir uns zum Wohle des Volkesauch nicht nur an der Vielzahl der verabschiedeten Ge-setze messen lassen, sondern müssten uns auf die Fah-nen schreiben, bestimmte Gesetze zu verhindern.
Ich zitiere Montesquieu: Wenn es nicht nötig ist, einGesetz zu erlassen, dann ist es nötig, keines zu erlassen. –Was schon für die einfachen Gesetze gilt, gilt erst rechtfür das Grundgesetz. Ich beobachte die bedenklicheTendenz, immer mehr sicherlich hehre und für sich be-trachtet wünschenswerte Anliegen als Staatszielbestim-mung in das Grundgesetz aufzunehmen. Nach der Erb-sünde, die wir mit der Aufnahme des Tierschutzes in dasGrundgesetz begangen haben, sollten wir jetzt nichtauch noch Kultur, Sport, Kinder, Datenschutz und denAtomausstieg in das Grundgesetz aufnehmen,
wenn wir aus unserem Grundgesetz keinen Necker-mann-Katalog werden lassen wollen.
Das Grundgesetz besticht durch seine Kargheit, durchseine Schlichtheit, durch seine Einfachheit und durchseine Exklusivität, und so wollen wir es belassen. Darumsage ich: Finger weg vom Grundgesetz!ddusWTwdlikmlLik–GimBSlelpFdBDSAduakvSwbhum
Auf Sicherheit; gut aufgepasst. – Es gibt so wenig einrundrecht auf Sicherheit, wie es ein Grundrecht aufnformationelle Selbstbestimmung gibt, jedenfalls wennan den Verfassungstext liest. Aber ähnlich wie dasundesverfassungsgericht das Recht auf informationelleelbstbestimmung in seinem viel zitierten Volkszäh-ungsurteil aus einer Zusammenschau mehrerer Normenntwickelt hat, hat das Bundesverfassungsgericht natür-ich auch eine verfassungsrechtlich verbürgte Schutz-flicht des Staates begründet.
rau Leutheusser-Schnarrenberger, ich empfehle Ihnenie Lektüre der amtlichen Entscheidungssammlung desundesverfassungsgerichts, 107. Band, Seite 299 ff.
ie einschlägige Passage finden Sie auf Seite 316. Wennie noch weiter in die Geschichte gehen wollen – schonugustinus hat gesagt: „Tolle lege!“ – Nimm und lies! –,ann können Sie auch in den 80. Band schauen, Seite 367nd 375 ff. Eine Entscheidung ist aus dem Jahr 1989, diendere aus dem Jahr 2003. Wenn Sie schon solche Arti-el in der Zeitung schreiben, dann empfiehlt es sich, sichorher rechtskundig zu machen.
onst müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, ent-eder nicht rechtskundig zu sein oder den Leuten wideresseres Wissen etwas vorzugaukeln. Bei der Gelegen-eit haben Sie, wie Sie es immer bei jeder passenden undnpassenden Gelegenheit machen – auch Herr Stadleracht das immer –, eine ganze Litanei von Entscheidun-
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Dr. Jürgen Gehbgen des Bundesverfassungsgerichts zitiert, mit denenGesetze der Koalition aufgehoben worden sein sollen.
– Nun, Herr van Essen, ich belehre Sie ungern, aber Siefordern es förmlich heraus. – Wir haben die Anfrage ge-stellt, wie viele Entscheidungen des Bundesverfassungs-gerichts es diesbezüglich seit dem 19. Oktober 2005gibt. Das war der Beginn der schwarz-roten Koalition.
– Frau Präsidentin, Herr Stadler kann es kaum noch hal-ten. Das Wasser schon, aber seine Frage nicht.
Sie waren so im Redefluss, Herr Kollege Gehb. Da
wollte ich Sie nicht unterbrechen.
Ja, aber wenn Sie darauf warten wollten, käme nie je-
mand zu einer Zwischenfrage.
Gut, gestatten Sie die Zwischenfrage des Kollegen
Stadler?
Ja.
Herr Kollege Gehb, da Sie gerade vortragen wollen,
dass keine Gesetze der Großen Koalition in Karlsruhe
aufgehoben worden seien, wären Sie bereit, hier dem
Hohen Haus mitzuteilen, welche Gesetze der Vorgänger-
regierung während der Regierungszeit der Großen
Koalition durch das Parlament korrigiert worden sind
und ob Sie damit jeweils auf eine entsprechende Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts gewartet ha-
ben?
Zum Zweiten: Sie tragen hier vor, man solle sich erst
einmal rechtskundig machen. Stimmen Sie mit mir über-
ein, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger sich über
ein angebliches Grundrecht auf Sicherheit ausgelassen
hat, das es nämlich nicht gibt, während Sie am Ende da-
von gesprochen haben, es gebe eine Grundpflicht des
Staates, Sicherheit zu gewährleisten, was völlig unstrit-
tig ist. Mit anderen Worten: Sie haben Frau Leutheusser-
Schnarrenberger einen Vorwurf gemacht und versucht,
sie mit einem anderen Begriff zu widerlegen, obwohl die
beiden Dinge gar nichts miteinander zu tun haben, son-
dern allenfalls korrespondieren.
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ber damit ist natürlich das, was der Herr van Essen da-wischengerufen hat, gleichzeitig erledigt, ohne dass esuf mein Redezeitkontingent geht. Ich danke ganz herz-ich für die Gelegenheit, Ihnen eine kleine Nachhilfeber Verfassungsrecht, Schutzpflichten und Schutz-echte im Einzelnen zu geben.
Nun muss ich sagen: Diese Geschichte mit denrundrechten „Freiheit“ und „Sicherheit“ aus der Oppo-ition wird nur noch getoppt vom Grundrechtsverständ-is der Linken; Sie kommen auch nicht ungeschoren da-on. Gestern musste ich lesen, dass Herr Lafontaine dieigentumsverhältnisse unseres Grundgesetzes infragetellte, indem er sagte, das Familienvermögen derchaefflers müsse enteignet werden. Meine Damen underren, er sagte dies mit der Begründung, so ein Vermö-en könne man auf verfassungsgemäße Art und Weise
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Dr. Jürgen Gehbnie erlangen; deshalb gehe es nur um die Rückübereig-nung von der Enteignung der Beschäftigten. Meine Da-men und Herren, heute sind es die Schaefflers, morgenist es irgendein größerer Handwerker und übermorgenmüsste sich der Herr Lafontaine selber einmal fragenlassen, woher er sein palastartiges Anwesen hat.Wir haben gerade gehört, was alles zum Wohle desLandes gehört. Weil ich den Blick über den Tellerrandangesprochen habe, will ich auf einen Beitrag unseresfrüheren Bundespräsidenten, auch bekannt als Bundesver-fassungsgerichtspräsident und berühmter Verfassungs-rechtler, Roman Herzog, in der FAZ vom 8. Septemberletzten Jahres „Stoppt den Europäischen Gerichtshof“eingehen. Meine Damen und Herren, zum Wohle desLandes gehört es auch, dass wir hoffentlich bald einmalvon immer unerträglicher werdenden europäischenrechtlichen Vorgaben verschont bleiben. Ich denke dabeinur schon wieder an die Draufsattelung der Antidiskri-minierungsrichtlinie
und daran, dass wir von der immer ernüchternderenRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ver-schont bleiben. Insofern warte ich auf den von RomanHerzog angekündigten Showdown zwischen dem Euro-päischen Gerichtshof und dem Bundesverfassungsge-richt. Wir kennen ja die „Solange I/II/III“-Entscheidun-gen. Meine Damen und Herren, wir als Mitglieder desRechtsausschusses und als Rechtspolitiker sollten unsauch einmal mit diesem Phänomen und dem Verhältnisvon supranationalem Recht und nationalem Recht be-schäftigen, damit wir fürderhin nicht nur die Vollstre-ckungsgehilfen der Europäer sind und in einer Ratifizie-rungsfalle sitzen, sondern voller Selbstbewusstsein alsnationale Parlamentarier unsere nationalen Angelegen-heiten auch durch nationale Gesetze regeln können.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Nešković,
Fraktion Die Linke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Sehr geehrte Ministerin Zypries!Haushaltspläne sind so aufgebaut, dass sie für einen Res-sortbereich die Einnahmen und Ausgaben erkennen las-sen. Die Bürger erfahren aber nicht, ob sich derFinanzaufwand für die Arbeit dieser Ressortbereicheüberhaupt gelohnt hat. Immerhin enthalten Haushalts-pläne manchmal auch eine konkrete Arbeitsbeschrei-bung. Auf Seite 2 des Einzelplans der Justiz können Sienachlesen:mJGRDlRaDRsrIBSsbnswnddcjvthmFmpnssAccsB
„Bremserin“ ist ihr Etikett. So hat der Spiegel jüngstuch ein Portrait überschrieben.
as klingt nicht schlecht, wenn es darum geht, denechtsstaat vor Herrn Schäuble zu schützen. Insoweitcheint zumindest die PR-Abteilung des Justizministe-iums ihr Geld wert zu sein.Das Bild von der Bremserin ist schon sehr malerisch.ch will es einmal überprüfend aufgreifen. In diesemild steuert der Innenminister Wolfgang Schäuble dentaatskarren mit Vollgas in Richtung Überwachungs-taat. Neben dem Innenminister sitzt seine vermeintlichesonnene Kabinettskollegin, Frau Zypries. Sie greifticht ins Steuer, aber immerhin: Hin und wieder betätigtie die Bremse, wenn die deutsche Öffentlichkeit bei derilden Fahrt des Innenministers entsetzt reagiert.Ich möchte nun einige Stationen dieser Reise in Erin-erung rufen:Im Frühling des Jahres 2007 erklärte Frau Zypriesem Spiegel gegenüber, die von Herrn Schäuble gefor-erte Erweiterung der akustischen Wohnraumüberwa-hung sei ganz unnötig. Im Sommer 2008 nahm sie dannäh den Fuß von der Bremse und billigte eine Kabinetts-orlage zur Änderung des BKA-Gesetzes, wonach sogaratunverdächtige Dritte in ihrer Wohnung nicht nur abge-ört, sondern sogar gefilmt werden können.Im Frühjahr 2007 kritisierte Frau Zypries den Innen-inister für seinen Vorschlag, zur Gefahrenabwehr dieingerabdrücke aller Bundesbürger in Personaldoku-enten zu speichern. Im Juli 2008 ließ sie das Bremsenlötzlich sein. Sie fand sich zu einem Handel bereit,ach dem der Fingerabdruck freiwillig in die neuen Per-onalausweise gelangen sollte. Diese Freiwilligkeit istchlecht getarnter Zwang; denn zukünftig wird es zweirten von Bundesbürgern geben: solche, die sich den Si-herheitswahnvorstellungen des Staates beugen, und sol-he, die unbeugsam, aber daher bevorzugt verdächtigind.
Doch Frau Zypries versteht sich nicht nur auf dasremsen. Auf der Reise in den Überwachungsstaat gibt
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Wolfgang NeškoviæWolfgang Neškovićsie auch selbst gern mal Vollgas. Seit dem 1. Januar2008 werden auf der Grundlage eines Gesetzentwurfsaus dem Hause Zypries die Kommunikationsprofile vonMillionen von Menschen auf Vorrat erfasst. Unabhängigvon einem ganz konkreten Verdacht wird gespeichert,wer mit wem wie lange von welchem Ort aus telefonierthat. Die Justizministerin hat damit die Deutschen zu ei-nem Volk von Verdächtigen gemacht. Damit stellt siedas Grundgesetz auf den Kopf. Die Grundrechte sindAbwehrrechte gegen den Staat. Sie sind institutionali-siertes Misstrauen gegen eine unvernünftige Obrigkeit.Nunmehr wird es genau umgekehrt sein. Hier wird näm-lich ein Misstrauen des Staates gegen seine Bürger insti-tutionalisiert. Das ist das Gegenteil von dem, was dasGrundgesetz vorsieht.
Frau Zypries begründet ihr Gasgeben mit einer Richtli-nie der Europäischen Union, deren Rechtsgrundlagehöchst zweifelhaft ist – Frau Leutheusser-Schnarrenbergerhat das schon gesagt – und gegen die die Republik IrlandKlage erhoben hat.Während der dritten Lesung des Gesetzes am 9. No-vember 2007 forderte Frau Zypries mehr Ehrlichkeit inder Diskussion. Sie sagte am Ende ihrer Rede, dass esmöglich sein müsse, bei schwerster Kriminalität auf ge-speicherte Telekommunikationsdaten Rückgriff zunehmen. Nicht ganz so ehrlich vergaß sie zu erwähnen,dass das neue Recht zum Beispiel schon in bestimmtenFällen von Urkundenfälschung zum Abruf von Vorrats-daten berechtigt. Sie vergaß auch, ehrlich darauf hinzu-weisen, dass ihr Gesetzentwurf über die Umsetzungs-pflichten der Richtlinie weit hinausgeht.Die Richtlinie sah nur die Speicherung und den Abrufvon Daten zum Zwecke der Strafverfolgung, also zurRepression, vor. Frau Zypries legte dem Deutschen Bun-destag einen Entwurf vor, der auch zur Datenabgabe beider Gefahrenabwehr, also bei der Prävention, berech-tigte. Die Richtlinie sah die Speicherung und den Abrufvon Daten zum Zwecke der Verfolgung schwerer Straf-taten vor. Frau Zypries unterlief dieses hohe Erfordernisund ließ schon erhebliche Straftaten genügen. Die Richt-linie sah den Datenabruf lediglich für Strafverfolgungs-behörden vor. Frau Zypries hat nunmehr die Vorausset-zungen – wohlgemerkt: noch nicht das Ergebnis – dafürgeschaffen, dass die Daten zukünftig auch an die Ge-heimdienste weitergegeben werden können. Wer dann– auch das wurde hier erwähnt – wirklich spürbar auf dieBremse trat, das war das Bundesverfassungsgericht.Wissen Sie, ob Frau Zypries gerade bremst oder nicht,ist im Grunde ein völlig überschätztes Thema.
Es handelt sich sowieso nur um ein täuschendes Verzö-gern. Und auf dem Weg in die falsche Richtung ist dasBremsen nur ein Mittel, um langsamer falsch anzukom-men. Zur Abwendung eines Überwachungsstaates ist dasBremsen daher ein untaugliches Mittel. Das, was wirdringend benötigen, ist nicht das Bremsen oder Verzö-gern. Vielmehr brauchen wir einen Fahrtrichtungswech-slFIILLzISdSPSzdSRnJsgfplFhBSHDawP
ch kann mir nicht vorstellen, dass Sie – wie Fraueutheusser-Schnarrenberger damals beim großenauschangriff – aus einer rechtspolitischen Grundüber-eugung heraus von Ihrem Amt zurücktreten würden.
m Grunde genommen spiegelt sich in Ihrem politischenelbstverständnis das personelle Dilemma der SPD wi-er. Sie stehen genauso wie Herr Steinmeier und Herrteinbrück für die Generation der Technokraten undolitikbeamten in der SPD.
ie alle haben Ihre politischen Karrieren im Gegensatzu Herrn Stünker und anderen im Apparat und nicht iner Partei und auch nicht im Leben gemacht.
ie funktionieren in beliebigen Funktionen: gestern alseferentin in der Niedersächsischen Staatskanzlei, da-ach als Staatssekretärin im Innenministerium, heute alsustizministerin und vielleicht morgen als Verbraucher-chutz- und Landwirtschaftsministerin. Sie haben ei-entlich nur gelernt, in dieser Tätigkeit den Anschein er-olgreicher Administration zu geben. Ihnen fehlen dieolitischen Visionen. Vielleicht haben Sie sie im Fami-ienrecht. Ihre einzige Vision ist die Vermeidung vonehlern, um den Job und die Macht zu erhalten. Sie ste-en damit genauso wie die heutige SPD für politischeeliebigkeit. Sie stehen nicht in der Tradition großerPD-Rechtspolitiker wie Adolf Arndt und Martinirsch.
er SPD sind auch deswegen der sozialstaatliche unduch der rechtstaatliche Kompass abhanden gekommen,eil sie in Spitzenpositionen zunehmend den Typus desolitikbeamten und Technokraten gestellt hat.
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Wolfgang NeškoviæWolfgang NeškovićDer politisch-inhaltliche Kompass, der in die Rich-tung des Sozialstaates und des Rechtstaates weist, liegtbei uns, er liegt bei der Linken. Wir werden Kurs halten,wenn es darum geht, den Sozialstaat und den Rechtstaatzu schützen.Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Jerzy Montag,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrte Frau Bundesministerin Zypries, ich versu-che es einmal auf eine andere Art und Weise, ohne per-sönliche Beleidigungen.
eins!)Es ist die siebte, achte oder neunte Rede, die ich zumHaushalt halte. Immer wieder fange ich mit den gleichenZahlen an. Dieses Mal haben wir einen Zuwachs derEinnahmen von 10 Prozent auf 383 Millionen Euro. Al-lerdings haben wir einen Ausgabenzuwachs um 7 Pro-zent auf 500 Millionen Euro. Der Deckungsgrad desHaushalts des BMJ ist von 70 auf 73 Prozent geklettert.Die Zahlen lassen sich also wahrlich wenig diskutieren.Deshalb will ich anders anfangen und Sie, liebe Kol-leginnen und Kollegen, fragen: Was kann man nicht kau-fen, und was gibt es trotzdem nicht umsonst? Herr Kol-lege Gehb denkt noch nach. Ich sage es Ihnen: Es ist eineunabhängige, nur dem Recht und dem Gesetz verpflich-tete Justiz.
– Darum sage ich es Ihnen. – Es ist ein gelebter Rechts-staat mit niedrigschwelligem Zugang zum Recht fürArme wie Reiche, Schwache wie Starke. Es ist eine Jus-tiz, die als modernes, effizientes staatliches Unterneh-men die Aufgabe hat, die Grund- und Bürgerrechte allerBürgerinnen und Bürger zu schützen und jeder bzw. je-dem zeitnah und gerecht zu ihrem bzw. seinem Recht zuverhelfen. So etwas kostet Geld, braucht motivierte, gutausgebildete und bezahlte Menschen und eine moderneund leistungsfähige Ausstattung. Dies fordern wir in je-der Haushaltsrede von neuem.gzMssKaAdSdRbDhBaaZmwdGSnttflsskdeWsudGabfiB„durshHcw
Zurück zum Bundeshaushalt. Auch hier gibt es, Frauypries, die Möglichkeit, guten Willen zu zeigen, indeman nämlich vermeintliche Kleinigkeiten ändert. Ichill ein Beispiel dafür benennen: Im Haushaltsentwurfes Bundesjustizministeriums gibt es eine Rubrik, in derelder für Entschädigungen für unschuldig erlittenetrafverfolgungsmaßnahmen eingestellt werden kön-en. Die von den Ländern gezahlte Entschädigung be-rägt seit 22 Jahren 11 Euro pro Tag. Unser Nachbar Ös-erreich zahlt im Übrigen im Schnitt 100 Euro pro Tagür unschuldig erlittene Untersuchungshaft. Es wird seitangem darüber diskutiert, ob man diesen Satz anhebenoll. Auch Sie haben sich dafür stark gemacht. Ein Ge-etzentwurf liegt aber nicht vor. Es gibt auch keine kon-reten Aktivitäten. Dabei bräuchten wir auch auf Bun-esebene Gelder, um Entschädigungen für unschuldigrlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zahlen zu können.as sieht aber Ihr Haushaltsansatz hier vor? Einechlichte Null. Ich meine, hier sollten Sie nachbessernnd Gelder einstellen. Nachdem durch BGH-Entschei-ungen in diesem und im letzten Jahr Maßnahmen dereneralbundesanwältin ein Ende gesetzt wurde, werdenuf Sie Kosten zukommen. Sie sollten das im Haushalterücksichtigen.
Schließlich habe ich im Haushalt noch Ansätze ge-unden, die mich etwas stutzig gemacht haben. Sowohlm Haushalt des Bundesverfassungsgerichts als auch desundesjustizministeriums gibt es wahrhaftig die TitelMilitärische Beschaffungen, Anlagen usw.“. Ich finde,ass Sie den Titel „Militärische Beschaffungen, Anlagensw.“ aus den Haushalten des Bundesverfassungsge-ichts und auch des Bundesjustizministeriums streichenollten. Für diese Titel sind zwar keine Gelder vorgese-en, aber sie erwecken angesichts der Tatsache, dasserr Schäuble davon redet, dass innere und äußere Si-herheit das Gleiche seien, und Einsätze der Bundes-ehr im Innern in Betracht zieht, die Befürchtung, dass
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Jerzy Montages sich hierbei um Leerstellen für Fantasien des Bundes-innenministeriums handelt. Streichen Sie diese bitte.
Mein Resümee zur Rechtspolitik nach Ablauf vondrei Viertel der Legislaturperiode fällt zwiespältig aus.Es gibt natürlich auch eine positive Seite. Diese möchteich nicht unerwähnt lassen, obwohl meine Zeit knapp ist:
Unterhaltsrechtsreform gelungen; FGG-Reform gelun-gen; GmbH-Reform gelungen, auch wenn man sie nochbesser hätte machen können; Schutz vor Kreditverkäu-fen überstürzt, nur halbherzig. Wir haben dazu konkreteweitergehende Vorschläge gemacht; es ist schade, dassSie auf die nicht eingegangen sind.Aber in Bürgerrechtsfragen, bei der Verteidigungder Grund- und Bürgerrechte, bei der Verteidigung derFreiheit, gibt es ein ganz erhebliches Sündenregister.Ich will mich nicht wiederholen; Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat das erwähnt, ebenso KollegeNešković. Zur Vorratsdatenspeicherung will ich nur ei-nen einzigen Satz sagen: Wir haben unter den 20 Anhö-rungen im Rechtsausschuss auch eine – im März diesesJahres – zu den durch Vorratsdatenspeicherung verur-sachten Kosten gehabt. Die Kritik an dem Gesetzent-wurf, den es eigens dazu gibt, war vernichtend. Seitdemist dieser Gesetzentwurf verschwunden. Die Koalitionfasst ihn nicht mehr an. Auch das muss noch einmal aufden Tisch.Die Sicherungsverwahrung, lieber Kollege Gehb, istein Armutszeugnis und kein Ruhmesblatt für Sie.
Die Kronzeugenregelung liegt vor, und auch die Terror-strafvorschriften sind Vorschriften, die unter rechtsstaat-lichen Gesichtspunkten äußerst bedenklich sind.Fast alle diese Sünden haben – so die Diagnose desBundesverfassungsrichters Di Fabio – mit einer ganz be-stimmten Lust zu tun, nämlich mit der Lust am antizi-pierten Ausnahmezustand. So hat er das genannt, einBundesverfassungsrichter, nicht ich. Was dabei in derZeit der Großen Koalition bisher herausgekommen ist,ist eine schier endlose Aneinanderreihung von Akten derÜberwachung und der Repression, größtenteils aus derInnenpolitik, aber allzu oft von der Rechtspolitik zu we-nig aufgehalten, zu wenig abgebremst und manchmalauch willig mitgemacht.Deswegen, Frau Zypries: Das Bild der auferstandenenJeanne d’Arc der Rechtsstaatlichkeit, das von Ihnen ge-zeichnet wird und das Sie gerne von sich zeichnen las-sen, entspricht nicht ganz der Realität.Ich will zum Datenschutz noch einiges sagen, undzwar deswegen – da schaue ich insbesondere auf dierechte Seite des Hauses –, weil jahrelang immer dann,wenn wir Grüne von Datenschutz geredet haben, Sie da-zwischengeschrien haben: Datenschutz ist Täterschutz!DdrlDGrdBsG–ildsEuLldddeikdCHJselEaGzdu
as war Ihr Credo. Inzwischen reden auch Sie davon,ass man Datenschutz bräuchte. Welch eine Umkeh-ung! Aber alle Maßnahmen, die beschlossen und viel-eicht auch umgesetzt werden, brauchen ein Fundament.as hat mit Staatszielen nichts zu tun, Herr Kollegeehb, sondern es handelt sich dabei um konkrete Grund-echte der Bürgerinnen und Bürger. Das Fundament, aufem der Datenschutz fußt, sind die Grundrechte, die dasundesverfassungsgericht entwickelt hat, und wir sindehr wohl dafür, dass man diese Grundrechte auch insrundgesetz hineinschreibt.
Da Ihnen immer so an Fundstellen gelegen ist, wärech Ihnen verbunden, wenn Sie mir im Grundrechtekata-og zwischen Art. 1 und 19 zeigen könnten, wo das steht,amit die Bürgerinnen und Bürger draußen das auch le-en können. Nein, es ist nicht drin.
s ist mehr oder minder zwanghaft abgeleitet aus Art. 2nd Art. 1. Es wäre schön, wenn man als Bürger diesesandes im Grundgesetz lesen könnte – ebenso wie manesen kann, dass seine Wohnung unverletzlich ist oderass man Religionsfreiheit und Glaubensfreiheit hat –,ass das Grundgesetz jeder Bürgerin und jedem Bürgeren Schutz seiner Daten gewährt. Dies ist eine Aufgabersten Ranges für die Rechtspolitik. Ich fordere Sie allem Hause auf, den Vorschlag, den wir gemacht haben,onstruktiv zu diskutieren und uns im Jahre 2009 trotzes Wahlkampfs darüber zu verständigen.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ole Schröder,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Einzelpläne des Bundesministeriums derustiz und des Bundesverfassungsgerichts sind, gemes-en am Ausgabevolumen, sehr klein. Sie umfassen nichtinmal 0,18 Prozent des Gesamthaushaltes. Aber natür-ich spiegeln die Ausgaben nicht die Bedeutung dieserinzelpläne wider. 500 Millionen Euro sind, gemessenn der Bedeutung dieser Institutionen, wirklich nicht vieleld.Das Justizministerium hat zwei wichtige Aufgaben:um einen die Gesetzgebung und die Gesetzesanwen-ung im Bereich der Justiz mit den obersten Gerichtennd Behörden, zum anderen aber auch eine Querschnitts-
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Dr. Ole Schröderaufgabe für die gesamte Bundesregierung: Das Bundes-ministerium der Justiz ist dafür verantwortlich, diegesetzgeberischen Aktivitäten auf nationaler und inter-nationaler Ebene zu ordnen.Gestern fand die Anhörung zum BKA-Gesetz statt.Durch das BKA-Gesetz werden die Befugnisse des Bun-deskriminalamtes ausgeweitet. Das Bundeskriminalamtist in den letzten Jahren personell gestärkt worden. Diesist auch erforderlich, um die Bevölkerung wirksam vorTerroristen zu schützen.Aber in einem Rechtsstaat führt immer noch dieStaatsanwaltschaft die Ermittlungen.
Die Ermittlungen werden nicht von den Polizeien ge-führt. Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Verfahrens.Die Justizpolitik hat die Aufgabe, die Staatsanwaltschaftso auszustatten, dass diese strengen Maßstäbe auch vollgewahrt werden.
Die Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshofagiert als Anwalt des Bundes und bekommt es dabei mitimmer aufwendigeren Ermittlungsverfahren zu tun. Al-lein das sogenannte Sauerland-Verfahren gegen drei An-hänger der islamistischen Dschihad-Bewegung hat fünfStaatsanwälte dauerhaft gebunden. Hunderte von richter-lichen Beschlüssen mussten eingeholt werden. Bei demGerichtsverfahren gegen die sogenannten Kofferbomber,die Anschläge auf zwei Regionalzüge geplant hatten,wurden ebenfalls viele Ressourcen gebunden. Viele die-ser Verfahren ziehen sich dann vor Gericht über Jahrehin, vor allem dann, wenn Konfliktverteidiger das Ver-fahren bewusst in die Länge ziehen. Derzeit werden vonder Generalbundesanwaltschaft über hundert laufendeVerfahren allein gegen ausländische Vereinigungen bear-beitet. Der Übersetzungsaufwand ist enorm.All diese Aufgaben müssen geschultert werden, ohnedass dabei die rechtsstaatliche Sorgfalt auf der Streckebleibt. Es wäre fatal, wenn die Staatsanwaltschaft amEnde wegen Überbelastung nicht mehr in der Lage wäre,von der Polizei überführte Straftäter der Justiz zuzufüh-ren. Deshalb ist es zu begrüßen, dass bereits im Entwurfder Bundesregierung 21 neue Stellen geschaffen wurden,um dieser rechtsstaatlichen Pflicht Rechnung zu tragen.Herr Montag, Sie haben angesprochen, dass der An-satz der Mittel für Entschädigungen nicht hoch genugist. Als Haushälter haben wir im Rahmen von entspre-chenden haushaltsrechtlichen Vermerken und Flexibili-sierungen immer darauf geachtet, dass am Ende jedeEntschädigung gezahlt werden kann. Wir werden auchzukünftig darauf achten.Meines Wissens ist der Titel „Militärische Beschaf-fungen“ in allen Einzelplänen vorhanden. Ich weiß nicht,oAmrcfksnWUbMsÜneeHwmsharwüBtdcdvwcMrfdnub
Lassen Sie mich auf einen anderen Bereich zu spre-hen kommen. Neben der rechtsstaatlichen Bedeutung,ie das Ministerium der Justiz hat, ist der Einzelplan 07or allen Dingen für unseren Wirtschaftsstandortichtig. Die Justizministerin hat das bereits angespro-hen. Ich finde es gut, dass das Deutsche Patent- undarkenamt jetzt faktisch aus der linearen Stelleneinspa-ung herausgenommen wurde und wir 27 neue Stellenür Patentprüfer geschaffen haben. Damit stärken wiren Wirtschaftsstandort Deutschland.Das Justizministerium setzt sich auch auf internatio-aler Ebene für Rechtsstaatlichkeit ein. Das ist wichtig,m anderen Ländern auf ihrem Weg zu Demokratie undei der Durchsetzung von Menschenrechten zu helfen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. September 2008 18601
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Dr. Ole SchröderGerade wir als Exportnation sind auf Rechtssicherheit inanderen Ländern angewiesen. Viele EU-Nachbarländerorientieren sich an unserem Rechtssystem beim Aufbaueiner Rechtsordnung. Ich bin der Meinung, dass wir dasunterstützen sollten. Ich finde es sehr gut, dass die Deut-sche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenar-beit, die eine hervorragende Arbeit leistet, mit diesemEntwurf gestärkt wird. Wir erreichen dadurch viel imBereich der Handelsbeziehungen, aber auch für Rechts-staatlichkeit und Sicherung des Friedens in Europa unddarüber hinaus. Es ist zu begrüßen, dass der Mittelansatzerhöht und das Fortbestehen dieser Stiftung über dasJahr 2011 hinaus gesichert werden konnte.Es kommt nicht nur darauf an, was wir in Gesetzeschreiben, sondern genauso darauf, wie wir Gesetze for-mulieren. Eine wichtige Querschnittsaufgabe des Bun-desministeriums der Justiz ist die Rechtsförmlichkeits-prüfung. Innerhalb dieser Rechtsförmlichkeitsprüfungist es Aufgabe des Justizministeriums, für verständlicheGesetze zu sorgen. Unverständliche Gesetze brauchtkein Mensch. In der Rechtsanwendung entstehen Bür-gern, aber auch Rechtsexperten dadurch hohe Kosten.Hier können wir in der Rechtssetzung mit relativ gerin-gem Aufwand große Effizienzpotenziale freisetzen.Auf Regierungsebene wurde im Januar 2007 eine vonder Gesellschaft für deutsche Sprache eingerichtete Ar-beitsgruppe eingesetzt, die die Möglichkeiten erprobt.Bisher wurden fünf Gesetze sprachlich überarbeitet,unter anderem zur Strukturreform des Versorgungsaus-gleichs und das Gesetz zur Neuregelung des Wohngeld-rechts. Die Arbeit dieser Sprachexperten ist ausgespro-chen erfolgreich. Alle Beteiligten bestätigen, dass dieerarbeiteten Texte besser lesbar sind und der Gesetzge-bungsprozess aufgrund einer größeren Akzeptanz desEntwurfs schneller und einfacher vonstatten geht. Nichtzuletzt die sprachliche Qualität wird dafür sorgen, dassdie Akzeptanz unserer Gesetze und Institutionen und dasVertrauen der Bürger in unsere Gesetze und Institutionengestärkt werden.Frau Zypries, Sie haben sich sehr kritisch zur Privati-sierung geäußert. Die Frage, was von Dritten gemachtwerden soll und was im Haus gemacht werden soll, müs-sen wir uns auch stellen, wenn es darum geht, wie wirdiese wichtige Sprachprüfung institutionalisieren unddauerhaft gestalten können.Schönen Dank.
Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kolle-
gen Otto Fricke.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Der Justizhaushalt ist klein, aber – mit Grüßen anHerrn Schäuble – er ist keine Kleinigkeit. Bei der Frageder Grundrechte ist Justiz immer sehr wichtig. Ich willmJscfknAmngD7rOgSkdimsswBuPweddiciVfmhgSttw
as Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kostet circa0 Euro pro Arbeitnehmer, der in einem sozialversiche-ungspflichtigen Arbeitsverhältnis arbeitet.
der nehmen wir, damit sich die Grünen nicht so aufre-en, die Vorratsdatenspeicherung.
ie bewirkt erhebliche Investitions- und Dienstleistungs-osten in einem Bereich, über den der Rechtsstaat sagt,a müsse etwas getan werden. Ob das richtig oder falschst, ist eine andere Frage. Aber wen lassen Sie das Ganzeachen? Wer entwickelt die Technik? Wer bezahlt? Esind die Privaten. Über Privatisierung und darüber, wiechlecht sie im Bereich der inneren Sicherheit umgesetztird, könnte man stundenlang anhand des Beispielesundesdruckerei, ein wunderschönes Kind der Grünennd Roten, reden und darstellen, wie „toll“ die dortigerivatisierung verlief. Privatisierung muss klug gemachterden, und sie muss dort gemacht werden, wo der Staats nicht so gut kann. Da, wo es um den Rechtsstaat geht,arf es nur der Staat machen. Das jedenfalls ist aus Sichter Liberalen der essenzielle Unterschied zwischen Staatm Privatbereich und Staat im Bereich Rechtsstaat.
Schauen wir uns den Haushalt an. Übrigens freundli-he Grüße an die Grünen: Es gibt keinen einzigen Titelm Haushalt des Justizministeriums und im Bereich deserfassungsgerichtes, der sich mit Militärausgaben be-asst. Das betrifft schlichtweg die tabellarische Zusam-enfassung; das gibt es beispielsweise auch zum Haus-alt des Bundestages und des Bundespräsidenten. Esibt keinen Titel. Ich glaube, das sollte man an diesertelle noch einmal klarstellen, bevor falsche Interpreta-ionen gemacht werden.
Ich will noch kurz etwas zum EHUG und zum elek-ronischen Unternehmensregister sagen. Ich glaube, dassir da wieder ein Trauerspiel erleben. Ich war selber
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Otto Frickesehr überrascht, wie wenig die Unternehmen darauf rea-gieren, dass sie ihre Pflichtangaben machen. Ich mussdazu aber auch sagen: Wenn ich in den Unterlagen lese,dass das Register auch deswegen so schlecht funktio-niert, weil die Daten, die man hatte, teilweise noch vier-stellige Postleitzahlen enthalten, dann frage ich michschon, wie weit es im Moment in der Planung beim Jus-tizministerium und an anderer Stelle gekommen ist.Zu den 19 Stellen bei der Generalbundesanwaltschaftmuss ich sagen: Es müsste in diesem oder im nächstenJahr noch etwas passieren, das diese 19 Stellen notwen-dig macht, oder wir hatten in der Vergangenheit zu we-nig Stellen. Ich habe eher das Gefühl, dass wir jetzterkennen müssen, dass wir unsere gesamte Sicherheits-struktur auch bei der Generalbundesanwaltschaft voll-kommen anders personell ausrichten müssen. Dannmüssten Sie das aber auch begründen.Ich will noch auf einen Punkt kommen, der mir beiJustizdebatten – es ist nun im Rahmen von Haushaltsbe-ratungen meine 13. Justizdebatte – immer mehr auffällt.Das ist die Komplexität. Leider ist Kollege Benneter inzweiter Reihe gerade mit Markieren beschäftigt; KollegeWieland schaut mich an und weiß schon, worum es geht,Kollege Gehb auch.
Es fällt doch auf, liebe Kolleginnen und Kollegen: Un-sere Gesetzgebung wird immer komplexer. Sie wird so-gar so komplex, dass selbst die Koalitionsparteien sagen:Das stimmt überhaupt nicht, das haben wir so nicht be-schlossen. – Nachher müssen sie zugeben, dass es dochso von Ihnen beschlossen worden ist. Komplexität isteine der größten Gefahren für einen Rechtsstaat. Denngerade wir als Gesetzgeber überblicken manchmal garnicht mehr, was wir dem Staat, der Exekutive, an Rech-ten geben. Wir müssen auch ehrlich zugeben: Wenn wirdie Vorschriften nicht mehr beherrschen, dann herrschenirgendwann in diesem Lande die Vorschriften. Das kannnicht in unserem Interesse sein.
– Das lösen wir, Kollege Wieland, indem wir schlicht-weg weit weniger Gesetze machen und indem wir aucheinmal ehrlich zugeben: An dieser oder jener Stelle eineneue Detailregelung zu machen, ist falsch.
Ferner lösen wir dies – das sage ich in Richtung desKollegen Gehb – , indem wir nicht immer überlegen, obes nicht noch neue Grundrechte auf Sicherheit gibt – esgibt sie nicht – , sondern lieber schauen, wie man beste-hende ausfüllen kann. Außerdem sollten wir uns fragen:An welcher Stelle sollte sich der Rechtsstaat wirklich zu-rückhalten?–FWdddjdbVSDuawJZvtdmdeNdrwtIfKnsANmss
Lob, das lernt, ist gut.Ich komme zum Schluss, bevor ich Ärger mit derrau Vizepräsidentin bekomme.
ir haben inzwischen bei vielen Gesetzen das Problem,ass niemand sie mehr versteht. Kollege Schröder hatas richtig gesagt. Aber ich habe auch das Gefühl, dassas manchmal ganz beliebt ist. Der Innenminister folgta inzwischen dem Motto: Sollte ich mich klar ausge-rückt haben, dann müssen Sie mich missverstanden ha-en. – Das jedenfalls kann aus Sicht der FDP nicht dieoraussetzungen für einen Rechtsstaat sein.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Joachim Stünker,
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie heutige Debatte war bis jetzt sehr farbenreich undmfassend. Ich möchte auf die Kärrnerarbeit des Rechts-usschusses zu sprechen kommen, um zu verdeutlichen,as wir geleistet haben.Am 11. September 2007 konnte ich Ihnen nach zweiahren Große Koalition zusammen mit Frau Ministerinypries eine, wie ich glaube, sehr überzeugende Bilanzorlegen. Seitdem ist ein Jahr vergangen. Einige wich-ige Themen, um die es in der Zwischenzeit ging, wur-en bereits erwähnt. Dennoch möchte ich sie noch ein-al nennen, um zu verdeutlichen, was Rechtspolitik fürie Menschen in der Sache bedeutet, nicht hinsichtlichines theoretischen Überbaus, von dem Herr Kollegeešković wieder einmal gesprochen hat.Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Wir habenas Rechtsberatungsgesetz, das noch aus den 30er-Jah-en stammte, novelliert. Die Telekommunikationsüber-achung haben wir auf der Grundlage umfassender Un-ersuchungen rechtsstaatssicherer gestaltet.
m Unterhaltsrecht haben wir den Vorrang für Kinderestgeschrieben und die Gleichstellung nichtehelicherinder mit ehelichen Kindern und vor allen Dingenichtehelicher Mütter mit ehelichen Müttern durchge-etzt. Was die gesellschaftlich hochumstrittene Frage dernfechtung von Vaterschaftstests betrifft, haben wir eineeuregelung verabschiedet. Außerdem haben wir fa-iliengerichtliche Maßnahmen veranlasst, um insbe-ondere zur Bekämpfung von Kindesmisshandlungenchneller eingreifen zu können. Zur Stärkung des Wirt-
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Joachim Stünkerschaftsstandortes Deutschland haben wir mit Blick aufdas Recht auf geistiges Eigentum die Enforcement-Richtlinie verabschiedet. Diese Maßnahme war genausowichtig wie die Modernisierung des GmbH-Rechts, aufdie schon hingewiesen wurde. Darüber hinaus haben wirVorschriften zur Bekämpfung von Kinderpornografieund Kinderprostitution auf den Weg gebracht. Kurz vorder Sommerpause haben wir eine große Reform des Ver-fahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Verfah-rens in Familiensachen verabschiedet. Das ist die Kärr-nerarbeit der Rechtspolitik, derer Sie sich entziehen,Herr Kollege Nešković.
Diese Arbeit ist für die Freiheitsrechte der Menschen indiesem Land und für ihren Alltag allerdings sehr wich-tig.
Herr Kollege Nešković, an Ihrer Rede wurde wiedereinmal deutlich, dass Konvertiten wenig Bezug zur Rea-lität haben.
Ich muss Ihnen sagen: Sie sollten einmal über Ihre Ver-balinjurien gegenüber der Frau Ministerin nachdenken.Ich glaube, sie waren dem Hohen Hause und der Arbeit,die wir leisten, nicht angemessen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten17 Sitzungswochen dieser Legislaturperiode müssen wirim Bereich der Rechtspolitik noch ein weitgefächertesProgramm abarbeiten; die Frau Ministerin hat darauf be-reits hingewiesen. Ich will die einzelnen Projekte, diewir noch vor uns haben, nicht mehr nennen. Ich bin mirallerdings sicher, dass die Koalition am Ende dieser Le-gislaturperiode eine sehr erfolgreiche Bilanz in derRechtspolitik vorweisen kann.Ich denke, durch die vielen Einzelmaßnahmen, die indie verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen hinein-wirken, werden wir mehr bewegt und gesellschaftlichgestaltet haben als andere, die in diesem Hohen Hauseviele große Reden gehalten haben, die für die Menschenaber nicht viel bringen. Wir werden für den Alltag derMenschen größere Freiheit und mehr Gestaltungsmög-lichkeiten geschaffen haben. Außerdem können wir denSchutz der inneren Sicherheit und der individuellen Si-cherheit der Menschen in diesem Land garantieren. Esgibt keine Freiheit ohne Sicherheit; dafür stehen wir So-zialdemokraten. Das eine bedingt das andere. Auf die-sem Gebiet muss das Notwendige getan werden.Ich bin sehr dankbar, dass Frau Ministerin Zypries inihrer Rede eine Qualitätsdebatte im Rahmen der Aufga-benbestimmung der Justiz eingefordert hat; das wurdeoffensichtlich noch nicht von allen verstanden.
ie Frau Ministerin hat zu Recht auf die Privatisie-ungstendenzen hingewiesen. Darüber haben wir imechtsausschuss noch nicht diskutiert; das ist richtig,rau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger. In den letz-en drei Jahren haben uns aber immer wieder entspre-hende Gesetzesvorhaben des Bundesrates erreicht. Dasat die Frau Ministerin gemeint.Es geht um Privatisierungstendenzen, die im Bereicher ordentlichen Gerichtsbarkeit insbesondere die frei-illige Gerichtsbarkeit, Nachlasssachen, Grundbuchsa-hen, Registersachen und Betreuungssachen betreffen.n den Ländern gibt es nach wie vor Tendenzen, dieseereiche outsourcen zu wollen. Bei den Mitarbeiterin-en und Mitarbeitern der Gerichte vor Ort herrscht großensicherheit; das gilt insbesondere für den Bereich derrdentlichen Gerichtsbarkeit. Hier müssen wir für klareerhältnisse sorgen. Der Gesetzgeber, der für solcheaßnahmen zuständig ist, sitzt hier in Berlin.Solange wir Sozialdemokraten noch etwas zu sagenaben, wird es die gewünschten Veränderungen nicht ge-en. Das sage ich ganz deutlich.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen,er uns in diesem Hohen Hause in den nächsten Wochenoch beschäftigen wird. Ich meine, dass wir die Quali-ätsdebatte darüber hinaus führen müssen. Herr Kollegeontag hat in seinem Beitrag bereits darauf hingewie-en; ich sehe das genauso.Im Hinblick auf den heutigen Zustand der Justiz innserem Land muss ich feststellen, dass sich die Sach-usstattung in den vergangenen drei Jahrzehnten wesent-ich, wenn nicht fast revolutionär verbessert hat. Vorber 30 Jahren habe ich am Landgericht Verden an derller meine Tätigkeit begonnen und danach viele Amts-erichte gesehen. Im Vergleich zu früher ist die Ausstat-ung heute wesentlich besser. Damit einhergegangen istllerdings – insbesondere im Verlauf der vergangenen5 bis 18 Jahre – ein drastischer, teilweise dramatischerersonalabbau. Ich meine, dass dieser Personalabbaum Ergebnis unvertretbar ist.
In diesen Tagen hat der Deutsche Richterbund dasandbuch der Justiz 2008/2009 übersandt. Was machtan im Rückblick auf alte Zeiten? Ich habe mir einmalie Gerichte in Niederachsen angesehen, an denen ichm Verlauf meines Lebens als Richter tätig gewesen bin.ch kann Ihnen sagen, dass heute an allen diesen Gerich-en weniger Richterinnen und Richter beschäftigt sindls zu dem Zeitpunkt, als ich dort gearbeitet habe. Dieseseniger an Personal wird durch eine verbesserte Sach-usstattung im Ergebnis nicht aufgefangen; denn eineute Rechtsprechung braucht Menschen, gut ausgebil-ete und motivierte Richterinnen und Richter, Staatsan-ältinnen und Staatsanwälte. Die Personalreduzierung,ie wir dort gegenwärtig erleben, geht in eine Richtung,ie nach meiner Überzeugung bedenklich ist.
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Joachim Stünker
Wir werden uns demnächst darüber zu unterhalten ha-ben, ob wir die Möglichkeit der Besetzungsreduktionenbei den Großen Strafkammern verlängern, wonach dieStrafkammern nur mit zwei Berufsrichtern und zweiSchöffen besetzt sind. Diese Regelung ist im Jahr 1993vor dem Hintergrund des Bestrebens geschaffen worden,beim Aufbau der Justiz in den neuen Bundesländern Fle-xibilität zu haben. Diese Regelung ist immer wieder fort-geschrieben worden. Nun steht zum Jahresende wiederan, hier zu einem Ergebnis zu kommen. Wir werden dasgemeinsam diskutieren müssen, liebe Kolleginnen undKollegen.
Ich denke, wir werden diese Regelung noch einmalverlängern müssen. Wir sollten in der Debatte imRechtsausschuss gemeinsam sehr genau hinsehen. Esgibt einige Entscheidungen von Strafsenaten des Bun-desgerichtshofs, die darauf hinweisen, dass in den ver-gangenen Jahren im Bereich der Strafjustiz die Qualitätder Rechtsprechung in bestimmten Bereichen gelittenhat. Einige Senate haben sehr deutliche Aussagen hierzugemacht. Ich denke, diese Fragen werden wir diskutierenmüssen, wenn wir uns diesem Thema demnächst zu nä-hern haben.Im Ergebnis darf ich sagen: Es hilft uns nichts, wennwir heiße Debatten über Onlinedurchsuchungen undüber die Novellierung des BKA-Gesetzes führen und ir-gendwann zu Ergebnissen kommen, wenn wir nichtgleichzeitig die dritte Säule der Gewaltenteilung, näm-lich die Justiz, genauso stärken. Dieses Korrektiv derdritten Säule der Gewaltenteilung ist genauso notwendigwie die erforderlichen Maßnahmen, um die Menschen indiesem Land zu schützen.Beim Generalbundesanwalt werden aufgrund derneuen Herausforderungen 20 oder 21 Stellen neu ge-schaffen. Ich frage mich, wo sich die vergleichbarenSteigerungen bei den Staatsschutzsenaten bei den Ober-landesgerichten, wo sich die vergleichbaren Steigerun-gen bei den OK-Kammern der Landgerichte usw. finden.Genau das sind die Fragen, die etwas mit Freiheit, mitGerechtigkeit und mit dem Zugang zu Recht zu tun ha-ben, denen wir uns im Rechtsausschuss bis zum Endeder Legislaturperiode noch stellen wollen.Z
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Haushalt gut, Rechtspolitik gut, Ministerin
gut, Abgeordnete gut – wir machen gute Arbeit.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort der Kollegin Daniela Raab, CDU/
CSU-Fraktion.
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Das zweite Thema, das zumindest kurz angesprochenwurde, ist das Thema Datenhandel. Auch bei diesemThema müssen wir als Rechtspolitiker uns mit anderenMinisterien und Fachbereichen austauschen und auf Ent-wicklungen reagieren, die gerade in den letzten Monatenund Jahren höchst kriminelle, fast schon mafiöse Struk-turen angenommen haben. Wir alle kennen die Fälle vonDatenhändlern, die Zigtausend Daten zum Verkauf an-bieten, die sie illegal erworben haben.Jeder kennt die Fälle aus der Sprechstunde oder hat esvielleicht selber erlebt: Man fährt im Kaufhaus die Roll-treppe hoch, hat die ersten Artikel dabei, die man ein-kaufen will, und befindet sich auf dem Weg zur Kasse.Es kann dann sein, dass Ihnen ein freundliches Männ-chen entgegenspringt, ein Formular mit Kleingedruck-tem entgegenhält und sagt: Bevor Sie zahlen, müssen Sieauf jeden Fall unsere Kundenkarte bestellen, weil Siedann Punkte und dergleichen mehr erhalten. – Wennman nicht ganz fit ist und sich das Ganze bis zur aller-letzten Zeile durchliest, wo steht, dass man das entspre-chende Kästchen ankreuzen soll, wenn man mit der Wei-tergabe seiner persönlichen Daten nicht einverstandenist, dann sitzt man sozusagen in der Datenfalle und kannsich gegen die Weitergabe seiner Daten nicht mehr weh-ren.Ich bin sehr froh, dass wir Anfang September mit denbeteiligten Ministerien ausgesprochen schnell eine Re-gelung gefunden haben, die dieses Prinzip umdreht. Dasheißt, jetzt muss ausdrücklich das Einverständnis zurWeitergabe der Daten erklärt werden, nicht umgekehrt.Das ist ausgesprochen wichtig.Wir dürfen aber auch nicht verhehlen, dass vieleschnell dabei sind, nach dem Staat zu rufen und zu erklä-ren, er mache uns erst zu den gläsernen Bürgern, die wirangeblich alle sind. Ich sage – da muss sich jeder an dieeigene Nase fassen –: Der Umgang mit den persönlichenDaten hat bei jedem Einzelnen eine Fahrlässigkeitsstufeerreicht, die wir zwar nicht anprangern wollen, aber an-sprechen müssen. Jedem muss klar sein: Wenn er sich imInternet bewegt und Verkäufe tätigt, dann wird er einStück weit gläserner. Das müssen wir als Politiker sagen.Aber da, wo es ganz offenkundig Missstände gibt, soll-ten wir definitiv eingreifen.Das soll aber nicht so weit gehen – damit bin ich beimThema Staatsziel, um das abzurunden –, dass gleich wie-der nach dem Allheilmittel Grundgesetz gerufen wird.Viele meinen, sobald etwas im Grundgesetz stehe, hättensie den ganz besonderen Schutz und ihnen könne nichtsmehr passieren. Ich gehöre zu denjenigen, die sagen:Unser Grundgesetz ist ganz bewusst relativ karg, aberauch relativ klar ausformuliert. Ich muss nicht krampf-hgrWlaswtewawDmgRhkndSnHü2mDnhddmairckhrgd
avon haben die Menschen mehr. Das sollte unsere Prä-isse bei unserer täglichen Arbeit sein.Lieber Herr Kollege Stünker, ich möchte mich Ihnenerne anschließen. Meine Prognose zumindest für dieechtspolitik dieser Großen Koalition ist recht gut. Wiraben schon bewiesen, dass wir gut zusammenarbeitenönnen. In diesem Sinne sollten wir weitermachen.Vielen herzlichen Dank.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegenicht vor.Wir kommen schließlich zu dem Geschäftsbereiches Bundesministeriums des Innern, Einzelplan 06.Das Wort hat der Bundesinnenminister, Dr. Wolfgangchäuble.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-ern:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! In den Agenturmeldungen mit einer Übersichtber die Zahlen des Entwurfs für den Bundeshaushalt009 ist der Geschäftsbereich des Bundesinnenministersit einer Steigerungsrate von 10,5 Prozent ausgewiesen.
as ist natürlich ungeheuer erfreulich. Aber um diese ei-igermaßen befriedigende Ausstattung über die Haus-altsverhandlungen zu retten, will ich darauf hinweisen,ass diese Steigerungsrate zu einem wesentlichen Teilamit zu tun hat, dass der Haushalt des Bundesinnen-inisteriums in einem starken Maße durch Personal-usgaben geprägt ist. Die Hälfte dieser Steigerungsratest durch die Auswirkungen der Tarif- und Besoldungs-unde und durch die endgültige Einführung des einheitli-hen Liegenschaftsmanagements verursacht. Hinzuommt die erhöhte Hauptstadtfinanzierung in Sicher-eitsfragen. Einer der großen Erfolge, den wir nach jah-elangen Auseinandersetzungen nun doch auf den Wegebracht haben, ist die Einführung des Digitalfunks fürie Behörden der öffentlichen Sicherheit, die im Haus-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäublehaltsentwurf für das kommende Jahr mit rund 400 Mil-lionen Euro zu Buche schlägt.Das, was nach diesen Zahlen verbleibt, die man beider Würdigung des Haushaltsentwurfs berücksichtigenmuss, ist Ausdruck dafür, dass diese Bundesregierungdie Aufgabe ernst nimmt, die freiheitliche Ordnung die-ses Landes und die Freiheitsrechte der Bürgerinnen undBürger in dem notwendigen und angemessenen Maße zusichern. Freiheit sicher zu machen, ist die eigentlicheAufgabe.Ich will ein Beispiel dazu nennen, das übrigens denHaushalt 2008 und 2009 in entscheidendem Maße prägt.Alles, was gut läuft, findet in der Öffentlichkeit nichtallzu viel Aufmerksamkeit.
Ich hatte im Vorhinein mehr Sorgen, als sich dann ver-wirklicht haben, ob es gelingen würde, die Abschaffungder Grenzkontrollen an den östlichen Grenzen unseres Va-terlandes in Erweiterung des Schengener Abkommensso zu bewerkstelligen, dass sie nicht zur Beunruhigungder Bevölkerung und zu einem Verlust an Sicherheit führt.Das ist dank einer hervorragenden Zusammenarbeit mitden Polizeien der Länder wie mit den Polizeien der be-troffenen Nachbarländer Polen und der TschechischenRepublik in einem hervorragenden Maße gelungen. Daszeigt, dass wir mehr Freiheit in Europa ermöglichen. Ineinem Europa ohne Grenzen und ohne Kontrollen anBinnengrenzen von Lissabon bis Helsinki reisen zu kön-nen, ist ein großer Freiheitsgewinn. Und dies in Sicher-heit zu ermöglichen, zeigt, dass wir eine verantwor-tungsvolle Politik machen.
Das ist notwendigerweise mit einer grundlegendenReform der Bundespolizei verbunden – auch das istkeine einfache Aufgabe und nach den vielen Neuorgani-sationen, die der Bundespolizei bzw. dem damaligenBundesgrenzschutz und den Polizeibeamtinnen undPolizeibeamten in den Jahren seit dem Ende des KaltenKrieges zugemutet werden mussten, auch keine Kleinig-keit –, die auf einem guten Weg ist und Schritt für Schrittvorankommt und die auch in dieser Zeit des Übergangsnicht zu einer Beeinträchtigung der Leistungs- und Ein-satzfähigkeit der Bundespolizei geführt hat.Ich will die Gelegenheit nutzen, allen, die dafür auchpersönliche Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müs-sen, und auch allen Personalvertretungen, die daran mit-wirken, meinen Dank und meinen Respekt auszudrü-cken. Es zeigt das verantwortungsbewusste und starkeEngagement jedes einzelnen Polizeibeamten für die Si-cherheit unseres Landes und für die Bürgerinnen undBürger. Das gilt auch für die Polizeien der Länder.
Das bringt mich zu einer Bemerkung, die immer wie-der notwendig ist: Die föderale Ordnung unseres LandesmdwdBgrSsrerhsrwSdgisinsTstqSFk–idDtddnwsntfczVzkghwGmh
Wir alle haben in den vergangenen Monaten gelerntauch das gehört zu einem Überblick über die Aufgabennnerhalb des Geschäftsbereichs des Einzelplans 06 –,ass das, was wir schon immer gesagt haben, zutrifft:ie Freiheitsrechte – auch das Grundrecht auf informa-ionelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürgerer Bundesrepublik Deutschland – werden nicht durchen Staat und seine staatlichen Organisationen, auchicht durch die Polizeien, gefährdet. Vielmehr müssenir dafür sorgen, dass auch die Grundrechte auf Daten-chutz und informationelle Selbstbestimmung imichtöffentlichen Bereich durch leistungsfähige Verwal-ungen gewährleistet werden.Wir haben unsere Erfahrungen gemacht. Aus den Er-ahrungen, die etwa die Telekom in ihrem Bereich ma-hen musste, haben wir die richtigen Konsequenzen ge-ogen. Wir haben in den vergangenen Wochen mit denerantwortlichen für den Vollzug des Datenschutzgeset-es in den Bundesländern – das ist sehr unterschiedlichonstruiert – und den Datenschutzbeauftragten darüberesprochen, welche Schlussfolgerungen wir ziehen. Wiraben innerhalb der Bundesregierung verabredet, dassir die Koalitionsvereinbarung mit dem Entwurf einesesetzes für ein freiwilliges Datenschutzaudit umsetzen,it dem wir im Sinne eines Benchmarking weiterge-ende Fortschritte und Erkenntnisse Schritt für Schritt
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäublezuerst freiwillig umsetzen und dann verpflichtend Rege-lungen erlassen können. So können wir angesichts derrasanten Entwicklung in einem ständigen Prozess vonTrial and Error bleiben. Wir haben zugleich verabredet,einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, dervorsieht, dass in Zukunft die Nutzung und Übermittlungpersonenbezogener Daten zum Zweck des Adresshan-dels nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenenzulässig sein sollen. Wir wollen ein Kopplungsverbot fürmarktbeherrschende Unternehmen, die sich unabhängigvon einem Abschluss daran halten müssen, sowie eineErweiterung der Bußgeldtatbestände und gegebenenfallserweiterte Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung vor-schlagen. Das hat die Zustimmung aller Datenschutzbe-auftragten gefunden. Ich werbe dafür, auf diesem Wegvoranzugehen.
Wichtig ist aber auch: Nur ein funktionierender und leis-tungsfähiger Rechtsstaat ist in der Lage, den Daten-schutz zu gewährleisten. Auch das gehört zur ganzenWahrheit. Deswegen können wir vielleicht in der Zu-kunft manche Debatten etwas weniger voreingenommenführen.
Ich will in der gebotenen Kürze noch eine Bemerkungdazu machen, dass wir für den Fall, dass alle Vorkehrun-gen nicht funktionieren – es passieren immer Unglücke –,die Zusammenarbeit der Verantwortlichen von Bund undLändern im Bereich des Bevölkerungsschutzes leis-tungsfähig erhalten müssen. Deswegen haben wir dasBundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophen-hilfe mit über 100 Millionen Euro im vorliegendenHaushaltsentwurf angemessen ausgestattet. Gleiches giltfür das Technische Hilfswerk, das übrigens im Inlandwie im Ausland zunehmend zu einem Gütezeichen fürdie Bundesrepublik Deutschland wird. Ich möchte michbei den Helferinnen und Helfern sowie bei der großenZahl der ehrenamtlich Tätigen ausdrücklich bedanken.
Wir sind auf einem guten Weg, im Einvernehmen mitden Bundesländern die Fragen nach Steuerung undKoordinierung so zu regeln, dass wir die vorhandenenKapazitäten von Bund und Ländern im Zivil- undBevölkerungsschutz optimieren. Wir müssen dazu indieser Legislaturperiode noch einen Gesetzentwurf vor-legen; dafür werbe ich. Aber ich rate auch hier dazu, ander grundsätzlichen Zuständigkeit der Bundesländernicht zu zweifeln und angesichts der Debatten über eineZentralisierung des Katastrophenschutzes auf europäi-scher Ebene vorsichtig darauf hinzuweisen, dass einortsnaher, dezentraler und ehrenamtlicher Bevölkerungs-und Katastrophenschutz die bessere Lösung ist und mehrSicherheit für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet.
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18608 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. September 2008
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Handwerkliche Mängel nach einem Jahr Arbeit an demGesetzentwurf halte ich für sehr erstaunlich. Aus meinerSicht können Sie nur eines tun, nämlich das Gesetz zu-rückziehen und überarbeiten.
Für die geltend gemachten handwerklichen Mängel istder Haushaltsausschuss am Ende des Tages nicht zustän-dig, sondern Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen vonder Großen Koalition. Ich fordere Sie auf, das zu verbes-sern. Ein solches BKA-Gesetz brauchen wir nicht.
Kein Geheimnis hingegen ist es für uns, was dieReform der Bundespolizei für den normalen Bundes-polizisten bedeutet. Sie haben diese Reform angespro-chen, Herr Schäuble. Unsicherheit über ihre persönlicheZukunft ist vor allen Dingen bei den Polizistinnen undPolizisten angekommen. Da nützt es auch nichts, wennSie ungefähr 5 Prozent der Bundespolizistinnen undBundespolizisten mit Aufstiegsmöglichkeiten helfenwollen, die über die bisherigen hinausgehen. Das Grosder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist einfach verunsi-chert. Wenn man mit den Kollegen spricht, erfährt mandas. Vielleicht tun Sie das nicht, wir aber schon. Ent-spricht es Ihrer Vorstellung von Sicherheit in Deutsch-land, wenn 12 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derBundespolizei unsicher und unmotiviert durch das Landlaufen? Meine Vorstellung von Sicherheit ist das nicht.Nach wie vor ist völlig unklar, welche Kosten durchden Neubau oder die Verlagerung des Bundespolizeiprä-sidiums noch auf den Bundeshaushalt zukommen. Wennder Haushaltsausschuss nicht so viel Druck gemacht hätte– dafür bin ich meinen Kollegen wirklich dankbar –, dannwürden Sie noch nicht einmal darüber nachdenken, eineLiegenschaft anzumieten, sondern hätten gleich einenNeubau gefordert. So kann man mit dem Geld von Bür-gsgNNmvwSLnwbwhKdPIDhrittDzadwddDsmwswDdzhdccbhf
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. September 2008 18609
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– Das ist ja wunderbar, dass Sie das vorhergesagt haben.Es gibt manche, die gleich alles besser wissen.
Ich will ganz offen eingestehen: Ich halte es für keineschlechte Eigenschaft, in der Lage zu sein, durch Erfah-rungen dazuzulernen und zu Ergebnissen zu kommen.Ich glaube, dass es in der Politik legitim ist, noch einmalnachzudenken und dann vielleicht zu anderen Ergebnis-sen zu kommen.Es ist wichtig, das Thema Dienstrechtsneuord-nungsgesetz in Bälde abschließend zu behandeln; dennder Gesetzentwurf liegt vor. Frau Piltz, ich bin sicher,dass diese Koalition gerade im Bereich der Innenpolitikdas Arbeiten nicht einstellen wird. Wir werden noch eineMenge auf den Weg bringen, vielleicht mehr, als Ihnenlieb ist. Im Rahmen der Beratungen des Dienstrechts-nmssSasnWzgGDnaeünudsuwwgsrmdtnkngdrAz1Hdüsaddage
Die Föderalismusreform ist angesprochen worden.ir müssen in der Tat immer die Fähigkeit entwickeln,u erkennen, welche neuen Herausforderungen es ei-entlich gibt, die unsere Väter und Mütter, die dasrundgesetz aufgeschrieben haben, noch nicht kannten.a haben wir im Moment eine sehr spannende Frage,ämlich die des gesamten IT-Bereichs. IT gab es nicht,ls das Grundgesetz aufgeschrieben worden ist. Das istin Bereich innerhalb des föderalen Systems, der einebergreifende Kooperation zwischen Bund und Ländernotwendig macht. Ich finde, wir müssen auch die Kraftnd die Fähigkeit haben, hier wegweisende Entschei-ungen zu treffen und Organisationsformen zu finden,odass wir auch da zukunftsfähig bleiben bzw. werden.
Es ist gerade heute notwendig, dass wir vieles, wasns in der Innenpolitik berührt, dahin gehend abklopfen,ie es sich auf unsere föderalen Strukturen auswirkt. Ichill hier ein Wort zu dem Thema Bundeskriminalamt-esetz sagen. Dieses BKA-Gesetz und die Idee dazuind durch die Bedrohung durch den internationalen Ter-orismus, aber auch innerhalb der Föderalismuskom-ission I entstanden. Man hatte nämlich festgestellt,ass man ein Bedrohungsszenario wie das, das vom in-ernationalen Terrorismus ausgeht, in der Vergangenheiticht vorgefunden hatte. Man ist zu dem Ergebnis ge-ommen, dass das Bundeskriminalamt mit einer soge-annten Präventivkompetenz ausschließlich im Kampfegen den internationalen Terrorismus ausgestattet wer-en muss. Ich glaube, das ist eine richtige Schlussfolge-ung, zu der man kommt, wenn man eine entsprechendenalyse zieht.Wir haben die Aufgabe, in dieser Frage darüber nach-udenken: Wie ist dies auszugestalten? Wir haben6 Polizeigesetze in Deutschland.
err Stadler, wir hatten die Herausforderung, der wirurch den international agierenden Terrorismus gegen-berstehen, in der Zeit, in der diese Polizeigesetze ent-tanden sind, noch nicht in dieser Form zu bewältigen;lle Polizeigesetze sind viel älter. Deswegen glaube ich,ass es notwendig ist, dass wir hier, an dieser Stelle,iese Zuständigkeit schaffen und das Bundeskriminal-mt bei seiner Arbeit unterstützen. Ich halte das für drin-end notwendig und geboten.
Ich rede von Herausforderungen. Ich stelle fest, dasss immer wieder Stellen gibt, an denen Herausforderun-
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Fritz Rudolf Körpergen auftreten, die man vorher so vielleicht nicht einge-schätzt hätte. Ich will zugeben, dass das Thema Daten-schutz in der Vergangenheit nicht unbedingt an dervordersten Stelle der politischen Diskussion gestandenhat.
– Das sage ich hier ganz offen, Herr Wieland. Das istüberhaupt keine Schande; das kann man doch zugeben.
Ich sage einmal so: Das hat ein bisschen ein Schatten-dasein geführt. Es ist aber doch nicht schlimm,
wenn man das zugibt und nicht die falschen Schlüssedaraus zieht. Das Thema Datenschutz muss auf die poli-tische Agenda.
Aus dem, was wir beispielsweise aus den – so sage ichjetzt einmal – Datenschutzskandalen in den letzten Wo-chen gelernt haben, müssen wir Schlussfolgerungen zie-hen. Ich bin sicher: Wir werden auch da Gemeinsameszustande bringen können.
Ich verstehe das einfach nicht. Es gibt hier offensicht-lich Leute, die alles besser wissen. Ich weiß, dass dieKolleginnen und Kollegen von der Grünen-Fraktion ein-mal mit uns gemeinsam regiert haben.
Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass das ThemaDatenschutz jeden Tag sozusagen eingefordert wordenist.
– Herr Stadler, Sie kennen mich ein bisschen. Ich sageimmer, wie es ist, und nehme auch kein Blatt vor denMund. Ich halte das für richtig, wenn man beispielsweiseGeschichte bewältigen will.
Herr Kollege Körper, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Ströbele?
Ja, bitte.
Bitte schön, Herr Ströbele.
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Herr Kollege Körper, können Sie mir bestätigen, dass
ereits im ersten Jahr der rot-grünen Koalition, 1999,
em Koalitionspartner Grüne die feste Zusage gemacht
orden ist,
ass es eine umfassende Datenschutznovelle, ein neues
atenschutzgesetz geben soll, dass diese Zusage aber
eder in der ersten Legislaturperiode von Rot-Grün
och in der zweiten Legislaturperiode von Rot-Grün ein-
elöst worden ist, weil die SPD sich dem verweigert hat?
Herr Ströbele, wenn ich Ihre Fraktion mit dem Themaatenschutz in Verbindung bringe, dann fällt mir einesin: Sie hatten ein großes Interesse beim Datenschutz,ämlich dass das Amt des Datenschutzbeauftragtenus Ihren Reihen besetzt wird.
as war eine Forderung, die mit Vehemenz vorgetragenorden ist.
ir sind ihr sogar nachgekommen. Der Datenschutzbe-uftragte ist auch heute noch im Amt. Ich bin der Auf-assung: Er macht seine Sache gut.
Lieber Herr Uhl, man sollte allen ihre Pensionsberech-igung gönnen.
a sollten wir uns zurückhalten. – Ich bin auch der Auf-assung, dass dieser Datenschutzbeauftragte seine Arbeitehr ordentlich erledigt.
as sollte man der Fairness halber sagen und da keineebelkerzen werfen.Beim Thema Datenschutz sind zwei Punkte ganzichtig, einmal die Datenweitergabe nur nach aktiverinverständniserklärung der Betroffenen. Das ist diemkehr der bisherigen Praxis und kann viel helfen. Wasin Datenschutzaudit anbelangt, scheint mir sehr wichtigu sein, über die Frage zu diskutieren, ob freiwillig, nurreiwillig oder inwieweit verpflichtend. Es gibt jetztuch das Eckpunktepapier. Ich bin sicher: Wir werdenus diesen Vorstellungen heraus eine gute Entscheidungreffen. Der Innenminister hat ein ehrgeiziges Ziel. Esird von uns ausdrücklich unterstützt. Er will eine Vor-
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Fritz Rudolf Körperlage bis Ende November kabinettsreif machen. Wir von-seiten der SPD werden unsere Unterstützung leisten;denn der Datenschutz ist eine wichtige Aufgabe. Ihrmüssen wir nachkommen, für die Bürgerinnen und Bür-ger.
Die Menschen haben es verdient.In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerk-samkeit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulla Jelpke von der
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr In-nenminister, ich denke, Freiheit stirbt auch durch immermehr Sicherheit. Selbst wenn Sie sich heute an dieSpitze der Bewegung für den Datenschutz stellen, somuss man doch eindeutig sagen: Sie haben in den letztenJahren erheblich dazu beigetragen, dass der Datenschutzund Grundrechte abgebaut wurden.
Auch der vorliegende Haushaltsentwurf der Bundesre-gierung zeigt, dass Sie Ihren Weg eindeutig fortsetzen,wenn es darum geht, Grundrechte von Bürgerinnen undBürgern abzubauen.Die Bundesregierung forciert die Überwachung jedesEinzelnen im Namen des angeblichen Antiterrorkamp-fes, aber sie vernachlässigt gleichzeitig die Gefahr, dievor allen Dingen von rechtsextremistischen Gewalttäterndroht.
Die Linke wird deshalb auch diesen Haushaltsplanablehnen, weil er nicht nur falsche Signale setzt, sondernweil er regelrecht unverantwortlich ist.
Das Budget, das hier angesprochen wurde, steigt inder Tat um eine halbe Milliarde Euro. Man sollte glau-ben, dass dabei einige Milliönchen übrig wären, um end-lich das umzusetzen, was der Bundestag schon vor sie-ben Jahren beschlossen hat, nämlich die Einrichtungeiner unabhängigen Stelle zur Beobachtung vonRechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.Wie gesagt, das war vor sieben Jahren. Die Grünen, dieSPD, aber auch die Union haben es bisher nicht für nötiggehalten, diesen Beschluss umzusetzen. Ich meine, dasist sehr beschämend für diesen Bundestag. Eine solcheBeobachtungsstelle würde beispielsweise zeigen, wasNGOs recherchiert haben: Inzwischen gibt es 141 Men-schen, die durch rassistische Gewalttäter ums Leben ge-ksdduhRHEdNLkdGGsffKrkBwPdanzdsdVeVtBPOcgrtwgww
err Schäuble, realisieren Sie endlich, dass in dieserntwicklung eine ganz zentrale Herausforderung liegt,enn inzwischen haben wir die Situation, dass dieseazischläger in die Kommunalparlamente und in dieandtage eingezogen sind und dort entsprechend wirkenönnen.Noch immer müssen Projekte darum kämpfen, ausem Haushalt Gelder zu bekommen. Die beantragtenelder für diese Projekte übersteigen die zugebilligtenelder bei weitem. Die Bundesprogramme werden bei-pielsweise vor allen Dingen umorganisiert. Sie werdenür ihre Arbeit immer ineffektiver ausgestattet. Deshalbordert die Linke auch ein Sofortprogramm für denampf gegen Rechtsextremismus.
Die Beratungs- und Beobachtungsstelle habe ich be-eits genannt. Vor allen Dingen aber wollen wir die Stär-ung lokaler Aktionsteams und eine Verbesserung derundeszentrale für politische Bildung erreichen. Wirollen, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismusriorität erhält. Diese muss sich auch im Haushalt nie-erschlagen.
Ich sagte es schon, die Bundesregierung finanziertber lieber, dass Grundrechte abgebaut werden. Hierzuenne ich einige Beispiele: 18,5 Millionen Euro sollenusätzlich für den Verfassungsschutz ausgegeben wer-en. Ich frage Sie: Wofür? Dafür, dass Sie sinnlose Dos-iers über die Linke anlegen, dafür, dass Sie die V-Leute,ie in der NPD arbeiten, nicht abziehen und dadurch einerbot nicht zum Erfolg gebracht werden kann? Sie ver-iteln dieses Verbotsverfahren im Grunde, wenn die-Leute weiter dort bleiben. Fragen Sie Ihre Innenminis-er, die wissen das auch.Genauso überflüssig sind die Mehrausgaben beimundeskriminalamt. Fast 25 Millionen Euro sind fürersonal und Technik vorgesehen, die man künftig fürnlinedurchsuchungen, Lauschangriffe, Videoüberwa-hungen und Wohnungsüberwachungen zu brauchenlaubt. Ich sagte es schon: Diese Angriffe auf die Grund-echte werden von uns entschieden abgelehnt.
Zum Schluss will ich noch ein Wort zu den Migran-innen und Migranten sagen: Auch hier haben wir immerieder kritisiert, dass die Gelder für sogenannte Inte-rationsmaßnahmen nicht ausreichen. Nach wie vorerden Menschen aus diesen Kursen ausgegrenzt, eserden nur die Neueinwanderinnen und Neueinwande-
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Ulla Jelpkerer berücksichtigt. Wir halten an unseren Forderungenfest und werden auch hierzu wieder einen Antrag ein-bringen. Ich kann nur sagen: Der Bundestag wird ganze7 Millionen Euro ausgeben, um im nächsten Jahr dasStaatsjubiläum der Verfassung zu feiern. Das feiert maneigentlich nicht mit einer Regierung, die Grundrechteabbaut. Deshalb kann ich Herrn Schäuble nur auffor-dern, endlich damit aufzuhören, damit man auch wirk-lich etwas zu feiern hat.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Wieland vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erin-nern uns:
Noch vor einem Jahr bat der Bundespräsident in seinemSommerinterview fast flehentlich darum, doch einmaleine Atempause bei den aus dem Hause Schäuble vorge-tragenen Vorschlägen einzulegen, die damals nur so pur-zelten: Flugzeuge abschießen, Kriegsrecht einführenusw. usf. Demgegenüber war es diesen Sommer relativruhig. Ich will nun nicht spekulieren, ob es die Ruhe vordem Sturm war, der jetzt im Herbst kommen wird.Ich stelle nur fest – ich bin selber etwas verwundertdarüber –, dass bei einem Komplex aus dem HauseSchäuble fast gar nichts kam. Ich hätte aber gerne mehrzu dieser Kette von Datenschutzpannen, Datenschutz-skandalen und zu der Bespitzelungsaffäre gehört. Ichnenne die Stichworte Lidl, Telekom, Callcenter. AlsKommentar zu all diesen Geschehnissen aus den letztenMonaten gebrauchte der Innenminister Worte, die ersonst scheut wie der Teufel das Weihwasser, nämlich:Die bestehenden Gesetze reichten aus, und man könnenicht alles verhindern. Da war ein Flächenbrand, und derfür die Löscharbeiten Zuständige erklärte sich zunächsteinmal für nicht berührt. Das hat sich nun geändert. Esgab einen Datenschutzgipfel. Ich habe heute das ersteMal Herrn Schäuble in seiner Eigenschaft als Daten-schützer hier reden hören. Ich sage frank und frei: ÜberSpätbekehrte freut man sich immer ganz besonders.Aber zu dieser Geschichtsklitterung, dass wir alle vonden Ereignissen überrascht worden wären, kann ich nursagen: Ach du meine Güte! Jahrelang wurde von meinerKollegin Stokar und von Frau Philipp im Innenausschussdanach gefragt, wo das Datenschutzaudit bleibt. Jahre-lang wurde gefragt, wo die generelle Überarbeitung desBundesdatenschutzgesetzes bleibt, und zwar in toto. DasDatenschutzrecht, das wir haben, stammt ja noch aus derKarteikartenzeit. Doch zu keinem Zeitpunkt hat dieGroße Koalition etwas unternommen. Hätte es diesenFlächenbrand nicht gegeben, hätten Sie das Thema ver-schlafen. Es wäre vertagt worden, es wäre nichts gesche-hbdShugDbisa–DWlAhAtesGntDwEhm„rgwemsrl4kanGsPz
Last, but not least muss man auch einmal sagen – auchie Kollegin Jelpke hat es schon gesagt –: Solange dertaat selber mit Vorratsdatenspeicherung, mit Computer-acking, mit biometrischen Identifikationspapieren hiernd da seine Datengier gegenüber dem Bürger und ge-enüber der Bürgerin zeigt, solange er selber der größteatenstaubsauger ist, kommt er aus der Rolle des Die-es, der ruft: „Haltet den Dieb!“, nicht heraus, so langest er nicht glaubwürdig gegenüber Industrie und Wirt-chaft und gibt selber ein schlechtes Beispiel. Das mussufhören.
Nein, genau so ist es. Sie sind der größte Datendealer.as ist das Problem, Herr Kollege Wiefelspütz. Dieirtschaft bekommt vom Staat schlechte Beispiele ge-iefert.Wir haben darüber gestern bei den Beratungen imusschuss zum BKA-Gesetz gesprochen. Die Gutachteraben ihre Bedenken dazu geäußert. Wir haben dasbkommen mit den USA über die Weitergabe von Da-en vorliegen. Es muss zwar noch ratifiziert werden, abers stellt sich schon die Frage, was da vereinbart werdenoll. Gemäß diesem Abkommen sollen sogar Daten wieewerkschaftszugehörigkeit oder sexuelle Vorliebenicht etwa nicht übermittelt werden, sondern dürfen un-er bestimmten Voraussetzungen übermittelt werden.as Schlimme ist doch, dass unsere Daten sozusageneltweit zum Floaten gebracht werden, dass es keinerleiinschränkungen gibt. Der Staat gibt hier – ich wieder-ole mich – ein ganz schlechtes Vorbild beim Umgangit Daten ab. Die Durchsetzung des GrundsatzesMeine Daten gehören mir“ ist bei dieser Bundesregie-ung also in ganz schlechten Händen.
Auch zur Integrationspolitik muss man leider eini-es Kritisches sagen. Auf dem Papier lesen sich Begriffeie Selbstverpflichtungen oder die im Integrationsplannthaltenen Lobeshymnen darauf, was das Bundesinnen-inisterium alles vorhat, immer sehr gut. Der Haushaltpiegelt das aber nicht wider. Für die Migrationserstbe-atung – wie gesagt, ein Grundpfeiler der Integrationspo-itik – werden keine Mittel bewilligt. In drei Jahren sind,4 Millionen Euro weggefallen. Auch dieses Jahrommt kein Ersatz dafür. Das Angebot wird schlichtusgehungert. Für Kurse für ausländische Frauen sindoch ganze 1,2 Millionen Euro im Haushalt übrig.
eld ist bei der Integration wirklich nicht alles; das wis-en wir. Allerdings kann es nicht sein, dass man in derhrase groß ist, aber klein in der Finanzierung. Das über-eugt nicht; aber das ist Ihre Politik.
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Wolfgang WielandOffenbar gilt das Motto: Wenn schon wenig Geld,dann wenigstens viele Fragen beim Einbürgerungstest.Mit diesem Test blamieren sich doch nicht die Kandida-tinnen und Kandidaten; mit diesem Test blamiert sich dieBundesregierung.
Wir haben beantragt, ihn vorher im Innenausschuss vor-zulegen. Da wurde gesagt: Das ist rein exekutives Han-deln; das geht euch nichts an. – Jetzt lacht die ganze Re-publik über Fragen, die falsch gestellt sind. KollegeEdathy hat sie alle aufgelistet, Fragen, die gar nicht be-antwortet werden können. Da sagt die Regierung: Dashaben Wissenschaftler von einem unabhängigen Institutgemacht; was haben wir damit zu tun? – So stiehlt siesich aus der Verantwortung. Dieser Test mag angemes-sen ridikül sein bei Beckmann, wenn man ein neuesSpiel kreiert: „Deutschland sucht den Superstaatsbür-ger“. Aber er ist doch gegenüber den Integrationswilli-gen ein völlig falsches Signal, ein weiteres Nichtwill-kommenssignal. Deswegen ist er schädlich.
Natürlich, Herr Kollege Brandt: Bei der Anhörungzum BKA-Gesetz hat wieder einmal jeder seine Sach-verständigen und seine Wirklichkeit gehört. Dennochliste ich noch einmal kurz auf, was hier im Argen ist.Nach wie vor nicht geklärt ist die Zusammenarbeit zwi-schen Ländern und Bund; sie agieren nebeneinander her.Das Benehmen ist zu wenig. Der Generalbundesanwaltist draußen vor der Tür. Das hätte der Kollege Schröder,der vorhin so schön zum Verhältnis von Staatsanwalt-schaft und Polizei geredet hat, sich einmal anhören sol-len. Der Generalbundesanwalt wird nicht einmal mehrinformiert. Dazu kommt, dass der Begriff des internatio-nalen Terrorismus nicht definiert ist, sodass wir befürch-ten müssen, dass selbst Globalisierungskritiker darunterfallen werden.
Es findet ein nachgerade unverschämter Angriff auf dieBerufsgeheimnisträger statt; selbst die besonders privile-gierten Gruppen, nämlich Seelsorger, Parlamentarier undStrafverteidiger, sollen auskunftspflichtig werden. Sosteht es noch in dem Entwurf. Das ist nicht richtigfalsch; vielmehr ist das, was ich hier schildere, leider dieRealität.Kurzum: Natürlich soll das geschehen, was der BKA-Präsident Ziercke hier immer abstreitet, nämlich dass eindeutsches FBI geschaffen wird, und zwar mit vollen ge-heimdienstlichen Zuständigkeiten. Dazu sagen wir nachwie vor: Das brauchen wir nicht, das wollen wir nicht,das ist schädlich für unseren Rechtsstaat.
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uf diese Weise wird die Trennung immer mehr ausge-öhlt. Sie stirbt nicht zentimeterweise; es geht leider vielchneller. Am Ende wird hier nur noch eine leere Hülsebrig bleiben.Wir erkennen an, Herr Kollege Edathy, dass Sie sichb und an bemühen, gegenzusteuern; Stichwort „Freiwil-igkeit“.
Sie bemühen sich, mitzuregieren.
as werden wir einmal in Ihr Zeugnis schreiben: Edathyat sich stets bemüht. Aber wir müssen hinzufügen: Esar selten erfolgreich. Denn die Innenpolitik wird maß-eblich von dem Mann bestimmt, der immer noch Mili-äreinsätze im Inneren will, der immer noch von der Ver-ischung der Grenze zwischen innerer und äußerericherheit redet, der in kriegsrechtlichen Kategorienenkt, der sich im asymmetrischen Krieg fühlt. Wennie, wie Tucholsky, fragen: „Wo bleibt das Positive?“:ür uns ist das Positive, dass wir die Hoffnung haben,ass dies der letzte Haushalt gewesen ist, den Wolfgangchäuble zu verantworten hat.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Luther
on der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Wieland, ich finde, Sie haben eine sehrnteressante Rede gehalten. Am Anfang Ihrer Rede kams mir allerdings so vor, als ob Sie es tief bedauerten,ass sich Herr Schäuble nicht zu den Dingen, zu denenr sich aus Ihrer Sicht am liebsten hätte äußern sollen,amit Sie dagegenhalten können, geäußert hat.
as hat mich schon ein bisschen gewundert.
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Dr. Michael LutherNun zum Bundeshaushalt. Herr Schäuble, Sie hattenes schon gesagt: Der Einzelplan umfasst 5,6 MilliardenEuro. Das sind 10,5 Prozent mehr als 2008. Wenn mandas oberflächlich betrachtet, dann hat man nicht das Ge-fühl, dass es sich hier um besondere Sparsamkeit han-delt. Aber ich denke, der Haushalt ist wohlbegründet.Ich will in meinem Redebeitrag im Einzelnen darauf ein-gehen.Es ist richtig: Der größte Zuwachs betrifft die Perso-nalkosten. Immerhin sind im Bundesministerium desInnern mit seinen einzelnen Behörden – auch das mussman einmal sagen – über 50 000 Personen beschäftigt,ungefähr 40 000 allein in der Bundespolizei. Daher ist esnatürlich nicht verwunderlich, wenn die Besoldungs-und Tarifsteigerungen gerade im Bundesinnenministe-rium zu einem höheren Ausgabenvolumen führen, wasnicht sehr einfach zu handhaben ist.Ich will an dieser Stelle nicht die Besoldungs- und Ta-rifsteigerungen kritisieren. Ich denke, sie sind richtigund die Verhandlungen sind zu Recht abgeschlossenworden. Aber als Haushälter muss man sich natürlichdamit befassen und auch damit, wie man das im Haus-halt im Einzelnen darstellen kann. Ein Teil der für dieTarifsteigerungen erforderlichen Mittel ist aus dem Ge-samthaushalt gekommen, ein Teil der Mittel konntedurch Auflösung einzelner Titel im Haushalt ausgegli-chen werden. Ein weiterer Teil, nämlich 40 MillionenEuro, findet sich leider als globale Minderausgabe wie-der. Sie werden verstehen, dass wir als Haushälter, diewir uns in den letzten Jahren bemüht haben, die hoheglobale Minderausgabe auf null zu befördern, um Haus-haltswahrheit und -klarheit zu erreichen, von dieser Ent-wicklung nicht allzu sehr begeistert sind. Wir werdenuns mit großer Sicherheit in den Haushaltsberatungenmit dieser Frage beschäftigen.Ein zweiter wichtiger Punkt ist – auch wenn das nachaußen vielleicht nicht sehr dramatisch klingt; es ist aberein für die Zukunft wichtiges Thema –, dass sich dasBundesinnenministerium vorbildlich darum bemüht hat,seine Immobilien der Bundesanstalt für Immobilienauf-gaben zu übergeben. Damit zahlt das Bundesinnenminis-terium Miete an den Bundesfinanzminister. Das Ganzeist zu Beginn haushaltsneutral. Aber wir versprechen unsnatürlich davon über die Zeit positive Effekte; denn dasMinisterium und die Behörden werden in Zukunft, wennsie ihre Haushalte aufstellen, darauf achten, ob sie Geldfür Immobilien benötigen oder nicht, und entsprechendsparsam mit den Mitteln umgehen. Ich denke, das ist einwichtiger Schritt und zeigt, dass wir als Große Koalitiones mit der sparsamen Haushaltsführung ernst nehmen.An dieser Stelle ist das BMI Vorreiter.
Dafür meinen herzlichen Dank.Der BOS-Digitalfunk kostet viel Geld. Wir sind hier– das darf man an dieser Stelle schon einmal sagen – imVergleich zu anderen Ländern eher Entwicklungsländer.Ich habe die Entwicklung seit Beginn dieser Legislatur-periode sehr intensiv verfolgt. Dank Herrn Schäuble undnicht zuletzt dank uns Haushältern ist es gelungen, dasse2dswghgHakHpmnDcpdbFnddhsnmÄtTiDBadFrbwBSWmmBgnwd
uss ich aber feststellen, dass die FDP vorschlägt, beimKA Mittel zu streichen. Das zeigt, dass das, was Sie sa-en, nicht glaubwürdig ist.Eine letzte Bemerkung: Die größte Freiwilligenorga-isation des Bundes ist das THW. Ich verspreche, dassir auch in diesem Jahr sehr darauf achten werden, dassiese Freiwilligen angemessen ausgestattet bleiben.
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Dr. Michael Luther
Sicherheit kostet Geld. Ich glaube, wir werden das be-antragte Geld brauchen. Im Rahmen der Haushaltsbera-tungen werden wir aber trotzdem jeden einzelnen Titelkritisch hinterleuchten und fragen, ob die Ausgabe wirk-lich notwendig ist. Ich wünsche uns eine gute Haushalts-beratung.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! In den haushalts- und sonstigen innenpolitischenDebatten haben wir immer wieder die FDP-Kernthesezur inneren Sicherheit vorgetragen. Wir meinen, ver-antwortungsvolle Politik für innere Sicherheit bedeutet:Man muss Defizite beim Vollzug der bestehenden Ge-setze beseitigen, aber nicht ständig unnötige Gesetzes-verschärfungen beschließen. Leider machen Sie oft dasGegenteil.
Ich darf dies anhand von einigen Beispielen belegen.Aus aktuellem Anlass kennen wir die Anzahl derPolizeiplanstellen in vielen Bundesländern, speziell inBayern, weil sie zurzeit in der Diskussion stehen. DieGewerkschaften haben errechnet, dass bei den Polizei-dienststellen in Bayern 1 100 Stellen abgebaut wurden.Im ganzen Bundesgebiet sind es seit dem 11. September2001 erstaunlicherweise 10 000 Planstellen. Dieser Vor-wurf trifft nicht Sie, Herr Bundesinnenminister. Es istaber bemerkenswert, dass dadurch beispielsweise inBayern viele Polizeidienststellen nur noch zu 75 Prozenteinsatzfähig sind.
Das wird nicht etwa nur von der Polizeigewerkschaftvorgetragen, sondern auch vom Arbeitskreis Polizei derCSU. Dazu sage ich: Herr Beckstein sitzt im Glashausund sollte nicht mit Steinen auf die FDP werfen, wenn esum die innere Sicherheit geht.
Das ist ein Beispiel dafür, dass man mit zu wenig Perso-nal Vollzugsdefizite nicht in den Griff bekommen kann.
Sie liefern aber hier im Bundestag gerade ein Beispielfür den zweiten Ansatz, was man gerade nicht machensshFhmWrGnmEztISdAeejntPcDhjbkdIolGwZnDl
enn Sie die Darlegungen von namhaften Verfassungs-echtlern von gestern ernst nehmen, dann dürfen Sie alsroße Koalition diesen missglückten Gesetzentwurf kei-esfalls im Oktober im Eiltempo hier durch das Parla-ent bringen. Gisela Piltz hat zu Recht gesagt: Dieserntwurf für ein verfassungswidriges BKA-Gesetz mussurückgezogen werden. Dann muss sorgfältig neu bera-en werden.
ch hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,ie haben einmal den Mut und das Rückgrat, dass Sieiese unsere Forderung erfüllen, wenn Sie schon dennspruch erheben, mitzuregieren, Herr Edathy.
Manchmal gibt es sowohl Vollzugsdefizite als auchin Gesetzgebungsdefizit. Das ist beim Datenschutzindeutig der Fall. Ein Vollzugsdefizit besteht, weil die-enigen, die über unsere Daten zu wachen haben, perso-ell total unterbesetzt sind. Das gilt für den Bundesda-enschutzbeauftragten. In Bayern sind es ganze sechsersonen, die den Datenschutz für einen so großen Flä-henstaat gewährleisten sollen.
as ist völlig unzureichend.Wir brauchen über eine bessere Personalausstattunginaus natürlich ein neues Datenschutzgesetz. Denn dasetzige stammt sozusagen aus der Postkutschenzeit. Wirrauchen eine Bewusstseinsänderung. Es muss wiederlar sein, dass der Schutz unserer Privatsphäre ein vor-ringliches Anliegen einer vernünftigen Innenpolitik ist.ch kann Ihnen folgenden Hinweis nicht ersparen. Wieft haben wir im Innenausschuss erlebt, wenn wir ver-angt haben, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte zuesetzesvorhaben von Ihnen sachverständig gehörtird, dass Sie gesagt haben: „Das ist überflüssig, das isteitverschwendung, und auf den hören wir sowiesoicht.“?
ie christliche Nächstenliebe verbietet es mir, mitzutei-en, wer vor allem diese Auffassung im Innenausschuss
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Dr. Max Stadlervertreten hat. Da müssen Sie Ihr Bewusstsein ändern, sowie sich in der Bevölkerung das Bewusstsein mehr inRichtung einer größeren Bedeutung des Datenschutzesentwickelt.
Ich komme zu dem Fazit: Da, wo Ihr Regierungshan-deln gefragt wäre, beispielsweise beim Datenschutz, ha-ben Sie jahrelang nichts gemacht. Das Gutachten ausdem Bundesinnenministerium hierzu aus dem Jahre2002 blieb völlig ohne Konsequenzen. Also, da, wo Siegefragt gewesen wären, haben Sie nichts gemacht. Da,wo Sie handeln, gehen Sie in die falsche Richtung undmachen immer mehr Einschnitte in die Grundrechte undBürgerrechte. Eine solche Politik tragen wir als FDPselbstverständlich nicht mit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gabriele Fograscher
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Herr Stadler, wir können gern den bayerischen Land-tagswahlkampf jetzt hier in den Berliner Bundestag le-gen.
In der Tat: Aus den Bundesländern und gerade aus Bay-ern kommen immer wieder Anforderungen im Bereichder Innenpolitik an den Bund. Sie sind wenig glaubwür-dig, wenn im Gegenzug eine völlig verfehlte Polizeire-form in Bayern und Einsparungen beim Personal bei derPolizei durchgeführt werden.
Der Einzelplan 06 hat einen Zuwachs; das ist jetztschon mehrfach erwähnt worden. Dass die Hälfte für dieTarif- und Besoldungserhöhungen ausgegeben wird,ist gut. Denn das zeigt, dass neben neuen Gesetzen,neuen Befugnissen, angepassten Instrumenten und mo-derner Ausstattung für die Sicherheitsbehörden vor allenDingen qualifiziertes und motiviertes Personal notwen-dig ist, um den Herausforderungen der Innenpolitik ge-recht zu werden.Trotz des Zuwachses beträgt der Anteil des Einzelpla-nes 06 am Gesamthaushalt gerade einmal 2 Prozent. Mitdiesen 2 Prozent muss man ein breites Aufgabenspek-trum abdecken. Es reicht von der inneren Sicherheit überdie Extremismusbekämpfung und den Datenschutz, denBevölkerungs- und Katastrophenschutz und die Integra-tion bis hin zum Sport. Der Haushaltsentwurf 2009 stehtin der Kontinuität der Vorjahre und folgt der Schwer-punktsetzung der rot-grünen Bundesregierung.6b22sdmtifi1tDhscubWwGnsmfetammabJsvut„mbrSVMlAgnz
Die Sicherheit wird aber nicht nur durch die Gefahrerroristischer Anschläge bedroht. Viele Menschen sinduch über die Zunahme rechtsextremistischer und extre-istischer Gewalt in unserem Land beunruhigt. De-onstrationen, angedrohte Immobilienkäufe, Musikver-nstaltungen und gewalttätige Übergriffe von rechtseunruhigen die Menschen in zunehmendem Maße. Imahre 2007 wurden 17 176 Straftaten mit extremisti-chem Hintergrund aus dem Bereich „Politisch moti-ierte Kriminalität – rechts“ begangen. Damit dürfen wirns nicht abfinden. Es ist gut, dass die Ansätze der Mit-el für die Bundeszentrale für politische Bildung und dasBündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extre-ismus und Gewalt“ fortgeschrieben werden. Dafür ha-en wir uns in den letzten Haushaltsberatungen erfolg-eich eingesetzt.
Die Förderung von Demokratie und Toleranz brauchttetigkeit und nachhaltige Finanzierungsgrundlagen.iele gute Projekte, in denen engagierte und kompetenteenschen hauptamtlich, in der Mehrzahl aber ehrenamt-ich arbeiten, stehen immer wieder vor dem finanziellenus. Gegenwärtig suchen wir zum Beispiel nach Lösun-en, wie wir das Aussteigerprogramm EXIT weiter fi-anzieren können. Könnte man hier verlässliche Finan-ierungsmöglichkeiten entwickeln, wäre das auch ein
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Gabriele FograscherBeitrag zu mehr innerer Sicherheit und zur Stärkung un-serer Demokratie. In diesem Zusammenhang muss auchdas Verbot weiterer rechtsextremer Vereine und Grup-pierungen, zum Beispiel der Heimattreuen DeutschenJugend, geprüft und gegebenenfalls ausgesprochen wer-den.
Was den Bevölkerungsschutz betrifft, wurden imHaushalt für die Ausstattung der Hilfsorganisationenund Feuerwehren rund 68 Millionen Euro bereitgestellt;das ist mit den Ländern vereinbart worden. Ich sichereden überwiegend ehrenamtlichen Helferinnen und Hel-fern zu, dass wir sie im Hinblick auf die Weigerung derLänder, eine verfassungsmäßige Grundlage für die Neu-ausrichtung des Bevölkerungsschutzes zu schaffen, nichtin Haftung nehmen werden.Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen ehren- undhauptamtlichen Helferinnen und Helfern der Hilfsorga-nisationen, der Feuerwehren und des THW für ihren un-ermüdlichen und oft gefahrvollen Einsatz im Interesseder Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger bedan-ken.
Zum Sport. Wir begrüßen, dass sich die Unterstüt-zung des Kampfes gegen das Doping wieder in denHaushaltszahlen abbildet. Die konsequente Bekämpfungdes Dopings ist für die Zukunft des Sports, sowohl desBreiten- als auch des Spitzensports, von grundsätzlicherBedeutung. Daran, dass der Zuschuss für Maßnahmenzur Dopingbekämpfung im vorliegenden Entwurf desBundeshaushalts abermals erhöht und das Stiftungskapi-tal der Nationalen Anti-Doping-Agentur wie im Vorjahraus Bundesmitteln um 1 Million Euro aufgestockt wer-den, wird deutlich, dass wir dieses Problemfeld als zen-trale Aufgabe der Sportpolitik erachten. Es bleibt zu hof-fen, dass alle anderen Partner – Sportorganisationen,Sponsoren und Medien – ihrer Verantwortung ebenfallsgerecht werden.Wir wollen uns in den parlamentarischen Beratungenfür eine Stärkung der sportwissenschaftlichen Forschung– nicht nur im Bereich der Dopingbekämpfung – einset-zen. Neue sportwissenschaftliche Erkenntnisse könneneinerseits zu einer sauberen Leistungsverbesserung bei-tragen und andererseits helfen, verbotene Maßnahmenzur Leistungssteigerung zu entdecken.Die Stiftung Deutsche Sporthilfe gehört zu den wich-tigsten Institutionen zur Förderung des Spitzensports inDeutschland. 98 Prozent der in Peking gestarteten Sport-lerinnen und Sportler waren irgendwann in ihrer Kar-riere auf die Sporthilfeförderung angewiesen. Deshalbist es wichtig, dass auch in diesem Jahr 1 Million Eurozur Unterstützung der Stiftung Deutsche Sporthilfe inden Einzelplan 06 eingestellt wird.Haushaltsrecht ist Parlamentsrecht. Deshalb wünscheich mir konstruktive Beratungen. Ich bin mir sicher, dasswnDwSMnwBtnhbBawLsdeduMugrDsdSssRfbdlrw
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau von der Fraktion
ie Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esurde schon erwähnt, dass Bundesinnenministerchäuble am 4. September Datenschützer und weitereinister zu einem Datenschutzgipfel geladen hatte. Da-ach gab es eine Pressekonferenz und ein bemerkens-ertes Bild. Bundesinnenminister Schäuble und derundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa-ionsfreiheit Schaar lobten sich wechselseitig – ein selte-es Bild. Ich gönne es Ihnen, Herr Bundesinnenminister.Dieses Bild täuscht aber über allzu viele Problemeinweg. Es ist richtig, dass der Gipfel Wichtiges verein-art hat, um die persönlichen Daten der Bürgerinnen undürger besser zu schützen. So dürfen ihre Daten ohneusdrückliche Zustimmung künftig nicht mehr gehandelterden. Dieser und weiteren Vereinbarungen wird dieinke im Bundestag natürlich zustimmen.Zudem wird die Linke ein Sonderprogramm Daten-chutz beantragen. Damit soll der Bereich des Bundes-atenschutzbeauftragten personell und technisch auf dasrforderliche Niveau gebracht werden;
enn man kann nicht verbal den Datenschutz stark redennd de facto den Datenschutzbeauftragten sowie seineitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwach halten.Zurück zum Gipfel. Dieser drehte sich ausnahmslosm die Privatwirtschaft. Ein ganz großer Datenstaubsau-er aber ist der Staat selbst. Ich erinnere nur an die Vor-atsdatenspeicherung aller Telekommunikationsdaten.agegen läuft eine Sammelklage beim Bundesverfas-ungsgericht. Ich wiederhole für die Linke: Die Vorrats-atenspeicherung muss weg.
Hinzu kommt, dass immer mehr sensible Daten vontaats wegen EU-weit gestreut oder in die USA ver-chickt werden, also ins Datenschutznirwana. Auch daspielte auf dem sogenannten Datenschutzgipfel keineolle. Bundesinnenminister Schäuble hatte schon vorherorsch behauptet, das Übel sei privat, der Staat sei sau-er. Das sieht die Linke ganz anders.Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: die Bundes-ruckerei. Bei der Bundesdruckerei häufen sich persön-iche Daten aller Bürgerinnen und Bürger, auch biomet-ische. Es ist also ein höchst sensibler Betrieb. Trotzdemurde die Bundesdruckerei im Jahr 2000 von der SPD
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Petra Pauund von den Grünen entgegen allen Mahnungen undProtesten privatisiert; auch ich war dagegen.Nun lese ich, dass die Bundesdruckerei aus Sicher-heitsgründen wieder verstaatlicht werden soll. Ich be-grüße das ausdrücklich. Ich frage aber zugleich: Wie un-sicher waren die Daten von 80 Millionen Bürgerinnenund Bürgern in den acht Jahren dazwischen? Auch die-ses Beispiel zeigt: Der Staat ist mitnichten sauber. Er istvielmehr ein Datenrisiko ersten Ranges.
Deshalb sage ich auch: Das schöne und seltene Bildvom Datenschutzgipfel war ein Trugbild. Es war keinGipfel, sondern es war bestenfalls ein Hügelchen; denndas weitergehende Problem harrt noch immer einer Lö-sung. Wir brauchen endlich ein Datenschutzrecht, dasdem 21. Jahrhundert gerecht wird. Davon sind wir nochmeilenweit entfernt.Der Kollege Wieland hat schon das Bild der Kartei-kartenzeit bemüht. Ich denke, nicht nur die Lösung die-ses Problems muss angegangen werden. Auch dieProbleme auf dem großen Feld des Arbeitnehmerdaten-schutzes harren längst einer Lösung. Ich höre aber, dassman im zuständigen Ministerium in dieser Legislaturpe-riode überhaupt nicht mehr tätig werden will.
Eigentlich müsste es doch alle Fraktionen des Bun-destages beschämen, dass das Bundesverfassungsgerichtdie Daten der Bürgerinnen und Bürger immer wieder ge-gen Regierungsgelüste schützen muss. Leider ist es aberso. Das ehrwürdige Bundesverfassungsgericht ist längstim Internetzeitalter angekommen, die Große Koalitionaber immer noch nicht.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kol-
legen! Nachdem der eine oder andere Kollege gemeint
hat, aufgrund des bayerischen Landtagswahlkampfs An-
merkungen zur dortigen Sicherheitslage machen zu müs-
sen, kann ich es mir als Münchener Abgeordneter und
früherer Kreisverwaltungsreferent nicht verkneifen, drei-
erlei dazu zu sagen
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Die höchste Aufklärungsquote ist immer noch in Bay-
rn zu verzeichnen, die niedrigste Kriminalitätsrate auf
00 000 Einwohner ist immer noch in Bayern zu ver-
eichnen, und denjenigen, die sich über den Stand der
lanstellen bei der bayerischen Polizei Sorgen machen,
ei gesagt, dass das bayerische Kabinett in der vergange-
en Woche beschlossen hat, 200 neue Stellen zu schaf-
en. So viel zu Bayern und zum Wahlkampf.
Meine Damen und Herren, auch diese Legislaturpe-
iode war und ist noch vom Kampf gegen den internatio-
alen Terrorismus geprägt. Deswegen haben wir bereits
m Jahre 2006 das Antiterrordateigesetz beschlossen.
Herr Kollege Uhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Benneter?
Nein, das bringt uns nicht weiter, Herr Kollege, beiller Liebe.
as führt zu einem Vergleich der Sicherheitslage in Ihrertadt Berlin mit der in München. Das bringt uns wirklichicht weiter.
Wir sprechen nach meiner Rede miteinander.Lassen Sie mich zum Thema Antiterrorkampf zu-ückkommen und, weil der Kollege Wieland hier ganzemerkenswerte Dinge gesagt hat, feststellen:
eit wir das Antiterrordateigesetz anwenden – im Zu-ammenhang mit diesem Gesetz haben Sie in Ihrer un-achahmlichen Art diffamierend von einem gemeinsa-en Aktenschrank der Nachrichtendienste und Polizeienesprochen –, wissen die Polizeien und Sicherheitsor-ane in Deutschland – des Bundes und der Länder – so-ie die Nachrichtendienste vom jeweils anderen, wasiese über terroristische Vorbereitungsmaßnahmen bzw.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. September 2008 18619
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Dr. Hans-Peter Uhl-handlungen wissen, weil alles auf einen Tisch gelegtwird.
Das heißt, wir haben aus dem 9/11 in Amerika ge-lernt, als man sehr viel wusste, dies aber nicht zusam-mengetragen hat, sodass auf diese Art und Weise der An-schlag nicht verhindert werden konnte.
Wir haben daraus gelernt, und Sie stellen sich hierhinund sagen, dass man es brandmarken muss, dass dieNachrichtendienste und die Polizeikräfte des Bundesund der Länder alles über Terroranschläge austauschen.Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, HerrWieland?
Wir wollen diese Zusammenarbeit.
Wenn Sie sie nicht wollen, dann machen Sie sich letzt-lich zum Schutzpatron des Terrorismus, Herr Wieland,ob Sie das wollen oder nicht.
Herr Kollege Uhl, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Montag?
Herr Montag, ja bitte.
Bitte schön.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege Uhl, für die bayerische
Solidarität.
Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, in diesem Hohen
Hause zur Kenntnis zu nehmen und zu bestätigen, dass
wir Grüne selbstverständlich zu keinem Zeitpunkt dage-
gen waren, dass die Sicherheitsbehörden – seien es die
Geheimdienste, sei es die Polizei – im Kampf gegen den
Terrorismus ihre Informationen austauschen. Wir waren
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Wir haben im Rahmen der Föderalismusreform dieerfassung geändert und festgelegt: Für den Fall einesrohenden Terroranschlags muss das Bundeskriminal-mt eine eigene Zuständigkeit bekommen. Das heißt,ir müssen die nachrichtendienstliche Tätigkeit verstär-en und das Bundeskriminalamt von dem, was vorberei-et wird, in Kenntnis setzen. Das Bundeskriminalamtuss eigene Zuständigkeiten bekommen.Herr Kollege Stadler, die gestrige Anhörung hat ausnserer Sicht ergeben, dass das Bundeskriminalamtge-etz in großen Zügen verfassungsgemäß ist.
atürlich haben Sie mit selektivem Wahrnehmungsver-ögen etwas anderes herausgehört als wir. Ich möchteur ein wörtliches Zitat eines Professors anführen; auchie haben Professoren angesprochen, aber nicht zitiert.rofessor Gusy – er wurde nicht von uns, sondern voner SPD-Fraktion vorgeschlagen – sagte:Der vorgelegte Entwurf enthält keine grundsätzli-che Verschiebung des Koordinatensystems vonFreiheit und Sicherheit zulasten der Freiheit.Das heißt, das Bundeskriminalamtgesetz ist imrunde in Ordnung. Deswegen werden wir es beschlie-en.
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Dr. Hans-Peter Uhl
Die Informations- und Wissensgesellschaft ist stärkerdenn je von der störungsfreien Funktion informa-tionstechnischer Systeme abhängig. Deswegen lassenSie mich auf ein Amt zu sprechen kommen, das nur un-ter Fachleuten bekannt ist: das Bundesamt für Sicher-heit in der Informationstechnik. Es lohnt sich, diesesAmt zu besuchen und sich mit dem zu befassen, wovores uns in diesem Staat schützt. Das Thema Internet– Schutz vor Missbrauch des Internets, Kampf gegen or-ganisierte Kriminalität – wird immer wichtiger. DiesesAmt führt zu Unrecht ein Schattendasein. Es ist gut, dasswir die Mittel für dieses Amt auf 64 Millionen Euro er-höht haben. Wir werden noch viel von ihm hören.Einige Bemerkungen zum Thema Datenschutz. DieFDP hat gefragt, wie man überhaupt als Unionspolitikerim Bereich der Sicherheitspolitik im Kreise der GroßenKoalition arbeiten könne. Herr Körper, wenn man es mitden Kollegen aus der Opposition vergleicht – mit dem,was von den Linken, den Grünen, zum Teil aber auchvon der FDP angesprochen wurde –, kann man sich imKreise der Großen Koalition wieder einigermaßen wohl-fühlen. – Das sollte ein Lob für Sie sein.
Die Datenmissbräuche des Sommers haben doch ei-nes gezeigt: 90 Prozent der Milliarden schutzwürdigerPersonendaten werden im privaten Sektor zwischenKonsumenten und Wirtschaft ausgetauscht. Das heißt,die Herausforderung stellt sich ganz anders dar, als wirbisher angenommen haben.
Es geht nicht in erster Linie um einen übermächtigenStaat, der den Bürgern Daten abnimmt und sie miss-bräuchlich verwendet. Es geht vielmehr auf der Ebenevon Bürger zu Bürger darum, dass der Bürger grob fahr-lässig seine Daten preisgibt, mit denen Wirtschaftsunter-nehmen und andere auf rechtswidrige Weise Geld ver-dienen. Um diese Herausforderung geht es, und diesemThema widmen wir uns.Ich bitte Sie, sich parteiübergreifend mit dem Daten-missbrauch zu befassen und sich dabei von der starrenVorstellung von Bürger und Staat zu verabschieden. Weilder Datenmissbrauch größtenteils von Bürger zu Bürgererfolgt – etwa 90 Prozent der Milliarden personenbezo-genen Daten entfallen auf diesen Bereich –, bitte ich Sie,sich diesem Thema stärker zu widmen.Ich möchte noch zwei Punkte ansprechen. Die Visa-warndatei wird kommen. Wir haben uns heute noch ein-mal auf die Einrichtung einer solchen Datei verständigt.Das ist gut; denn wir wollen zwar die grenzüberschrei-tende Mobilität fördern und den Reiseverkehr erleich-tmpnwmsefghniSnMrsedKrgrkgDwwslHmlIsgstIdt
ch nenne in diesem Zusammenhang das schon ange-prochene Gemeinsame-Dateien-Gesetz, mit dem wirerade nicht, wie behauptet wurde, die Grenzen zwi-chen den Zuständigkeiten der Polizeien und Nachrich-endienste verwischt haben.
ch nenne zum Beispiel den elektronischen Fingerab-ruck im Reisepass oder im Personalausweis. Bei Letz-erem haben wir durchgesetzt, dass dies nur auf Wunsch
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Sebastian Edathyerfolgt, und bei Ersterem gilt wie auch bei den neuenPersonalausweisen, dass die Merkmale nicht bei den Be-hörden gespeichert werden – dort haben sie nichts zu su-chen –, sondern ausschließlich auf den Dokumenten sel-ber, um im Live-Abgleich sicherzustellen, dass einerPerson, die einen Ausweis mit sich führt, dieser rechtmä-ßig gehört. Das ist ein Beitrag zu mehr Sicherheit ohneeine Einschränkung von Rechten der Bürgerinnen undBürger.
Dieses Bemühen, eine vernünftige Balance zu finden,wird auch bei der Beratung des BKA-Gesetzentwurfsim Innenausschuss und später im Plenum deutlich wer-den. Wenn wir die gestrige Sachverständigenanhörungernst nehmen, dann kommt ein bloßes Durchwinken desGesetzentwurfs nicht infrage.
Dann müssen wir noch einmal sehr genau in die Detailseinsteigen. Bei aller Polemik, derer sich die Oppositionin nicht ungewöhnlicher Weise befleißigt, kann es nurvöllig unstrittig sein, dass wir ein solches Gesetz brau-chen, um die Verfassungsänderung vor zwei Jahrenrechtlich umzusetzen.
Es gilt aber auch der Grundsatz, dass Kohle und Dia-manten aus demselben Stoff bestehen. Mit dem Gesetz-entwurf versuchen wir, aus einem Stück Kohle einen ge-schliffenen Diamanten zu machen. Unsere Aufgabe alsParlament besteht nicht darin, abzunicken, was vomBundeskabinett kommt, sondern die Änderungen vorzu-nehmen, die wir für notwendig und verantwortbar hal-ten. Das werden wir auch machen.
Wir leben – darauf sollte man gelegentlich hinweisen –nicht nur in einem der sichersten Länder dieses Planeten,sondern auch in einem der sozial intaktesten Länder.Zum Funktionieren unserer Gesellschaft gehören nichtnur das Gewährleisten der Freiheit – auch durch Sicher-heit –, sondern auch eine gute Integrationspolitik. Wirsind gut beraten, in den Haushaltsberatungen in denAusschüssen des Bundestages sehr genau darauf zu ach-ten, ob der Entwurf ausreichend ausgestaltet ist. Ich höreaus den Reihen der Bundesregierung, dass es für das lau-fende Jahr – weil die Integrations- und Sprachkurse sogut angenommen und zunehmend vernünftig ausgestal-tet werden – einen Nachtragshaushalt mit einem Volu-men von 14,6 Millionen Euro geben soll. Trotzdemhaben die Bundesregierung und insbesondere der Bun-desinnenminister im Haushaltsentwurf 2009 die alte,niedrige Summe eingestellt, obwohl generell betrachtetder Bedarf 2009 nicht geringer sein dürfte als 2008. Dasheißt, wir bräuchten in diesem Bereich eine Aufsto-ckung. Ich rate dazu, das auch zu machen, wenn wir dieIntegrationskurse weiter verbessern wollen. Wir solltenbei kleineren Kursen höhere Sätze zahlen, um motivier-tes und qualifiziertes Lehrpersonal zu bekommen.earMwgfdMctGdIsshwIdmBmddSAEslüDzssSWdsdrteBBuhksb
nvestitionen in Integration sind Investitionen in den Zu-ammenhalt und die Zukunftsfähigkeit unserer Gesell-chaft.Lassen Sie mich Folgendes am Rande anmerken – dasat im engeren Sinn nichts mit dem Haushalt zu tun,ohl aber viel mit Integration –: Wir müssen uns bei derntegration immer des Grundgedankens gewahr sein,ass es für eine Demokratie lebensnotwendig ist, dassöglichst alle, die dauerhaft in einem Land leben, alsürger auf Augenhöhe zusammenleben. Das heißt, wirüssen uns mehr Gedanken als in der Vergangenheitarüber machen, wie wir aus Staatsbewohnern ohneeutsche Staatsangehörigkeit Staatsbürgerinnen undtaatsbürger machen können. Das muss sich auch in derusgestaltung eines grundsätzlich begrüßenswerteningliederungstests niederschlagen. Wenn der Test abero ausgestaltet wird, dass er zum bloßen Auswendig-ernen einlädt und nicht dem Abfragen von Basiswissenber Geschichte, Kultur und demokratische Struktur ineutschland dient, dann setzt er Fehlanreize. Man kannwar sagen, dass Auswendiglernen etwas typisch Deut-ches sei. Das kann aber nicht Sinn eines solchen Testsein. Er darf nicht abschrecken, sondern sollte zumchritt der Einbürgerung in Deutschland ermuntern.
Ernsthaftigkeit ist auch beim Datenschutz gefordert.ir müssen darüber reden, ob eine Anhebung des Etatses Bundesdatenschutzbeauftragten um – man höre undtaune – 22 000 Euro ausreichend ist. Ich jedenfalls habearan erhebliche Zweifel. Wir müssen darüber diskutie-en, wie sich die Möglichkeiten des Datenschutzbeauf-ragten und seines Amtes verbessern lassen. Ich begrüßes als Vorsitzender des Innenausschusses sehr, dass derundesinnenminister die Initiative ergriffen hat, dasundesdatenschutzrecht auf den Prüfstand zu stellen,nd Vorschläge für seine Weiterentwicklung gemachtat. Wir dürfen diese Debatte aber nicht allein der Exe-utive und den Datenschutzbeauftragten überlassen,ondern müssen sie auch im Parlament führen. Wir ha-en gleich um 17.30 Uhr ein Gespräch der Parlamenta-
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Sebastian Edathyrier aus dem Innenausschuss zum Thema Datenschutz.Leider hat die Union gestern Nachmittag ihre Teilnahmeabgesagt.
Aber das wird sicherlich nicht das einzige Gesprächsein.Die Bürger erwarten zu Recht, dass wir, die Parla-mentarier, uns dieses Themas annehmen und nicht nurauf Vorschläge der Regierung warten, sondern selber Ini-tiativen ergreifen. Die Bürgerinnen und Bürger erwartenzu Recht den Staat nicht vor ihrer Nase, sondern an ihrerSeite, gerade wenn es um Bürgerrechte geht, zu denenzweifellos auch das Recht auf informationelle Selbstbe-stimmung gehört.Ich freue mich auf spannende Beratungen in den Aus-schüssen und auf gute Resultate.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegennicht vor.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-scher Streitkräfte an der United Nations Inte-rim Force in Lebanon auf Grundlageder Resolutionen 1701 und 1832 (2008)des Sicherheitsrates der Vereinten Nationenvom 11. August 2006 bzw. 27. August 2008– Drucksache 16/10207 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss gemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-derspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dasso beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierdas Wort.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren Abgeordneten! Sie erinnern sich wie ich an denunruhigen Sommer 2006, als Menschen im Nahen Ostenin den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Is-rael und der Hisbollah starben und als wir Wochen, amEWHßdszusfscwgftüawgwznOhdutZslVgtwgwLuuspnsa
Zwei Ziele haben wir von Anfang an verfolgt. Erstesiel war die Unterbindung des Waffenschmuggels; dasagte ich bereits. Zweitens galt es, bilaterale Hilfe zueisten und den Libanon nach und nach zu befähigen, dieerantwortung für die seeseitige Sicherung der Landes-renzen zu übernehmen. Inzwischen konnte das Küs-enradarsystem etabliert, Personal dafür ausgebildeterden. Das ist ein ganz wichtiger Schritt – der Verteidi-ungsminister wird das, denke ich, gleich bestätigen –,eil der Libanon damit zum ersten Mal über ein eigenesagebild von der Küste vor dem Libanon verfügt. Wirnterstützen damit den Libanon bei der Verbesserungnd Etablierung eines eigenen Grenzschutzes zur See-eite hin.Wir tun das Gleiche mithilfe von Zoll und Bundes-olizei in einem Projekt an der Grenze zwischen Liba-on und Syrien. Ohne Bundespolizei und Zoll wäre die-es Projekt nicht gelungen. Herzlichen Dank also auchn Zoll und Bundespolizei.
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Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierDie innenpolitische Lage im Libanon hier in wenigenMinuten zu umschreiben, ist nicht ganz einfach. Sie istnach wie vor hoch komplex. Aber wir haben in der letz-ten Zeit doch einige hoffnungsvolle Zeichen gesehen.Mit der Wahl des Präsidenten Suleiman ist einiges inGang gekommen, was in der Tat Hoffnung macht. Esgibt eine neue Regierung, und die Verfassungsinstitutio-nen werden wieder handlungsfähig. Heute, am 16. Sep-tember, beginnt der im Kompromiss von Doha verein-barte Nationale Dialog, in dem die Rolle der Hisbollahthematisiert wird und in dem gleichzeitig das Gewaltmo-nopol des Staates zwischen den unterschiedlichen politi-schen Kräften im Libanon definiert werden soll. Wirkönnen nur hoffen, dass das gelingt.Da ich bei der Situation im Libanon bin, ein Wortzum regionalen Kontext, in dem diese vorsichtige Stabi-lisierung im Libanon stattfindet. Wir haben auch gese-hen, dass es einige konstruktive Signale in den letztenMonaten von Syrien aus in Richtung Libanon gab. Wirwollen nicht zu früh jubeln, aber nach den letzten Ge-sprächen, die stattgefunden haben, rücken jetzt doch dieEröffnung diplomatischer Beziehungen und der Aus-tausch von Botschaftern zwischen Libanon und Syrien ingreifbare Nähe. Zu diesen hoffnungsvollen Anzeichengehört auch, dass immerhin indirekte Gespräche zwi-schen Syrien und Israel stattgefunden haben – wie Siewissen, auf türkische Vermittlung hin.Auch wenn es diese positiven Anzeichen gibt – damitkomme ich zum Schluss –, bleibt die UNIFIL-Missiondennoch von entscheidender Bedeutung. Das ist nicht al-lein unsere Sicht der Dinge, sondern Sie haben gesehen,dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Man-dat um ein weiteres Jahr verlängert hat. Die Missionbleibt unentbehrlich, aber auch die deutsche Beteiligungdaran. Das erwarten auch die Menschen in der Region,insbesondere die im Libanon. Deshalb darf ich Sie ganzherzlich um die Zustimmung zu dem vorliegenden An-trag der Bundesregierung bitten. Ich weise zusätzlichdarauf hin, dass das Mandat bis zum 15. Dezembernächsten Jahres befristet ist, um dann dem neuen Bun-destag die Möglichkeit zu geben, über die Zukunft unse-res Engagements in der Region und bei UNIFIL zu dis-kutieren.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Elke Hoff von der FDP-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Herr Minister Steinmeier, ich bin sehr dankbar, dass Siedarauf hingewiesen haben, wie schwierig es ist, in fünfMinuten die sehr komplexe Lage im Libanon zu erör-tern. Insofern teilen wir beide heute das gleiche Schick-sgwsbtwUadlwwBDUWvfosSddnddlcwarrHLrsltRlvg
Auch bin ich froh, dass Sie noch einmal darauf hinge-iesen haben, wie schwierig die Entscheidungsfindungeinerzeit war, als das UNIFIL-Mandat auf den Weg ge-racht worden ist. Ich denke, dass auch die FDP-Frak-ion respektable Gründe dafür vorgetragen hat, warumir seinerzeit einer Beteiligung der Bundeswehr anNIFIL nicht haben zustimmen können. Ich möchteuch jetzt darauf hinweisen, dass sich unsere Haltung iner Frage nicht geändert hat.
Die FDP hat den letzten beiden Anträgen auf Ertei-ung eines Mandats mehrheitlich nicht zugestimmt, weilir der Auffassung waren, dass ein Einsatz der Bundes-ehr ohne einen umfassenden politischen Prozess untereteiligung aller Konfliktparteien wenig Sinn ergibt.ie deutsche Marine hatte durch Mandatierung vonNIFIL darüber hinaus einen Auftrag erhalten, dessenirksamkeit zu Beginn durch eine Reihe von restrikti-en Rahmenbedingungen begrenzt war. Die Einsatzbe-ugnisse hingen und hängen weitestgehend von der Ko-perationsbereitschaft der libanesischen Regierung ab.Trotz unserer Ablehnung des Bundeswehreinsatzeselbst möchten wir genauso wie Herr Ministerteinmeier den Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten anieser Stelle unseren Dank dafür aussprechen, dass sieiese Aufgabe selbstverständlich in einer sehr professio-ellen und sehr engagierten Art erledigt haben.
Die innenpolitische Situation im Libanon macht es je-och weiterhin nahezu unmöglich, die Resolution 1701er Vereinten Nationen tatsächlich mit Leben zu erfül-en. Trotz der militärischen Präsenz sind die wesentli-hen Ziele der VN-Resolution in keiner Weise erreichtorden; denn alleine die Beendigung der Seeblockadels eine Dauerrechtfertigung des Einsatzes zu proklamie-en, genügt nach unserer Auffassung nicht.In welchem Umfang hat denn die libanesische Regie-ung bisher tatsächlich dafür sorgen können, dass dieisbollah entwaffnet wird? Sie ist bis heute nicht in derage dazu, weil ihr die notwendigen und die funktionie-enden Machtmittel fehlen. Die Hisbollah hat sich insbe-ondere in den libanesischen Schiitenregionen als sozia-er und gesellschaftlicher Faktor etabliert und betreibtrotz Anwesenheit von UNIFIL ein effektives politischesegime eben auch in Fragen der Sicherheit. Da sich dieandseitige Grenzsicherung bis heute nicht wesentlicherbessert hat, findet nach wie vor Waffenschmuggel inroßem Umfang statt.
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Elke HoffEs sollte uns wirklich zu denken geben, wenn sich dieHisbollah heute damit brüstet, dass sie über mehr undbessere Waffen und Ausrüstung verfügt, als es im Kriegim Sommer 2006 der Fall war.Die innenpolitische Lage im Libanon hat sich nur ge-ringfügig stabilisiert. Die Lage an der Blauen Linie istweiterhin angespannt. Die Besetzung des GrenzdorfesGhajjar und der Schabaa-Farm durch Israel bestehenweiter. Auf der anderen Seite finden weiterhin in großemUmfang Überflüge der israelischen Luftwaffe über liba-nesischem Territorium statt. Selbst UN-GeneralsekretärBan Ki-moon spricht von einem Rekord von Überflug-aktivitäten. Solange der massive Waffenschmuggel überdie syrisch-libanesische Grenze und die Aufrüstung derHisbollah kein Ende finden, wird die internationale Ge-meinschaft Israel von diesen Überflügen auch nur sehrschwer abhalten können.Auch der Umstand, dass die israelische RegierungUNIFIL angewiesen hat, abgeschossene israelische Pilo-ten nicht, wie in den Verfahrensregeln von Resolution1701 vorgesehen, an die libanesische Armee, sondern andie israelische Seite zu übergeben, zeigt, wie angespanntdie Situation zwischen den Konfliktparteien nach wievor ist. Daher sind die Vorbehalte, die die FDP-Bundes-tagsfraktion gegenüber dem UNIFIL-Einsatz bereits inden letzten beiden Jahren geäußert hat, nicht ausge-räumt. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dassdiplomatische Bemühungen in Nahost ein geeignetererdeutscher Beitrag wären als eine militärische Präsenz.
Daher begrüßen wir ausdrücklich die internationalen Be-mühungen auf diplomatischer Ebene, die zu einer Annä-herung zwischen Syrien und dem Libanon, aber auchzwischen Israel und Syrien geführt haben. Wir hoffensehr, dass Deutschland innerhalb dieser diplomatischenVerhandlungen in der Zukunft eine größere Rolle als bis-her spielen wird und die Verhandlungsergebnisse dannauch wirklich Bestand haben werden.Einen ersten Schritt zum Ausstieg aus der UNIFIL-Mission hat die Bundesregierung mit der Absenkung despersonellen und finanziellen Ansatzes bereits getan. Icherlaube mir, auch an dieser Stelle die Frage zu stellen, obwir im nächsten Jahr hier tatsächlich noch einmal übereine weitere Verlängerung des UNIFIL-Mandates bera-ten werden. Die libanesische Regierung muss mit Nach-druck in die Lage versetzt werden – das hat auch der Mi-nister mit Recht vorgetragen –, selbst die eigene Küsteund die territorialen Gewässer zu überwachen. Deshalbsind die Maßnahmen, die Deutschland im Rahmen derAusbildungs- und Ausrüstungsunterstützung der libane-sischen Marine leistet, sinnvoll und notwendig.Wir sind trotzdem der Auffassung, dass es auch durchmassive Forderungen der Bundesregierung dazu kom-men muss, eine weitere Nahostkonferenz in dieser sen-siblen Region durchzuführen, je eher, desto besser. HerrMinister, ich hoffe, dass in Ihrem Hause die entsprechen-den Anstrengungen unternommen werden. Denn besserals jegliche militärische Dauerpräsenz vor Ort ist es, zuzeigen, dass die internationale Gemeinschaft nicht nurepKsdeiJgHddNHaSkwMnwfsdMdaOEgIdwwgvBz
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-ung:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Bundesregierung bittet den Deutschen Bun-estag um Zustimmung zur Verlängerung der Teilnahmeer Bundeswehr an der UNIFIL-Mission der Vereintenationen vor der Küste des Libanon. Frau Kolleginoff, ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie es war,ls wir am Beginn der Debatte standen. Der Kollegeteinmeier hat gerade darauf hingewiesen, was alles anritischen Punkten, was an Bedenken dort vorgetragenorden ist. Wenn wir heute sehen, wie erfolgreich dieseission durchgeführt worden ist, dann, finde ich, kön-en wir unseren Soldatinnen und Soldaten für die Ge-ährleistung der Seesicherheit und entscheidend auchür die Umsetzung des Waffenstillstands nur dankbarein. Ich würde mir wünschen, Frau Kollegin Hoff, dassie FDP heute die Kraft hätte, das einzusehen und demandat zuzustimmen.
Wir haben zu Beginn dieses Einsatzes die Führunger Maritime Task Force übernommen. Ich bitte Sie, sichn die kriegerischen Auseinandersetzungen zu erinnern.hne die Resolution der Vereinten Nationen, ohne deninsatz von UNIFIL hätten die Waffen nicht geschwie-en.
ch kann deshalb nicht davon reden, dass man zunächstie diplomatischen Bemühungen fortsetzen musste. Icherde diplomatisch nur dann einen Erfolg erreichen,enn ich vorher gewährleiste, dass die Waffen schwei-en. Das war die Grundvoraussetzung für den Einsatzon UNIFIL. Das ist ein sehr erfolgreicher Einsatz derundeswehr.
Wir hatten und haben den Auftrag, Seesicherheit her-ustellen. Die Zahlen muss man sich in Ruhe noch ein-
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Bundesminister Dr. Franz Josef Jungmal vergegenwärtigen – Kollege Steinmeier hat es auchangesprochen –: Es sind 18 324 Schiffe – so die exakteZahl – abgefragt worden.
Es sind fast 160 Schiffe in die Häfen gebracht und ent-sprechend durchsucht worden. Meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen, liebe Frau Hoff, der Waffen-schmuggel über See ist unterbunden worden.
Wir können deutlich sagen, dass keine Waffen über Seegeschmuggelt werden. Das ist auch ein Punkt, der letzt-lich Seesicherheit gewährleistet. Das war unser Auftrag,und diesen Auftrag haben wir, wie ich finde, in hervorra-gender Art und Weise erfüllt.
Es gab natürlich einen zweiten Aspekt. Die israeli-sche Seeblockade ist aufgehoben worden. Dass sie auf-gehoben worden ist, hat auch etwas mit einer Perspek-tive im Hinblick auf die Souveränität des Libanon zutun. Auch das gehört zu dem Thema.In Israel hat damals eine Befragung dazu stattgefun-den, ob die Bundeswehr zum ersten Mal bei einem sol-chen Einsatz mitwirken soll. 73 Prozent der israelischenBevölkerung haben gesagt, dass sie den Einsatz der Bun-deswehr im Rahmen eines solchen Mandats befürwor-ten. Das zeigt aus meiner Sicht, welches Vertrauen dieBundeswehr im Hinblick auf solche friedenserhaltendenEinsätze in der Welt mittlerweile erworben hat.
Sowohl Israel als auch der Libanon schätzen unserenEinsatz. Das ist mit eine Voraussetzung dafür, dass eseine Perspektive gibt, auch und gerade für diplomatischeBemühungen, um im Nahen Osten zu einer friedlichenEntwicklung zu kommen.Derzeit sind konkret zwei Minensuchboote und einVersorgungsschiff im Einsatz. Der Sicherheitsrat derVereinten Nationen hat, wie Sie wissen, das Mandat ver-längert. Es stellt sich die Frage, wie wir weiterhin daranmitwirken, dass die Souveränität des Libanon gestärktwird und der Libanon auch in die Lage versetzt wird,selbst für die Sicherheit, gerade im Bereich der Küsten,zu sorgen.Dazu gehört, dass wir dort sechs Küstenradarstatio-nen aufgebaut haben. Dazu gehört, dass wir dem Liba-non drei Boote überlassen haben, die auch in der Lagesind, dort entsprechende Einsätze zu fahren, und dasswir in der Ausbildung Fortschritte erzielt haben. Ichhatte Gelegenheit, mich mit dem heutigen Präsidenten– damals war er noch Generalstabschef – davon zu über-zeugen, in welcher Art und Weise die Ausbildung dorterfolgt. Ich denke, dass wir dabei einen entscheidendenSchritt nach vorn gekommen sind. Der Libanon ist zwi-schenzeitlich in der Lage, beispielsweise Seenotrettungdurchzuführen. Er ist in der Lage, teilweise Überwa-cDlwnudIdumgef2AmrESlFBFsgMhuewliwMwawbDisüs
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Auch Syrien wird sehen, dass es sich lohnt. Wenn Syrienwieder abgestraft wird, wenn sich bezüglich der Frageder Golanhöhen nichts verändert und Syrien nicht weiterin den Friedensprozess einbezogen wird, wird es keineStabilisierung geben. Ich benutze nun ein Argument, dasauch schon Kollegin Hoff benutzt hat: Letztlich mussder politische Prozess im Nahen Osten im Zentrum ste-hbgedvzkDfLhdltASddkwsdshvbHdbznIesgdz
Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Nachtwei
on Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorwei Jahren beschloss der UN-Sicherheitsrat die Stär-ung der schon bestehenden Libanon-Mission UNIFIL.ieses war damals unbedingt notwendig, um den Waf-enstillstand abzusichern und die israelische See- unduftblockade aufzuheben. Damals gab es – daran wurdeeute auch schon von einigen erinnert – erhebliche Be-enken. Heute können wir feststellen – das hat sich imetzten Jahr schon angebahnt –:Erstens. Die Libanon-Mission UNIFIL hat ihren Auf-rag der Waffenstillstandsabsicherung voll erfüllt.
uf der Seeseite hat sie ebenfalls ihren Auftrag erfüllt:eit einiger Zeit können wieder Seeverkehr und Seehan-el wie vor dem Krieg stattfinden. Die Bedenken, die esamals gegeben hat, haben sich nicht bewahrheitet; dasann man überprüfen. Deutschland hat sich nämlich sehrohl als neutraler Beteiligter dieser UN-Mission erwie-en. Die Reaktionen von allen Konfliktparteien belegenas eindeutig.Zweitens. Provokative Überflüge seitens der israeli-chen Luftwaffe, die es anfangs immer wieder gegebenat, sind seit vorigem Jahr auf der Seeseite nicht mehrorgekommen. Die entsprechenden Waffenstillstands-rüche auf Landseite gibt es allerdings weiterhin.Drittens. Die Einsatzregeln, mit denen sich Kolleginomburger damals ja sehr intensiv vom Feldherrnhügeles Parlaments aus beschäftigt hat, haben sich eindeutigewährt. Sie waren richtig für den Ansatz der Unterstüt-ung, den wir verfolgten. Es handelte sich ja nicht um ei-en Protektoratseinsatz.
Viertens. Bezüglich der Befürchtungen in Richtungran, die auch bei uns im Hintergrund standen, kann manindeutig festhalten: Es gab keinen militärischen Flanken-chutz für irgendwelche Drohgebärden oder Aufmärscheegen den Iran. Im Gegenteil: Wir können feststellen,ass im Laufe dieser zwei Jahre eine schrittweise Redu-ierung unseres Marinekontingentes möglich wurde.
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Winfried NachtweiZugleich ist die zweite Aufgabe, die in der Öffentlich-keit kaum wahrgenommen wird, nämlich die Ausbil-dungs- und Ausrüstungshilfe, um die Libanesen selbst indie Lage zu versetzen, ihre Territorialgewässer zu schüt-zen, sehr gut gelaufen. Diese Aufgabe spielte für unsereMarineeinheiten bei der UNIFIL-Mission eine so großeRolle wie bei noch keinem anderen Einsatz bisher. Dasheißt, solche Maßnahmen haben dazu beigetragen, dasses hier tatsächlich eine reale Exit-Perspektive gibt.
Die UNIFIL-Beteiligung ist notwendig, verantwort-bar und erfolgreich, aber selbstverständlich nicht hinrei-chend zur Stärkung des gesamten Friedensprozesses undselbstverständlich auch nicht hinreichend zur komplettenAbsicherung des Waffenstillstandes. Dazu würde gehö-ren, den Waffenschmuggel ganz unter Kontrolle zubekommen. Die Bundesregierung hat hierbei vor zweiJahren eine wichtige Aufgabe übernommen, indem sieverantwortlich beim Grenzmanagement mitwirkt. Leidermuss ich in der FAZ vom 5. Juni dieses Jahres lesen, dasses mit diesem Ansatz vor Ort äußerst trübe aussieht unddass dieser wichtige Anteil vom Scheitern bedroht ist.Mich erinnert das sehr an die europäische Polizeimissionin Kabul.
Hier, meine Herren Minister – da ist natürlich der Au-ßenminister gefragt oder vielleicht einmal der Innen-minister –, wären von Ihnen klare Worte zu der jetzigenSituation gefragt und dazu, wie man aus dem Schlamas-sel herauskommen will.Ich habe sehr deutlich in Erinnerung, dass die FDPund die Linke sehr für die Stärkung der Vereinten Natio-nen sind; die anderen Fraktionen auch, aber Sie habendas immer betont.
Vor dem Hintergrund kann ich nicht verstehen, wie Sieeiner deutschen Beteiligung an einer von den VereintenNationen geführten Mission mit einer sehr bunten Zu-sammensetzung – Chinesen sind dabei, Indonesier usw. –die rote Karte zeigen können,
wo doch diese Mission für das weitere Einhalten desWaffenstillstandes offenkundig dringend notwendig,verantwortbar und erfolgreich ist. Das haben Sie übri-gens in Ihren Reden heute in keiner Weise zeigen kön-nen.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich das Wort dem Kollegen Niels Annen von der
SPD-Fraktion.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube,ass es sich in der Tat lohnt, einmal zurückzuschauennd sich zu erinnern, wo wir vor zwölf Monaten standen.einerzeit ist gesagt worden, dass sich die schwierige in-enpolitische Konstellation nicht aufgelöst hat – das istier aber auch gar nicht die These gewesen – und dassich die unterschiedlichen politischen Parteien, Fraktio-en, Sekten, Kräfte nicht einmal auf einen einigermaßenonsensualen Prozess einigen konnten, um einen libane-ischen Präsidenten zu nominieren.Das hat sich inzwischen glücklicherweise anders dar-estellt. Wenn wir uns daran erinnern, wie viele Opferir zu beklagen hatten, sowohl auf israelischer als auchuf libanesischer Seite, dann, finde ich, gibt es ein relativimples, aber überzeugendes Argument dafür, dass dieamalige Entscheidung des Deutschen Bundestages,em Antrag der Bundesregierung zuzustimmen, richtigewesen ist: Wir konnten fundamental dazu beitragen,ass der Waffenstillstand zustande kam und dass er biseute hält.Ich bin wenige Tage nach dem Waffenstillstand ineirut gewesen und durch die zerstörten Stadtviertel ge-angen.
ch glaube, dass es sich allemal gelohnt hat, die in derat schwierige Entscheidung zu treffen, deutsche Trup-en in eine solche Region zu entsenden. Wir sollten denoldatinnen und Soldaten dankbar sein für den Beitrag,en sie an dieser Stelle geleistet haben und immer nocheisten.
Ein Zweites ist doch richtig, Herr Kollege Gehrcke:ir haben hier niemals gesagt, dass wir allein mit militä-ischen Mitteln in der Lage sein könnten, zu einer dauer-aften Konfliktlösung beizutragen. Ich habe viele Reden
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Niels Annenvon Vertretern Ihrer Fraktion im Kopf, die immer gesagthaben: Mit Militär allein kann man keine Probleme lö-sen. – Jetzt sage ich Ihnen: Das ist doch nun wirklich dasParadebeispiel dafür, dass wir versucht haben, mit unter-schiedlichen Instrumenten, vor allem mit dem Instru-ment der Diplomatie und auch mit dem Instrument desMilitärs sowie – das sage ich an dieser Stelle mit einemDank – mit dem Instrument, das das Bundesministeriumfür wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung andieser Stelle beigesteuert hat, dazu beizutragen, dass esheute sogar eine Anbahnung zwischen Syrien und demLibanon gibt, dass wir kurz vor der Aufnahme diploma-tischer Beziehungen stehen und dass es auch einen Dia-log gibt, in dem das schwierige Land Syrien eine Rollespielt. Denken Sie einmal an die Mittelmeerkonferenz,wo Herr Sarkozy nicht zuletzt von der schwierigen undmühsamen Arbeit im Hintergrund profitiert hat, die derBundesaußenminister in den zurückliegenden zwölf Mo-naten geleistet hat.
Meine Damen und Herren, was wir angesichts derLage im Libanon und der regionalen Situation brauchen,sind Zeit und Raum für den weiterhin notwendigen poli-tischen Prozess. Ich bin ganz optimistisch, dass wir die-sen Einsatz im nächsten Jahr möglicherweise nicht ver-längern müssen. Aber welchen Sinn macht denn jetzteine Festlegung angesichts dessen, dass wir gar nichtwissen, ob die Stabilität, die wir mühsam erreichenkonnten, angesichts der vielen Ungewissheiten undschwierigen Herausforderungen in der Region überhaupthält?Ich bitte Sie, dem Antrag der Bundesregierung, diesesEngagement fortzusetzen, heute stattzugeben. Ichglaube, wir alle können uns sicher sein, dass die Bundes-regierung mit dem Außenminister, dem Verteidigungs-minister und den Kräften, die in der Region gewirkt ha-ben und wirken, zu dieser Stabilisierung beiträgt. Dassdas nicht immer eine große Showveranstaltung seinmuss, wie das der eine oder andere auf der europäischenBühne in den letzten Monaten ein wenig hat anklingenlassen, und dass wir uns der mühsamen Arbeit stellen,das ist, glaube ich, deutlich geworden. Diese Aufgabe istaller Mühe wert.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 16/10207 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungso beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:a) Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-scher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Ope-AFiWAHuessiSskanbbUmi
Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streit-kräfte an der Friedensmission der VereintenNationen im Sudan auf Grundlageder Resolution 1590 des Sicherheitsra-tes der Vereinten Nationen vom 24. März 2005und weiterer Mandatsverlängerungen durchden Sicherheitsrat der Vereinten Nationen– Drucksache 16/10104 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache wiederum eine halbe Stunde vorgesehen.indet das Ihr Einverständnis? – Das ist der Fall. Dannst das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile wiederum dasort dem Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desuswärtigen:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren Abgeordneten! Die humanitäre Lage in Darfur istnverändert dramatisch. Seit Beginn der bewaffneten Aus-inandersetzungen 2003 sind mindestens 200 000 Men-chen ums Leben gekommen. 2,2 Millionen Menschenind auf der Flucht; mindestens 200 000 von ihnen sindm Tschad.Sie wissen, trotz vielfältiger Bemühungen von vieleneiten konnten die Kämpfe nicht beendet werden. Ab-prachen werden, soweit sie überhaupt getroffen werdenonnten, von allen Seiten gebrochen. Dabei wissen wirlle: Eine politische Lösung ist unabdingbar. Die suda-esische Regierung wie die Rebellenorganisationen blei-en natürlich dringlichst aufgerufen, die Gewalt zueenden und zum Verhandlungstisch zurückzukehren.nsere Unterstützung gilt den neuen Verhandlungsbe-ühungen des AU-Sondergesandten Bassolé, der geraden diesen Tagen in der Region unterwegs ist.
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Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierNach all dem bleiben diese Friedensbemühungen unddie Unterstützung durch UNAMID weiterhin erforder-lich – durch Stabilisierung der Lage vor Ort, wo immerdas geht, und, wo nötig, durch den Schutz von Zivilistenund humanitären Helfern. UNAMID bleibt – Sie wissendas – auf die Unterstützung von Staaten angewiesen. Ge-genwärtig verfügt die UNAMID-Mission über 10 000 voninsgesamt vorgesehenen 26 000 Soldaten, die ganz über-wiegend von afrikanischen Staaten gestellt werden sol-len. Wir engagieren uns von deutscher Seite aus mit Sol-datinnen und Soldaten durchaus in Schlüsselfunktionen,etwa in der Transportunterstützung. Wir haben strategi-schen Lufttransport angeboten. Das begründet auch dieGrößenordnung des Mandates. Wenn angefordert, müs-sen wir kurzzeitig hochfahren. Deshalb benötigen wirein Mandat in der Größenordnung von 250 Soldatinnenund Soldaten.Da der frühere Generalsekretär der Vereinten Natio-nen am vergangenen Freitag und Samstag in Berlin warund auf der Botschafterkonferenz gesprochen hat, willich es nicht versäumen, hinzuzufügen, dass wir jenseitsder Beteiligung an der Mission auch Ausbildungsaufga-ben im Kofi-Annan-International-Peacekeeping-Training-Center in Accra/Ghana übernehmen. Wir sind gerade da-bei, ein senegalesisches Polizeikontingent für den Ein-satz im Sudan auszustatten.Wir sind auch mit humanitärer Hilfe präsent; Siewissen das. Dieses Jahr haben wir humanitäre Hilfsmaß-nahmen in der Konfliktregion mit über 9,5 Mil-lionen Euro unterstützt. Darfur und der Tschad sind diewichtigsten Zielregionen unseres humanitären Engage-ments in Afrika und werden es, soweit ich das sehe, fürgeraume Zeit auch bleiben.Wir sehen zwar nicht täglich Bilder von der humani-tären Katastrophe im Südsudan, dennoch wissen wir,dass auch dort die Lage alles andere als stabil ist. Wirmussten auch in diesem Jahr deutliche Rückschläge beider Implementierung des sogenannten umfassendenFriedensabkommens hinnehmen. Sie haben die Bericht-erstattung über die Krise in der Region Abyei verfolgt.Wir bewegen uns jetzt auf Wahlen zu, die im Jahr 2009im Südsudan stattfinden sollen. Im Jahr 2011 wird einReferendum stattfinden, das über den zukünftigen Statusdes Südsudan entscheiden soll. Wenn dieser Gesamtpro-zess einigermaßen in der Spur bleiben soll, dann ist derUNMIS-Einsatz weiterhin erforderlich.Lassen Sie mich an dieser Stelle den deutschen Solda-ten und Polizisten, den Militärbeobachtern und denStabsoffizieren danken, die in diesen Missionen ihrenDienst tun. Ebenso danke ich natürlich den Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern der Hilfsorganisationen, die imSudan unter schwierigsten Bedingungen ihre Aufgabeerfüllen.
Wir gehen davon aus, dass der VN-Sicherheitsrat dieMandate von UNAMID und UNMIS turnusgemäß ver-lsFKdWbHntsGcdstffßDzldiSkfpkjcllGncWahßl
Das Wort hat die Kollegin Marina Schuster von der
DP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Fast ein Jahr ist die letzte Debatte über deneutschen Beitrag im Sudan her. Die erschreckendeahrheit ist, dass wir heute vor genau den gleichen Pro-lemen stehen wie damals. Das bedeutet, dass sich vieleoffnungen, die wir an die Mandate geknüpft haben,icht erfüllt haben.Auch die Umsetzung des Nord-Süd-Friedensver-rages – der Herr Außenminister hat ihn angesprochen –teht auf wackeligen Beinen. Die heftigen Kämpfe in derrenzregion um Abyei haben uns klargemacht, wie brü-hig die Sicherheit vor Ort ist. Weder der Süden nocher Norden sind bereit, auf Einnahmen aus dem Ölge-chäft zu verzichten. Wie genau der Ölreichtum aufge-eilt wird, bleibt eine kritische Frage. Das ist ein Pulver-ass für den ganzen Nord-Süd-Friedensvertrag.UNMIS steht also nach wie vor vor großen Heraus-orderungen, gerade was den Zeitplan betrifft. Herr Au-enminister, Sie haben das Referendum angesprochen.as ist eine kritische Frage, die geklärt werden muss. Eseigt sich aber: Die Blauhelme sind ein wichtiger Stabi-itätsanker in der Region. Auch ich möchte den Soldaten,ie dort ihren Dienst leisten, ganz herzlich danken undhnen meine Anerkennung aussprechen. Ich habe dieoldaten im Einsatz besucht. Wer die Situation vor Ortennt, der weiß, wie schwierig dieser Einsatz ist.
Gleichwohl mache ich mir sehr große Sorgen. Ichürchte, dass die Krise in Darfur den ganzen Friedens-rozess überschatten und gefährden kann. Denn eines istlar: In Darfur sind wir vom Frieden weiter entfernt alse zuvor. Wir sehen blutige Gefechte in Flüchtlings-amps, Angriffe auf Hilfsorganisationen und eine hilf-ose UNAMID-Truppe. Die Gewalt hat gerade in denetzten Monaten stark zugenommen. Wie schlimm dieewalt ist, zeigt sich auch daran, dass Hilfsorganisatio-en ihr Personal zurückziehen müssen, weil sie die Si-herheit vor Ort nicht mehr gewährleisten können. Dieelthungerhilfe hat die Nahrungsmittellieferungenussetzen müssen. 2 Millionen Menschen in Darfur ste-en nun ohne diese Hilfe dar. Das Leid wird täglich grö-er.Ein Jahr nach der Entsendung ist UNAMID in vieler-ei Hinsicht immer noch hoffnungslos unterversorgt.
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Marina SchusterNoch nicht einmal die Hälfte der geplanten 26 000 Blau-helme und Polizisten ist vor Ort. Material- und Trans-portkapazitäten werden händeringend gebraucht, beson-ders die Transporthubschrauber. Die Hilflosigkeit derTruppen zeigte sich im Juli dieses Jahres ganz besondersdeutlich, nämlich als die Blauhelme selbst zum Angriffs-ziel wurden. Sieben Soldaten kamen dabei ums Leben.Vor einem Jahr noch galt UNAMID als das ehrgeizigsteProjekt der Afrikanischen Union und der Vereinten Na-tionen. Heute sehen wir, dass sich große Ernüchterungbreitgemacht hat. Aber eines darf nicht passieren: dasssich neben der Ernüchterung auch noch Gleichgültigkeitbreitmacht.
Der Außenminister hat bereits vor der Entsendungdes UNAMID-Einsatzes sehr richtig festgestellt: Vor al-lem war es nicht nur eine gefährliche, sondern auch arro-gante Illusion, dass manch einer glaubte, nur VN-Solda-ten können das schaffen, was afrikanische Truppenbisher nicht geschafft haben. Wenn er das schon damalserkannt hat, dann frage ich mich, warum sich Deutsch-land nicht noch stärker in den politischen Prozess ein-gebracht hat.
Denn genau das ist der kritische Punkt. Es ist umsoerforderlicher, dass wir jetzt mit einer Stimme sprechenund dass wir unseren politischen Einfluss geltend ma-chen, auch auf China. Der Druck auf China ist nach wievor dringend notwendig, gerade wenn wir an Zoll- undEinreisebestimmungen denken. Auch Russland muss imSicherheitsrat weiter eingebunden werden. Ich möchteim Auswärtigen Ausschuss morgen erfahren, welche Ini-tiativen es von der Bundesregierung gibt. Diese interna-tionale Präsenz ist weiter notwendig. Aber wenn wir kei-nen politischen Friedensprozess sehen oder dervorhandene zum Erliegen kommt, müssen wir uns dieFrage stellen, welche weiteren Anstrengungen wir unter-nehmen können, um UNAMID tragfähiger zu machenund um den Prozess zum Laufen zu bringen.Die Bundesregierung setzt viele Hoffnungen in dieseMission. Das sieht man auch am Antrag. Dort heißt es,dass UNAMID ein stabilisierendes Element und zumSchutz der Bevölkerung unverzichtbar ist. Aber die Lagevor Ort sieht anders aus. Die Ausstattung ist soschlecht, dass die UNAMID-Soldaten mit ihrem eigenenSchutz beschäftigt sind. Ich habe bereits bei der erstenMandatierung vor einem Waterloo der Vereinten Natio-nen gewarnt. Ich habe auch vor den äußerst schwierigenBedingungen gewarnt. Heute fehlen nach wie vor18 Transporthubschrauber. Ich denke, das muss der in-ternationalen Gemeinschaft wirklich große Sorgen berei-ten. Denn wenn sich beim politischen Prozess nicht baldetwas ändert, wenn sich die internationale Gemeinschaftnicht breiter engagiert, dann wird dieser Einsatz zum Ar-mutszeugnis der Vereinten Nationen.tDefdJgHduVBrsdcseibsdsddGJnr3dSoctgulJdWlDd
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Franz Josefung.Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-ung:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Beteiligung der Bundeswehr an der Frie-ensmission der Vereinten Nationen im Sudan, UNMIS,nd an der Hybridmission von Afrikanischer Union undereinten Nationen in Darfur, UNAMID, sind wichtigeestandteile der Gesamtanstrengungen der Bundesregie-ung zur Friedenkonsolidierung im Sudan.In dieser Krisenregion legen wir zurzeit den militäri-chen Schwerpunkt unseres Engagements auf dem Bo-en Afrikas. Auch wenn der Charakter und die räumli-he Dislozierung der beiden Missionen unterschiedlichind, so stehen die beiden Missionen inhaltlich in einemngen Zusammenhang. Aufgrund ihrer Wechselwirkungst es, denke ich, richtig, dass wir jetzt gemeinsam darü-er beraten.Was die Situation bei UNMIS, also im Sudan, angeht,o gestaltet sich die Umsetzung des Nord-Süd-Frie-ensabkommens weiterhin als sehr schwierig. Wir müs-en uns stets vor Augen führen: Der im Jahre 2005 durchas Comprehensive Peace Agreement eingeleitete Frie-ensprozess ist noch nicht unumkehrbar. Dies haben dieewaltausbrüche in der Grenzregion Abyei im Mai desahres 2008 gezeigt. Darauf hat auch gerade – aus mei-er Sicht zu Recht – Kollegin Schuster hingewiesen.Damit bleibt UNMIS bis auf Weiteres als stabilisie-endes Element unverzichtbar. Derzeit leisten8 Soldaten der Bundeswehr unter anspruchsvollen Be-ingungen einen wichtigen Beitrag zur Sicherung dertabilität in dieser Region. Dieser Beitrag wird medialft nicht in der Art und Weise wahrgenommen wie ähnli-he Beiträge in anderen Regionen der Welt. Nichtsdesto-rotz sind unsere Soldaten unter schwierigsten Bedin-ungen im Einsatz. Deshalb möchte ich den Soldatinnennd Soldaten an dieser Stelle für ihren Beitrag zur Stabi-isierung dieser Region danken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, imahre 2009 gilt es, wichtige Meilensteine für UNMIS aufem Weg zum Frieden in dieser Region zu erreichen.enn es um die endgültige Festlegung des Grenzver-aufs zwischen Nord- und Südsudan und die erfolgreicheurchführung der Wahlen geht, wird sich zeigen, obie Konfliktparteien weiterhin gewillt sind, eine der
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Bundesminister Dr. Franz Josef Junglängsten und blutigsten Auseinandersetzungen auf demafrikanischen Kontinent endgültig zu beenden.Mit unseren Soldaten, die im Rahmen von UNMISzum Einsatz kommen, wollen wir dazu beitragen, dassdies gelingt. Die erfolgreiche Umsetzung des Nord-Süd-Friedensvertrages wird, wie ich denke, unmittelbareAuswirkungen auf die Lage in Darfur haben.Ohne Frage steht die Hybridmission von Afrikani-scher Union und Vereinten Nationen in diesen Tagen vorgroßen Herausforderungen; das ist bereits erwähnt wor-den. Ursprünglich hatten wir, was ihre Entwicklung an-geht, andere Vorstellungen; das kann man überhauptnicht bestreiten. Der Aufwuchs im Rahmen vonUNAMID – derzeit umfasst diese Mission rund10 000 Angehörige – entspricht aber noch lange nichtder angestrebten Zielgröße. Ich kann nur hoffen undwünschen, dass die weitere Entwicklung positiv verlau-fen wird.Sie wissen, um was es geht: um das Verhalten und dieZustimmung der sudanesischen Regierung, aber auchum die Entwicklungen in den afrikanischen Nationen.Durch Lufttransporte haben wir beispielsweise dafür ge-sorgt, dass Kräfte aus Ghana und Senegal UNAMID un-terstützen können. Ich hoffe, dass das Vorgehen jetzt ef-fektiver ist.Ich muss betonen: Es gibt derzeit keine Alternative zuUNAMID. Deshalb müssen wir uns auch auf politischerEbene weiterhin bemühen, dass im Rahmen des Frie-densprozesses zwischen den Aufständischen und der su-danesischen Regierung Fortschritte erzielt werden. Auchin den Gesprächen mit meinem chinesischen Amtskolle-gen habe ich darauf hingewiesen, dass es sinnvoll wäre,wenn China unsere Anstrengungen noch intensiver un-terstützen würde. Das wäre für die Weiterentwicklungdieses Prozesses von großer Bedeutung, und zwar imHinblick auf den UNAMID-Aufwuchs und das Verhal-ten der sudanesischen Regierung.Nur dann, wenn beide Seiten einen aktiven Beitragzum Frieden leisten, kann es UNAMID gelingen, dasmenschliche Leid in Darfur zu mindern und eine politi-sche Lösung des Konflikts zu erreichen. Daher halte iches für richtig, dass UNAMID weitestgehend ein afrikani-sches Gesicht trägt. Ich glaube, zu Beginn unserer De-batte war das Prinzip der sogenannten African Owner-ship der Auslöser dafür, zu sagen, dass ein afrikanischesGesicht für die Umsetzung dieser Friedensmission letzt-lich erfolgreicher ist. Ich bin der Meinung, dass dieAkzeptanz der Friedenstruppe für alle Konfliktpar-teien ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist.Die Bundeswehr konzentriert sich im Rahmen ihresBeitrags auf den logistischen Bereich und ausgewählteStabsfunktionen; auf die Transportflüge habe ich bereitshingewiesen. Außerdem bedienen wir die Bereiche, dievon den Vereinten Nationen nachgefragt werden.Durch eine Beteiligung der Bundeswehr an UNAMIDleistet Deutschland im Rahmen der internationalen Ge-meinschaft einen wichtigen und sichtbaren Beitrag zurhoffentlich dauerhaften Befriedung des Gesamtsudans.Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie trotz der nicht ein-fd7zOdUstgGglwlpswsnfzNIvhsclISÖweddUmt
Warum ist das eigentlich so? Sie fangen an mit denolitischen Problemen und der Forderung nach politi-chen Lösungen, aber sie enden immer mit dem Militär,eil Sie offensichtlich der Meinung sind, dass in denchwierigsten Konflikten die Hilfe letzten Endes dochur vom Militär kommen kann. Das ist aber vollkommenalsch. Alle Militäreinsätze rund um die Welt haben ge-eigt, dass dies vollkommen falsch ist.
ehmen wir den Südsudan.
m Südsudan haben die 8 000 Soldaten der UNMIS nichterhindern können, dass im Mai dieses Jahres wiedereftige Auseinandersetzungen militärischer Art zwi-chen den Regierungstruppen und der SPLA ausgebro-hen sind und die Stadt Abyei in Schutt und Asche ge-egt haben. Über 50 000 Menschen sind auf der Flucht.n Abyei wird um den Grenzverlauf zwischen Nord undüd gestritten, also darüber, wer die größten bekanntenlvorkommen dieses Landes im Jahr 2011 erhaltenird, wenn sich der Süden vom Norden trennen wird.Gegenwärtig bohren die Chinesen dort. Im Sudan ists jedoch ein offenes Geheimnis, dass die US-Firmen anieselben Quellen wollen. So, wie die Chinesen derzeitie sudanesische Regierung ausrüsten, so rüsten dieSA die SPLA mit Waffen auf.Wir müssen erkennen, dass dies schon lange nichtehr bloß ein interner Konflikt ist, sondern ein Stellver-reterkrieg um die Ressourcen dieses Landes.
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Dr. Norman Paech
Der vorliegende Antrag berücksichtigt aber weder dieseDimension des Konflikts noch enthält er überhaupt eineeinzige Maßnahme zur politischen Unterstützung desFriedensprozesses. Er beschränkt sich lediglich auf dieVerlängerung des Mandats des Militäreinsatzes. Das istvollkommen unzureichend. Deshalb wird er auch nichtdie Zustimmung der Linken erhalten.Auch der Antrag zur Verlängerung der MilitärmissionUNAMID in Darfur kommt ohne jedes politisches Kon-zept daher. Aber gerade in Darfur – das haben Sie allegesagt – ist nichts dringender als eine politische Lösung.Bereits die Afrikanische Union ist mit ihrem Militärein-satz AMIS gescheitert; denn das Friedensabkommenvom 5. Mai 2006 hat schon lange keinen Bestand mehr.Es ist aber immer noch die Grundlage auch für UNA-MID.Eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen istüberhaupt nicht in Sicht. Das räumt die Bundesregierungin ihrem Antrag auch ein. Sie setzt aber nichts dagegen.UNAMID – wenn wir aufrichtig sind – bewegt sich ineinem politischen Vakuum und ist nur eine Fortsetzungder gescheiterten AMIS-Mission, dieses Mal unter demgemeinsamen Dach von UNO und Afrikanischer Union.Es ist diesen Truppen weder gelungen, die Menschenin Darfur zu schützen noch eine Abkehr von der Gewaltzu bewirken und eine Rückkehr an den Verhandlungs-tisch zu erreichen. Stattdessen hat sich die Situation inDarfur weiter kontinuierlich verschlechtert. Das hat FrauSchuster ebenfalls gesagt. Mittlerweile ist der Konfliktso atomisiert, dass selbst eine verhandlungsbereite Re-gierung nicht wüsste, mit wem sie eigentlich an den Ver-handlungstisch treten sollte, um ein Friedensabkommenabzuschließen.Die Truppen der UNAMID sind inzwischen selbstZiele der Angriffe geworden, und zwar nicht zuletzt des-halb, weil beide Konfliktparteien kein Vertrauen in dieseTruppen mehr haben.Ich sage Ihnen: Den Menschen in Darfur und auchden Tausenden, die in den Tschad geflohen sind, wirdUNAMID nicht helfen. Nur eine Wiederaufnahme vonFriedensverhandlungen kann dem Land eine sichereZukunft geben.Meine Fraktion fordert die Bundesregierung auf, sichim Rahmen der UNO für diesen Friedensprozess zu en-gagieren. Immer mehr Militär ist keine Lösung. Deswe-gen lehnen wir diesen Antrag auch ab.Danke schön.
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ch hoffe, dass sich in Ihrer Fraktion genug Menscheninden, die in dieser Situation nicht über die antikapita-istische Weltrevolution philosophieren, sondern einse-en, dass es dort eine humanitäre Katastrophe gibt, ge-en die man etwas tun muss.
Die Bundesregierung hat im letzten Jahr das Mandaton uns erhalten, 75 Soldatinnen und Soldaten fürNMIS und 250 Soldatinnen und Soldaten fürNAMID bereitzustellen. Fakt ist: Heute sind9 Soldaten und fünf Polizisten für UNMIS sowie sechsolizisten und, wenn ich mich nicht irre, gar kein Soldatür UNAMID entsandt.
iese Situation ist, nüchtern gesagt, nicht befriedigend,eil diese Kräfte eigentlich gebraucht werden.Beispiel UNAMID. Durch UNAMID sollen die Men-chen geschützt werden. Das kann aber nicht erreichterden, wenn nicht einmal ein Drittel des angestrebtenersonals vor Ort ist – Herr Minister, das haben Sie ge-ade auch gesagt –, wenn es nicht einmal sieben Polizei-inheiten gibt, die die Flüchtlingslager schützen, wennicht genug Material und Sicherheitskapazitäten vorhan-en sind und wenn es nicht einmal genug Hubschrauberibt, mit denen Lebensmittel in die Flüchtlingslager ge-iefert werden. Deshalb sind wir gespannt, welche politi-che Perspektive uns die Bundesregierung in den Aus-chussberatungen darstellt und ob für UNAMID undNMIS jetzt endlich die Ausrüstung bereitgestellt wird,ie gebraucht wird.
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Omid Nouripour
Wir wissen allerdings auch, dass diese beiden Missio-nen nur Teile eines politischen Prozesses sein können.Ohne einen politischen Prozess kann es keinen dauerhaf-ten Frieden im Sudan geben. Deshalb brauchen wir ei-nen umfassenden politischen Ansatz – das ist mehrfachgesagt worden –, mit dem verstärkt polizeiliche, humani-täre und entwicklungspolitische Elemente vereint wer-den. Darum fordern wir beispielsweise, dass der Sudanim Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ zum Schwer-punktland wird und dass in einem Mandat zukünftignicht nur die militärischen, sondern auch die polizeili-chen und entwicklungspolitischen Beiträge der Bundes-republik aufgeführt und beschlossen werden.In dem Zusammenhang habe ich eine Anmerkung zurFDP. Frau Schuster, Sie haben völlig zu Recht bemän-gelt, dass es diesen politischen Prozess nicht gibt. In derDebatte vorher hat Ihre Kollegin Frau Hoff aber genaumit dieser Aussage, dass es diesen politischen Begleit-prozess nicht gibt, begründet, warum die FDP den Ein-satz von UNIFIL im Libanon ablehnt. Das ist ein wenigkontraproduktiv. Vielleicht sollten Sie sich einmal da-rüber unterhalten, was ein fehlender politischer Prozessfür Ihr Abstimmungsverhalten bedeutet.Wir wünschen uns von der Bundesregierung, dass siemehr tut, dass sie mehr Anstrengungen dafür unter-nimmt, dass die Hilfen, die wir hier beschließen, bei dennotleidenden Menschen vor Ort auch ankommen. Wirwünschen uns, dass sie mehr Flexibilität zeigt, damit dieEngpässe vor Ort, die es derzeit gibt, behoben werdenkönnen.Wir wünschen uns, dass es mehr politische und zivileBemühungen im Sudan gibt. Wir haben keine Zeit mehr;je länger wir warten, bis wir handeln, desto mehr Men-schen verlieren ihr Leben.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
hat das Wort die Kollegin Dr. Herta Däubler-Gmelin.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirhalten den Antrag, die deutsche Beteiligung an UNMISund UNAMID um ein Jahr zu verlängern, für richtig.Herr Außenminister, Sie haben darum gebeten, dass wirihm hier im Bundestag eine möglichst breite Unterstüt-zung zusichern. Wer die Debatte verfolgt hat, erkennt,dass es in vielen Punkten in der Tat große Einigkeit gibt.Wir alle wissen, dass die deutsche Beteiligung sowohlan UNMIS als auch an UNAMID relativ gering ist. Las-sen Sie mich hinzufügen: Sie ist dennoch wichtig. Werdas nicht glaubt, sollte gelegentlich in den Sudan fahrenuDtdaszikwPdsdsdiwLmhsgzbznhhrrdtsUszBsfBcwEasKTr
Wir alle wissen, dass sowohl der Nord-Süd-Konfliktm Sudan als auch die Lage in Darfur außerordentlichomplex sind. Wir alle wissen deshalb auch: Schonegen der Größe des Landes und der Komplexität derrobleme kann man mit Militär allein – auch mit dereutschen Beteiligung an Militärmissionen – keine ent-cheidenden Durchbrüche erreichen. Ich glaube aber,ass es darum allein gar nicht geht. Die Begriffe Stabili-ierung, Beteiligung und Beitrag sind hier genutzt wor-en; genau darum geht es. Es geht darum, den Menschenn Darfur endlich die Gewissheit zu geben, dass sich et-as bewegt, zu ihren Gunsten.Ich würde mich freuen, wenn Sie sich einmal in dieage von Millionen Menschen – so viele sind es, wennan die Flüchtlinge und die IDPs im Tschad einrechnet –ineinversetzten: Diese Menschen leben zum Teil schoneit sechs Jahren unter menschenunwürdigen Bedingun-en in Lagern. Ihnen stehen nur wenige Hilfsangeboteur Verfügung. Überlegen Sie sich einmal, was es heißt,ei einer Hitze, die für uns unvorstellbar ist, in Lagernu leben, wo es selbst ein Problem ist, nur das Lebens-otwendigste zu bekommen, wo man – das betrifftauptsächlich die Frauen –, wenn sie Wasser oder Feuer-olz holen, unmittelbar die Sicherheitsprobleme zu spü-en bekommt. Massenvergewaltigungen durch Regie-ungssoldaten und von Milizen der Rebellen sind hier aner Tagesordnung.Da kann man einfach nicht so tun, als könnten Solda-en, wenn sie entsprechend ausgerüstet sind, den Men-chen dort nicht helfen. Das geht einfach nicht!NAMID mit Beteiligung der Bundesrepublik kann undoll einen Beitrag dazu leisten, die Sicherheitsproblemeu lösen.Wir alle wissen – ich unterstreiche das –, dass sich dieundesregierung und die Europäische Union bemühen,owohl im Nord-Süd-Konflikt als auch im Darfur-Kon-likt zu einer politischen Lösung zu kommen. Ohne dieeteiligung von UNMIS und UNAMID sind die Chan-en auf eine solche Lösung noch geringer, als sie so-ieso sind.
s ist wichtig, das zu unterstreichen.Im politischen Bereich geht es jetzt um den Versuch,lle streitenden Parteien – die Rebellengruppen, die ver-chiedenen Milizen, die unterschiedlichen von derhartoum-Regierung unterstützten Gruppen – an einenisch zu bringen. Ich denke, dass auch die Bundesregie-ung und die Europäische Union mit ihrer Hilfe für UN
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Dr. Herta Däubler-Gmelinund AU auf diesem Wege einen guten Schritt vorankom-men können. Die UNAMID-Vertreter sagen uns sehrdeutlich, woran es bei ihnen jetzt noch krankt: Nicht dasgeschriebene Mandat von UN und AU mache ihnen Pro-bleme, sondern der nicht vollständig umgesetzte Willesowohl in New York als auch in der AfrikanischenUnion. Herr Außenminister und Herr Verteidigungs-minister, hier muss man für mehr politische Unterstüt-zung sorgen. Ich glaube, das ist ein außerordentlichwichtiger Punkt.Lassen Sie mich abschließend gerade auch für dieMenschen sowohl im Tschad als auch in Darfur eineBitte anschließen. Ich bin sehr dankbar für die humani-täre Hilfe, die das AA in den Flüchtlingslagern und inden IDP-Camps leistet. Aber wenn Sie berücksichtigen,dass dort Menschen seit mehr als sechs Jahren leben,kann es, glaube ich, nicht nur um die Versorgung mitdem Lebensnotwendigsten gehen, sondern der Blickmuss auch, bis eine politische Lösung umgesetzt ist, indie Zukunft gerichtet werden. Deshalb reicht die unmit-telbare humanitäre Hilfe nicht aus.Ich bitte die Bundesregierung deshalb auch darum, da-ran zu denken, dass die Hunderttausende Kinder in denFlüchtlingslagern in die Schule gehen müssen.
Deswegen ist es wichtig, Konzepte für eine an die hu-manitäre Hilfe anschließende Hilfe zu finden, um die-sen Kindern, die ja furchtbar geschädigt aufwachsenmüssen, auf diese Weise vielleicht noch die eine oder an-dere Chance für ihr Leben zu bieten.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/10106 und 16/10104 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen
Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 17. September
2008, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.