Protokoll:
16004

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 4

  • date_rangeDatum: 30. November 2005

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:57 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/4 Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . Matthias Platzeck, Ministerpräsident (Brandenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung (Drucksache 16/106) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 C 102 C 106 D 107 A 111 A 114 D 118 D 121 D 124 C 126 C 149 C 151 A 153 A 154 C 155 B Deutscher B Stenografisch 4. Sitzu Berlin, Mittwoch, den 3 I n h a l Begrüßung des Premierministers der Repu- blik Singapur, Herrn Lee . . . . . . . . . . . . . . . . Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Hermann Otto Solms . . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Dorothee Mantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung der Bundeskanzlerin mit anschließender Aussprache . . . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Struck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . H M D W D M G D D F P 75 A 75 B 75 B 75 B 76 C 76 C 92 A 95 D Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 129 B 130 D undestag er Bericht ng 0. November 2005 t : eidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . arkus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . ichael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . r. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . r. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 A 134 C 135 C 137 B 138 C 139 B 140 D 141 C 142 C 144 C 146 B 148 B in Verbindung mit II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Zollfahndungs- dienstgesetzes (Drucksache 16/88) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Neskovic (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 27. November 2003 zur Änderung des Europol-Über- einkommens und zur Änderung des Eu- ropol-Gesetzes (Drucksache 16/30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über konjunkturstatistische Erhebun- gen in bestimmten Dienstleistungsberei- chen (Dienstleistungskonjunkturstatis- tikgesetz – DlKonjStatG) (Drucksache 16/36) . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 2. März 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und dem Königreich der Nieder- lande über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten (Drucksache 16/57) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Erhöhung der Anzahl von Ausschussmitgliedern (Drucksache 16/110) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 B 155 C 158 A 159 D 161 D 163 D 165 B 166 D 168 C 168 D 168 D 169 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über den Betrieb elektronischer Maut- systeme (Mautsystemgesetz – MautSysG) (Drucksache 16/32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . N A L168 C ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 169 C 171 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 75 (A) ) (B) ) 4. Sitzu Berlin, Mittwoch, den 3 Beginn: 11.0
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 171 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bollen, Clemens SPD 30.11.2005 Ernstberger, Petra SPD 30.11.2005 Piltz, Gisela FDP 30.11.2005 Schily, Otto SPD 30.11.2005 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 30.11.2005 Wächter, Gerhard CDU/CSU 30.11.2005 4. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1600400000

Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kol-

legen, ich begrüße Sie alle herzlich.

Auf der Ehrentribüne hat seine Exzellenz der Pre-
mierminister der Republik Singapur, Herr Lee, mit
seiner Delegation Platz genommen.


(Beifall)


Herr Premierminister, ich begrüße Sie herzlich im Na-
men der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Wir
freuen uns, dass Sie sich im Rahmen Ihres Besuches in
Deutschland die Zeit genommen haben, den Deutschen
Bundestag zu besuchen. Ich wünsche Ihnen einen ange-
nehmen und erfolgreichen Aufenthalt in Deutschland.

Meine Damen und Herren, der Kollege Dr. Hermann
Otto Solms feierte am 24. November 2005 seinen
65. Geburtstag.


(Beifall)


Ich möchte ihm im Namen des ganzen Hauses herzlich
gratulieren und alles Gute wünschen. Es fängt wieder al-
les sehr einvernehmlich an.

Sodann teile ich Ihnen mit, dass der Kollege
Dr. Günther Beckstein am 23. November 2005 auf seine

Redet
Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet hat.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!)


– Es gibt irreversible Entscheidungen im Leben; diese
gehört dazu. – Als Nachfolgerin begrüße ich die Kolle-
gin Dorothee Mantel, die wir bereits aus der vergange-
nen Wahlperiode kennen, sehr herzlich.


(Beifall)


Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufge-
führten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Überweisungen im vereinfachten Verfahren

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom

(C (D ng 0. November 2005 0 Uhr ber 2003 zur Änderung des Europol-Übereinkommens und zur Änderung des Europol-Gesetzes – Drucksache 16/30 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b)

Entwurfs eines Gesetzes über den Betrieb elektronischer
Mautsysteme (Mautsystemgesetz – MautSysG)

– Drucksache 16/32 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)


c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes über konjunkturstatistische Erhe-

(Dienstleistungskonjunkturstatistikgesetz – DlKonjStatG)

– Drucksache 16/36 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft u. Technologie
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2005
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kö-
nigreich der Niederlande über die grenzüberschreitende
polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in
strafrechtlichen Angelegenheiten

ext
– Drucksache 16/57 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Behm,
Dr. Thea Dückert, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Hong-
kong als Zwischenschritt einer fairen und entwicklungs-
orientierten Welthandelsrunde
– Drucksache 16/86 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Auswärtiger Ausschuss

für Ernährung, Landwirtschaft und
erschutz
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ng
eingebrachten
27. Novem-

Ausschuss
Verbrauch
Ausschuss
Ausschuss
Entwicklu






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 3 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Einstieg in
ein steuerliches Sofortprogramm
– Drucksache 16/105 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Oskar Lafontaine,
Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE
LINKE: Hedgefondszulassung zurücknehmen
– Drucksache 16/113 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele, Anna Lührmann, Volker Beck (Köln), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN: Abrissmoratorium für den Palast der Republik
– Drucksache 16/60 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Pau, Dr. Gesine
Lötzsch, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE: Abriss des Palastes der Republik
stoppen
– Drucksache 16/98 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss

ZP 7 Beratung des Antrags der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN: Konsequenzen aus den Fleischskandalen:
Umfassende Verbraucherinformation und bessere Kon-
trollen
–Drucksache 16/111 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit

Von der Frist für den Beginn der Beratung soll – so-
weit erforderlich – abgewichen werden. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist
das so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Konsti-
tuierung des Bundestages und seiner Ausschüsse, die wir
heute Morgen vorgenommen haben, und nach der Wahl
und Bildung der Bundesregierung beginnt nun die Erle-
digung der konkreten Aufgaben, für die wir gewählt
sind. An der Ernsthaftigkeit der Bemühungen auf allen
Seiten gibt es keinen Zweifel. Es wäre ganz schön, wenn
wir uns dabei das Maß an Gelassenheit und auch an
Fröhlichkeit aus den konstituierenden Sitzungen bewah-

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(C (D en könnten, das auch im richtigen Leben bei der Bewäligung anspruchsvoller Aufgaben in der Regel hilft. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Besser hätte ich es nicht formulieren können!)


Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung der Bundeskanzlerin

mit anschließender Aussprache

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie heutige Aussprache nach der Regierungserklärung
echseinhalb Stunden, für die morgige zehn Stunden und
ür die am Freitag weitere drei Stunden vorgesehen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Hammerhart!)


ch sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so
eschlossen.

Zur Regierungserklärung liegt je ein Entschließungs-
ntrag der Fraktion der FDP, der Fraktion Die Linke und
er Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über die
ir heute im Anschluss an die Generalaussprache ab-

timmen werden.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
ie Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1600400100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir
us aktuellem Anlass zunächst eine Bemerkung. Seit
reitag vergangener Woche werden im Irak eine deut-
che Staatsangehörige und ihr irakischer Fahrer ver-
isst. Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse
üssen wir davon ausgehen, dass die beiden entführt
orden sind. Die Bundesregierung und – ich bin sicher –

uch das gesamte Hohe Haus verurteilen diese Tat mit
ntschiedenheit.


(Beifall im ganzen Hause)


Eines ist für die Bundesregierung und, wie ich denke,
uch für dieses Parlament klar: Wir lassen uns nicht er-
ressen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


enauso klar ist: Alle Anstrengungen der Bundesregie-
ung sind in dieser Situation darauf gerichtet, das Leben
on Susanne Osthoff und ihres irakischen Begleiters zu
chützen und ihre Freilassung zu erreichen. Unsere Ge-
anken sind in diesen Stunden und Tagen bei den Ange-
örigen und Freunden der Betroffenen. Wir fühlen mit
hnen. Sie sollen wissen: Alle Deutschen nehmen Anteil
m Schicksal der Entführten und alle Deutschen empfin-
en eine tiefe Solidarität und Verbundenheit mit ihnen.


(Beifall im ganzen Hause)


hnen allen möchte ich versichern: Die Bundesregierung
nternimmt alles, was in ihrer Macht steht, um die deut-






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
sche Staatsangehörige und ihren Fahrer so schnell wie
möglich in Sicherheit zu bringen.

Noch wissen wir nichts über die Motive oder die Hin-
tergründe. Daher verbieten sich voreilige Schlussfolge-
rungen.

Aber es ist ganz grundsätzlich festzuhalten: Der
internationale Terrorismus ist unverändert eine der
größten Herausforderungen für die Staatengemeinschaft.
Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus dürfen
wir nicht nachlassen. Er richtet sich gegen das, was uns
wichtig ist und was den Kern unserer Zivilisation aus-
macht: Er richtet sich gegen unser gesamtes Wertesys-
tem, gegen Freiheit, Toleranz, Respekt und die Achtung
der Menschenwürde, gegen Demokratie und Rechts-
staatlichkeit. Würden wir diese Werte aufgeben, würden
wir uns selbst aufgeben.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, noch etwas spüren wir in
diesen Stunden, etwas, das unser Land auszeichnet: Vor
dem Leid anderer verschließen wir weder unsere Augen
noch unsere Herzen. Wir wissen, was Solidarität ver-
mag. Wir haben erfahren, welche Kraft aus der Gemein-
schaft und aus der Nächstenliebe erwachsen kann. Wir
sind uns bewusst, dass ein Volk mehr ist als eine lose
Ansammlung von Individuen, und wir wissen, dass ein
Volk auch immer eine Schicksalsgemeinschaft ist. Wenn
wir diese Erkenntnis beherzigen, können wir daraus
Kraft und Zuversicht schöpfen, mit denen wir auch diese
großen Herausforderungen meistern können.

Meine Damen und Herren, dieses Signal aus diesem
Hohen Haus am Anfang der Debatte ist mir sehr wichtig.
Wir haben uns nämlich zusammengefunden, um heute
und in den nächsten Tagen die erste Regierungserklä-
rung der neuen Bundesregierung zu diskutieren. Ich darf
Sie zu Beginn fragen: Für wen mag das heute wohl die
größte Überraschung sein? Wer hätte noch vor einigen
Wochen und Monaten gedacht, dass heute eine große
Koalition antritt, um unser Land gemeinsam in die Zu-
kunft zu führen?


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Wir!)


Wer hätte gedacht, dass SPD und Union so viel Verbin-
dendes entdecken, dass sie ein dichtes Programm für
vier Jahre vorlegen?


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wähler nicht!)


Wer hätte gedacht, dass mein Koalitionspartner von ei-
nem Parteivorsitzenden aus Brandenburg angeführt
wird? Wer hätte gedacht, dass das höchste Regierungs-
amt schon in diesem Jahr einer Frau übertragen wird?
Wer hätte das alles gedacht?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Das alles ist für viele von uns eine Überraschung und ch sage: manches davon auch für mich. Aber es ist nicht ie größte Überraschung meines Lebens. Die größte berraschung meines Lebens ist die Freiheit. Mit vielem abe ich gerechnet, aber nicht mit dem Geschenk der reiheit vor meinem Rentenalter. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Alle Wege vor 1989 endeten an einer Mauer, die nur
enige Meter von diesem Platz entfernt unser Land für

lle Zeit zu zerschneiden schien. Wenn Sie schon einmal
n Ihrem Leben so positiv überrascht wurden, dann hal-
en Sie vieles für möglich. Dabei möchte ich bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe die neue Koalition eine „Koalition der
euen Möglichkeiten“ genannt. Ich wünsche mir, dass
ie unserem Land und allen Deutschen neue Möglichkei-
en eröffnet, und ich wünsche mir, dass wir diese Chan-
en dann auch wirklich nutzen und wahrnehmen. Das
eißt für mich konkret: Der Anspruch der neuen Bundes-
egierung an sich und an das Land ist nicht gering. Wir
ollen die Voraussetzungen schaffen, dass Deutschland

n zehn Jahren wieder zu den ersten drei in Europa ge-
ört. Ich finde, das ist ein legitimer und wichtiger An-
pruch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, das Grundgesetz, die sozi-
le Markwirtschaft, die duale Berufsausbildung, all das
aren Ideen, die die Menschen in der gesamten Welt in-

pirierten. In Deutschland wurde das erste Auto gebaut
nd der erste Computer, in Deutschland wurde das Aspi-
in entwickelt. Von diesen Innovationen zehren wir noch
eute. Warum soll uns das, was uns früher und was uns
u Beginn dieser Bundesrepublik Deutschland, in den
rsten Gründerjahren, gelungen ist, heute, in den – wie
ch sage – zweiten Gründerjahren, nicht wieder gelin-
en?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


assen Sie uns also alle damit überraschen, was wir in
iesem Lande können.

Eine große Koalition zweier unterschiedlicher Volks-
arteien eröffnet die ganz unerwartete Möglichkeit, zu
ragen, was wir gemeinsam besser machen können – ohne
ns dabei dauernd mit Schuldigkeiten aufzuhalten, ohne
auernd mit dem Finger auf den anderen zu zeigen und
u fragen, welchen Missstand der andere – natürlich
anz allein – herbeigeführt hat. Denn eines ist klar: Wir
lle, ob wir es zugeben oder nicht, tragen Verantwortung
afür, dass wir heute die Möglichkeiten unseres Landes
och nicht voll ausschöpfen: Unser Wachstum kommt
eit Jahren nicht mehr richtig in Schwung, die Verschul-
ung ist in erschreckende Höhen gestiegen, der Aufhol-
rozess der neuen Bundesländer ist seit Jahren gestoppt
nd ohne den Automobilsektor wäre Deutschland nicht
ehr ein solches Hightechland, wie ich mir das





)


(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
wünsche. PISA zeigt, dass wir an vielen Stellen nicht
mehr einfach sagen können: Wir sind eine Bildungs-
nation. Den rapiden Wandel der Arbeitswelt haben wir
noch nicht bewältigt. Deutschland ist nicht hinreichend
auf die demographischen Veränderungen vorbereitet.
Auch auf die Bedrohungen neuer Art und die fließenden
Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit haben
wir noch keine umfassenden Antworten gefunden.

Meine Damen und Herren, wir alle kennen die Pro-
bleme und ich kann sagen: Die große Koalition hat die
Lage unseres Landes ehrlich analysiert und wir haben
auch gemeinsam die Chance erkannt, die Möglichkeiten
unseres Landes besser zu nutzen. Warum sollten wir
nicht alle damit überraschen, was in diesem Land gelin-
gen kann?

Wir wissen, wir haben dicke Bretter zu bohren: Wir
wollen den Föderalismus neu ordnen, wir wollen den
Arbeitsmarkt fit machen, wir wollen unsere Schulen und
Hochschulen wieder an die Spitze führen, wir wollen un-
sere Verschuldung bändigen und unsere Gesundheits-
und Renten- und Pflegesysteme in Ordnung bringen.
Niemand kann uns daran hindern – außer wir selbst.
Deshalb lassen Sie uns verzichten auf die eingeübten Ri-
tuale, auf die reflexhaften Aufschreie, wenn jemand et-
was verändern will. Es sollte wirklich einmal möglich
sein, dass wir in dieser großen Koalition dieses alles hin-
ter uns lassen und neue Wege gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bei der Vorbereitung auf diese Regierungserklärung
habe ich viel darüber nachgedacht, wie ich alle Gruppen
erwähnen und würdigen kann, die für das Miteinander in
unserem Land so wichtig sind. Ich habe darüber nachge-
dacht, ob ich Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften,
Kirchen und Religionsgemeinschaften alle einzeln be-
nennen soll. Ich habe mich am Ende dafür entschieden,
auf eine solche Auflistung zu verzichten. Denn es geht
nicht um Gruppen – es geht um uns alle, es geht um un-
ser Gemeinwesen, um unsere gemeinsame Zukunft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Überraschen wir uns deshalb damit, dass wir die gro-
ßen Fragen nicht immer aufgegliedert nach Einzelfragen
und -interessen angehen, sondern einmal im Zusammen-
hang. Überraschen wir uns damit, dass wir sachlich, fair,
ehrlich alles angehen und gemeinsam lösen. Bei allen
Aufgaben, die wir vor uns haben, sollten wir nicht ver-
gessen: Frühere Generationen, die, die vor uns Probleme
zu lösen hatten, hatten ungleich größere Probleme; den-
ken wir an den Aufbau nach dem Krieg in West und Ost,
denken wir an die historische Leistung der Ostdeut-
schen, friedlich eine Diktatur zu überwinden. Dagegen
ist unsere heutige Lage beneidenswert.

Sicher: Licht und Schatten liegen an vielen Stellen
sehr eng beieinander; ich nenne den Aufbau Ost. Aber
festzuhalten bleibt doch: 15 Jahre nach der deutschen
Einheit ist Gigantisches geleistet worden. Mit Transfer-
zahlungen von jährlich 4 Prozent des Sozialprodukts ist
es gelungen, die neuen Bundesländer wieder aufzu-
bauen. Ich möchte von dieser Stelle aus allen in

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(C (D eutschland danken, die zu diesem Prozess beigetragen aben. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Die Umwelt erholt sich, die Infrastruktur ist ausge-
aut, in wenigen Tagen wird – das sei mir als Bewohne-
in von Mecklenburg-Vorpommern gestattet zu sagen –
as letzte Stück der Ostseeautobahn dem Verkehr über-
eben. Das sind nur einige Beispiele dafür, was wir in
5 Jahren alles geschafft haben.

Auch sonst bietet unser Land großartige Vorausset-
ungen, die wir nun endlich nutzen sollten: Deutschland
st Exportweltmeister. In keinem Land in Europa werden
ehr Patente angemeldet. Gerade wurde wieder ein

eutscher Wissenschaftler mit einem Nobelpreis geehrt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


nsere kulturelle Vielfalt ist einzigartig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


eutschland ist das Land der Ideen, wie der Bundes-
räsident sagt. Zu einem Land der Ideen gehört nach
einer Auffassung eine Regierung der Taten. Und diese

nsere Bundesregierung hat sich viele Taten vorgenom-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Vizekanzler einer früheren großen Koalition und
päterer Bundeskanzler hat einmal gesagt: Mehr Demo-
ratie wagen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ch weiß, dass dieser Satz viele, zum Teil sehr heftige
iskussionen ausgelöst hat. Aber ganz offensichtlich hat

r den Ton der damaligen Zeit getroffen. Ich sage per-
önlich: Gerade in den Ohren der Menschen jenseits der
auer klang er wie Musik. Gestatten Sie mir, diesen

atz heute zu ergänzen und uns zuzurufen: Lassen Sie
ns mehr Freiheit wagen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


assen Sie uns die Wachstumsbremsen lösen! Lassen
ie uns uns selbst befreien von Bürokratie und altbacke-
en Verordnungen! Viele unserer europäischen Nach-
arn zeigen uns doch, was möglich ist. Deutschland
ann das, was andere können, auch; davon bin ich zu-
iefst überzeugt.

Schon die vergangene Regierung hatte Schritte einge-
eitet, wodurch die Möglichkeiten, die unser Land hat,
esser genutzt werden sollten. Jenseits aller parteipoliti-
chen Differenzen – diese waren in den vergangenen
ahren nicht zu übersehen – möchte ich deshalb an dieser
telle ausdrücklich eines tun: Ich möchte Bundeskanzler
chröder ganz persönlich dafür danken, dass er mit sei-
er Agenda 2010 mutig und entschlossen eine Tür auf-
estoßen hat, eine Tür zu Reformen, und dass er die
genda gegen Widerstände durchgesetzt hat.

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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Damit hat er sich um unser Land verdient gemacht.
Nicht zuletzt dafür möchte ich ihm im Namen aller
Deutschen danken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass ich
nicht jede Gruppe einzeln benennen möchte, und zwar
nur deshalb, damit mir niemand vorwerfen kann, ich
hätte eine Gruppe vergessen. Aber eine Gruppe ist mir
so wichtig, dass sie erwähnt werden muss – sie wird bei
allen künftigen Fragen eine wichtige Rolle spielen –: Ich
meine die Schwachen. Ich meine die Schwachen, die die
Solidarität und die Hilfe von uns allen brauchen. Ich
meine Kranke, Kinder und viele Ältere. Die Menschlich-
keit unserer Gesellschaft entscheidet sich daran, wie wir
mit ihnen umgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Wir, die neue Bundesregierung von Union und Sozialde-
mokraten, wollen unser Land so ertüchtigen, dass sich
die Schwachen auch in Zukunft darauf verlassen kön-
nen, dass sie nicht alleine gelassen werden, dass ihnen
geholfen wird. Das ist unser Verständnis von sozialer
Gerechtigkeit.

Das beginnt bei der Absicherung der großen Lebens-
risiken. Wir wollen die solidarische Altersversorgung
erhalten. Aber wie wir wissen, wird der dritte Lebensab-
schnitt immer länger. Deshalb haben wir uns entschlos-
sen, die Antwort darauf zu geben und die gesetzliche Re-
gelaltersgrenze der Rentenversicherung schrittweise auf
67 Jahre anzuheben. Das geschieht nicht sofort, sondern
beginnt erst ab 2012 mit einer langen Übergangszeit.
Wir haben daneben aber festgelegt, dass Menschen, die
45 Arbeitsjahre hinter sich haben, auch weiterhin ab-
schlagsfrei mit 65 Jahren in Rente gehen können. Ich
denke, damit haben wir uns eine ganz sinnvolle Rege-
lung überlegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben das ausführlich diskutiert und gesagt, wir
müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen rechtzeitig
darauf einstellen können. Verlässlichkeit soll das Mar-
kenzeichen dieser Bundesregierung sein. Wir werden
das deshalb schon 2007 beschließen müssen. Dieses
Vorhaben wird dann Hand in Hand mit besonderen An-
strengungen in Bezug auf Beschäftigungsmaßnahmen
für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rah-
men der Initiative 50 plus gehen. Wenn wir es nicht
schaffen, dass auch die Älteren wieder die Chance ha-
ben, länger arbeiten zu können, dann werden wir in der
Gesellschaft kein Verständnis dafür erhalten, dass wir
die Lebensarbeitszeit insgesamt verlängern. Beides muss
Hand in Hand gehen. Alles andere wird keine Akzeptanz
finden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Wir haben gesagt, dass wir die Rentnerinnen und entner mit einer Sicherungsklausel vor Rentenkürzunen schützen. Weil es aber dabei bleibt, dass sich die ente auch in Zukunft im Grundsatz an der Lohnenticklung orientiert, müssen wir gleichermaßen auch saen, dass ausgebliebene Anpassungen in den kommenen Jahren nachgeholt werden. Das bedeutet, dass wir en Menschen – insbesondere denjenigen mit kleineren enten – sehr viel zumuten. Ich weiß das. Ich sage aber uch: Wir haben darum gerungen, wie wir Gerechtigkeit wischen den Älteren und den Jüngeren herstellen könen. Ich halte es für besser, dass wir heute klar sagen, as wir können und was wir nicht können, um einen usgleich zwischen den Generationen auch als Vertrau nsbasis für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft urchzusetzen. Meine Damen und Herren, es gehört doch zur Ehrichkeit, zu sagen – ich sage das für alle politischen ruppen –, dass wir den Menschen dort zu oft Sicherheit orgegaukelt haben, wo wir sie im Grunde nicht mehr arantieren konnten. Diesen Fehler wollen wir nicht iederholen. Deshalb werden wir auch die kapitalgedeckte ltersversorgung für junge Familien deutlich verbes ern und das selbst genutzte Wohneigentum in die Alersversorgung integrieren. Ich glaube, damit sind zwei esentliche Punkte gelungen, durch die die Menschen hre freiwillige Vorsorge für ihr Alter verstärken werden. nsofern kann ich sagen: Wir sind bei der Rente und em, was wir uns vorgenommen haben, einen ehrlichen, chwierigen, aber zukunftsträchtigen Weg gegangen. Ich sage ganz ehrlich: Zur Wahrheit dieser Regieungserklärung gehört auch, dass uns das beim Gesundeitssystem noch nicht gelungen ist. Ich sage: „noch icht“. Auch die Kranken sollen sich natürlich auf ein uverlässiges Gesundheitssystem verlassen können. Sie lle wissen – darüber braucht man gar nicht hinwegzugeen –, Union und Sozialdemokraten haben mit der soliarischen Gesundheitsprämie auf der einen Seite und der ürgerversicherung auf der anderen Seite bisher zwei öllig konträre Ansätze verfolgt. Ich sage auch sehr eutlich: Wir wollten in den Koalitionsverhandlungen einen faulen Kompromiss auf die Schnelle erreichen. Das heißt: Wir alle wissen, dass wir einen neuen Anatz und ein leistungsfähiges und hoch qualifiziertes Geundheitssystem brauchen, das für alle zugänglich ist. Es uss Beschäftigung ermöglichen, wettbewerbsfördernd ein, die Lasten solidarisch verteilen und Generationenerechtigkeit bieten. All diese Dinge wissen wir. Desalb sind wir bereit und willens, mit einem neuen Ansatz m neuen Jahr eine Lösung hierfür zu finden, auch wenn as eine schwierige Aufgabe ist. Ich zumindest werde ich sehr dafür einsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sieht das denn aus?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Auf der Leistungsseite werden wir allerdings schnell
eränderungen vornehmen. Wir wollen mehr Vertrags-

reiheit und Gestaltungsmöglichkeiten von den Patienten






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
über die Krankenkassen bis hin zu den Praxen und den
Krankenhäusern. Bei der Arzneimittelversorgung kom-
men wir um weitere Maßnahmen zur Kostensenkung
nicht herum. Insbesondere die forschende Pharma-
industrie muss bessere Standortbedingungen erhalten.
Auch dafür haben wir Sorge getragen. Denn die Innova-
tionskraft Deutschlands wird gerade von der forschen-
den Pharmaindustrie in ganz wesentlichem Umfang ab-
hängen.

Genauso wie die Krankenversicherung bleibt auch die
Pflegeversicherung ein zentraler Baustein der solidari-
schen Absicherung. Wir wollen, dass der Zweck und die
Idee der Pflegeversicherung auch weiterhin gelebt wer-
den können. Das heißt, dass wir das Umlageverfahren
durch eine kapitalgedeckte Demographierücklage ergän-
zen werden. Das heißt auch, dass die private Pflegeversi-
cherung zukünftig einen Beitrag zur Bewältigung der
Solidarität leisten muss. Das muss fair geschehen; aber
wir glauben, dass dies im Rahmen der Pflegeversiche-
rung ein richtiger Schritt ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir tun das – ich wiederhole mich –, weil sich Alte,
Kranke und Kinder auch in Zukunft darauf verlassen
können müssen, dass ihnen geholfen wird und sie nicht
alleine sind. Es geht dabei nicht nur um materielle
Dinge, sondern das ist auch eine moralische Aufgabe.

Dabei wissen wir: Das Zusammenleben der Gene-
rationen hat sich in den letzten Jahren tief greifend ver-
ändert. Es gibt die traditionellen Familien; es gibt die so
genannten Patchworkfamilien; es gibt allein erziehende
Eltern. Ich sage es kurz und knapp: Familie ist überall
dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauer-
haft Verantwortung tragen.

Ich will nicht, dass der Staat lenkend eingreift oder
gar Lebensentwürfe vorschreibt. Aber ich will schon
– das ist unser gemeinsames Anliegen –, dass der Staat
gute Rahmenbedingungen schafft. Das heißt, dass junge
Menschen ermutigt werden, sich für ein Leben mit Kin-
dern zu entscheiden, und dass sie dazu nicht nur ermutigt
werden, sondern dass sie sich auch entscheiden können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das hat aus meiner Sicht zuvörderst damit zu tun, ob
es in diesem Land ein Klima der Zuversicht, des Mutes
und der Perspektiven für das eigene Leben gibt. Aber es
hat außerdem etwas mit sehr praktischen Fragen zu tun,
nämlich mit ausreichenden und bezahlbaren Betreu-
ungsmöglichkeiten. Sicher: Nach außen ist der Streit
über die Entscheidung zwischen Kindererziehung und
beruflichem Fortkommen der vergangenen Jahrzehnte
nach vielen Diskussionen und Reden überwunden. Aber
ich betone: nach außen.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Dennoch wissen wir, dass die Realität auch heute
noch oft eine andere ist, dass die Widersprüche zwischen
Arbeits- und Familienwelt nicht einfach verschwunden
sind und es auch heute nicht selten noch immer eine

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(C (D rage ist, ob sich eine Frau am Ende für die Vereinbareit von Familie und Beruf entscheiden kann oder ob sie ich zwischen Familie und Beruf entscheiden muss. Die Politik will dabei helfen, dass diese Widersprüche icht nur in Worten und Sonntagsreden überwunden erden, sondern zunehmend auch im täglichen Leben. as werden wir tun, indem wir den Ausbau der Kinderetreuungseinrichtungen vorantreiben. Bis 2010 sollen 30 000 zusätzliche Betreuungsplätze vor allem für leinkinder entstehen. Die zugesagten Mittel allerdings das betone ich – müssen den Kommunen real zur Verügung gestellt werden, damit sie diese Aufgabe erfüllen önnen. Nach der Föderalismusreform wird das noch ichtiger. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


ir werden die Kinderbetreuung auch steuerlich besser
ördern. Die Vielzahl von Familienleistungen wollen wir
m Übrigen in einer Familienkasse bündeln, harmoni-
ieren und organisatorisch zusammenfassen.

Aber an einem Problem in unserem Land können wir
icht vorbeisehen: Je besser die Ausbildung der jungen
rauen und Männer ist, desto seltener entscheiden sie
ich für Kinder. Das kennen wir alle und das wird uns
uch immer wieder erzählt. Eine Frau hat ein Studium
bsolviert, eine hervorragende Ausbildung machen kön-
en, möchte im Beruf Karriere machen und steht dann
or der Frage, wie sie diesen Berufswunsch mit ihrem
unsch, eine Familie zu gründen, vereinbart.

Ich sage unumwunden: Ich würde lügen, wenn ich be-
aupten würde, dass dieser Konflikt ganz einfach und lo-
ker überwunden werden kann. Das kann er nicht. Aber
eitens der Politik können wir einen kleinen Beitrag dazu
eisten, diesen Konflikt ein wenig zu mildern. Genau das
aben wir getan, indem wir uns entschlossen haben, ein
lterngeld einzuführen. Es wird erstmals als Einkom-
ensersatz ausgestaltet und zusätzlich mit einer Väter-

omponente verbunden. Das ist ein neuartiger Ansatz in
eide Richtungen. Ich ahne schon jetzt, welche Diskus-
ionen er hervorrufen wird. Doch die Betriebe – das sage
ch ganz ausdrücklich – sollen sich stärker als bisher in
er Pflicht sehen, auch einmal die Väter zeitweise frei-
ustellen, und zwar, wo immer dies möglich ist, ohne be-
ufliche Nachteile. Dieser sanfte Druck ist unumgäng-
ich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich nenne ein weiteres Stichwort aus unserem Fami-
ienprogramm, das mir sehr wichtig ist: die Mehrgene-
ationenhäuser. Ich halte es für eines der spannendsten
rojekte der Familien- und Gesellschaftspolitik in einer
eit der Änderung der Altersstruktur in unserer Gesell-
chaft. Wir wissen, dass die Anforderungen an Mobilität
m Berufsleben auf der einen Seite und der Wunsch nach
ürsorge innerhalb der Familie auf der anderen Seite
eute oft nicht miteinander vereinbar sind. Deshalb ge-
ingt es oft nicht, dass die pflegebedürftigen Eltern am
leichen Ort wie die Kinder wohnen oder dass sich die
roßeltern um die Enkel kümmern können.






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Mit Mehrgenerationenhäusern – wir müssen diesen
Weg symbolisch gehen, um immer wieder deutlich zu
machen, dass es andere Formen des Zusammenlebens
gibt – können wir Menschen aus der Vereinsamung he-
rausführen. Wir können eine Plattform für bürgerschaft-
liches Engagement schaffen und zeigen, dass sich die
Generationen mit ihren Erfahrungen im Miteinander der
Starken und Schwachen unserer Gesellschaft etwas zu
sagen haben. Deshalb ist das mehr als irgendein Projekt;
es ist vielmehr eine Pforte für uns, um zu lernen, in einer
sich verändernden Gesellschaft miteinander menschlich
zu leben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe über die vermeintlich Schwachen gespro-
chen. Wir wissen, dass sie in Wahrheit oft stark sind und
einen unverzichtbaren Beitrag für sich selbst und unser
Gemeinwesen leisten können. Dies zu erkennen und
auch zu nutzen macht den Wert von Gerechtigkeit in
unserer Gesellschaft aus.

Ich bin davon überzeugt: Wir müssen uns in jeder Ge-
neration neu besinnen, was gerecht und was ungerecht
ist. Gerecht ist, wenn den Schwachen geholfen wird. Un-
gerecht ist, wenn sich Starke als Schwache verkleiden
und damit die Gemeinschaft ausnutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ungerecht ist auch, wenn wir Menschen entmündigen
und ihnen die Möglichkeit nehmen, ihre eigenen Kräfte
zu entdecken. Deshalb brauchen wir eine neue Gerech-
tigkeit.

Jeder von uns kennt in seinem Bekanntenkreis Men-
schen, denen es wirklich schlecht geht und die unsere
Hilfe dringend brauchen. Aber wir alle kennen auch
Menschen, die diese Hilfsbereitschaft einfach ausnutzen.


(Zuruf von der LINKEN: Deutsche Bahn AG!)


Lassen Sie mich auch an dieser Stelle ganz konkret
werden: Diese Regierung bekennt sich ausdrücklich zur
Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozial-
hilfe. SPD und Union haben diesen Schritt von Anfang
an grundsätzlich für richtig gehalten. Das schließt unter-
schiedliche Auffassungen, zum Beispiel über die Rolle
der Kommunen, nicht aus. Aber wir werden diesen
Schritt nicht nur gemeinsam gehen, sondern wir werden
auch dafür Sorge tragen, dass es in diesem Bereich mehr
Gerechtigkeit und weniger Missbrauch geben wird. Des-
halb werden wir die Reform der Bundesagentur für Ar-
beit fortsetzen. Bei der Vermittlungsarbeit sind – das
kann mit Recht festgestellt werden – in den letzten Jah-
ren erhebliche Fortschritte erzielt worden. Wir werden
auch, wo immer möglich, Arbeit finanzieren statt Nicht-
arbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Denn Arbeit heißt, wie wir alle wissen, mehr als Ein-
kommen und Geld; Arbeit bedeutet vielmehr Würde und
Selbstachtung für die betroffenen Menschen.

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(C (D (Beifall der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])


Aber nicht immer – auch das gehört zur Wahrheit –
ird nur das in Anspruch genommen, was nach Sinn und
weck den Empfängern gesetzlich zusteht. Deshalb wer-
en wir die Regelungen so ändern, dass Kinder unter
5 Jahren zunächst einmal von ihren Eltern unterhalten
erden, bevor die Gemeinschaft eintritt. Solidarität in
er Gesellschaft kann keine Einbahnstraße sein. Sie
üssen immer bedenken: Das alles wird von den Steuer-

ahlern bezahlt, die jeden Morgen zur Arbeit gehen und
in Recht darauf haben, dass auch andere ihre Verpflich-
ungen einhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mehr Gerechtigkeit in diesem Bereich bedeutet aber
uch, dass der Maßstab, das Arbeitslosengeld II einfach
n zwei Zonen – Ost und West – aufzuteilen, so nicht
rägt. Deshalb wird die so genannte Regelleistung beim
rbeitslosengeld II Ost an die des Westens angeglichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Alles in allem haben wir uns in der Arbeitsmarktpoli-
ik vorgenommen, knapp 4 Milliarden Euro einzusparen.
as ist ein anspruchsvolles Ziel, aber es ist ein wichtiger
eitrag zur Haushaltskonsolidierung.

Wir führen – das richte ich an alle Landräte und Kom-
unalpolitiker – derzeit sehr intensive Gespräche mit

en kommunalen Spitzenverbänden und den Ländern,
m bei der Revisionsklausel, was die Kosten für die so-
iale Grundsicherung angeht, noch ein Einvernehmen zu
rzielen. Wir werden dabei an dem Ziel, die Kommunen
m 2,5 Milliarden Euro zu entlasten, wie wir es verspro-
hen haben, festhalten und das muss auch die Basis für
ie Verhandlungen über die Jahre 2006 und 2007 sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen – das wissen wir alle angesichts der kur-
en Zeit, in der die Zusammenlegung von Arbeitslosen-
nd Sozialhilfe erst wirkt – den Grundsatz „Fördern und
ordern“ umfassend umsetzen. Wir haben heute noch
icht den Zustand erreicht, dass die Menschen, die zum
eil weniger Leistungen bekommen, den Eindruck ha-
en, dass sie wirklich eine zusätzliche Chance erhalten
aben. Das muss durchgesetzt werden. Ansonsten wird
ie Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
eine allgemeine Akzeptanz finden.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Wohl wahr!)


Wenn wir ein Land sein wollen, in dem wir ein Herz
ür Schwache haben, dann brauchen wir auch ein Herz
ür Leistung und auch ein Herz für mehr Leistung. Wir
üssen stärker anerkennen, wenn sich Menschen enga-

ieren, wenn sie etwas leisten und wenn sie etwas auf-
auen. Diese Menschen verdienen nicht unseren Neid,
ondern unsere Dankbarkeit.






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Denn mehr Freiheit möglich zu machen heißt: Wir kön-
nen den Schwachen dann und nur dann etwas abgeben,
wenn wir mehr Starke haben, die alle anderen mitziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die neue Regierung wird sich genau aus diesem
Grund in ganz besonderer Weise für den Mittelstand
einsetzen; denn dort lassen sich die meisten Quellen der
Innovation finden. Dort ist der Jobmotor am wirkungs-
vollsten und werden die meisten Ausbildungsplätze be-
reitgestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden die Wachstumskräfte des Mittelstandes sehr
gezielt stärken. Wir wollen zum 1. Januar 2008 eine
rechtsformneutrale Unternehmensteuerreform in Kraft
setzen, das heißt endlich eine Lösung – das ist in Zeiten
der Globalisierung in Deutschland von extremer Bedeu-
tung –, bei der die Personengesellschaften, die Familien-
betriebe, die gleichen steuerliche Möglichkeiten haben
wie die Körperschaften, wie die ganz Großen. Die Lö-
sung dieser Aufgabe haben wir uns – das sage ich ganz
unumwunden – seit zehn Jahren vorgenommen, wo im-
mer wir gemeinsam oder nicht gemeinsam politisch tätig
waren. Aber wir haben diese Aufgabe nie gelöst. Des-
halb sage ich ausdrücklich: Diese Regierung will diese
Aufgabe lösen. Genau dies kann eine Möglichkeit der
großen Koalition sein, sich auf die Sache zu konzentrie-
ren, damit wir nicht im parteipolitischen Hickhack anei-
nander geraten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Für die Übergangszeit, in der wir die Rechtsformneu-
tralität noch nicht erreicht haben, wollen wir die Ab-
schreibungsmöglichkeiten befristet verbessern. Wir wol-
len durch die Verbesserung der Istbesteuerung einen
kleinen Beitrag zur Entlastung des Mittelstandes leisten,
der durch die 13. Beitragserhebung im kommenden Jahr
stärker belastet wird. Wir wollen des Weiteren – das
halte ich für ausgesprochen wichtig; das ist ein klares
Signal – eine reduzierte Erbschaftsteuer für Familienbe-
triebe; das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das sind drei
Dinge, die wir für den Mittelstand tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meiner Meinung nach können wir am meisten beim
Bürokratieabbau leisten. Wir wissen, dass kleine und
mittlere Unternehmen etwa vier bis sechs Prozent ihres
Umsatzes nur für die Deckung von Bürokratiekosten
ausgeben. Wir werden uns das genau anschauen und erst
einmal lernen, Bürokratiekosten zu berechnen und zu
bemessen. Wir nehmen uns klare Reduktionsziele vor.
Andere Länder, zum Beispiel die Niederlande oder
Großbritannien, haben uns das schon vorgemacht. Wir
machen einen Small-Companies-Act, wie das auf Neu-
deutsch heißt, also ein Gesetz für kleine Unternehmen,
das ganz konkret zu weniger Kontroll- und Überprü-

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(C (D ungspflichten, einfacheren Formularen und nicht daurnd zu neuen Statistiken führt. Dann haben wir für den ittelstand in Deutschland wirklich etwas erreicht. Dies ird eine ganz besonders wichtige Aufgabe sein, deren ösung wir vom Kanzleramt aus steuern werden. Wir haben uns vorgenommen, die EU-Richtlinien im rundsatz nur noch eins zu eins umzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ch halte das für ausgesprochen wichtig. Ich weiß, dass
as Gegenstand vieler politischer Debatten und Ent-
cheidungen war. Jeder muss in diesem Land begreifen:
enn wir uns zusätzlich zu dem, was wir in Europa ver-

inbaren – das ist oft schon bürokratisch genug; das
uss ich leider sagen –, Lasten aufbürden, dann haben
ir gegenüber unseren europäischen Mitbewerbern
eine fairen Chancen. Wir wollen aber bei aller Freund-
chaft zu allen anderen Ländern, dass in Deutschland
rbeitsplätze entstehen. Das ist die Aufgabe einer Bun-
esregierung. Dafür müssen wir sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das heißt also, dass wir eine Politik mit einem Grund-
erständnis machen werden, das darauf beruht, dass die
orschriften, die wir machen, für die Menschen da sind
nd nicht die Menschen zur Erfüllung der Vorschriften.
o können wir den Starken im Lande wieder helfen und
ann auch den Schwachen in diesem Lande. Das muss
nser Grundverständnis sein. Daran müssen wir alles
rüfen. Das hat gar nichts mit Ideologie zu tun, sondern
it ganz praktischem menschlichem Sachverstand.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich bin davon überzeugt, dass uns das gelingen kann.
s gibt viele tüchtige Vorbilder. Ich habe vor einigen
ochen etwas sehr Selbstverständliches gesagt. Ich habe

esagt: Ich will Deutschland dienen. – Ich kenne viele
enschen, die dem Land, anderen Menschen und der
emeinschaft dienen – selbstlos und ohne dass davon
roß Notiz genommen wird. Diese Menschen müssen
nser Vorbild, das Vorbild für diese Bundesregierung
ein. Die Anerkennung des Nächsten in der Gemeinde,
m Wohngebiet, in der Schule oder im Betrieb – das alles
at etwas damit zu tun, ob wir das schaffen, was wir oft
ine lebendige Bürgergesellschaft nennen. Das ehren-
mtliche Engagement ist ein unersetzbarer Bestandteil
ieser Bürgergesellschaft. Wo immer es geht, wollen wir
ieses ehrenamtliche Engagement stärken. Genau das,
as viele Menschen in ungezählten Kultur-, Musik- und
esangvereinen in ihrer Freizeit tun, hält unsere Gesell-

chaft zusammen. Bei allen Rechtsansprüchen, die wir
ns durch Gesetze setzen, müssen wir immer bedenken,
ass noch ausreichend Spielraum genau für dieses ehren-
mtliche Engagement bleibt. Ansonsten geht unserer
esellschaft ganz Wesentliches verloren. Ich zumindest
in davon zutiefst überzeugt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Unsere Kultur ist die Grundlage unseres Zusammen-
haltes. Deshalb ist Kulturförderung für diese Bundes-
regierung keine Subvention. Dieser Begriff – ich sage
das ausdrücklich – verbietet sich an dieser Stelle.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie ist eine Investition, und zwar eine Investition in ein
lebenswertes Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Natürlich regelt unsere Verfassung die Förderung von
Kunst und Kultur. Sie ist primär den Ländern zugeord-
net. Das wissen wir. Aber ich sage ebenso deutlich, dass
der Bund auch in Zukunft eine Reihe ganz wichtiger
Kulturaufgaben wahrnehmen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deutschland – und nicht nur die Summe der
16 Bundesländer – ist schließlich eine europäische Kul-
turnation.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Bundesregierung – das hat etwas mit unserem
historischem Verständnis zu tun – wird wie die Regie-
rung zuvor auch einen Beitrag zum Erhalt des kulturel-
len Erbes der Vertriebenen leisten. Wir wollen im Geiste
der Versöhnung auch in Berlin ein sichtbares Zeichen
setzen, um an das Unrecht der Vertreibung zu erin-
nern, und wir werden dies im europäischen Kontext tun.
Aus meiner Sicht bietet die gemeinsame Erklärung der
Präsidenten Rau und Kwásniewski eine gute Grundlage
dafür, dass wir einen gemeinsamen und nicht einen tren-
nenden Weg finden werden. Ich sage hier sehr persön-
lich: Auf meinen Reisen, die ich in die entsprechenden
Länder mache, werde ich mich sehr dafür einsetzen, dass
uns dies gelingt. Das hat etwas mit unserem eigenen his-
torischen Selbstverständnis zu tun. Es hat aber auch et-
was mit dem Vertrauen anderer in uns zu tun. Deshalb
muss beides zusammengebracht werden. Ich bin der
Überzeugung: Das geht und das können wir schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Regierung ist Anwalt aller Deutschen wie aller
in Deutschland lebenden Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Wir werden deswegen mit allem Nachdruck, wo immer
es erforderlich ist, gegen jede Form von Extremismus,
Rassismus und Antisemitismus kämpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Initiativen der Bürgergesellschaft, die sich hier en-
gagieren, haben unsere volle Unterstützung. Wir sind ein
tolerantes, wir sind ein weltoffenes Land. Deutschland
ist zugleich ein Land, das seine Traditionen und seine
Kultur pflegt. Das eine kann es ohne das andere nicht ge-
ben; denn Heimat gibt gerade in Zeiten des sehr schnel-
len Wandels, in denen wir leben, den Halt, den die Men-

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(C (D chen brauchen, jedem Einzelnen und unserem Land als anzem. Deshalb haben wir nicht ohne Grund unserem oalitionsvertrag den Titel „Gemeinsam für Deutsch and“ gegeben. Parallelgesellschaften, in denen die rundlegenden Werte des Zusammenlebens in unserem and nicht geachtet werden, passen nicht in dieses Denen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


eshalb ist Integration eine Schlüsselaufgabe unserer
eit. Mit der Ansiedelung der Beauftragten für Migra-

ion, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt habe ich
ehr bewusst ein Signal gesetzt, dass dies eine gesamt-
olitische Aufgabe ist, der wir große Beachtung schen-
en wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich bin der Überzeugung, dass Integration nur gelin-
en kann, wenn ausländische Kinder konsequent dazu
ebracht werden und auch die Möglichkeit haben,
eutsch zu lernen. Wir werden deshalb gerade in den
chulen das Erlernen der deutschen Sprache fördern.
esser gesagt, wir werden die Länder in ihrem Bemühen
nterstützen, dass Kinder nur dann in die Schule kom-
en dürfen, wenn sie der deutschen Sprache mächtig

ind. Ansonsten haben sie vom ersten Schultag an nicht
ie Chancen, die wir ihnen geben müssen, um auch ih-
en ein gutes Leben in unserem Land zu ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen einen Dialog mit dem Islam. Wir müs-
en einander verstehen lernen; das gehört dazu. Wir
üssen im Übrigen darauf achten, dass wir unsere ei-

ene Religion, das Christentum, ausreichend verstehen,
oweit wir Christen sind – das gilt auch für andere, die
nderen Religionen anhängen –; denn einen Dialog der
ulturen kann man nur führen, wenn man sich seiner

igenen Kultur auch wirklich bewusst ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


ir werden das offen und ehrlich tun. Wir werden vor
llen Dingen Differenzen eindeutig benennen, wo immer
ie auftreten.

Deshalb sage ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich
ich sage dies auch als Frau –: Zwangsverheiratungen

der Ehrenmorde – beides schreckliche Begriffe – ha-
en nichts, aber auch gar nichts mit Ehre zu tun und sie
aben auch gar nichts in unserer Gesellschaft zu suchen.


(Beifall im ganzen Hause)


ir können sie nicht dulden, wir wollen sie nicht dul-
en. Wir werden das deutlich machen.

Sicher kann jeder von uns selbst etwas für unsere Ge-
einschaft tun. Vieles kann von dem Einzelnen besser

ls vom Staat erreicht werden. Aber der Einzelne hat ein
nrecht darauf, dass der Staat auch ihn in die Lage






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
versetzt, seine eigenen Kräfte zu entfalten. Viele Men-
schen werden heute – das müssen wir ganz klar sehen –
an ihrem Einsatz, am Einbringen ihrer Möglichkeiten
gehindert, weil das größte Problem, mit dem unser Land
zu kämpfen hat – die Arbeitslosigkeit –, nicht ausrei-
chend gelöst ist. Wir haben die höchste Zahl an Lang-
zeitarbeitslosen, die die Bundesrepublik Deutschland je
erlebt hat, und das muss sich wieder ändern.

Im Übrigen werden wir von den Menschen als Regie-
rung und als die diese Regierung tragenden Fraktionen
zum Schluss an genau dieser Frage gemessen werden:
Haben wir hier etwas erreicht oder haben wir nichts er-
reicht? Diesem Anspruch wollen wir uns auch stellen.
Ich sage ganz ausdrücklich: Das muss unser Ziel sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir wissen, dass die Politik keine Arbeitsplätze
schaffen kann; aber sie kann Rahmenbedingungen stel-
len. Wir haben sehr viel über diese Rahmenbedingungen
gesprochen. Wir wissen, dass damit zusammenhängt,
dass Menschen in Würde leben können. Deshalb haben
wir uns einiges vorgenommen.

Erstens. Seit über drei Jahrzehnten steigen die gesetz-
lichen Lohnzusatzkosten bzw. verharren auf einem
internationalen Höchstniveau. Wir wollen das ändern;
deshalb wollen wir die Beiträge zur Arbeitslosenversi-
cherung um 2 Prozentpunkte senken. Einen Prozentpunkt
sollen Strukturmaßnahmen innerhalb der Bundesagentur
für Arbeit erbringen. Ein weiterer Prozentpunkt soll
durch den Einsatz eines Punktes Mehrwertsteuer finan-
ziert werden. Es ist im Übrigen erfreulich, dass die Län-
der an dieser Stelle auf ihren Anteil an der Mehrwert-
steuer verzichten werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen die Lohnzusatzkosten in dieser Legislatur-
periode dauerhaft unter 40 Prozent halten.

Zweitens. Deutschland muss den Wandel zu einer
modernen Dienstleistungsgesellschaft schaffen. Wir
werden deshalb die privaten Haushalte im Grundsatz als
Arbeitgeber anerkennen. Jeder, der den politischen Streit
der vergangenen Jahrzehnte verfolgt hat, weiß, dass hier
eine lange ideologische Auseinandersetzung zu Ende
geht. Wir werden sowohl für die Abrechnung von Hand-
werkerleistungen als auch für die Frage der Kinderbe-
treuung als auch für andere haushaltsnahen Dienstleis-
tungen den Haushalt als Arbeitgeber installieren. Das
wird ein Umdenken in Richtung einer Dienstleistungsge-
sellschaft in Deutschland bedeuten. Ich finde das richtig,
ich finde das erfreulich. Lassen Sie uns das Ganze mit
Freude angehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Drittens. Wir wissen, dass gerade gering Qualifizierte
in unserem Land unglaubliche Schwierigkeiten haben,
eine Beschäftigung, und zwar zu regulären Löhnen, zu
finden. Es geht hierbei nicht um irgendeine Statistik der
Bundesagentur für Arbeit, sondern es geht um etwa
2 Millionen Menschen in unserem Land, für die wir uns
Gedanken über die Frage machen müssen: In welcher

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(C (D rt und Weise können wir diese Menschen wieder in ohn und Brot bringen? Deshalb werden wir das Thema ombilohn im Niedriglohnsektor aufgreifen. Wir wer en uns darum bemühen, genau an dieser Stelle eine Löung zu finden, bei der eine Lohnleistung durch eine taatliche Leistung ergänzt wird. Wir wissen, dass das Fragen berührt – wir haben das uch in unserem Koalitionsvertrag niedergelegt – wie ntsendegesetz, Mindestlohn, Auswirkungen der EUienstleistungsrichtlinie. Das gehört zu den komplizier esten Themen. Aber ich habe in den Koalitionsverhandungen gespürt, dass der Wille da ist, diese 2 Millionen enschen nicht einfach zu vergessen, sondern sich um ernünftige Lösungen zu bemühen. Dafür lohnt es sich uch, in den nächsten Monaten zu arbeiten. Viertens. Wir werden moderate Reformen im Bereich es Arbeitsrechts durchführen. Wir müssen immer wieer schauen: Wo sind Hürden, die Menschen den Weg in ie Arbeitswelt versperren? Wir müssen lernen, dies öglichst vorurteilsfrei zu betrachten. Deshalb bin ich ehr dankbar dafür, dass es uns gelungen ist, beim Künigungsschutz die Wartezeit von bis zu 24 Monaten einuführen, das heißt, Kündigungsschutz gilt dann erst ach 24 Monaten. Ich glaube, dass das für kleine Beriebe bessere Möglichkeiten bietet, Menschen einzustelen und ein Wagnis einzugehen, sodass nicht die Menchen an dieser Stelle sozusagen draußen gelassen erden. (Unruhe bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich höre schon das Gegrummel. – Wir können natür-
ich so weitermachen. Wir können so tun, als ob beste-
ende Sicherheiten wirklich Sicherheit bieten. Wir kön-
en aber auch einfach einmal fragen, ob wir das, was
ndere Länder mit guten Erfahrungen machen, nicht
uch tun sollten. Wir können doch das, was wir hören,
enn wir bei unserer Abgeordnetentätigkeit im Wahl-
reis den Handwerksmeister fragen: „Warum lassen Sie
hre Leute Überstunden machen? Warum stellen Sie
icht einen zusätzlich ein?“, einfach einmal bedenken
nd neue Wege gehen. Nach ein paar Jahren können wir
chauen, ob es sich bewährt hat oder nicht und ob wir
araus Erfolge machen können. Wir sind das den Men-
chen in diesem Lande schuldig. Bei über 4 Millionen
rbeitslosen muss man auch einmal neue Wege gehen.

ch zumindest bin davon völlig überzeugt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Fünftens. Wir werden den Nationalen Pakt für Aus-
ildung und Fachkräftenachwuchs weiterführen. Ich
öchte mich hier ausdrücklich dafür bedanken, dass die
irtschaft, insbesondere das Handwerk und die Kam-
ern, hierzu einen riesigen Beitrag geleistet haben. Wir

ehen davon aus, dass wir weiterhin in jedem Jahr
0 000 neue Ausbildungsplätze brauchen. Wir müssen
ns auch ganz intensiv der Tatsache annehmen, dass
iele junge Leute nicht ausbildungsfähig sind, wenn sie






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
von der Schule kommen. Das erfordert ein enges Zusam-
menwirken von Bund und Ländern an dieser Stelle;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


denn man kann sich nicht damit abfinden, dass teure
Schulausbildung nicht zur Ausbildungsfähigkeit der jun-
gen Menschen führt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


In der Frage der betrieblichen Bündnisse – jeder weiß,
dass wir darüber im Wahlkampf sehr unterschiedlicher
Meinung waren und es auch weiter sind; das gehört zur
Wahrheit dazu – müssen wir weiterhin schauen, wie wir
im Rahmen der Tarifautonomie – ich betone ausdrück-
lich, dass niemand in dieser Koalition die Tarifautono-
mie infrage stellt – ein höheres Maß an Flexibilität errei-
chen. Ich will ausdrücklich sagen: Es geschieht einiges
bei den Gewerkschaften. Unser ganzes Tun sollte darauf
gerichtet sein, Gewerkschaften zu ermuntern, da, wo das
heute noch nicht geschieht, weiterzugehen und mehr
Flexibilität zu schaffen. Die Erfahrungen von denen, die
das getan haben, sind positiv. Genau dieser Weg muss
von uns weiter gegangen werden oder es müssen zu-
nächst Gespräche darüber geführt werden.

Die beste Reform des Arbeitsmarkts hilft wenig
– auch das wissen wir –, wenn wir uns nicht auf eines
besinnen, nämlich auf das, was uns als Land – ich habe
das am Anfang gesagt – immer wieder stark gemacht
hat: Das sind Bildung und Innovation. Sie sind mehr
denn je der Rohstoff unseres Landes, der Rohstoff der
Deutschen. Wir wissen: Wir müssen besser sein als an-
dere, und zwar immer so viel besser, wie wir teurer sind.
Wir wollen teurer sein, weil wir unseren Wohlstand er-
halten wollen. Deshalb ist unser Ziel nicht, im Wettbe-
werb um die niedrigsten Löhne mitzuhalten; das können
wir nicht. Vielmehr müssen wir besser sein als andere
und Bildung nach vorn bringen. Herkunft darf in diesem
Land nicht die Zukunft der jungen Menschen bestim-
men. Das muss unser Anspruch sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Meine Damen und Herren, an guten Traditionen man-
gelt es nicht, weder bei unserer Schulbildung, wie man
an ihrem Ruf erkennt, noch bei der Berufsbildung. Das
System der dualen Berufsausbildung ist fast so bedeu-
tend wie „Made in Germany“ bei der Produktherstel-
lung. „Trained in Germany“ könnte wieder ein Marken-
zeichen von uns werden. Wir wissen aber auch, weil es
uns die PISA-Studie vor Augen geführt hat: Wir sind
nicht so Spitze, wie wir es eigentlich gerne wären. An
der zweiten PISA-Studie zeigt sich allerdings, dass,
wenn sich Länder anstrengen – ich nenne als Beispiel
das Land Sachsen-Anhalt –, innerhalb von wenigen Jah-
ren ein deutlicher Fortschritt erreicht werden kann. Wir
wissen ja an vielen Stellen, wo die Probleme liegen. Es
ist wichtig, dass wir die Bildungschancen verbessern.
Deshalb hat der Bund einmalig – wir werden das fortset-
zen – ein Programm zum Ausbau von Ganztagsschulen
aufgelegt, damit wir auch in diesem Bereich besser vo-
rankommen. Ich hoffe, dass das nach der Föderalismus-

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(C (D eform von den Ländern in entsprechender Weise fortgeetzt wird. Ich sage das mit großem Ernst: Ich glaube, noch nie hat in Koalitionsvertrag in Deutschland so sehr auf Innovaion und Technologiefreundlichkeit in Zukunftsbranhen gesetzt. Die finanzielle Ausstattung für die nächsen Jahre, das Ziel, die Ausgaben für Forschung, echnologie und Entwicklung bis zum Jahr 2010 auf Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, ozu der Staat mit 1 Prozent seinen Beitrag leisten wird, eigt deutlich: Diese Verpflichtung sucht ihresgleichen. ir werden sie ganz strikt umsetzen. Dabei wollen wir or allen Dingen darauf achten, dass das Geld in Wissenchaft und Technik sinnvoll eingesetzt wird. Der Staat arf nicht glauben, er wisse selber, was da am besten zu un sei, sondern wir müssen die Begutachtung durch die issenschaftsorganisationen in den Vordergrund rücken. ir müssen auf die Freiheit der Entwicklungsmöglich eiten in der Nano-, Biound Informationstechnologie etzen. Wir müssen auch auf Leuchtturmprojekte setzen, it denen wir in der Welt beweisen können, auf welchen ebieten wir vorne sind. Ich nenne als Beispiele hoch ffiziente Kraftwerke, die elektronische Gesundheitsarte, die Weiterentwicklung der Brennstoffzelle und darüber haben wir lange genug gesprochen – den Auf au einer Transrapidreferenzstrecke. Es wäre schön, enn es auch an dieser Stelle weiterginge. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben in der Koalitionsvereinbarung auch einige
eiße Eisen angepackt. Wir werden noch einmal das Re-
elwerk für die Grüne Gentechnologie überarbeiten
nd wir werden bessere Möglichkeiten für unsere chemi-
che Industrie schaffen. Der Herr Bundesumweltminister
atte gestern das Vergnügen, in Brüssel genau darüber
u verhandeln. Wir werden die Initiative „Partner für In-
ovation“ fortführen. Ich persönlich werde einen Rat für
nnovation und Wachstum, über den ich schon vor eini-
en Monaten gesprochen habe, einrichten, weil ich
laube, dass die Tatsache – dessen muss sich die Politik
m gesamten Hause bewusst sein –, dass sich das Wissen
uf der Welt innerhalb von vier Jahren verdoppelt, bei
ns mental noch nicht ausreichend wahrgenommen wird.
ir alle – das gilt auch für mich persönlich – haben an

ielen Stellen Mühe, die technischen Entwicklungen so
u verstehen, dass wir in der Lage wären, zu erkennen,
elche rechtlichen Rahmenbedingungen wir schaffen
üssen. Wir sollten so ehrlich sein, das zuzugeben, und

m Dialog mit den Wissenschaftlern und Entwicklern
on diesen lernen.

Meine Damen und Herren, wir wissen: Als modernes
ndustrieland, als Dienstleistungsgesellschaft, als Wis-
ensgesellschaft werden wir nicht bestehen können,
enn wir nicht ein modernes Infrastrukturland sind.
as hat auch etwas mit unseren Verkehrsnetzen zu tun.
ir werden in den nächsten vier Jahren 4,3 Milliarden

uro mehr für Verkehrsinfrastrukturprojekte ausgeben.
ir werden die rechtlichen Rahmenbedingungen än-

ern. Wir werden nicht nur, wie das in der Vergangenheit






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
der Fall war, das Verkehrswegeplanungsbeschleuni-
gungsgesetz für die neuen Bundesländer weiterführen,
sondern für ganz Deutschland ein umfassendes Pla-
nungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg bringen. Das
wird schwierige Beratungen erfordern. Aber wenn man
sieht, wie europäische Mittel zum Beispiel in Spanien in
Windeseile verbaut werden, während wir Menschen um
Arbeitschancen bringen, weil wir für bestimmte Infra-
strukturprojekte Jahrzehnte brauchen, dann kann ich nur
sagen: Wir sind es den Menschen in diesem Lande
schuldig, dass wir uns an dieser Stelle anstrengen und
schauen, wie wir hier schneller vorankommen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir wissen, dass die Wettbewerbs- und Zukunftsfä-
higkeit unseres Landes ohne eine zukunftsweisende
Energiepolitik nicht denkbar ist. Wir haben unter-
schiedliche Auffassungen über die Nutzung der Kern-
energie. Aber wir haben uns – das finde ich wichtig – auf
eine Gesamtstrategie in der Energiepolitik sowie darauf
geeinigt, dass wir uns über den Energiemix Gedanken
machen.

Das heißt natürlich auch, dass wir ein deutliches Plä-
doyer für erneuerbare Energien abgeben. Wir werden
das Erneuerbare-Energien-Gesetz in der Grundstruktur
fortführen, aber wir werden – auch das gehört zur Ehr-
lichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern – die
wirtschaftliche Effizienz der einzelnen Vergütungen bis
2007 überprüfen. Wir werden schauen, was grundlastfä-
hig ist und wohin das Geld gehen muss. Ich glaube, wir
werden das in guter Gemeinsamkeit schaffen. Ziel ist ein
energiepolitisches Gesamtkonzept mit einem ausgewo-
genen Energiemix.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich werde Anfang des Jahres zu einem nationalen
Energiegipfel einladen, um einmal alle Beteiligten an ei-
nen Tisch zu bekommen. Die Probleme müssen auf den
Tisch gelegt werden. Denn wir wissen, es gibt auch unter
den verschiedenen Anbietern vielerlei Widersprüche.

Wir werden ein sehr anspruchsvolles Programm zur
energetischen Gebäudesanierung auflegen. Dieses
Programm wird nicht nur der Bauwirtschaft neue Im-
pulse geben – das ist der eine Aspekt –, sondern es wird
auch – davon bin ich zutiefst überzeugt – dem einzelnen
Bürger deutlich machen, welchen Beitrag er zur verbes-
serten Effizienz bei der Energieversorgung, also auch bei
der Reduktion von Kohlendioxidemissionen, leisten
kann. Wir haben uns bis jetzt viel zu viel auf die Indus-
trie konzentriert. Es ist gut, dass wir jetzt auch den priva-
ten Bereich hinzunehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden die Regeln für den Emissionshandel
überarbeiten. Ich sage ausdrücklich, dass dieser ein gutes
Instrument ist. Aber wir werden in der zweiten Phase,
also ab 2008, schauen müssen, dass die Anreize für die
Modernisierung unseres Kraftwerksparks erhalten blei-
ben. Wir werden dafür sorgen müssen, dass die ener-

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(C (D ieintensive Industrie nicht aus Deutschland abwandert nd dass wirtschaftliches Wachstum weiter möglich ist. Ich werde – das sage ich auch in Richtung des Umeltministers – auf meinen Auslandsreisen sehr bewusst ie Klimaschutzprojekte, die nach dem Kiotoprotokoll erade für die Entwicklungsländer von außerordentliher Bedeutung sind, als technologisches Know-how der undesrepublik Deutschland propagieren. Technologiexport und Klimaschutz liegen heute ganz eng beieinaner. Ich glaube, hier können wir unsere Rolle als Exporteltmeister deutlich machen. An einer Stelle ist der Knoten im Grunde schon urchgeschlagen worden, bevor die große Koalition ihre rbeit aufgenommen hat: das ist die Föderalismusre orm, also die Neuordnung unseres föderalen Staatsaufaus, die allerdings noch umgesetzt werden muss. Ich laube, diese Reform ist zum einen gegenüber unseren ürgerinnen und Bürgern wichtig. Denn sie können ann wieder besser verstehen, wo die Verantwortlichkeien liegen, wer für was verantwortlich ist. Sie ist zum nderen aber auch im internationalen Wettbewerb otwendig, um schnellere Entscheidungsmechanismen urchzusetzen. An einem entsprechenden Mangel leiden ir heute. Föderalismus darf keine Bremse, sondern Föeralismus muss ein Mehrgewinn für den Standort eutschland sein. Genau das wollen wir durchsetzen. Wir werden in Absprache mit den Freien Demokraten inen weiteren Schritt gehen. Wir werden im nächsten ahr prüfen, wie auch die Finanzbeziehungen zwischen und und Ländern grundsätzlich neu geordnet werden önnen. Denn – auch das gehört zur Wahrheit – eine Föeralismusreform ohne die Neuordnung der Finanzbeiehungen ist zwar ein erster wichtiger, aber noch kein ndgültiger Schritt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie bei der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ch weiß, dass dies schwer ist. Aber lassen Sie uns sol-
he anspruchsvollen Aufgaben angehen.

Wir wissen: Ohne einen Fortschritt beim Aufbau Ost
ird es kein gesundes Wachstum in ganz Deutschland
eben. Wir brauchen dieses Wachstum für das innere
leichgewicht unseres Landes. Deshalb müssen wir die
ohe Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen die Abwan-
erung aus den neuen Bundesländern stoppen und hier
as Notwendige tun. Das heißt, wir müssen den neuen
ändern, wo immer es möglich ist – europarechtlich und
uf anderen Gebieten –, mehr Freiheiten geben, Freihei-
en, um mit den Geldern, die im Zusammenhang mit
em Solidarpakt II zur Verfügung gestellt werden, mög-
ichst viele sinnvolle Investitionen zu tätigen. Das ist die
oraussetzung dafür, dass wir auch in den neuen Bun-
esländern vorankommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Mehr Freiheit möglich machen für neue Gerechtig-
keit: All diese Neuausrichtungen vom Arbeitsmarkt bis
zum Aufbau Ost gehören zusammen. Sie dienen einem
langfristigen Ziel: Wir wollen Deutschland stärken und
wieder zum Motor in Europa machen. Die Gestaltung
dieses Wandels, den wir dringend brauchen, ist ohne
Vertrauen und ohne das Bewusstsein, dass sich die Men-
schen auf die Politik verlassen können, undenkbar. Des-
halb ist einer dieser Vertrauensbeweise gegenüber den
Menschen eine solide Finanzpolitik, eine gute, solide Si-
tuation bei unseren Staatsfinanzen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen dazu einen
Wandel, einen Kurswechsel in der Haushaltspolitik. Ich
sage ganz ausdrücklich: Die Ursachen, die Anfänge die-
ser Fehlentwicklung liegen weit zurück. Die lassen sich
im Übrigen ganz gut bei der ersten großen Koalition ver-
orten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


– Da können Sie noch klatschen. – Deshalb wäre es
schön, wenn die zweite große Koalition diesen Kurs-
wechsel schafft. Wir haben die Weichen dafür sehr gut
und entschlossen gestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir brauchen eine langfristige Konsolidierungsstra-
tegie. Dabei hat für uns das Reformieren und Investieren
zeitlichen Vorrang. Wir haben die Abfolge der Schritte
unseres politischen Handelns sehr gut vereinbart. Am
Ende wird aus diesem politischen Konzept ein Drei-
klang: sanieren, reformieren, investieren.

Wir werden durch einen Zukunftsfonds in Höhe von
25 Milliarden Euro Investitionen in Schwerpunktberei-
che über die Legislaturperiode möglich machen. Ich
habe den Bereich Mittelstand genannt. Ich nenne weiter-
hin die Verkehrsinfrastruktur, Forschung und Technolo-
gie, die Förderung des Haushalts als Arbeitgeber und die
Förderung von Familien. Dies sind fünf Projektbereiche,
bei denen die Menschen sehen: Wir können Schwer-
punkte setzen; wir sind entschlossen, etwas zu investie-
ren.

Aber ohne eine Sanierung der Haushalte kommen wir
natürlich nicht zurande. Deshalb umfasst unsere Haus-
haltskonsolidierung, dass wir einerseits – ich habe da-
rüber gesprochen – die Arbeitsmarktkosten reduzieren.
Wir werden die Zuschüsse an die sozialen Sicherungs-
systeme begrenzen. Dies wird eine schwierige Aufgabe,
die nur zu schaffen ist, wenn wir Strukturreformen
durchführen.

Andererseits wird die öffentliche Verwaltung einen
substanziellen Solidarbeitrag dazu leisten. Ich nenne die
Größe von 1 Milliarde Euro, die der Bund im öffentli-
chen Bereich einsparen wird. Wir merken schon jetzt,
dass wir über die Details sicherlich noch lange zu disku-
tieren haben werden. Aber es bleibt die Verpflichtung,
1 Milliarde Euro einzusparen. Auch wir als Politiker
werden dazu unseren Beitrag leisten.

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(C (D Wir werden Steuerförderungstatbestände reduzieen; wir haben damit gestern im Kabinett begonnen. Wir erden ab 2007 den Spitzensteuersatz für nicht gewerb iche – ich betone: nicht gewerbliche – sehr hohe Einommen auf 45 Prozent erhöhen. Ich will nicht verhehlen: Die für uns alle schwierigste ntscheidung war die Erhöhung des Mehrwertsteueratzes um 3 Prozentpunkte ab 2007. Umso wichtiger ist s, dass zum einen 1 Prozentpunkt für die Senkung der ohnzusatzkosten eingesetzt wird, um Arbeitsplätze ettbewerbsfähiger zu machen, und dass zum anderen er niedrige Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent für Leensmittel, den öffentlichen Personennahverkehr und ulturgüter erhalten bleibt. Auch darüber haben wir uns iele Gedanken gemacht und dann diesen Entschluss geasst. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, ich sage ausdrücklich: Ich
nd wir alle wissen, dass für viele Menschen die Ent-
cheidung, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, und die wei-
eren Konsolidierungspläne in Bezug auf unseren Haus-
alt tief greifende Einschnitte bedeuten. Wir wissen,
ass wir den Menschen an dieser Stelle viel abverlangen.
ir wissen auch, dass die Bürgerinnen und Bürger des-

alb eine Gegenleistung erwarten können.

Diese Gegenleistung liegt für mich auf der Hand:
enn wir solide Staatsfinanzen schaffen, dann beenden
ir das Leben von der Substanz. Zur Generationenge-

echtigkeit gehört auch, dass wir die Augen nicht davor
erschließen dürfen, dass wir mit allen Schulden, die wir
eu machen, zukünftigen Generationen Spielräume rau-
en. Wer ernsthaft von Nachhaltigkeit spricht, muss sich
iesem Problem widmen. Das hat nichts damit zu tun,
ass wir in Europa einen Stabilitäts- und Wachstumspakt
aben, den wir natürlich auch erfüllen wollen. Das hat
twas mit dem moralischen Anspruch unserer Politik,
enerationengerecht zu sein, und der Ernsthaftigkeit zu
un. Deshalb werden wir das entschlossen umsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deutschland ist Exportweltmeister. Deutschland
uss sich, wenn es Exportweltmeister bleiben will, dem

reien Welthandel öffnen, auch wenn das in vielen Berei-
hen schwer fällt. Nach einer Regierungswoche kann ich
agen, dass wir bereits einen ersten Erfolg errungen ha-
en. Wir haben am Beispiel der Zuckermarktordnung
nnerhalb der Europäischen Union gezeigt – –


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ha, ha, ha!)


Ja, Frau Künast, das geht auch ohne Sie.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


s ist sogar so, Frau Künast, dass Herr Sonnleitner dies
obt und es trotzdem gut ist für die WTO-Verhandlung.
as ist das Erstaunliche.






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abschreiben kann jeder und teurer für Deutschland ist es auch geworden!)


Wir sind gut vorbereitet auf die WTO-Verhandlung,
die wir noch im Dezember zu führen haben. Ich sage
ausdrücklich: Ein Gegeneinander von moderner Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz gehört mit dieser Re-
gierung der Vergangenheit an. Das soll unser Markenzei-
chen sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Unser Motto in Bezug auf den Verbraucherschutz
lautet: Null Toleranz gegenüber denjenigen, die das Ver-
trauen der Verbraucher mit Füßen treten. Deshalb darf
uns der Skandal, das Handeln mit verdorbenem Fleisch,
so lange nicht ruhen lassen, bis wir an dieser Stelle alle
Schwachstellen beseitigt haben. Ansonsten wird es für
die deutsche Lebensmittelwirtschaft ganz schwierig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Guido Westerwelle [FDP])


Meine Damen und Herren, Sie sehen an all dem, was
ich aufgeführt habe, dass wir uns viel vorgenommen ha-
ben. Wir sind auch ganz sicher, dass viel möglich ist.
Wir haben uns viel vorgenommen, weil wir wissen, dass
wir wirtschaftlich wieder stark werden können und dann
auch das leben können, was die soziale Marktwirtschaft
in unserem Land groß gemacht hat. Dann können wir
nämlich den Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital
weiter ausgleichen und denen helfen, die sich heute noch
auf der Schattenseite des Lebens befinden.

Wir können dann aber auch noch etwas anderes schaf-
fen: Wir können wieder ein starker Partner in Europa
und in der Welt werden. Deutsche Außen- und Europa-
politik gründet sich auf Werte und sie ist Interessenpoli-
tik. Eine Politik in deutschem Interesse setzt auf Bünd-
nisse und Kooperationen mit unseren Partnern. Ich weiß,
dass unsere Partner große Erwartungen an uns richten.
Das haben ich und auch der Außenminister in den ersten
Tagen unserer Tätigkeit bei unseren Besuchen in Paris,
Brüssel, London und vielen anderen Ländern der Euro-
päischen Union ganz deutlich gespürt. Die Erwartungen
an Deutschland in diesem Bereich sind so immens, weil
sich Europa im Augenblick in einer tiefen Krise befin-
det. Im Kern gründet diese Krise – das ist meine Über-
zeugung – auf fehlendem gegenseitigen Vertrauen. Es
gab schwere Rückschläge bezüglich des Verfassungsver-
trages. Hinsichtlich der Finanzen der Europäischen
Union gibt es starke Interessenkonflikte zwischen den
einzelnen Mitgliedstaaten. Der Lissabon-Prozess, der
Prozess, Europa zum dynamischsten Kontinent der Welt
zu machen, ist bei weitem nicht so vorangekommen, wie
er hätte vorankommen müssen. Im Fortgang der Erwei-
terung der Europäischen Union stellen sich drängende
Grundsatzfragen: Wie weit reicht Europa? Was ist Sinn
und Zweck der europäischen Einigung?

Ich glaube, es hat keinen Sinn, um diese Krise herum-
zureden, auch heute nicht. Es kommt vielmehr darauf an,
sie zu meistern. Wir können sie aber nur gemeinsam mit
unseren Nachbarn, mit unseren Partnern meistern, und

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(C (D war den großen und den kleinen. Ich glaube, dass eutschlands Aufgabe auch aufgrund seiner geografi chen Lage darin bestehen sollte, Mittler und ausgleihender Faktor zu sein. Genau dies werden der Außeninister und ich am Freitag praktizieren, wenn wir nach olen reisen, zu unserem zweiten großen Nachbarn. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich weiß, dass auf dem Dezembergipfel der Europäi-
chen Union große Aufgaben lasten, dass große Erwar-
ungen daran gestellt werden. Wir werden im Zusam-
enhang mit der finanziellen Vorausschau natürlich für

ine Lösung eintreten, die im gesamteuropäischen Inte-
esse liegt und nicht gleich dem Revisionszwang ausge-
etzt ist. Deutschland ist – das sage ich ausdrücklich – zu
inem vernünftigen Kompromiss bereit und wird dazu
uch seinen Beitrag leisten. Klar ist aber auch, dass wir
ls neue Bundesregierung die deutschen Interessen mit
llem Nachdruck vertreten werden. Das heißt: Eine fi-
anzielle Überforderung kann es angesichts unserer
aushaltslage, angesichts unserer eigenen Probleme
icht geben. Auch das haben wir allen Partnern gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Europa hat sich mit den Lissabon-Verabredungen
eit reichende Ziele gesetzt. Wir brauchen einen Erfolg
nd wir brauchen diesen Erfolg, indem wir Reformen
urchführen. Hier bündeln sich im Übrigen unsere in-
enpolitischen Anstrengungen mit dem, was in Europa
tattfindet. Ich will ausdrücklich sagen – wir haben das
n diesem Hause viel zu wenig beachtet –: Die jetzige
ommission und auch gerade der deutsche Kommissar
ünter Verheugen haben in der Europäischen Union et-
as gemacht, was es seit Jahrzehnten nicht mehr gege-
en hat – ich sage: eigentlich noch nie –: Sie haben sich
ichtlinien angeschaut und haben gefragt: Sind die noch
otwendig? Brauchen wir bestimmte neue Projekte oder
ind sie für den Lissabon-Prozess, also für eine dynami-
che Entwicklung, schädlich? Es handelt sich um über
0 Richtlinien, die damit erst einmal vom Tisch sind
der die verändert werden. Ich bin dafür ausgesprochen
ankbar. Europa kann nicht bestehen, indem man sagt:
as eine gibt es und dann kommt immer etwas hinzu,
eschehe auf der Welt, was es wolle. – Der Schritt, den
ch oben beschrieben habe, muss von Deutschland unter-
tützt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir wollen den Verfassungsvertrag, auch wenn das
eute zum Teil illusorisch erscheint, zu einem Erfolg
achen. Ohne ein eigenes Selbstverständnis ist Europa

icht möglich. Das ist ein dickes Brett, das zu bohren
ein wird. Aber wir haben uns in unserer Koalitionsver-
inbarung hierzu ausdrücklich bekannt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Europa ist – auch das wissen wir – ohne die Unter-
tützung und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger
icht möglich. Wir müssen darauf achten, dass die Men-






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(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
schen nicht den Eindruck haben, sie würden überfordert.
Deshalb müssen wir ganz besonders Wert darauf legen,
dass Staaten, die der Europäischen Union beitreten wer-
den, alle Bedingungen uneingeschränkt erfüllen müssen.
Das muss die Voraussetzung sein, wenn wir Erweite-
rungen der Europäischen Union vornehmen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Wolfgang Thierse [SPD])


So haben wir es auch in unserer Koalitionsvereinbarung
festgelegt: Die am 3. Oktober 2005 aufgenommenen
Verhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei
mit dem Ziel des Beitritts sind ein Prozess mit offenem
Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen
Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt. Sollte
die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der
Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen
Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, so muss die
Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis
zur Europäischen Union weiterentwickelt – das wollen
wir alle –, möglichst eng an die europäischen Strukturen
gebunden werden. Das ist eine Aufgabe, die sich über
die nächsten Jahre erstrecken wird. Wir stehen zu den
Vereinbarungen, so wie sie von der Vorgängerregierung
getroffen wurden. „Pacta sunt servanda“ muss das Prin-
zip europäischen Vertrauens sein. Aber dieser Prozess
wird mit besonderer Aufmerksamkeit zu beobachten
sein.

Die Menschen in Europa erwarten von uns natürlich,
dass sie auf die bestehenden Herausforderungen eine
Antwort bekommen; das sind Terrorismus, Massenver-
nichtungswaffen, Bürgerkriege und internationale Kri-
minalität. Deshalb kann ich mit Blick auf unser politi-
sches Programm sagen, dass die große Koalition an
dieser Stelle mehr Gemeinsamkeiten gefunden hat als
jede andere denkbare politische Konstellation.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist nicht in jedem Bereich so. Aber für den Bereich
der inneren Sicherheit sage ich das aus voller Überzeu-
gung. Hier haben wir einige Dinge hinbekommen, die
ich ausgesprochen wichtig finde: Das Bundeskriminal-
amt wird zur Abwehr von Terrorgefahren Präventivbe-
fugnisse erhalten. Mit der Kronzeugenregelung verbes-
sern wir den Kampf gegen die organisierte Kriminalität.
Opferschutz geht vor Täterschutz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Es ist ja klar, dass da welche mit den Köpfen schütteln.
Trotzdem geht Opferschutz vor Täterschutz. Wir werden
das ganz konsequent umsetzen. Deshalb werden wir
auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen
solche Jugendliche einführen, die wegen schwerster Ge-
walttaten verurteilt worden sind. Man kann da nicht den
Kopf in den Sand stecken, sondern muss sich dem Pro-
blem widmen. Das erwarten die Menschen von uns, und
das zu Recht.


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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit
das spüren wir alle – werden immer fließender. Des-
alb brauchen wir eine Gemeinsame Außen- und
icherheitspolitik innerhalb der Europäischen Union,
nd das auf der Grundlage einer europäischen Sicher-
eitsstrategie. Europa muss – danach werden uns die
ürgerinnen und Bürger fragen – sicherheitspolitisch
andlungsfähig sein. Das ist kein Ersatz – ich sage das
usdrücklich –, sondern eine Ergänzung des bewährten
ündnisses NATO. Es geht darum, den europäischen
feiler der Allianz und damit die Allianz insgesamt zu
tärken. Denn die NATO ist und bleibt der stärkste An-
er unserer gemeinsamen Sicherheit. Sie ist das strategi-
che Konsultations- und Koordinierungsforum und wo
ie das nicht ist, müssen wir, auch wir in Deutschland,
inen Beitrag dazu leisten, dass sie es wieder wird. Ich
abe das bei meinem Besuch in Brüssel sehr deutlich ge-
acht.

Ich sage auch ganz bewusst: Das ist kein Gegensatz
azu, dass wir ein selbstbewusstes Europa sein wollen.
in selbstbewusstes Europa muss aber ein starker und
or allen Dingen auch ein einiger Partner sein, wenn es
arum geht, die Interessen von Sicherheit, Frieden und
enschenrechten durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, ich sage deshalb auch:
assen Sie die Schlachten der Vergangenheit ruhen. Die
chlachten sind geschlagen. Aber für die Zukunft gilt:
ie neue Bundesregierung wird sich mit aller Kraft für

in enges, ehrliches, offenes und vertrauensvolles Ver-
ältnis in der transatlantischen Partnerschaft einset-
en. Diese Partnerschaft der Wertegemeinschaft der
estlichen Welt ist ein hohes – ich sage: ein kaum zu
berschätzendes – Gut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich glaube, dass wir in diesem Zusammenhang auch
arauf vertrauen können – der Bundesaußenminister ist
eute aus den Vereinigten Staaten von Amerika zurück-
ekommen –, dass die amerikanische Regierung die Be-
orgnis in Europa ernst nimmt und jüngste Berichte zu
ngeblichen CIA-Gefängnissen und illegalen Flügen,
ie auch gegenüber dem Außenminister zugesagt, kurz-

ristig aufklären wird.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


Wissen Sie, es ist auch dramatisch, welche Entwick-
ung Sie genommen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir fühlen uns im Blick
uf die transatlantische Partnerschaft den gleichen Wer-
en verpflichtet – das ist viel in dieser Welt –: Frieden
nd Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Ge-
echtigkeit und Toleranz. Anders gesagt: Wir haben das
leiche Verständnis von der Würde des Menschen. Das
chweißt uns zusammen und bildet auch das Fundament.






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Aber zum Selbstverständnis dieser Wertegemein-
schaft und zum Selbstverständnis, das wir von uns und
anderen Menschen haben, zählt auch, dass wir bei Men-
schenrechtsverletzungen nicht schweigen, gegenüber
niemandem auf der Welt, und seien es noch so hoff-
nungsvolle Handelspartner und noch so wichtige Staaten
für Stabilität und Sicherheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sehe – das sage ich ausdrücklich – zwischen Ko-
operation, die notwendig ist, und dem Einhalten der
Menschenrechte oder dem Benennen dessen, was wir
unter Menschenrechten verstehen, keine Kluft, die nicht
zu überbrücken wäre. Es geht hier um Ehrlichkeit im
Dialog. Das macht Beziehungen nicht unmöglich. So ist
jedenfalls meine Erfahrung.

Meine Damen und Herren, es ist richtig: Deutschland
ist noch nie so sicher und so frei gewesen wie heute.
Dennoch – ich habe das am Anfang gesagt – leben wir in
einer Welt voller Herausforderungen: Terrorismus, Mas-
senvernichtungswaffen, zerfallende Staaten, extreme Ar-
mut, Epidemien und Umweltzerstörung. All das bedroht
unsere Sicherheit und unseren Wohlstand.

Wir brauchen deshalb unsere Partnerschaften in der
Welt dringender denn je. Ich möchte hier beispielhaft die
Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland als
eine strategische Partnerschaft nennen. Russland ist ein
wichtiger Wirtschaftspartner. Aber Russland ist genauso
ein Verbündeter im Kampf gegen den internationalen
Terrorismus und natürlich als Land für die politische
Stabilität Europas unverzichtbar. Wir haben ein ganz be-
sonderes Interesse daran, dass der Modernisierungspro-
zess in Russland gelingt. Wir werden das in unseren au-
ßenpolitischen Kontakten deutlich machen.

Meine Damen und Herren, wir werden uns mit Kräf-
ten für Frieden und Stabilität im Nahen Osten einsetzen.
Wir schauen natürlich mit besonderer Sorge in diesen
Tagen auf den Irak, aber genauso auf die Entwicklung
im Iran. Trotz der Rückschläge in letzter Zeit wird sich
die Bundesregierung weiter im Drei-plus-Eins-Prozess
engagieren. Dieser Prozess muss fortgeführt werden. Ich
sehe zu ihm keine Alternative. Aber ich kann den Iran
nur davor warnen, sich der Kooperation mit der interna-
tionalen Staatengemeinschaft und der IAEO zu entzie-
hen. Was gegenüber Israel seitens des Iran gesagt wurde,
ist in jeder Hinsicht absolut inakzeptabel. Der Iran muss
wissen, dass wir das nicht hinnehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deutschland steht zu Israel in einer ganz besonderen
Verantwortung. Wir haben in diesem Jahr den 40. Jah-
restag der Aufnahme deutsch-israelischer Beziehungen
begangen. Für die neue Bundesregierung möchte ich
deshalb bei dieser Gelegenheit das Existenzrecht Israels
und das Recht seiner Bürgerinnen und Bürger, in siche-
ren Grenzen frei von Terror, Angst und Gewalt zu leben,
ausdrücklich bekräftigen.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


benso bekräftigen möchte ich allerdings das Recht des
alästinensischen Volkes auf einen eigenen Staat,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


er Seite an Seite mit Israel in Sicherheit und anerkann-
en Grenzen lebt. Das wäre auch ein klares Signal gegen
errorismus.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, deutsche Außenpolitik
ewährt sich im konkreten Handeln. Auf dem Balkan, in
fghanistan und an vielen anderen Orten tragen deut-

che Soldaten, Polizisten, Diplomaten und Entwick-
ungshelfer unter erheblichen Gefahren zu Frieden und
tabilität bei. Was das im äußersten Fall bedeuten kann,
as haben wir gerade wieder in Afghanistan schmerzlich
rleben müssen. Deshalb möchte ich all denen, die
eutschland im Ausland vertreten, einen ganz besonde-

en Dank sagen und eine ganz besondere Anerkennung
ür ihren mutigen Einsatz aussprechen. Sie sind in ver-
chiedenen Funktionen wichtige Botschafter unseres
andes.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist eine
rmee im Einsatz, mit über 6 000 Soldaten auf dem Bal-
an, in Afghanistan, am Horn von Afrika oder jetzt in
umanitärer Mission in Pakistan. Die Bundeswehr kann
ich glücklicherweise auf die breite Unterstützung dieser
egierung, des Parlaments und der Gesellschaft verlas-

en. Die Soldatinnen und Soldaten haben sie auch ver-
ient; denn sie brauchen sie für ihren Einsatz.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unser Anspruch, in der Welt mitzusprechen und mit-
uentscheiden, und unsere Bereitschaft zum Mitwirken
edingen sich. Die neue Bundesregierung wird darauf
chten, dass die Ziele und Fähigkeiten der deutschen
ußen- und Sicherheitspolitik immer in einem Gleichge-
icht bleiben. Deshalb werden wir den Umbau der Bun-
eswehr zu einer Einsatzarmee konsequent fortsetzen.
er Kernauftrag der Bundeswehr aus der Verfassung,
ie Landesverteidigung, bleibt dabei natürlich unverän-
ert gültig. Wir werden auch an den Beschlüssen zur
truktur und Stationierung der Bundeswehr festhalten.
ie Bundesregierung bekennt sich zur allgemeinen
ehrpflicht.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Tja!)


ie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als die für
nser Land beste Wehrform erwiesen, gerade auch mit
lick auf die Beziehung zu den Parlamentariern. Ich






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
glaube, dass es an dieser Stelle ganz wichtig ist, eine
Bundeswehr zu haben, die sich sicher sein kann, dass sie
eine tiefe Verankerung in der deutschen Bevölkerung
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir werden Ende nächsten Jahres ein Weißbuch zur
Sicherheitspolitik veröffentlichen, erstmals wieder nach
mehr als zehn Jahren. Ich denke, dann ist es höchste
Zeit, wieder ausführlich über ein solches Grundlagendo-
kument zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur
Bundeswehr zu diskutieren.

Angesichts der Globalisierung nimmt die Bedeutung
der internationalen Institutionen zu. Für uns – das ist un-
ser gemeinsames Verständnis – muss die UNO der zen-
trale Ort der Konfliktlösung werden und dies dann auch
bleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Hier liegt eine wichtige Aufgabe vor uns. Wir werden
uns bemühen – ich halte es für ganz wichtig, dass wir
das schaffen –, bei der Reform der UNO gemeinsame
europäische Positionen durchzusetzen. Wir bleiben be-
reit, mit der Übernahme eines ständigen Sitzes im Si-
cherheitsrat mehr Verantwortung zu übernehmen. Ich
sage aber ausdrücklich: Die Reform der UNO kann nicht
auf die Frage des Sicherheitsrates reduziert werden,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)


sondern sie geht weit darüber hinaus. Die Frage, welche
Rolle die UNO in den nächsten Jahrzehnten einnimmt,
wird von existenzieller strategischer Bedeutung für eine
global zusammenwachsende Welt sein.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn, meine Damen und Herren, die Stärkung der in-
ternationalen Institutionen ist angesichts der Globali-
sierung lebensnotwendig. Eine Politik, die den Anspruch
erhebt, die Globalisierung zu gestalten – diesen Anspruch
müssen wir erheben, auch wenn viele Menschen den Ein-
druck haben, Politik könne das nicht mehr –, darf nicht
über internationale Institutionen hinweggehen, sondern
sie muss die internationalen Institutionen dazu befähigen,
die Globalisierung auch zu gestalten.

Wir sagen: Die soziale Marktwirtschaft hat sich als
großer Erfolg für uns alle und als Vorbild für andere er-
wiesen; das ist ein schöner Satz, aber die Fragen, ob wir
das durchsetzen können und in welcher Weise die inter-
nationalen Organisationen agieren – ich kann das an der
Welthandelsorganisation festmachen –, sind damit nicht
beantwortet. Die meisten Menschen haben nicht den
Eindruck, dass wir heute über die Möglichkeiten verfü-
gen, weltweit das zu vertreten, was uns an sozialem Aus-
gleich der freien Wirtschaft – in Form der sozialen
Marktwirtschaft – wichtig ist, sondern sie haben Angst,
dass davon für sie nichts mehr übrig bleibt. Deshalb ist
die Gestaltungskraft von Politik nicht mehr nur national

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(C (D otwendig, sondern auch bei der Ausprägung internatioaler Organisationen, und dem wird sich diese Bundesegierung ganz wesentlich verpflichtet fühlen. Dieses Wertverständnis von Politik leitet uns natürich auch bei der Entwicklungszusammenarbeit. Wir issen, dass uns die Probleme zu Hause erreichen, wenn ir sie nicht woanders lösen. Dafür brauchen wir natür ich Geld. Wir haben uns deshalb dazu verpflichtet, bis 006 0,33 Prozent, bis 2010 mindestens 0,51 Prozent nd bis 2015 die ODA-Quote von 0,7 Prozent des Brutoinlandsprodukts für die öffentliche Entwicklungszuammenarbeit aufzubringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ch weiß, was ich da sage. Das sind ganz anspruchsvolle
iele. Aber wir müssen lernen: Die Probleme ereilen uns

m Inland, wenn wir es nicht schaffen, die Probleme an-
erswo einer Lösung zuzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, aus all dem, was ich ge-
agt habe, wird deutlich: Wir haben uns viel vorgenom-
en – weil wir sicher sind, dass vieles möglich ist und
eil wir auch wissen, dass viele Menschen vieles erwar-

en. Diese Koalition will Rituale überwinden und neue
ege aufzeigen. Viele werden sagen: Diese Koalition,

ie geht ja viele kleine Schritte und nicht den einen gro-
en. Ich erwidere ihnen: Ja, genau so machen wir das.
enn wir glauben, dass auch das ein moderner Ansatz

ein kann. Es hat sich herausgestellt, dass die Vernetzung
on vielen kleinen Computern, an vielen Stellen, effekti-
er ist als der eine Großrechner – der Erfolg des Inter-
ets beruht auf genau dieser Philosophie. Deshalb wer-
en wir eine Regierung sein, die diese vielen kleinen
chritte ganz bewusst in Angriff nimmt. Wir werden
ns nicht drücken vor dem Handeln, wir werden eine
egierung der Taten sein. Wir wissen, dass wir auch
ückschläge werden hinnehmen müssen. Aber wir wer-
en eines zeigen: Wir haben große Möglichkeiten in die-
em Land. Deutschland ist voller Chancen, nach innen
ie nach außen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Fragen wir deshalb nicht zuerst, was nicht geht oder
as schon immer so war; fragen wir zuerst, was geht,
nd suchen wir nach dem, was noch nie so gemacht
urde. Haben wir den Mut, das dann aber auch wirklich
urchzusetzen! Überraschen wir uns also damit, was
öglich ist, überraschen wir uns damit, was wir können!
tellen wir unter Beweis, dass wir unser Land gemein-
am nach vorn bringen, mit Mut und Menschlichkeit!
enn Deutschland kann mehr und ich bin überzeugt,
eutschland kann es schaffen.

Herzlichen Dank.


(Lang anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Anhaltender Beifall bei der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1600400200

Ich eröffne die Aussprache. Für die Opposition erhält

als Erster das Wort der Vorsitzende der FDP, Dr. Guido
Westerwelle.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1600400300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ich möchte für die liberale Opposition in diesem
Hause zunächst etwas über die beiden schrecklichen
Entführungen im Irak sagen. Frau Bundeskanzlerin, ich
möchte hier klar erklären, dass wir uns Ihren Äußerun-
gen zu dieser Entführung in vollem Umfange anschlie-
ßen. Hier stehen wir alle beieinander und zueinander und
die Regierung hat das volle Vertrauen auch der Opposi-
tion, dass sie hier richtig handelt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, und den Damen und
Herren Ministern gratulieren wir zur Wahl bzw. zur Er-
nennung. Wir wünschen Ihnen eine glückliche Hand
und, weil es um unser Land insgesamt geht, auch viel
Erfolg.

Wir Freidemokraten werden hier im Deutschen Bun-
destag eine Opposition sein, die hart in der Sache ist,
verbindlich im Umgang und bei den Ergebnissen kon-
struktiv. Wir kennen unsere Verantwortung; das haben
Sie in den jüngsten Gesprächen zur Föderalismusreform
gemerkt. Wir Freidemokraten sind hier im Deutschen
Bundestag in der Opposition, sind aber in fünf Landesre-
gierungen vertreten. Damit haben die Liberalen im Bun-
desrat übrigens Einfluss auf genauso viele Stimmen wie
der Juniorpartner in dieser Bundesregierung, die Sozial-
demokraten.


(Beifall bei der FDP – Lachen des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU])


Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte
mit einem Zitat beginnen:

Eine Opposition ist in ihren Qualitäten nicht dann
staatserhaltend, wenn sie eine wohlwollende Beur-
teilung durch die Bundesregierung oder durch ihre
Parteien findet. … Die Opposition ist die Begren-
zung der Regierungsmacht und die Verhütung ihrer
Totalherrschaft.

Das waren die Worte des Oppositionsführers Kurt
Schumacher am 21. September 1949 im Deutschen Bun-
destag.


(Beifall bei der FDP)


Was damals galt, bei einer Stimme Mehrheit, das gilt
umso mehr bei der Begrenzung der Regierungsmacht ei-
ner so genannten großen Koalition. Gerade in Zeiten ei-
ner großen Koalition kommt auch auf die Opposition
eine besondere Verantwortung zu. Diese werden wir
wahrnehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


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(C (D Die Macht einer Regierung leitet sich nicht von der ahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag ab. acht ist in der Demokratie eine Frage des Vertrauens nd der Anerkennung durch die Bürgerinnen und Bürer. In punkto Vertrauen und Anerkennung muss sich die o genannte große Koalition ihren Namen erst noch verienen. Ich glaube auch, meine sehr geehrten Damen und erren, es wird nicht aufgehen, wenn die Bundeskanzle in aus der Not eine Tugend machen will, nach dem otto: Zu großen Schritten ist die große Koalition nicht ähig, deswegen sind kleine Schritte in Wahrheit die lügste Lösung. – Das, was Sie machen, bleibt eine Poliik der Trippelschritte, uch wenn Sie das rhetorisch verbrämen. Das ist in Zeien der Globalisierung für Deutschland zu wenig. Manche Regierungsmitglieder haben darum gebeten, ass der neuen Bundesregierung eine faire Chance zu eben sei. So soll es auch sein. Aber auch eine Schonrist für die ersten 100 Tage bedeutet nicht, dass sich die pposition einer Bewertung der Entscheidungen in die em Zeitraum enthält. Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben it dieser Regierung eine Chance, wenn Sie Ihren inne en Überzeugungen folgen. Wenn Sie über diese Koaliionsvereinbarung des kleinsten gemeinsamen Nenners icht hinausgehen, dann wird diese Bundesregierung vor er Geschichte genauso scheitern, wie Rot-Grün gecheitert ist. Es reicht nicht aus, hier zu sagen: „Mehr Freiheit waen!“ Es müssen auch die Taten folgen, ei der Gesundheitspolitik, bei der Forschung, bei der teuerpolitik. Steuern zu erhöhen heißt nicht, mehr Freieit zu wagen. Steuererhöhungen sind ein Stück mehr nfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger in Deutsch and. Was jetzt nötig ist, das schreibt der Sachverständienrat in seinem Herbstgutachten von vor wenigen Wohen: Erstens. Die Eingriffe des Staates sollen zugunsten von ehr marktwirtschaftlichen Elementen und von mehr Ei enverantwortung zurückgeführt werden. – Diese Regieung hingegen vertraut auf den teuren und wohlwollenen Staat. Zweitens. Der Staat muss sich auf seine eigentlichen ufgaben konzentrieren. – Diese Regierung hingegen erwechselt den schlanken noch immer mit dem schwahen Staat. Drittens. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen sollte lleine über die Ausgabenseite erfolgen, indem konsum Dr. Guido Westerwelle tive Ausgaben gekürzt werden. – Sie hingegen beschließen in diesem Koalitionsvertrag das größte Steuererhöhungsprogramm in der Geschichte unserer Republik. Viertens. Die Abgabenlast von Haushalten und Unternehmen darf nicht steigen, sondern sie muss mittelfristig zurückgeführt werden. – Sie hingegen stopfen mit dem Abbau von Steuervergünstigungen die Haushaltslöcher, anstatt die Steuersätze damit zu senken. Fünftens. Die Arbeitsanreize müssen stärker werden. Dies erfordert Änderungen in der Steuerund Sozialpolitik. – Ihre Regierung hingegen klammert, angefangen bei den betrieblichen Bündnissen bis hin zur Gesundheitsreform, das Entscheidende unverändert aus. (Lothar Mark [SPD]: Das haben wir alles schon gelesen!)


(Beifall bei der FDP)


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Abwarten!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall der FDP – Widerspruch bei der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


Auch der ehrliche Hinweis, man sei sich da und dort
nicht einig, ändert nichts an Ihrer Verantwortung. Das
Eingeständnis einer Regierung, dass sie hier und dort
nicht weiterkommt, weil man sich nicht einig ist, ist für
die Betroffenen in keiner Weise tröstlich, wenn die
Krankenkassen- und Rentenbeiträge weiter steigen, wo-
durch die Lohnzusatzkosten nach oben gehen, wenn die
Steuerlast entsprechend angehoben wird und wenn es
keine betrieblichen Bündnisse gibt. Sie sagen, Sie seien
sich in der Energiepolitik einig, mit Ausnahme der Kern-
energie. Ja, wenn man sich bei der Kernenergie nicht ei-
nig ist, dann kann man weiß Gott nicht von Einigkeit im
Grundsatz bei der Energiepolitik sprechen.


(Beifall bei der FDP)


Der Bundespräsident hat in seiner ersten Rede in die-
sem Jahr das Motto „Arbeit hat Vorfahrt“ ausgegeben.
Die Koalitionsvereinbarung gibt vielem Vorfahrt – manch
Sinnigem und manch Unsinnigem –, nur der Arbeit eben
nicht. Durch Steuererhöhungen sowie durch Einmaler-
löse wollen Sie von 2006 bis 2009 – an dem, was gedruckt
wurde, muss man sie messen – 150 Milliarden Euro mehr
einnehmen. Die echten Minderausgaben sollen in diesem
Zeitraum aber nur 15 Milliarden Euro betragen. Hier geht
es nur noch um die Finanzierung des „Weiter so!“. Wie
man bei einer Einnahmeverbesserung von 150 Milliarden
Euro und gleichzeitiger Ausgabenkürzung von 15 Mil-
liarden Euro, also bei einem Verhältnis von 10 : 1, von ei-
ner sparsamen Regierung reden kann, bleibt das Geheim-
nis manchen Kommentators.


(Beifall bei der FDP)


Das komplizierte Steuersystem wird nicht vereinfacht.
Die Sozialversicherungssysteme werden weder mutig
noch grundsätzlich reformiert, stattdessen wird mehr
Geld hineingegeben.

Die letzte Regierung ist doch nicht an dem geschei-
tert, was sie getan hat, die letzte Regierung ist zuerst an
dem gescheitert, was sie nicht getan hat, an dem Hin und
Her und an der eigenen Zögerlichkeit. Das darf sich
nicht wiederholen. Deswegen ist es übrigens auch beun-
ruhigend, dass Sie gleich in der ersten Regierungserklä-

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(C (D ung um Verständnis für das Prinzip Nachbessern und ie Trippelschritte bitten. Diese große Koalition ist eine Koalition des kleinsten emeinsamen Nenners. Der kleinste gemeinsame Nener regiert Deutschland. Mit dem kleinsten gemeinsaen Nenner lassen sich in Deutschland aber weder Auf ruchstimmung noch ein Neuanfang bewirken. Das, was ich Ihnen hier sage und vortrage, ist ja nicht ie Einzelmeinung einer böswilligen Opposition oder on schlecht gelaunten Journalisten. Ich möchte ein paar itate in diese Debatte einführen. Erstes Zitat: Mit der großen Koalition kann sich nichts Tiefgreifendes ändern … Das ist völlig ausgeschlossen. as sagt nicht etwa Herr Kollege Gysi, das sagt Roland och. Nächstes Zitat: Deutschland bekommt eine große Koalition, die zur Lösung der jetzigen Aufgaben eigentlich nicht geeignet ist. as sagt nicht etwa Frau Künast, sondern das sagt ünther Oettinger. Zitat: Es bleibt der Eindruck, dass die Union wenige Tage nach der Wahl das Gegenteil zu allem sagt, was sie früher für richtig gehalten hat … Für die Steuerpolitik können Sie sagen: So viel SPD war nie. as sagt nicht etwa Hermann Otto Solms, das sagt riedrich Merz. Den wird man in diesem Hause ja noch itieren dürfen. Sie haben darum gebeten, dass die Regierung eine aire Chance bekommt. Aber auch die Opposition bittet m eine faire Chance, nämlich darum, dass die große oalition als Regierung nicht gleich auch noch die Aufaben der Opposition mit erledigen will. Das würde uns ämlich nicht voranbringen. Das Wahlergebnis hat zwei zusammengebracht, die icht zusammenkommen wollten. Aber das allein kann icht alles rechtfertigen. as vor der Wahl grundfalsch war, kann nach der Wahl icht grundrichtig sein. Ich zitiere hier den Herrn Kolleen und Vizekanzler Müntefering, der noch im August ieses Jahres wörtlich gesagt hat: So, wie die Wirtschaftslage bei uns ist, ist es ein völlig falscher Weg, den Binnenmarkt durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu belasten. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Oskar Lafontaine [DIE LINKE])


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Jörg Tauss [SPD]: Nur kein Neid!)







(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD,
im Wahlkampf haben Sie in jeder Stadt Deutschlands ein
Plakat aufgehängt, auf dem es hieß: „2 % Merkelsteuer
auf alles“. Jetzt kommen nicht nur 2 Prozent Merkel-
Steuer, sondern obendrauf noch 1 Prozent Münte-Steuer.
Das ist die Lage in diesem Lande.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist nicht einmal politik- oder kompromisstheoretisch
nachvollziehbar, wie Sie zu diesem Ergebnis gekommen
sind. Wenn man Verträge schließt, ist es normalerweise
so, dass man sich dann, wenn der eine die eine Meinung
und der andere eine andere Meinung vertritt, in der Mitte
trifft. – Nicht so bei der großen Koalition! Die Union
sagt: „2 Prozent Mehrwertsteuererhöhung!“, die SPD
sagt „Keine Mehrwertsteuererhöhung!“ und dann trifft
man sich mutig bei einer Erhöhung der Mehrwert-
steuer um 3 Prozent. Das ist wirklich nur noch peinlich.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei der SPD)


Weil Sie, meine Damen und Herren Kollegen von der
SPD, an dieser Stelle mit Fröhlichkeit über Ihre Verle-
genheit hinwegtäuschen wollen, möchte ich Ihnen eines
sagen: Wenn wir aus Koalitionsverhandlungen nicht mit
einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozent, son-
dern um gleich 3 Prozent herausgekommen wären, kann
ich nur erahnen, welchen Tanz Sie in diesem Haus auf-
geführt hätten. Dagegen sind wir richtig zurückhaltend.


(Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber sie wäre auch gekommen, Herr Westerwelle!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union,
weil Sie jetzt ebenfalls Ihre Fröhlichkeit entdeckt haben,
möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen: In der
Kabinettsitzung gestern hat man sich auf die Streichung
der Eigenheimzulage verständigt. Ich erinnere mich an
Debatten in diesem Hause, bei denen wir von der rechten
Seite dieses Hauses alle gemeinsam gesagt haben: Ja, die
steuerlichen Ausnahmetatbestände müssen gestrichen
werden, aber sie dürfen nicht für das Stopfen von Haus-
haltslöchern verwendet werden, sondern sie müssen in
die Senkung der Steuersätze investiert werden, sonst ist
das für die Bürgerinnen und Bürger unterm Strich eine
fette Steuererhöhung. – Genau das tun Sie jetzt. Nicht
Freiheit und Vorfahrt für Arbeit diktieren Ihre Politik,
sondern es wird eine Politik nach Kassen- und Haus-
haltslage gemacht. Weil Sie sich an echte Strukturver-
änderungen nicht heranwagen und Sie sich nicht einig
sind, müssen diese Verträge bei Ihnen zulasten Dritter
geschlossen werden, nämlich zulasten der Bürgerinnen
und Bürger in Deutschland.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Übrigens: Ein Musterbeispiel für das, was in Zeiten
einer großen Koalition einem Kampf von David gegen
Goliath gleicht, war die erste Pressekonferenz nach Ab-
schluss der Koalitionsverhandlungen. Da stellen sich
Bundeskanzlerin und Vizekanzler auf der Bundespresse-

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(C (D onferenz hin und erzählen vor einigen Hundert Journaisten, wie stolz sie seien, dass sie sich einig geworden ind. Im selben Atemzug verkünden sie, sie hätten nicht inmal mehr die Absicht, den nächsten Haushalt verassungskonform aufzustellen, sich also ans Grundgeetz der Bundesrepublik Deutschland zu halten. – Dieses orhaben ist – Sie müssen schon selber nicken, weil Sie issen, dass ich Recht habe – Gott sei Dank von vielen räften und auch von der Opposition verhindert worden. etzt müssen Sie den Weg des Grundgesetzes gehen. arüber freuen wir uns. Das zeigt auch, dass David im ampf gegen Goliath nicht machtlos ist. Sie sagen, man müsse von den Bürgern viel verlanen. Das ist zwar richtig, aber wenn man Menschen für inen Weg gewinnen will, dann muss die Politik auch it gutem Beispiel vorangehen. Wenn man Zivildienst nd Wehrdienstleistenden das Weihnachtsgeld in Höhe on 172 Euro streichen will, (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wer will das?)


(Beifall bei der FDP)


ann passt das nicht mit der Erhöhung der Zahl der Mi-
ister und Staatssekretäre zusammen.


(Beifall bei der FDP)


enn eine Bundesregierung von allen Deutschen Spar-
amkeit verlangt, dann ist eine Regierung mit 70 Mit-
liedern überdimensioniert. Ein Ministerium, zwei Bun-
esminister und drei Parlamentarische Staatssekretäre
ehr – wer so handelt und redet, der trinkt selber Wein

nd predigt der Bevölkerung Wasser. Auch das passt
icht zur Glaubwürdigkeit einer neuen Zeit, die Sie an-
emahnt haben.


(Beifall bei der FDP)


Wir brauchen eine Politik, die konsequent auf Wachs-
um und Reformen statt auf ein „Weiter so“ setzt. Wir
aben heute in einem Antrag zum wiederholten Male in
iesem Hause darauf hingewiesen, dass Steuersenkung
nd Steuervereinfachung zusammengehören und dass
ie Finanzierung entsprechender Maßnahmen auch mög-
ich ist.

Es war übrigens eben eine drollige Begegnung, als
ich die Bundeskanzlerin dankbar an die Herren Minis-
erpräsidenten gewandt und bemerkt hat, wie schön es
och sei, dass sie auf ihren Anteil an der Mehrwertsteuer
erzichtet hätten. Aber der deutschen Öffentlichkeit sei
ann auch die komplette Wahrheit genannt: Bei 1 Pro-
ent der Einnahmen verzichten die Länder – pfiffig und
uch raffiniert, wie sie sind – auf ihren Anteil; bei den
Prozent langen sie natürlich genauso zu. Nicht, dass

ich in der deutschen Öffentlichkeit ein falscher Ein-
ruck durchsetzt: Dort auf der Länderbank sitzt nicht
utter Teresa; die Ministerpräsidenten haben vielmehr

hre Interessen – auch die finanzpolitischen – eiskalt aus-
erhandelt. Das will ich an dieser Stelle festhalten.


(Beifall bei der FDP – Lachen des Ministerpräsidenten Matthias Platzeck [Brandenburg])


An dieser Stelle auch Sie nicht, Herr Platzeck.






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle
Die Konjunktur zieht nur dann an, wenn auf dem
Arbeitsmarkt positive Signale gesetzt werden. Was Sie
für die Probezeit vereinbart haben, ist zu wenig. Wir ha-
ben gemeinsam regelmäßig über die betrieblichen Bünd-
nisse und die Notwendigkeit des Aufbruchs der Tarifkar-
telle gesprochen. Leider haben Sie selber heute
eingestanden: Können wir nicht, schaffen wir nicht!

Die Reform der sozialen Sicherungssysteme ist nicht
nur nötig, sondern auch möglich. Das haben wir gerade
heute gesehen, da die Rente zum ersten Mal überhaupt
nur noch unter Inanspruchnahme eines Überbrückungs-
gelds ausgezahlt werden kann. In Wahrheit haben wir bei
der Rente noch eine Schwankungsreserve – die eiserne
Reserve – von zwei Tagen.

Was das Gesundheitswesen angeht, wissen wir, dass
die Kassen zum 1. Januar die Beiträge erhöhen wollen.
Sie aber sagen uns hier: Wir werden uns im nächsten
Jahr mal wegen der Gesundheitspolitik zusammenset-
zen; das konnten wir gemeinsam leider nicht schaffen. –
Das ist für Deutschland zu wenig!

Sie haben ausgeführt, dass wir eine Qualifizierungs-
und Technologieoffensive brauchen. Darin unterstützen
wir Sie, insbesondere, wenn Sie bei der Biotechnologie
Fortschritte erzielen. Auch bei der Grünen Gentechnik
werden Sie uns an Ihrer Seite haben.

Ich betone auch ausdrücklich: Es ist richtig, dass Sie
sich eine neue Allianz der Familien- und Bildungspoli-
tik zum Ziel gesetzt haben. Auch wir sind der Überzeu-
gung, dass die Globalisierung in erster Linie im Wettbe-
werb der Bildungssysteme entschieden wird.

Sie sagten aber auch, wir bräuchten ein anderes Klima
in Deutschland, keine Neidgesellschaft; Spitzenleistun-
gen müssten anerkannt werden. Sie haben aber gerade
das glatte Gegenteil beschlossen: Nachdem zum 1. Ja-
nuar der Spitzensteuersatz gesenkt worden ist, wird er
jetzt, wenige Monate später, zum Jahresende gleich wie-
der erhöht. Das Ganze nennen Sie „Erhöhung des Spit-
zensteuersatzes“. In Wahrheit ist es nichts anderes als die
Reichensteuer, wie sie Herr Müntefering mit seiner Heu-
schreckendebatte in die Diskussion eingeführt hat. Wer
eine solche Heuschreckendebatte führt und dann mit ei-
ner Reichensteuer darauf antwortet, der sorgt dafür, dass
Arbeitsplätze entstehen – in Österreich und anderen
Nachbarländern, aber nicht bei uns in Deutschland. An-
erkennungskultur heißt auch, Leistungen anzuerkennen,
statt sie mit Strafzetteln zu verfolgen.


(Beifall bei der FDP)


Wenn Sie beim Bürokratieabbau vorankommen, wer-
den wir Sie dabei begleiten und unterstützen. Wenn aus
dem positiven Ansatz des Elterngeldes nicht neue Schul-
den, sondern neue Chancen für die Kinder entstehen,
werden wir diesen Vorschlag unterstützen.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit
400 Anträgen im Deutschen Bundestag gezeigt, dass wir
in der Lage sind, konkrete Einsparungen vorzuschlagen
und zu vertreten. Wir haben als Liberale eine besondere
Verantwortung bei den Themen Bürgerrechte und
Rechtsstaat. Diese dürfen in einer großen Koalition nicht

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(C (D nter die Räder kommen. Wir werden dafür sorgen, dass s einen vernünftigen Ausgleich zwischen Bürgerfreiheit nd Bürgersicherheit geben wird. Zum Schluss, meine sehr geehrte Damen und Herren, Wir, CDU/ SU und FDP, haben am 1. September dieses Jahres, urz vor der Wahl, beim so genannten Oppositionsgipfel in gemeinsames Programm vorgelegt. Dieses hatte die berschrift „Deutschland braucht den Wechsel“ und rägt die Unterschriften von Angela Merkel, Edmund toiber und meiner Person. Wir haben damals nicht eien Personalwechsel gemeint, sondern einen Politikechsel gewollt. n einem Politikwechsel werden wir weiter arbeiten. as heißt, dass Privat vor dem Staat kommt und dass die reiheit unseren Wohlstand besser sichert als jede ideo ogische Gleichmacherei. Unsere Alternative in diesem ause ist, auf die Kraft der Freiheit zu setzen. Frau Merkel, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung u allem ein bisschen und zu jedem etwas gesagt. Aber as ist für Deutschland nicht genug. Nächster Redner ist der Vorsitzende der SPD-Frak ion, Dr. Peter Struck. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1600400400

(Beifall bei der FDP)


(Anhaltender Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1600400500


Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1600400600

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

en! Frau Bundeskanzlerin, im Namen der SPD-Fraktion
ratuliere ich Ihnen zu Ihrer Amtsübernahme und wün-
che Ihnen und unserem Land eine erfolgreiche Regie-
ungszeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ch danke Ihnen, Frau Merkel, auch für die Anerkennung
er wichtigen Reformschritte, die Gerhard Schröder ein-
eleitet hat. Er hat das Land in schwieriger Zeit erfolg-
eich gelenkt.


(Beifall bei der SPD)


Herr Kollege Kauder, der Beifall in Ihren Reihen, als
rau Merkel Herrn Schröder gelobt hat, war ein bisschen
chwach.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Du hast nicht richtig gehört!)


ie müssen noch einiges lernen. Aber ich gebe zu, dass
s auch für uns eine ungewohnte Situation ist, Frau
erkel Beifall zu zollen. Wir werden das im Laufe der

eit noch lernen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) )


)

Dr. Peter Struck
Frau Merkel, Ihre Regierungserklärung ist ein solider
Grundstock, auf den wir in den nächsten vier Jahren set-
zen können. Meine Fraktion wird mit dem für Parlamen-
tarier notwendigen Selbstbewusstsein dazu beitragen,
dass es vier erfolgreiche Jahre für Deutschland werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutschland genießt bei unseren Nachbarn und Part-
nern hohes Ansehen. Dazu hat Gerhard Schröder ent-
schieden beigetragen. Deutschland ist ein verlässlicher
Partner. Als jemand, der zuletzt für einen wichtigen Teil
der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik Verant-
wortung getragen hat, weiß ich, wovon ich rede. In den
Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik hat es schon in
der Vergangenheit eine große Übereinstimmung zwi-
schen uns gegeben, übrigens auch mit den Kolleginnen
und Kollegen der FDP-Fraktion. Ich denke dabei an die
gemeinsame Verantwortung für die Friedenseinsätze der
Bundeswehr und – anknüpfend an Ihre Bemerkung, Frau
Merkel, und an die des Kollegen Westerwelle – die Hil-
fen für den Irak, die fortgesetzt werden müssen. Unser
Land darf sich einer Erpressung nicht beugen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Westerwelle, es war ja zu erwarten, dass Sie ge-
gen die geplante Mehrwertsteuererhöhung argumentie-
ren werden. Ich hätte mir ebenfalls eine andere Lösung
gewünscht. Aber Koalitionsverhandlungen sind keine
„Wünsch dir was“-Veranstaltungen. Das hätten auch Sie
übrigens gemerkt, wenn Sie die Chance gehabt hätten,
Koalitionsverhandlungen zu führen. Aber der Wähler
hat Ihnen diese Chance nicht gegeben.


(Beifall bei der SPD)


Die Mehrwertsteuer wird erst 2007 erhöht und nicht
schon nächstes Jahr, wie im Wahlprogramm der Union
angekündigt. Das hat den Vorteil, dass im kommenden
Jahr der Aufschwung nicht gestört wird und die eine
oder andere Anschaffung vielleicht im kommenden Jahr
vorgezogen wird. Die Grundnahrungsmittel bleiben bei
der Mehrwertsteuererhöhung außen vor; das sollten wir
festhalten. Es bleibt bei 7 Prozent. Es wird keine Erhö-
hung in diesem Bereich geben. Wir müssen die Hand-
lungsfähigkeit des Staates wiedergewinnen. Dazu muss
die Einnahmebasis verbessert werden. Das ist völlig un-
strittig. Ein Teil der Mehrwertsteuererhöhung wird na-
türlich den Bürgern durch die niedrigeren Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung zurückgegeben und die Lohn-
nebenkosten können so gesenkt werden.

Seit einer Woche ist die Bundesregierung im Amt. Es
ist die zweite große Koalition in der Geschichte unseres
Landes. Die zweite nicht nur in zeitlicher Reihenfolge,
auch in ihrer Größe lassen die Wähler der Opposition
mehr Platz. Bei der ersten großen Koalition gab es mit
der FDP-Fraktion eine relativ kleine Opposition.


(Vorsitz: Vizepräsident Wolfgang Thierse)

Geschichte wiederholt sich nicht. Die große Koalition
Merkel/Müntefering lässt sich nicht eins zu eins auf
Kiesinger/Brandt übertragen. Dennoch bin ich über-

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(C (D eugt: So wie die erste große Koalition Deutschland gut etan hat, wird dem Land auch die zweite große Koaliion gut tun. ir wollen ihren Erfolg, so wie Kurt Georg Kiesinger nd Willy Brandt seinerzeit diesen Erfolg wollten. Daals wie heute gilt Willy Brandts Forderung an das ündnis der Volksparteien: nicht die heiligen Kühe der nderen schlachten, sondern immer den größten gemeinamen Nenner suchen, weil – so hat Willy Brandt das daals gesagt – die Koalition zum Erfolg werden soll, zum rfolg werden muss. Die große Koalition ist auch deshalb gut, weil die Reormblockade im Bundesrat aufgelöst wird und Bund nd Länder Deutschland endlich gemeinsam reformieren önnen. Wir wären schon ein gutes Stück weiter, wenn er Bundesrat nicht wichtige Entscheidungen seinerzeit ber Jahre hinweg blockiert hätte. (Beifall bei der SPD – Lothar Mark [SPD]: Das muss wieder mal gesagt werden!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ber das ist jetzt Geschichte und jetzt gilt es etwas Gu-
es aus dieser neuen Konstellation zu machen. Die Vo-
aussetzungen dafür sind jedenfalls gegeben. Der Koa-
itionsvertrag ist ein Kompromiss, kein fauler, sondern
in fairer Kompromiss.


(Joachim Poß [SPD]: So ist es!)

ir alle haben uns zurückgenommen, damit das Land

orankommt. Wir alle sind für den ganzen Koalitions-
ertrag verantwortlich. Keiner kann sich nur die Rosinen
erauspicken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese neu gewählte Bundesregierung ist eine Arbeits-

egierung, eine Koalition des Machbaren. Das wird
chon am Umfang des Koalitionsvertrages deutlich. Von
wie Arbeitsmarktreform bis Z wie Zölle werden die
andlungsfelder beschrieben. Das mag dem einen oder

nderen nicht sexy genug sein. Vielleicht wird auch die
roße Linie vermisst.


(Zuruf des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


ber Politik muss immer praktisch und konkret für die
enschen sein.


(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD])

s geht uns in der Koalition darum, die Probleme des
andes zu lösen, den Menschen ein besseres Leben zu
escheren und Deutschland in eine gute Zukunft zu füh-
en.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

urz gesagt: Es geht um ehrliche und solide Arbeit,
hne Schnörkel und ohne Schleifchen. Die Umsetzung
ieses Koalitionsvertrages verlangt Disziplin und Ver-
ässlichkeit. Die Art und Weise, wie vor allem Frau

erkel und Franz Müntefering den Vertrag ausgearbeitet
aben, hat Vertrauen geprägt, das für die nächsten vier
ahre unser Verhältnis bestimmt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(B)







(A) )



(B) )


Dr. Peter Struck
Die neue Bundesregierung steht vor großen und wich-
tigen Weichenstellungen für die Entwicklung unseres
Landes. Sie kann dabei auf dem Fundament aufbauen,
das die alte Bundesregierung unter Bundeskanzler
Schröder gelegt hat. Mit der Agenda 2010 wurden wich-
tige und richtige Entscheidungen getroffen. Daran wer-
den wir in unserer Arbeit anknüpfen. Wir bekennen uns
nachdrücklich zur Zusammenlegung der Arbeitslosen-
hilfe und Sozialhilfe in der Grundsicherung für Arbeits-
suchende.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Alle Arbeitssuchenden erhalten eine Chance. Bislang
wurden junge Menschen, die noch nie gearbeitet haben,
und Menschen, die sehr lange arbeitslos waren, auf ein
Abstellgleis geschoben. Sie bekamen zwar Geld, aber es
gab keine Regelung, wie sie wieder Arbeit finden konn-
ten. Seit dem 1. Januar ist das anders. Arbeitsfähige So-
zialhilfeempfänger nehmen wieder an der Arbeitsver-
mittlung teil. Auch das ist ein Erfolg, der sich sehen
lassen kann.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es gibt Hilfe aus einer Hand. Mit der Zusammenle-
gung der sozialen Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozial-
hilfe hat jeder größere Chancen und auch einen neuen
persönlichen Ansprechpartner. Arbeitssuchende sind
keine Nummern mehr. Es wird sich intensiv um sie ge-
kümmert. Ein Betreuungsschlüssel von 1 : 75 für Ju-
gendliche und junge Erwachsene ist bereits nahezu über-
all verwirklicht. Das ist auch ein Erfolg der Maßnahmen,
die seit 1. Januar dieses Jahres wirken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Natürlich ist die Frage der Arbeitsmarktreform heftig
umstritten gewesen. Wir haben in den Koalitionsver-
handlungen darüber diskutiert. Wir müssen ein solch
komplexes und umfangreiches Reformvorhaben flexibel
anpassen und verbessern. Daher werden wir verschie-
dene Maßnahmen optimieren und Missbrauchsmöglich-
keiten einschränken.

Wir beginnen die Arbeit nicht an einem Nullpunkt.
Die SPD-geführte Bundesregierung hat wichtige Im-
pulse für die Reform des Landes gegeben – zusammen
mit unserem damaligen Koalitionspartner Die Grünen,
dem ich unseren Respekt aussprechen möchte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen Sie nicht vergessen.

Wir werden am Pakt für Ausbildung festhalten und
dazu beitragen, dass kein junger Mensch von der Schul-
bank in die Arbeitslosigkeit fällt. Die neue Bundesregie-
rung wird den Weg beim Abbau von Steuersubventionen
und Steuervergünstigungen fortsetzen und darf dabei
auch auf die Unterstützung des Bundesrates hoffen. Wir
werden die 4 Milliarden Euro für das Ganztagsschulpro-
gramm bis Ende der Legislaturperiode zur Verfügung
stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D uch das Tagesbetreuungsausbaugesetz, abgekürzt TAG das muss ich erst einmal lernen – vielen Dank –, das eine bessere Betreuung der unter reijährigen Kinder gewährleistet, wird weiterentickelt. Außerdem halten wir am Ausbau der erneuerbaren nergien fest. ir werden dafür sorgen, dass deren Anteil erhöht wird. enn wir das Ziel erreichen, Herr Kollege Kauder, dass is zum Jahre 2010 der Anteil der erneuerbaren Energien n der Stromversorgung bei mindestens 12,5 Prozent iegt, dann brauchen wir uns über die Kernenergie nicht ehr zu streiten und dann können Sie das vergessen, as Sie bisher wollten. Einverstanden? (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre war
rfolgreich. Sie festigt und stützt nachhaltig den Wachs-
umskurs der deutschen Wirtschaft, die im dritten
uartal 2005 kalenderbereinigt um 1,4 Prozent gewach-

en ist. Der deutsche Sachverständigenrat hat die alte
undesregierung für die wichtigen und weit reichenden
eformen ausdrücklich gelobt. Dazu hat Holger Schmie-
ing, Chefvolkswirt Europa der Bank of America, ge-
agt: „Die Wirtschaft steht am Anfang eines klassischen
ufschwungs.“ Wir werden diesen Aufschwung beför-
ern, und zwar mit unseren Maßnahmen, die wir in der
oalition vereinbart haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ein nicht geringer Teil unserer Probleme in der Ver-
angenheit ist der gegenseitigen Blockade von Bundes-
ag und Bundesrat geschuldet. Ich freue mich, dass

atthias Platzeck da ist, auch wenn er nicht derjenige
st, den ich ansprechen möchte. Die anderen, die damals
lockiert haben, sind leider schon weg. Insofern muss
ch ihm mitgeben: Sie sind nicht gemeint, Herr Minister-
räsident, wenn ich das sagen darf.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Unsere Aufgabe wird es sein, die Handlungsfähigkeit
es Staates neu sicherzustellen und diesen Missstand zu
eseitigen. Es geht darum, Entscheidungen schneller zu
reffen und Zuständigkeiten klarer zu regeln. Da sind wir
ns mit der Opposition doch einig. Deshalb ist die
eform der föderalen Ordnung nicht nur eine Spiel-
iese der Verfassungsjuristen, sondern von zentraler Be-
eutung für die Handlungsfähigkeit des Staates. Wenn
ir die Änderungen bis zur Jahresmitte im Gesetzblatt

tehen haben, dann sind wir ein großes und wichtiges
tück weiter, dann können wir auf die Reform der föde-
alen Ordnung stolz sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Peter Struck
Ich habe in den letzten Tagen eine Reihe von Meldun-
gen über die Frage gelesen, wie lange diese Koalition
halten soll. Manche fragen sich, ob das Ganze wirklich
vier Jahre hält. Dieses Bündnis ist aus meiner Sicht eine
ganz solide Sache, eine solide Vereinbarung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir wollen in dieser Legislaturperiode zusammenar-
beiten, und zwar für volle vier Jahre. Dann entscheiden
die Wähler neu. Ich jedenfalls werde gemeinsam mit
Volker Kauder – wenn der jetzt zuhört; das muss er noch
lernen – –


(Heiterkeit bei der SPD)


– Ich wiederhole den Beginn meines Satzes: Ich jeden-
falls werde in diesen vier Jahren mit Volker Kauder ge-
meinsam alles tun, um die Koalitionsfraktionen in die
Lage zu versetzen, diesem Bündnis zu einem Erfolg zu
verhelfen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das heißt, dass die Fraktionen selbstbewusst alles das
prüfen werden, was die Regierung vorlegt. Die Regie-
rung weiß das. Dafür ist das Parlament da. Frau Bundes-
kanzlerin, es ist so, dass nicht alles, was Sie wünschen,
vom Parlament auch so beschlossen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es gilt nach wie vor das alte strucksche Gesetz: Kein Ge-
setz kommt so raus, wie es hier reingekommen ist. – Da-
für sind wir da.

Aber natürlich stehen wir zu unseren Verpflichtungen
im Koalitionsvertrag. Mit diesem Koalitionsvertrag ha-
ben wir ein gutes Beispiel gegeben. Wir haben uns
bewegt. Die Volksparteien sind aus den Gräben heraus-
gekommen. Das reicht aber nicht. Auch die gesellschaft-
lichen Gruppen, die Verbände, die Arbeitgeber und die
Gewerkschaften, müssen aus den Gräben heraus, ge-
nauso wie wir aus den Gräben herausgekommen sind.
Das Land braucht den offenen Dialog.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Land braucht auch die Bereitschaft, Eigeninteressen
hintanzustellen. Die Summierung von Lobbyinteressen
macht noch nicht das Gemeinwohlinteresse aus.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir werden und können uns nicht jeder Gruppe mit ih-
ren Wünschen beugen. Jeder muss in diesem Dialog Ver-
antwortung übernehmen. Niemand sollte sich auf die
Zuschauerrolle zurückziehen. Wir, SPD, CDU und CSU,
können den gesetzlichen Rahmen für mehr Arbeit und
Beschäftigung schaffen, aber andere müssen bereit sein,
ihn zu nutzen. Wir wollen Fortschritt für unser Land und
wir laden alle ein, diesen Weg mit uns zu gehen. Er wird
ein Erfolg für Deutschland.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Ich erteile Kollegen Gregor Gysi, Fraktion Die Linke, as Wort. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Geiselahme verbietet jede Polemik. Wir alle haben von dieem schrecklichen Ereignis gestern erfahren. Wir rücken unsere Hoffnung aus, dass es Ihnen, Frau Buneskanzlerin, und der gesamten Regierung gelingt, weigstens das Leben dieser beiden zu retten, nachdem im rak schon so viele sinnlos getötet worden sind. Es wäre ngeheuer wichtig, das Leben unserer Mitbürgerin und hres Kraftfahrers zu retten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600400700

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1600400800

Aber natürlich lohnt es sich in diesem Zusammen-
ang – nicht nur in diesem, sondern auch in jedem ande-
en –, über Außenpolitik zu streiten, weil es unterschied-
iche Ansätze in unserer Gesellschaft gibt. Wir stehen
or der Tatsache, dass die Bundesregierung ihr Verhält-
is zum Völkerrecht und zum Krieg klären muss.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist geklärt!)


Es ist von den USA – nicht nur von den USA, auch in
nserem Land – immer wieder erklärt worden, man
üsse einen Krieg gegen den Terror führen. Ich habe

estgestellt: Der Krieg, der da geführt wird, egal wo,
ührt nicht zu weniger Terror, sondern zu mehr Terror.

ir müssen raus aus dieser Spirale der gegenseitigen
ewalt.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Verhältnis der Regierung Schröder/Fischer war
iesbezüglich nicht bestimmt, nicht klar. Sie hat das Völ-
errecht beim Jugoslawienkrieg verletzt. Sie hat dann
eim Irakkrieg auf dem Völkerrecht bestanden. Deshalb
age ich: Wir brauchen hier ein klares Verhältnis. Das
uss ein Ja zum Völkerrecht sein;


(Beifall bei der LINKEN)


enn nur das Völkerrecht kann die Macht der USA in ge-
issen Grenzen beschneiden, kann die USA einschrän-
en.

Wir haben noch einen zweiten Kampf der USA. Wir
aben eine Weltwirtschaft. Also gibt es auch eine Welt-
olitik. Die Frage ist: Wer macht Weltpolitik, die UNO
der die USA? Das ist die Auseinandersetzung, die ge-
enwärtig geführt wird. Dazu sage ich: Unsere Regie-
ung – Sie, Frau Bundeskanzlerin – muss sich für die
eltung des Völkerrechts einsetzen. Das bedeutet dann

ber auch, dass man in schwierigen Situationen, wie da-
als in Jugoslawien, zum Bruch des Völkerrechts Nein

agt.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi
Die USA negieren das Völkerrecht, wie wir das beim
Irakkrieg erlebt haben. Sie haben noch eine andere
Schwierigkeit: Das ist ihr eigenes inneres Recht. Das
kann auch Präsident Bush nicht so schnell ändern; denn
es ist über Jahrzehnte entstanden und gewachsen. Die
Gefangenenlager, die sie auf Guantanamo, in Kuba und,
wie wir jetzt erfahren, auch in anderen Ländern einge-
richtet haben, dienen dem Zweck, ihr eigenes Recht ge-
genüber den Gefangenen nicht gelten zu lassen. Das ist
dreist!


(Beifall bei der LINKEN)


Dass, wie man jetzt hört, auch deutsche Flughäfen zu
diesem Zweck missbraucht worden sind, ist ein starkes
Stück. Entschuldigen Sie, dass ich meine Zweifel habe,
wenn die Regierung sagt, sie habe davon nichts gewusst.
Bei der hohen Sicherheit auf unseren Flughäfen kann ich
mir nicht vorstellen, wie so etwas heimlich funktionieren
soll, sodass eine Regierung davon nichts erfährt. Aufklä-
rung ist dringend geboten.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich habe gesagt, dass das Völkerrecht auch dazu
dient, die Macht der Stärksten zu begrenzen. Wenn das
so ist, brauchen wir in dieser Situation gegenüber Präsi-
dent Bush starke, klare und deutliche Worte statt Zurück-
haltung.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, zusammen mit
Herrn Müntefering einen Koalitionsvertrag vorgelegt.
Ich glaube, es wird leider eine große Koalition zur Ver-
schärfung statt zur Lösung ökonomischer, arbeitsmarkt-
politischer, sozialer und kultureller Probleme in unserer
Gesellschaft. Verschärft setzen Sie den falschen Kurs der
SPD/Grünen-Regierung fort.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie, Herr Struck, haben eben davon gesprochen, dass es
eine erfolgreiche ökonomische Politik gegeben habe.
Aber 5 Millionen Arbeitslose sind der Beweis dafür,
dass die Politik nicht erfolgreich war.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Mittelpunkt Ihres Koalitionsvertrages steht die
Haushaltskonsolidierung, mit der Sie allerdings erst
2007 anfangen wollen, weil Sie hoffen, dass 2006 ir-
gendein Aufschwung kommt, der Ihnen nutzen könnte.
Ich glaube, solche Tricks funktionieren im Privatleben
nicht und sie funktionieren auch in der Politik und der
Gesellschaft nicht.

Sie wollen wieder Einsparungen im sozialen und im
investiven Bereich vornehmen. Damit sparen Sie die Ge-
sellschaft kaputt.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben zu Recht, Frau Bundeskanzlerin, auf die
Chancen durch den Zusammenbruch der Sowjetunion
und des Staatssozialismus hingewiesen. Damit waren
Chancen verbunden; das stimmt. Aber wir können doch
nicht leugnen, dass es Vertreterinnen und Vertreter des
Kapitals gibt, die seitdem denken, der Sozialstaats-

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(C (D ompromiss sei vorbei und sie könnten schrittweise zuück zum Turbokapitalismus. Dagegen muss sich die olitik doch wehren. Selbst die Union hätte, wie ich eine, sagen müssen: Das Primat der Politik auch über irtschaftsinteressen ist und bleibt uns wichtiger. – Erst echt hätte das die Sozialdemokratie sagen müssen. Aber ie haben es nicht gesagt. Welchen Weg ist die vorherige Regierung geganen? Sie haben die Körperschaftsteuer von 42 Prozent uf 25 Prozent gesenkt. Die Kapitalgesellschaften haben ich wie verrückt gefreut. Natürlich fehlten Milliarden m Haushalt der Bundesrepublik Deutschland. Die drittrößte Einnahmequelle Deutschlands haben Sie so gechröpft, dass noch zwei Jahre ausgezahlt werden usste. – Das ist übrigens damals auch von der Union ritisiert worden. – Erst danach waren allmählich wieder innahmen zu verzeichnen, aber viel schwächer als vorer. Sie haben die Veräußerungsgewinnsteuer abgeschafft. Veräußerungsgewinnsteuer“ klingt kompliziert. Wenn ine Kapitalgesellschaft etwas verkauft, erzielt sie einen aufpreis. Auf dieses Geld muss sie eine Steuer bezah en – bzw. musste sie unter Kohl. Die SPD hat diese teuer völlig abgeschafft und dafür die Steuern bei den andwerkern verdoppelt. Das war ihre ökonomische Po itik. Sie haben den Spitzensteuersatz der Einkommenteuer – ich bitte Sie! – von 53 Prozent auf 42 Prozent, lso um 11 Prozentpunkte, gesenkt, so stark wie noch nie n der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das ind übrigens 11 Milliarden Euro Einnahmen weniger ro Jahr. Das ist eine ganze Menge, die man da so einach an die Besserund Bestverdienenden weggibt. Und as machen Sie dann? Dann stellen Sie sich vor die ranken, Alten und Arbeitslosen hin und sagen: Es tut ns furchtbar Leid, aber wir haben kein Geld und müsen bei euch sparen. – Das ist unredlich, unfair und nicht olidarisch. Auch die Reallöhne sind in Ihrer Regierungszeit geunken; das muss man ebenfalls sehen. Diese Politik will die neue Regierung nun fortsetzen. ch weiß, dass auch die FDP Anhänger dieser Politik ist, ogar noch konsequenter als die Regierung. Aber ich laube, das Ganze geht in eine völlig falsche Richtung. ir setzen etwas anderes dagegen: Nur steigende Real öhne, nur mehr soziale Gerechtigkeit führen auch zu eier wirtschaftlichen Belebung; denn unsere Binnennachrage ist eine Katastrophe und muss gestärkt werden. ass wir Exportweltmeister sind, nutzt den Arbeitslosen ar nichts. Sie haben gesagt, Sie wollen eine Unternehmensteurreform machen; wir erfahren aber erst 2007, welche. a darf man ja sehr gespannt sein. Mal sehen, ob Sie die ewinne, die im Unternehmen bleiben, anders behaneln als die, die herausgenommen werden. Es gäbe da Dr. Gregor Gysi viele Möglichkeiten, was man verbessern könnte. Wir werden es abwarten. Wir begrüßen Ihre neuen Abschreibungsvorstellungen. Sie enthalten etwas Positives. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Haben wir da einen Fehler gemacht? – Zurufe von der CDU/ CSU: Oh!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


– Wir können durchaus lesen. – Ich sage Ihnen aber
auch, dass Sie nicht den Mut haben, auch nur von einem
Konzern in Deutschland 1 Euro mehr Steuern zu verlan-
gen. Das zeigt das klägliche Verhalten der Politik gegen-
über der Wirtschaft. Das ist nicht hinnehmbar. So kom-
men wir mit dieser Bundesrepublik nicht weiter.


(Beifall bei der LINKEN)


Es wird immer behauptet, wir hätten die höchsten
Quoten. Ich habe mir einmal die Zahlen angesehen. Die
Steuerquote im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt be-
trägt 20 Prozent. Damit liegen wir als eines der wirt-
schaftlich stärksten Länder auf dem vorletzten Platz in
Europa. Geringere Steuern hat nur noch die Slowakei.
Dann wird gesagt, man müsse auch die Lohnnebenkos-
ten sehen. Also haben wir sie addiert und landen bei
34,6 Prozent. Damit liegen wir, Frau Bundeskanzlerin,
auf Platz 16 nach Griechenland, nach Spanien und nach
Großbritannien. Das ist doch ein Skandal. So können wir
unsere Probleme nicht lösen.


(Beifall bei der LINKEN)


Solidarität erfordert auch, dass die mit mehr Eigentum
und mehr Vermögen mehr leisten als andere.


(Zuruf des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


Ich komme zur Vermögensteuer. In Deutschland
werden Steuern in Höhe von 0,8 Prozent des Brutto-
inlandsproduktes auf das Vermögen gezahlt. Wissen Sie,
was die „Financial Times Deutschland“ geschrieben hat,
welche Länder weniger von ihren Reichen verlangen? –
Mexiko, Tschechien, Slowakei und Österreich. Für mich
sind das keine Vorbilder.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Andere Länder, selbst die USA, verlangen deutlich mehr
von ihren Eigentümerinnen und Eigentümern als wir.
Hätten wir die Eigentums- und die Vermögensteuern der
USA, hätten wir Mehreinnahmen in Höhe von 50 Mil-
liarden Euro im Jahr. Damit könnte man eine ganze
Menge anfangen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wie sehen also Ihre Lösungsvorschläge aus? Sie sa-
gen, ab 1. Januar 2007 soll die Mehrwertsteuer um
3 Prozentpunkte erhöht werden. Alle wissen, das belas-
tet die unteren sozialen Schichten und die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer viel mehr als andere Schich-
ten. Das ist ökonomisch eine riesige Katastrophe. Ich
könnte jetzt alle Argumente der SPD aus dem Wahl-
kampf wiederholen. Dies war doch Ihr zentrales Wahl-
kampfthema. Jeder kennt das Plakat, mit dem Sie gegen
die „Merkelsteuer“ polemisiert haben.

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(C (D In Bezug auf den gefundenen Kompromiss hat Herr esterwelle völlig Recht. Ich dachte in meiner Naivität, ass Sie sich in der Mitte, also auf eine Erhöhung um Prozentpunkt, verständigen würden. Nein, Sie erhöhen ie Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte. Heute sagen ie sogar, es sei erforderlich und völlig unmöglich, etas anderes zu tun. Dann sollten Sie wenigstens sagen, ass Sie im Wahlkampf gelogen haben. Denn das ist irklich ein Wahlbetrug. (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich habe mir das einmal angesehen: Wenn wir die
teuerquote und die Lohnnebenkostenquote von Frank-
eich hätten – dort sind es 10 Prozent mehr als bei uns –,
ann hätten wir jährlich Mehreinnahmen in Höhe von
20 Milliarden Euro. Ich bitte Sie, eine Sekunde darüber
achzudenken, dass wir über Nullrunden bei Rente, über
ürzungen bei Arbeitslosen und über Zuzahlungen bei
ranken gar nicht diskutieren müssten, wenn wir diese
rt von Steuergerechtigkeit in Deutschland einführten.


(Beifall bei der LINKEN)


Lassen Sie mich auch etwas zur Arbeitsmarktpolitik
agen. Wir fanden von Anfang an den Weg bezüglich
rbeitslosengeld II und Hartz IV im Kern, abgesehen
on ein paar Einzelumständen, für falsch. Wir haben im-
er gesagt, dass die dahinter stehenden Ideen falsch

ind.

Ich werde von meinem Beispiel nicht abrücken. Ein
ngenieur, der 50 Jahre alt ist und der 25 Jahre in seinem
eruf gearbeitet hat, bekommt ein Jahr lang Arbeits-

osengeld I, das nach seinem Einkommen berechnet
ird. Nach diesem Jahr bekommt er nur noch einen lä-

herlichen Betrag in Höhe des Arbeitslosengeldes II.
ber nicht nur das! Der Gesetzgeber verlangt auch noch,
ass sein Sparvermögen, seine Altersversorgung, seine
ohnung und sein Auto nur das Niveau wie bei einem

ozialhilfeempfänger haben dürfen. Wenn er darüber
iegt, weil er sich den Lebensstandard eines Ingenieurs
ufgebaut hat, bekommt er gar nichts. Das darf man Ar-
ut per Gesetz nennen. In einer so reichen Gesellschaft
ie der unseren ist das nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Gerhard Schröder hat in einem Punkt Recht gehabt.
r hat im Wahlkampf gesagt, dass gerade die Jungen
esser gestellt sind. Das stimmte auch. Die Jungen wa-
en besser gestellt. Aber was vereinbaren Sie jetzt mit-
inander? Sie vereinbaren, die Besserstellung der Jungen
ieder zurückzunehmen, indem Sie sagen, dass es kei-
en Anspruch bis zum 25. Lebensjahr gibt. Ich möchte,
ass wir über folgenden Widerspruch nachdenken. Das
rundgesetz regelt die Volljährigkeit. Im Strafrecht ist

estgelegt, ab wann man voll strafmündig ist. Das Zivil-
echt regelt, ab wann man zivilrechtlich voll belangt
erden kann. Dem 24-Jährigen wird also gesagt, dass er
oll verantwortlich ist. Aber wenn er arbeitslos wird, soll
r zu Mami und Papi gehen, weil er für Sie sozusagen
och minderjährig ist und Sie für seinen Lebensunterhalt






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi
nicht aufkommen wollen. Das ist nicht hinnehmbar. Das
ist ein Widerspruch in sich.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun haben Sie gesagt, sie wollten beim Arbeitslosen-
geld II und den übrigen Kosten noch einmal 4 Milliarden
Euro einsparen. Folgendes ist ja interessant: Sie haben
– das weiß kaum jemand – durch die Bundesagentur für
Arbeit eine Art Subventionierung des Bundeshaushalts
festgelegt. Sie haben nämlich gesagt: Für all diejenigen,
die in dem einen Jahr, in dem sie Arbeitslosengeld I be-
ziehen, nicht vermittelt werden – das sind die meisten –,
muss die Bundesagentur 10 000 Euro an den Bund zah-
len. Damit kommt er auf eine Einnahme von über
5 Milliarden Euro. Jetzt habe ich gedacht: Da kürzen Sie
irgendetwas. Nein, da kürzen Sie natürlich nicht. Auf
diese Einnahme bestehen Sie.

Aber Sie wollen 4 Milliarden einsparen. Das geht
wieder zulasten der Arbeitslosen, zulasten einer, wie ich
meine, völlig falschen Gruppe. Deutlich über 90 Prozent
unserer Arbeitslosen wollen arbeiten. Dass es einzelne
Ausnahmen gibt, braucht mir niemand zu erzählen; das
weiß auch ich. Das ist aber nicht unser gesellschaftliches
Problem. Unser gesellschaftliches Problem sind diejeni-
gen, die Erwerbsarbeit – auch zur Wahrung ihrer
Würde – wollen und keine reale Chance dazu haben. Da-
ran muss sich etwas ändern.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt haben Sie noch festgelegt, dass der Rentenbei-
trag, der für die Arbeitslosen gezahlt wird, gesenkt wird.
Es ist völlig klar: Dann bekommen diese nur Minirenten
und wir haben später das Problem der Altersarmut. Das
hilft uns doch nicht weiter. Wir verlagern hier ein Pro-
blem auf die nächste Generation.

Die Rentnerinnen und Rentner sollen jetzt vier
Nullrunden durchmachen. Zwei Nullrunden haben sie
schon hinter sich. Es gab sogar erstmalig eine Bruttoren-
tenkürzung und dann eine Nettorentenkürzung durch
Beitragserhöhungen. Nullrunden bei Mehrwertsteuerer-
höhungen und anderen Kostensteigerungen sind natür-
lich in Wirklichkeit Nettorentenkürzungen – und das
sechs Jahre lang; das muss man sich einmal überlegen.
Dass Sie in einer Gesellschaft, die so reich ist, in den
letzten Jahren ihren großen Konzernen sowie den Bes-
ser- und Bestverdienenden alle möglichen Geschenke
machen konnten, bei den Rentnerinnen und Rentnern
aber sagen: „Wir haben kein Geld“, ist nicht hinnehm-
bar.


(Beifall bei der LINKEN)


Es soll ja noch die Rentenformel verändert werden
und dann wollen Sie das Renteneintrittsalter anheben.
Sie wollen das langfristig tun. Sie betonen immer, dass
die Menschen älter werden. Das stimmt; den demogra-
phischen Faktor sehen auch wir. Warum erwähnen Sie
aber nicht einmal, wie sehr die Produktivität gestiegen
ist? Daimler-Benz brauchte vor 20 Jahren für einen be-
stimmten Produktionsgang vier Arbeitskräfte; heute
wird dafür nur noch eine Arbeitskraft benötigt. Das
heißt, wenn damals vier Arbeitskräfte vier Rentner mit

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(C (D rnähren konnten, müsste das heute angesichts der Prouktivitätsentwicklung einer können. Aber die Lohnenticklung und anderes haben damit nicht Schritt gehal en. Das ist das Problem, mit dem wir es zu tun haben. Wir sind die einzige große Industriegesellschaft mit inem Rückgang der Reallöhne um 0,9 Prozent in den etzten Jahren. Ich bitte Sie: Selbst in den USA haben die eallöhne um 15 Prozent zugenommen. In Großbritanien und in Skandinavien sind sie um über 20 Prozent estiegen. In anderen Ländern – sie mögen sich ansonsen sehr voneinander unterscheiden – gibt es eine völlig ndere Entwicklung als in Deutschland. Sie behaupten ber im Ernst, Sie hätten als Einzige Recht und gingen en wahren Weg. Ich sage Ihnen: Dieser Weg ist auch ökonomisch eine atastrophe. Ohne eine höhere Kaufkraft und mehr Zuersicht der Bevölkerung wird es keine Rettung für leine und mittlere Unternehmen in Deutschland geben. ir werden vielmehr weiter höchste Insolvenzzahlen aben. Nun gibt es ja seit ewigen Zeiten den Streit zwischen ngebot und Nachfrage. Der Linken wird immer voreworfen, sie denke nur an die Nachfrage, und wir weren den Konservativen immer vor, sie würden nur an das ngebot denken. Es hilft nichts: Man muss einfach beies sehen. Nur, Herr Benneter, Ihre liebe Regierung hat über sieen Jahre ausschließlich die Angebotsseite behandelt, tatt einmal auch die Nachfrage zu erhöhen, wie es übriens auch im Interesse der kleinen und mittleren Unterehmen dringend erforderlich gewesen wäre. (Beifall bei der LINKEN – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuerreformen haben wir gemacht!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: So ist es!)


Deshalb sage ich Ihnen: Sie werden sich um die
achfrageseite in Deutschland kümmern müssen, wenn
ie die Wirtschaft stärken und mehr soziale Gerechtig-
eit schaffen wollen. Wir machen das nicht aus rein
deologischen Gründen. Wir denken dabei auch ökono-
isch; aber wir wollen natürlich – das ist unser Ziel als

emokratische Sozialistinnen und Sozialisten –, dass es
en Menschen in dieser Gesellschaft besser geht. Man
ollte nicht einerseits Wasser predigen und andererseits
ein trinken. Wir haben gesagt: Wir predigen wenigs-

ens auch Wein.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)


as ist der Unterschied. Wir wollen, dass es den Leuten
esser geht. Sie wollen das für viele nicht mehr errei-
hen. Das ist nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Bundeskanzlerin, Sie sind eine Frau.






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)


– Das ist erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland; das wird man doch wohl mal erwähnen
dürfen. – Ich hätte mir von Ihnen zwei, drei lohnende
Sätze zur Gleichstellungspolitik in dieser Gesellschaft
gewünscht.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich habe nichts dazu gehört; das finde ich schade.

Sie kommen aus Ostdeutschland. Da hätte ich mir
gewünscht, dass Sie das Ziel der Angleichung der
Lebensverhältnisse Ost und West zumindest nicht auf-
geben. Das steht aber kein einziges Mal im Koalitions-
vertrag und Sie haben es auch kein einziges Mal geäu-
ßert. Wenn Sie schon nicht sagen können, wann in Ost
und West gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezogen wird,
dann geben Sie doch nicht auch noch das Ziel auf.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir erwarten von Ihnen zumindest einen Fahrplan, in
dem Sie sagen, in welchen Schritten Sie dieses Ziel er-
reichen wollen. Alle Verteuerungen, zum Beispiel die
Erhöhung der Mehrwertsteuer, werden sich im Osten
noch verheerender auswirken als im Westen. Das kennen
wir von früher. Deshalb muss man darauf hinweisen.

Ich glaube auch, dass wir Investitionen brauchen. Sie
sprechen gerne vom Zukunftsfonds. Ich sage Ihnen nur:
Eine Schummelei geht nicht. Sie können nicht immer
mit Jahresbeträgen operieren, aber, wenn es um den Zu-
kunftsfonds geht, von dem Vierjahresbetrag reden. Es
geht um 6 Milliarden Euro pro Jahr; das muss man hin-
zufügen. Dies ist zumeist Geld, das auch sonst ausgege-
ben worden wäre, mag es auch vernünftige Investitionen
darunter geben. Wenn Sie aber in die Verkehrsinfrastruk-
tur investieren wollen, können Sie nicht gleichzeitig die
Zuschläge für Bus und Bahn reduzieren. Damit würden
Sie nämlich Ihrem eigenen Programm einen Schlag ins
Gesicht versetzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Bundeskanzlerin –


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600400900

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1600401000

– ein letzter Satz –, Sie sind wohl für längere Zeit ein-

malig in Ihrem Amt, sowohl als Frau als auch als Ost-
deutsche. Das werden wir nach Ihnen so schnell nicht
wieder erleben. Irgendwann müssen Sie aber aufhören,
entweder freiwillig oder weil Sie müssen.


(Georg Brunnhuber [CDU/CSU]: Da haben Sie schon lange aufgehört!)


Sie sollten sich überlegen, dass es doch dann schön
wäre, sagen zu können: Die Gesellschaft ist friedlicher
geworden. Die Gleichstellung der Geschlechter ist vo-
rangekommen. Die soziale Gerechtigkeit hat zugenom-
men. Die Angleichung von Ost an West hat zugenom-

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(C (D en. – Wenn Sie all das sagen wollen, müssten Sie llerdings von Ihrem Koalitionsvertrag abgehen und Ihre eutige Regierungserklärung weitgehend vergessen. Da ie dies wahrscheinlich nicht tun werden, befürchte ich as Gegenteil. Ich erteile das Wort Kollegen Volker Kauder, CDU/ SU-Fraktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Unser Land hat wieder eine handlungsfähige egierung – das ist eine gute Nachricht für unser Land nd für die Menschen – (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600401100

(Beifall bei der CDU/CSU)

Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1600401200

nd Angela Merkel hat als erste Bundeskanzlerin der
undesrepublik Deutschland das Steuer übernommen.
arüber freuen wir uns als Union ganz besonders.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ch gratuliere allen Mitgliedern der Bundesregierung
nd unserer Bundeskanzlerin. Ich wünsche Ihnen, Frau
undeskanzlerin, viel Erfolg und für Ihre Arbeit Gottes
egen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Herausforderungen, vor denen unser Land steht,
ind groß. Die Menschen wissen das. Massenarbeits-
osigkeit, Staatsverschuldung, demographischer Wandel,
as fortschreitende Zusammenwachsen der globalen
irtschaft und die neue Konkurrenz durch dynamisch
achsende und erfolgshungrige Volkswirtschaften in
stasien haben erhebliche Auswirkungen auf unser
and. Wer sich auf den Erfolgen der Vergangenheit aus-

uhen will, wird sich gegenüber diesen Entwicklungen
icht behaupten können. Wir hingegen gestalten als Re-
ierungskoalition das Heute, um das Morgen zu gewin-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Joachim Poß [SPD])


evölkerungsrückgang und Überalterung sind Heraus-
orderungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

enn unsere Systeme der sozialen Sicherung sowohl
eute lebenden als auch zukünftigen Generationen eine
tabile Perspektive bieten sollen, dann müssen wir jetzt
ie Weichen richtig stellen.

Noch dramatischer stellt sich die Situation der öffent-
ichen Haushalte dar. Wir spüren, dass die gewaltige
taatsverschuldung der Politik fast den Atem nimmt. Sie
eschränkt die Handlungs- und Freiheitsräume kommen-
er Generationen. Ein finanzpolitisches „Weiter so!“
äre ein Verrat an der Zukunft unserer Kinder und
nkelkinder. Die Sanierung unserer Staatsfinanzen wird






(A) )



(B) )


Volker Kauder
deshalb vordringliche Aufgabe der neuen Regierung
sein. Dies ist im Koalitionsvertrag auch ganz klar und
deutlich geregelt.

Diese Ausgangslage zeigt die schwierige Aufgabe,
die vor uns liegt. Aber wir glauben an dieses Land und
seine Zukunft. Deutschland hat gute Grundlagen: inno-
vative Unternehmen, eine bedeutende Forschungsland-
schaft. Das größte Potenzial unseres Landes aber sind
die Menschen, gerade die jungen Menschen. Sie müssen
durch die Politik dieser Regierung wieder Zukunfts-
perspektiven erhalten und Zuversicht schöpfen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Manchmal erinnert mich Deutschland an den gefes-
selten Riesen Gulliver, kraftstrotzend und doch bewe-
gungsunfähig. Wir wollen in dieser Regierungskoalition
einen Beitrag dazu leisten, Gulliver zu entfesseln und die
in unserem Land steckenden Möglichkeiten zur Entfal-
tung zu bringen. Wir werden unseren Bürgerinnen und
Bürgern neue Chancen eröffnen. Deutschland kann
mehr – diese Regierung wird dazu einen Beitrag leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Viele Menschen machen sich wegen der schwierigen
Lage unseres Landes Sorgen – das kann ich gut verste-
hen. Was Angela Merkel aber heute als Regierungspro-
gramm vorgestellt hat, vermittelt Zuversicht, Optimis-
mus, Zukunft. Mit Mut und Menschlichkeit stellt sich
diese Regierung den Herausforderungen unserer Zeit.


(Beifall des Abg. Dr. Peter Struck [SPD])


Wir haben alle Chancen. Wir können immer noch aus
eigener Kraft die in unserem Land angelegten Möglich-
keiten entfalten, um Wohlstand und Freiheit auch in Zu-
kunft zu sichern und den Menschen wieder eine Perspek-
tive zu geben.

Auch wenn es sich bei der großen Koalition um ein
Bündnis auf Zeit handelt, geht es uns nicht um eine Poli-
tik für den Augenblick. Wenn wir Seifenblase auf Sei-
fenblase aufsteigen ließen, um den Launen der Demos-
kopie und den Partikularinteressen der Lobbyisten zu
gefallen, könnte dies einen Unterhaltungseffekt haben;
den Erwartungen unserer Bürgerinnen und Bürger wür-
den wir damit nicht gerecht werden. Verantwortliche
Politik heißt, auch über den Tag – über diese Legislatur-
periode – hinauszuschauen. Dazu sind wir in dieser gro-
ßen Koalition bereit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Beispiel für diese Politik über den Augenblick hi-
naus ist die Reform unserer bundesstaatlichen Ord-
nung. Die Bundeskanzlerin hat es in ihrer Regierungser-
klärung klar und deutlich gesagt: Wir werden das
föderale System erneuern und die Kompetenzen von
Bund und Ländern entflechten, klare Verantwortlichkei-
ten festlegen und das Prinzip der Subsidiarität stärken.

Ein weiteres Beispiel ist die Gesundheitspolitik.
Union und SPD sind mit unterschiedlichen Konzepten
angetreten. Aber beide Seiten eint die Überzeugung,

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(C (D ass unser Gesundheitssystem wieder auf eine tragfäige Basis gestellt werden muss. Deswegen, Herr Kolege Westerwelle, haben wir gerade nicht den kleinsten emeinsamen Nenner gesucht, was auch möglich geween wäre. Vielmehr wollen wir in den nächsten Wochen nd Monaten eine zukunftsfähige Lösung finden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bei der Steuererhöhung!)


Wenn ich an manche Arbeit der vergangenen Regie-
ung denke – das will ich als einzigen Hinweis geben –,
ann muss ich sagen: Sich ein bisschen mehr Zeit zu las-
en ist besser, als Schnellschüsse zu machen, die man
interher nachbessern muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Gesundheitspolitik ist aber auch, Herr Kollege
truck, ein Beispiel dafür – wir wollen sie ja zur Füh-
ungsaufgabe machen, was richtig ist –, dass wir es noch
ernen müssen, zunächst intern miteinander zu reden, be-
or wir öffentlich Vorschläge machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das soll er der Ministerin sagen!)


Wir wollen den Erfolg der Bundesregierung unter
ührung von Angela Merkel. Peter Struck und ich wer-
en dazu, zusammen mit unseren Fraktionen im Deut-
chen Bundestag, den Beitrag leisten, der notwendig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


ie Verhandlungen der letzten Wochen haben gezeigt,
ass es trotz politischer Gegnerschaft möglich gewesen
st, für eine Wahlperiode ein Regierungsprogramm auf-
ustellen. Nach einem harten Wahlkampf ist uns das al-
en am Anfang nicht leicht gefallen. Aber die Erkennt-
is, dass Menschen und Land vor der Parteipolitik
angieren, hat zu diesem Regierungsbündnis geführt.
amit bekennen sich Union und SPD zu ihrer staatspoli-

ischen Verantwortung.

Natürlich ist in den letzten Wochen das Verständnis
üreinander gewachsen. Das menschlich gute Klima der
erhandlungen ist entscheidende Vertrauensbasis für
iese Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


ber es gibt nach wie vor Unterschiede zwischen Union
nd SPD.


(Joachim Poß [SPD]: Gott sei Dank!)


ei aller guten Zusammenarbeit: Wir bleiben unter-
chiedliche Parteien und wir bleiben unterschiedliche
raktionen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Auch die CSU!)


ie Parteien dieser Koalition haben mit unterschied-
ichen gesellschaftspolitischen Vorstellungen um den






(A) )



(B)


Volker Kauder
Gestaltungsauftrag für unser Land geworben. Trotz kon-
kreter Einigungen und trotz der Koalitionsvereinbarung,
die wir getroffen haben, haben wir aber unsere bleiben-
den Überzeugungen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Leitbild der Union ist das christliche Menschenbild.
Es ist geprägt durch unverfügbare personale Würde,
Freiheitsbegabung, Unvollkommenheit und den Bezug
zu einer Gemeinschaft, in der sich das Leben des Einzel-
nen verwirklicht. Einen bevormundenden Staat, der den
Menschen gängelt, seine Entfaltungsräume einengt und
in alle Lebensbereiche regelnd eingreift, lehnen wir ab.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aus der Unvollkommenheit und Gemeinschaftsbezogen-
heit des Einzelnen erwächst für uns wiederum die
Pflicht, denen zu helfen, die es schwerer im Leben ha-
ben. Wir werden die Schwachen nicht allein lassen, son-
dern ihnen Lebenschancen eröffnen. Das ist unser Ver-
ständnis von Solidarität.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jeder ist aber auch gefordert, für sich selbst Verant-
wortung zu übernehmen. Wir wollen die Menschen zu
Freiheit und Eigenverantwortung ermutigen. Verantwor-
tung für sich und Verantwortung für andere müssen un-
sere Gesellschaft prägen. Das verlangt von uns allen,
nicht nur an die Maximierung des eigenen Vorteils zu
denken, sondern auch das Wohl der Allgemeinheit im
Blick zu haben.

Um eine solche Haltung zu fördern, brauchen wir eine
Bildung, die sich nicht verkürzt als Berufsbildung ver-
steht. Im Begriff Bildung steckt das Wort Bild. Damit ist
das Menschenbild gemeint, an dem sich alle pädagogi-
schen Anstrengungen orientieren müssen. In einer Zeit
zunehmender Beliebigkeit und moralischer Orientierungs-
losigkeit werden sich CDU und CSU für ein Bildungssys-
tem einsetzen, das auf dem Bild einer verantwortlichen
Persönlichkeit beruht und einen Wertekompass vermit-
telt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Be-
kämpfung der Massenarbeitslosigkeit ist das zentrale
und größte Anliegen der großen Koalition. Daran wer-
den wir gemessen. Massenarbeitslosigkeit steht ebenso
für die gesellschaftliche Ausgrenzung des Einzelnen und
seiner Familie wie für die Erosion der Finanz- und So-
zialsysteme. Das gilt für ganz Deutschland. Das gilt ins-
besondere aber auch für die Menschen in den neuen Län-
dern. Deshalb hat der weitere Aufbau Ost für uns eine
ganz besondere Bedeutung und ist in der Koalitionsver-
einbarung zentral benannt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Vorfahrt für Arbeit, Vorfahrt für Rahmenbedingun-
gen, die wirtschaftlichen Aufbruch möglich machen
und die Produktivkräfte unseres Landes entfalten, das
hat die Union vor der Wahl versprochen und das werden

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(C (D ir jetzt in der großen Koalition umsetzen. Wir begrüen deshalb ganz besonders die getroffenen Vereinbaungen zur Entlastung des Mittelstandes und zum Abbau ürokratischer Fesseln, die Neuregelung des Kündiungsschutzes und die Vereinbarung zur Verbesserung er Abschreibungsbedingungen vor allem für die mitteltändische Wirtschaft. Das alles sind richtige und notendige Entscheidungen. Ich verhehle nicht, dass wir ns an diesem Punkt – auch die Frau Bundeskanzlerin at es angesprochen – noch etwas mehr hätten vorstellen önnen. Vor allem die Absenkung des Beitragssatzes zur rbeitslosenversicherung um zwei volle Prozentunkte leistet einen wichtigen Beitrag zur Senkung der ohnzusatzkosten. Wir werden das Ziel, das sich schon iele vorgenommen haben, erreichen, nämlich dass wir ei den Lohnzusatzkosten unter 40 Prozent kommen. as ist ein Erfolg, den diese Regierung zu verbuchen haen wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Politik kann nur Rahmenbedingungen schaffen,
m den wirtschaftlichen Aufbruch möglich zu machen,
üssen auch andere mithelfen. Ich sage ganz deutlich:
efordert ist jetzt auch die Wirtschaft. Sie muss die
euen Spielräume nutzen und stärker investieren. Aber
uch die Gewerkschaften haben eine Verantwortung, da-
ei zu helfen, dass wir in unserem Land vorankommen.

Grundlage verantwortlicher Politik sind geordnete
taatsfinanzen. Die Lage der öffentlichen Haushalte ist
ramatisch. Die Personal- und Zinsausgaben, die Sozial-
usgaben des Bundes übersteigen in diesem Jahr voraus-
ichtlich die Steuereinnahmen. Wir zahlen also die Zin-
en mit neuen Schulden. So darf es nicht weitergehen.

ir können zukünftigen Generationen keine unzumut-
aren Belastungen aufbürden und wir dürfen nicht zulas-
en, dass die Zukunftsperspektiven der zukünftigen Ge-
erationen und der jungen Menschen immer mehr
erbaut werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben deshalb vereinbart – dies kann man nicht
ft genug sagen –, entschlossen zu sparen und vor allem
uch gleichermaßen entschlossen Subventionen abzu-
auen. Diese Maßnahmen sind für eine nachhaltige Ge-
undung des Bundeshaushalts unabdingbar.

Nachhaltigkeit im Sinne einer Stärkung der Chancen
unger Generationen spielt sich vor allem im Bereich der
onsolidierung der öffentlichen Haushalte ab, meine

ehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


ir stehen deshalb fest hinter dem Programm der Bun-
esregierung, bis zum Jahr 2007 die Haushaltskonsoli-
ierung durchzusetzen. Mit diesen Anstrengungen wer-
en wir 2007 wieder einen verfassungskonformen
aushalt erreichen und auch das Defizitkriterium von
aastricht einhalten. Dies erreichen wir leider nicht al-

ein durch Einsparungen. Das wurde allen Beteiligten in
)






(A) )



(B) )


Volker Kauder
den Koalitionsverhandlungen schnell klar. Aber wir ver-
folgen ein Ziel, das allen nützt. Wir leisten damit ein
Stück Zukunftssicherung im Interesse der Menschen in
unserem Land, insbesondere im Interesse der nachwach-
senden, jungen Generationen.

Die Zukunft unseres Landes, gerade seine wirtschaft-
liche Zukunft, liegt in den Köpfen unserer Menschen.
Nur an der Spitze des wissenschaftlichen und techni-
schen Fortschritts wird unser rohstoffarmes Land seine
Zukunftschancen wahren können. Die Neugier und den
Erfindergeist unserer Forscher dürfen wir nicht bürokra-
tisch ersticken. Wir müssen Möglichkeitsräume schaf-
fen, in denen sich wissenschaftliche Spitzenleistungen
entfalten können.

Vom Erfindungsreichtum und Forschergeist unserer
Spitzenwissenschaftler in Hochschulen, Forschungsein-
richtungen und Unternehmen profitieren wir alle. Die
Koalition wird ein Klima schaffen, in dem Spitzenleis-
tungen gedeihen können. Deshalb ist es gut, dass wir uns
darauf geeinigt haben, die Mittel für Forschung und Ent-
wicklung deutlich anzuheben.

Aber es geht nicht nur um die Spitze. Als Unionsfrak-
tion setzen wir uns auch für die Schaffung von Bedin-
gungen ein, die gerade den Schwachen den Zugang zu
qualifizierter Bildung eröffnen. Bildung ist der Schlüs-
sel zu sozialem Aufstieg, zu Wohlstand sowie zu gesell-
schaftlicher und kultureller Teilhabe. Deshalb, meine
sehr verehrten Damen und Herren, darf es so nicht wei-
tergehen wie in den letzten Jahren: dass der Bildungser-
folg der Kinder immer mehr vom Bildungshintergrund
und der sozialen Situation ihrer Eltern abhängt. Das ist
ein sozialpolitisches Armutszeugnis und in gleichem
Maße eine Verschwendung von Ressourcen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Soziale Gerechtigkeit hat viele Fassetten und viele
Ausprägungen. Eines ist für mich aber klar: Ein Land ist
nur dann wirklich sozial gerecht, wenn der Zugang zu
Bildung und sozialem Aufstieg tatsächlich auch Kindern
aus einfachen Verhältnissen ermöglicht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt in
besonderem Maße für ausländische Zuwanderer und
deren Kinder. Bildung eröffnet diesen Menschen Wege
aus der gesellschaftlichen Isolierung und ermöglicht In-
tegration.

Die zum Teil schon vorhandenen Angebote, etwa im
Bereich der Ganztagsschule, müssen ausgebaut werden.
Das betrifft ganz besonders den frühen Erwerb von
Deutschkenntnissen. Wer die deutsche Sprache bei der
Einschulung nicht beherrscht, ist auf dem Weg zum Bil-
dungsverlierer. Die Angebote, die wir machen, müssen
genutzt werden. Ich sage ganz deutlich: Es gibt auch
eine Verantwortung der Eltern für die Zukunft ihrer Kin-
der.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)


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(C (D ntegration ist keine Einbahnstraße. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt! Man muss auch etwas dafür tun!)


Die Zukunft einer Gesellschaft liegt vor allem in ih-
en Kindern. In Deutschland aber werden zu wenige
inder geboren. Wir wollen die Menschen durch eine fa-
ilienfreundliche Politik wieder ermutigen, ihren Kin-

erwunsch zu verwirklichen. Die Familie ist der zentrale
rt, an dem heranwachsende junge Menschen Eigenver-

ntwortung und Verantwortung für andere erlernen. Wir
erden uns für die Schaffung eines kinderfreundlichen
limas in unserem Land einsetzen, die Familien schüt-

en und ihre Entfaltungsmöglichkeiten sichern.

Wir begreifen Deutschland als Zukunftsgemeinschaft.
eimzelle und Grundlage dieser Zukunftsgemeinschaft

ind die Familien. Sie sind nach wie vor die wichtigste
orm des Zusammenlebens. Das Füreinandereinstehen

n den Familien ist Grundlage für die Solidarität der Zu-
unftsgemeinschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


it dem Koalitionsvertrag stellen wir in diesem Sinn die
ichtigen Weichen. Deshalb werden wir daran mitwir-
en, ein qualitätsorientiertes und bedarfsgerechtes Bil-
ungs- und Betreuungsangebot für Kinder aller Alters-
lassen zu schaffen. Um Familien besser als bisher zu
ördern, wollen wir die verschiedenen Leistungen in ei-
er Familienkasse bündeln und damit für mehr Transpa-
enz und Effizienz sorgen. Schließlich ist die Vereinbar-
eit von Familie und Beruf eine unserer großen
ukunftsaufgaben. Viele Unternehmer wissen, welche
orteile eine größere Familienfreundlichkeit bietet. Fa-
ilien bringen Gewinn – auch unternehmerischen Ge-
inn. Ich fordere die Betriebe und Unternehmen deshalb

uf, Familienfreundlichkeit zu einem Markenzeichen der
eutschen Wirtschaft zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, Reformen im Innern sind
eil unserer Arbeit für Europa; daran hat uns nicht zu-

etzt der Bundespräsident in den vergangenen Monaten
mmer wieder erinnert. Sie sind auch die Voraussetzung
ür das Überleben der sozialen Marktwirtschaft unter
en Bedingungen globaler Märkte. Der Markt ist kein
elbstzweck – im Mittelpunkt allen Wirtschaftens steht

mmer der Mensch. Der Mensch darf nicht zum Objekt
erden, aber angesichts der weltwirtschaftlichen Ver-

lechtungen kann dieses Prinzip kein Staat mehr allein
arantieren. Daher müssen wir mit unseren internationa-
en Partnern eine weltwirtschaftliche Rahmenordnung
estalten. Sie muss Freiheit und Eigentum schützen und
leichzeitig den Menschen im Mittelpunkt halten. Auch
ie globale Wirtschaft braucht moralische Maßstäbe und
lare Regeln. Wir werden Sie, Frau Bundeskanzlerin, bei
er Gestaltung dieser Aufgabe nach Kräften unterstüt-
en.






(A) )



(B) )


Volker Kauder

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nach dem Scheitern der Verfassungsreferenden in
Frankreich und den Niederlanden müssen wir uns um
Europa kümmern – wir können nicht einfach weiterma-
chen, als wäre nichts passiert. Schwärmerische Europa-
romantik hilft uns dabei aber nicht weiter: Es ist Zeit für
eine nüchterne Europapolitik. Wir müssen den Menschen
klipp und klar sagen, wohin die Reise geht und – das sage
ich auch ganz deutlich – wohin nicht. Wir dürfen nicht
länger so tun, als ließen sich permanente Erweiterung
und Vertiefung problemlos miteinander vereinbaren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Menschen haben längst durchschaut, dass es im Ge-
bälk knirscht. Aber der Verfassungsvertrag enthält viele
Ansätze, die in die richtige Richtung weisen; deshalb
werden wir auch weiter für ihn werben. Wir müssen die
Bürokratie in Europa abbauen, anstatt sie auszuweiten.
Deshalb begrüße ich, dass die Bundesregierung Richtli-
nien und Verordnungen eins zu eins umsetzen und nicht
wie in der Vergangenheit immer wieder draufsatteln
wird. So tragen wir dazu bei, dass sich Europa von der
Bürokratie ab- und den Menschen wieder zuwendet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Zur Vertrauensbildung nach innen wie nach außen ge-
hört auch, dass wir endlich wieder Wort halten beim eu-
ropäischen Stabilitätspakt. Wir haben zugesagt, dass wir
die Stabilitätskriterien im Jahr 2007 wieder erfüllen
werden. Wir werden den Beitrag dazu leisten, dass sich
unsere Partner in der Europäischen Union auf dieses
Versprechen verlassen können; das wäre auch ein guter
Start in die deutsche Ratspräsidentschaft, die wir im ers-
ten Halbjahr 2007 übernehmen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600401300

Kollege Kauder, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Seifert, Fraktion Die Linke.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1600401400

Nein. – Wir stehen zu Europa, aber Europa ist für uns

keine bloße Freihandelszone, sondern immer auch eine
Wertegemeinschaft; davon werden wir uns bei allen an-
stehenden Erweiterungsverhandlungen auch leiten las-
sen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verlässlichkeit ist das wichtigste Kapital für unsere
außenpolitischen Beziehungen. Die beiden wichtigsten
Pfeiler unserer Außenpolitik sind die Einbindung in die
Europäische Union und die transatlantische Partner-
schaft. Europa und die Vereinigten Staaten gehören
derselben Wertegemeinschaft an: Uns eint das Streben,
Freiheit, Demokratie und Menschenrechte weltweit zu
fördern, und gemeinsam verbunden sind wir auch in un-
serem Bekenntnis zur Freundschaft mit Israel. Für die
Wahrnehmung unserer außenpolitischen Interessen brau-
chen wir Europa und Amerika. In der Sicherheitspolitik,
in Bosnien und Afghanistan, im Nahen Osten und bei

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(C (D er Bekämpfung terroristischer Bedrohungen, beim Kliaschutz, zur Sicherung der Energieversorgung und der ußenwirtschaft und bei den WTO-Verhandlungen – hne Partner kann Deutschland seine weltpolitischen Ineressen nicht durchsetzen. Wir, die Unionsfraktion, steen für verlässliche und stabile Beziehungen zu unseren artnern. Dass wir heute in Freiheit leben können, veranken wir auch unseren amerikanischen Freunden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frieden und Freiheit zu erhalten und durchzusetzen,
as war schon immer eine unserer Aufgaben. Dafür steht
ber auch im 50. Jahr unsere Bundeswehr. Der Dienst
er Soldatinnen und Soldaten verdient unseren ganzen
espekt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und bei der FDP)


Wir begreifen Deutschland als Zukunftsgemeinschaft.
aher denken wir über den Augenblick hinaus und wol-

en in den nächsten vier Jahren die Weichen für eine Po-
itik stellen, die auch den kommenden Generationen ge-
echt wird.

Wir werden es nicht allen recht machen können. Aber
lle gemeinsam entwickelten Lösungen, auch die, die
uf den ersten Blick schmerzhaft sind, sind von der Ver-
ntwortung für die langfristige Zukunftsfähigkeit
eutschlands getragen. Wir sind bereit, unseren Beitrag

u leisten. Aber die Politik braucht auch die Unterstüt-
ung der Bürger. Durch eine konsequente Politik werden
ir um das Vertrauen der Menschen werben. Wir wis-

en, dass wir uns durch gute und erfolgreiche Arbeit die-
es Vertrauen verdienen müssen.

Wir brauchen aber auch Menschen – das sage ich mit
llem Nachdruck –, die anpacken, die sich beteiligen.
eglaufen ist das Gegenteil davon, Verantwortung für

nser Land zu übernehmen. Das gilt im Besonderen für
nsere Eliten. Mitmachen heißt das Gebot der Stunde!
er mitmacht, dient Deutschland. Wer mitmacht, ist ein

atriot.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deutschland ist ein großartiges Land mit großartigen
enschen. Wir können aber noch mehr. Bringen wir das

taatsschiff in Fahrt! Die Mannschaft steht bereit. Der
urs ist klar. Lassen Sie uns gemeinsam die Segel set-

en. Wir wollen den Erfolg der Regierung Merkel. Wir
ollen den Erfolg dieser Koalition aus CDU/CSU und
PD. Also: Wagen wir es miteinander!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600401500

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem

ollegen Ilja Seifert, Fraktion Die Linke.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1600401600

Vielen Dank, Herr Präsident! – Der Kollege Kauder

at wiederholt, was schon die Kanzlerin in ihrer Rede






(A) )



(B) )


Dr. Ilja Seifert
sagte und was in der Koalitionsvereinbarung steht, dass
Sie nämlich großen Wert darauf legen, EU-Richtlinien
eins zu eins umzusetzen. Was bedeutet das genau? Das
möchte ich uns einmal vergegenwärtigen: Es geht Ihnen
doch um die Antidiskriminierungsrichtlinie und spe-
ziell darum, dass nicht draufgesattelt werden darf. Sie
müssen, wie ich finde, der Öffentlichkeit dann aber auch
sagen, dass Sie wollen, dass Menschen mit Behinderun-
gen, Homosexuelle, Jüdinnen und Juden weiterhin dis-
kriminiert werden dürfen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist nicht akzeptabel. Das bedeutet aber eine Umset-
zung eins zu eins. Dies wollte ich hier einmal darstellen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600401700

Ich erteile das Wort Kollegen Fritz Kuhn, Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1600401800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Frau Bundeskanzlerin Merkel! Auch wir, die
Fraktion der Grünen, denken an diesem Tag an die Gei-
selnahme im Irak. Wir haben die Hoffnung und die Zu-
versicht, dass die Bundesregierung jenseits allen Partei-
enstreits still und geräuschlos das Beste tut, was man in
dieser Situation tun kann.

Frau Merkel, wenn man Ihre Reden, die Sie in den
letzten Jahren, die Sie in Leipzig und im Juli und Sep-
tember hier im Parlament gehalten haben, gehört hat und
mit Ihrer Regierungserklärung von heute vergleicht,
dann kann man nur sagen: Wie sich die Zeiten ändern. In
den vergangenen Reden, die Sie in diesem Hause gehal-
ten haben, haben Sie geschildert, dass wir, wenn sich in
Deutschland bei den Steuern, in der Arbeitsmarktpolitik
und in allen anderen Bereichen im Kern nicht grundsätz-
lich etwas ändert, auf einen Abgrund zurasen. Heute
stellen Sie sich hier hin, zollen dem Bundeskanzler Res-
pekt für die Agenda, sind für kleine Schritte und sagen,
etwas Großes müsse es nicht sein. Sie machen eine Tu-
gend aus den kleinen Schritten. Damit werde Deutsch-
land wieder auf die Beine kommen. Wie haben Sie Ihre
Meinung in dieser kurzen Zeit nur so stark ändern kön-
nen, Frau Merkel, dass die Grundsatzreden Vergangen-
heit sind und Sie jetzt die Politik der kleinen Schritte ge-
hen wollen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damit wir uns richtig verstehen: Ich habe nichts ge-
gen klug gewählte kleine Schritte. Die Richtung muss
aber klar sein. Da ich den Koalitionsvertrag studiert und
mir Ihre Regierungserklärung heute angehört habe, kann
ich für meine Fraktion feststellen, dass Sie dieser Koali-
tion mit Ihrer Politik für die Bundesrepublik Deutsch-
land keine Richtung haben geben können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D as waren Häppchen für jeden, der vorbeikommt. Am chluss weiß man nicht, was es Gescheites zum Essen eben soll. Ihre Rede war eine Aneinanderreihung von inzelnen Punkten. Ich möchte darauf eingehen, was aus unserer Sicht nzureichend war. Erstens zur Bekämpfung der Arbeitsosigkeit. Wir wollen einmal festhalten, dass Sie in Ihrer egierungserklärung und im Koalitionsvertrag eine sehr iskante Wette auf die konjunkturelle Entwicklung in eutschland eingegangen sind. Sie sagen, dass die Angst or den einschneidenden Maßnahmen und vor der Steuerrhöhung zum 1. Januar 2007 die Menschen im Land so eeindrucken wird, dass sie im Jahre 2006 vehement onsumieren werden, womit die Konjunkturprobleme er Bundesrepublik Deutschland gelöst werden. Dies halte ich für zu riskant und auch für falsch; denn ie haben keinen vernünftigen Grund dafür genannt, waum Menschen, die vor dem sozialen Abstieg Angst haen, in diesem Jahr mehr ausgeben sollen. Nur weil es m nächsten Jahr noch schlimmer kommen wird, ist kein ernünftiger Grund. Sie sind eine richtig riskante Ökoomiewette eingegangen. s gibt historische Beispiele: Japan hat es im Jahre 1979 um Beispiel genauso gemacht. Die damalige Umsatzteuererhöhung hat zu einer langjährigen konjunkturelen Krise geführt, von der man sich nicht mehr erholt at. Zweitens. Wir glauben auch nicht, dass Ihre Ansage, ie Lohnnebenkosten würden unter 40 Prozent sinken, irklich stimmt. (Joachim Poß [SPD]: Die OECD sieht das ganz anders!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


enn Sie sie um 2 Prozent senken können, werden wir
ei 40,3 Prozent sein; denn die Arbeitnehmer tragen die
,9 Prozentpunkte in der Krankenversicherung seit die-
em Jahr alleine. Sie wollen die versicherungsfremden
eistungen wieder in die gesetzliche Krankenversiche-

ung hineinnehmen. Ich glaube nicht, dass Sie das ein-
paren können. Dadurch werden die Lohnnebenkosten
ei der gesetzlichen Krankenversicherung wieder um
,5 Prozent steigen. Das heißt: Sie senken auf der einen
eite und sorgen für Anstiege auf der anderen Seite.
eswegen kann dieses Rezept nach unserer Überzeu-
ung nicht aufgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Merkel, Sie haben immer wieder versucht – ich
inde richtig, dass Sie das tun –, über die Wertehaltung
hrer Politik zu sprechen. Sie haben die Freiheit in den
ordergrund gerückt und auch von Gerechtigkeit ge-
prochen. Ich will das gerne aufnehmen, weil wir uns in
olchen Debatten darüber auseinander setzen müssen.

Zunächst will ich sagen: Wer hier das Wort Freiheit
n den Mund nimmt, der darf zu den Bürgerrechten nicht
chweigen, wie Sie das getan haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
Freiheit hat nur dann einen Sinn, wenn die Bürger auch
genügend Rechte und Möglichkeiten haben, ihre Freiheit
gegenüber dem Staat zu verwirklichen. Wir dürfen nicht
nur abstrakt über Freiheit reden, sondern wir müssen
auch über die Frage sprechen, ob jeder Einzelne die
Möglichkeit hat, seine Selbstbestimmung, die ange-
wandte Freiheit, auch in Anspruch zu nehmen.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Als Aufgabe der Politik sehe ich es an, dass sie diese
Möglichkeit schaffen muss. Sie tun es an keiner Stelle.

Ich will Ihnen ein Beispiel für die Freiheit aus der
Wirtschaft nennen, die Sie nur mit Entbürokratisierung
identifiziert haben. Zu einem freien Wirtschaften in die-
sem Land gehört, dass wir in Deutschland einen echten
Wettbewerb haben. Dann müssen Sie aber einmal sagen,
was Sie tun wollen, damit in wirklich allen Bereichen
unserer Wirtschaft echte Märkte und nicht nur Monopole
oder Oligopole herrschen. Dazu haben Sie kein Wort ge-
sagt, obwohl Sie in den Grundsatzreden immer über
Ludwig Erhard und die Ordnungspolitik in der Markt-
wirtschaft reden. Sie hätten dann auch etwas zur Strom-
wirtschaft sagen müssen, die durch überhöhte Durchlei-
tungsgebühren alles andere als Wettbewerb in diesem
Land möglich macht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daneben hätten Sie auch etwas zum Schienenverkehr
sagen müssen. Es geht ja gerade darum, die Bahnreform
so zu vollenden, dass alle Zugang zum Netz haben und
ein echter Wettbewerb entsteht. Schließlich hätten Sie
dann auch etwas zum Wettbewerb im Gesundheitssys-
tem sagen müssen, der nur dann zu realisieren ist, wenn
wir energisch gegen die Lobbys kämpfen, die sich am
Gesundheitssystem einen dicken Hals verdienen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin schon jetzt gespannt, was Michael Glos – er
hat sich irrtümlicherweise ja auch in die Tradition von
Ludwig Erhard stellen lassen – im Hinblick auf den
Wettbewerb im Mediensektor tun wird, der nicht nur
eine wirtschaftliche, sondern auch eine Kernfrage der
Demokratie ist. Ein echter Wettbewerb im Mediensektor
ist nämlich das Gefäß, innerhalb dessen sich eine demo-
kratische Meinungsbildung entfalten kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hier darf man nicht vorschnell vor denjenigen in die
Knie gehen, die im Wahlkampf für eine gute Presse ge-
sorgt oder der Partei Geld gespendet haben, sondern es
muss für alle Teilnehmer des Marktes Wettbewerb her-
gestellt werden. Das ist die Realisierung von Freiheit,
über die wir sprechen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Kommen wir zu den Stichworten Freiheit und Ge-
rechtigkeit. Frau Merkel, ich finde, Sie haben zum
Thema der sozialen Spaltung in unserer Gesellschaft zu
wenig gesagt. Längst existiert das Problem in unserer

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(C (D esellschaft, dass sich ein Teil der Menschen systemaisch ausgegrenzt fühlt und keine Chance mehr sieht, ieder in Erwerbsarbeit oder in eine Weiteroder Fortildung zu kommen, also am gesellschaftlichen Gescheen teilzuhaben. Es reicht nicht, von hier aus zu erkläen, liebe Frau Merkel, dass Sie Ihr Herz für die chwachen entdeckt haben. Für diese abstrakte Formu ierung werden Sie von jedem in diesem Haus Unterstütung bekommen. Aber die Frage ist, was das konkret eißt, welche neuen Formen der Armutssicherung Sie nstreben. Das ist die spannende Frage. Wie kann die rundsicherung in einer Gesellschaft aussehen, die in en letzten Jahren Produktivitätsgewinne nicht mehr in eue Arbeitsplätze investiert hat? Hier wird jetzt ein anerer Weg gegangen. Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel. Ein Problem st, dass viele Dauerarbeitslose nicht sehen, wie sie wieer in Erwerbsarbeit kommen, weil aufgrund der niedrien Löhne die Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt u hoch sind. In diesem Punkt sind wir uns einig. Unter em Stichwort „Ein Herz für Schwache“ erklären Sie: ir müssen einmal über Kombilöhne diskutieren. Wo eben Sie denn eigentlich? Wie lange diskutieren und xperimentieren wir in der Bundesrepublik Deutschland ereits über und mit Kombilöhnen? Wir müssen die ohnnebenkosten im Bereich der unteren Einkommensruppen, also für Niedrigqualifizierte, nach einem Proressivmodell senken. Es wäre viel klüger, bei den ohnnebenkosten langsam auf die Zahl von 40 Prozent u kommen und damit die Arbeit für Menschen mit niediger Qualifikation zu ermöglichen und vor allem die ielen Dienstleistungsarbeitsplätze zu schaffen, die in eutschland existieren würden, wenn die Zugangsbar ieren zu diesem Arbeitsmarkt nicht so hoch wären. Sie haben auch von Vertrauen gesprochen. In diesem usammenhang will ich ein Thema ansprechen, dass Sie icht erwähnt haben, nämlich den Verbraucherschutz. ir sagen klar, Herr Seehofer: Wir wollen in Deutsch and kein stinkendes Fleisch. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


afür müssen wir etwas tun. Wir müssen die Kontrollen
n den Ländern verstärken. Wir müssen die wirtschaftli-
he Selbstkontrolle ausbauen. Wir brauchen ein klares
erbraucherinformationsgesetz, das es ermöglicht, Ross
nd Reiter zu nennen, wenn jemand solche Produkte auf
en Markt bringt oder sie annimmt und weiterverkauft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ch frage Herrn Seehofer und Frau Merkel: Warum ha-
en Sie unseren Gesetzentwurf im Bundesrat zweimal
lockiert, der dies möglich gemacht hätte?


(Beifall des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


Ich komme zu dem Punkt, der mich in Ihren Ausfüh-
ungen am meisten gestört hat. Sie haben beim Innova-
ionsprozess keine Richtung vorgegeben. Sie haben zum
eispiel eine Strategie zum Klimaschutz, die wir mit






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
dem Stichwort „Weg vom Öl“ zusammenfassen, gar
nicht erwähnt. Das ist nicht nur eine ökologische, son-
dern auch eine wirtschaftliche Strategie, um von den idi-
otisch hohen Ölkosten wegzukommen. Das ist auch eine
Strategie zur Sicherheitspolitik; denn Öl ist ein internati-
onal umkämpfter Rohstoff. Dazu hätte ich gerne etwas
von Ihnen gehört. Ich hätte gerne gewusst, wie es in der
Energiepolitik über das Erreichte hinaus weitergeht.

Ich hätte auch gerne gehört, welche neuen Konzepte
Sie in der Verkehrspolitik haben. Ich sage Ihnen klipp
und klar: Wenn wir nicht auch der Automobilindustrie in
Deutschland klare Rahmenbedingungen setzen, dann
wird dieser Industriezweig seinen Beitrag zum Klima-
schutz und zum Thema „Weg vom Öl“ nicht von selber
leisten. Beim Thema Rußfilter haben wir das Versagen
der Industrie in den letzten Jahren erleben können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte nicht, dass uns beim Thema Verbrauchsober-
grenzen für Kraftstoffverbrauch die Japaner, die gesetz-
liche Regelungen planen, und einige Bundesstaaten der
Vereinigten Staaten, die diesen Weg gehen, technolo-
gisch den Rang ablaufen, weil die Politik in Deutschland
zu wenig Druck macht. Hierzu hätten Sie sich deutlich
äußern müssen.

Herr Umweltminister Gabriel, wir als Grüne – Frau
Merkel hat das Thema Ökologie gar nicht in den Mund
genommen – werden Sie immer unterstützen,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie müssen mal zuhören!)


wenn Sie etwas ökologisch Vernünftiges machen. Aber
eines ist auch klar: Wenn Sie unter dem Deckmantel der
Ökologie hinter bisher Erreichtes zurückfallen, dann
werden wir Sie in diesem Haus grillen wie eine Ökobrat-
wurst, Herr Gabriel; darauf können Sie sich verlassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)


– Sie müssen gar nicht aufstöhnen. Die Ökologen gehen
mit Ökobratwurst behutsam um; vor allem stechen sie
nicht hinein. Also keine Sorge.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, den auch Frau
Merkel ins Zentrum gerückt hat, nämlich die Wissens-
gesellschaft und Bildung. Ich stelle die These auf, dass
Sie keine Konzeption entwickelt haben, wie Deutsch-
land den Übergang zur Wissensgesellschaft konkret leis-
ten soll. Vorgesehen sind viele einzelne Schritte. Aber es
ist doch klar, dass die Innovationsschwäche Deutsch-
lands – beim PISA-Test angefangen bis hin zur For-
schung und der Tatsache, dass wir zwar noch bestimmte
Produkte entwickeln, aber nicht bis zur Marktfähigkeit
realisieren – damit zu tun hat, dass wir zu wenig für For-
schung, Wissen und Ausbildung – und zwar für die ge-
samte Ausbildungskette von den Kindern bis zur Hoch-
schule – tun.

Der Kardinalfehler dieses Koalitionsvertrags und Ih-
rer Regierungserklärung liegt darin, dass Sie zu dem
Zeitpunkt, zu dem der Bund den Übergang zur Wissens-
gesellschaft auf allen Ebenen der Bildungs- und For-

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(C (D chungskette aktiv gestalten müsste, die Instrumente ystematisch aus der Hand geben, indem Sie sie den ändern in der Hoffnung übertragen, dass diese es viel eicht richten werden. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist der Föderalismus, Herr Kollege Kuhn!)


enn sie es aber nicht richten werden – es spricht viel
afür, dass 16 verschiedene Bundesländer nicht alles
ichten können –, dann fehlt die Koordination des Bun-
es. Dann fehlen auch die Möglichkeiten des Bundes, im
chulbereich einzugreifen und bei der Kinderbetreuung
ehr zu tun.

Zudem haben wir in allen Fragen, die die Hochschu-
en angehen, in Zukunft nur noch Bonsai-Kompetenzen.
as halten wir vom Bündnis 90/Die Grünen für völlig

alsch. Wir wollen eine Bundesregierung, die die Wis-
ensgesellschaft aktiv gestaltet. An der Stelle haben Sie
ach unserer Überzeugung völlig versagt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Über das Elterngeld können wir gerne reden, liebe
rau Merkel. Reden Sie doch auch einmal mit denen, die
einen, Sie wollten die Kinder nur verschieben! Ent-

cheidend ist nämlich, dass die Betreuung von Kindern
nter drei Jahren noch immer so schlecht ist, dass Beruf
nd Familie nicht miteinander vereinbar sind.


(Joachim Poß [SPD]: Wer hat denn vorher regiert, Herr Kuhn? Wir haben doch mit Ihnen regiert!)


nsofern meine ich, dass Sie den zweiten Schritt – die
inführung des Elterngelds – vor dem ersten Schritt ei-
er besseren Ausstattung hinsichtlich der Betreuungs-
lätze gehen wollen und damit eine falsche Reihenfolge
orsehen.

Wenn wir 2008 feststellen, dass ein gesetzlicher
wang zu einem Betreuungsangebot für Kinder unter
rei Jahren notwendig ist, dann ist das Elterngeld schon
uf dem Weg. Viele werden die neuen Möglichkeiten gar
icht nutzen können, weil es immer noch an entspre-
henden Betreuungsangeboten fehlt. Wir werden den
rozess offen und kritisch begleiten, damit es auch in
iesem Punkt in Deutschland vernünftig weitergeht.

Ich möchte noch einige Anmerkungen zur Außen-
olitik machen. Sie haben zu Recht über die Schwierig-
eiten Europas gesprochen. Die europäische Verfassung,
er Verfassungsprozess, die Integration und die Eini-
ung durchlaufen viele Krisen. Das hat mit der Erweite-
ung, den Institutionen und dem Vertrauen der Bürger zu
un. Aber Sie haben zu meinem Erstaunen einen Punkt
icht angesprochen, nämlich die soziale Fragestellung.
ie Botschaft der Referenden in Frankreich und Holland
esteht für uns darin, dass die Bürgerinnen und Bürger
ie Vorstellung und das Gefühl haben, die europäische
inigung und der Erweiterungsprozess sind ein Projekt
olitischer und wirtschaftlicher Eliten.

Wenn das Vertrauen zu Europa wachsen soll, ist die
oziale Vertiefung Europas notwendig. Zu diesem Pro-
ess haben Sie aber keine einzige Aussage gemacht. Das






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
Thema wird aber zum Beispiel bei der Frage, wie es mit
der Dienstleistungsrichtlinie weitergehen soll, wieder
auf die Tagesordnung kommen. Sie können sich darauf
verlassen, dass die Grünen das immer wieder ansprechen
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie am Freitag nach Polen fahren, Frau Merkel,
und wenn Sie das Weimarer Dreieck stärken und die
deutsch-polnischen Beziehungen verbessern wollen,
dann können Sie nach unserer Überzeugung mit dem
Wischiwaschi und dem Hin und Her, wie Sie es in Ihrer
Regierungserklärung zum Thema Vertriebenenzen-
trum an den Tag gelegt haben, nicht weiterkommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie in Polen mit polnischen Bürgerinnen und
Bürgern sprechen, dann werden Sie feststellen, dass der
Vorschlag, in Berlin ein Vertriebenenzentrum einzurich-
ten, wie er aus Ihrer Fraktion von Frau Steinbach vertre-
ten wurde, die erste und größte Hürde für ein besseres
wechselseitiges Verständnis bedeutet. Diese Hürde müs-
sen Sie wegräumen. Machen Sie sich den Gedanken ei-
nes europäischen Netzwerkes für ein Vertriebenengeden-
ken zur Erinnerung an die Vertreibungen zu Eigen!
Machen Sie es sich nicht so einfach, dass Sie in diesem
Hause einen Kompromiss vertreten, in Polen vielleicht
etwas anderes sagen und beim Bund der Vertriebenen
dann wieder Frau Steinbach hochleben lassen! Sie müs-
sen klar und deutlich sprechen. Alles andere hilft dabei
nicht weiter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Für eine klare und deutliche Sprache sind wir, Bünd-
nis 90/Die Grünen, auch bei dem von Ihnen neu zu ge-
staltenden Verhältnis zu den Amerikanern. Damit Sie
sich nicht täuschen: Wir sind dafür, dass Sie gute Bezie-
hungen zu unseren amerikanischen Freunden herstellen.
Aber der neue Stil, den Sie angekündigt haben, darf na-
türlich nicht den Inhalt ersetzen. Wenn er einen Sinn ha-
ben soll, dann muss er den Inhalt besser transportieren
und deutlich machen. Ich finde jedenfalls, dass Sie bei
Ihrer Reise in die Vereinigten Staaten mit Präsident Bush
auch über die Fragen reden müssen, die die deutsche Be-
völkerung sehr beunruhigen. Die erste Frage ist: Wie
kann es eigentlich sein, dass wir uns in Europa und ins-
besondere in Deutschland um den Klimaschutz bemü-
hen, während sich die Vereinigten Staaten, einer der
größten Emittenten klimaschädlicher Gase, noch immer
systematisch und beharrlich weigern, den entsprechen-
den internationalen Abkommen beizutreten? Hier müs-
sen Sie klar und deutlich reden. Sonst hat es keinen Sinn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie müssen nach unserer Überzeugung ebenfalls da-
rüber reden, wie der Terrorismus in der Welt am effek-
tivsten bekämpft werden kann. Dabei geht es insbeson-
dere um die Frage, wie die reichen Länder bei der
Entwicklungshilfe das 0,7-Prozent-Ziel erreichen kön-
nen. Sie müssen außerdem fragen, ob es Sinn macht, die

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(C (D eform der Vereinten Nationen weiter zu blockieren, nd darauf hinweisen, dass man Terrorismus – jedenfalls ach unserer Überzeugung – nur unter strenger Beachung der Menschenrechte effektiv bekämpfen kann. enn man dies nicht tut, dann liefert man ständig neue unition für terroristische Unterfangen. Über all diese Themen müssen Sie offen reden. Wenn ie dies nicht tun, werden wir keinen Schritt weiterkomen. Ich glaube nicht, dass es ausreicht, einfach zu sagen, ie alten Schlachten sind geschlagen. Es wäre mutig von hnen gewesen, wenn Sie in Ihrer Regierungserklärung esagt hätten, dass Sie mit Ihrer Einschätzung vor dem rakkrieg voll daneben gelegen haben. Alle Bedenken, ie wir im Hinblick auf das, was nach einem Irakkrieg ommt – es war klar, dass man ihn zunächst militärisch ewinnen kann –, geäußert haben, sind von der Wirkichkeit noch übertroffen worden. Es gibt nun nicht nur ine Destabilisierung des Iraks, sondern der ganzen Reion sowie ein Sammelbecken für den internationalen errorismus. Ich hätte es mutig gefunden, wenn Sie die raft gehabt hätten, dazu etwas in Ihrer Regierungserlärung zu sagen. Nur durch eine solche Kraft kommt es u einer Verbesserung der Politik im Inneren wie im Äueren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Merkel, ich verspreche Ihnen, dass wir,
ündnis 90/Die Grünen, eine kritische, aber auch eine
onstruktive Oppositionspolitik machen werden.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Davon haben wir heute aber nichts gehört!)


ir wissen sicherlich nicht alles besser. Herrn Gysi hätte
ch beispielsweise fragen können: Warum läuft es denn
n Berlin unter PDS-Beteiligung so toll, wenn so viel
konomischer Sachverstand bei Ihnen vorhanden ist,
nd warum haben Sie sich dann in die Büsche schlagen
üssen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600401900

Kollege Kuhn, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1600402000

Ich bin gleich am Ende, Herr Präsident.

Wir werden die Auseinandersetzung mit Ihnen jeden-
alls konstruktiv führen.

Zum Schluss möchte ich Ihnen ein Angebot machen:
ie Politik in Deutschland wird nur etwas verändern
önnen, wenn wir es gemeinsam schaffen, den Einfluss
er Lobbyisten in Berlin zurückzudrängen. Wir werden
ns nicht hinter den Lobbyisten verstecken und nur die
egierung kritisieren.


(Zurufe von der FDP)







(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
– Ich verstehe, dass Sie, liebe Kollegen von der FDP,
beim Wort Lobbyisten aufschreien. Dafür habe ich jedes
Verständnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden gemeinsam versuchen, die Interessenkon-
flikte offen zu legen. Es geht nicht, dass Lobbyisten be-
haupten, sie sprächen für das Gemeinwohl, und damit
die Veränderungsfähigkeit der Politik in Deutschland un-
tergraben. Wenn Sie dagegen angehen, dann haben Sie
unsere Unterstützung. Ich weiß aber nicht, ob Sie sie
überhaupt wollen.

Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600402100

Ich erteile das Wort dem Ministerpräsidenten des

Landes Brandenburg, Matthias Platzeck.


(Beifall bei der SPD)



(Brandenburg)


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Am 18. September dieses Jahres haben die
Wählerinnen und Wähler in Deutschland den Parteien
eine komplizierte Aufgabe gestellt – keine unlösbare,
aber – Volker Kauder wies darauf hin – eine schwierige
auf alle Fälle, eine ungewohnte Aufgabe. Erstmals seit
langem konnte in der Bundesrepublik keine Regierung
nach dem Koalitionsmuster gebildet werden, an das sich
unser Land in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt
hatte. Weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb waren in der
Lage, eine kleine Regierungskoalition zu bilden.

In dieser neuen Situation waren in den ersten Tagen
nach den Wahlen viele Spekulationen über mögliche
Dreiparteienkoalitionen zu hören. Kommentatoren ent-
warfen an journalistischen Reißbrettern kühne Visionen.
Von Ampelbündnis und Jamaikakoalition war die Rede.
Einige politische Suchbewegungen in solche Richtungen
gab es dann ja auch. Es stellte sich aber bald heraus, dass
keine dieser Überlegungen das zustande bringen würde,
was unser Land in seiner gegenwärtigen schwierigen
Lage von allem am dringendsten benötigt: eine jederzeit
handlungsfähige, verantwortliche, mit steter und sicherer
Mehrheit ausgestattete Bundesregierung. Diese Bundes-
regierung haben wir jetzt. Sie ist seit voriger Woche im
Amt. Herzlichen Glückwunsch auch von mir an die Bun-
deskanzlerin, an die ganze Regierung! Alles Gute auf
dem Weg! Meine Unterstützung haben Sie.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es war die Einsicht in die Untauglichkeit aller übri-
gen Optionen, die SPD und CDU/CSU dazu veranlasste,
Verhandlungen über die Bildung einer großen Koalition
aufzunehmen. Diese Verhandlungen verliefen verständ-
licherweise nicht unkompliziert. Noch wenige Wochen
zuvor hatten die Gesprächspartner im Bundestagswahl-
kampf im heftigen politischen Wettstreit gelegen. Jetzt

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(C (D ührten wir das Gespräch miteinander auf gleicher Auenhöhe. Das war auch psychologisch für die Beteiligten ängst nicht immer ganz einfach. Die sachlichen und die olitischen Unterschiede zwischen unseren Parteien eugnet niemand. Wir sind unterschiedliche Parteien mit nterschiedlichen Zielstellungen und wir werden das uch bleiben. Im Verlauf von vier Wochen sehr ernsthafter, sehr inensiver, auch kontroverser Verhandlungen haben wir jeoch über entscheidende Punkte Einigkeit erlangt: die inigkeit darüber, dass SPD und CDU/CSU in den komenden vier Jahren gemeinsam Verantwortung für eutschland übernehmen wollen und übernehmen weren, die Einigkeit darüber, zu welchen Kompromissen nd Zugeständnissen jede Seite bereit ist, und schließich auch die Einigkeit darüber, was wir einander, unseen jeweiligen Wählerinnen und Wählern und dem Land nsgesamt nicht zumuten können. Mein sicherer Einruck ist: Diese große Koalition wird eine stabile Regieung bilden und das Land als Koalition der Verantworung vier Jahre lang gut regieren. Während der Verhandlungen zwischen den künftigen oalitionspartnern ist neues Vertrauen gewachsen. Nur o Vertrauen ist, kann auch Gutes gedeihen. Deutsch and braucht mehr Zusammenarbeit, Deutschland raucht mehr Kooperation, mehr Teamgeist – und das an ielen Stellen und auf vielen Ebenen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


afür kann die große Koalition eine gute Schule sein.
elingt ihr das, dann wird sich diese Regierung sogar als

in wichtiger und als ein positiver Beitrag auch für eine
rneuerte politische Kultur in Deutschland erweisen.

Diese Hoffnung ist alles andere als ein weltfremder
unsch; vielmehr glaube ich, sie benennt eine knall-

arte Notwendigkeit. Seit Jahrzehnten schon wissen wir
m Grunde, dass im internationalen Vergleich kaum ein
nderes Land so viele institutionalisierte Mitwir-
ungsinstanzen besitzt wie Deutschland. Als Bundes-
taat kennen wir selbstverständlich selbstbewusste Län-
erregierungen, wir kennen einander entgegengesetzte
ehrheiten im Bundestag und Bundesrat, wir kennen

ie komplizierte Politikverflechtung, die sich gerade
araus ergibt, und wir kennen ein starkes, unabhängiges
nd ebenfalls selbstbewusstes Bundesverfassungsge-
icht. Für alle diese Verflechtungen und institutionellen
egelungen lassen sich gute Gründe nennen. Oft vertre-

en diese so genannten Vetospieler im politischen Pro-
ess berechtigte Interessen. Sie sind demokratisch und
erfassungsrechtlich legitimiert.

Zugleich muss uns aber klar sein: Andere Staaten tun
ich hier deutlich leichter. Die Vielzahl der möglichen
insprüche im politischen Prozess erschwert in Deutsch-

and schnelle und oft auch schlüssige Lösungen. Wir ha-
en in den vergangenen Jahren immer wieder ganz prak-
isch erlebt, dass sich die Summe der Instanzen zu einer






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Matthias Platzeck (Brandenburg)

Politikverflechtungsfalle auswächst, zu einer Falle, die
die Lösungen und Entscheidungen erschwert und verzö-
gert – bis hin zur völligen Blockade.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Uns allen muss klar sein: Leidtragende dieser Blo-
ckade sind immer die Menschen in unserem Land. Leid-
tragende sind im Übrigen aber auch unsere europäischen
Nachbarn und Partner, die zu Recht erwarten dürfen,
dass Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft
seiner Verantwortung für Wohlstand und Wachstum in
Europa gerecht wird, und das möglichst zeitnah.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die jetzt am Beginn ihrer Arbeit stehende große Koa-
lition bietet eine hervorragende Möglichkeit, diese Ver-
flechtungsfalle deutlich zu lockern. Die großen deut-
schen Volksparteien sind entschlossen, das Prinzip der
Gegnerschaft zugunsten des Prinzips der Kooperation
zurückzustellen. Genau deshalb ist die Chance günstig,
dass die neue Bundesregierung bestimmte Themen be-
wältigen wird, die aus meiner Sicht überhaupt nur in die-
ser Konstellation bewältigt werden können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich möchte beispielhaft vier große Aufgaben nennen,
denen sich diese Koalition deshalb mit Ernst und allem
Engagement widmen wird. Erstens und vor allem ande-
ren die Aufgabe, alles zu tun, damit in Deutschland mehr
Arbeitsplätze geschaffen werden, damit wieder mehr
Menschen Arbeit haben. Gute Arbeit hat in der Vergan-
genheit den Wohlstand unseres Landes geschaffen. In
guter und qualifizierter Arbeit liegt auch die Zukunft un-
seres Landes. Alle unsere Schritte gelten dem Ziel, dafür
wieder bessere Voraussetzungen zu schaffen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Gerade deshalb stellen wir uns, zweitens, der Auf-
gabe, den deutschen Föderalismus neu zu justieren.
Dies ist seit langem überfällig. Arbeitsfähigkeit und Le-
gitimität der bundesstaatlichen Ordnung hängen davon
ab, ob jederzeit klar ist, wer im Staat für welche Aufgabe
zuständig ist. Ich glaube übrigens, das ist auch für die
Akzeptanz unserer Demokratie essenziell. Wenn eine
Mehrzahl der wichtigen Entscheidungen nachts um halb
zwei im Vermittlungsausschuss getroffen wird, kann das
für die Demokratie in unserem Lande nicht gut sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Das können wir nur gemeinsam ändern und deshalb wer-
den wir es gemeinsam ändern.

Übrigens, auf diese Weise wird die große Koalition
zugleich sicherstellen, dass das föderale System in
Deutschland weit über die Lebensdauer dieser Koalition
hinaus neue Funktionsfähigkeit erlangt.

Drittens. Wir werden uns der Aufgabe annehmen, das
Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die sozialen
Sicherungssysteme wiederherzustellen. Wir brauchen
funktionierende soziale Sicherungsnetze, auf die sich die

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(C (D enschen im Ernstfall ohne Wenn und Aber verlassen önnen, gerade weil sich wirtschaftlich und gesellschaftich so viel verändert, gerade weil Menschen unter solhen Umständen bestimmte Gewissheiten benötigen, um ich auf die neuen Lagen einstellen zu können. Ich laube, dass Pessimismus und mangelnde Zuversicht eute ihre Hauptursache nicht in den Lebensumständen er meisten Menschen haben, sondern in Ängsten, die ich um die Frage drehen: Wie wird es in fünf, in zehn, n 15 oder in 20 Jahren für unsere Kinder sein? Die manelnde Zuversicht lähmt unser Land. Davon müssen wir eg und dazu muss die große Koalition einen wichtigen eitrag leisten. Viertens. Die große Koalition wird die Basis unserer taatsfinanzen grundlegend sanieren müssen. Die Parter der großen Koalition sind gemeinsam davon übereugt, dass dauernde Zweifel an der Leistungsfähigkeit er staatlichen Haushalte unserem Land schweren Schaen zufügen würden. Wo das Vertrauen in die staatlichen aushalte verloren geht, da schrecken die Verbraucher mmer mehr davor zurück, ihr Geld auszugeben. Selbst iedrigere Steuern regen dann nicht mehr die Binnenachfrage an, sondern führen nur zu höheren Sparquoen. Dieser Teufelskreis darf sich in unserem Lande keiesfalls etablieren. Gesunde öffentliche Finanzen sind eshalb die Bedingung für das langfristige Prosperieren nserer Wirtschaft und zugleich für das Funktionieren es Sozialstaates. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Stabile Staatsfinanzen sind auch ein zutiefst sozial-
emokratisches Thema, ja, sie müssen geradezu unser
hema sein. Wer den handlungsfähigen Staat will, der
ann und darf ihn nicht auf Pump finanzieren. Mit Ver-
aub, Herr Kollege Westerwelle: Wenn ich Ihre Diätvor-
chläge dafür höre, wie wir zu einem schlanken Staat
ommen, beschleicht mich ab und zu das Gefühl, dass
ie ihn in Wirklichkeit verhungern lassen wollen. Das
erden wir nicht zulassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir brauchen einen fitten, einen handlungsfähigen Staat.
iele Beispiele auf dieser Welt zeigen uns: Wo der Staat
iese Eigenschaften nicht mehr hat, nutzt das vielleicht
0 Prozent der Menschen


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist die Wahrheit!)


nd die anderen 90 Prozent leiden darunter. Dazu dürfen
ir es nicht kommen lassen.


(Beifall bei der SPD)


Was wir in den nächsten Jahren anpacken müssen, ist
icht vergnügungssteuerpflichtig. Ich habe bereits darauf
ingewiesen und sage es auch hier: Diese große Koali-
ion ist kein bunter Adventsteller, von dem sich jeder he-
unternehmen kann, was ihm gerade am besten
chmeckt, und das wissen beide Partner. Die neue Bun-






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Matthias Platzeck (Brandenburg)

desregierung ist eine Regierung der gemeinsamen Ver-
antwortung in schwieriger Zeit. Sie soll die Vorausset-
zungen dafür schaffen, dass es am Ende wieder mehr
Menschen in Deutschland besser geht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Jubelstürme wird unsere Regierung selbst dann nicht
und vielleicht gerade dann nicht auslösen, wenn sie be-
sonders gut, besonders gründlich, besonders effektiv ar-
beitet; denn Deutschland steckt nun einmal in einer
schwierigen Umbruchphase. Wir haben Probleme und
vieles muss gleichzeitig angepackt werden. Aber unser
Land hat die Kraft, diese Probleme zu lösen.

Dabei kann die neue Bundesregierung an die Arbeit
anknüpfen, die Gerhard Schröder und die rot-grüne
Bundesregierung in den Jahren seit 1998 begonnen ha-
ben.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe es als noble Geste empfunden, dass Frau Bun-
deskanzlerin Merkel in ihrer Rede noch einmal aus-
drücklich die Verdienste des Bundeskanzlers Schröder
für unser Land gewürdigt hat. Frau Bundeskanzlerin, Sie
haben völlig Recht: Gerhard Schröder und seine Regie-
rung haben sich in den vergangenen Jahren mit ihrer
Politik der Erneuerung wirklich um unser Land verdient
gemacht.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie haben Marksteine gesetzt


(Unruhe)


– ich verstehe, dass das ein bisschen problematisch ist –,


(Dr. Guido Westerwelle [FDP], zur CDU/CSU gewandt: Wo ist euer Beifall? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei Rot-Grün fällt mir das so schwer!)


an die die neue Bundesregierung anknüpfen kann und an
die sie auch anknüpfen sollte. Die wichtigste Aufgabe
der Regierung wird sein, dem Land und seinen Men-
schen wieder Selbstvertrauen und neue Zuversicht zu
vermitteln.

Diese Koalition nimmt die Sorgen und Hoffnungen
der Menschen sehr ernst. Deshalb bin ich froh darüber,
dass wir zwischen CDU, CSU und SPD eine Verstän-
digung darüber erreicht haben, dass das europäische
Sozialmodell in unserem Land für die Bedingungen des
21. Jahrhunderts erneuert werden soll. Wir tun uns in
Deutschland nicht leicht damit, das Neue und die Verän-
derung auch als Chance zu begreifen. Da ist der Erneue-
rungsdruck der Globalisierung. Da ist die Demographie.
Da ist die Tatsache, dass erfolgreiches Wirtschaften im
21. Jahrhundert immer mehr auf Wissen und Qualifika-
tion angewiesen sein wird. Ja, das alles ist schwierig;
überhaupt keine Frage. Das alles wirkt manchmal auch
bedrohlich; das ist ebenfalls richtig.

In den Talkshows und in den öffentlichen Debatten in
unserem Land hat sich in den vergangenen Jahren der
Eindruck durchgesetzt, wir hätten hier nur noch die Wahl

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(C (D wischen Pest und Cholera, wir könnten in Deutschland eute nur noch zwischen ideenloser Beharrung und brualen marktradikalen Rosskuren wählen. Aber wir sollen uns niemals, weder von der einen noch von der andeen Seite, falsche Alternativen aufschwatzen lassen. s liegt am Denken in den falschen Alternativen, meine ch, dass die Menschen in unserem Land Erneuerung nd Aufbruch zuweilen so misstrauisch gegenübersteen. Richtig ist: Wir müssen unseren Sozialstaat erneuern. ir müssen ihn auf die Bedingungen des 21. Jahrhun erts einstellen. Die wirtschaftlich und sozial erfolgeichsten Länder Europas beweisen uns Tag für Tag, ass das sehr wohl und gut gelingen kann. Diese Länder ind so erfolgreich, weil sie gerade nicht der Versuchung rliegen, Wirtschaft und Sozialstaat gegeneinander aususpielen. Sie wissen: Die vermeintlich so klare Alternaive „mehr Markt oder mehr Staat“ führt schlicht und erreifend in die Irre. (Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD] und des Abg. Jörg Tauss [SPD])


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


s kommt heutzutage darauf an, beides intelligent mit-
inander zu verbinden. Da liegt die Zukunft auch für un-
er Land.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In diesem Hohen Hause sitzen auf der einen Seite ei-

ige, die glauben, sich ganz auf das Festklammern an
ämtlichen bestehenden Instrumenten des überkomme-
en Sozialstaats verlegen zu müssen.

Herr Kollege Gysi, Sie haben vorhin über die Produk-
ivitätszuwächse bei Daimler-Chrysler gesprochen und
esagt, dass wir damit nicht richtig umgegangen seien.
s mag sein, dass nicht alles richtig war; aber nach Ihrer
ede glaube ich, dass, wenn Sie mehr zu sagen gehabt
ätten, Daimler-Chrysler heute gar nicht mehr in
eutschland wäre. Dann hätten wir auch nichts von den
roduktivitätszuwächsen. Das sollten wir uns einmal
urch den Kopf gehen lassen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Auf der anderen Seite in diesem Hause sitzen Abge-

rdnete, die sich jede Form von Sozialstaat bestenfalls
ls ein Luxussahnehäubchen vorstellen können, ein Sah-
ehäubchen, das man sich nur dann leisten kann, wenn
ie Wirtschaft bereits kräftig brummt.

Ich halte beide Positionen für falsch, meine Damen
nd Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

eutschland wird in den kommenden Jahrzehnten dann

rfolgreich sein, wenn wir wirtschaftliche Dynamik und
oderne Sozialstaatlichkeit als Ziele begreifen, die ei-

ander positiv bedingen und beflügeln können. Wirt-
chaftliche Dynamik wird heute durch ein zeitgemäßes
erständnis sozialer Gerechtigkeit erst ermöglicht, näm-

ich durch Investitionen in die Menschen und ihre Fähig-
eiten. Umgekehrt brauchen wir einen modernen Sozial-
taat, der wiederum zu mehr wirtschaftlicher Dynamik,






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Matthias Platzeck (Brandenburg)

Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen bei-
trägt.

Die nun gebildete große Koalition kann viel dafür
leisten, ein neues Verständnis für ein produktives Ver-
hältnis zwischen Dynamik und Gerechtigkeit in unserem
Lande zu schaffen. Wir Sozialdemokraten werden inner-
halb und außerhalb der Koalition für diesen notwendigen
Perspektivwechsel werben. Denn genau in diesem Sinne
erwarten die Menschen in Deutschland von der neuen
Regierung die Erneuerung unseres Sozialstaates. Der
zwischen den Parteien vereinbarte Koalitionsvertrag
sieht genau dies vor. Ich nenne beispielhaft vier Punkte:

Wir haben beschlossen, dass die Ausgaben für For-
schung und Entwicklung bis 2010 auf 3 Prozent unse-
res Bruttosozialproduktes erhöht werden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Das brauchen wir dringend; denn ohne Forschung und
Innovation werden wir auf dieser Welt keine Chance ha-
ben.

Wir haben beschlossen, ab 2007 das Elterngeld ein-
zuführen. Das ermöglicht vielen Frauen und Männern
eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und
erleichtert es den Menschen, sich für Kinder zu entschei-
den. Bei unzähligen jungen Menschen ist ganz klar der
Kinderwunsch vorhanden. In Deutschland sind jedoch
der Mut, diesen Wunsch in die Wirklichkeit umzusetzen,
und die Zuversicht noch zu wenig ausgeprägt. Das El-
terngeld ist eine Maßnahme, die dazu beiträgt, den Mut
in unserem Lande zu erhöhen. Denn ein Land ohne Kin-
der ist ein Land ohne Zukunft, meine Damen und Her-
ren; da können wir nicht mehr zuschauen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Deshalb haben wir auch beschlossen, das begonnene
4-Milliarden-Euro-Ganztagsschulprogramm fortzu-
setzen. Auch das brauchen wir sehr dringend, weil es
mehr Chancengleichheit in der Bildung schafft.

Außerdem haben wir beschlossen, die Tagesbetreu-
ung für die Kleinen systematisch auszubauen. Auch das
ist wichtig für unser Land, weil über Zukunft und
Lebenschancen nicht erst ab dem sechsten oder dem
20. Lebensjahr entschieden wird, sondern bereits in der
Elementarstufe. Das haben wir zu lange vernachlässigt.
Da haben wir Potenziale nicht genutzt. Wir müssen sie
aber nutzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es heißt oft, große Koalitionen würden am Ende nur
die kleinen Parteien am Rande stärken. Es kann aber
auch genau umgekehrt kommen. Entscheidend dafür ist,
dass sich auf die Bürgerinnen und Bürger der Eindruck
überträgt: Beide Partner wollen wirklich, dass Deutsch-
land in den nächsten vier Jahren spürbar besser dasteht.

Frau Bundeskanzlerin Merkel hat das neue Regie-
rungsbündnis als eine „Koalition der neuen Möglichkei-
ten“ bezeichnet. Mir gefällt diese Formulierung gut. Sie

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(C (D eschreibt den hohen Anspruch, dem wir alle zusammen erecht werden müssen und dem wir nur gemeinsam geecht werden können. Gelingt uns dies, dann kann diese egierung mit der breiten Unterstützung der Menschen m Lande rechnen. Die deutschen Sozialdemokraten und ch persönlich werden jeden nur möglichen Beitrag zum elingen leisten. Ich habe zwar neulich in einem Artikel in einer groen deutschen Zeitung gelesen, man solle sich in dieses and nicht zu sehr verlieben und die Demokratie habe uch dazu geführt, dass wir in Deutschland das Recht uf schlechte Laune hätten. Ein interessanter Artikel; er ihn noch nicht gelesen hat, dem kann ich ihn sehr mpfehlen. Ich glaube, wir haben aber nicht die Pflicht, ieses Recht auszuüben. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ir tun es nur viel zu oft. Ich sage auch hier und heute
och einmal: Deutschland ist ein wunderbares Land. Das
asse ich mir nicht ausreden. Seine Bürgerinnen und
ürger sind zu großen Leistungen fähig. Es ist unsere
emeinsame Aufgabe, ihnen dafür neue Wege und Mög-
ichkeiten zu eröffnen. Genau das wollen wir tun; genau
as werden wir tun, und zwar ernsthaft, beharrlich und
it Augenmaß. Gewinner werden die Menschen in un-

erem Lande sein.

Die Bundeskanzlerin hat heute gesagt: „Mehr Freiheit
agen“. Ich kann da komplett mitgehen. Als ich diesen
atz hörte, sagte mir mein Bauch allerdings, dass wir
em noch etwas hinzufügen sollten – auch das haben wir
n Deutschland nötig –, nämlich: „Mehr Miteinander und
ehr Gemeinsamkeit wagen“.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Gesellschaften, in denen es mehr Miteinander gibt,
ind stärker, stabiler und zukunftsfähiger. Etwas allein
achen oder allein sein, das kann mal schön sein. Auf

ie Dauer macht es aber unglücklich und schwach. Des-
alb sage ich: hinschauen und nicht wegschauen, zupa-
ken und nicht zugucken, ein bisschen mehr weg vom
paß am Tag und hin zur Freude am Leben. Dafür soll-

en wir arbeiten und dafür werden wir arbeiten. Dann
erden wir auch erfolgreich sein.

Alles Gute!


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Bravo!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1600402200

Ich erteile das Wort Kollegen Peter Ramsauer, CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1600402300

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin!

iebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten
amen und Herren! Die Koalition aus den drei Parteien
DU, CSU und SPD legt heute ihr Programm für diese






(A) )



(B) )


Dr. Peter Ramsauer
Wahlperiode vor. Es ist der Startschuss für einen politi-
schen Neubeginn. Die Wähler haben es so gewollt; die
Wähler haben es so entschieden. Sie würden heute wohl
ähnlich oder fast genauso entscheiden, wie die Umfra-
gen zeigen. Gut ist, dass die alte Regierung ausgeschie-
den ist und die neue Regierung ihre Arbeit aufnimmt.

Wir werden in den Debatten dieser Woche die darge-
legten Grundsätze und Ziele sehr genau prüfen und dis-
kutieren. Mein Urteil ist klar: Diese große Koalition in
Deutschland hat eine Chance verdient und sie ist eine
große Chance für unser Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Auch für Bayern!)


Sie, Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Dr. Merkel, ste-
hen für einen Neubeginn. Ich gratuliere Ihnen ganz herz-
lich im Namen meiner Partei, der CSU, und insbeson-
dere im Namen der CSU-Landesgruppe im Deutschen
Bundestag zu Ihrer Wahl. – Ich sehe, dass Sie gerade zu-
sammen mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister in
den hinteren Reihen Platz genommen haben. Wer auf der
Regierungsbank sitzt, kann sich auch diese Großzügig-
keit leisten. – Ich gratuliere Ihnen auch zu Ihrer Regie-
rungserklärung. Sie haben uns damit gezeigt, dass der
überfällige Politikwechsel eingeleitet ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Ich gratuliere Ihnen auch dazu, dass Sie – das habe
ich heute Agenturmeldungen entnommen –, laut Umfra-
gen einen immensen Vertrauensvorschuss bei der Be-
völkerung haben. Das ist ungewöhnlich; denn der Politik
wird eher mit einem Misstrauensvorschuss begegnet.
Die Tatsache, dass Sie, liebe Frau Bundeskanzlerin, ei-
nen gewaltigen Vertrauensvorschuss haben, ist eine rie-
sige Chance für die neue Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Regierung ist – das finde ich besonders wich-
tig – auch eine Regierung aus der Mitte der Gesellschaft
heraus. Sie spaltet und polarisiert nicht, sondern sie führt
zusammen. Konservative und liberale, ökologische und
soziale Ansätze dürfen nicht gegeneinander ausgespielt
werden. Sie werden es auch nicht in dieser Regierung;
sie werden vielmehr für eine gute Politik miteinander
fruchtbar gemacht.

Das ist auch ein Stück Handschrift der CSU. Diese
Handschrift prägt auch den Koalitionsvertrag. Ich bin,
ehrlich gesagt, ein bisschen stolz darauf, dass der CSU-
Parteitag – in Klammern gesagt: unter meiner Tagungs-
leitung –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD: Oh!)


diesen Koalitionsvertrag einstimmig – das möchte ich
betonen – gebilligt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Meine Damen und Herren, die neue Regierung pflegt inen neuen Stil: sachbezogen und ergebnisorientiert. ie Koalition aus unseren drei Parteien startet zugegebeermaßen unter schwierigen Bedingungen. Keiner der artner hat Wahlkampf für diese große Koalition geacht. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stoiber flüchtet nach München!)


ir werden aber jetzt gemeinsam etwas daraus machen.
ir werden versuchen, mit Leistung zu überzeugen.
ur auf diesem Weg kann das Vertrauen der Bevölke-

ung wiedergewonnen werden.

Vertrauen schaffen, das ist auch die Richtschnur für
ie Außen- und Europapolitik dieser Regierung.
eutschland ist – man kann dies nicht oft genug beto-
en – ein verlässlicher Partner und Verbündeter. Gerade
ie kleinen und mittleren Länder in der Europäischen
nion setzen auf einen Partner Deutschland, der ihre In-

eressen ernst nimmt.

Ich erinnere mich sehr gut und sehr gern an meine
rsten Parlamentsjahre, als Helmut Kohl uns jungen,
euen Abgeordneten vor allen Dingen in Bezug auf die
uropapolitik immer eines eingeschärft hat: Nehmt die
leinen und die ganz kleinen Länder ernst; denn das ist
in wichtiger Erfolgsgrundsatz für eine gedeihliche und
achhaltige Europapolitik!


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie europäische Einigung und die transatlantische
artnerschaft sind gleichermaßen wichtige Pfeiler
eutscher Staatsräson. Eine ausgewogene Außenpolitik,
ie auf diesen beiden Pfeilern stabil aufbaut, ist ein ech-
er Gewinn für unser Land.

Die erste Regierungserklärung der ersten Bundes-
anzlerin unseres Landes hat deutlich gemacht: Deutsch-
and bekommt eine kraftvolle Regierung. Ich sage ganz
lar: Meine Partei und die CSU-Landesgruppe innerhalb
er CDU/CSU-Fraktion wollen diesen Erfolg mit ganzer
raft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mit Ihrer Regie-
ungserklärung ein Zeichen der Zuversicht gesetzt. Es
ibt eine Reihe hervorragender, guter Zeichen, die schon
n dieser Debatte sichtbar geworden sind. Ein gutes Zei-
hen ist: Die Sanierung des Haushalts steht an oberster
telle. Wir alle wissen heute: Die Lage der Staatsfinan-
en ist dramatisch. Die Strukturprobleme der Wirtschaft
nd die Misere auf dem Arbeitsmarkt belasten den Haus-
alt. Die Steuereinnahmen reichen in diesem Jahr nicht
inmal aus, um Sozialleistungen, Zinsen und Gehälter zu
ahlen. Auf den Punkt gebracht: Ein Teil der Steigerung
er sozialen Ausgaben wurde mit einem Rückgang der
ffentlichen Investitionen bezahlt. Dies ist eine außer-
ewöhnlich gefährliche Entwicklung, ein dramatisches
ehren von unserer Substanz. Der Anteil der Investitio-
en am Bundeshaushalt liegt jetzt bei unter 9 Prozent.
5 Prozent des Haushalts muss der Bund 2006 allein für
insen aufwenden.






(A) )



(B) )


Dr. Peter Ramsauer
Diese bedrückende Eröffnungsbilanz zwingt uns alle
zu einer konsequenten Konsolidierung. Das ist die Ver-
pflichtung der heute Verantwortlichen gegenüber kom-
menden Generationen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nur eine entschlossene Konsolidierung eröffnet Spiel-
räume für Zukunftsinvestitionen, egal ob das Infrastruk-
turinvestitionen im Bereich Verkehr oder an anderer
Stelle oder Investitionen in Bildung sind. Bildungs-
investitionen sind rentierliche Investitionen in die Zu-
kunft. Das sage ich auch als Kaufmann, obwohl in kauf-
männischer Hinsicht nur das als Zukunftsinvestition
zählt, was sich in kaufmännischen Rechnungslegungen
wiederfindet; volkswirtschaftlich sieht das anders aus.
Investitionen in die Bildung sind wichtige Zukunfts-
investitionen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Koalitionsvertrag wird dafür der richtige Kurs abge-
steckt. Wir setzen dies gemeinsam um. Wir tragen auch
gemeinsam Verantwortung dafür.

Ein weiteres gutes Zeichen ist, dass angesichts der
Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat die Signale
nicht auf Konfrontation, sondern – Gott sei Dank – auf
Kooperation gestellt sind. Die neue Regierung und die
Fraktionen der großen Koalition setzen auf eine gute
Zusammenarbeit mit den Ländern. Deutschland wie-
der nach vorne zu bringen, das müssen sich Bund und
Länder gemeinsam auf die Fahnen schreiben. Die Län-
der und Regionen, wir alle miteinander können nur ge-
winnen, wenn die makroökonomischen Weichen hier in
Berlin, aber auch in Brüssel wieder richtig gestellt wer-
den.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit Stoiber?)


– Darauf komme ich jetzt zu sprechen, lieber Herr Kuhn.

Es ist auch ein gutes Zeichen, dass zwei Minister-
präsidenten, Edmund Stoiber und Matthias Platzeck, im
Koalitionsausschuss die Interessen der Länder einbrin-
gen. – Damit ist Ihre Frage beantwortet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der Linken)


Gerade wir Bayern wissen, dass wir ohne die Bereit-
schaft zur Verantwortung für Deutschland nichts für un-
sere Heimat bewegen können. Deshalb ist es erfreulich,
dass die große Koalition die Föderalismusreform schon
ein ganzes Stück vorangebracht hat. Deutschland
braucht starke Länder, wir wollen starke Länder. Vielfalt
belebt. Wettbewerb ist ein Anreiz, nach besseren Lösun-
gen zu suchen. Das Bessere ist der Feind des Guten. Der
Wettbewerb der Länder untereinander ist ein Segen für
unsere föderale Ordnung und für unser Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D er Bund gibt deshalb zahlreiche Kompetenzen in die usschließliche Zuständigkeit der Länder. Schule, Kultur nd Rundfunk werden als Sache der Länder bestätigt. om Strafvollzug bis zum Ladenschluss kommen aber uch neue Kompetenzen hinzu. Hervorheben will ich, ass der Bund künftig Aufgaben nicht mehr direkt auf emeinden, Städte und Kreise übertragen darf, da das erhältnis zu den Kommunen von den Ländern geregelt erden soll. Ausufernde Zustimmungserfordernisse im undesrat verwischen bisher die Verantwortung und verögern Entscheidungen. Das können wir uns nicht mehr eisten. Die Zahl der Gesetze, denen der Bundesrat zutimmen muss, wird reduziert; denn das, was wir in den ergangenen Jahren oder Jahrzehnten hier im Parlament eleistet haben, hat unter den Zustimmungserfordernisen maßgeblich gelitten. Bundesminister Franz Müntefering und Ministerpräident Edmund Stoiber haben an der Spitze der Föderaismuskommission eine, wie ich meine, ganz exzellente orarbeit geleistet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


as verdient Dank und Respekt. Drei Punkte sind fest-
uhalten: Länder und Landtage werden gestärkt, Ent-
cheidungen werden schneller fallen und – das ist ganz
ichtig – politische Verantwortungen – die Frage, wer

ür was geradesteht – werden endlich viel deutlicher.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein weiteres gutes Zeichen ist, dass die Familien als
ichtigste Form des Zusammenlebens gestärkt werden.
s wird keine Relativierung der Familie geben. Kinder-
rziehung ist eine außergewöhnlich anspruchsvolle Auf-
abe, die hohen Respekt verdient. Eltern, die erziehen,
aben Anspruch auf die Solidarität der gesamten Gesell-
chaft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zu dieser Solidarität gehört, Müttern, aber auch Vä-
ern – als Vater von vier Kindern weiß ich, wovon ich
preche – Wahlfreiheit bei ihrer Lebensgestaltung zu er-
ffnen. Diese Wahlfreiheit wird bisher doppelt einge-
chränkt erlebt: Den einen fehlt es an Unterstützung, um
eruf und Familie verbinden zu können, und die anderen
rleben, wie wenig öffentliche Anerkennung die Auf-
abe erfährt, Kinder zu erziehen. Beides gilt es zu än-
ern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich möchte an dieser Stelle Folgendes ergänzen:
eide familiären Leitbilder verdienen gleichermaßen
espekt, das Leitbild der berufstätigen Frau und Mutter
enauso wie das Leitbild der jungen Frau, die, exzellent
usgebildet, sich ganz bewusst dafür entscheidet, mehr
der weniger viele Jahre zu Hause zu bleiben und sich
er Kindererziehung oder der Pflege älterer Menschen in






(A) )



(B) )


Dr. Peter Ramsauer
der Familie zu widmen. Ich wehre mich dagegen, dass
oft diese Leitbilder sehr einseitig gesehen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir dürfen das andere Leitbild, das Leitbild der Frau, die
wegen der Kindererziehung zu Hause bleibt, nicht in die
Schmuddelecke der Gesellschaft stellen. Beide Leitbil-
der sind in unserer Gesellschaft gleichwertig.

Der Ausbau der Angebote der Kinderbetreuung
schafft bessere Chancen dafür, Familie und Beruf zu ver-
binden. Mit dem Elterngeld ist gewährleistet, dass die
Förderung junger Familien besser auf ihre persönliche
Situation abgestimmt werden kann. Mehrgenerationen-
häuser – ein Modewort –


(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD)


machen die Solidarität der Generationen konkret lebbar
und erlebbar. – Sie lachen. Ich kann Ihnen aber sagen,
warum ich das Wort „Modewort“ gebraucht habe – es ist
nicht alles schlecht, was Mode ist; sonst wäre es viel-
leicht nicht Mode –: Damit wird etwas ganz Selbstver-
ständliches aufgegriffen. Vor zwei, drei Generationen
war es nämlich ganz natürlich, dass drei Generationen in
einem Haus, unter einem Dach, zusammen gewohnt ha-
ben. Die sozialen Probleme und Konflikte und die mate-
rielle Not in jener Zeit waren vielleicht aus anderen
Gründen größer als heute, aber nicht wegen der damali-
gen Familienstruktur. Eine Mehrgenerationenfamilie ist
Ausdruck von gelebter Solidarität und auch von Subsi-
diarität.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Darauf legen wir viel Wert.

Auch wenn wir noch so viele soziale Dienste aus öf-
fentlichen Mitteln finanzieren: Sie können nicht so viel
Nestwärme und Geborgenheit bieten wie gewachsene
Familien.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist doch absurd: Wir geben heute in Deutschland nach
wie vor eine Rekordsumme für soziale Zwecke aus und
trotzdem war in unserem Land noch nie so viel von so-
zialer Kälte und Ellenbogengesellschaft die Rede. Bei-
des passt nicht zusammen. Darum ist es gut, wenn wir
die Generationen in den Mehrgenerationenhäusern wie-
der zusammenbringen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das neue Kabinett ist ein starkes Team. Politische
Schwergewichte machen die Schwerpunkte der Regie-
rungsarbeit deutlich: Sanieren, also auch reparieren,
reformieren und investieren, also aussäen für die Zu-
kunft. Dieser Dreiklang bestimmt die Politik der neuen
Regierung. Deutschland braucht bessere Standortbedin-
gungen für Betriebe und Arbeitsplätze. Der Kern unserer
Entscheidung für die große Koalition und auch der Maß-
stab für ihren Erfolg ist: Deutschland muss investitions-
freundlicher werden, damit wieder neue Arbeitsplätze
in unserem Land entstehen. Auch wenn wir bei den
Steuern und Abgaben das eine oder andere tun müssen,

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(C (D eil uns kein anderer Weg bleibt, muss die Botschaft ein: Deutschland ist ein investitionsfreundliches Land. s lohnt sich, in Deutschland zu investieren; es lohnt ich, in Deutschland etwas aufzubauen; es lohnt sich, ier zu bleiben, nicht zu desinvestieren; es lohnt sich, in eutschland Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Die Politik der neuen Regierung wird zu Investitionen
n Deutschland ermutigen und damit die Wachstums-
räfte in unserem Land entfesseln.

Unser Land soll und darf nicht von der Substanz le-
en. Es sollen Werte geschaffen werden. Auf diesem
eg wird mehr Beschäftigung dauerhaft gesichert. So
erden neue Chancen eröffnet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


undesminister Michael Glos bürgt für eine Wirtschafts-
olitik, die den Mittelstand


(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])


nd eigentümergeführte Familienunternehmen stärkt.
ie sind die Stütze des Standortes Deutschland. Sie ma-
hen keine Negativschlagzeilen, weder mit Stellenabbau
och mit überzogenen Managergehältern. 50 Prozent der
ertschöpfung, 70 Prozent der Arbeitsplätze und

0 Prozent der Lehrstellen entfallen auf Unternehmen
it weniger als 500 Mitarbeitern. Auch hier weiß ich,
ovon ich rede. Der Mittelstand ist das Rückgrat der
esellschaft. Hier liegt das Potenzial für mehr Wachs-

um und Beschäftigung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


ir haben im ersten Halbjahr Debatten zu diesem
hema geführt.

Ich bekenne mich ausdrücklich zu meiner Nebentätig-
eit bzw. beruflichen Tätigkeit als Unternehmer. Es freut
ich, dass es außer der Politik noch Unternehmertum

ibt. Dieses pflege ich neben meiner Tätigkeit im Parla-
ent und damit sichere und schaffe ich Arbeitsplätze.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Deshalb die Neidsteuer!)


Die Stundung oder der schrittweise Erlass der Erb-
chaftsteuer ist wichtig für die Fortführung mittelständi-
cher Betriebe. Auch die degressive Abschreibung gibt
inen starken Investitionsanreiz für die Jahre 2006 und
007. Jeder weiß, dass wir gerade im Hinblick auf die
ittelständische Wirtschaft bürokratiebedingte Kosten

bbauen müssen. Wir fassen uns an die eigene Nase: Wir
üssen das in unserer Gesetzgebung beherzigen. Unser

onkretes parlamentarisches und Regierungshandeln
uss sich danach richten.






(A) )



(B) )


Dr. Peter Ramsauer
Ich danke Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie
nochmals betont haben, dass eine Eins-zu-eins-Umset-
zung europäischer Normen ein wichtiger Maßstab für
unser Regierungshandeln ist. Dem steht aber entgegen,
dass – wohl noch als Überbleibsel aus der Trittin-Zeit
– uns momentan der Entwurf einer Verpackungsver-
ordnung vorliegt, in dessen Begründung – vorletzte Wo-
che habe ich das gelesen – steht: Mit dieser Regelung
gehen wir über die Vorgaben der Europäischen Union hi-
naus. – Wenn wir jetzt hierbei schon darüber hinausge-
hen würden, obwohl wir sagen, dass wir nur eins zu eins
umsetzen wollen, dann wäre das die erste Verfehlung.
Darum sage ich: Wir fassen uns hier an die eigene Nase.

Ein weiteres Beispiel aus der rot-grünen Regierungs-
zeit.


(Ute Kumpf [SPD]: Keine Bösartigkeit! Kooperation!)


– Ich differenziere ganz genau.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Das erwarten wir auch!)


Ab 1. Januar dürfen alle Betriebe, auch Klein- und
Kleinstunternehmen, die Übermittlung ihrer Sozialversi-
cherungsdaten an die Krankenkasse nur noch elektro-
nisch per Internet vornehmen. Ich sage Ihnen: Das ist
eine völlig verrückte Vorgabe. Denn es gibt viele
Kleinstunternehmen entweder ohne Angestellte oder nur
mit ein, zwei oder drei Mitarbeitern, die wegen ihres Be-
triebsumfangs überhaupt keine entsprechenden elektro-
nischen Einrichtungen haben.


(Widerspruch bei der SPD)


– So ist das. Das ist die Praxis.


(Ute Kumpf [SPD]: Vielleicht in Bayern!)


Dazu verlangen – jetzt kommt es – die Krankenkas-
sen ein- bis zweitägige Schulungskurse für diese
Kleinstunternehmen, als ob ein Kleinstunternehmer
nichts anderes zu tun hätte, als tagelang bei der Kranken-
kasse in Schulungskursen zu sitzen, damit er mit den
neuen Vorschriften zur Übermittlung seiner Sozialversi-
cherungsdaten zurechtkommt. Auch das ist ein Fehler.
Ich verstehe jeden Kleinstbetrieb, der sich dieser Rege-
lung widersetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Hinsichtlich der Bürokratie sollte man auch bei den
eigenen Strukturen ansetzen. Ich frage mich manchmal:
Muss es sein, dass wir 72 Bundesämter haben und sich
auf gleichen Gebieten bis zu drei Bundesämter tummeln,
die noch dazu gegeneinander arbeiten, wie mir von Prä-
sidenten solcher Ämter bestätigt wurde? Es gibt Hun-
derte von Landesämtern. Das alles passt nicht in eine
Landschaft, in der wir eher zu viel als zu wenig Bürokra-
tie haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich begrüße sehr, was Sie, Frau Bundeskanzlerin, zu
einer nachhaltigen Politik und zu den erneuerbaren
Energien gesagt haben. Ich meine Ihr Bekenntnis zur
grundsätzlichen Beibehaltung des Erneuerbare-Ener-

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(C (D ien-Gesetzes und Ihr Bekenntnis zu erneuerbaren Enerien als wichtigem Bestandteil einer Energiepolitik insesamt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch daran ernnern, dass das heutige EEG ein politisches Tochtergeetz unseres Stromeinspeisungsgesetzes aus dem ahr 1990 ist, dass also bereits in den 90er-Jahren der rundstock für das gelegt worden ist, was sich heute auf iesem Gebiet tut. Meine Damen und Herren, wir spüren: Die Zeit rängt, auch meine Redezeit. Deutschland hat eine staile Regierung. Aber Deutschland braucht auch – das öchte ich zum Schluss betonen – eine konstruktive ürgerliche Opposition. Hier blicke ich vor allen Dingen uf die Liberalen und auf die Grünen. Ihnen von den Lieralen sage ich: Ich selbst bin ein praktizierender Libealer, (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Donnerwetter! Jetzt geht es aber los!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


enauso wie mein Vorgänger im Amt des Landesgrup-
envorsitzenden der CSU.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Aber warum haben Sie sich nicht schon früher offenbart? Warum bloß so spät?)


gal ob Regierung oder Opposition, wir alle stehen in
er Verantwortung. Hier kann sich niemand drücken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ur im Wettstreit der Argumente kann Politik gedeihen.

Meine Damen und Herren, die neue Regierung und
ie Fraktionen der großen Koalition haben sich ehrgei-
ige Ziele gesteckt. Deutschland braucht eine erfolgrei-
he Regierung. Dafür werden meine Fraktion und in ihr
ie CSU-Landesgruppe mit ganzer Kraft arbeiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600402400

Das Wort hat der Kollege Olaf Scholz von der SPD-

raktion.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Oh! Jetzt kommt der Aufschwung!)



Olaf Scholz (SPD):
Rede ID: ID1600402500

Meine Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin hat

n ihren Eingangsbemerkungen darauf hingewiesen, dass
ich einige Ideen der Regierungsbildung nach dem Inter-
et richten sollen. Eine der Kategorien moderner Inter-
etdebatten lautet Open Source: dass Programme ge-
issermaßen für jeden verfügbar werden, unabhängig
on der Quelle.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)







(A) )



(B) )


Olaf Scholz
Wenn wir das jetzige Regierungsprogramm betrach-
ten, dann können wir Sozialdemokraten sagen: Darin
sind viele unserer Programmquellen enthalten und wir
sind einverstanden, dass in dieser Frage keine Urheber-
rechtsansprüche geltend gemacht werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn über die Regierungsbildung diskutiert wird,
geht es auch um die Frage, wie es zu dieser Koalition ge-
kommen ist. Wer sich die Debatten der letzten Wochen
oder auch die heutige anschaut, wird festgestellt haben:
Ernsthafte Kritik daran, dass es nun zu einer großen
Koalition gekommen ist, wird eigentlich von nieman-
dem geäußert,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


auch nicht – das ist interessant – von den Parteien der
Opposition.

Die Grünen und ihre Wählerinnen und Wähler haben
eingesehen, dass es für Rot-Grün nicht mehr gereicht hat
und dass eine andere Konstellation mit drei Parteien
nicht funktioniert. Die FDP hat gesagt, sie wolle für be-
stimmte Konstellationen nicht zur Verfügung stehen.
Deshalb kann Sie nur einverstanden damit sein, dass es
jetzt zu einer großen Koalition gekommen ist. Für die
PDS/Linkspartei gilt Ähnliches. Sie wollte ohnehin mit
niemandem regieren und niemand mit ihr. Insofern kann
auch sie nicht kritisieren, dass es jetzt zur Bildung dieser
Regierung gekommen ist.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist jetzt der Aufbruch! – Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)


Was mich etwas wundert, ist, dass das allgemeine
Einverständnis über die Bildung dieser Koalition dazu
führt, dass im Rahmen dieser Debatte über die Regie-
rungserklärung nirgendwo ein richtiger Gegenentwurf
gezeichnet worden ist.


(Zuruf von der FDP: Na, na, na!)


In den Beiträgen der Oppositionsredner – es gibt ja drei
Oppositionsparteien ganz unterschiedlicher Richtung –
konnte man an keiner Stelle hören, wie eine andere Linie
aussehen sollte als die, die die Bundeskanzlerin in ihrer
Regierungserklärung vorgetragen hat, und als die, die im
Koalitionsvertrag vereinbart wurde.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wie bitte? Ich glaube, Sie wollten es nicht hören! Sitzen Sie eigentlich auf Ihren Ohren?)


Meine Damen und Herren, dafür kann es viele Gründe
geben. Einer der Gründe kann natürlich sein, dass wir es
so falsch nicht gemacht haben. Ich plädiere für diese
Antwort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn nach fast 40 Jahren erneut eine große Koalition
gebildet wird, dann muss sie natürlich auch solche Auf-
gaben lösen, die nur im Rahmen einer großen Koalition
lösbar sind. Ich denke, das ist ein Maßstab, den sich eine

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(C (D olche Regierung setzen muss und dem sie auch genügen uss. Es gibt ein paar solcher Aufgaben, von denen nicht ur wir hier im Parlament, sondern auch die Bürgerinnen nd Bürger in diesem Land annehmen, dass sie zu lösen ur funktioniert mit der ganzen Kraft einer großen Koaition in diesem Parlament, aber auch den Möglichkeien, die sie im Sinne von Überzeugungskraft in Richtung änder hat. Ich denke, diese Aufgaben sind im Koalitinsvertrag benannt und es ist auch gesagt worden, wie an sie lösen kann. Das erste Thema ist die Reform der föderalen Ordung. Wir alle wissen, dass sie notwendig ist; aber wir lle ahnen auch, dass es ganz schwierig ist, angesichts er verhakelten Situation eine Reform mehrheitsfähig zu achen – nicht nur hier, sondern auch im Bundesrat. Es st deshalb gut und richtig, dass die Koalition im Vertrag ehr viel Platz für dieses Reformwerk gelassen hat. Ja, ir wollen die Reform des Föderalismus in Deutschland leich im ersten Jahr, noch bis zur Sommerpause zutande bringen. Dieses Werk sollten wir ab Januar angeen und wir sollten zeigen, dass wir das schaffen, dass iese Koalition das zustande bringen kann. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das zweite große Thema, das gerade in einer solcher
onstellation vorwärts bewegt werden kann und bei dem
an zu Recht die Vermutung hat, anders ginge es wohl

icht, ist eine Weiterentwicklung des Beamtenrechts.
ch bin sehr wohl der Meinung, dass das Berufsbeamten-
um in Deutschland eine Zukunft hat und dass es die
ufgabe auch dieses Hauses ist, dafür zu sorgen, dass
as Beamtenrecht und das Berufsbeamtentum – die zu-
ammengehören – für die Zukunft weiterentwickelt wer-
en.

Drei Punkte in diesem Koalitionsvertrag spielen dabei
ine große Rolle: Erstens sagen wir auch im Rahmen der
öderalismusreform: Es ist möglich, die hergebrachten
rundsätze des Berufsbeamtentums weiterzuentwickeln.
as werden wir machen und das ist die Voraussetzung

ür alle Reformen.

Zweitens wollen wir zulassen, dass ein großer Teil
es Beamtenrechts, insbesondere was Besoldungsfragen
etrifft, entweder in den Ländern oder im Bund geregelt
ird – immer genau da, wo es darauf ankommt; auch das

st etwas, was Modernisierung, was Weiterentwicklung
öglich macht. Denn die bisherige Situation, dass

ich16 Bundesländer und ein Bundesstaat einigen muss-
en, hat meistens dazu geführt, dass der eine auf den an-
eren verwiesen hat bei der Frage, warum er nichts ge-
acht hat. Das ist jetzt beendet und auch das ist ein
ortschritt – ein Fortschritt, den die sich Bürgerinnen
nd Bürger lange gewünscht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Drittens gehört zur Reform des Beamtenrechts natür-
ich auch das eine oder andere, was wir jetzt unmittelbar
n Angriff nehmen, indem wir bei den Besoldungsstruk-
uren des Bundes Anpassungen vornehmen, die sich an
enen der Länder ausrichten.






(A) )



(B) )


Olaf Scholz
Das dritte große Thema, an dem sich eine solche Koa-
lition beweisen muss, ist, dass wir es schaffen, das Ver-
trauen in die sozialen Sicherungssysteme zurückzuero-
bern.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt. Ich sage
das auch mit einem Bekenntnis verbunden: Ich glaube,
dass unsere traditionellen Institutionen Rentenversiche-
rung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung zu
Recht eine so lange Tradition haben – das gilt für die ers-
ten beiden – und dass es sich lohnt, dass sie auch in Zu-
kunft weiter zu den wichtigsten Garanten von Sozial-
staatlichkeit in Deutschland gehören. Das müssen wir
jetzt und in dieser Koalition endgültig zustande bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wer als junger Mann oder junge Frau einen Vertrag ab-
schließt mit der Rentenversicherung, mit der Kranken-
versicherung und auch mit der Pflegeversicherung, lässt
sich auf einen Vertrag ein, der viele Jahrzehnte funktio-
nieren muss: für den Einzahler wie für den Leistungs-
empfänger. Dieser Vertrag läuft länger als manche Ehe,
auf alle Fälle viel länger, als Regierungen in Deutsch-
land zu halten pflegen. Und der eine oder andere Regie-
rungswechsel ist im Laufe der Jahrzehnte durchaus mög-
lich. Insofern muss es unsere Aufgabe sein, dafür zu
sorgen, dass sich die Menschen nicht vor einem Regie-
rungswechsel fürchten, wenn es um die Grundbedingun-
gen von Renten- und Krankenversicherung geht. Das ist
eine Aufgabe, die sich wirklich lohnt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir sind bei der Rentenversicherung schon viel weiter,
als die öffentliche Diskussion wahrgenommen hat: Von
den Reformvorstellungen der Rürup-Kommission für die
Regierung ist fast alles umgesetzt, und was noch fehlt,
das traut sich die Koalition jetzt im Koalitionsvertrag.
Das finde ich richtig, weil das die Grundlage für Zu-
trauen und Vertrauen ist.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


In der Frage der Krankenversicherung sind unter
der letzten Regierung Fortschritte gemacht worden.
Manches von dem, was wir uns in Bezug auf mehr Wett-
bewerb und mehr Kosteneffizienz vorgestellt haben,
steht jetzt im Koalitionsvertrag. Wir haben uns vorge-
nommen, die Frage, wie wir das Gesundheitssystem fi-
nanzieren, gemeinsam im nächsten Jahr zu beantworten.
Ich betone: in einem Jahr. Angesichts der Tatsache, dass
ein großer Streit vorausgegangen ist, der nicht vom
Zaune gebrochen worden ist, sondern seine Ursache in
den gewaltigen Problemen hinsichtlich Finanzierung
und Zukunftsfähigkeit des bisherigen Systems hat, ist es
eine ehrgeizige, aber lösbare Aufgabe, in einem Jahr
eine Lösung zu suchen.

Ich will zusammenfassen: Wenn es die große Koali-
tion schafft, in einem Jahr eine Lösung für die Finanzie-
rungsprobleme der Krankenversicherung zu finden, die
beide Parteien über die Koalition hinaus auch in den

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(C (D ächsten Jahrzehnten weiter mittragen und die gesellchaftliche Akzeptanz hat, dann haben wir etwas Großes ustande gebracht. Ich bin sicher, wir werden das schafen. Der vierte Punkt betrifft die Frage der Staatsfinanen; dieses Thema ist schon angesprochen worden. Die enschen erwarten, dass wir eine Lösung finden. Wir lle sollten so ehrlich miteinander sein, zu bekennen: Es urde in diesem Zusammenhang von eigentlich allen arteien in diesem Hause eine ganze Reihe von Vorchlägen gemacht; nur die Zusammensetzung des Cockails war jeweils eine andere. Die Menschen denken, ass wir uns alle bei so manchem Punkt, der im Koaliionsvertrag steht, fast einig sind, dass wir aber nur desegen nichts machen, weil wir es im politischen Wett treit nicht hinbekommen. Wenn wir diese Punkte, etwa enn es um den Abbau von Steuersubventionen geht, ufgreifen und sagen, diese Steuersubventionen schaffen ir ab, und zwar gemeinsam, weil wir alle das eigentlich mmer richtig fanden, dann werden wir auf viel mehr kzeptanz stoßen, als die FDP vermutet. Wir werden auf esellschaftliche Unterstützung stoßen, weil jeder denkt, as war lange fällig, das musste gemacht werden und es st gut, dass es jetzt geschieht. Zu einer Debatte über die Lage des Staatshaushaltes ehört immer Ehrlichkeit. Ja, überall. – Zur Ehrlichkeit gehört aber, dass man icht nur sagt, wie es nicht geht, sondern dass man Vorchläge macht, wie es gehen soll. Es gibt die schlechte ode, Entschließungsanträge zu schreiben; wir werden m Ende dieser Debatte drei Beispiele dazu zu bewältien haben. Entschließungsanträge beziehen sich eigentich auf Gesetzgebungsvorhaben, sind aber häufig eine eine Meinungsbekundung. So löst man kein Problem, eil man sich nicht wirklich zu dem bekennen muss, as man eigentlich will, und weil die Konzepte nicht ufgehen müssen. (Zuruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Überall!)


Ich habe mir den Entschließungsantrag der FDP und
en Entschließungsantrag von PDS/Linkspartei angese-
en. Ich musste feststellen, dass darin eigentlich kein
orschlag zur Lösung eines der genannten Probleme
teht.


(Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie können nicht nur nicht hören, Sie können auch nicht lesen, Herr Kollege!)


Ich bin außerdem sehr daran interessiert, herauszufin-
en, was Sie meinen. Ich jedenfalls habe große Zweifel,
b es wirklich in Ordnung ist – wie das die FDP vor-
chlägt –, bei den sozialen Sicherungssystemen bei dem,
as hineinkommen muss, und dem, was herausgenom-






(A) )



(B) )


Olaf Scholz
men werden muss, mehr zuzulangen und mehr zu spa-
ren,


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ich dachte, wir schlagen nichts vor!)


ohne den Menschen zu sagen – das ist eine mögliche
Übersetzung der rhetorisch groß vorgetragenen Rede
von Herrn Westerwelle –, dass wir die Renten sofort und
ordentlich kürzen, damit die Staatsfinanzen in Ordnung
sind.


(Beifall bei der SPD – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


Ich finde, ohne diesen ehrlichen Zusatz ist die ganze
Rede nur noch hohl. Davor sollte man sich als Politiker
in Acht nehmen. Jetzt tritt eine Regierung ins Amt, die
mit ihrer Mehrheit viele reale Taten zustande bringen
wird. Daher kommt man mit hohlen Sprüchen nicht sehr
weit. Ich rate zu mehr Ehrlichkeit.


(Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wir werden noch ein paar Mal im Parlament über Ihre Taten debattieren!)


Lassen Sie mich eine Schlussbemerkung machen. Ich
habe an den verschiedenen Beifallsbekundungen heute
festgestellt, dass es gelegentlich Einigkeit zwischen FDP
und PDS/Linkspartei gibt


(Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Jetzt schockieren Sie uns aber! Das geht zu weit, Herr Kollege! Jetzt ist Schluss! Bisher waren wir nett!)


– das werden Sie auch bleiben –,


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wo ist Platzeck?)


während an bestimmten Stellen auch zwischen Grünen
und den beiden Koalitionsfraktionen Gemeinsamkeiten
bestanden. Das hat etwas damit zu tun, dass sich die Vor-
stellung, was gerecht ist und was Gerechtigkeit in dieser
Gesellschaft ausmacht, bei den Regierungsparteien und
bei unserem bisherigen Koalitionspartner auf diese Welt
bezieht. Gerecht kann nur sein, was auch möglich ist.


(Lachen bei der LINKEN)


Was ist das „einig Uneinige“ zwischen der FDP und
den Grünen? Die FDP will, dass das mögliche Maß an
Gerechtigkeit nicht verwirklicht wird, weil man auch
darunter bleiben kann.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist doch völliger Unsinn!)


Die PDS/Linkspartei möchte das Unmögliche und hält
das für gerecht.

Beides ist falsch. Ich glaube, wir sind auf dem richti-
gen Weg.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wie war das mit den hohlen Sprüchen? Das war jetzt aber sehr hohl! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was ist mit uns?)


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(C (D Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlieungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag er Fraktion der FDP auf Drucksache 16/112? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschlieungsantrag ist damit bei Zustimmung der FDP-Fraktion nd Gegenstimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf rucksache 16/114. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt agegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsanrag ist bei Zustimmung der Fraktion Die Linke und Abehnung aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnises 90/Die Grünen auf Drucksache 16/91. Wer stimmt afür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das ing bei Ihnen von den Linken etwas durcheinander. Ich erte das mal als ein geschlossenes Abstimmungsveralten, obwohl es auch einige andere Handzeichen gab. er Entschließungsantrag ist bei Zustimmung der Frak ion des Bündnisses 90/Die Grünen, Gegenstimmen von DU/CSU, SPD und FDP und Enthaltung der Fraktion ie Linke abgelehnt. Wir kommen nun zu den Bereichen Außen, Europa, ntwicklung und Menschenrechte. Das Wort hat als erster Redner der Bundesminister rank-Walter Steinmeier. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des uswärtigen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Satz eines Amtsvorgängers „Wir unterschätzen uns“ haben ie hier in diesem Haus so oft gehört wie ich. Ich beenne: Die wahre Dimension dieser Mahnung wird mir igentlich erst nach der ersten Runde von Antrittsbesuhen, die ich im europäischen und außereuropäischen usland hinter mir habe, zunehmend deutlich. Mit ande en Worten: Ich bin ehrlich tief beeindruckt, dass sich us allen Gesprächen eigentlich eine einzige klare rundbotschaft herauskristallisiert: Unsere Freunde und artner sehen mit großen – ich finde sogar: mit riesien – Erwartungen auf unser Land und die neue Bundesegierung. Sie erwarten, dass wir auch in Zukunft Verntwortung und Gestaltungswillen für Europa, für den alkan, für die Zukunft unseres Kontinents und auch eit darüber hinaus, etwa in Afghanistan, im Nahen und ittleren Osten, bei der Bekämpfung des internationalen errorismus, beim Kampf gegen die Verbreitung von assenvernichtungswaffen, beim Einsatz für einen reien und fairen Welthandel und beim internationalen limaschutz zeigen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600402600

(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, ich finde immer noch,
ass sich diese Erwartungen nicht ganz selbstverständ-
ich an uns richten. Deshalb hat es mich gestern in New
ork auch ganz besonders berührt, dass sich insbeson-
ere auch die Vertreter der jüdischen Organisationen






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
mit in diesem Sinne hohen Erwartungen an unsere Au-
ßenpolitik und an die Übernahme von Verantwortung an
uns gerichtet haben.

Die Haltung unserer Freunde und Partner, mit denen
ich sprechen konnte, zeigt eines ganz klar: Deutschland
ist es gelungen, in den letzten 15 Jahren seinen Platz in
der Welt neu zu bestimmen. Diese Neubestimmung
wurde mit einer Ausnahme im Parlament von allen Par-
teien mitgetragen und hat unser außenpolitisches Credo
nie preisgegeben, nämlich ein verlässlicher Partner in
den Vereinten Nationen zu sein, multilateral aus Über-
zeugung und in Achtung des Völkerrechts und der Men-
schenrechte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir alle haben lernen müssen, dass mit dem Ende des
Ost-West-Konfliktes alte Selbstverständlichkeiten nicht
mehr ohne weiteres gelten. Das war nicht selten unbe-
quem, eröffnet aber, um eine Formulierung aus der Re-
gierungserklärung aufzugreifen, neue Möglichkeiten.
Diese Möglichkeiten, diese Chancen der Globalisie-
rung sollten wir angesichts einer – die Talkshows sind
vorhin genannt worden – zu Krisen- und Untergangsfan-
tasien neigenden Öffentlichkeit mindestens ebenso deut-
lich herausstellen wie die vielen Gefahren, die wir natür-
lich weder ignorieren noch kurzfristig beseitigen
können. Aber wir müssen daran – vielleicht in der Zu-
kunft mit noch mehr Ehrgeiz – arbeiten. Aber bitte:
Chancen und Risiken – das ist die Botschaft – sind Teil
jener Zukunft, die wir gemeinsam gestalten wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem bekannten
und einflussreichen amerikanischen Wissenschaftler und
Politikberater Jeremy Rifkin, den wir im vergangenen
Jahr zu einer Diskussion hier hatten. Ein Satz ist mir in
Erinnerung geblieben:

Warum seht ihr nicht, dass Europa für viele Men-
schen in der Welt ein Ort der Hoffnung und der Zu-
versicht für eine bessere Weltordnung ist?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Er hat uns, den Deutschen, und uns, den Europäern,
bei der Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft etwas
mehr Pioniergeist und Fortschrittsoptimismus ge-
wünscht. Das dürften Tugenden sein, die mit dem
Selbstverständnis und der Programmatik beider Regie-
rungsparteien und, wie ich hoffe, sogar darüber hinaus
vereinbar sind.

Auf vielen Feldern, zum Beispiel der Zukunft der
europäischen Außen- und Sicherheitspolitik – die
europäische Sicherheitsstrategie ist in der Regierungs-
erklärung genannt worden – sowie des künftigen Ver-
hältnisses zwischen Europa, den Vereinigten Staaten und
Russland, auf diesen Baustellen sind wir noch weit da-
von entfernt, zu Antworten zu kommen, die den tektoni-
schen Verschiebungen der letzten Jahrzehnte gerecht

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(C (D erden. Diese wichtigen Baustellen sind schon heute abehbar. Neue Herausforderungen werden hinzukommen. ür mich heißt eben Kontinuität in der Außenpolitik in iesem Sinne nicht Stillstand, sondern Kontinuität heißt n diesem Sinne, kreativ nach neuen Antworten und Löungen zu suchen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn ich das für die Zukunft sage, dann sage ich
uch, dass dieses Land mit Stolz auf das zurücksehen
ann, was wir in den letzten Jahren seit der deutschen
iedervereinigung geleistet haben. Deutsche Soldaten

nd Polizisten sind heute an vielen Orten der Welt im
riedenseinsatz. Ich sage vor diesem Hause: Der Deut-
che Bundestag hat mit seiner übergroßen Mehrheit im-
er dann, wenn es verantwortbar war, und insbesondere

ann, wenn es darauf ankam, Ja zur Übernahme von
ehr Verantwortung für Frieden und Demokratie gesagt.

Vielleicht ist es vor diesem Hintergrund kein Zufall,
ass die erste Kabinettsvorlage, die ich in meiner neuen
unktion im Hause des Auswärtigen Amtes zu unter-
eichnen hatte, eine war, die mit diesen internationalen
riedenseinsätzen zu tun hatte, nämlich die deutsche Be-

eiligung an der Grenzschutzmission in Rafah, die, wie
ch finde, ein sichtbarer Beitrag Europas zur Schaffung
on Stabilität in der schwierigen Nachbarschaft zwi-
chen Israel und Palästina ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben gemeinsam den Kampf gegen den interna-
ionalen Terrorismus aufgenommen und sowohl im Be-
eich der Innen- und Justizpolitik als auch, wie ich
eine, in der Außenpolitik das Notwendige getan, ohne

ie Prinzipien von Toleranz und Rechtsstaatlichkeit auf-
ugeben. Zudem – das darf ich trotz aller Auseinander-
etzungen in der Vergangenheit feststellen – stehen wir
emeinsam zu der Entscheidung, keine deutschen Trup-
en in den Irak zu entsenden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage das auch deshalb, weil ich nach den Gesprä-
hen mit der amerikanischen Außenministerin gestern
en vertieften Eindruck gewonnen habe, dass dies auch
on den amerikanischen Freunden und Partnern akzep-
iert wird, und zwar nicht nur deshalb, weil unser Beitrag
der militärische Beitrag in Afghanistan und der zivile
eim Wiederaufbau im Irak – gesehen und anerkannt
ird, sondern auch deshalb, weil die Vereinigten Staaten
on Amerika zu Recht auf ein starkes und selbstbewuss-
es Deutschland setzen. Ich betone ausdrücklich: Wir
ollen gute und, wo nötig, auch kritisch-konstruktive
artner sein, und zwar aus Dank für die Hilfe, die wir in
er Vergangenheit erfahren haben, und aus der gemein-
amen Verantwortung für eine gerechte und friedliche
eltordnung,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
Prinzipien also, die wir auch im Kampf gegen den Terro-
rismus zu beachten haben. Das war, wie Sie aus den Me-
dien wissen, auch Gegenstand der Gespräche am gestri-
gen Tage.

Sicherlich ist noch in beunruhigender Weise unklar,
was von Medienberichten über Gefangenentransporte
und geheime Gefängnisse zu halten ist. Wir brauchen
Aufklärung. Darin sind wir uns mit den europäischen
Partnern einig. Ich habe aber nach den Gesprächen in
Washington den Eindruck, dass das verstanden worden
ist, und ich hoffe, dass die Antwort auf die europäischen
Fragen zeitnah erfolgt und Klarheit schafft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Übrigen – das ist nicht unwesentlich – war ich mir
mit den amerikanischen Gesprächspartnern darin einig,
dass wir an den Differenzen der Vergangenheit, die es
durchaus gab, gearbeitet haben, und zwar auf beiden Sei-
ten des Atlantiks erfolgreich und mit Zukunftsperspekti-
ven. Wir haben eine Vielzahl gemeinsamer Interessen.

Wir wollen jetzt nach vorne blicken und sehen, was
wir zur Stabilisierung der Situation etwa in Afghanistan,
auf dem Balkan, im Nahen und Mittleren Osten, bei den
östlichen Nachbarn der Europäischen Union oder in
Zentralasien beitragen können. Klar war auch: Unsere
guten Beziehungen zu Russland werden nicht etwa arg-
wöhnisch beäugt, sondern ausdrücklich begrüßt, weil ein
Russland, das sich nach Westen orientiert, in unserem
gemeinsamen Interesse liegt


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und weil Russland ein unverzichtbarer Partner für Frie-
den und Stabilität in Europa und den Nachbarregionen
ist.

Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklä-
rung schon einen umfassenden Überblick über die anste-
henden außen- und europapolitischen Fragen gegeben.
Ich will mich deshalb in der knappen zur Verfügung ste-
henden Zeit auf zwei Punkte beschränken. Der erste
Punkt ist der Iran. Aus meiner Sicht ist eine Lösung im
Streit um den iranischen Nuklearehrgeiz am drängends-
ten. Kein anderes Thema hat in meinen Gesprächen in
den vergangenen Tagen einen so breiten Raum einge-
nommen. Wir teilen die Besorgnisse des überwiegenden
Teils der internationalen Staatengemeinschaft. Wir brau-
chen absolute Sicherheit und objektive Garantien, dass
bei der zivilen Nutzung von Kernkraft keine militärisch
nutzbaren Waffentechnologien vorbereitet werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Gleichzeitig – das ist meine feste Überzeugung –
bleibt aus unserer Sicht die Verhandlungslösung der
beste Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb hat die IAEO mit unserer Unterstützung Tehe-
ran nochmals aufgefordert, alle Verpflichtungen aus dem

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(C (D ichtverbreitungsvertrag zu erfüllen. Diesen Verpflichungen ist Teheran aus Sicht der IAEO in wichtigen unkten noch nicht nachgekommen. Deshalb haben die rei europäischen Staaten, die die Verhandlungen in der ergangenheit geführt haben, vor wenigen Tagen den orschlag des Iran aufgegriffen, die Gespräche mögliherweise demnächst erneut aufzunehmen. Wir haben as davon abhängig gemacht – deshalb ist der Startchuss für den Wiederbeginn der Gespräche noch nicht efallen –, dass der Iran Signale gibt, dass er von der in üngster Zeit zu beobachtenden Praxis einseitiger chritte ablässt und eine Lösung akzeptiert, die dem Iran ie friedliche Nutzung der Atomkraft erlaubt, gleichzeiig aber ausschließt, dass der Brennstoffkreislauf gechlossen wird. Man wird in den Gesprächen sehen, ob nter anderem der von Russland in die Debatte eingerachte Lösungsvorschlag, die Anreicherungsvorgänge ußerhalb des Staatsgebietes des Irans vorzunehmen, ine Basis für die Wiederaufnahme der Verhandlungen st. Wir hoffen jedenfalls – das als vorläufige Conclusio –, ass der Iran klug genug ist, dieses Angebot anzunehen und eine Lösung auf dem Verhandlungswege und amit unter dem Dach der IAEO zu ermöglichen. Ich üge aber hinzu: Die Geduld derjenigen, die bereits viele erhandlungsrunden hinter sich gebracht haben, wird ndlich sein. Wenn der Iran nicht bereit ist, die Fordeungen der IAEO zu erfüllen, dann wird man irgendann gar nicht umhinkommen, über den Gang zum Si herheitsrat ernsthaft nachzudenken. Das Stichwort, das in diesen Zusammenhang wingend gehört, ist schon heute Morgen in der Regieungserklärung gefallen. Wir haben die antiisraelischen ußerungen des iranischen Ministerpräsidenten hmadinedschad mit aller Entschiedenheit zurückgeiesen. Niemand hat das Recht, das Existenzrecht sraels infrage zu stellen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ch habe zu diesem gesamten Vorgang kürzlich in einer
nderen öffentlichen Rede gesagt: Ich bedauere es sehr
genauer gesagt: es ist fast eine Tragödie –, dass der

ran sein großes Potenzial, ein Stabilitätsanker in einer
risengeschüttelten Region des Mittleren Ostens zu sein,
ntweder nicht erkennt oder sogar bewusst verspielt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So ist es!)


Der zweite Punkt, der unsere besondere Aufmerksam-
eit erfordert – wem sage ich das! –, ist die Lösung der
uropäischen Finanzfragen. Wir hoffen und setzen da-
auf, dass von der britischen Ratspräsidentschaft in der
ächsten Woche Vorschläge vorgelegt werden. Aus mei-
er Sicht und aus der vieler europäischer Kollegen, mit
enen zu sprechen ich in den letzten Tagen Gelegenheit
atte, ist eine Einigung auf dem bevorstehenden Gipfel-
reffen unabdingbar, jedenfalls dann, wenn wir sicher-
tellen wollen, dass die neuen Mitgliedstaaten der EU






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
nicht nur eine formale Mitgliedschaft erworben haben,
sondern auch die Möglichkeit erhalten, tatsächlich in die
Europäische Union hineinzuwachsen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Gerade die neuen Mitgliedstaaten brauchen einen Fi-
nanzrahmen, damit Mittel aus der Strukturpolitik fließen
können. Ohne eine Verständigung über die finanzielle
Vorausschau hängt das große Erweiterungsprojekt von
2004 – das liegt auf der Hand – zumindest mit einem
Bein in der Luft. Wir kennen die britischen Vorschläge
noch nicht. Sie werden, wie ich eben angedeutet habe,
auf jeden Fall kommen. Aber ich habe die Ernsthaftig-
keit aller an diesem Prozess Beteiligten festgestellt, das
Projekt der finanziellen Vorausschau noch vor Weih-
nachten zu einem guten Ende zu bringen. Die Bedingun-
gen dafür sind für uns klar: Der von der Luxemburger
Präsidentschaft vorgeschlagene Ausgaberahmen darf
und kann jedenfalls aus unserer Sicht nicht überschritten
werden.

Ein abschließender Satz zum Geiseldrama, aber viel-
leicht aus einer etwas anderen Perspektive. Natürlich
sehe ich – das habe ich gegenüber der Öffentlichkeit
zum Ausdruck gebracht – das Schicksal der deutschen
Geisel und ihres Fahrers im Irak mit großer Sorge. Sie
wissen, dass alle unsere Anstrengungen darauf gerichtet
sind, das Leben der Geiseln zu schützen und die Freilas-
sung zu erreichen. In diesem Zusammenhang bestand
gestern bei den Gesprächen in den USA die Möglichkeit,
den amerikanischen Partner zu bitten, mit regionalem
Wissen und Kenntnis der Personalstrukturen behilflich
zu sein. Das ist zugesagt worden. Die Deutsche Bot-
schaft, das BKA und das Auswärtige Amt mit seinem
Krisenstab sind im Augenblick intensiv bei der Arbeit.

Ich habe das Thema vor allen Dingen aber angespro-
chen, um einen anderen Aspekt zu betonen. Ich glaube,
dass sich gerade in Momenten wie diesen zeigt, wie
wichtig es ist, dass unser Land auf Menschen bauen
kann, die im Ausland – oft unter schweren Bedingungen –
ihren Dienst versehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich glaube – Frau Merkel, ich habe es nicht endgültig
nachprüfen können –, wir haben mit unserer Koalitions-
vereinbarung insofern eine Premiere geschafft, als diese
Koalitionsvereinbarung zum ersten Mal allen dankt, die
im Ausland für Deutschland unterwegs sind: den Diplo-
maten und den Soldaten sowieso, aber auch denjenigen,
die als Entwicklungshelfer, Polizisten, Mitarbeiter von
Nichtregierungsorganisationen oder politischen Stiftun-
gen im Ausland unterwegs sind.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir tragen für alle diese Personengruppen eine beson-
dere Verantwortung. Diese Personen müssen wissen,
dass sie sich stets auf unser Verständnis, unsere Unter-
stützung und unsere Wertschätzung verlassen können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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(C (D (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das war eine Jungfernrede!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600402700

Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der FDP-Fraktion,

r. Wolfgang Gerhardt.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1600402800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ver-

rete hier eine Fraktion, der die Konsensbildung in der
ußenpolitik, seit die Bundesrepublik Deutschland be-

teht, sehr wohl bewusst ist. Wir sind eigentlich die ein-
ige Fraktion, die zu den Kernfragen der deutschen
ußenpolitik gestanden hat, während sich manche Frak-

ionen zuerst mit der Westpolitik aussöhnen mussten und
ndere wiederum mit der Ostpolitik. Wir haben eine
ontinuitätslinie, die unbestritten ist. Deshalb wissen
ir auch, Herr Minister Steinmeier, wie wertvoll es ist,
ass man in der Außenpolitik möglichst Konsens sucht,
n den großen Linien gemeinsam verfährt und die De-
atte darauf beschränkt, wo eine unterschiedliche Be-
ertung vorliegt.

Das transatlantische Bündnis war uns auch zu Zeiten
ekannt, als die frühere Regierung im Begriff war, dieses
ür nicht mehr so bedeutungsvoll zu halten. Dass wir in
uropa mit den kleinen und mittleren Staaten kommuni-
ieren müssen, haben Sie zu Recht dargestellt. Dass dies
ernachlässigt wurde, haben wir als Manko der früheren
egierung empfunden. Das muss man uns eigentlich
icht vortragen. Dass die Europäische Union größer ge-
orden ist, hätte auch schon die alte Regierung dazu

wingen müssen, mit mehr Staaten zu kommunizieren.
s ist ja genau das, was der frühere Bundeskanzler ei-
entlich nicht gemacht hat und Sie jetzt in der Reisedi-
lomatie nachholen.


(Beifall bei der FDP)


Ich will angesichts der klaren Grundlinien und der
edeutung der deutsch-französischen Freundschaft

eststellen, dass diese Zusammenarbeit für uns wichtig
st und dass auch mit unserer Regierungsbeteiligung
eine andere Reise stattgefunden hätte als zuerst die
ach Paris, dann nach Brüssel und anschließend nach
ondon. Ich begrüße es auch außerordentlich, Frau Bun-
eskanzlerin, dass Sie dann nach Warschau fahren. Das
st alles unbestritten. Aber im Kern muss man ja überle-
en, was am Ende herauskommen soll, um europäische
nliegen weiter zu bewegen. Die beiden großen Konti-
entalstaaten Deutschland und Frankreich, die einst der
otor der Europäischen Union waren, sind das nicht
ehr. Sie haben Beschäftigungsprobleme, sie haben
udgetprobleme. Sie haben nicht die Wirtschaftskraft,
ie die Eurozone eigentlich nach oben bringen könnte.
ie schwächeln eher. Sie sind kein dynamisches Tandem
ehr. Wenn sie wieder eine Führungsfunktion ausüben
ollen, dann müssen sie zuallererst genau das erledigen,
as zu erledigen wäre – nach unserer Auffassung wurde
as in der Regierungserklärung nicht ausreichend be-






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Gerhardt
schrieben –: die Haushalte konsolidieren, für wirtschaft-
liches Wachstum sorgen, Beschäftigungsimpulse geben.


(Beifall bei der FDP)


Ich wiederhole: Diese Aufgabe muss zuallererst erfüllt
werden. Daran fehlt es.

Ein Zweites muss geschehen – in den letzten Jahren
ist dieser Versuch etwas missglückt –: Wenn sie beide
wieder ein Stück weit Führung in Europa wahrnehmen
wollen, müssen sie sich eines gewissen Kommandotons
gegenüber anderen eher enthalten. Sie müssen alle als
gleichberechtigte Mitglieder der Europäischen Union
ansehen; sie dürfen keine Unterschiede machen. Die
deutsche Bundesregierung darf nie mehr in die missver-
ständliche Lage geraten, dass sie vor dem Hintergrund
einer strategischen Partnerschaft mit Russland in vie-
len Gesprächen in Moskau Sachverhalte behandelt, die
anderen Ländern, die zwischen Russland und Deutsch-
land liegen, so nicht gefallen.


(Beifall bei der FDP)


Auch diese Länder sind unsere Partner, deren Interessen
wir klar sehen müssen.

Es ist schon bemerkenswert – ich bin wohl kaum fal-
schen Wahrnehmungen unterlegen –: Die Anzahl deutsch-
russischer Treffen, insbesondere unter der vergangenen
Bundesregierung, steht in einem krassen Missverhältnis
der Kontakte zu den Staaten, die zur Europäischen
Union neu hinzugekommen sind. Diese Staaten hatten
schon immer den Eindruck – das muss man wahrnehmen
und spüren –, dass da manches verhandelt wird, was ih-
nen nicht gefallen könnte.

Deshalb bestreiten wir nicht die außergewöhnliche
politische Bedeutung einer strategischen Partnerschaft
mit Russland. Wir bestreiten auch nicht den Wert der
deutsch-französischen Beziehungen. Wir möchten nur,
dass die strategische Partnerschaft mit Russland mehr
beinhaltet, als in diesem Land einen Energielieferanten
zu sehen. Wir möchten vielmehr betonen, dass wir ein
massives Interesse an der Transformation dieses Landes
zu einem stabilen Rechtsstaat und zu einer stabilen De-
mokratie haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das muss zum Dialog gehören.

In diesem Zusammenhang – strategische Partner-
schaft mit diesem großen Land – sollten wir uns auch
darüber klar werden, wie wir die Diktaturen mitten in
Europa behandeln wollen. In einem Dialog mit dem
russischen Präsidenten können wir über Belarus, über
Moldawien und über Transnistrien nicht einfach hinweg-
gehen. Ich bin für diese strategische Partnerschaft und
ich bin für den Interessenabgleich; aber ich bin auch für
die Erörterung der anliegenden Themen. Sonntägliche
Ansprachen können nicht verdecken, dass wir eine stra-
tegische Partnerschaft mit Russland brauchen, dass die-
ses Land groß ist, acht Zeitzonen der Erde umfasst und
ein wichtiger Energielieferant für Deutschland ist. Russ-
land ist für mich aber mehr als ein Energielieferant.

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(C (D ussland kann und muss ein stabiler Partner sein, aber itte einer, der demokratisch ist, bei dem Gerichte und ine unabhängige Justiz zu entscheiden haben und bei em Verlässlichkeit für Investoren in der Welt herrscht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben es im Grunde genommen mit einem Ste-
kenbleiben in Bezug auf das zu tun, was wir in den Ver-
inten Nationen erreichen wollen. Wir haben für unsere
läne Partner gefunden: Brasilien, Indien, Japan. Wir
ollten noch mehr suchen. Aber wir sollten diese Bemü-
ungen nicht mehr so monothematisch wie die frühere
egierung darauf verengen, einen Sitz im Sicherheits-
at anzustreben. Die Bundestagsfraktion der FDP wird
ie, Herr Minister, in jedem Bereich unterstützen, der
uf eine Stärkung der Vereinten Nationen abzielt. Unsere
raktion bekennt sich zum Multilateralismus. Wir wol-

en eine enge Bindung an das Völkerrecht. Wir neigen
icht zu unilateralen Aktionen, wie Sie alle wissen.

Aber wir wollen der neuen Regierung schon sagen:
eschreiten Sie nicht mehr den alten, verengten Weg, ei-
en Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat anzustreben!
reten Sie ein für eine Reform der Vereinten Nationen,
ür eine stärkere Durchsetzungsfähigkeit bei Menschen-
echten, bei präventiven Konfliktlösungen und bei all
em, was dazugehört! Suchen Sie sich dafür auf interna-
ionaler Ebene Verbündete und halten Sie nicht nur Aus-
chau nach einer Lobby, die Sie in der Forderung unter-
tützt, dass Deutschland einen Sitz im Sicherheitsrat
rhält! Jetzt besteht die Chance, die Politik gegenüber
nd in den Vereinten Nationen ein Stück weit neu auszu-
ichten.


(Beifall bei der FDP)


In Bezug auf die Iranfrage haben Sie das massive In-
eresse an einer Verhandlungslösung zu Recht bekundet.

ir stimmen Ihnen zu, auch was die strategische Bedeu-
ung, die Sie diesem Land zugeschrieben haben, angeht.

Das Land könnte ein Stabilitätspfeiler in dieser Re-
ion vom Kaspischen Meer bis zum Mittelmeer sein, die
is heute mit Katastrophen schwanger geht. Es hat eine
lühende Kultur. Es ist reich an Traditionen und Ge-
chichte. Für Iran muss nur eines klar sein – darauf kön-
en wir nicht verzichten –: Iran hat jedes Recht auf ein
riedliches Nuklearprogramm, aber die Öffentlichkeit
uss davon überzeugt sein, dass es friedlich ist; hier be-

teht völlige Übereinstimmung. Davon weichen wir
icht ab. Das muss der Staatsführung dort, der Bevölke-
ung, der gesamten Gesellschaft klar sein. Wir wollen,
ass das Land eine Rolle spielt. Aber wir wollen auch,
ass es sich so verhält, dass seine Nachbarn keine Angst
or ihm haben müssen. Das ist ein Mindesterfordernis
es internationalen Umgangs gerade in einer Region, die
isher so wenig an Kooperation zustande bringt.

So schön das Gruppenbild zum Jubiläumsjahr des
arcelona-Prozesses war – Herr Minister, Sie wissen
ie ich: Eine größere Teilnahme aus den arabischen
taaten, genau aus den Staaten, für die wir den Barce-

ona-Prozess doch eigentlich organisiert haben, wäre
ünschenswert gewesen. Die Tatsache, dass die






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Gerhardt
wichtigsten Staatschefs, die man dabei haben müsste,
aus unterschiedlichen Gründen abgesagt haben, kann
hier nicht einfach so stillschweigend übergangen wer-
den. Der Barcelona-Prozess – er wird weitergeführt wer-
den müssen – ist von uns eigentlich eingeleitet worden,
um einem Teil der arabisch-muslimischen Welt plus Is-
rael – dort ist man zum ersten Mal in Kommunikation
mit den Nachbarn in einem breiten Gürtel um sich
herum – zu signalisieren, dass wir ein massives Interesse
an einem Transformationsprozess haben, dass wir ihn
stützen wollen, auch finanziell, dass wir uns anstrengen
wollen, damit er zustande kommt. Aber diese großartige
Kultur der arabischen Welt produziert für uns bis heute
noch nicht einmal ein Minimum an Kooperation. Der
wirtschaftliche Austausch in dieser Kette nordafrikani-
scher Länder wird eher behindert als begünstigt.

Ich spreche das hier deshalb an, weil man natürlich
auch sagen könnte: Wir begrüßen, dass der Barcelona-
Prozess nun zehn Jahre besteht und damit ein Jubiläum
begeht, und hoffen auf eine gute Fortsetzung. Aber dann
muss man schon tiefer eindringen, um zu sagen, wo es
bisher hapert, wie wir die Probleme überwinden wollen
und was jetzt zu tun ist. Wir müssen der arabischen Welt
sagen, dass wir ihr nicht helfen können, wenn sie nicht
ein Minimum an Kooperationsfähigkeit untereinander
zustande bringt. Die gesamten Modelle, die wir für den
Greater Middle East bisher diskutiert haben, sind nicht
in einem Punkt aufgrund eigener Kommunikationsfähig-
keit dort zustande gekommen. Ich sage das deshalb, weil
dort das Wetter des Wohlstands gemacht wird, weil wir
die Konflikte dieser Region in den deutschen Innenstäd-
ten haben, wenn wir sie nicht im Vorgriff mit der arabi-
schen Welt lösen. Da kann von uns auch ein Stück An-
spruch an die arabische Welt formuliert werden, selbst
nach Konfliktlösungsmechanismen zu suchen, vor allem
im Barcelona-Prozess.


(Beifall bei der FDP)


Damit wir uns nicht so sehr auf Europa konzentrieren,
will ich noch eine Bemerkung zu Asien machen, im Üb-
rigen auch mit dem Hinweis darauf, dass ein Stück Kor-
rektur deutscher Asienpolitik ganz hilfreich wäre. In
Asien konkurrieren eigentlich alle Nationen in einem
Wettbewerb ihrer Volkswirtschaften mit jeweiligen In-
vestitionen dort. Das reicht nicht aus. Es finden die euro-
päisch-asiatischen Treffen statt, aber es gibt dahinter
keine kommunikativen Strukturen, die in Asien selbst
neben China auch die Länder in den Blick nehmen, für
die das ebenfalls notwendig ist.

Indien wird meines Erachtens in der deutschen Au-
ßenpolitik viel zu wenig erwähnt, obwohl es eine ge-
wachsene Demokratie ist, eine junge, energische, tat-
kräftige Bevölkerung hat. Wir sprechen kaum über
mittelgroße asiatische Länder, die keine Einparteienherr-
schaft haben, die sich stärker auf demokratische Struktu-
ren hin entwickeln, wie wir sie eigentlich gern hätten.
Wir konzentrieren uns auf China, ohne das Thema Men-
schenrechte außerhalb internationaler Workshops ernst-
haft mit China zu besprechen.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Detlef Dzembritzki [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


m Grunde genommen besteht schon die Notwendigkeit,
m Dialog, den wir mit China führen, auch solche Sach-
erhalte zu besprechen. Ich erwähne das deshalb, weil
olitik nicht nur etwas mit dem Managen des Status quo
nd großen Kräftekonstellationen zu tun hat. Politik hat
m Ursprung auch etwas damit zu tun, Transformations-
rozesse einzuleiten, sie zu begleiten und Veränderun-
en herbeizuführen. Das geht nicht immer ohne Reibun-
en und auch nicht ohne unangenehme Begegnungen.
ber wir müssen sie angehen, gerade weil, Herr Minis-

er, sich auf Deutschland neben fast überhöhten Erwar-
ungen an uns auch die Hoffnungen vieler konzentrieren,
ass wir Menschenrechte vertreten und denen helfen, die
icht wie wir in Freiheit leben können. Dies muss Wert-
aßstab auch in der deutschen Außenpolitik bleiben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600402900

Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Dr. Andreas

chockenhoff von der CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1600403000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verur-
eilt die Entführung von Frau Osthoff und ihrem Fahrer
m Irak aufs Schärfste. Ihnen gilt unsere besondere
orge. Wir hoffen und wünschen, dass beide möglichst
chnell wohlbehalten freikommen. Wir sind überzeugt,
ass die Bundesregierung dafür alles ihr Mögliche tun
ird. Aber wir sagen auch mit aller Entschiedenheit: Bei

llen nur denkbaren Bemühungen um die Befreiung der
eiseln dürfen und werden politische Bedingungen nicht

rfüllt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


eutschland muss auch weiterhin den Aufbau des Irak
nterstützen; denn diese Aufbauunterstützung ist ein un-
erzichtbarer Beitrag im Kampf gegen den Terror im
rak und zum Gelingen der Demokratisierung nicht nur
m Irak, sondern zugleich zu einer Stabilisierung im ge-
amten arabischen Raum.

Meine Damen und Herren, die Koalitionsvereinba-
ung spricht zu Recht von Kontinuität in der deutschen
ußenpolitik. Es ist die Kontinuität, die über eine sehr

ange Zeit durch die Grundlagen deutscher Außenpolitik
estimmt wurde. Das heißt, europäische Einigung und
tlantische Partnerschaft sind keine Gegensätze, sondern
ie beiden wichtigsten Pfeiler unserer Außenpolitik.
enn es darüber in der letzten Zeit Irritationen bei unse-

en Partnern gegeben hat, dann wird durch die in der Ko-
litionsvereinbarung festgeschriebenen wichtigen Ak-
entverschiebungen Folgendes klargestellt:

Erstens. Die Europäische Union ist Garant für politi-
che Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in Deutschland






(A) )



(B) )


Dr. Andreas Schockenhoff
und Europa. Aus diesem Grund werden wir alles Mögli-
che tun, um die derzeitige Krise in der Europäischen
Union zu überwinden. Die Menschen müssen wieder
das Gefühl bekommen, dass die EU die dringenden Auf-
gaben wie Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Terrorbe-
kämpfung und Umweltschutz zu lösen in der Lage ist,
und sie müssen wieder eine Antwort auf die Frage erhal-
ten, wohin sich die EU weiterentwickeln soll und wo
ihre Grenzen liegen. Für die Lösung dieser Krise der EU
und für ihre Weiterentwicklung bleibt der deutsch-fran-
zösische Motor unverzichtbar. Aber er wird dann am
wirksamsten sein, wenn wir unsere Partnerstaaten wie-
der frühzeitig einbeziehen und ihren Interessen gerecht
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Wenn bei unseren Partnern in der Vergangenheit ein
Gefühl der Bevormundung entstanden sein sollte, dann
ist die Botschaft der neuen Regierung unter Angela
Merkel klar – deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass
der Außenminister eine seiner ersten Reisen in die Nie-
derlande unternommen hat –: Wir werden auch mit den
mittleren und kleinen EU-Partnerländern wieder eng zu-
sammenarbeiten und, wenn es möglich ist, gemeinsame
Initiativen entwickeln.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Außenminister, es war auch ein richtiges Signal,
dass Sie anschließend in Italien waren.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)


Zweitens. Ebenso unverzichtbar ist ein enges und ver-
trauensvolles transatlantisches Verhältnis. Nur ge-
meinsam können wir den neuen Sicherheitsbedrohungen
wirksam begegnen und unsere Ziele in der Außen-, Han-
dels- und Umweltpolitik erreichen. Natürlich wird es
schon wie in der Vergangenheit unterschiedliche Auffas-
sungen geben. Ich nenne nur die Stichworte Guanta-
namo oder Strafgerichtshof. Aber sie werden im partner-
schaftlichen Dialog und im Geiste der Freundschaft
geregelt werden. Denn ein transatlantisches Zerwürfnis
können wir uns nicht leisten.

Wir können es uns schon deshalb nicht leisten, weil
das Gewicht der Wertepartner Europa und Amerika, ins-
besondere was die wirtschaftliche Leistung betrifft, im
Verhältnis zu den emporstrebenden Staaten und Regio-
nen der Welt immer kleiner wird. Deshalb ist es gut, dass
in der Koalitionsvereinbarung klar zum Ausdruck ge-
bracht wird: Europa versteht sich nicht als Gegenge-
wicht, sondern als Partner der Vereinigten Staaten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Viele Aufgaben liegen hier vor uns, ob in den Han-
delsbeziehungen, in unserem Beitrag zur Lösung des
Nahostkonflikts und zur Demokratisierung der Länder
des größeren Mittleren Ostens oder in der Klimapolitik.
Ein weiteres Beispiel ist das Stichwort Asienstrategie
– Herr Gerhardt, Sie haben es gerade angesprochen –,
das ebenfalls in unserer Koalitionsvereinbarung enthal-
ten ist.

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(C (D Wir Europäer müssen die Herausforderungen Asiens owohl politisch als auch wirtschaftlich annehmen. Die olitische Stabilität Asiens ist für uns Europäer von berragendem Interesse. Konflikte wie die Taiwanfrage, aritime Territorialstreitigkeiten oder die Spannungen uf der koreanischen Halbinsel sind keine Angelegeneiten, die wir anderen überlassen können. Sie betreffen ns unmittelbar und nicht nur unsere Handelsbeziehunen. Nicht zuletzt das Verhalten Chinas gegenüber den ntwicklungen im Sudan oder im Iran hat deutlich geacht, dass dort europäische Sicherheitsinteressen unittelbar berührt sind. Wenn wir uns selber darüber im laren sind, wie wir die Herausforderungen Asiens anehmen werden, dann werden wir auch im transatlantichen Dialog über diese Fragen mithalten können. Der Koalitionsvertrag stellt drittens wieder klar, dass ie NATO der stärkste Anker unser Sicherheitsund erteidigungspolitik ist und dass sie wieder zum zentra en Ort des transatlantischen sicherheitspolitischen Diaogs werden muss. Aber ebenso klar muss sein, dass dies ür beide Seiten gilt. Europa muss wieder geschlossener erden, es muss seine militärischen Fähigkeiten verbes ern und die USA dürfen die NATO nicht als Toolbox issbrauchen. Viertens. Wir wollen unser Verhältnis zu Russland zu iner echten strategischen Partnerschaft weiterentickeln. Wir brauchen – das ist schon erwähnt worden – ussland als Partner zur Bewältigung der globalen He ausforderungen und zur Regelung von Krisen und Konlikten. Ich nenne auch hier das Stichwort Iran. Strategische Partnerschaft heißt für uns aber mehr. Ich abe bereits gesagt, dass das Gewicht der Wertepartner uropa und Amerika im Vergleich zu den emporstrebenen Staaten der Welt abnimmt und dass wir uns einen ransatlantischen Dissens nicht leisten können. Im Geenteil: Wir müssen versuchen, unser Gewicht und unseen Einfluss durch die Kooperation mit anderen Werteartnern zu stärken. Russland ist ein solcher potenzieller Wertepartner. Es at sich den Werten des Europarats verpflichtet. Deshalb ollen wir in der Zusammenarbeit mit Russland alles un, um die demokratische und wirtschaftliche Entwickung und die Entstehung einer Zivilgesellschaft zu untertützen. Aber es gibt auch Probleme hinsichtlich der Deokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Wenn sich unsere usammenarbeit mit Russland an den europäischen erten orientieren soll, müssen wir diese Probleme im eist der Partnerschaft ansprechen. Wir müssen zum Beispiel darauf hinweisen, dass das on der Duma in erster Lesung beschlossene Gesetz zur ätigkeit von russischen Nichtregierungsorganisatioen und ausländischen Stiftungen im deutlichen Widerpruch zu der von Präsident Putin angekündigten Stärung der Zivilgesellschaft steht. Wenn dieses Gesetz in raft treten sollte, wird es die Arbeit und die Existenz ieler russischer NGOs erheblich erschweren. Das aber äre ein Rückschritt, der nicht in unserem gemeinsamen nteresse liegen kann. Dr. Andreas Schockenhoff (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)





(A) )


(B) )


Ein zweites Beispiel. Die Tschetschenin Sainap
Gaschajewa ist vor wenigen Tagen mit dem Lew-
Kopelew-Preis ausgezeichnet worden. Der WDR-Inten-
dant Fritz Pleitgen hat in seiner Laudatio gesagt:

Frau Gaschajewa trotzt Kriegsgefahren und staatli-
chen Einschüchterungen, um die Welt auf die Lei-
den der Menschen in ihrer Heimat Tschetschenien
aufmerksam zu machen.

Ich finde, der Mut von Frau Gaschajewa und vieler
anderer Frauen und Männer in Russland verpflichtet uns,
die Probleme in Tschetschenien offen anzusprechen und
immer wieder im Dialog mit Russland auf eine politi-
sche Lösung des Tschetschenienkonflikts zu drängen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Ein drittes Beispiel: So richtig das Pipelineprojekt
durch die Ostsee ist, so wichtig ist es, Projekte von so
gravierender außen- und sicherheitspolitischer Bedeu-
tung nicht über die Köpfe unserer ostmitteleuropäischen
Nachbarn hinweg zu betreiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Das hat die neue Regierung ausdrücklich zugesagt und
das ist gerade für die Vertrauensbildung im deutsch-pol-
nischen Verhältnis wichtig.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Ein wichtiger Schwerpunkt der deutschen Außenpoli-
tik bleiben die Bemühungen der Länder des größeren
Mittleren Ostens um Demokratisierung und Moderni-
sierung. Diesen Prozess wollen wir auch weiterhin un-
terstützen. Dabei bleibt entscheidend, wie glaubwürdig
wir uns für die Lösung des Nahostkonfliktes einsetzen.
Gerade wegen der schwierigen Situation in Palästina und
in Israel und auch als Zeichen gegen den Terror, wie er
kürzlich Amman auf schreckliche Weise getroffen hat,
müssen sich Amerikaner und Europäer verstärkt für die
Fortsetzung des Friedensprozesses engagieren. Wir
werden zwischen unserer Welt und der islamischen Welt
keinen Frieden finden, wenn dieser Konflikt nicht fair,
gerecht und dauerhaft geregelt wird. Dazu müssen alle
Staaten der Region beitragen, auch der Iran. Wer wie
der iranische Präsident Ahmadinedschad dazu auffor-
dert, Israel auszuradieren, verstärkt den Verdacht, sein
Atomprogramm diene einem anderen als dem vorgeblich
friedlichen Zweck.

Ich sage für die CDU/CSU: Der Iran hat das Recht
auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie. Er hat aber
kein Recht auf Nuklearwaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Die CDU/CSU begrüßt deshalb ausdrücklich, dass die
Bundesregierung in dieser Frage die bisherige Linie wei-
terverfolgen wird.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden unsere ußenpolitischen Interessen umso wirksamer durchseten, je geschlossener wir sie mit unseren europäischen artnern abstimmen und in gemeinsamen Initiativen umetzen. Deshalb ist es unser Kerninteresse, die Krise der U möglichst bald zu überwinden. Wir brauchen in uropa endlich eine breite öffentliche Diskussion über ie Zukunft der EU, also über die Frage: Was soll die uropäische Union in der globalisierten Welt leisten und as soll oder kann sie nicht leisten? Diese Diskussion hat noch nicht begonnen. Diese iskussion zu führen ist nicht nur eine Aufgabe der Eu opäischen Kommission, des Europäischen Parlaments, er europäischen Regierungen oder der Medien. Es ist nsbesondere auch eine Aufgabe des Bundestages, die ir hier im Plenum, aber auch in öffentlichen Anhörunen der zuständigen Ausschüsse möglichst bald in Anriff nehmen sollten. Ich möchte fünf Punkte nennen, wie wir den Begriff er Aufnahmefähigkeit der EU verstehen, der in der oalitionsvereinbarung besonders hervorgehoben wird: Aufnahmefähigkeit bedeutet für uns – erstens – kzeptanz in der EU-Bevölkerung. Die Menschen üssen wieder das Gefühl bekommen, dass die EU, ehe ie sich durch eine Erweiterung zusätzliche Lasten aufürdet, fähig ist, die dringenden Probleme zu lösen, das eißt, Arbeitsplätze zu schaffen, deutlich mehr wirtchaftliche Stabilität und Modernität zur Bewältigung er Globalisierung zu entwickeln, Terrorismus und interationale Kriminalität erfolgreicher zu bekämpfen sowie ie Umweltprobleme und die Energieprobleme zu beältigen. Was wir mit der Lissabon-Strategie beschlossen haen, ist nach wie vor richtig: flexible Arbeitsmärkte, die eitere Öffnung des Binnenmarktes, die stärkere Förde ung von Forschung und eine stete Verbesserung der beuflichen Qualifikation. Die Europäische Union und ihre itgliedstaaten müssen dies nur endlich umsetzen. Wir erden dies mit vielen Maßnahmen tun, die wir in der oalitionsvereinbarung beschlossen haben. Herr Westerwelle, dies sind nicht nur Trippelschritte. ies sind viele, kleine, wichtige Maßnahmen. Ich bin uversichtlich, dass wir Erfolg haben werden. Zur Frage der Akzeptanz der Europäischen Union bei en Bürgern gehört auch Klarheit über die Grenzen der uropäischen Union. Wir können nicht darüber hinegsehen, dass der Türkeibeschluss die seit der letzten U-Erweiterung wachsende Sorge vor Unüberschaubareit und Grenzenlosigkeit der EU verstärkt hat. Zur Aufnahmefähigkeit gehört – zweitens – die Frage er Identität. In einer immer größer werdenden Euroäischen Union ist es notwendig, das europäische Wirefühl zu stärken. Deshalb müssen wir uns sehr behut am mit der Frage auseinander setzen, welches Maß an nderssein und gesellschaftlichen Unterschieden in der uropäischen Union verkraftbar ist, um der Forderung es vierten Kopenhagener Kriteriums zu entsprechen, ede Erweiterung solle – so wörtlich – „den Zusammenalt der Union stärken“. Dr. Andreas Schockenhoff Drittens gehört Regierbarkeit dazu, also die Fähigkeit, in einer noch größeren Gemeinschaft die notwendigen Entscheidungen sachgerecht und zügig zu treffen. Zu diesem Punkt gehört natürlich auch die Frage, wie glaubwürdig wir mit unseren eigenen Kernbeschlüssen umgehen, die die Grundlage für ein erfolgreiches Handeln der Europäischen Union in einer immer komplexeren Welt sind, beispielsweise die Frage, wie konsequent wir den europäischen Stabilitätsund Wachstumspakt einhalten. Auch deshalb ist die klare Selbstverpflichtung in der Koalitionsvereinbarung wichtig, die Stabilitätskriterien ab 2007 wieder einzuhalten. Ich nenne viertens die Finanzierbarkeit. Es ist nicht nur wichtig, fristgerecht zu einem Finanzrahmen für die Periode 2007 bis 2013 zu kommen. Noch wichtiger ist es, dass dieser Haushalt einerseits zukunftsgerichtet, also auf die zunehmenden Herausforderungen der Globalisierung ausgerichtet, ist, andererseits aber auch die Solidarität mit den schwächeren Mitgliedstaaten widerspiegelt. Schließlich nenne ich fünftens die außenpolitische Stabilität. Wenn die EU eine „Schicksalsund Verantwortungsgemeinschaft“ sein will, dann müssen Erweiterungen so vorgenommen werden, dass die Europäische Union ein Stabilitätsanker bleibt. Wenn die EU durch eine Vollmitgliedschaft der Türkei direkter Nachbar des Iran, Syriens und des Irak wird, wirft das gravierende Fragen hinsichtlich der inneren und äußeren Sicherheit der Europäischen Union auf, die zuvor klar und einvernehmlich beantwortet werden müssen. Um diese Fragen geht es bei dem in der Koalitionsvereinbarung genannten Stichwort „Aufnahmefähigkeit“. Wir verstehen darunter keine Strategie zur Abwehr neuer Mitglieder, sondern eine Strategie für mehr Akzeptanz der Europäischen Union bei den Bürgern, für mehr Handlungsfähigkeit, für mehr globale Konkurrenzfähigkeit und damit erst für die Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union. Herr Außenminister Steinmeier, in diesem Sinne wird die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung kraftvoll unterstützen. Herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt die Kollegin Monika Knoche von der Linken. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Sehr geehrter Herr Außenminister Steinmeier, ich darf Ihnen versichern, der Linken wäre es eine Freude, Sie bei der Umsetzung einer engagierten emanzipatorischen Außenpolitik unterstützen zu können. Sie kündigen Kontinuität der rot-grünen Politik an. Gerade das ist ein Grund, warum wir Ihnen den Zuspruch versagen müssen. Sie setzen die Interessenwahrnehmung Deutschlands mit ökonomischem Nutzen gleich. Für die Lösung der Ge r d A U m W k d F n g e f w d w Z l n R K E M s D D k g d F S d G d D l w m t (C (D echtigkeitsfragen der Welt mittels der Außenpolitik ist ie militärische Option der falsche Weg. Das ist nicht die rt von Verantwortung, die wir uns vorstellen. m es klar zu sagen: Wir sind nicht gegen Militarisus, weil wir in der Opposition sind. Wir lehnen diesen eg ab, weil er mehr Probleme schafft als löst. Wir haben nicht angenommen, dass Sie sich in Selbst ritik üben ob der ungeordneten Situation 15 Jahre nach em Ende des Kalten Krieges und der euphorischen ehlprognosen bezüglich der neuen Friedensära. Wir ehmen nicht an, dass Sie Jahre nach dem Angriffskrieg egen Ex-Jugoslawien die Fehleinschätzung von Dayton ingestehen. Was wir erwarten, ist, dass Sie die selbstgeällige Rede von dem weltweiten Ansehen Deutschlands egen der Kriegsbeteiligung beenden; enn Krieg ist kein legitimes Mittel der Politik, auch enn er stattfindet. Selbst wenn Sie beispielsweise mit apfenstreich und Wehrpflicht die Alltäglichkeit des Mi itärischen suggerieren wollen, lassen wir Ihnen dies icht durchgehen. Nicht von Krieg, von Terrorbekämpfung ist jetzt die ede. Doch die Einsätze bleiben völkerrechtswidrig. rieg um Öl, egal wer ihn wo führt, ist keine Normalität. s sind wirtschaftliche Interessen im Spiel und nicht die enschenrechte. Klarheit und Wahrheit gehen im Zuge der Kriegsein ätze genauso verloren wie Aufklärung, Legalität und emokratie. Das Bundesverwaltungsgericht stellte klar: ie geleistete logistische Unterstützung für den Irakrieg ist ihrerseits ein Völkerrechtsbruch. Gefangene werden vom CIA aus Afghanistan in ille ale Gefängnisse gebracht. Guantanamo ist ein Ernstfall er Menschenrechtsfrage, und zwar schon seit Joschka ischers Amtszeiten. (Beifall bei der LINKEN – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bundestag hat deutlich dazu Stellung genommen!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600403100
Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1600403200

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


chwarz, Rot und Grün tragen Mitschuld durch Dul-
ung. Es stehen Vorwürfe im Raum, dass in geheimen
efängnissen in Europa gefoltert wird.
Herr Minister Steinmeier meint: Mal abwarten, was

ie USA der EU erzählen. – Das nun genügt nicht.

(Beifall bei der LINKEN)


as war ein armseliger Auftritt bei Frau Rice. Wir wol-
en wissen, was die Bundesregierung weiß, und sagen,
as sie wissen und, vor allem, nach geltendem Recht tun
üsste. Wo, bitte, ist die Souveränität, wo die Äquidis-

anz zu den USA?

(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Monika Knoche
Was ist der Anteil, fragen wir, deutscher Truppen in Af-
ghanistan am Aufbringen und Verbringen von Gefange-
nen? Im Raum steht die Möglichkeit, dass Deutschland
selbst sich Verbrechen schuldig macht. Es herrscht Auf-
klärungs- und Handlungsbedarf. Hier hat der prokla-
mierte Völkerrechts- und Menschenrechtsvorrang zu
greifen.

Wegen des fortgesetzten Völkerrechtsbruchs in Af-
ghanistan haben die Menschen Angst vor Terror-
anschlägen, zahlen mit dem Verlust von Bürgerrechten
und Einschnitten in den Datenschutz. Dieser Krieg ge-
gen den Terror ist mit steigenden Rüstungsausgaben und
der Androhung des Einsatzes der Bundeswehr im Innern
verbunden. Sie deklarieren Rüstungsausgaben zu Inves-
titionen um; die sozialen Investitionen bezeichnen Sie
als Lasten. Wer hat sich die Sicherheitspolitik so vorge-
stellt?


(Beifall bei der LINKEN)


Im Übrigen hat der Bundestag nie definiert, was Ter-
ror ist. Ich meine, erstens ist Terror als Tötung Unbetei-
ligter zur Erreichung politischer Ziele zu beschreiben
und zu ächten, zweitens ist zwischen Befreiungsbewe-
gungen und ethnisch-rassistischer Unterdrückung und
Willkür zu unterscheiden und drittens ist Krieg gegen
Drogen vom Krieg gegen Terror zu trennen und sich an
keinem von beiden zu beteiligen.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Herren und Damen, zum deutschen Sitz im
UN-Sicherheitsrat. Hier sollte die Bundesregierung
dem Rat aus den eigenen Reihen folgen und das An-
spruchsniveau realistisch ausgestalten, statt rot-grüner
Selbstüberschätzung nachzueifern. Was wir unterstützen
würden, ist ein Votum für eine Weiterentwicklung des
Völkerrechts und der UNO. Im Ergebnis brächte das un-
seren Vorstellungen nach dem vergessenen Kontinent
Afrika eine eigene und eine eigenständige Stimme. Die-
ser Teil der Welt darf nicht erst dann ins Blickfeld rü-
cken, wenn der Migrationsdruck vor den verschlossenen
Toren Europas dazu zwingt.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Westen fällt, neben den USA, mein Blick auf
Lateinamerika, das ein Recht darauf hat, eine Gleich-
stellung mit den Vetostaaten zu erlangen. Die Entwick-
lungen zum Beispiel in Venezuela halte ich für äußerst
beeindruckend und interessant.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: In welcher Hinsicht denn?)


Im Nahen Osten macht die Drohkulisse gegen den Iran
besorgt. Wir lehnen atomare Energie und erst recht ato-
mare Bewaffnung ab. Aber dennoch kann dem Iran die
legitime Atomnutzung nicht abgesprochen werden.


(Markus Löning [FDP]: Auch von Waffen?)


Was wir brauchen, ist eine konsequente Initiative für ei-
nen atomwaffenfreien Raum im Nahen und Mittleren
Osten.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Bei der Regierungsposition könnte man meinen, die elt ende in China, den USA und Russland. Letztge anntes Land endet zwar am Ural, aber wie weit Europa eichen soll, darauf bleibt die Regierung die Antwort chuldig. Was Europa heute und morgen ist, diese Frage st nicht dadurch beantwortet, dass man nichts zur Türei sagt. Gleichbehandlung für alle Beitrittsländer, bitte! ier muss ein ideengeschichtliches, ein geographisches owie ein politisch-kulturelles Bild entworfen werden. Ihrem Willen nach soll weiterhin eine europäische erfassung das ganze Gebilde ergänzen. Die Zeit dafür st meines Erachtens vorbei. Was bleibt Ihnen? olkestein. Das bedeutet nichts weiter als Privatisierung nd Deregulierung sowie Entdemokratisierung. Würden Sie die Bevölkerung befragen, bin ich mir siher, sie würde sagen: Wir wollen ein soziales und friediches Europa. Aber Sie wollen das Volk nicht fragen. Zu iner europäischen Idee gehören der Sozialstaat, eine animilitaristische Zukunft und der ökologische Erhalt. eil Sie das infrage stellen, sind die Menschen europakeptisch. Die Bevölkerung fürchtet nicht den Islam der andere Religionen. Sie fürchtet auch nicht die perönlichen Herausforderungen, die eine echte ökologiche Wende mit sich brächte. Deutschland, Europa und ie Welt brauchen eine sozialökologische Idee und eine artizipative Entwicklung. Das ist die Friedensdividende er Zukunft. Ich danke Ihnen. Das Wort hat der Kollege Jürgen Trittin vom Bünd is 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, iebe Frau Knoche, angesichts des Schicksals von Frau sthoff bedarf es eigentlich keiner umfassenden Defini ion, was Terrorismus ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600403300
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1600403400

as, was da betrieben wird, ist nichts anderes, als sich
usgerechnet an Menschen schadlos zu halten, die sich
n besonderer Weise dafür eingesetzt haben, die Lebens-
erhältnisse der Menschen im Irak zu verbessern. Die-
es Vorgehen zeigt: Es zielt gerade nicht nur auf den Ein-
elnen, nicht nur auf die Erpressung dieser Gesellschaft,
ondern es zielt auch gerade darauf, jeden Ansatz der
erbesserung der Lebenssituation der Menschen im Irak
nzugreifen. Das ist der Grund, warum wir nachdrück-
ich gegen diese Form des Terrorismus sind und warum
ir nachdrücklich sagen: Wir wollen die Lage der Men-

chen im Irak verbessern und dazu gehören selbstver-
tändlich vernünftige Beziehungen zur gewählten Regie-
ung im Irak.






(A) )



(B) )


Jürgen Trittin

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es zeigt auch, dass es bei diesen Terroristen nicht um
die Frage geht, wie sich die eine oder andere Regierung
im Falle des Irakkonfliktes verhalten hat, sondern ihr
Verhalten zielt ganz genau auf die offene Gesellschaft,
auf Gesellschaften, in denen unterschiedliche Lebens-
weisen miteinander existieren können. Das ist die He-
rausforderung, der wir uns zu stellen haben.

Wir waren 2002 nicht gegen eine Beteiligung an die-
sem Krieg, weil wir geglaubt haben, dadurch könnten
wir unsere Bürgerinnen und Bürger vor solchen terroris-
tischen Anschlägen besser oder vollständig bewahren.
Es wäre naiv, das zu glauben. Wir waren vielmehr dage-
gen, weil wir der Auffassung waren und sind, dass diese
Form des Vorgehens diese Region weiter destabilisiert
hat


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


und diese Destabilisierung die terroristische Gefahr nicht
vermindert, sondern erhöht hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich sage das in aller Ruhe. Dies ist heute faktisch
Konsens in Deutschland. Wenn Sie sich die Koalitions-
vereinbarung anschauen, dann sehen Sie, dass genau
diese Haltung von Joschka Fischer und Gerhard
Schröder auch von der jetzigen Koalition geteilt wird.

Aber in einem Punkt will ich auch – und das geht in
die andere Richtung – zustimmen: Wenn wir uns mit der
realen Situation von heute auseinander setzen wollen,
dann müssen wir festhalten, dass die Überwindung der
globalen Herausforderungen des Terrorismus, einer an-
haltenden Armut und Unterentwicklung, bestimmter
Krankheiten und des Klimawandels nur auf globaler
Ebene zu erreichen ist.

Deswegen war es richtig, lieber Frank-Walter
Steinmeier, dass Sie den Weg in die USA gemacht ha-
ben. Denn diese Herausforderungen werden sich nur mit
den USA und mit den Amerikanern bewältigen lassen.
Das sage ich als jemand, der nach einer sieben Jahre
dauernden Auseinandersetzung um den Klimawandel
bestimmte Fortschritte ohne die Amerikaner erreicht hat.
Aber ich sage Ihnen auch: Wenn Sie das Problem voll-
ständig lösen wollen, dann geht das immer nur mit der
einzig verbliebenen Großmacht auf diesem Globus.

Das gilt aber auch umgekehrt: Diese Macht allein
wird die Herausforderungen von Armut, Unterentwick-
lung, Terrorismus und Klimawandel nicht im Alleingang
bewältigen können. Auch sie wird das nicht ausschließ-
lich im Rahmen bilateraler Vereinbarungen leisten kön-
nen. Das heißt für die deutsche Außenpolitik: Wir tun
gut daran, den multilateralen Ansatz unserer Außen-
politik zu stärken.

Dazu gehört eine Reform der multilateralen Institutio-
nen, also der Vereinten Nationen. Es ist richtig, ihre Fä-

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(C (D igkeit zur Prävention und zur vorbeugenden Krisenverinderung zu stärken. Das ist der Kern einer Reform der ereinten Nationen. Zu dieser Reform gehört auch nicht ausschließlich, aber auch – die Reform des Or ans, in dem solche Entscheidungen getroffen werden: es Sicherheitsrates. Dazu gehört auch, dass jene chwellenländer dort künftig einen größeren Einfluss aben, die bisher von dem Entscheidungsprozess ausgechlossen sind. Und dazu gehört, dass wir und übrigens uch Japan den Erwartungen gerecht werden, die an dieer Stelle von außen an uns herangetragen werden. Das st der Kern dieser Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn ich sage, dass wir diese Herausforderungen be-
ältigen müssen, dann ist das an bestimmte Vorausset-

ungen geknüpft. Die erste Voraussetzung ist: Diese He-
ausforderungen sind nur auf der Basis der Herrschaft
es Rechts und der Achtung der Menschenrechte zu be-
ältigen. Glaubwürdigkeit ist die wichtigste Waffe im
ampf gegen Unterentwicklung und Terrorismus.
eheime Gefängnisse oder folterähnliche Verhör-
ethoden als „innovativ“ schönzureden ist damit unver-

inbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich finde es richtig und begrüßenswert, dass Frau
ice Ihnen, Herr Steinmeier, gesagt hat, sie wolle zeit-
ah und umfassend für Aufklärung sorgen. Aber ich will
uch einmal sagen, was ich unter „zeitnah“ verstehe: Ich
rwarte, dass dies im Rahmen ihres Besuchs in Europa
n der nächsten Woche geschieht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


An dieser Stelle will ich noch eine Bemerkung ma-
hen – denn gerade in Richtung der Grünen wird gele-
entlich so getan, als seien sie für die Menschenrechte
uständig, dass aber die richtige Außenpolitik eigentlich
ie harte Handels- und Außenwirtschaftspolitik sei –:
enschenrechtspolitik ist ein Wert an sich und darf

icht zurückstehen. Für diejenigen, die vornehmlich in
konomischen Kategorien denken, will ich allerdings
inzufügen: Langfristige Stabilität, auch in ökonomi-
cher Hinsicht, werden Sie nur erreichen, wenn Sie auch
angfristig in Regionen tätig sind, in denen Menschen-
echte und Gerechtigkeit gewahrt sind. Die Achtung der

enschenrechte ist also auch ein ökonomischer Faktor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die zweite Voraussetzung für die Bewältigung dieser
robleme ist: Wir müssen die Globalisierung gerecht ge-
talten. Das heißt, wir brauchen ökologische und soziale
eitplanken. Hier wird diese Regierung in der nächsten
oche in Hongkong eine große Verantwortung haben.
err Glos – er ist federführend –, die Kollegin
ieczorek-Zeul und Herr Seehofer werden die Verant-
ortung haben, ein multilaterales Handelsregime im
inne einer Entwicklungsrunde ein Stück voranzubrin-
en.






(A) )



(B) )


Jürgen Trittin
Wir wissen, Europa hat Vorleistungen gebracht beim
Umbau der Agrarpolitik – einer Agrarpolitik, für die die
Kollegin Künast von Ihrer Seite oft kritisiert worden ist.
Aber damit ist es nicht genug. Wir werden uns in der
Frage der Exportsubventionen bewegen müssen – übri-
gens nicht nur wir: auch jene Staaten, die ihre Export-
subventionen elegant als „Nahrungsmittelhilfe“ dekla-
rieren bzw. verstecken –, wenn wir Entwicklungsländern
wirklich eine Chance geben wollen, zu handeln, anstatt
behandelt und mit Entwicklungshilfe abgespeist zu wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Frau Merkel, seien Sie gewiss: Zur gerechten Glo-
balisierung gehört es auch, dass Sie die Zusagen, die Sie
heute hier und im Koalitionsvertrag hinsichtlich einer
Anhebung der Entwicklungshilfe gemacht haben, tat-
sächlich einhalten. Sie können gewiss sein, dass wir sehr
genau darauf schauen werden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Die globale Entwicklung wird nicht vorankommen
ohne eine Verbesserung der Umweltstandards. Auch
hier wird, ähnlich wie bei den Menschenrechten, oft ein-
gewendet: Öko ist etwas für jene, die es wirtschaftlich
geschafft haben. Aber wenn Sie verfolgen, was momen-
tan über China und den Fluss bei Harbin berichtet wird,
bekommen Sie einen Eindruck davon, was der chinesi-
sche Umweltminister meinte, als er sagte: Bis zu
8 Prozent unseres Bruttosozialprodukts werden durch
die enormen Umweltschäden, mit denen wir es zu tun
haben, aufgezehrt. Eine die natürlichen Ressourcen zer-
störende Wirtschaftsweise wird mehr und mehr zu einer
Wachstumsbremse. Deswegen wird es keine Überwin-
dung der Armut geben, wenn wir nicht Strategien dafür
entwickeln, wie wir weg vom Öl kommen, wie wir sau-
berer produzieren, wie wir rohstoffeffizienter produzie-
ren. Dies ist etwas, bei dem die Bundesrepublik
Deutschland tatsächlich etwas anzubieten hat zur Ver-
besserung der Lage der Menschen in der Welt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Wort zur Außenwirtschaftspolitik: Wir haben na-
türlich die Verantwortung, sicherzustellen, dass es im
Iran nicht zu einer Schließung des Brennstoffkreislaufs
kommt. Aber das geht nicht mit den Mitteln, die Tony
Blair uns gestern zu erklären versuchte, als er sagte, das
Geheimnis der Überwindung der Energieprobleme die-
ses Kontinents liege in der Nutzung der Atomenergie. –
Das kommt mir sehr bekannt vor; so 30, 40 Jahre ist das
her. Gerade am Beispiel Iran können wir sehen, dass die-
ser Weg mit erheblichen Risiken, mit erheblichen Pro-
blemen und mit erheblichen Anstrengungen verbunden
ist. Das kann nicht der Weg sein, Armut und Klimawan-
del auf diesem Globus entgegenzuwirken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Multilaterale Fortschritte, so unsere Erfahrung, hat es tets nur dann gegeben – in Fragen des Welthandels geauso wie bei Konventionen gegen Kleinwaffen, beim nternationalen Strafgerichtshof und bei der Bekämpung des Klimawandels –, wenn Europa in den Verhandungen geeint und handlungsfähig aufgetreten ist. Nicht ur weil ich Bürger dieses Europas bin, sondern auch egen der enormen außenpolitischen Bedeutung dieses uropas finde ich den Umstand, dass dieses Europa in ine schwere Krise geraten ist, und zwar nicht, wie Sie einen, durch die Erweiterung, sondern parallel zu dem rweiterungsprozess, so besorgniserregend. Wir können ns mit dieser Krise nicht einfach abfinden. Lieber Herr ußenminister, wenn im Koalitionsvertrag steht, dies olle man im Rahmen mit der deutschen Präsidentschaft ngehen, dann ist das zwar ehrenvoll, kommt aber ein isschen zu spät. Dieses Europa – in Wirklichkeit die inzig praktizierte Antwort auf die Globalisierung und ie Liberalisierung der Märkte – zu stärken und aus der rise herauszuführen, duldet keinen Aufschub bis zum eginn der deutschen Präsidentschaft. Damit muss jetzt egonnen werden. Ich will versuchen, das an einem Beispiel deutlich zu achen. Die Menschen empfinden dieses Europa, das lso eine Antwort sein soll – ein demokratischeres und in rößerem Umfange bürgernahes Europa, wie es im Verassungsvertragsentwurf beschrieben worden ist, war ein chritt in diese Richtung –, häufig als etwas, was nur en Logiken des Marktes gehorcht. Darauf müssen wir ingehen. Man muss eine Balance herstellen. Wenn man ür mehr Freiheit im Bereich der Dienstleistungen ist, ann muss auch die Konsequenz gezogen werden und ie Menschen müssen hinsichtlich ihrer Arbeitsund Leensbedingungen ein Minimum an Absicherung erhalen. Das heißt, Dienstleistungsfreiheit und Regelungen ierzu, die es in vielen anderen Ländern Europas gibt, eispielsweise ein entsprechend fixierter Mindestlohn, ehören zusammen. Der soziale Ausbau Europas ist er Weg, die Krise, die ungerechterweise am Verfasungsprozess offenbar geworden ist, zu überwinden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am chluss noch eine Bemerkung machen. In der „Süddeutchen Zeitung“ heißt es zur Außenpolitik der Koalition: Vermutlich gibt es kein anderes Fach der neuen Regierungspolitik, wo das Konfliktpotenzial so offensiv verschwiegen wurde. Lieber Herr Schockenhoff, wenn Ihre Äußerungen ur Türkei neben die von Herrn Steinmeier gestellt weren, dann tut sich in mir ein innerer Bosporus auf. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ch verspreche Ihnen: Eine Widersprüchlichkeit in die-
em Punkt werden wir Ihnen bei allen Bemühungen um
onsens in der Außenpolitik nicht durchgehen lassen.

Vielen Dank.






(A) )



(B) )


Jürgen Trittin

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600403500

Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Heidemarie

Wieczorek-Zeul.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
neue Bundesregierung hat sich in Kontinuität zu ihrer
Vorgängerin deutlich den weiteren Ausbau der Entwick-
lungspolitik auf die Fahnen geschrieben, da dies zur ge-
wachsenen internationalen Rolle Deutschlands und da-
mit zu unserer neuen Verantwortung gehört.

Wir verstehen Entwicklungspolitik heute als Partner-
schaft, als gegenseitige Verantwortlichkeit und als Ver-
antwortung. Partnerschaft bedeutet Zusammenarbeit.
Das gilt für multilaterale Institutionen, für Geberländer
untereinander und bei den Beziehungen zu den Entwick-
lungsländern. Partnerschaft gilt sowohl für die Entwick-
lungspolitik insgesamt. Staaten und internationale Orga-
nisationen kooperieren zunehmend und erfolgreich mit
Nichtregierungsorganisationen, mit Gewerkschaften, mit
Unternehmen, mit der Zivilgesellschaft insgesamt und
mit den Kirchen.

Das gemeinsame und zielgerichtete Engagement vie-
ler Akteure macht Partnerschaften und deren Instru-
mente effektiv, effizient, nachhaltig und erfolgreich.
Diese Eigenschaften brauchen wir, um die großen inter-
nationalen Entwicklungsziele unserer Welt, die Millen-
niumsentwicklungsziele, insbesondere bei der Bekämp-
fung der globalen Armut tatsächlich erreichen zu
können. Nur gemeinsam werden wir auf dem Weg bis
zum Jahr 2015, in dem diese Ziele endgültig erreicht
sein sollen, Erfolge haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft sind deshalb auf-
einander angewiesen und müssen in diese Richtung ar-
beiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir als Bundesregierung nehmen unsere Verantwor-
tung wahr. Bundeskanzlerin Merkel hat heute Morgen
klar gemacht, wie diese Verantwortung politisch und
finanziell aussieht. Um die globale Armut zu bekämp-
fen, haben wir den Zuwachs unserer Mittel für die öf-
fentliche Entwicklungszusammenarbeit festgeschrieben
und im Rahmen eines Stufenplans der Europäischen
Union vereinbart. Im nächsten Jahr, im Jahr 2006, wer-
den wir 0,33 Prozent des Bruttonationalprodukts für die
Entwicklungszusammenarbeit erreichen und wir werden
die Stufen, die die Bundeskanzlerin heute Morgen ge-
nannt hat, erreichen und umsetzen. Dazu tragen die
Erhöhung der Haushaltsmittel, die Entschuldung der
Entwicklungsländer und auch innovative Finanzierungs-
instrumente bei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D An dieser Stelle sage ich: Ich würde gerne auch eine useinandersetzung mit den Teilen der Fraktionen füh en – heute ist nicht der richtige Rahmen dafür –, die imer noch nicht der Meinung sind, dass wir eine Verände ung des Denkens brauchen, was zum Beispiel den taatsaufbau in diesen Ländern, die Instrumente zur Verinderung von Völkermord oder auch die präventive tationierung von Soldaten angeht. Sie können nicht taatliche Strukturen neu schaffen, ohne auch den Siherheitssektor in solchen Ländern entsprechend aufzuauen. Sie können die Menschen in Sierra Leone nicht or dem Massakrieren durch Rebellen schützen, wenn ie nicht bereit sind, dort entsprechende militärische ittel zur Verfügung zu stellen. Ich finde, das sollte eutlich werden, damit das Gegeneinander in diesen Fraen endlich einmal aufhört. Eine Diskussion darüber ist otwendigerweise zu führen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nur gemeinsam und in einer fairen Partnerschaft mit
en Entwicklungsländern werden wir Aids bekämpfen
nd besiegen, die Wende weg vom Öl und hin zu erneu-
rbaren Energien sowie einer effizienten Energienutzung
chaffen und unsere natürlichen Lebensgrundlagen er-
alten; Jürgen Trittin hat es angesprochen. Nur dann
erden wir die Korruption erfolgreich bekämpfen und
en Auf- und Ausbau von Good Governance vorantrei-
en können.

Partnerschaft heißt auch, den Partnerländern zu hel-
en, den Weg aus der Abhängigkeit von der Hilfe der
eber zu finden, fest auf eigenen Füßen zu stehen und
ie Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu berücksich-
igen.

An dieser Stelle möchte ich beispielhaft auf eine Situa-
ion aufmerksam machen, die wir mit anderen Partnern
estalten müssen, wenn die nächsten großen Konflikte
icht vorprogrammiert sein sollen: Manche großen Staa-
en, unter anderem China, betrachten Afrika rein unter
em Gesichtspunkt der Ressourcen- bzw. der Ölsiche-
ung. Sie vernachlässigen dabei andere Aspekte, wie die
örderung verantwortlicher Regierungsführung und die
ekämpfung von Korruption, oder konterkarieren sie so-
ar.

Die afrikanischen Staaten haben die Ölförderung in
en letzten zehn Jahren um 36 Prozent gesteigert. Mit
ieser Wachstumsrate liegen sie weit über dem Durch-
chnitt der traditionellen Ölförderländer. Öl führt zum
rößten Investitionsschub in der Geschichte des Konti-
ents. In den kommenden zehn Jahren werden über
0 Milliarden US-Dollar nach Afrika fließen. Deshalb
üssen die betreffenden Staaten und die internationale
emeinschaft dafür Sorge tragen, dass die Investitionen
en Menschen nützen und ihnen Perspektiven sowie Ar-
eitsmöglichkeiten geben und dass die gewonnenen Mit-
el nicht für Ökonomien genutzt werden, die nur der

achtsicherung von wenigen, der Eliten oder der ent-
prechenden Regierungen, dienen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
Wir alle sind in der Verantwortung: die afrikanischen
Regierungen, die investierenden Unternehmen und auch
die Regierungen der Industrieländer.

Unsere Politik wird deutlich machen: Afrika ist mehr
als ein Rohstoff- oder Öllieferant. Es ist unser Nachbar-
kontinent, an dessen Zukunft wir um der Menschen wil-
len ein echtes Interesse haben. Menschenrechte und
wirtschaftlicher Erfolg gehören zusammen. Die Men-
schen in Afrika – zumal die jungen Leute – haben ein
Recht darauf, dass der Nutzen des Öls den Menschen
Afrikas zugute kommt und für ihre Zukunft investiert
wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Damit Afrika profitiert, unterstützen wir die „Publish
What You Pay“-Initiative. Dabei geht es darum, dass in-
vestierende Unternehmen ihre Zahlungen an Entwick-
lungsländer offen legen sollen. Damit Afrika profitiert,
unterstützen wir Initiativen, deren Ziel die transparente
Offenlegung der Rohstoffexporteinnahmen der betroffe-
nen Entwicklungsländer ist. Damit Afrika profitiert, un-
terstützen wir verantwortliche Regierungsführung,
starke staatliche Institutionen, die imstande sind, diesen
Prozess zu steuern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Partnerschaft heißt aber auch, dass wir in unserer Po-
litik die Belange und Bedürfnisse unserer Partnerländer
ernst nehmen. Das gilt zumal – da bin ich meinen Vor-
rednern dankbar – für die Handels- und Agrarpolitik.
Hier finden entscheidende Weichenstellungen statt, in
denen wir uns klar positionieren. Wenige Tage vor der in
Hongkong beginnenden Welthandelskonferenz, die ei-
gentlich die so genannte Doha-Entwicklungsrunde ab-
schließen sollte, appelliere ich deshalb – ich glaube, das
kann ich für alle Kolleginnen und Kollegen in diesem
Hause sagen – an die Industrieländer, endlich substan-
zielle Ergebnisse bei der Öffnung der Märkte für die
Produkte der Entwicklungsländer zuzusagen


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und tatsächlich einen nahen Zeitpunkt für den Abbau
von Agrarexportsubventionen festzulegen. Das ist eine
der wichtigsten Perspektiven.

Uns ist klar, dass dabei differenzierte Marktöffnungs-
mechanismen für Entwicklungs- und Schwellenländer
notwendig sind. Aber es ist auch klar: Durch Handelsli-
beralisierung könnten die Entwicklungsländer einen Ein-
kommenszuwachs von rund 350 Milliarden US-Dollar
erreichen. Das ist vier- bis fünfmal so viel wie für Offi-
cial Development Assistance, die offizielle Entwick-
lungszusammenarbeit, zur Verfügung gestellt wird. Wir
sehen also: Wenn wir zu gerechteren Strukturen beitra-
gen, leisten wir auch einen Beitrag zu einer gerechteren
Welthandelsordnung, zur Bekämpfung von Armut und
zum Abbau von Abhängigkeiten.


(Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP])


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(C (D Ich komme zum Schluss. Entwicklungspolitik meint artnerschaft. Sie ist eine Gemeinschaftsaufgabe für uns lle, für Industrieund Entwicklungsländer, die wir in erantwortung für die Gegenwart, aber gerade auch für ie Zukunft wahrnehmen sollten. Sie ist eine Angelegeneit der Partnerschaft zwischen Menschen, auch der olleginnen und Kollegen in unserem Hause. In diesem Sinne bitte ich Sie um Unterstützung für iese wichtige Zukunftsaufgabe, von der so viele Menchenleben in der Welt abhängig sind. Wenn wir gemeinam tätig werden, können wir dazu beitragen, diese Ziele u erreichen. Ich bedanke mich sehr herzlich. Das Wort hat jetzt der Kollege Markus Löning von er FDP-Fraktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe olleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einer emerkung zum Thema Polen beginnen. Frau Bundesanzlerin, bei dem, was Sie heute Morgen in Ihrer Rede um Thema Umgang mit Vertreibung angesprochen haen, können Sie mit der Unterstützung der Freien Demoraten rechnen. ntscheidend war, dass Sie gesagt haben: Wir müssen it diesem Thema in einer Art und Weise umgehen, die rücken baut, ohne zu spalten. Diesen Aspekt des Zu ammenwachsens sollten wir im Umgang mit unseren stlichen Nachbarn betonen. Wenn Sie in dieser Richung arbeiten und auf diesem Weg schreiten, haben Sie uf jeden Fall unsere Unterstützung. Wir wünschen Ihen für Ihre Reise nach Warschau, die Sie morgen antreen, auf jeden Fall alles Gute! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600403600

(Beifall bei der FDP)

Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1600403700

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Es ist unsere Aufgabe, mit unseren östlichen Nach-
arn das zu erreichen, was wir mit unseren westlichen
achbarn nach langer Zeit erreicht haben. Wir als Politik
üssen Vorgaben machen. Aber zusammenwachsen
üssen die Gesellschaften und die Zivilgesellschaften.
as hat im Westen lange gedauert, aber wenn ich an un-

er Verhältnis zu den Holländern, den Belgiern, den Lu-
emburgern, den Franzosen und den anderen Nachbarn
enke, ist dies am Ende erfolgreich gewesen. Dieser
ufgabe müssen wir uns auch Richtung Osten stellen.
ie Politik der bisherigen Bundesregierung war auf die-

em Gebiet leider nicht sehr hilfreich.

Sie werden bei den Freien Demokraten auch dann
nterstützung finden, wenn Sie das Thema einer euro-
äischen Verfassung vorwärts treiben wollen. Ich
laube, wir sind als Deutsche dabei auch in der Pflicht.
ir haben im Bundestag die Verfassung mit einer brei-






(A) )



(B) )


Markus Löning
ten Mehrheit verabschiedet. Wir stehen zu dieser Verfas-
sung, weil sie zu mehr Transparenz führt, Demokratie
und Mitwirkungsrechte der Bürger stärkt und eine grö-
ßere Beteiligung dieses Parlaments mit sich bringt.

Ich hoffe, dass die Bundesregierung an dieser Stelle
initiativ wird, und zwar nicht erst während der deutschen
Ratspräsidentschaft, und dass man merkt: Es gibt ein
Land, das sich zu dieser Verfassung bekennt. Wir beken-
nen uns zu dieser Verfassung und wollen sie vorantrei-
ben. Wir lassen uns die Europäische Union von den
Skeptikern und denjenigen, die versuchen, quer zu schie-
ßen – diese gibt es überall –, nicht kaputtmachen. Es ist
wichtig, dass wir auch an dieser Stelle ein politisches
Zeichen setzen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU])


Sie haben von einem fairen und gleichberechtigten
Umgang mit den europäischen Partnern auf gleicher Au-
genhöhe gesprochen. In diesem Zusammenhang möchte
ich ein Thema aufgreifen, das ich im Widerspruch zu
diesem eigentlich richtigen Anspruch sehe. Sie haben
von einem unfairen Steuerwettbewerb gesprochen, den
Sie abschaffen wollen. Das verstehe ich nicht. Ich finde
es nicht in Ordnung, wenn wir als reiches Land versu-
chen, kleinen Ländern, die uns gegenüber in vielerlei
Hinsicht – in der Infrastruktur, dem Bildungssystem und
beim Entwicklungsstand der Wirtschaft – benachteiligt
sind und den Wettbewerbsvorteil uns gegenüber nutzen,
indem sie sich durch ihr schlankes Staatswesen in der
Lage sehen, ein transparentes und einfaches Steuersys-
tem mit niedrigen Steuersätzen zu schaffen, und die über
diesen Mechanismus sehr erfolgreich Investitionen an-
ziehen und ihre Wirtschaft entwickeln, diesen Wettbe-
werbsvorteil zu nehmen. Ich fordere Sie auf, dies nicht
zu tun, sondern auch hier einen fairen Umgang gerade
mit den kleineren Partnern in der EU zu gewährleisten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Wieczorek-Zeul hat kurz das Thema WTO ange-
sprochen und dabei an die Industrieländer appelliert.
Warum, Frau Wieczorek-Zeul, formulieren Sie solche
Appelle? Sie sind doch Mitglied dieser Bundesregie-
rung. Statt zu appellieren sollten Sie insbesondere mit
unseren französischen Freunden reden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Weisen Sie unsere französischen Freunde darauf hin,
dass es nicht angeht, dass der protektionistischste Staat
von allen uns bei der WTO die Tour vermasselt! Es geht
nicht an, dass ein Land bremst und 24 andere Länder
darunter zu leiden haben. Wir sind als Deutsche durch
den Handel wohlhabend geworden. Wir haben immer
von einem freien Welthandel profitiert. Der freie Welt-
handel bildet, wie Sie richtig festgestellt haben, ein gro-
ßes Potenzial. Ich würde mir mehr an politischer Initia-
tive als einen Appell an die Industrieländer wünschen.
Frau Wieczorek-Zeul, werden Sie an dieser Stelle tätig!

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Christian Ruck von er CDU/CSU-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! oalitionen ändern sich. Die Entwicklungspolitik aber teht mit ihrem Kernanliegen in der jahrzehntelangen ontinuität bei der Bekämpfung von Armut, Unterenticklung und Umweltzerstörung und dem Versuch, für lle Länder und Menschen auf dieser Welt Perspektiven u schaffen. Die CDU/CSU und die SPD haben zur Erreichung ieses Kernanliegens und zur Bewältigung neuer Heausforderungen im Koalitionsvertrag auch neue strateische Akzente gesetzt. Denn trotz aller Erfolge der letzen Jahre und Jahrzehnte verschärfen sich die ntwicklungsprobleme vielerorts. Sie gefährden Frieden nd Wohlstand auch in Deutschland und Europa. Die atio der Entwicklungspolitik entspringt daher nicht nur nserer christlich-ethischen Verantwortung gegenüber en Menschen und der Schöpfung, sondern sie ist auch icherheitspolitik in unserem eigenen Interesse. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1600403800

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1600403900

(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wollen daher neue Initiativen ergreifen, um ge-
einsam mit unseren Partnern in Europa zum Beispiel

em steigenden Migrationsdruck vor allem aus Nord-
frika durch entwicklungspolitische Maßnahmen zu be-
egnen. Zur Erhaltung der biologischen Vielfalt für
ommende Generationen wollen wir neue Akzente set-
en, um die Entwicklungsländer bei der Bewahrung der
atürlichen Lebensgrundlagen und ihrer nachhaltigen
utzung zu unterstützen. Auch die nachhaltige Energie-
utzung und der Klimaschutz sind strategisch wichtige
nliegen, die wir im Koalitionsvertrag explizit niederge-

chrieben haben.

Bei der Erreichung der Millenniumsziele ist unsere
entrale Erkenntnis, dass nachhaltige Entwicklung nur
ort stattfindet, wo gute Regierungsführung die
rundlage für die Entfaltung der Kreativität der Men-

chen legt. Die deutsche Entwicklungspolitik hat dies
chon vor 15 Jahren erkannt und mit der Verabschiedung
er fünf Kriterien zu guter Regierungsführung eine
rendwende eingeleitet. Neuere Untersuchungen, zum
eispiel der Bertelsmann Transformation Index, zeigen,
ass insbesondere in der pragmatischen Programmie-
ung unserer Zusammenarbeit im Hinblick auf gute Re-
ierungsführung noch Handlungsbedarf besteht. Wir
ollen daher die Stärkung der guten Regierungsführung
nd der Selbsthilfekräfte zu dem zentralen Bestim-
ungselement unserer künftigen Entwicklungszusam-
enarbeit machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck
Das heißt, Art und Umfang unserer Zusammenarbeit
müssen in einem klaren Zusammenhang mit der Regie-
rungsführung der Partner stehen. Wir haben daher ver-
einbart, dass den Partnern nur bei guter Regierungsfüh-
rung ein hohes Maß an Selbstbestimmung über die
Mittel eingeräumt wird und dass Budgethilfe oder ähnli-
che Instrumente nur bei guter Regierungsführung zum
Einsatz kommen. Außerdem soll sichergestellt werden,
dass Entschuldungsmaßnahmen konsequent auf die Mil-
lenniumsziele ausgerichtet werden und deren Wirksam-
keit effizient kontrolliert wird.

Für nachhaltige Entwicklung ist gute Regierungsfüh-
rung eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Vo-
raussetzung. Deshalb haben wir des Weiteren vereinbart,
uns dafür einzusetzen, dass die Umgestaltung der Welt-
handelsordnung stärker unter dem Gesichtspunkt der Ar-
mutsminderung erfolgt. Hier ist es sehr wichtig, genau
hinzuschauen, mit welchen Zielvorgaben und Instrumen-
ten welche Wirkungen erzielt werden. Natürlich gibt
eine weitere Liberalisierung durch die Handelsrunde
auch vielen Entwicklungsländern einen neuen Schub.
Aber ein solcher Schub ist erstens nicht für alle Entwick-
lungsländer und zweitens nicht für alle Bevölkerungs-
schichten in Entwicklungs- oder Schwellenländern, wie
beispielsweise in Brasilien oder China, zu erreichen. Ich
glaube, hier müssen wir uns noch erheblich anstrengen.
Ich habe sehr viel Verständnis beispielsweise für die
Haltung der indischen Regierung, die bei einer weiteren
Liberalisierung Angst hat, was mit den 600 Millionen
subsistenzwirtschaftenden Bauern auf dem Subkontinent
geschieht. Ich glaube, dass die Formel „Liberalisierung
ist gleich Entwicklung für breite Bevölkerungsschich-
ten“ zu kurz greift und dass wir uns hier stärker mit ar-
mutmindernden Effekten der WTO beschäftigen müs-
sen. Das ist uns allen ein großes Anliegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Entwicklungen im Kongo, im Sudan oder in Af-
ghanistan haben uns allerdings gezeigt, dass wir uns
nicht nur auf gute Regierungsführung konzentrieren dür-
fen, wenn wir dazu beitragen wollen, Frieden und Wohl-
stand bei uns und in Europa zu sichern. Wir wollen daher
neue Konzeptionen für die Zusammenarbeit mit Ländern
mit schlechter Regierungsführung erarbeiten, um den
Grundstein für eine friedliche Transformation solcher
Länder zu legen. In diesem Zusammenhang haben wir in
unserem Koalitionsvertrag die wachsende Bedeutung
der Zusammenarbeit nicht nur mit den Kirchen und der
Wirtschaft, sondern vor allem auch mit den politischen
Stiftungen betont.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)


Im Übrigen habe ich mich sehr gefreut und bin dank-
bar dafür, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel heute
die klaren Worte, die in unserem Koalitionsvertrag über
den Stufenplan zum Aufwuchs der Entwicklungsmittel
stehen, wiederholt hat. Seine Umsetzung erfordert eine
gewaltige Kraftanstrengung. Wenn wir uns das aber fest
vornehmen, dann werden wir es umsetzen können.

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(C (D Unsere Steuerzahler und unsere Partner in den Enticklungsländern haben aber auch Anspruch darauf, ass wir die vorhandenen Mittel in der Entwicklungszuammenarbeit planvoll und mit größtmöglicher Effizienz insetzen. Daher ist für uns die größere Wirksamkeit der eingeetzten Mittel ein zentrales Anliegen. Wir wollen dies urch eine klare nationale und internationale Arbeitsteiung, eine verbesserte Abstimmung mit anderen Gebern nd die Verbesserung der Kohärenz erreichen. Die am nfang dieses Jahres in Paris international vereinbarte genda zur Steigerung von Effizienz und Wirksamkeit er Entwicklungszusammenarbeit wird für uns dafür die rundlage bilden. Notwendig sind dazu auch die effi ientere Gestaltung der bilateralen und multilateralen rganisationsstrukturen und eine engere Verzahnung un erer Außen-, Sicherheits-, Entwicklungsund Wirtchaftspolitik. Internationale Politik Deutschlands aus inem Guss ist mehr denn je ein Gebot der Stunde. Die ntwicklungspolitik hängt ohne die Rückendeckung der ußenpolitik in der Luft und umgekehrt kann die Auenpolitik ihre Ziele langfristig ohne Entwicklungspoliik nicht erreichen. Internationale Arbeitsteilung bedeutet Subsidiarität, omparative Vorteile nutzen und bestmögliche Koordiierung, um Steuergelder effizient einzusetzen. Wir wolen daher Initiativen ergreifen, um die Strukturen der nternationalen Entwicklungsorganisationen zu änern. Dazu gehören eine Straffung des UN-Systems geade in diesem Bereich, in dem sich bisher mehr als 0 Organi-sationen um wenig Geld raufen, und eine ringende Reform der EU-Entwicklungspolitik, die wir uch in unserem Koalitionsvertrag explizit niedergelegt aben. In diesem Kontext wollen wir das Verhältnis des eutschen Engagements für bilaterale und multilaterale ntwicklungszusammenarbeit überprüfen. Bei den mul ilateralen Organisationen, mit denen wir auch künftig ng zusammenarbeiten werden, wollen wir unsere Präenz und unseren Einfluss in diesen Organisationen und n deren Aufsichtsgremien ausbauen. Auf Grundlage der internationalen Arbeitsteilung ollen wir uns in der bilateralen Zusammenarbeit tärker konzentrieren und die Zahl der Partnerländer mit em Ziel einer Reduzierung überprüfen. Ausgehend von er zentralen Bedeutung vieler Schwellenländer für beachbarte Entwicklungsländer und Regionen wollen wir trategische Partnerschaften auch zum Nutzen Dritter nstreben. Da gebe ich der Ministerin ausdrücklich echt: Wir müssen Länder wie zum Beispiel China auf hre gewachsene Verantwortung, auf ihre globale Verantortung aufmerksam machen, in Afrika, aber auch anerswo. Das betrifft die Ressourcenbeschaffung, aber uch die Bereiche Energie und Umwelt. Es wird eine roße Aufgabe der nächsten Jahre sein, diese Schwellenänder davon zu überzeugen, dass auch sie Partner und eber sein können und sein müssen – von Ideen, aber uch von Ressourcen zugunsten Dritter. Dr. Christian Ruck Arbeitsteilung bedeutet aber auch, dass wir uns stärker auf Themenfelder beschränken wollen, bei denen wir entweder eine herausragende Expertise haben oder die wir als die Schlüsselsektoren für Entwicklung identifiziert haben. Das sind zum Beispiel gute Regierungsführung mit dem Aufbau von Staat und Demokratie, die Bekämpfung von Aids, die Erhaltung der Schöpfung und die Energiepolitik. Wir werden aber auch über Schlüsselsektoren wie Bildung und Ausbildung oder über die Förderung der Privatwirtschaft in Entwicklungsländern diskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)





(A) )


(B) )


Diese klare Arbeitsteilung muss auch die deutsche
Struktur bei der Umsetzung der Entwicklungszusam-
menarbeit betreffen. Wir werden an einem besseren
Schnittstellenmanagement arbeiten. Wir brauchen eine
klarere Arbeitsteilung auch im eigenen Land.

Mit dieser Agenda werden wir die Wirksamkeit der
deutschen bilateralen und multilateralen Beiträge stei-
gern und das Profil der deutschen Entwicklungspolitik
auf hohem Niveau aufrechterhalten. Erfolgreiche Ent-
wicklungspolitik ist wichtiger denn je. Die Union, liebe
Frau Ministerin, wird in der Tat ein verlässlicher ent-
wicklungspolitischer Partner der Bundesregierung sein.
Auch wir fordern die Oppositionsparteien auf, mit uns
konstruktiv in dem Geist zusammenzuarbeiten, der Ent-
wicklungspolitiker schon immer mehr verbunden als ge-
trennt hat.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600404000

Das Wort hat nun der Abgeordnete Wolfgang

Gehrcke von der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1600404100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Zeit, die die Bundeskanzlerin der Außenpolitik in
ihrer Regierungserklärung eingeräumt hat, war sehr
knapp bemessen. Ich will das gar nicht bemängeln. Viel-
leicht war es zum Vorteil der Außenpolitik, dass sie sich
dazu nicht umfangreicher geäußert hat. Das möchte ich
an zwei Beispielen deutlich machen.

Die Frau Bundeskanzlerin sprach davon – da hat sie
die Zustimmung aller Fraktionen in diesem Hause ein-
schließlich der Fraktion der Linken –, dass es von beson-
derer Bedeutung ist, das Existenzrecht des Staates Israel
in gesicherten Grenzen, in guter Nachbarschaft, also
ohne Furcht vor den Nachbarn, durchzusetzen. Das ist so
weit in Ordnung. Ich glaube, das muss man unterstrei-
chen.

Sie hat aber nicht den Gedanken ausgeführt, dass die
Palästinenser das gleiche Recht


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


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(C (D u beanspruchen haben, zum Ausgleich einen eigenen, ebensfähigen Staat in gesicherten Grenzen in Partnerchaft zu erhalten. (Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Das hat sie gesagt!)


as eine ist nur möglich, wenn man versucht, das andere
benfalls zu bewerkstelligen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen ist es von besonderer Bedeutung, dass man
icht nur das eine kontinuierlich fortführt, sondern auch
ersucht, das andere, nämlich die Interessen der palästi-
ensischen Bürgerinnen und Bürger, deutlich zu machen
nd kraftvoll mit zu vertreten. Wir können Probleme, die
n der deutschen Politik, in unserer Geschichte wurzeln,
icht auf dem Rücken der Palästinenser austragen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Nicht zugehört!)


as hat weder etwas mit Moral noch mit einer perspekti-
ischen Politik zu tun.

In Bezug auf die CIA-Geheimflüge und die Folter-
entren war die Auskunft: Die USA wollen zeitnah ant-
orten. Das hat der Herr Außenminister wiederholt.
ber „zeitnah“ kann man sehr unterschiedlicher Auffas-

ung sein. Ich sage Ihnen: Es müsste doch sehr einfach
ein, eine Antwort zu geben; entweder stimmt es oder es
timmt nicht.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Da hat er Recht!)


iese Antwort müssen sowohl die US-Regierung als
uch die deutsche Regierung heute geben können. Was
st denn das für eine Logik, wenn man sagt, das müsse
echerchiert werden? Zu klären ist doch nur eines: ob der
IA hinter dem Rücken der amerikanischen Regierung

o etwas fabriziert hat. Ich glaube das nicht einmal in
einen schlimmsten Fantasien.


(Zuruf des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])


Auch ich traue dem CIA alles zu, Gregor. – Aber ich
ehe schon einen Zusammenhang zwischen der Politik
ieser Regierung und den Handlungen des CIA. Deswe-
en muss die Frage „Stimmt es oder stimmt es nicht?“
eantwortet werden.

Ich kann auch nicht verstehen, dass die deutsche Bun-
esregierung, die mittlerweile etliche Antiterrorgesetze
erabschiedet hat und die davon ausgeht, dass durch den
insatz von Bundeswehr und Polizei in diesem Lande al-

es zu kontrollieren und zu hinterfragen ist, nicht in der
age ist, einfache Auskünfte darüber zu geben, ob Flug-
euge der USA oder anderer Nationen mit nicht definier-
en Zielen den Luftraum der Bundesrepublik Deutsch-
and genutzt haben oder nicht. Solche Antworten zu
eben wäre einfach. Man müsste sich aber dazu beken-
en, ob man davon gewusst hat und ob man es geduldet
at – ein solches Verhalten wäre strafbar und rechtswid-
ig – oder ob man davon nicht gewusst hat; dann wäre
ie Souveränität dieses Landes in hohem Maße verletzt.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
Das ist eine einfache Logik. Da geht es nicht einmal um
Parteipolitik, sondern nur um Logik. Und ein bisschen
Logik kann man auch der Bundesregierung abverlangen.

In einem stimme ich dem Außenminister, Herrn
Steinmeier, völlig zu: Es gibt bei vier Fraktionen in die-
sem Haus einen Konsens in außenpolitischen Grundfra-
gen – ich bedauere das –; en détail hat es ja immer Diffe-
renzen gegeben. Eine Fraktion schließt sich diesem
Konsens nicht an; das ist meine Fraktion. Dazu stehe ich
auch. Eine Grundlage der Außenpolitik der Bundesre-
gierung war immer – das empfand ich als das Katastro-
phalste –, dass Krieg im 21. Jahrhundert wieder denkbar
und möglich geworden ist.

Dieser Logik haben wir immer eine andere Logik ent-
gegengesetzt, nämlich dass Krieg kein Mittel der Politik
sein kann und darf.


(Beifall bei der LINKEN)


Da liegt ein Graben zwischen uns. Ich habe überhaupt
kein Problem damit, zu sagen, dass über diesen Graben
keine Brücke und nicht einmal ein Steg führt. Das ist
eine klare Differenz, über die keine Verständigung mög-
lich ist. Das sollte man hier dann auch aussprechen. – In-
sofern akzeptiere ich diese Beurteilung.

Der Herr Außenminister hat sehr sachlich davon ge-
sprochen, dass die Verhandlungen mit dem Iran hoffent-
lich ein Ergebnis erbringen, und hat dann gesagt: Wenn
ein solches Ergebnis nicht erzielt wird, besteht die Ge-
fahr, dass die Angelegenheit vor den Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen kommt. – Das beinhaltet die Gefahr
– das sollte man dabei völlig klar sagen –, dass auch im
Falle Iran zu einer kriegerischen Lösung des Konflikts
gegriffen werden kann. Das ist schlichtweg eine Kata-
strophe.


(Beifall bei der LINKEN)


So etwas hier in der Deutlichkeit auszusprechen müsste
eine neue Form der deutschen Außenpolitik werden. Es
geht nicht an, die Leute mit dem harmlosen Satz, das
komme dann vor den Weltsicherheitsrat, über die Bri-
sanz der Lage zu täuschen.

Sie haben sich dazu nicht geäußert, Herr Außenminis-
ter. Sind Sie dafür oder dagegen? Auch hierzu erwarte
ich eine Klarstellung. Eine deutsche Bundesregierung
muss verbindlich und völlig klar sagen: Wir sind gegen
jegliche Form eines kriegerischen Konflikts mit dem
Iran. Das hält die Welt nicht aus.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600404200

Das Wort hat nun die Kollegin Angelica Schwall-

Düren von der SPD-Fraktion.

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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle en! Ich komme noch einmal zur Europäischen Union urück. Die Europäische Union ist Garant für politische Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in Deutschland und Europa. Nur gemeinsam können die Europäer ihre Interessen erfolgreich wahren. as sind die Anfangssätze des Europateils der Koaliionsvereinbarung, die das breite Spektrum der Herausorderungen eröffnen, die mit der Europapolitik verbunen sind. Es geht darum, dass die neue Regierung in ontinuität zur bisherigen Politik die langen Linien wei erverfolgt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1600404300

Europapolitik ist Friedenspolitik nach innen und au-
en. Wir haben heute schon einiges zur europäischen Si-
herheitsstrategie und zur ESVP gehört. Die Steigerung
es gemeinsamen Wohlstands durch die EU für alle Mit-
liedstaaten ist ein wichtiger Pfeiler der Friedenspolitik
ach innen und doch nicht mehr selbstverständlich. Das
rleben wir seit einigen Jahren schmerzlich.

Dass darüber hinaus viele Bürger und Bürgerinnen in
en Stürmen der Globalisierung die EU nicht mehr als
oziale Schutzmacht, sondern eher als trojanisches Pferd
es Neoliberalismus erleben, ist offensichtlich. Zuneh-
ende Skepsis gegenüber den europäischen Institutio-

en macht sich in vielen unserer Gesellschaften breit.

Das ist auch ein Grund für die Krise der EU, eine
rise, die uns motiviert, mit unseren Partnern die offe-
en Fragen anzugehen, die seit der Erweiterung um zehn
taaten im Jahr 2004 noch dringlicher geworden sind
nd auf die wir in den kommenden Jahren antworten
üssen: In welchem Europa wollen wir leben? Wo sind

ie Grenzen der EU? Wie viel politische Integration
rauchen wir? Wie kann eine Gemeinsame Außen- und
icherheitspolitik aussehen? Damit kann diese Krise
uch die Chance sein, das europäische Projekt an den
nforderungen unserer Zeit auszurichten, wie der Koali-

ionsvertrag es ausdrückt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, überall bei mei-
en Gesprächen in Europa höre ich, welch hohe Erwar-
ungen für die Lösung der europäischen Zukunftsfragen
erade an Deutschland gerichtet werden. Diesen Erwar-
ungen müssen wir uns stellen und wir müssen ihnen ge-
echt werden. Wir wollen während der deutschen Rats-
räsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 Impulse geben,
amit das, was wir mit dem Verfassungsprozess verbin-
en, erfolgreich vorangebracht wird.


(Beifall bei der SPD)


ur wenn wir es schaffen, zu einem Europa der Bürger
nd Bürgerinnen zu kommen, können wir der Skepsis
egenüber der EU begegnen und die Menschen für ein
olidarisches Europa begeistern. Deshalb muss auch der
undestag noch mehr als in der Vergangenheit der Ort
uropapolitischer Debatten sein.






(A) )



(B) )


Dr. Angelica Schwall-Düren

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir als Parlament wollen die uns zustehenden Rechte
voll nutzen. So können wir uns schon im Entstehungs-
prozess von europäischer Gesetzgebung beteiligen und
unsere Interessen einbringen. Über die Debatten im Bun-
destag sollen die Bürger und Bürgerinnen erfahren, wel-
che Veränderungen wir gemeinsam in Europa beginnen
und welchen konkreten Nutzen die Menschen von diesen
Maßnahmen haben.

Diese Koalition wird europapolitische Debatten aber
auch außerhalb des Parlaments und von Regierungskon-
ferenzen führen. Es kommt darauf an, den Dialog mit
Nichtregierungsorganisationen, in Bürgerforen, Verei-
nen, Schulen und Hochschulen zu führen. Es gilt, ge-
meinsam mit den Bürgern eine europäische Vision zu
entwickeln, die wieder Begeisterung weckt und bei de-
ren Verwirklichung viele mittun wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieses Europa der Bürger wird es nur geben, wenn es
ein Europa mit sozialer Dimension ist. Das europäische
Gesellschaftsmodell muss fortentwickelt, nicht abgebaut
werden. Deshalb kommt es sehr darauf an, dass wir die
notwendigen Reformen so gestalten, dass sie den Men-
schen Sicherheit in der Veränderung geben. Europapoli-
tik muss die Menschen ermutigen und darf sie nicht
ängstigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Kommissions-
entwurf der Dienstleistungsrichtlinie eignet sich unter
diesem Gesichtspunkt nicht zur Regelung der Fragen der
Daseinsvorsorge. Wir wissen, dass eine weitere faktische
Öffnung der Dienstleistungsmärkte mehr wirtschaftli-
che Dynamik und damit mehr Arbeitsplätze mit sich
bringen kann. Auf diesen Arbeitsplätzen müssen die
Menschen aber auch einen Lohn verdienen, mit dem sie
sich und ihre Familien ernähren können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen verhindern, dass das Herkunftslandprinzip
zu einer Absenkung von Lohn-, Sozial-, Qualitäts- und
Umweltstandards führt.

Wenn wir es in der EU mit einer engeren Abstim-
mung unserer Politiken gemeinsam schaffen, durch eine
behutsame Modernisierung unserer Arbeitsmarkt- und
Sozialsysteme die Menschen mitzunehmen, wenn wir
ihnen die notwendige Unterstützung bei einer guten
Aus- und Weiterbildung geben, dann werden sie den Mut
haben, Verantwortung zu übernehmen und mit Zuver-
sicht in die Zukunft zu schauen. Dann werden sie – bei
uns und in den Nachbarstaaten – auch den Weg mitge-
hen, die europäischen Institutionen über eine Verfassung
demokratischer, transparenter und handlungsfähiger zu
machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Wir haben in diesem Zusammenhang heute schon ber die Lissabon-Strategie und über die Finanzierung er Kohäsionspolitik gesprochen. Lassen Sie mich, Herr öning, noch eine Anmerkung zum Steuerwettbewerb achen. Kohärente Politik heißt auch, durch Verhinde ung von unfairem Steuerwettbewerb, der teilweise stattindet, in allen Mitgliedstaaten die Grundlagen für den rhalt und Ausbau der Infrastruktur zu schaffen. Alles ndere wäre keine gute Politik für die Zukunft. Ein erster chritt wäre die Erarbeitung einer gemeinsamen Bemesungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung. Meine Damen und Herren, heute ist auch schon verchiedentlich angesprochen worden, dass die größeren nd die kleineren Staaten eng zusammenarbeiten sollen. s geht in der Tat um die Zusammenarbeit mit Frank eich und den Niederlanden, mit Schweden und Ungarn, m nur einige zu nennen. Es ist mir aber auch wichtig, u betonen, dass die erste Auslandsreise von Bundesanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier nach rankreich ein wichtiges, positives Signal für die Kontiuität der bisher für Europa erfolgreichen Tradition der eutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundchaft war. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber wir wünschen uns auch weiterhin eine enge Zu-
ammenarbeit mit unserem großen östlichen Nachbarn
olen – bilateral, im Weimarer Dreieck und in den EU-
nstitutionen.

Da meine Redezeit zu Ende geht, lassen Sie mich mit
inem Zitat des ehemaligen polnischen Außenministers
ladislaw Bartoszewski enden:

Es gibt keinen anderen Weg, einen dauerhaften
Frieden zu schaffen, als durch den Abbau von Ent-
wicklungsrückständen und die Reduzierung von
Armutszonen … Europa braucht ein neues Solidari-
tätsgefühl, damit seine Einheit nicht am Ende an
allzu großen Lasten der Geber und am Frust der
Nehmer zerbricht.

iese Koalition ist bereit, diese Herausforderung anzu-
ehmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600404400

Das Wort hat der Kollege Michael Stübgen von der

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Stübgen (CDU):
Rede ID: ID1600404500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Die europäische Einigung ist eine der größten
rrungenschaften der letzten 50 Jahre. Frieden, Freiheit
nd die Idee der Zusammenarbeit der Völker sind heute
uf unserem Kontinent – zusammen mit den Staaten des
hemaligen RGW – fest verankert. Aber wie Bundes-
anzlerin Angela Merkel deutlich gemacht hat, muss






(A) )



(B) )


Michael Stübgen
sich die Europäische Union stärker den Herausforderun-
gen von heute stellen.

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass
sich die Europäische Union mit den Problemen des
21. Jahrhunderts beschäftigt und ihre Legitimation nicht
allein aus den durchaus beachtlichen Erfolgen der Ver-
gangenheit ableitet. Die Probleme des 21. Jahrhunderts
sind sehr vielfältig und überaus komplex. Es gibt keine
einfachen Antworten.

Die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene
sind vielfach intransparent; die Entscheidungsfindung ist
überaus kompliziert. Wie auf nationaler Ebene sind wir
auch auf europäischer Ebene mit den Problemen einer
geradezu ausufernden Bürokratie konfrontiert. Nicht zu-
letzt gilt: Wollen wir uns im Zeitalter der Globalisierung
behaupten, muss Europa auch bei Wachstum und Be-
schäftigung deutlich besser werden.

Insgesamt haben viele dieser Probleme zu einem
schleichenden Vertrauensverlust gegenüber der euro-
päischen Einigung bei den Bürgerinnen und Bürgern ge-
führt. Seien wir ehrlich: Vielfach werden die Erwartun-
gen der Menschen in die europäische Politik nicht
erfüllt. Die Ablehnung des Verfassungsvertrages in
Frankreich und den Niederlanden ist aus meiner Sicht
vor allem deshalb erfolgt, weil sich die Bürgerinnen und
Bürger mit ihren Sorgen und Ängsten nicht ausreichend
wahrgenommen fühlten.

Nicht die Grundidee einer europäischen Verfassung,
nicht der Verfassungsvertrag selbst wurden abgelehnt,
sondern es wurde der realen europäischen Politik ein
Denkzettel verpasst. Deshalb gilt es, die Europapolitik
wieder auf das richtige Gleis zu setzen. Die Europäische
Union muss den Zukunftsängsten der Bürger begegnen
und Lösungswege aufzeigen. Europäische Politik muss
zu einer Vertrauenssache werden. Dabei sind aus meiner
Sicht vor allem drei Bereiche von besonderer Bedeu-
tung.

Erstens. Europapolitik muss für die Bürger wieder
nachvollziehbar werden. Es muss das erste Ziel sein,
Entscheidungsprozesse transparent zu machen. Hierzu
dient der europäische Verfassungsvertrag. Wir sollten
uns davor hüten, den Verfassungsvertrag für tot zu erklä-
ren. Die unter den europäischen Regierungschefs verein-
barte Denkpause in Europa muss auch zum Denken ge-
nutzt werden. Wir brauchen einen Plan, wie der
Verfassungsprozess zu einem positiven Ergebnis geführt
werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zweitens. Die europapolitischen Prioritäten müssen
richtig gesetzt werden. Hierzu gehört aus meiner Sicht,
dass sich die Europäische Union im Rahmen der so ge-
nannten Lissabon-Strategie in Zukunft weniger mit
wohlklingenden Erklärungen beschäftigt. Sie muss sich
vielmehr auf die Kernbereiche Bürokratieabbau sowie
die Stärkung von Wachstum und Beschäftigung, das
heißt mehr Arbeitsplätze, konzentrieren. Wir müssen im
Zeitalter der Globalisierung die Rolle der Europäischen
Union in der Welt definieren, unsere Interessen offen

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(C (D nd ehrlich formulieren und durchsetzen. Wir müssen ns nicht zuletzt auch die finanziellen Mittel für ein andlungsfähiges Europa geben. Drittens sollten wir uns darauf konzentrieren, den ürgern klar erkennbare europapolitische Erfolge aufzueigen. Dies ist nicht, wie vielfach in der Europäischen ommission geglaubt wird, ein Kommunikationsprolem. Eine falsche europäische Politik kann man auch icht mit einer modernen, neuen Kommunikationstechik verbessern. Eine richtige Aktion ist die beste Komunikation. Richtiges politisches Handeln wird auch die ustimmung der Menschen in der Europäischen Union inden. Das Richtige ist vor allen Dingen einfach und achvollziehbar. Für die neue Bundeskanzlerin Angela Merkel und die eue Bundesregierung hat die Europapolitik eine besonere Priorität. Deutschland ist ein wichtiger Partner in er Europäischen Union und muss seinem Gewicht entprechend eine konstruktive Rolle bei der weiteren Ausestaltung des europäischen Integrationsprozesses spieen. Dies bedeutet: Deutschland muss initiativ werden und n einer immer heterogeneren Europäischen Union als oderator darauf hinwirken, unterschiedliche Interessen usammenzubinden. Deutschland hat Verantwortung in uropa. Diese Bundesregierung will sie nutzen und sie ird dabei im Deutschen Bundestag weit über die Gren en der Koalitionsfraktionen hinaus – da bin ich sicher – ine starke Unterstützung bekommen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat nun der Kollege Gert Weisskirchen von er SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Herr Kollege Gerhardt, eines ist mir an Ihrem iskussionsbeitrag, in dem Sie sich auch mit China be asst und sich kritisch mit der ehemaligen Bundesregieung auseinander gesetzt haben, aufgefallen: Ihnen muss ntgangen sein, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder en Rechtsstaatsdialog erfunden hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ich weiß das schon!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600404600
Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1600404700

Wenn Sie das wissen, dann hätten Sie diesen hier er-
ähnen müssen.

Denn der zentrale Punkt, lieber Kollege Gerhardt, ist,
afür zu sorgen, dass Kooperationsbeziehungen zwi-
chen der Bundesrepublik Deutschland, der Europäi-
chen Union und China aufgebaut werden, damit das,
orauf es uns gemeinsam ankommt, vorangetrieben
ird: dass so etwas wie Vorformen – mehr kann es gar
icht sein – an zivilgesellschaftlichen Strukturen in die-
em riesenhaften Land entstehen. Denn dieses Land
ird, wenn es seinen ungeheuren Beschleunigungskurs






(A) )



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)

der rein technischen Ökonomisierung vorantreibt, an ir-
gendeinem Punkt der weiteren Entwicklung zwangsläu-
fig gar nicht anders können, als die politischen Freiheits-
rechte letztlich zu erweitern. Wie wollen Sie anders
damit umgehen als mittels eines Rechtsstaatsdialogs,
den – noch einmal – Gerhard Schröder und die Vorgän-
gerregierung erfunden haben? Genau das ist der richtige
Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Der Punkt ist doch, was da besprochen wird! Wir hatten auch einen Petersburg-Dialog!)


Herr Gerhardt, ein Weiteres: Sie hätten ein wenig ver-
folgen sollen, dass Jürgen Habermas im Rahmen dieses
Dialogs durch die verschiedenen Universitäten Chinas
gezogen ist und dafür gesorgt hat, dass sich junge Men-
schen mit dem Grundgedanken der europäischen Ent-
wicklung auseinander setzen. Dies umfasst, dass die Ba-
sis dessen geschaffen wird, was wir unter europäischer
Identität verstehen: dass die Menschenrechte unteilbar
sind und jedes Individuum Rechte hat.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist ja prima! Das ist doch gut!)


Dies ist ein Gedanke, den Hannah Arendt glänzend for-
muliert hat: Jeder Mensch hat ein Recht auf Menschen-
rechte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist die Substanz, der Baustein des europäischen
Denkens.

Es kommt darauf an, dass wir jenen Prozess organi-
sieren, der dazu führt, dass sich die Demokratie am
Ende, so wie wir alle hoffen, globalisieren kann. Das ist
der beste Schutz vor allen Verwerfungen einer zweck-
orientierten, rein utilitaristischen Ökonomieentwicklung.
Die Demokratie muss sich aus den gesellschaftlichen
Strukturen heraus entfalten und entwickeln.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Jawohl!)


Das ist es, was wir unter Demokratieförderung verstehen
müssen. Die Vorgängerregierung hat dies gemacht. Im
Koalitionsvertrag gibt es dazu eine ganz klare Passage,
die das Wort „Kontinuität“ beinhaltet.


(Beifall des Abg. Kurt Bodewig [SPD])


In dieser Kontinuität ist diese Regierung verpflichtet,
das voranzutreiben, worauf es ankommt, nämlich Demo-
kratie zu realisieren und dafür zu sorgen, dass die euro-
päische Identität nicht in missionarischer Form vermit-
telt, aber von den Menschen in aller Welt so
aufgenommen wird, dass Demokratie das zentrale
Grundelement ist, mit dem die Menschen ihre Freiheit
realisieren können. Das ist es, wozu wir uns verpflichtet
haben. Deswegen wird die große Koalition in diesem
Punkt auf jeden Fall ein Erfolg werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Herr Weisskirchen ist missionarisch!)


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(C (D Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich iegen nicht mehr vor. Wir kommen dann zum Themenbereich der Innenolitik. Ich erteile das Wort dem Bundesminister des Inern, Herrn Dr. Wolfgang Schäuble. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Inern: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Die Entführung von Susanne Osthoff, die heute orgen von der Frau Bundeskanzlerin und allen Frak ionsvorsitzenden bereits in angemessener Weise angeprochen worden ist, hat uns in Erinnerung gerufen, dass ie Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ns alle betrifft. Ich glaube nicht, dass dies eine neue Berohungslage ist. Ich glaube, es ist vielleicht nur eine eue Wahrnehmung, die klar macht, dass wir alles tun üssen, um den Gefahren zu wehren. Wir haben immer gesagt – das gilt auch heute –: Es ibt keine hundertprozentige Sicherheit. Das möchte ich erne am Anfang meiner Amtszeit sagen. Das heißt aber icht, dass wir nicht das menschenmögliche Maß an Siherheit gewährleisten wollen. Wir haben miteinander erabredet, dass wir uns damit alle Mühe geben, und em sind wir – vermutlich über alle Fraktionsgrenzen inweg – verpflichtet. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600404800

Im Einzelfall wird es immer schwierige Abwägungs-
ituationen geben; darüber haben wir gesprochen. Es
uss auch klar sein, dass wir nicht nur die Sicherheit un-

eres Landes und unserer Bürger und Bürgerinnen ver-
eidigen, sondern auch die Sicherheit der Gewährleis-
ung unserer freiheitlichen, rechtsstaatlichen und
emokratischen Verfassung. Das ist kein Gegensatz.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


ielmehr bedingt das eine das andere: Es gibt keine Si-
herheit ohne Freiheitsrechte und keine Freiheitsrechte
hne Sicherheit. Dass dies so ist, muss bei der Abwä-
ung immer klar sein.

Manchmal haben wir in Deutschland eine gewisse
eigung zur Erregungskultur.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: „Manchmal“ ist gut!)


ir hat in der vergangenen Woche am Rande unserer
rsten Bundestagssitzung der Kollege von Stetten von
em Fall berichtet, dass ein Parkplatzwächter auf einem
utobahnparkplatz zu Tode gekommen ist und die Straf-
erfolgungsbehörden wegen Mordverdachts ermitteln.
b die Daten, die die Einrichtungen zur Erfassung der
KW-Maut liefern, geeignet wären, den Täter zu fas-

en, weiß kein Mensch. Aber die Strafverfolgungsbehör-
en sind gehindert, überhaupt zu prüfen, ob diese Daten
inen Hinweis auf den Täter liefern können.


(Zuruf von der Linken: Das ist gut so!)







(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
Deswegen habe ich mit dem Kollegen Tiefensee und mit
der Kollegin Zypries darüber gesprochen. Wir hatten üb-
rigens auch in den Koalitionsgesprächen, Herr Kollege
Körper, schon besprochen, dass wir in einem solchen
Fall die Voraussetzungen, unter denen dies gesetzlich
geändert werden muss, genau prüfen werden. Es muss
geändert werden. Es kann nicht wahr sein, dass dieser
Staat Daten erhebt, die wir nicht nutzen dürfen, um not-
falls einen Mord aufzuklären.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Die Voraussetzungen dafür kann man diskutieren. Aber
es kann nicht so sein, dass wir in einem solchen Fall
– wo der Staat Daten erhebt, um von den LKW-Fahrern
Mautgebühren zu kassieren – gehindert sind, sie zu nut-
zen, um einen Mord aufzuklären oder zu verhindern.
Lassen Sie uns über die Einzelheiten, über die Voraus-
setzungen und über die Abgrenzungen genau reden, aber
lassen Sie uns um Himmels willen nicht bei unseren
Mitbürgerinnen und Mitbürgern den Eindruck erwecken,
wir würden uns künstlich blind machen. Ich sage auch
gleich: Das muss nicht nur für die Aufklärung schwerer
oder schwerster Straftaten gelten, sondern das muss
– unter zu definierenden Voraussetzungen – auch für die
Verhinderung schwerster Straftaten und damit von Ter-
rorismus gelten.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da lassen Sie die Katze aus dem Sack! Präventiv wollen Sie es einsetzen!)


– Ich finde es sehr schön, dass Sie sagen: „Sie lassen die
Katze aus dem Sack“. Ich rede über das Thema in der
Tat im Zusammenhang mit der Bedrohung durch den in-
ternationalen Terrorismus. Ich möchte, dass wir das
Menschenmögliche tun, um schlimme Anschläge, die
uns wie auch allen anderen drohen, zu verhindern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verhältnismäßigkeit!)


– Auch nach den Regeln der Verhältnismäßigkeit. Ich
finde, was in London, was in Madrid und was in New
York passiert ist, sprengt alle Grenzen der Verhältnismä-
ßigkeit. Deswegen möchte ich so etwas gerne im Rah-
men unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Verfassung
verhindern. Ich bitte Sie um Ihr Mitwirken und nicht um
Ihre mich eher weniger überzeugende Art von Blockade.
Man muss schon darüber reden können. Das ist ein
wichtiger Punkt.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind Abwägungsfragen!)


– Das sind Abwägungsfragen, aber man darf nicht von
vornherein sagen: Das kommt überhaupt nicht in Frage.
Man darf auch nicht denjenigen, der sich die Mühe
macht, darüber nachzudenken, wie man Sicherheit opti-
mieren kann, ohne Freiheitsrechte zu gefährden, von
vornherein in eine Tabuecke drängen. Ich sage Ihnen
vorweg: Das wird Ihnen mit mir nicht gelingen.

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(C (D Sie müssen auf der anderen Seite wissen: Ich werde mmer wieder Ihre Verantwortung, also die Verantworung dieses Gesetzgebers, einfordern. Wir müssen das enschenmögliche tun – im Rahmen unserer freiheitlihen Verfassung –, um unsere Bürger zu schützen. Wenn ir uns einig sind, dass es keinen Widerstreit von Freieit und Sicherheit gibt, dann muss das in beide Richtunen gelten. Deswegen sind wir in dieser Verantwortung. ch möchte auch nicht darauf warten, dass ein großer nschlag passiert und wir erst dann die Gesetze ändern. ch möchte lieber vorher getan haben, was wir tun könen, damit so ein Anschlag nicht passiert. Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen rage des Kollegen Dr. Wiefelspütz? Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Inern: Bitte sehr. Herr Minister Schäuble, ich habe mich in der Vorbe eitung auf die heutige Debatte einmal in den Gesetzen mgeschaut, die wir – wie ich höre, sogar gemeinsam – erabschiedet haben. In dem Autobahnmautgesetz eißt es in § 4 Abs. 2 – die letzten beiden Sätze – wörtich: Diese Daten dürfen ausschließlich für die Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet und genutzt werden. Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig. Herr Minister, ich halte diese Vorschrift, die wir geeinsam verabschiedet haben, in der Abwägung der in ede stehenden Rechtsgüter – beispielsweise im Hinlick auf terroristische Straftaten oder Mord – für verfasungswidrig. Sind Sie da anderer Auffassung als ich? Ich alte die Norm in dieser Totalität, in dieser Rigidität für icht in Übereinstimmung mit unserem Grundgesetz und in der Auffassung, dass das dringend – über den Umang muss man sprechen – verändert werden muss. Ich ürde Sie bitten, einmal Ihre Rechtsauffassung dazu, enn Sie wollen, zu äußern. Ich halte diese Norm für erfassungswidrig. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Inern: Ich werde jetzt nicht dem letzten Deutschen Bundesag in meiner ersten Rede als Bundesinnenminister eine erfassungswidrige Gesetzgebung bescheinigen; (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600404900
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1600405000

afür ist das Bundesverfassungsgericht zuständig. Aber,
err Kollege Wiefelspütz, wir stimmen überein: Die
orm ist in jedem Fall falsch; deswegen müssen wir sie

ndern. Das ist es, was ich gerne möchte. Deswegen ist






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
die Erregung – wo immer sie entstanden ist – auch völlig
unangebracht.

Lassen Sie mich weiter anmerken: Ich glaube, zur
Vorsorge gehört auch, dass wir im Bereich des Kata-
strophen- und Bevölkerungsschutzes unsere Bemü-
hungen effektivieren. Wir haben das auch ein Stück weit
in der Föderalismuskommission, also in der Diskussion
zur Reform des Föderalismus beraten. Ich glaube, das ist
ein wichtiges Thema.

Ich will die Gelegenheit nutzen, unzuständigerweise
zu sagen: Wir sind eigentlich immer so unterrichtet ge-
wesen, dass wir uns, was die Sicherheit der Energiever-
sorgung betrifft, keine Sorgen über tagelange Stromun-
terbrechungen, die ja unter Umständen für den Zivil-
und Bevölkerungsschutz relevant sein können, machen
müssen, wie es etwa in den Vereinigten Staaten von
Amerika der Fall ist. Ich hätte gern, dass wir diese Zu-
versicht auch in der Zukunft haben. Die Erfahrungen der
letzten Tage waren nicht ganz so gut. Daraus müssen ein
paar Konsequenzen gezogen werden.

Meine zweite Bemerkung, die ich machen möchte,
lautet: Neben der Bedrohung durch den internationalen
Terrorismus ist die Bewältigung der Veränderung der
modernen Welt durch Migration eine der großen He-
rausforderungen. Das gilt in zweierlei Richtungen. Auch
in diesem Bereich haben wir in den letzten Wochen in
den anderen europäischen Ländern in die eine oder in die
andere Richtung bedrückende Erfahrungen gemacht. Die
Spanier und auch die Franzosen mussten hier Erfahrun-
gen machen. Wir in Deutschland kennen die Debatte seit
vielen Jahren. Die ist so alt, dass ich sie als Innenminis-
ter schon einmal mitgemacht habe.

Ich bin ganz überzeugt, dass wir auch da beide Ele-
mente bedenken und berücksichtigen müssen. Wir wer-
den Zuwanderung nicht, wie es im Zuwanderungsgesetz
heißt, steuern und begrenzen können, wenn wir Flucht-
ursachen nicht erfolgreicher bekämpfen. Da muss es
eine Gesamtverantwortung der Regierung geben. Wir
haben in unserer Koalitionsvereinbarung festgehalten,
dass wir alle in diesem Bereich noch mehr tun müssen,
insbesondere in Afrika, aber nicht nur.

Aber wir werden die notwendige Offenheit und Tole-
ranz in unserer Gesellschaft, die ja Voraussetzung dafür
ist, dass wir Zuwanderung als Bereicherung empfinden
können und nicht als Bedrohung empfinden müssen, nur
aufrechterhalten, wenn es uns gelingt, die Menschen da-
von zu überzeugen, dass wir zur Steuerung und Begren-
zung von Zuwanderung in der Lage sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Beides gehört zusammen. Dazu gehört auch Integra-
tion. Wir sind kein dünn besiedeltes Land, in dem sich
Parallelgesellschaften bilden können. Wir sind auf Kom-
munikation angewiesen und müssen die Entstehung von
Parallelgesellschaften vermeiden.

Wir haben übrigens im Gegensatz zu Frankreich, wo
wenigstens fast alle Französisch sprechen, oder im Ge-
gensatz zu Großbritannien, wo alle Englisch sprechen, in
Deutschland das Problem, dass wir nicht einmal dieselbe

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(C (D prache sprechen. Wir müssen darauf bestehen, dass, er auf Dauer in Deutschland lebt, in der Lage ist, mit en anderen, die auf Dauer in Deutschland leben, komunizieren kann, weil sonst nicht die Gemeinschaft ent teht, von der die Frau Bundeskanzlerin heute Morgen nd auch der Herr SPD-Vorsitzende zu Recht gesprohen haben. Gemeinsamkeit fängt damit an, dass man miteinander ommunizieren kann, setzt Sprache voraus. Das heißt brigens auch, dass wir staatlicherseits – Gemeinden, änder und der Bund – helfen müssen, Sprache zu leren. Das heißt aber auch, dass wir zuvor den Eltern saen: Ihr habt zunächst eine Verantwortung dafür, dass ure Kinder die Sprache lernen. Denn die Eltern haben ine Verantwortung und jedes Kind, auch ausländischer bstammung, hat einen Vater und eine Mutter. Die haen die prioritäre Verantwortung. Diese muss eingeforert werden. Integration ist eine Zweibahnstraße. Sie setzt Bemüungen und Offenheit derjenigen voraus, die dauernd ier leben, aber auch die Bereitschaft derjenigen, die zu ns gekommen sind – oder deren Eltern oder Großelern –, um mit uns zusammenzuleben. Dafür müssen wir rbeiten. Das ist eine zentrale Aufgabe dieser Bundesreierung, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck geracht werden soll und gebracht wird, dass die Beaufragte für die Integration als Staatsministerin im anzleramt angesiedelt ist. Ich bitte da um Mitwirkung. Aber ich sage noch einmal: Es wird nur gelingen, enn wir die Steuerung und Begrenzung von Zuwanerung leisten. Das macht sich dann im Einzelfall beerkbar. Wir haben in einer schwierigen Debatte über ie Frage von Bleiberechten derjenigen, die irgendwann inmal illegal hierher gekommen sind, gesprochen. uch da sind es Abwägungsfragen. Man weiß, dass, enn diese Menschen oder deren Kinder hier schon ange leben, man irgendwann einen Punkt erreicht, an em eine Ausweisung keinen Sinn mehr macht. (Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


an weiß aber auch, dass viele derjenigen, über die wir
eden, irgendwann einmal illegal hierher gekommen
ind. Im Zweifel befördert man also das Geschäft derje-
igen, die sie illegal hierher verbracht haben – das nennt
an organisierte Kriminalität – was man nicht darf.


(Beifall bei der CDU/CSU)


eswegen bitte ich auch in diesem Sinne darum, dass
ir miteinander die beste Lösung erreichen, aber uns die
ache nicht zu leicht machen.

Meine dritte Bemerkung – das ist eine zentrale Auf-
abe für uns – ist: Wir müssen unseren staatlichen Auf-
au, unsere Verfahrensweisen und die Bürokratie ver-
chlanken, nicht nur aufgrund der Wirkung auf die

irtschaft – dieser Bereich ist im Kanzleramt angesie-
elt –, sondern auch zur weiteren Optimierung der Ver-
altungs- und Verfahrensabläufe.

Dazu gehört auch in Zukunft ein leistungsfähiger öf-
entlicher Dienst. Deswegen bekenne ich mich dazu,






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
dass auch der öffentliche Dienst, wie wir es in der Koali-
tionsvereinbarung verabredet haben, seinen Beitrag dazu
leisten muss. Der Innenminister wird seine Verantwor-
tung dafür als Teil der Bundesregierung wahrnehmen,
um seinen Beitrag zur notwendigen Sanierung der Haus-
halte im Sinne einer nachhaltigen Generationengerech-
tigkeit – denn darum geht es – zu leisten. Über die Ein-
zelheiten werden wir uns verständigen. Deswegen bitte
ich Sie auch hier, sowohl die zu frühzeitige bzw. vorzei-
tige Erregung als auch die Phantasie, was alles nicht sein
darf, ein bisschen zurückzustellen.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD] – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Lassen Sie uns dieses Thema in Ruhe und in Verantwor-
tung miteinander angehen.

Ich bin überzeugt, dass wir die Beamten, Angestellten
und Arbeiter im öffentlichen Dienst von der Notwendig-
keit überzeugen werden und dass wir das gemeinsam mit
den Beschäftigten – den Beamten, Arbeitern und Ange-
stellten – schaffen, wenn wir auf vernünftige Weise vor-
gehen. Denn wir alle, auch die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, haben eine Verant-
wortung gegenüber dem Souverän dieses Landes. Ich
bin ja nicht nur für den öffentlichen Dienst da. Vielmehr
haben wir zusammen mit den dortigen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern eine Verantwortung für die Bürgerin-
nen und Bürger dieses Landes.

Damit ich nicht nur von Sorgen spreche, sage ich:
Auch der Sport gehört zum Ressort des Bundesinnen-
ministers; das freut mich. Ich füge hinzu: Mein Ver-
ständnis, was den Sport betrifft, reduziert sich, obwohl
auch ich fußballbegeistert bin, nicht auf Fußball. In Tu-
rin finden die Olympischen Winterspiele statt; auch da-
rauf sollten wir uns freuen. Es gibt im Sport eine große
Vielfalt, die wir erhalten wollen. Aber natürlich ist die
Fußballweltmeisterschaft ein Ereignis, das uns, was
die Sicherheit betrifft, vor große Herausforderungen
stellt. Die Vorbereitungen sind auf einem guten Weg.
Wir hoffen, dass wir wunderbare Fußballspiele mit einer
möglichst erfolgreichen deutschen Fußballmannschaft
erleben werden.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was heißt hier „möglichst“?)


– Ich habe meine Meinung ja schon gesagt: dass ich am
liebsten hoffe.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie sind verantwortlich dafür! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Aber nur, wenn es gut geht! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Genau! Wenn es schief geht, sind es die Grünen! – Fritz Rudolf Körper [SPD]: Ach so! Nur, wenn es gut geht! – Heiterkeit bei allen Fraktionen)


– Ich habe meine Redezeit schon überzogen; dafür bitte
ich um Nachsicht.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind wir von Innenministern mehr als gewohnt! – Dr. Wolfgang Gerhardt m I d i d u d r s d l d H n F S g s e t d s m K u e v g l z l t b – g A (C (D [FDP]: Ach, beim Fußball gibt es doch auch die Verlängerung! – Heiterkeit bei allen Fraktionen)


Nun möchte ich zu meiner letzten Bemerkung kom-
en.

ch glaube, das Allerwichtigste aus der Sicht der Bun-
esregierung und damit auch aus der Sicht des Bundes-
nnenministers ist, dass wir dieses Ereignis, das Milliar-
en Menschen in der Welt verfolgen, als Chance nutzen,
nser Land als das darzustellen, was es ist: als ein Land,
as in der Lage ist, ein solches Ereignis gut zu organisie-
en. Bei dieser Gelegenheit können wir Milliarden Men-
chen zeigen, dass Deutschland ein schönes Land ist, in
em es sich zu leben lohnt und für das es sich zu arbeiten
ohnt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600405100

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Max Stadler von

er FDP-Fraktion.


Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1600405200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Herr Minister Schäuble, Ihrem letzten Satz ist
ichts hinzuzufügen; da wird Ihnen jeder zustimmen.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit wünscht Ihnen die FDP-
raktion eine glückliche Hand bei Ihrer Arbeit, mit der
ie jetzt für unser Land beginnen, und bei der schwieri-
en Aufgabe, die Sie zu erfüllen haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es würde zwar der parlamentarischen Tradition ent-
prechen, die so genannte 100-Tage-Frist als Schonfrist
inzuhalten. Aber ich glaube, dann würden wir Sie un-
erfordern. Denn Sie sind einer der erfahrensten Politiker
ieser Regierung und Sie haben sich auch nicht ge-
cheut, bereits in Ihrem ersten Redebeitrag als Innen-
inister klare Positionen zu beziehen.

Deswegen sagen wir als FDP Ihnen ebenso klar: Die
oalitionsvereinbarung ist für uns im Bereich der Innen-
nd Rechtspolitik eine große Enttäuschung. Denn sie
nthält eine bemerkenswert große Anzahl von völlig un-
erbindlichen Absichtserklärungen und von lediglich va-
en Prüfaufträgen. Aber diese Koalitionsvereinbarung
ässt an keiner Stelle erkennen, dass Sie bereit sind, die
ahlreichen und unnötigen Grundrechtseingriffe der
etzten Jahre zurückzunehmen. Das ist unsere Hauptkri-
ik an der Koalitionsvereinbarung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir befürchten – Ihre Eingangsworte haben uns darin
estätigt –, dass die Politik des „in dubio pro securitate“
im Zweifel für die Sicherheit – fortgesetzt wird. Wir
lauben allerdings, dass die für die Politik notwendige
bwägung zwischen den Sicherheitsinteressen und dem






(A) )



(B) )


Dr. Max Stadler
freiheitlichen Gehalt des Grundgesetzes bereits unter
Rot-Grün nicht mehr stattgefunden hat.


(Beifall bei der FDP)


Dennoch wollen wir zu Beginn Ihrer Amtszeit auch fest-
stellen, dass wir einige Ihrer Äußerungen, Herr Minister
Schäuble, sehr positiv registriert haben: Sie haben zu
Recht die Integration als eine Hauptaufgabe der Zu-
kunft herausgestellt. Die FDP wird Sie dabei unterstüt-
zen, wie wir Ihnen auch unser umfangreiches Programm
zur Integrationspolitik vom Dezember 2004 als Material
anempfehlen dürfen.

Zweitens haben Sie sich zu Recht für den Dialog mit
der islamischen Gemeinschaft ausgesprochen. Auch da
teilen wir Ihre Meinung und auch die klare Aussage, die
Sie getroffen haben: dass dabei die Regeln des Grundge-
setzes unverzichtbar sind. Das ist auch unsere Position.

Drittens – damit komme ich, glaube ich, zum
Kernthema dessen, worüber wir die nächsten Jahre ver-
mutlich des Öfteren zu diskutieren haben – haben Sie in
dem „Spiegel“-Interview, das am Montag dieser Woche
veröffentlicht worden ist, sinngemäß erklärt, dass der
Rechtsstaat sogar beim Kampf gegen Terrorismus nicht
jedes Mittel einsetzen darf. Sie haben auf die konkrete
Frage, wo denn für Sie die rote Linie verlaufe, was ein
Rechtsstaat darf und was nicht, erklärt:

Das Folterverbot muss gelten.

Das ist zwar eine Selbstverständlichkeit, aber trotzdem
wichtig und bemerkenswert. Denn damit haben Sie doch
selber zum Ausdruck gebracht: Der Rechtsstaat darf
vieles – und er muss vieles tun, um die Sicherheit unse-
rer Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu schützen –,
aber er darf nicht alles. Es sind ihm auch Grenzen ge-
setzt, von der Verfassung, und diese Grenzen sind in den
Grundrechten definiert, die die Freiheit in unserem
Staatswesen verbürgen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daher, Herr Minister, ist es nicht nur eine nebensächli-
che Debatte, ob man ein gespeichertes Datum einer
Mautstelle zum Zwecke der Strafverfolgung verwenden
darf, sondern so, wie Sie das vorhin erklärt haben, geht
es hier schon um eine sehr grundsätzliche Auseinander-
setzung: Kann es sein, dass der Staat, weil er ja sinnvolle
Zwecke verfolgt wie etwa die Strafverfolgung oder Prä-
vention, auf alle Daten zurückgreift? Oder gilt das, was
bisher allgemeine Meinung war zum Datenschutz: näm-
lich dass es auch eine Zweckbindung von Daten gibt, auf
die man sich als Bürger verlassen können muss;


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon hat er nie etwas gehört!)


dass man die Sicherheit haben muss, dass bestimmte Da-
ten eben nicht für andere – und seien es noch so hehre –
Zwecke verwendet werden dürfen? Das ist jedenfalls un-
sere Meinung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D ch verstehe jetzt besser, warum in der Koalitionsvereinarung – das war mir beim ersten Durchlesen sofort aufefallen – der Datenschutz schon wieder mit so einem egativen Touch erwähnt wird: Er kommt dort nur als indernis vor, das dem Staat im Wege steht, Sinnvolles u tun. Das ist unserer Meinung nach eine völlig falsche etrachtungsweise und das hat der Verfassungsgerichtsräsident Benda, einer Ihrer Vorgänger als Innenminister nd CDU-Politiker, nicht verdient: dass das Grundrecht uf Datenschutz, das er mit dem Bundesverfassungsgeicht aus Art. 2 des Grundgesetzes herausinterpretiert at, so eingeordnet würde! Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe uch sehr aufmerksam zugehört, als Sie gesagt haben: er Staat muss – fast; das sage ich jetzt dazu – alles da ür tun, vor allem wenn es um die Prävention geht. Das lingt natürlich auch plausibel – und wer wollte dem idersprechen? –, aber man muss die Frage stellen nein, Herr Benneter, die entscheidende Frage ommt –: Wo ziehe ich dann noch Grenzen für staatliche ingriffe? Wo ziehe ich noch Grenzen, wenn ich der einung bin, alles, was an Daten gesammelt wird, üsste verwendet werden? (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wer will denn das?)


Herr Wiefelspütz, gerade Sie zum Beispiel haben sich
egen die von Ihnen selbst beschlossene – übrigens auf
esonderen Wunsch der CDU/CSU so formulierte –
lausel im Mautgesetz gewandt, nach der es eine strikte
weckbindung der Daten geben soll.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das können Sie doch selber nicht für richtig halten!)


Doch, das war so: im federführenden Verkehrsaus-
chuss. – Wenn man die Aufgabe des Staates so schran-
enlos definiert, dann fällt es schwer, überhaupt noch
renzen anzugeben, zum Beispiel wie lange unsere Te-

ekommunikationsdaten, die doch deutlich dem privaten
ereich angehören und die niemand anderen etwas ange-
en, gespeichert werden – um nur ein aktuelles Beispiel
us der EU anzuführen. Mir wird jetzt auch klar, warum
ie Präventivbefugnisse für das Bundeskriminalamt ver-
inbart haben. Es geht nicht um eine formale Zuständig-
eitsregelung. Wir sehen die Gefahr in der Abkehr vom
lassischen Polizeirecht. Das klassische Polizeirecht hat
mmer an konkrete Verdachtssachverhalte angeknüpft,
ie den Staat zum Einschreiten veranlassen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist doch nicht der Stand der Diskussion! Wo haben Sie aufgehört zu lesen und nachzudenken, Herr Stadler?)


Doch, das ist die entscheidende Frage, Herr
iefelspütz. Ich habe Ihre Koalitionsvereinbarung sehr

ufmerksam gelesen. Ich bin auf einen Satz gestoßen,
er beim ersten Lesen plausibel klingt, bei nochmaligem
esen aber nicht. Zuerst habe ich gedacht, ich bin viel-

eicht zu skeptisch, ich denke aber, ich bin es nicht. Die-
en Satz möchte ich ganz vortragen. Sie schreiben in ih-
er Koalitionsvereinbarung etwas zum Verhältnis von






(A) )



(B) )


Dr. Max Stadler
Freiheit und Sicherheit – darin haben wir Ihnen eben zu-
gestimmt – und schreiben dann auf Seite 116:

Beide Werte müssen immer wieder neu – je nach
den sich ändernden äußeren Bedingungen – ins
Gleichgewicht zueinander gebracht werden.

Das klingt plausibel. Aber was bedeutet die Passage
„je nach den sich ändernden äußeren Bedingungen“
denn? Gibt es nicht Grundrechte, die unveräußerlich
sind, egal wie sich die Bedingungen ändern?


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Minister Schäuble, ist das nicht Ihre Aussage im
„Spiegel“-Interview, in dem Sie gesagt haben, es gebe
Grenzen für das staatliche Handeln? In dem Zusammen-
hang, wo Sie sich klar für das Folterverbot ausgespro-
chen haben, sagen Sie auch, dass es eben nicht Grund-
rechte gibt, die je nach den äußeren Bedingungen zur
Disposition stehen. Darauf müssen wir bestehen.

Herr Minister Schäuble, wir vertrauen darauf, dass
auch das zutrifft, was Sie ebenfalls in dem „Spiegel“-In-
terview gesagt haben, nämlich dass Ihnen niemand zu
erklären brauche, wie wichtig Bürgerrechte in einer
freien Gesellschaft sind. So etwas hat man aus dem Bun-
desinnenministerium schon lange nicht mehr gehört.
Deswegen erwähne ich diesen Satz ausdrücklich.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Der Philosoph Wittgenstein sagt: Das Wort ist die Tat.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Liberale Interviews und strikte Gesetze: Das passt zusammen!)


Es ist eine Tat, wenn Sie sich so klar zu den Bürgerrech-
ten bekennen. Aber Sie werden Verständnis haben, dass
wir Sie dennoch an den weiteren Taten messen werden.
Wenn es zutrifft, was Sie im „Spiegel“-Interview sagen,
dass sich derjenige, der Sie im „Verständnis einer frei-
heitlichen Verfassung übertreffen“ wolle, „ziemlich an-
strengen“ müsse, wenn das die Sicht der neuen Bundes-
regierung ist, dann werden Sie die FDP an Ihrer Seite
haben. Aber auch nur dann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600405300

Das Wort hat nun der Kollege Fritz Rudolf Körper,

SPD-Fraktion.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1600405400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Minister Schäuble, ich glaube, wir können miteinander
stolz darauf sein, dass wir in unserer Koalitionsvereinba-
rung in unserem Bereich die Überschrift wählen konn-
ten: „Deutschland – ein freies und sicheres Land“. Ich
glaube, diese Aussage sollten wir unterstreichen und
sollten ein Stück weit stolz darauf sein.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das sage ich deswegen, lieber Herr Stadler, weil ich
laube, dass Sie eine Wahrnehmung von dieser Koali-
ionsvereinbarung haben, die schlichtweg nicht stimmig
st.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Ich habe noch gar nicht alle Schwachstellen aufzählen können! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür reicht die Zeit nicht!)


Das hätten Sie ruhig tun können. Ich gehe davon aus,
ass Sie keine weiteren Schwachstellen gefunden haben.
as wiederum spricht für eine gute Koalitionsvereinba-

ung im Bereich Innenpolitik.

Sie haben das Thema Sicherheit und Freiheit bzw.
reiheit und Sicherheit angesprochen. Wir haben festge-

egt, dass das keine Gegensatzpaare sind, sondern dass
reiheit Sicherheit und Sicherheit Freiheit bedingt und
ass genau das die Grenze unseres staatlichen Handelns
eschreibt. Das umzusetzen ist unser fester Wille. Ich
enke, wir brauchen in diesem Punkt keine Belehrung
nd keinen Nachhilfeunterricht, auch wenn der von den
reien Demokraten kommt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber wenig aussagekräftig! Wenn es konkret wird, wird es schwer!)


ch denke, es ist ganz wesentlich, dass das Gradmesser
nd Richtschnur innenpolitischen Handelns ist. Sie kön-
en sicher sein, dass das exakt umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren, Minister Schäuble ist auf
ie Bedrohung eingegangen. Es gibt auch wieder ein
anz aktuelles Beispiel und wir stellen fest, dass die Be-
rohungslage, von der wir eigentlich glaubten, dass sie
er Vergangenheit angehört, aktueller denn je ist.

Ich denke, die Bedrohungen und Bedrohungsszena-
ien, die wir insbesondere seit dem Jahre 2001 erleben,
eben einem Anlass, den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ern in unseren Sicherheitsbehörden an dieser Stelle ein
anz herzliches Dankeschön zu sagen. Sie haben ganz
esentlich dazu beigetragen, dass wir sagen können:
eutschland ist ein freies und sicheres Land.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich bin auch ein Stück stolz darauf, dass wir nach den
ürchterlichen Ereignissen in den Vereinigten Staaten
on Amerika im September des Jahres 2001 ein
icherheitspaket I und ein Sicherheitspaket II verab-
chieden konnten. Dies geschah im Übrigen mit großer
ustimmung des Hauses.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Otto!)


Herr Ströbele, ich kann mich daran erinnern, dass Sie
em auch zugestimmt haben. Ich glaube, das war auch
ine richtige Entscheidung.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er was anderes gesagt? – Hans Fritz Rudolf Körper Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur den Namen genannt!)





(A) )


(B) )


Lieber Herr Stadler, auch bei der Umsetzung in die-
sem Bereich hat sich deutlich gezeigt, dass Datenschutz
nicht als hinderlich angesehen wurde. Vielmehr hat man
diese Gesetzgebung auch an dem Aspekt Datenschutz
orientiert. Ich sage hier ganz deutlich: Wer sich unsere
Koalitionsvereinbarung ansieht, der wird feststellen,
dass der Datenschutz bei uns in guten Händen ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Wenn es beispielsweise um die Informationen im Be-
reich der Maut geht, finde ich es völlig richtig, die Frage
zu stellen, welche Informationen wir gewinnen können,
um bestimmte Kapitalverbrechen aufzuklären oder sie
sogar für eine gewisse Prävention zu nutzen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Ich sage jedenfalls klipp und klar und sehr deutlich: Die
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden sich
an dieser Diskussion konstruktiv beteiligen. Wir wissen,
was wir zu beachten und nicht zu beachten haben.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ging jetzt viel schneller als erwartet!)


Herr Ströbele, im Übrigen finde ich, dass wir auf das,
was wir in der Gesetzgebung gegen den Terrorismus ge-
tan haben, heute noch sehr stolz sein können. Wir haben
etwas eingeführt, was es in der Gesetzgebung vorher
noch nicht oder nur kaum gab. Wir haben nämlich
befristete Gesetze geschaffen, in denen eine Evaluie-
rung vorgesehen ist.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gut, ja! Den Satz haben wir extra hineingeschrieben!)


Es ist jetzt eine unserer Aufgaben, diesen Prozess der
Evaluierung in Gang zu setzen und gemeinsam darüber
zu entscheiden, was sich bewährt hat und was sich nicht
bewährt hat.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kronzeugenregelung hat sich nicht bewährt!)


Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass das eine gute Ge-
schichte ist. Ich glaube, wir werden hier gute Entschei-
dungen treffen.

Lieber Herr Stadler, an einer Stelle habe ich Sie über-
haupt nicht verstanden. Ich bin schon der Auffassung,
dass wir, wenn wir die Sicherheitsarchitektur in unserem
Lande überprüfen, die Fähigkeit erhalten müssen, ent-
scheiden zu können, ob beispielsweise jede Aufteilung
von Zuständigkeiten und Befugnissen zwischen dem
Bund und den Ländern heute noch aufgaben- und he-
rausforderungsgerecht ist. Die Erfahrungen, die man mit
dem internationalen Terrorismus gemacht hat, bringen
einen zu dem Ergebnis, dass es unabdingbar ist, dem

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(C (D undeskriminalamt Befugnisse für präventive Maßahmen zu übertragen. Ich denke, dass das für eine aufabengerechte Bekämpfung des internationalen Terrorisus notwendig ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist keine ampfansage an die Länder. Es wird also nicht an den rundfesten der Zuständigkeiten der Länder gerüttelt. ein, ich denke, es gibt sachliche Notwendigkeiten da ür, dies zu tun. Ich hoffe, dass wir das im Zuge der Föeralismusdebatte auch hinbekommen. Wichtig ist auch, dass für uns deutlich und klar ist, ass die innere Sicherheit in unserem Lande letztendlich in gemeinsames Produkt von Bund und Ländern ist. er Bund könnte es nicht alleine schultern und auch die änder könnten es nicht gemeinsam schultern. Desween ist es ganz wichtig, dass wir von Zuständigkeitsfraen und Eifersüchteleien Abstand nehmen. Dabei liegt mir ein Thema besonders am Herzen, ämlich die Einführung des Digitalfunks in unserem ande. Das, was wir derzeit erleben, dauert viel zu ange. (Zustimmung des Abg. Hartfrid Wolff [RemsMurr] [FDP])


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


as hängt damit zusammen, dass wir nun einmal
7 Unterschriften brauchen, weil es ein Bund-Länder-
rojekt ist. Ich sage auch ganz deutlich: Der Langsamste
arf an dieser Stelle nicht das Tempo bestimmen. Herr
chäuble, hier haben wir eine große Aufgabe zu lösen.

Ich will noch etwas anderes kurz ansprechen. Es geht
m das, was in unseren Koalitionsgesprächen zum
hema Innenpolitik eine große Rolle gespielt und einen
ewissen Zeitraum in Anspruch genommen hat, nämlich
ie Frage des Verhältnisses der inneren zur äußeren
icherheit. Dazu bleibt aus meiner Sicht ein Punkt fest-
uhalten: Die Aufgaben der Polizei beim Schutz der in-
eren Sicherheit und die Aufgaben der Bundeswehr
eim Schutz der äußeren Sicherheit dürfen nicht ver-
ischt und vermengt werden.


(Beifall bei der SPD)


as dem Bundesverfassungsgericht vorliegende Luft-
erkehrssicherheitsgesetz dient der Präzisierung dieser
ufgaben und Zuständigkeiten. Wir werden im Lichte
er Karlsruher Entscheidung wieder darauf zurückkom-
en.

Das Thema Migration und Integration ist angespro-
hen worden. Lieber Herr Stadler, ich bin sehr froh und
ankbar, dass wir uns in der Koalitionsvereinbarung die-
em Thema zugewendet haben; denn wir wissen: Inte-
ration ist kein Selbstläufer, sondern wir müssen unseren
eitrag dazu leisten, dass Integration funktioniert, damit
ir – das sage ich ganz deutlich – nicht solche Zustände
ekommen, wie sie zurzeit in unserem Nachbarland
rankreich zu beobachten sind. Deswegen möchte ich
ich herzlich dafür bedanken, dass wir hier einen ein-

eutigen Schwerpunkt gesetzt haben.






(A) )



(B) )


Fritz Rudolf Körper
Ich will noch etwas ansprechen: Deutschland ist nicht
nur frei und sicher, sondern Deutschland muss auch ein
weltoffenes Land bleiben. Davon profitieren wir letzt-
endlich alle. Dass wir ein weltoffenes Land bleiben wol-
len, wollen wir auch im Jahre 2006 bei der Ausrichtung
der Fußballweltmeisterschaft beweisen, wo die ganze
Welt auf uns schaut. Wir brauchen heute nur zu beschlie-
ßen, dass wir Weltmeister werden. Ich glaube, da be-
kommen wir ein einstimmiges Ergebnis.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


Die Vorbereitungen laufen gut. Es besteht die Hoffnung,
dass diese Fußballweltmeisterschaft ein friedliches
Großereignis wird, bei dem der Fußballsport im Vorder-
grund steht. Das wäre auch gut so.

Ich bin sicher, dass das Thema Fußballweltmeister-
schaft im Jahre 2006 für den gesamten Sport und die ge-
samte Sportszene als eine Initialzündung wirkt. Sport ist
gut für die Menschen. Sport ist gut für unser Land. Des-
wegen bin ich froh, dass wir uns dieser Aufgabe wid-
men. Ich hoffe, dass wir während der Haushaltsberatun-
gen in die Lage versetzt werden, die guten Strukturen im
Bereich des Sports zu erhalten; denn das ist für den Er-
folg des Sports in Deutschland sehr wichtig.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600405500

Das Wort hat nun die Kollegin Petra Pau von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1600405600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn wir über Innenpolitik, innere Sicherheit, Krimina-
litätsbekämpfung und Polizeibefugnisse reden, dann
reden wir zugleich auch immer über Demokratie und
Bürgerrechte. Das ist jedenfalls der Generalansatz der
Linksfraktion. Beide Seiten bilden zuweilen ein Span-
nungspaar. Wir haben es in den vergangenen Jahren am
Beispiel der „Otto-Pakete“ erlebt, wie Bürgerrechte ei-
ner vermeintlichen Sicherheit geopfert wurden. Die
große Koalition will offenbar diesen falschen Kurs wei-
terführen. Ich kündige Ihnen heute schon an, dass Sie da-
mit auf den Widerstand der Linksfraktion stoßen wer-
den.


(Beifall bei der LINKEN)


Bevor ich zum Koalitionsvertrag komme, möchte ich
über zwei Hängepartien sprechen, die das Ausmaß der
Bürgerrechtsverletzungen hierzulande illustrieren. Ich
meine die Spitzelaktion des BND gegen Journalisten und
ein renommiertes Friedensforschungsinstitut. Die BND-
Spitze hat das selbst eingeräumt und einen Fehler ge-
nannt. Das ist aber kein Fehler, sondern ein klarer Ver-
stoß gegen die Pressefreiheit und damit gegen das
Grundgesetz.

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(C (D Ich meine des Weiteren das Agieren der CIA auf uropäischem und deutschem Territorium. Auch das ind Verstöße gegen allgemeine Menschenrechte und geen unser Grundgesetz. Auch dafür gibt es hierzulande olitisch Verantwortliche. Ich will, dass das im Bundesag geklärt wird und nicht hinter verschlossenen Türen. Nun gab es schon in den zurückliegenden Jahren aum ein Politikfeld, bei dem sich SPD und Union so eiig waren wie in der Innenpolitik. Die Zwillinge Otto chily und Günther Beckstein sind schon legendär, allerings nicht im Guten. Zählen Sie selbst einmal nach, wie iele Gesetze und Maßnahmen im Zusammenhang mit hrer Sicherheitspraxis vor dem Bundesverfassungsgeicht gelandet sind und dort gerügt wurden! Ich erinnere ur an den großen Lauschangriff. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber nicht von RotGrün! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war von denen vor uns! Das waren wir nicht!)


(Beifall bei der LINKEN)


as hat allerdings in der großen Koalition offenbar nicht
um Umdenken geführt. Ich nenne nur den neuesten
oup, das bundesdeutsche Mautsystem zum Fahndungs-
nd damit zum Überwachungssystem auszubauen. Auch
as lehnt die Linksfraktion ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Das gilt auch für den Einsatz der Bundeswehr im
nnern. CDU und CSU wollen ihn ausdrücklich und
ind bereit, dafür das Grundgesetz zu ändern. Die SPD
ar bis vor kurzem strikt dagegen.


(Zuruf von der SPD: Immer noch!)


m Koalitionsvertrag aber klingt das Nein der SPD be-
eits sehr stark nach einem Jein.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Nein! Lesen Sie ihn noch einmal!)


Einen großen Schritt zum Einsatz der Bundeswehr im
nnern ist Rot-Grün auch schon gegangen, als Sie das so
enannte Luftverkehrssicherheitsgesetz beschlossen ha-
en. Kritiker haben es völlig zu Recht als „Lizenz zum
öten“ bezeichnet.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Oh je!)


ch teile diese Einschätzung. Auch dieses Gesetz wird
erzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Ich be-
rüße das ausdrücklich.

Die Linksfraktion will etwas anderes: Wir wollen
ehr direkte Demokratie auf Bundesebene.


(Beifall bei der LINKEN)


as Thema ist nicht neu, aber es drängt, auch angesichts
er zunehmenden Parlamentsverdrossenheit im Lande.

Seit der Vereinigung 1990 wurden zwei historische
hancen verspielt, Volksabstimmungen ins Grundgesetz
ufzunehmen. Die erste lag auf der Hand, als es darum






(A) )



(B) )


Petra Pau
ging, das provisorische Grundgesetz zu einer Verfassung
zu erheben, die von der Bevölkerung angenommen wird.

Die zweite gab es zuletzt, als es um die EU-Ver-
fassung ging. In nahezu jedem EU-Land kann die Be-
völkerung direkt mitbestimmen. Spätestens hier wird
offenbar: In Sachen direkter Demokratie ist die Bundes-
republik Deutschland ein EU-Entwicklungsland. Ich
meine, das muss sich endlich ändern.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gab in der Koalition ein kurzes Kompetenzgeran-
gel, in welchem Ressort die Beauftragte für Migration
und Integration angesiedelt wird. Es ist ein ungemein
wichtiges Amt. Das wissen wir nicht erst seit den gewal-
tigen Eruptionen in Frankreich vor wenigen Wochen. Ich
bin erleichtert, dass die Wahl auf das Bundeskanzleramt
und nicht auf das Innenministerium fiel. Denn die The-
men Migration und Integration sind mehr denn je Quer-
schnittsaufgaben. Genau dieser Anspruch findet sich
aber im Koalitionsvertrag nicht wieder. Dort werden
Menschen mit Migrationshintergrund weiterhin als Stör-
faktoren und Kriminelle betrachtet. Diese Sicht muss
endlich überwunden werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Es bedrückt mich schon, dass die Bundeskanzlerin in
ihrer heutigen Regierungserklärung nicht eine Antwort
auf die drängenden Fragen von Menschen mit Migra-
tionshintergrund in diesem Land gegeben hat.

Lassen Sie mich ein weiteres Thema ansprechen. Wie
Sie wissen, haben wir als Linke ein kritisches Verhältnis
zum deutschen Beamtentum.


(Zuruf von der SPD: Warum eigentlich?)


Aber wir sind dagegen, dass der Staat sein Mütchen aus-
gerechnet an den Beamtinnen und Beamten kühlt. Die
große Koalition ist mit einer Attacke gegen Beamtinnen
und Beamte gestartet. Sie sollen länger arbeiten und da-
für auf Bezüge verzichten. Zugleich werden ihnen aber
alle Ansprüche auf mehr Mitsprache verwehrt. Ich finde,
das ist nicht klug und auch nicht gerecht. Die Linksfrak-
tion verschließt sich nicht, wenn es um ein modernes
Beamtenrecht geht, aber dann immer mit den Betroffe-
nen und nicht gegen sie. Übrigens gilt auch hier, was
mein Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi schon heute
früh an der Erklärung der Bundeskanzlerin kritisiert hat:
Sie bieten den Menschen sowie insbesondere den Beam-
tinnen und Beamten im Osten der Republik mit Ihrem
Koalitionsvertrag keinerlei Perspektive auf Angleichung
der Lebensverhältnisse.


(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie ja gleich zwei Opfergruppen!)


Zum Schluss habe ich noch eine Bitte an Sie, Herr
Bundesinnenminister. Sie haben laut „FAZ“ 1996 ge-
sagt, man müsse endlich weniger Demokratie wagen,
und gemeint, die Verfassung verkomme zur Fessel der
Politik.

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(C (D (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nennen Sie die Quelle korrekt!)


ch finde, es ist Zeit, das öffentlich und glaubhaft zu wi-
errufen. Das wäre übrigens auch ein unverzichtbarer
eitrag gegen den grassierenden Rechtsextremismus.
umindest im Kampf gegen Rassismus, Nationalismus
nd Neofaschismus


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Und vor allem Linksextremismus!)


ollten wir uns als demokratische Parteien über alle
raktionsgrenzen hinweg einig werden und aktiv sein.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600405700

Das Wort hat nun die Kollegin Silke Stokar, Bünd-

is 90/Die Grünen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Bleiben Sie vernünftig, Frau Stokar! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Sagen Sie mal etwas Liebes!)



(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

undesinnenminister Schäuble, nach dem Lesen des
oalitionsvertrages und Ihrer heutigen Rede ist mir noch

inmal sehr deutlich geworden: Diese große Koalition
raucht eine starke, kritische Bürgerrechtsopposition.
iese Rolle werden wir als Grüne wahrnehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die FDP oder die Grünen? Da müsst ihr euch mal einigen!)


Die Zurufe des Kollegen Wiefelspütz haben sich seit
er Zeit der rot-grünen Regierung nicht verändert.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das stimmt!)


Die große Einigkeit in der Innenpolitik gab es schon
uvor. Wir werden aber dafür sorgen, dass die Debatten,
ie zwischen Union und SPD offensichtlich nicht ge-
ührt werden, im Parlament und in der Öffentlichkeit
tattfinden; denn ich befürchte, dass eine große Koali-
ion – das kennen wir aus der Vergangenheit – Gefahr
nd Risiko für die Bürgerrechte bedeutet. Dem werden
ir entgegenwirken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ernst Burgbacher [FDP]: Gerade ihr! Den Bock zum Gärtner machen, oder was?)


Ich möchte – weil Sie Ausführungen zu diesem Punkt
emacht haben und es ein gutes Beispiel ist – zur Maut-
rfassung Stellung nehmen. Es ist interessant, festzustel-
en, dass ein Innenminister, der sich sonst in Interviews
ich habe sie alle mit Interesse gelesen – sehr wohl libe-

al gibt, in seiner heutigen Rede – ich bewerte nicht
eine Reden von damals – sagt, für Daten könne es keine
weckbindung geben, und gleichzeitig meint, er sei ein
ertreter eines modernen Datenschutzes. Ich glaube,






(A) )



(B) )


Silke Stokar von Neuforn
mit diesen Aussagen haben Sie sich selber in der gesam-
ten Datenschutzfrage völlig diskreditiert.


(Zuruf von der SPD: Nein!)


Lassen Sie uns das doch einmal auf die Gesundheitskarte
übertragen. Wie wollen Sie Akzeptanz für staatliche Da-
tensammlungen erreichen, wenn Sie gleichzeitig den
Bürgerinnen und Bürgern signalisieren, dass Sie als
Bundesinnenminister der Auffassung sind, alle Daten,
die der Staat – ganz gleich zu welchem Zweck – erfasse,
stünden künftig den Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder zur Verfügung.

Ich glaube, dass die große Koalition – das ergibt sich
einfach aus dem Koalitionsvertrag – die mit einer Online-
gesellschaft verbundenen Risiken gar nicht im Blick hat.
Es geht nicht nur um die Frage, ob wir heute alle Tele-
kommunikationsdaten erfassen, wie lange wir diese
Telekommunikationsdaten speichern und ob wir Bewe-
gungsprofile von jedem aufnehmen wollen, der mit ei-
nem Handy durch die Gegend läuft. Genau in diesem
Zusammenhang muss man die Mautdiskussion sehen.
Wenn Sie sich bei den Verkehrspolitikern informiert hät-
ten – vielleicht haben Sie das auch –, dann wüssten Sie,
dass das Mautsystem in der heutigen Form überhaupt
nicht für die Strafverfolgung geeignet ist.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon gar nicht für Prävention!)


Nur circa 5 Prozent aller LKWs, die in Deutschland auf
den Autobahnen unterwegs sind, werden überhaupt
durch die Mautsysteme erfasst. Es werden nicht die
durchfahrenden LKWs erfasst, sondern es werden ledig-
lich die erfasst, die die Maut nicht korrekt bezahlen.

Wenn Sie aus dem Mauterfassungssystem ein präven-
tives Fahndungssystem machen wollen, dann sagen Sie
es deutlich. Das würde nichts anderes bedeuten, als dass
Sie es zusätzlich mit dem so genannten Autokennzei-
chenscreening aufrüsten würden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Scanning!)


Damit müssten Sie alle vorbeifahrenden PKWs und
LKWs erfassen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das tun wir! Es wird nur nicht gespeichert!)


Das bedeutet eine Fahndung gegen Unschuldige, eine
Fahndung gegen jedermann. In anderen Zusammenhän-
gen – auch im Zusammenhang mit Landesgesetzen – hat
das Verfassungsgericht mehrfach gesagt, dass eine sol-
che Fahndung gegen jedermann verfassungswidrig ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das, was mich genauso erschreckt hat, ist Ihre Aus-
sage – ich messe Sie schon an Ihrem eigenen Anspruch,
auch Verfassungsminister zu sein –, in Bezug auf den
Terrorismus müsse alles Menschenmögliche getan wer-
den.


(Zuruf von der CDU/CSU: Bitte?)


Dies ist eine Aussage, die mich erschreckt; denn das be-
deutet, dass mit der Begründung der Bedrohung durch

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(C (D en Terrorismus alles möglich ist. Damit gibt der Staat ie verfassungsrechtlichen Grenzen auf. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wo waren Sie denn vorhin, als Herr Schäuble gesprochen hat? – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist ja peinlich!)


ch fand die Äußerung – –


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Hören Sie mal zu, was der Minister sagt!)


Es ist ein Unterschied, ob Sie das Menschenmögliche
rlauben wollen oder ob Sie die Verhältnismäßigkeit be-
onen bzw. einräumen, dass die Mittel des Rechtsstaats
uch in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus
egrenzt sind.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Hat er in jedem Satz gesagt!)


Justizkommissar Franco Frattini hat auf der interna-
ionalen Sicherheitskonferenz in Berlin gesagt: Wir kön-
en unsere Werte nicht aufgeben, um den Terrorismus zu
ekämpfen. Das ist eine Aussage, die ich unterstütze. Es
ürde mich freuen, wenn das eine Aussage wäre, die Sie
enauso deutlich unterstützen.

Ich habe es durchaus begrüßt, dass Sie auf dieser Si-
herheitskonferenz gesagt haben, das Folterverbot
üsse gelten. Aber angesichts der Debatte, die wir heute

ier führen, möchte ich schon, dass Sie konkreter wer-
en. Ich wünsche mir von dem Bundesinnenminister ein
lares Bekenntnis, dass deutsche Sicherheitsbehörden
eine Information nutzen oder verwenden, die durch
olter erhoben worden ist. Es kann dabei keine Arbeits-

eilung dergestalt geben, dass in Drittstaaten gefoltert
ird, die BKA-Beamten anwesend sind, wenn auch
icht im selben Raum, und die so gewonnenen Erkennt-
isse zuhause in den westlichen Demokratien ausgewer-
et werden. Sie müssen hier konkret werden, wenn ich
rnst nehmen soll, dass Sie die Grundsätze der Verfas-
ung wirklich einhalten wollen. Das absolute Folterver-
ot heißt für mich:


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Solche Reden nicht zu halten!)


nformationen, die durch Folter erlangt worden sind,
önnen in Deutschland nicht verwendet werden. Das ist
ine klare Aussage.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Noch kurz zum Thema Integration. Integration ist
ehr als das Erlernen der Sprache. Wir werden Sie daran
essen. Ich weiß aus meiner Heimat, der Region Hanno-

er, dass sich dort viel mehr Migranten zu Integrations-
ursen anmelden, als Angebote vorhanden sind. Solange
ie Situation so ist, können wir hier keine Schuldzuwei-
ung in Richtung Migranten vornehmen. Ich erwarte von
ieser Bundesregierung, dass sie das Zuwanderungsge-
etz mit Leben füllt und Integrations- und Sprachkurse
uch wirklich finanziert.

Meine Redezeit ist leider zu Ende.






(A) )



(B) )


Silke Stokar von Neuforn

(Zuruf von der FDP: „Leider“ kann man nicht sagen!)


Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600405800

Das Wort hat nun der Kollege Wolfgang Bosbach,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1600405900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst

gratuliere ich Ihnen, lieber Herr Dr. Schäuble, im Namen
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und – als Vertreter
ohne Vertretungsmacht – der Koalition zu Ihrem neuen
Amt. Ich weiß gar nicht, ob Sie vor Monaten damit ge-
rechnet haben, dass Sie einmal Ihr eigener Nachfolger
werden. Jedenfalls wissen wir die Innenpolitik des Bun-
des bei Wolfgang Schäuble in besten Händen. Wir wün-
schen Ihnen für die Arbeit viel Erfolg und auch das biss-
chen Glück und Fortune, das man haben muss, um ein
guter Bundesinnenminister zu sein. Sie haben unsere
volle Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wie können Sie sich diese Unterstützung auf Dauer
sichern?


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Indem wir immer gefragt werden!)


Sie haben zum Schluss den zutreffenden Hinweis ge-
geben, dass Sie auch Sportminister sind. Wenn Sie bei
dieser Gelegenheit auch die Kartenwünsche der Kolle-
ginnen und Kollegen aus allen Fraktionen erfüllten, dann
wäre Ihnen unsere Unterstützung auf Dauer sicher.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Keine Karten für Frau Stokar!)


Eine weitere Bemerkung. Wenn es sonst schon keiner
tut, dann will wenigstens ich es tun – er ist nicht hier;
aber, Herr Kollege Wiefelspütz, Sie hatten doch die bes-
ten Beziehungen zu ihm –: Wir sollten uns auch bei die-
ser Gelegenheit bei dem Bundesinnenminister a. D. Otto
Schily für seine Arbeit in den vergangenen Jahren be-
danken.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Er war Bundesinnenminister in einer schwierigen Zeit.
Er hat es uns nicht leicht gemacht. Wir haben es ihm
nicht leicht gemacht. Insbesondere die CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion hat manche harte Auseinandersetzung
mit ihm geführt. Das ändert aber nichts an unserem Re-
spekt vor seiner politischen Lebensleistung und deswe-
gen danken wir ihm für seine Arbeit.


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Tun wir!)


Ich möchte folgende drei Punkte ansprechen:

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(C (D Erstens. Die Koalition möchte Deutschland sicherer achen. Natürlich haben wir es in unserem Leben mit er Spannung zwischen Sicherheit und Freiheit zu un. Aber Sicherheit und Freiheit sind keine Gegensätze nd wir sollten nicht so tun, als wenn es Gegensätze wäen. Es sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Anonsten müsste man die Rechnung aufmachen: Je wenier Sicherheit wir haben, desto mehr Freiheit haben wir. enau umgekehrt ist es richtig. Ich wiederhole: Es sind wei Seiten ein und derselben Medaille. Bei allem, was wir zur Gefahrenabwehr tun, befinden ir uns in einem Abwägungsprozess: Auf der einen eite wollen wir das Land sicherer machen, aber auf der nderen Seite wollen wir auch die Freiheitsrechte nicht ufgeben, sondern verteidigen. Das gilt übrigens auch ür den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. ir werden Rechtsstaatlichkeit und Freiheit nicht preiseben; denn dann hätten die Terroristen schon ein Ziel rreicht, das sie erreichen wollen, nämlich die westliche ivilisation zu destabilisieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Um auf das Thema Mautgesetz zurückzukommen:
iese Debatte nimmt mittlerweile wirklich skurrile Züge

n.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Gespenstische Züge!)


s ist doch ein Unterschied, ob sich ein Staat auf den
eg macht und sagt, wir sammeln auf Bundesfernstra-

en und auf Bundesautobahnen alle Daten, die wir be-
ommen können, vielleicht können wir sie eines Tages
inmal gebrauchen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das kommt noch! Das ist erst der Anfang!)


der ob er sagt, wir haben zu einem legitimen Zweck
aten gespeichert.

Im Übrigen, Frau Kollegin: Diese Daten werden
elbstverständlich registriert. Das gilt auch in Bezug auf
ie Daten derjenigen, die bezahlt haben. Diese Daten
erden nur nicht gespeichert. Aber zur Beantwortung
er Frage, ob jemand die Mautgebühr geprellt hat oder
icht, muss man ja zunächst jedes Kennzeichen erfassen
nd die Daten derjenigen, die gezahlt haben, anschlie-
end sofort löschen. Man speichert dann die Daten der
o genannten Mautpreller. Speicherzweck ist also legiti-
erweise, an diejenigen heranzukommen, die die Maut-

ebühr geprellt haben.

Wir könnten die legitimerweise gespeicherten Daten
azu nutzen, schwerste Straftaten aufzuklären. Dazu sagt
er Staat: Das tue ich nicht. Dazu muss ich sagen: Das
ann ich nicht verstehen, egal wie die Debatten im Ver-
ehrsausschuss gewesen sind.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie das nicht ins Gesetz reingeschrieben! Das haben Sie doch mitgemacht!)







(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach
Wir sollten uns über diese Thematik noch einmal in
aller Ruhe unterhalten. Ich berufe mich ausdrücklich auf
den Vorgänger von Herrn Schaar, auf Herrn Jacob, der
gesagt hat: Es wird behauptet, der Datenschutz sei Täter-
schutz; wenn man mir eine Vorschrift nennt, die die Auf-
klärung von Straftaten behindert, dann bin ich bereit,
darüber zu reden.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Hier haben wir eine!)


Eine solche Vorschrift ist die Vorschrift im Mautge-
setz. Deswegen sollten wir über diese Vorschrift
reden – ohne Zorn und Eifer. Ich bin der festen Überzeu-
gung, dass die Bevölkerung dagegen überhaupt nichts
hat, weil es nämlich kein Bürgerrecht gibt, als Straftäter
nicht entdeckt zu werden, und weil es auch kein Bürger-
recht gibt, Straftaten unerkannt begehen zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Herr Kollege Ströbele, wie oft warnen Sie davor, die
Bundesrepublik Deutschland sei auf dem Weg in den
Überwachungsstaat? In düsteren Farben wird die Zu-
kunft der Republik geschildert.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich? Wann habe ich das zuletzt gemacht?)


In dem Moment, als Ihr Fahrrad gestohlen worden war,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach du liebe Zeit!)


konnten Sie aber all Ihre Reden beiseite legen; da wären
Sie heilfroh gewesen, wenn Sie mithilfe modernster
Überwachungstechnik des Deutschen Bundestages


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Großer Lauschangriff! Video-Überwachung! Unglaublich!)


Ihr Fahrrad schnell hätten zurückbekommen können.
Was Ihnen Ihr Fahrrad, ist uns die Sicherheit von
82 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutsch-
land.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man merkt, dass Sie in einem Karnevalsverein sind!)


Zweiter Punkt. Wir wollen mehr für Integration tun.
Wir haben keinen Mangel an Zuwanderung, aber wir ha-
ben einen Mangel an Integration. Das bedeutet auf der
einen Seite: Wenn wir mehr Integration fordern, dann
müssen wir auch mehr Integration fördern. Auf der an-
deren Seite geht der Appell an all jene, die zu uns kom-
men, aus welchen Gründen auch immer, sich um Inte-
gration zu bemühen; denn ohne Integrationsbereitschaft
und ohne Integrationsfähigkeit, insbesondere ohne den
festen Vorsatz, die deutsche Sprache in Wort und
Schrift zu erlernen, kann Integration in Staat und Gesell-
schaft nicht funktionieren.

Nicht alle Nachrichten dieser Tage waren gut. Sie ha-
ben das Thema aber dankenswerterweise angesprochen.
Hier die neuesten Zahlen: 94 000 Migrantinnen und Mi-
granten ohne Rechtsanspruch, so genannte Bestandsaus-

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(C (D änder, befinden sich in Sprachund Integrationskursen. 5 000 sind zur Teilnahme verpflichtet worden. 2 000 neu Zugewanderte und 31 000 Spätaussiedler ind in diesen Kursen. Also nehmen zurzeit knapp 00 000 Menschen an Sprachund Integrationskursen eil. Natürlich wird legitimerweise die Frage gestellt: Koset das nicht eine Menge? Dies ist zu bejahen. Es ist eine ewaltige staatliche Anstrengung. Wir müssen uns aber uch fragen: Was kostet fehlgeschlagene Integration? ind die sozialen Folgekosten iner nicht erfolgten Integration für Staat und Gesellchaft auf Dauer nicht viel belastender als die Anstrenungen, die wir hier unternehmen? (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es mangelt nicht am Willen!)


(Hans-Jürgen Uhl [SPD]: So ist es!)


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr viel höher!)


Ich füge hinzu: Wir müssen uns insbesondere um die
leinen Kinder bemühen. Wir müssen in den Migranten-
amilien dafür werben, dass ihre Kinder möglichst schon
n den Kindergarten kommen, sodass sie dort eine För-
erung erfahren; denn wenn sie mit einem sprachlichen
andicap eingeschult werden, dann begleitet sie dieses

prachliche Handicap möglicherweise in ihrer gesamten
chullaufbahn.

Dritter Punkt. Wir wollen ein modernes öffentliches
ienstrecht, ein modernes Beamtenrecht schaffen –
icht gegen die Betroffenen, sondern mit den Betroffe-
en. Die Basis ist das, was BMI, Deutscher Beamten-
und und Verdi miteinander vereinbart haben.

Das aktuelle Thema ist nun das Weihnachtsgeld.
ahrscheinlich geht es auch manch anderem so wie mir:

ormittags beantworte ich die Briefe empörter Bürger,
ie schreiben: Jetzt müsst ihr aber mal den öffentlichen
ienst ein bisschen zur Sanierung der Staatsfinanzen
eranziehen. – Nachmittags beantworte ich die Briefe
mpörter Beamtinnen und Beamten, die sich darüber be-
lagen, dass sie erneut zu ungerechtfertigten Sonder-
pfern herangezogen werden. Jeder meint natürlich, dass
r Recht hat, und irgendwo hat auch jeder Recht. Das ist
as Fatale an dieser Situation.

Es wäre gut, wenn diese Frage Besoldung/Versor-
ung – hier geht es auch um die Versorgung derjenigen,
ie sich im Ruhestand befinden – nicht den Haushaltspo-
itikern allein überlassen würde, sondern – das ist unsere
itte, Herr Bundesinnenminister – dass auch der Innen-
usschuss des Deutschen Bundestags Gelegenheit er-
ielte, sich mit dieser Fachfrage zu beschäftigen.

Die Verwaltungsausgaben für den Schwerpunkt Per-
onal betragen etwa 15 Milliarden Euro. In der Koalition
st verabredet worden, dass der Sparbeitrag pro Jahr
Milliarde Euro betragen soll, im Wesentlichen aufge-

racht durch eine Reduzierung des Weihnachtsgeldes
nd eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf
1 Stunden. Wie das ausgestaltet wird, muss noch disku-
iert werden. Dass wir bei den Einsparbemühungen um






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach
den öffentlichen Dienst, um die Verwaltungs- und Perso-
nalausgaben, keinen Bogen schlagen können, ist richtig.
Wie wir das ausgestalten, müssen wir in diesem Hause,
wie gesagt, noch diskutieren.

Dabei sollten wir allerdings eines bedenken: Wenn es
gegen die Beamten geht, gibt es in jeder Versammlung
Applaus.


(Dr. Max Stadler [FDP]: So ist es!)


Aber bevor jetzt Schadenfreude ausbricht, füge ich
hinzu: Wenn es gegen die Politiker geht, gibt es genauso
lauten Applaus.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Noch mehr! – Weitere Zurufe von der SPD: Noch mehr!)


– Oder noch mehr Applaus. – Die Beamtinnen und Be-
amten haben deswegen einen Anspruch darauf, dass wir
fair mit ihnen umgehen.


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


Wenn man einmal addiert, was wir diesem Personenkreis
in den letzten Jahren zugemutet haben – seit 1998 hat es
keinen realen Anstieg der Löhne mehr gegeben, wir ha-
ben das Urlaubsgeld gestrichen, wir haben die Arbeits-
zeit zweimal verlängert, wir haben die Beihilfe
gekürzt –, kann niemand behaupten, dass die Mitarbeiter
des öffentlichen Dienstes keinen Konsolidierungsbeitrag
geleistet hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Sinne – das ist die Schlussbemerkung – ha-
ben sie einen fairen Umgang verdient. Der Hinweis, dass
sie sich in einem sicheren, unkündbaren Arbeitsverhält-
nis befinden, ist richtig; aber damit kann man natürlich
nicht alles rechtfertigen. Deswegen müssen wir auf der
einen Seite fair mit den Beamtinnen und Beamten umge-
hen, ihnen auf der anderen Seite aber auch deutlich ma-
chen, dass wir den öffentlichen Dienst bei den notwendi-
gen Einsparungen nicht ausnehmen können.

Danke fürs Zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600406000

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz,

SPD-Fraktion.


(Zuruf von der SPD: Alles loben, Dieter!)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1600406100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich räume ein, dass wir Innenpolitiker vermutlich häufi-
ger über Fragen der Sicherheit als über Fragen der Frei-
heit reden. Das liegt vielleicht ein wenig in der Natur der
Sache. Ich höre häufig, auch in der heutigen Debatte,
Freiheit und Sicherheit gehörten doch zwingend zuein-
ander; der eine Wert sei die Kehrseite des jeweils ande-
ren. Ich bin da ein ganz klein wenig anderer Auffassung.
Ich bin der Auffassung – da spreche ich nur für mich –,

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(C (D ass die Freiheit noch ein wenig wichtiger ist als die Siherheit. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Bundeskanzlerin Merkel hat das heute Morgen
n einem anderen Zusammenhang hervorgehoben, mehr
nter dem Stichwort Wirtschaftsfreiheit und unter ähnli-
hen Aspekten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unternehmensfreiheit meint sie immer, wenn sie von Freiheit redet!)


ür mich sind die beiden zentralen Werte unseres Landes
reiheit und Menschenwürde. Eine ganz konkrete Er-
ahrung dieser Tage zeigt es: Frau Susanne Osthoff und
hr Fahrer, deren Schicksal heute hier in vielen Reden zu
echt angesprochen worden ist, leben erst sicher, wenn

ie frei sind. Deswegen ist nach meinem Verständnis
bei allem Respekt vor dem Anspruch des Staates,
enschen vor Verbrechen zu schützen, worüber wir als

nnenpolitiker natürlich sehr häufig reden – Freiheit im
weifel immer noch etwas wichtiger.

Es ist völlig richtig, dass es in diesem Rechtsstaat
undesrepublik Deutschland keine totale Sicherheit ge-
en kann. Leben ist gefährlich und bestimmte Risiken
önnen wir nicht ausschließen. Insoweit ist der freie
echtsstaat immer ein imperfekter Staat. Das ist, denke

ch, die Ordnungsvorstellung, die uns alle eint, meine
ehr verehrten Damen und Herren. Deswegen bitte ich
ehr darum, dass niemand hier die Arroganz aufbringt,
u sagen, Freiheit und Bürgerrechte seien der Anspruch
iner einzelnen Fraktion.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt in der Regierungserklärung nicht vor!)


ch gehe davon aus, dass wir alle, die wir hier sitzen, der
reiheit und der Rechtsstaatlichkeit dienen, jeder auf
eine Weise.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich verwahre mich dagegen, dass hier Gespenster-
ebatten geführt werden. Der Rechtsstaat bekämpft Ver-
rechen, auch Terrorismus, ausschließlich in den Gren-
en des Rechtsstaates. Wir streiten hier über die
nstrumente des Rechtsstaates, aber die rote Linie ist
n diesem Hause doch noch nie in Zweifel gezogen wor-
en. Die rote Linie beginnt nicht erst bei Folter, sondern
ie beginnt nach meiner festen Überzeugung früher.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Dr. Max Stadler [FDP]: Viel früher!)


Datenschutz ist nichts Überflüssiges. Datenschutz ist
ürgerrecht; Datenschutz ist ein Grundrecht.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Jawohl!)


ber wir müssen doch das Recht haben, Herr
r. Stadler, selbstkritisch zu beurteilen






(A) )



(B) )


Dr. Dieter Wiefelspütz

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum steht das nicht in der Koalitionsvereinbarung?)


– Herr Wieland, hören Sie doch einmal zu! –, an welcher
Stelle Datenschutz unbeabsichtigt dazu führt, dass
schwerwiegende Verbrechen nicht aufgeklärt werden
können. Das kann doch niemand wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich bekenne mich dazu, dass wir im Deutschen Bundes-
tag beim Autobahnmautgesetz Unfug gemacht haben.
Das ist meine feste Überzeugung. Wer dies konkret un-
tersucht, kann gar nicht zu einem anderen Ergebnis kom-
men.

Wir wollen doch nicht den Onlinezugriff auf alle Da-
ten. Auch der Bundesinnenminister hat dies nicht vorge-
tragen. Wenn auf einer Autobahnraststätte ein Tötungs-
delikt verübt wird und ein LKW im Spiel war, dann wird
nicht auf alle Mautdaten Deutschlands zugegriffen, son-
dern nur für ein paar Stunden auf die Daten der nächsten
Mautstelle, beispielsweise 600 Meter vor dieser Auto-
bahnraststätte. Das soll gegenwärtig nicht möglich sein?
Wer das für Datenschutz hält, der allerdings pervertiert
Datenschutz zum Täterschutz. Das wollen wir alle doch
nicht. So etwas kann doch nicht wahr sein!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei der CDU/CSU)


Ich bitte alle, bei diesem Thema auf dem Teppich zu
bleiben. – Ich bitte Sie um Nachsicht, wenn ich an dieser
Stelle leidenschaftlich werde. Denn Unfug darf der
Deutsche Bundestag nicht veranstalten.


(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


Ich sage das selbstkritisch, weil wir dieses Gesetz ein-
stimmig verabschiedet haben.


(Weitere Zurufe des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


– Herr Dr. Gerhardt, ich freue mich auf eine konkret ge-
führte Debatte, weil ich Ihnen gerne die Chance einräu-
men möchte, die Überprüfung mit uns gemeinsam
durchzuführen. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen,
dass Sie an dieser Stelle gegen vernünftige Regelungen
sind.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600406200

Herr Kollege Wiefelspütz, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage der Frau Kollegin Stokar?


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1600406300

Gerne. Dann kann ich mich abregen.


(Zuruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU] – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)


– Die Fragen sind verabredet gewesen.

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(C (D Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Kollege Wiefelspütz, ich frage Sie ganz kühl

nd nüchtern: Haben Sie die Koalitionsvereinbarung je-
als gelesen?


(Lachen bei der SPD)


Ich möchte Sie auf zwei Punkte hinweisen. Der Be-
riff „Bürgerrechte“ kommt in Ihrer Koalitionsvereinba-
ung nicht vor. Datenschutz findet nur in einem Halbsatz
rwähnung, wo es heißt, dass Datenschutz an bestimm-

en Stellen nicht Hindernis sein darf.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1600406400

Sehr geschätzte Frau Kollegin Stokar, ich habe

benso wenig wie der Amtsvorgänger von Frau
r. Merkel die Koalitionsvereinbarung gelesen. Aber ich
abe die Koalitionsvereinbarung in Sachen Innenpolitik
itgestaltet.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und ich habe mich immer daran gehalten! Das war wohl ein Fehler!)


ch war bei allen Sitzungen dabei und weiß, worüber wir
esprochen haben. Ich finde den Prüfvorbehalt, Frau
tokar, ob nicht möglicherweise Datenschutz punktuell
nd unbeabsichtigt dieses und jenes verhindert, völlig in
rdnung. Wir prüfen das. Wir können das gemeinsam
rüfen; Sie werden mit dabei sein. Dann wird man zu ei-
em Ergebnis kommen.

An einer anderen Stelle steht, dass Datenschutz und
atensicherheit weiterentwickelt werden müssen.


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Das steht drin!)


as ist doch eine Selbstverständlichkeit. Sie haben die
oalitionsvereinbarung zwar nicht mit erarbeitet. Aber
ie können sie lesen. Ich zeige Ihnen nachher die betref-
ende Stelle. Es ist dort auf ausdrücklichen Wunsch von
rau Ministerin Zypries eine Passage enthalten, dass der
atenschutz dazugehört. Zu einem modernen Rechts-

taat gehört eine Weiterentwicklung des Datenschutzes.
as ist nichts Überflüssiges. Merken Sie sich das bitte,
rau Stokar!


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Ich merke mir das! Wir werden das einfordern!)


Lassen Sie mich jenseits der Fragen der Sicherheit
us gegebenem Anlass noch Folgendes sagen. Die ele-
entaren rechtsstaatlichen Grenzen gelten in
eutschland für alle: für deutsche Behörden, aber auch

ür Menschen, die sich aufgrund internationaler Verein-
arungen in Deutschland bewegen. Ich bin gegen jede
rt von Vorverurteilung. Aber die Europäische Men-

chenrechtskonvention, das Allgemeine Völkerrecht und
nsbesondere auch das Grundgesetz gelten an allen Stel-
en Deutschlands: am Boden, in der Luft und seewärts
uf deutschem Staatsgebiet. Ich wollte das mal gesagt
aben.






(A) )



(B) )


Dr. Dieter Wiefelspütz
Der Bundesinnenminister hat unsere ausdrückliche
Unterstützung, wenn er hervorhebt, dass Integration
eine zentrale Aufgabe dieses Staates ist, keineswegs nur
des Bundes, sondern auch der Länder, der Gemeinden,
der Sportvereine, was immer Ihnen dazu einfällt. Dies ist
eine der ganz großen Aufgaben.

Es ist eine elementare Verkürzung, zu glauben, das al-
les sei ausschließlich eine Frage der Sprache. Sicherlich,
es geht auch um die Sprache. Aber nur derjenige kann
sich in diesem Land zu Hause fühlen, der deutsch
spricht, der eine Chance hat, Bildungsabschlüsse wie je-
der andere auch zu machen, der einen Arbeitsplatz bzw.
einen Ausbildungsplatz findet, der spürt, dass in dieser
Gesellschaft seine kulturelle Identität ernst genommen
und seine Religion geachtet wird. An manchen Stellen in
Deutschland läuft das gut und an manchen Stellen müs-
sen wir eine ganze Menge aufholen. Ich finde es sehr
wichtig – das eint uns –, dass Fragen der Integration
nicht in erster, zweiter und dritter Linie als Sicherheits-
problem gesehen werden, sondern als eine integrale ge-
sellschaftliche Aufgabe für dieses Land.

Wir werden die Verfassungswirklichkeit, den Geist
dieses Landes daran messen müssen, wie wir mit den
Menschen umgehen, die zu uns kommen. Letzten Endes
geht es darum, dass die Menschen, die zu uns kommen,
gleichberechtigt in diesem Lande zu Hause sein können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist mir wichtig, dies zum Schluss noch gesagt zu ha-
ben.

Herzlichen Dank für Ihr Zuhören.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600406500

Zu diesem Themenbereich liegen uns keine weiteren

Wortmeldungen vor.

Wir kommen dann zu dem Bereich Recht. Dazu rufe
ich außerdem die Tagesordnungspunkte 2 und 3 auf:

2 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundes-
notarordnung

– Drucksache 16/106 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

3 Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes

– Drucksache 16/88 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss

Ich erteile das Wort der Bundesministerin für Justiz,
Frau Brigitte Zypries.

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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie auch ich etzt sagen darf! n der Rechtspolitik können wir an die erfolgreiche Areit der vergangenen Jahre anknüpfen, nd dies auch unter den veränderten politischen Mehreiten. Beide Koalitionspartner haben ihre guten Ideen rfolgreich durchgesetzt. Auf die nicht ganz so guten orschläge haben wir übereinstimmend relativ schnell erzichten können. Hierfür und für die konstruktiven nd guten Verhandlungen möchte ich allen Beteiligten ehr danken, insbesondere dem Verhandlungsführer der DU/CSU, dem Herrn Kollegen Bosbach. (Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Ich danke für die Kartoffel mit Quark! – Heiterkeit)

Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1600406600

(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Jederzeit wieder, Herr Bosbach.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es jetzt jede Woche! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Hätte ich doch nichts gesagt!)


Was also haben wir für die nächsten vier Jahre verein-
art? Es wird – dies war eben schon Gegenstand der De-
atte – um das Strafrecht, das Strafprozessrecht und die
rage des grundsätzlichen Ausgleichs zwischen den
rundrechtlich garantierten Freiheiten der Menschen und
em Anspruch auf Sicherheit gehen. Bürgerrechte dür-
en nicht – darin sind wir uns einig – ohne Maß einge-
chränkt werden und der Schutz der Bürgerinnen und
ürger vor Kriminalität sowie die damit verbundenen
ingriffe in ihre persönlichen Freiheitsrechte müssen in
inem angemessenen Verhältnis dazu stehen: So viel
reiheit wie möglich, so viel Sicherheit wie nötig. Die-
en Maßstab werden wir auch in Zukunft befolgen. Wir
aben es in der vergangenen Legislaturperiode nicht an-
ers getan.

Wir sind wir uns darin einig, dass wir die Kriminalität
uf allen Ebenen bekämpfen wollen. Deswegen ist es
icht richtig, nur vom Terrorismus zu reden. Wir wollen
irksame Strafgesetze schaffen und da, wo es erforder-

ich ist, Lücken ausfüllen. Ich nenne als Beispiele das
talking oder die Zwangsprostitution.

Zur effektiven Strafverfolgung ist es unabdingbar,
traftaten möglichst zügig aufzuklären. Dazu brauchen
ir Hilfsmittel. Wir sind deshalb übereingekommen, das
echt der Telekommunikationsüberwachung zu überar-
eiten und eine stimmige Gesamtregelung vorzulegen.
as hatten wir uns schon für die letzte Legislaturperiode
orgenommen. Dazu reichte aber nicht die Zeit. Wir
erden dies deshalb in dieser Legislaturperiode ange-
en.

Wir haben uns auch darauf verständigt, eine Kron-
eugenregelung einzuführen. Eine solche Regelung, die
ätern in besonderen Einzelfällen die Möglichkeit der






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
Strafmilderung bietet, ist, wie wir alle wissen, nicht ganz
unproblematisch und wird kontrovers diskutiert.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man wohl sagen! Das geht bis zum Erlass, nicht nur Milderung! – Joachim Stünker [SPD]: Nicht Erlass, sondern Absehen, Herr Kollege! Wenn schon, dann genau!)


In der Praxis heißt es aber, dass es dieser Regelung be-
darf. Ich erinnere an die letzte Entscheidung aus Düssel-
dorf und die mahnenden Worte des Vorsitzenden Rich-
ters. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns nicht
leichtfertig über die Bedenken hinwegsetzen werden.


(Beifall bei der SPD)


Der Vorschlag, den wir machen wollen, ist ein Kom-
promiss zwischen abstrakten Grundsätzen und prakti-
schen Notwendigkeiten der Strafverfolgung und ent-
spricht den Forderungen der gerichtlichen und
staatsanwaltschaftlichen Praxis, mit der wir schon in der
letzten Legislaturperiode den Diskurs gesucht haben.
Seien Sie sich sicher, dass wir darauf achten werden,
dass der Entwurf nicht zu Verwerfungen im Strafrecht
führt.

Die Regelungen zur erleichterten DNA-Speicherung
und zur akustischen Wohnraumüberwachung haben wir
am Ende der letzten Legislaturperiode bereits verab-
schiedet. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf ver-
ständigt, diese Regeln in der Praxis zunächst einmal zu
testen, sie dann ordnungsgemäß zu evaluieren und dann
zu sehen, ob es Bedarf gibt, die Regelungen als solche
zu ändern.

Damit habe ich einen Grundsatz angesprochen, der
die Arbeit der neuen Bundesregierung in der Rechtspoli-
tik prägen wird: Wir werden uns nicht scheuen, neue Ge-
setze zu schaffen oder bestehende Gesetze zu ändern,
aber immer erst nach einer sorgfältigen Analyse; denn
kluge Rechtspolitik besteht auch und gerade darin, zu-
nächst zwischen den verschiedenen Interessen abzuwä-
gen und dann zu entscheiden, ob Gesetze für eine andere
Gewichtung erforderlich sind.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist immer nur schärfer geworden, nie milder!)


– Herr Ströbele, waren Sie vielleicht in den letzten sie-
ben Jahren beteiligt?

Wir werden deshalb auch keinen Paradigmenwechsel
im Jugendstrafrecht vornehmen. Der Erziehungsge-
danke des Jugendstrafrechts wird auch bei der großen
Koalition im Mittelpunkt stehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP])


Lediglich in einem Punkt wird im Koalitionsvertrag
Handlungsbedarf festgestellt: Die nachträgliche Siche-
rungsverwahrung wird – natürlich in engen Grenzen –
auch für die Täter eingeführt, die nach dem Jugendstraf-
recht verurteilt wurden, aber zum Zeitpunkt ihrer Entlas-

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(C (D ung erwachsen sind. Dies soll nur bei solchen Tätern öglich sein, die wegen schwerster Straftaten gegen das eben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle elbstbestimmung verurteilt worden sind. Klar muss ein, dass es eine generelle Gleichstellung von Jugendlihen und Erwachsenen nicht geben kann. (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie Hürden für die Anordnung der Sicherungsverwah-
ung müssen bei Jugendlichen und Heranwachsenden
öher sein, so wie wir es in der letzten Legislaturperiode
ereits bei der Sicherungsverwahrung für Heranwach-
ende, die nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wur-
en, gemacht haben.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hatte man noch die Grenze nach unten! Die wollen Sie jetzt aufheben! Jetzt sollen ja auch Jugendliche in die Sicherungsverwahrung!)


Nein, es sollen keine Jugendlichen in die Sicherungs-
erwahrung. Es geht um Erwachsene, die einstmals nach
ugendstrafrecht verurteilt worden sind.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch wohl ein Unterschied!)


ie sind ja mit 18 Jahren erwachsen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das können auch 20-Jährige sein! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist ein Problem der Intellektuellen!)


ir diskutieren dies dann, wenn der Gesetzentwurf vor-
iegt, aber nicht jetzt, Herr Kollege.

Ich möchte gerne auf andere Themen eingehen, die
uch mit Rechtspolitik zu tun haben, aber nicht mit dem
trafrecht – das überwiegt ja oft –, und zunächst kurz auf
en Datenschutz Bezug nehmen. Es ist in der Tat so, wie
err Wiefelspütz vorgetragen hat, dass das Datenschutz-

echt – das geschah auch aufgrund meiner Initiative –,
rundsätzlich überarbeitet werden soll. Wahrscheinlich
st Ihnen, Frau Kollegin, bei aller Leidenschaft für das
atenschutzrecht entgangen, dass es heute doch eine
enge an Veränderungen gibt, die von dem geltenden
echt gar nicht mehr erfasst werden; man kann das ja
uch einmal so herum sehen. Der Online-Zugriff bei-
pielsweise ist überhaupt nicht mehr geregelt, wenn man
ur von „Übermittlung“ redet.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollten wir schon 1998 machen!)


ann heißt es nämlich immer: Einer sendet etwas. Des-
egen haben wir gesagt: Wir müssen das Datenschutz-

echt einmal gründlich angehen und grundsätzlich über-
rbeiten. Dabei müssen wir auch – ich bitte, das jetzt
icht falsch zu verstehen – bestimmte bürokratische
egelungen abschaffen. Beispielsweise gibt es noch
eldepflichten für diejenigen, die in der Nähe dieser
otte, die es in Berlin in den Kastanien gibt, leben.






(A) )



(B)


Bundesministerin Brigitte Zypries

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kastanienminiermotte!)


Über die Zweckmäßigkeit solcher Bestimmungen kann
man sich in der Tat streiten. Deswegen haben wir gesagt:
Es macht Sinn, einmal zu schauen, ob es nicht auch
wirklich völlig widersinnige Regelungen gibt. Der Koa-
litionsvertrag sieht deshalb im Abschnitt V unter Punkt 2
dazu eine Regelung vor. Das gehört nicht zum Bereich
des Innern, sondern steht an anderer Stelle. Wer den
Koalitionsvertrag ganz liest, findet das aber.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freiheit für die Miniermotte!)


Was die anderen Bereiche und das Leben in einer mo-
dernen, sich wandelnden Gesellschaft anbelangt, zu der
auch der Datenschutz gehört, würde ich gerne kurz die
Möglichkeit ansprechen, die wir im Unterhaltsrecht
schaffen wollen, den Unterhaltsanspruch zu verändern.
Das Projekt kennen Sie schon, das ist schon auf dem
Weg. Die Eigenverantwortung von Ehegatten in und
nach der Ehe soll gestärkt werden, ebenso wie klar sein
soll, dass Kinder die ersten sind, die in Mangelfällen un-
terhaltsberechtigt sind.

Wir haben der Tatsache Rechnung getragen, dass un-
sere Gesellschaft toleranter geworden ist und unter-
schiedliche Lebensentwürfe akzeptiert sowie auf Min-
derheiten Rücksicht nimmt. Dies ist vor allem ein
Verdienst der Gesellschaft, wird aber selbstverständlich
auch durch die Rechtspolitik begleitet. Von dieser
Rechtspolitik wird manchmal gesagt, sie bestehe aus rei-
nen Programmsätzen; sie führt aber tatsächlich zu einem
veränderten Verhalten, wie wir gerade in einer rechtstat-
sächlichen Untersuchung zu dem Programmsatz „Kinder
dürfen nicht geschlagen werden“ festgestellt haben. Das
Bewusstsein in der Bevölkerung hat sich in der Tat mas-
siv verändert.


(Beifall bei der SPD)


Unser Ziel ist es also, Gleichbehandlungsrichtlinien
zügig umzusetzen. Wir sind uns einig, dass wir die
Richtlinien im Arbeitsrecht eins zu eins umsetzen wer-
den. Es gibt aber keine Festlegung im Koalitionsvertrag,
dass die Umsetzung der anderen Richtlinien ohne andere
Merkmale erfolgen soll. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich
werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass Menschen
bei so genannten Massengeschäften des täglichen Le-
bens und beim Abschluss von Versicherungen nicht we-
gen Behinderung, Alter, sexueller Orientierung, Religion
oder Weltanschauung diskriminiert werden.


(Beifall bei der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bleiben Sie hart!)


Zur Akzeptanz neuer Lebensentwürfe gehört auch,
dass wir gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften
gerecht behandeln. Deswegen bleibt auch auf der Tages-
ordnung, die Gleichbehandlung von Homosexuellen
auch im Steuerrecht oder im Beamtenrecht vorzusehen.
Es kann nicht sein, dass wir ihnen dieselben Pflichten
auferlegen wie Verheirateten, ihnen aber bei den entspre-
chenden Vergünstigungen nicht dieselben Rechte geben.
Das halte ich nicht für richtig.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Unsere Gesellschaft wird immer älter, die Versorgung
er Menschen – gerade auch die medizinische Versor-
ung im Alter – immer besser. Wir diskutieren deshalb
chon seit einer ganzen Zeit das Thema Patientenverfü-
ung. Wir haben es auch in den Koalitionsvertrag aufge-
ommen. Wir waren uns beim Abschluss des Koalitions-
ertrages einig, dass das nichts ist, was vonseiten der
egierung kommen sollte, sondern etwas, was aus der
itte des Bundestages kommen sollte. Es geht um
rundfragen der menschlichen Selbstbestimmung, um

thische, moralische und religiöse Überzeugungen. Par-
eipolitische Festlegungen sollte es in dem Bereich nicht
eben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


eshalb wird die Bundesregierung keinen Entwurf vor-
egen. Ich verbinde das aber mit der Bitte an das Hohe
aus, dass wir möglichst schnell ein Gesetz auf den Weg
ringen oder auch zwei Gesetze zur Abstimmung stel-
en. Ich habe nach all den Briefen und nach all den Dis-
ussionen, die ich dazu geführt habe, den Eindruck, dass
ie Bürgerinnen und Bürger in der Tat erwarten, dass an
ieser Stelle mehr Rechtsklarheit geschaffen wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Worte
um Wirtschaftsrecht sagen: Sie wissen, dass wir im-
er dafür eintreten, Verbraucherinnen und Verbrauchern

ie für ihre vernünftigen Entscheidungen notwendigen
nformationen zu geben. Das gilt in allen Bereichen. Wir
ollen das auch weiterhin machen. Eines Schutzes be-
ürfen sie dennoch. Wir wollen beim Versicherungsver-
ragsgesetz einen etwas gerechteren Interessenausgleich
ugunsten der Versicherten vorsehen, indem die Ab-
chlussgebühren künftig über einen längeren Zeitraum
erteilt werden, sodass man die Chance hat, einen Teil
einer zwei Jahresbeiträge zurückzuerhalten, wenn man
ach zwei Jahren den Versicherungsvertrag kündigt.

Wir werden das Urheberrecht novellieren, das wissen
ie, und ferner werden wir das GmbH-Recht reformie-
en. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verstän-
igt, nicht nur die Eingangssumme abzusenken, sondern
uch eine umfassende Reform vorzunehmen. Natürlich
ird auch für diesen Bereich gelten, dass wir die Mög-

ichkeiten der elektronischen Medien stärker nutzen wol-
en, beispielsweise indem wir elektronische Anmeldun-
en zum Handelsregister ermöglichen.

Ein Thema, das insbesondere die Länder betrifft, ist
ie Modernisierung der Justiz, die so genannte große
ustizreform. Die werden wir mit den Ländern ange-
en. Wir wollen insbesondere in dem Bereich, in dem es
m verständliche, überschaubare und einheitliche Ver-
ahrensstrukturen geht, Fortschritte erzielen. Ich meine,
as ist ein Thema, bei dem der Bundestag, ohne Sorge zu
aben, es könne zu einem Rechtsverlust kommen, ohne
)






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
weiteres mitmachen kann. Dabei wird es unter anderem
um das Wohnungseigentum und die freiwillige Gerichts-
barkeit gehen, die wir gemeinsam novellieren wollen.

Das waren nur einige Vorhaben von den zahlreichen,
die im Bundesministerium der Justiz in jeder Legislatur-
periode angegangen werden. In den letzten sieben Jahren
sind, wie ich heute gelernt habe, 975 Gesetze aus dem
Justizministerium gekommen. Vielleicht ist auch hier ein
Ansatz für Reformen darin zu sehen, künftig weniger zu
machen. Herr Schäuble, da haben Sie völlig Recht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600406700

Das Wort hat nun die Kollegin Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger von der FDP-Fraktion.


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1600406800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Kolle-

ginnen und Kollegen! Ihre letzte Bemerkung, Frau
Ministerin, galt dem Bürokratieabbau. Bei solchen Gele-
genheiten wird immer die Anzahl der Gesetze genannt,
die neu geschaffen wurden. Von daher ist Bürokratie-
abbau anscheinend eine unendliche Aufgabe.

Es ist ja schön, dass in der Debatte zur Innenpolitik
wie auch in der zur Rechtspolitik die Grundrechte und
Bürgerrechte sehr häufig genannt wurden. Aber dann
ist es auch notwendig, zu schauen, wer denn in den letz-
ten Jahren die Grundrechte geachtet und gestärkt hat.


(Joachim Stünker [SPD]: Wir!)


Das war letztendlich in den meisten Fällen das Bundes-
verfassungsgericht, das die Gesetze, die hier von der
Mehrheit durchgedrückt wurden, zu korrigieren hatte.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN – Joachim Stünker [SPD]: Das waren Ihre Gesetze! Es waren nicht unsere!)


– Nein, ich zähle sie Ihnen gleich alle auf. Sie, die SPD,
haben übrigens allen einschlägigen Gesetzen zuge-
stimmt, auch als noch CDU/CSU und FDP regiert haben.
Das wissen wir. Sie sprechen wohl das Gesetz zur akus-
tischen Wohnraumüberwachung an.


(Widerspruch bei der SPD)


Ich denke, die Tatsache, dass es eine Fülle von Urtei-
len des Bundesverfassungsgerichtes gibt und dass meh-
rere Urteile bevorstehen, ist ganz entscheidend, zum
Beispiel zum Luftsicherheitsgesetz oder zur Einschrän-
kung des Fernmeldegeheimnisses; hierbei geht es um die
Durchsuchung und die Beschlagnahme bei einer Richte-
rin. All das zeigt doch, dass zwar über Bürgerrechte
geredet wird, aber wenn konkret in einem Gesetzge-
bungsverfahren abzuwägen ist, wie der unantastbare
Kernbereich der Grundrechte, der durch das Bundesver-
fassungsgericht festgeschrieben ist, tatsächlich geschützt
werden kann, wird argumentiert: Wie kann ich am bes-
ten Urteile des Bundesverfassungsgerichts umgehen und
Regelungen finden? Dabei handelt es sich um Regelun-
gen, die dann in ein paar Jahren wieder aufgehoben wer-
den. Das muss sich ändern.

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(C (D (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da haben Sie, Frau Ministerin, unsere Unterstützung,
enn sich die Politik in dieser Legislaturperiode an die-

en Grundsätzen orientiert. Denn es war ja nicht nur ein
rteil, das Fernwirkung hat. Es betraf zum einen das Ge-

etz zur akustischen Wohnraumüberwachung aus der
etzten Legislaturperiode, das nicht Ihr Gesetz ist. Es
andelt sich zum anderen um das AWG, das Außenwirt-
chaftsgesetz. Heute überweisen wir in erster Lesung ei-
en Gesetzentwurf zur Verlängerung des Zollfahndungs-
ienstgesetzes um weitere zwei Jahre, eines Gesetzes,
as verfassungsrechtlich, um es ganz vorsichtig auszu-
rücken, extrem bedenklich ist.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


eshalb hat es die FDP in der letzten Legislaturperiode
icht mitgetragen. Jetzt wird uns ein Entwurf vorgelegt,
it dem Sie ein verfassungswidriges Gesetz für weitere

wei Jahre in Kraft lassen wollen. Ich denke, das Äu-
erste der Gefühle wäre ein halbes Jahr. Dann müssten
ier im Hause die Hausaufgaben gemacht worden sein,
m in dieser Angelegenheit einen verfassungskonformen
echtlichen Zustand wiederherzustellen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben uns auch mit dem Europäischen Haft-
efehl zu beschäftigen. Hierzu gibt es einen Referenten-
ntwurf aus Ihrem Haus, Frau Ministerin. Es handelt
ich um ein Gesetz aus der letzten Legislaturperiode, das
n Teilen nicht verfassungskonform war. Wenn an einzel-
en Punkten zaghaft und vorsichtig Kritik geäußert
urde, dann wurde entgegnet, man wolle ja nur die euro-
äische Zusammenarbeit behindern und habe eigentlich
ar nicht die Qualifikation bzw. Berechtigung, Kritik-
unkte anzumerken. Jetzt muss das Gesetz natürlich
achgebessert werden.

Sie haben diesen Referentenentwurf vorgelegt. Aber
ch habe vermisst, dass Sie darin nicht einmal mit einem
inzigen Wort darauf eingehen, dass der belgische Ver-
assungsgerichtshof den Rahmenbeschluss zum Euro-
äischen Haftbefehl dem Europäischen Gerichtshof
orgelegt hat, weil er nicht mit den europäischen Ver-
ragsgrundlagen in Einklang zu bringen ist. Es geht kon-
ret um Art. 34 des EU-Vertrages.

Ich denke, im Rahmen der Gesetzgebung im Bundes-
ag, wo es um die Umsetzung geht, sollte man sich viel-
eicht auch einmal damit befassen, welche Bedeutung es
at, dass die Rechtsgrundlage dieses Gesetzes beim
uropäischen Gerichtshof zur grundsätzlichen Überprü-

ung ansteht. Wir als FDP-Fraktion erwarten, dass das in
ieser Legislaturperiode auch mit Blick auf die zahlrei-
hen künftigen Vorhaben im Bereich der europäischen
nnen- und Justizzusammenarbeit geschieht; denn hier
st die Zahl von Rahmenbeschlüssen, Entwürfen und
berlegungen sehr groß.

Wir wissen – auch Sie haben das immer gesagt, Frau
inisterin –, dass Stellungnahmen, die wir im Bundes-






(A) )



(B) )


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
tag abgeben, für Sie rechtlich nicht verpflichtend sind.
Aber wir alle sollten aus der mündlichen Verhandlung
zum Europäischen Haftbefehl vor dem Verfassungsge-
richt gelernt haben, in der uns Parlamentariern klar vor
Augen geführt wurde, dass Gesetze viel zu unkritisch
und viel zu schnell durchgewunken werden, die hinter-
her keinen Bestand hatten.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


Deshalb sage ich für die FDP-Fraktion: Wenn der
Bundestag – ich hoffe: mit großer Mehrheit – seine Posi-
tionen zu den Rahmenbeschlussvorhaben in den Berei-
chen der Strafvollstreckung, der Justizverfahren und der
strafrechtlichen Bestimmungen gefunden hat, sollten
seine Vorstellungen von Ihnen, Frau Ministerin, als
wichtige Aufträge und als Verpflichtungen angesehen
werden. Dann sollte versucht werden, diese Vorgaben im
Rat der Europäischen Union durchzusetzen.

Denn das einzige Recht, das wir Abgeordnete im Be-
reich der europäischen Gesetzgebung haben, ist, dass wir
ein Umsetzungsgesetz in toto ablehnen können. Das
wollen wir aber nicht tun; denn das ist ja nicht konstruk-
tiv. Aber wenn Sie uns keine andere Möglichkeit lassen,
denke ich, darf man diesen Weg – gerade vor dem Hin-
tergrund der Mahnungen der Verfassungsrichter beim
Thema Europäischer Haftbefehl – nicht mehr generell
ausschließen.

Wir sehen, Frau Ministerin, dass es in der Koalitions-
vereinbarung eine Ansammlung von Einzelpunkten gibt.
Es sind auch manche Vorhaben dabei, die wir unterstüt-
zen und bei denen wir Sie konstruktiv begleiten werden,
gerade wenn es zum Beispiel um Stalking oder eine
rechtsstaatliche, eng gefasste Kronzeugenregelung geht,
die diesen Namen auch wirklich verdient und nicht nur
zu einer Milderung des Strafmaßes führt; wir wissen ja
um die rechtsstaatliche Bedenklichkeit dieses Instrumen-
tes. Wir werden Sie auch bei anderen Vorhaben unter-
stützen, zum Beispiel, wenn es tatsächlich zu einer
Unterhaltsrechtsreform sowie zu Änderungen im Fami-
lienrecht und insbesondere beim Versorgungsausgleich
– das sind aus unserer Sicht notwendige Reformen –
kommen sollte.

Was Sie aber bei diesen vielen Einzelvorhaben, die
Sie aneinander reihen, ohne dass man aus ihnen ein kla-
res, grundlegendes und stringentes Konzept für eine zu-
kunftsgerichtete Rechtspolitik erkennen könnte,


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])


haben vermissen lassen, ist, dass Sie kein Wort zur Pres-
sefreiheit gesagt haben.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


Wir halten es angesichts einer Fülle von Fällen – es war
nicht nur ein Einzelfall – im Laufe der letzten Jahre für
notwendig, dass man sich im Bereich der Strafprozess-
ordnung und des Strafrechts nach vorsichtigen, ausge-
wogenen Korrekturen nicht nur umschaut, sondern auch
entsprechende Vorschläge macht. Wir als FDP-Fraktion
werden einen eigenen Vorschlag dazu in die Diskussion
einbringen.

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(C (D Wir hätten uns ebenfalls gewünscht, dass entweder in er Innenoder in der Rechtsdebatte das Thema Datenchutz im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis weigstens einmal angesprochen wird. enn es ist ja richtig: In der Koalitionsvereinbarung teht zum Datenschutz im dritten Absatz des Vorspanns ur Innenpolitik nur: Wir werden Gesetze daraufhin berprüfen, ob der Datenschutz ein Hindernis darstellt. ir sehen im Zusammenhang mit dem Eingriff in das ja owieso nicht uneingeschränkt bestehende Bankgeheimis erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken – auch as Bundesverfassungsgericht prüft das ja derzeit. Ich enke, da ist es dringend notwendig, dass sich die Miniserin, aber auch dieses Haus mit dieser Frage intensiv beassen. Wenn das alles wahr sein soll – Bürgerrechte sollen ine wichtige Rolle spielen; es soll einen richtigen Ausleich geben –, dann muss es, denke ich, in einigen Beeichen der Rechtspolitik zu deutlichen Korrekturen ommen. Wir als FDP-Fraktion werden sie einfordern. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600406900

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Jürgen Gehb, CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1600407000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In vie-

en Zeitungsberichten über die Koalitionsvereinbarung
m Bereich der Rechtspolitik dominierte das Strafrecht.
achträgliche Sicherungsverwahrung – Herr Kollege
ieland: „nachträgliche“ Sicherungsverwahrung


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Sie haben es eben vielleicht phonetisch nicht verstan-
en – heißt, dass ein 17-jähriger Jugendlicher, der wäh-
end seiner Zeit im Strafvollzug gezeigt hat, dass er the-
apieresistent ist, nicht wieder herausgelassen werden
arf, sozusagen als tickende Zeitbombe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


egelungen über Stalking, Zwangsheirat, Zwangsprosti-
ution oder die Kronzeugenregelung seien hier als Stich-
orte genannt – sicherlich alles wichtige und richtige
esetzesvorhaben. Aber wir sollten doch nicht den Ein-
ruck erwecken, als erschöpfe sich die Rechtspolitik da-
in.

Zu Recht hat uns die Bundeskanzlerin heute Morgen
ufgefordert:

Lassen Sie uns mehr Freiheit wagen! Lassen Sie
uns die Wachstumsbremsen lösen! Lassen Sie uns
uns selbst befreien von Bürokratie und altbackenen






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
Verordnungen! Viele unserer europäischen Nach-
barn zeigen uns …, was möglich ist.

Diese Worte und diese Aufforderungen an uns alle
sind auch für die Rechtspolitik gültig: Auch hier gilt es,
auf die Herausforderungen einer veränderten Zeit und ei-
ner veränderten Welt möglichst rasch die passenden Ant-
worten zu geben. Sicherlich können wir auf unsere
Rechtsordnung und unsere Rechtspraxis stolz sein


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freiheit für die Sicherheitsorgane!)


und insgesamt ist unsere Justiz noch immer ein dickes
Plus und ein wichtiger Standortfaktor für Deutschland.
Deswegen sollte man auch mit dem Begriff der „großen
Justizreform“ und allen damit verbundenen Zusammen-
legungen von gewachsenen, traditionellen Fachgerichts-
barkeiten vorsichtig umgehen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wenn man eine Resettaste drücken könnte, könnte man
manches sich anders entwickeln lassen. Die Frage ist
aber, ob man alte Rechtstraditionen jetzt mit einem
Schlag und in Bausch und Bogen verändern sollte. Da
muss man im Detail genau hinschauen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hörte man vorhin ganz anders!)


Dennoch müssen wir immer wieder fragen: Welche
Spielregeln haben im Laufe der Jahrzehnte ein wenig Pa-
tina angesetzt? Welche Spielregeln sind vielleicht viel zu
kompliziert geworden? Und welche neuen Spielregeln
brauchen wir gar, um den Wünschen und Bedürfnissen
unserer Bürger wie auch der Wirtschaft gerecht zu wer-
den? Denken Sie beispielsweise an die Konkurrenz
durch ausländische Rechtsformen, der wir uns in
Europa und in einer globalisierten Welt unweigerlich
stellen müssen! Wir als große Koalition nehmen diese
Herausforderung jetzt an. Wenn inzwischen fast jede
fünfte Neugründung einer Kapitalgesellschaft in
Deutschland in Form einer britischen Limited erfolgt,
dann haben wir darauf eine Antwort zu geben, und zwar
eine Antwort, die so attraktiv ist, dass sie dem einzelnen
Existenzgründer in diesem Land die Flucht in ausländi-
sche Rechtsformen überflüssig macht und selbstver-
ständlich auch unsere Rechtsordnung im Wettbewerb
mit anderen stärkt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Vor diesem Hintergrund ist die verabredete GmbH-
Reform wichtig, richtig und viel bedeutungsvoller, als
manche dies im ersten Augenblick denken. Es gibt
hierzu Vorarbeiten aus dem Haus der Justizministerin;
einzelne Länder haben Überlegungen angestellt und
auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat im Herbst
einen Anstoß zur Schaffung einer so genannten Unter-
nehmensgründungsgesellschaft gegeben. Das ist, wie ich
finde, ein schöner produktiver Wettbewerb der besten
Ideen.

Erlauben Sie mir, einen weiteren Punkt aufzugreifen,
der wichtig ist, wenn wir es schaffen wollen, in Europa

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(C (D ieder aufzuschließen. Wir müssen uns doch ernsthaft ragen, ob das Zusammenspiel zwischen dem geltenden eutschen Planungsund Genehmigungsrecht und den uropäischen Vorgaben nicht dazu geführt hat, dass der ndustrieund Wirtschaftsstandort Deutschland im Konert unserer europäischen Nachbarn stark gelitten hat nd ob er ohne massive Änderungen weiterhin Schaden ehmen wird. Jeder, der das Wort „Vorfahrt für Arbeit“ rnst nimmt – wir stehen in unserer Fraktion dafür ein –, uss für eine baldige Reform des Planungsund Genehigungsrechts eintreten. Wir müssen auch wieder eine Debatte darüber führen, b das Verhältnis zwischen Individualund Gemeinohlinteressen nicht neu justiert werden muss. In meiner eit als Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof abe ich dem Senat für atomrechtliche, imissionsschutzechtliche und abfallrechtliche Verfahren angehört. In assel ist man von zwei Autobahnen umgeben, nämlich on der A 44 und der A 49. Die A 49 dümpelt seit 1 Jahren vor sich hin und endet auf einem Feldweg im irwana. Im 16. Jahr der Wiedervereinigung ist die A 44 erade einmal in einem Teilabschnitt von drei Kilometern ertig gestellt. Während in anderen Staaten inzwischen um 20. Mal der Straßenbelag erneuert wird, fahren wir och mit dem Finger auf der Landkarte herum und suchen ine geeignete Trasse. Aber links gibt es Kaulquappen, echts gibt es Kammmolche, in der Mitte ist ein Trockenasen. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendetwas stimmt nicht mit Kassel! Was ist denn da los?)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eine Damen und Herren, wenn das so weitergeht, dür-
en wir uns nicht wundern, dass alle Großprojekte mit ei-
em Moratorium belegt sind.

Ich warne davor, falsche Begehrlichkeiten und Hoff-
ungen zu wecken, indem man glaubt, nur durch Drehen
eutscher Stellschrauben einen großen Beschleuni-
ungseffekt zu erreichen. Es sind die FFH-Richtlinie, die
ogelschutzrichtlinie und zuletzt die Århus-Konvention,
urch die die Schar der Kläger unendlich ausgeweitet
orden ist. Nicht umsonst steht in § 42 Abs. 2 VwGO,
ass nur derjenige gegen belastende Verwaltungsakte
lagen kann, der selbst betroffen ist. Den „quivis ex po-
ulo“ kennen wir nicht. Aber wir haben ihn eingeführt
it der Folge, dass sich jahrzehntelangen adminis-

rativen Verfahren jahrzehntelange gerichtliche Anfech-
ungsverfahren anschließen. Das muss geändert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD])


Das zeigt, wie eng inzwischen unser nationaler Spiel-
aum geworden ist.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird die SPD-Kollegen freuen, was Sie da sagen!)


eshalb müssen wir aufpassen, dass er zukünftig nicht
och enger wird. Ich meine nicht, dass wir hier zurück-
chrauben können. Aber entscheidend ist doch, meine






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
Damen und Herren, dass wir „in statu nascendi“, also am
Beginn aller europäischen Regelungen, rechtzeitig
Stoppschilder setzen, damit wir als nationale Parlamen-
tarier nicht – wie das jetzt häufig der Fall ist – quasi in
einer Ratifizierungsfalle sitzen und weitgehend nur noch
Vollstreckungsgehilfen europäischer Vorgaben sind.

Bildhaft kann ich mich an eine für Siegfried Kauder
eher ungewöhnlich resignative Äußerung in der Debatte
zum Europäischen Haftbefehl erinnern, als er sagte:

Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden
uns nicht sperren. Wir werden diesem Gesetz zur
Umsetzung des Rahmenbeschlusses mit Tränen in
den Augen und murrend zustimmen, weil wir keine
andere Möglichkeit haben.

Obwohl der Verfassungsvertrag ruht, müssen wir
Überlegungen anstellen, ob man die Beteiligungsrechte
nicht vorab an anderer Stelle – unabhängig von der Rati-
fizierung – implementiert, sodass wir bereits am Anfang,
wenn die europäischen Richtlinien formuliert werden,
unsere nationalen Interessen durchsetzen können. An-
sonsten werden unsere Entscheidungen immer mehr prä-
judiziert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist im Übrigen auch für das Selbstwertgefühl aller
Kolleginnen und Kollegen wichtig, damit sie hinterher
nicht sagen müssen: Ich stehe hier, ich kann nicht an-
ders.

Wenn wir schon beim Thema Wettbewerb innerhalb
Europas sind, will ich kurz einen weiteren Punkt an-
schneiden: Die Koalitionspartner haben vereinbart, dass
die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien umgesetzt werden.
Das ist so, als wenn man vereinbaren würde, dass es nie
wieder Malaria in Berlin geben soll. Es ist doch klar,
dass Richtlinien umgesetzt werden müssen. Das ist gera-
dezu trivial. Ich kann mich daran erinnern, dass wir sie
eins zu eins umsetzen wollten.

Ich habe eben beklagt, dass uns die europäischen
Richtlinien zum Teil zu enge Korsettstangen anlegen,
und kann daher nicht verstehen, weshalb wir hier und
dort noch einmal Anderthalbe draufsetzen. Darüber
muss sicherlich noch mal geredet werden.

Wie unsere Bundeskanzlerin sehe auch ich überhaupt
keinen Grund, warum wir unseren Unternehmen mehr
Lasten aufbürden sollen als den Unternehmen in anderen
Ländern aufgebürdet werden, und dass wir von ihnen
dann auch noch verlangen, dass sie schneller laufen sol-
len. In diesen schwierigen Zeiten sollten wir die Prioritä-
ten wirklich zum Wohle unseres Landes setzen und uns
eng an die Vorgaben halten und sie nicht noch ausweiten.

Meine Damen und Herren, die Bundeskanzlerin for-
derte uns alle heute früh auf: Lassen Sie uns verzichten
auf die eingeübten Rituale, auf die reflexhaften Auf-
schreie, wenn wir etwas verändern wollen! Es sollte
wirklich möglich sein, dass wir das hinter uns lassen. –
Diese Aufforderung, diese Bitte um ein offenes und fai-
res Gespräch möchte ich an alle Kolleginnen und Kolle-
gen in diesem Haus, aber auch an alle außerhalb dieses

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(C (D auses richten, wenn es um die Modernisierung des trafrechts für junge Erwachsene geht. Hören Sie doch mit dem Märchen auf, dass immer geagt wird, dass Jugendliche härter bestraft werden solen! Ein 18-Jähriger ist kein Jugendlicher! Er will sich uch sonst nirgendwo als Jugendlicher behandeln lassen. r ist ein Erwachsener! Es ist nicht einzusehen, dass ein 19-jähriger Mörder ls Haupttäter mit acht Jahren Freiheitsstrafe davonommt, während ein 22-jähriger Anstifter mit lebensänglich aus dem Gerichtssaal herausgeht. Diese Debatte uss man führen dürfen, ohne dass man gesagt be ommt: Härter, schneller und immer auf die armen Juendlichen. Das muss man in diesem Haus einfach deattieren dürfen. (Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch wird das wird die Kollegen von der SPD sehr freuen! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Meine Güte!)


(Zurufe von der LINKEN)


Auch in der Rechtspolitik hat sich diese Koalition viel
orgenommen, weil wir sicher sind, dass vieles möglich
st. Frau Ministerin, liebe Brigitte,


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


ch denke an die fast freundschaftliche Atmosphäre bei
nseren Koalitionsverhandlungen und möchte mich an
ieser Stelle für die freundschaftliche Bewirtung recht
erzlich bedanken. Damit verbinde ich eine Hoffnung:
ch hoffe, dass das Ergebnis für die Rechtspolitik in un-
eren Koalitionsverhandlungen nicht ganz so mager wie
ie Pellkartoffel mit dem Quark ist.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksam-
eit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600407100

Das Wort hat nun der Kollege Wolfgang Neskovic

on der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Neskovic (Plos):
Rede ID: ID1600407200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Im Gegensatz zu meinem Vorredner bin ich der
uffassung, dass die Festlegungen im Koalitionsvertrag

nttäuschen. Insgesamt belegen sie den geringen Stellen-
ert, den Sie der Rechtspolitik beimessen. Sie wird als
tiefkind und lästige Nebensache bezeichnet.


(Dirk Manzewski [SPD]: Wo steht denn das im Vertrag?)


ie Debatte hier hat deutlich gezeigt: Die Rechtspolitik
ird vornehmlich auf die Begriffe Sicherheit und Frei-
eit reduziert.






(A) )



(B) )


Wolfgang Neskovic
Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Buch-
halterischer Fleiß bei der Aufzählung von Gesetzen
reicht sicherlich nicht.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Eine schwache Rede, die er auch noch abliest!)


Am Beginn des 21. Jahrhunderts sind gerade Sie als So-
zialdemokraten für sehr viel mehr als für Sicherheit und
Freiheit verantwortlich, wenn Sie Ihre Arbeit gut ma-
chen wollen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Heben Sie mal das Niveau und lassen Sie die Plattitüden!)


Lesen Sie bei Rousseau nach, was Sie uns nicht glauben:

Zwischen dem Starken und dem Schwachen befreit
das Gesetz, während die Freiheit unterdrückt.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Starke braucht weder den Staat noch das Recht.
Er hat die Macht. Der Schwache braucht den Staat
und das Recht – sie schützen ihn vor dem Starken.


(Dirk Manzewski [SPD]: Wer macht denn Verbraucherschutzrecht? Das machen wir doch!)


Die friedensstiftende Kraft des Rechts und seine sozial-
staatliche Fundierung werden bei Ihnen nicht erkennbar.


(Dirk Manzewski [SPD]: Das ist doch Quatsch! – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist erstes Semester!)


– Meine Herren, bleiben Sie doch ruhig. Sie wirken ir-
gendwie aufgeregt.


(Dirk Manzewski [SPD]: Überhaupt nicht! Ich sage nur ganz ruhig, dass das Quatsch ist!)


Sie wissen ja, dass ich einmal in Ihrer Partei war, und ich
weiß, warum ich ausgetreten bin. Dafür gab es gute
Gründe. Sie machen nämlich keine sozialstaatliche Poli-
tik mehr.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Peter Danckert [SPD]: Opportunist!)


Ich setze noch eines obendrauf: Wenn die Linkspartei
die Regierung stellen würde und für die Rechtspolitik
verantwortlich wäre, dann könnten die Bürger in diesem
Land zumindest auf mehr Gerechtigkeit hoffen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Die vom Neuen Deutschland konnten bei der Pressefreiheit noch lauter klatschen! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Spätestens dann tritt er auch aus der Linkspartei aus!)


Voltaire hat einmal gesagt, das Vorurteil sei die Ver-
nunft der Narren.


(Dirk Manzewski [SPD]: Meine Herren!)


Sie sind dabei, ihm in diesem Punkt Recht zu geben.

Eine linke Rechtspolitik tritt für soziale Gerechtigkeit
und Freiheitsrechte,

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(C (D ie Solidarität der Menschen gegen die Vernichtung urch Krieg, die innere Demokratisierung von Gesellchaft und Justiz, die Gleichheit aller, die Gleichberechigung der Geschlechter und den Schutz der Minderheien sowie die Bewahrung der Lebensgrundlagen ein. Ich abe von Ihnen kein Programm gehört. Dies hier ist ein chtes Programm, an dem sich Rechtspolitik messen ässt. (Beifall bei der LINKEN – Dirk Manzewski [SPD]: Sagen Sie doch einmal konkret, was Sie wollen!)


(Beifall bei der LINKEN)


Wir treten für die Unabhängigkeit der Richterinnen
nd Richter ein


(Dirk Manzewski [SPD]: Was denn? Das wollen wir auch!)


nd schützen sie vor Einflüssen, die dagegen gerichtet
ind. Das Grundgesetz hat die Rechtsprechung den Rich-
ern anvertraut.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wäre der doch nur Richter geblieben!)


ls Demokrat auf dem Richterstuhl sind sie dem Rechts-
taat ebenso – auch das vergessen Sie – wie dem Sozial-
taat verpflichtet. In diesem Sinne ist der Richter poli-
isch und sollte sich dessen bewusst sein. Aus dem
ozialstaatsgebot folgt die Verpflichtung des Richters,
en Schwächeren vor der Übermacht des Stärkeren zu
chätzen. Zu einem solchen Richterbild bekennen wir
ns.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir werden eine Justizreform, auch wenn sie sich
ine große nennt, bekämpfen, die den Richter zum blo-
en Erledigungsautomaten degradiert. Für eine sozial-
taatliche Justizpolitik darf eine große Justizreform nie-
als durch die Verlockung von Kostenersparnissen in

er Justiz motiviert sein.


(Beifall bei der LINKEN)


m Gegenteil: Wer die Macht des Rechts betonen will,
en trifft auch die Verantwortung, für eine starke und un-
bhängige Justiz zu sorgen. Die dritte Gewalt – das kann
ch aus eigener Erfahrung wirklich sagen – arbeitet der-
eit schlecht ausgestattet und personell unterbesetzt mit
inem durchschnittlichen Haushaltsanteil von 1,5 Pro-
ent.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wären Sie doch da geblieben!)


nter Berücksichtigung ihrer eigenen Einnahmen kostet
ie jeden Bürger des Landes monatlich lediglich 5 Euro.
ehr als eine Pizza ist Ihnen die Justiz nicht wert. Selbst

a wollen Sie noch sparen.


(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleibt das Recht auf Rausch für die Justiz?)







(A) )



(B) )


Wolfgang Neskovic
Für eine sozialstaatliche Justizpolitik kommt ein Ab-
bau von Rechtsmitteln, wie er im Wege der großen Jus-
tizreform angedacht wird, nicht infrage. Zwischen dem
Starken und dem Schwachen befreit nämlich nur das
durchsetzbare Recht. Die Einschränkung von Rechtsmit-
teln trifft ganz vorwiegend denjenigen, der dringend auf
sie angewiesen ist. Sie trifft vor allen anderen den
Schwachen und ist deswegen sozialstaatswidrig.


(Joachim Stünker [SPD]: Das will ja auch keiner!)


In fast allen Völkern galten zu fast allen Zeiten die
Rechtshüter auch als Hüter der Zeit. Sie hüten das Recht
nicht nur in der Zeit, in der sie richten, vielmehr ist Zeit
auch das, was sie für das schwierige Amt brauchen, das
ihnen anvertraut ist, nämlich die Trennung zwischen
Recht und Unrecht. Der Wahrheit Mutter ist die Zeit und
nicht der richterliche Erledigungsautomat.

Eine Rechtspolitik, die auf eine Ökonomisierung von
Recht und Rechtsprechung zielt, ist nicht nur verfehlt,
weil sie die Stabilisierungsfunktion des Rechts, den so-
zialen Kitt, vernachlässigt. Eine solche Rechtspolitik wi-
derspricht vor allem den Grundwerten unserer Verfas-
sung. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich lade
Sie ein: Blättern Sie einmal in dieser Verfassung! Sie ist
großartig.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie lebt von der Erkenntnis, dass das moderne Recht
ohne den Sozialstaat nicht auskommt. Ich verstehe ja,
dass die Sozialdemokraten hier motzen, weil es um den
Sozialstaat geht und sie ihn vergessen haben. Dies ist
falsch.


(Beifall bei der LINKEN – Dirk Manzewski [SPD]: Das ist doch Blödsinn!)


Die Verfassung hat die Erkenntnis, dass das Recht ohne
den Sozialstaat nicht auskommt, gegen jeden Störungs-
versuch der Nachgeborenen vor einer Veränderung ge-
schützt.

Es lohnt sich, für die Auffindung und das richtige
Verständnis des Sozialstaatsprinzips auf die alte Kultur-
technik des Lesens und nicht des Zwischenrufes, schon
gar nicht des unqualifizierten, zurückzugreifen.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)


Ich darf Ihnen die Vorschriften des Art. 20 und Art. 79
Abs. 3 in Erinnerung bringen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Kennen wir!)


In Art. 79 Abs. 3 sind bestimmte Grundsätze unserer
Verfassung für unabänderlich erklärt. Lesen Sie nach!


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ewigkeitsprinzip!)


– Genau, wunderbar, Prüfung bestanden.


(Zurufe von bei der CDU/CSU)


– Hören Sie doch einmal ganz ruhig zu. Die Väter und
Mütter unseres Grundgesetzes haben alle nachfolgen-

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(C (D en Generationen auf diese Grundsätze verpflichtet. Zu iesen der Ewigkeitsklausel unterliegenden Grundsätzen ehört auch der Sozialstaat; das ist der Punkt. Er stellt emnach in der Wertordnung unserer Verfassung einen entralen Grundwert dar. Wer angesichts dieser verfasungsrechtlichen Lage behauptet, wir könnten uns den ozialstaat nicht leisten, ist ein Verfassungsfeind, bes enfalls ein Verfassungsignorant. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Geis [CDU/ CSU]: Das macht doch keiner!)


Wir müssen uns den Sozialstaat leisten, so lautet der
uftrag unseres Grundgesetzes.

Wir werden in unserer Rechtspolitik zentral darauf
inwirken, dass die Bedeutung des Sozialstaates gerade
n den Zeiten der Globalisierung nicht entwertet wird,
ondern seine prägende Wirkungskraft zum Wohle der

enschen in diesem Land entfaltet.

Viele Menschen sorgen sich zu Recht um die soziale
erechtigkeit in unserem Land. Ungerechtigkeit ist

ein Naturereignis. Den Spitzensteuersatz zu senken und
eitgleich mit Hartz IV Armut und Demütigung gesetz-
ich zu verordnen zeigt, dass die herrschende neoliberale
olitik wesentliche Grundwerte unserer Verfassung aus
en Augen verloren hat.

Ich komme zum Schluss. Das Grundgesetz ist sozial
usgerichtet. Es bildet geradezu eine Aufforderung zum
emokratischen Sozialismus.


(Beifall bei der LINKEN)


enn Sie sich dieser zentralen Aufforderung unseres
rundgesetzes weiter verschließen, werden wir gerne

ür Sie diese Aufgabe und damit zukünftig auch die Re-
ierung übernehmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Zwi-
chenrufe.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600407300

Herr Kollege Neskovic, das war Ihre erste Rede in

iesem Haus.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie lässt nicht viel Gutes erwarten!)


ch gratuliere Ihnen dazu und wünsche Ihnen weiterhin
lles Gute.

Nun hat der Kollege Jerzy Montag von der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen das Wort.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1600407400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-

innen und Kollegen! Wir diskutieren gerade – wenn
uch unter dem Stichwort Rechtspolitik – die Regie-
ungserklärung der Bundeskanzlerin Merkel. Deshalb
ill ich auch damit anfangen und darauf hinweisen, dass

ch der Regierungserklärung zwar ganze eineinhalb
tunden zugehört habe, aber kein einziges Mal das Wort
echtspolitik gefallen ist. Ich habe auch nicht gehört,






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
dass die Kanzlerin von der Bundesrepublik Deutschland
als einem Rechtsstaat gesprochen hätte. Ich habe nichts
über die Rechtsstaatlichkeit gehört.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Voraussetzung!)


Deswegen finde ich es angemessen und richtig, einige
Worte darüber zu verlieren.

Ich habe 2002 anlässlich der Regierungserklärung des
Bundeskanzlers Gerhard Schröder auch von der Kultur
des Rechts gesprochen. Zur Kultur des Rechts, über die
wir am Anfang einer Legislaturperiode reden sollten, ge-
hört unbedingt, sich zu vergegenwärtigen, dass es nichts
anderes als die Grundrechte sind, die sowohl die Justiz
als auch die Regierung als vollziehende Gewalt und
nicht zuletzt uns selbst, das Parlament, das die Gesetze
gibt, unmittelbar binden. Deswegen gehört es zur Kultur
des Rechts auch dazu, dass die Grund- und Bürgerrechte
des Grundgesetzes und die völkerrechtlich anerkannten
Menschenrechte nicht erschüttert und abgebaut, sondern
gefestigt und ausgebaut werden. Das macht die Kultur
des Rechts aus und das muss der Gradmesser jeder und
nunmehr der Rechtspolitik der großen Koalition sein.

Ein Recht oder gar ein Grundrecht auf Sicherheit


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Gibt es nicht!)


– Herr Kollege Wiefelspütz hat in diesem Zusammen-
hang völlig richtig argumentiert – gehört aber nicht
dazu. Sicherheit für alle Menschen zu optimieren ist die
Pflicht des Staates im Rahmen der geltenden Gesetze
und in den Grenzen des Möglichen. Sicherheit ist aber
kein gegenläufiges Grundrecht, das die Freiheiten der
Menschen mit dem gleichen Recht verdrängt und aushe-
belt, mit dem diese für sich Geltung und strikte Beach-
tung einfordern.


(Beifall des Abg. Dr. Max Stadler [FDP])


Nach einigen wenigen Überlegungen grundsätzlicher
Art komme ich zum Koalitionsvertrag, über den wir
heute diskutieren. Die Präambel des Koalitionsvertrags
kennt den Begriff Rechtspolitik nicht. Fett hervorgeho-
ben haben Sie nur die Sicherheit. Ich zitiere: „Sicher-
heit ... zu garantieren, ist Aufgabe unserer staatlichen
Ordnung.“

Garantieren ist ein starkes Wort. Sie wissen genau,
dass das gar nicht möglich ist. Die Freiheitsräume für die
Bürgerinnen und Bürger kommen nur im Kleingedruck-
ten vor. Dieser in der Präambel angeschlagene Ton der
Geringschätzung der Rechtspolitik als Gestalterin und
Hüterin der Rechtsstaatlichkeit zieht sich durch den ge-
samten Koalitionsvertrag. Es gibt gar kein eigenes Kapi-
tel zur Rechtspolitik. Sie kommt lediglich unter Nr. 2 des
Kapitels – wie könnte es anders lauten? – „Sicherheit für
die Bürger“ vor. Bundesjustizministerin Zypries hat am
14. November dieses Jahres die Koalitionsvereinbarung
mit folgenden Worten kommentiert: Rechtsstaatlichkeit
und Grundrechtsschutz sind der Maßstab, an dem sich
die große Koalition messen lassen muss. – Wie wahr,

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(C (D rau Bundesjustizministerin Zypries! Das werden wir on nun an jeden Tag tun. Von Kontinuität in der Rechtspolitik kann aber wahraft – auch dies ist eine Ihrer Bewertungen – keine Rede ein. Ich beginne einmal mit den Ungereimtheiten. wangsverheiratung soll nach der Koalitionsvereinba ung ein Straftatbestand werden. Kolleginnen und Kolleen von der großen Koalition, aufwachen! Zwangsvereiratung ist längst ein Straftatbestand, genauso wie die on Ihnen angesprochene Zwangsprostitution. Wir haen diesen in das Gesetz eingeführt. Wir lesen, dass Sie den Entwurf eines Untersuhungshaftvollzugsgesetzes auf den Weg bringen wolen, ein Gesetz, das die Untersuchungshaft von Erwachenen und Jugendlichen regeln soll. Löblich! Aber leichzeitig kündigen Sie im Rahmen der Föderalismuseform an, die Regelung der Untersuchungshaft den ändern zu überlassen. Ein Gesetz ohne Zuständigkeit! onfuser geht es nicht mehr. Herr Kollege Stünker und Frau Bundesjustizministein Zypries, wir waren uns einmal einig, dass das Straferfahren, Ermittlungsverfahren wie Hauptverhandlung, ringend reformiert werden muss. Es sollte einen Dreilang geben. Nach einem Justizmodernisierungsgesetz n der ersten Stufe und einer Neuregelung der Opferechte in der zweiten Stufe sollten im dritten Teil die Bechuldigtenund Verteidigungsrechte folgen, um die inheit der Reform zu vervollständigen. Im Koalitionsertrag lässt sich dazu kein Wort finden. Statt Stärkung er Beschuldigtenund Verteidigungsrechte gibt es nur lte Kamellen und Stückwerk. Sie wollen die Kronzeuenregelung wieder einführen. Wir werden sehr genau rüfen, ob es das sein wird, was Sie behaupten, nämlich ine Strafzumessungsnorm, oder ob es sich um eine Reelung handelt, die wir ablehnen. Sie haben außerdem im Koalitionsvertrag angekünigt, dass Sie sich Gedanken machen wollen, ob bsprachen im Strafverfahren gesetzlich geregelt erden sollen. Meine Damen und Herren von der großen oalition, der Bundesgerichtshof hat das dringend ge ordert. Das muss also gemacht werden. Aber Sie wollen arüber lediglich nachdenken. Das Sanktionenrecht – sowohl für Erwachsene als uch für Jugendliche – ist veraltet. Eine Reform ist seit ahren notwendig. Aber eine solche Reform taucht in Ihem Koalitionsvertrag gar nicht auf. Stattdessen wollen ie nach Jugendstrafrecht verurteilte 14bis 18-Jährige n Sicherungsverwahrung nehmen. Sie wollen unliebame Meinungsäußerungen unter Strafe stellen (Joachim Stünker [SPD]: Wo denn? – Zurufe von der CDU/CSU: Was?)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


aber selbstverständlich –, indem Sie die Sympa-
hiewerbung als Straftatbestand – wir haben ihn vor lan-






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
ger Zeit abgeschafft – wieder einführen wollen. Das ist
nichts anderes als die Strafbarkeit unliebsamer Mei-
nungsäußerungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja unglaublich!)


Sie wollen sogar noch – dafür haben Sie Zeit und
Platz im Koalitionsvertrag gefunden – über Graffiti-
bekämpfung reden, eine Sache, über die schon alles ge-
sagt worden ist und die schon längst geregelt ist. Für die
Populisten, die Stammtischbrüder und die Strategen des
nächsten Wahlkampfes wollen Sie wieder einmal das Se-
xualstrafrecht verschärfen.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Nein! Reformieren!)


– Selbstverständlich wollen Sie das. – Wir werden uns
die Debatten, die im Rechtsausschuss darüber geführt
werden, genau anschauen. Dann werden wir feststellen,
was gilt und was nicht.

Ich komme zum Ende. Kurzum: Ihre Ankündigungen
in der Rechtspolitik verheißen wenig Gutes. Wir werden
mit eigenen konstruktiven Vorschlägen dagegenhalten.
Wir werden die Kultur des Rechts hochhalten sowie die
Menschen- und Grundrechte zur Richtschnur unserer
Rechtspolitik und zum Maßstab der Kritik an der Regie-
rung machen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600407500

Das Wort hat nun der Kollege Joachim Stünker von

der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1600407600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wer die Koalitionsvereinbarung, lieber Kollege Montag
und Kollege Neskovic, halbwegs vorurteilsfrei gelesen
hat, der konnte es bereits wissen, und wer heute der Rede
unserer Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zugehört
hat, der müsste es jetzt eigentlich auch besser wissen. Er
müsste wissen, dass all das, was heute Abend teilweise
gepredigt worden ist, nämlich in einer schwarz-roten
Koalition würden die Bürgerrechte der Zivilgesellschaft
zugunsten überzogener Maßnahmen der inneren Sicher-
heit oder der Kriminalitätsbekämpfung auf der Strecke
bleiben, Schall und Rauch ist. Sie beschreiben nicht das,
was wir rechtspolitisch tatsächlich vereinbart haben. Ich
bitte Sie wirklich, das noch einmal nachzulesen. Ich sage
Ihnen heute am Anfang dieser Legislaturperiode: Sie
können uns in diesen vier Jahren beim Wort nehmen. Sie
können uns dann im Ergebnis an unseren Taten messen.
Ich versichere Ihnen: Diese Koalition wird ein Garant
der Bürgerrechte in diesem Land sein.

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(C (D (Beifall bei der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gestatten Sie, dass wir zweifeln!)


Rechtspolitische Kontinuität wird die Tagesordnung
estimmen. Ebenso werden wir Garant für die innere
icherheit sein. Ich denke, damit machen wir genau das,
as auch dem Bedürfnis der Menschen in diesem Lande

ntspricht. Die Menschen wollen beides. Sie wollen ihre
reiheitsrechte und sie wollen den Schutz vor Kriminali-

ät und vor Terrorismus. Genau diese Rahmenbedingun-
en haben wir herzustellen. Das werden wir ganz nüch-
ern machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die Frau Ministerin hat das rechtspolitische Pro-
ramm skizziert. Ich muss das nicht wiederholen. Ich
öchte daher zwei Themenbereiche kurz ansprechen,

ie bisher nicht so sehr im Mittelpunkt gestanden haben,
ie meiner Fraktion für diese vier Jahre aber auch sehr
ichtig sind. Wir haben in diesem Koalitionsvertrag ver-

inbart, dass wir gemeinsam das Thema „Große Justizre-
orm“ in Angriff nehmen werden, gemeinsam mit Bund
nd Ländern und unter Einbeziehung der Vorschläge der
ustizministerkonferenz und des Bundesministeriums
er Justiz. Soweit der Koalitionsvertrag. Darin steht
ichts von Rechtswegverkürzung oder von Rechtsmittel-
erkürzung. Vielleicht sollten Sie, Herr Kollege, der Sie
ben diese fulminante Rede gehalten haben, einmal zu-
ören. – Nein, er ist beschäftigt. –


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer die Verfassung nicht versteht, kann den Koalitionsvertrag auch nicht verstehen!)


as alles ist nicht Bestandteil der Vereinbarung, die wir
ier getroffen haben.


(Beifall bei der SPD)


Ich füge des Weiteren mit Nachdruck hinzu: Wir ha-
en gesagt, dass wir das gemeinsam, Bund und Länder,
achen wollen. Das Ganze hat eine Geschichte. Wir
issen seit Jahren, dass wir im europäischen Kontext
nd bei den Aufgaben, die zunehmend auf die Justiz zu-
ommen, eine Modernisierung bzw. Reform der Justiz
rauchen. Wenn wir „gemeinsam“ sagen, dann meinen
ir auch gemeinsam. In der Koalitionsvereinbarung

teht ausdrücklich nicht der Satz, dass die Justiz in ihrem
ufgabenzuschnitt auf den so genannten Kernbereich
eschränkt werden soll. Das heißt ganz klar – das muss
uch heute Abend gesagt werden –: Wir wollen keine
rivatisierung der Aufgaben der freiwilligen Gerichts-
arkeit. Das heißt, dass Beschlüsse der Justizminister-
onferenz aus der jüngsten Vergangenheit – das ist zwei,
rei Wochen her –, das Nachlasswesen auf die Notare zu
bertragen oder im Bereich des Gerichtsvollzieherwe-
ens bestimmte Privatisierungen vorzunehmen, nicht
estandteile dieses Vertrages sind und auch nicht mit
ns zu machen sein werden.


(Beifall bei der SPD)







(A) )



(B) )


Joachim Stünker
Gemeinsam heißt in der Tat, dass wir uns diesen Auf-
gaben gemeinsam stellen werden.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bleibt dann noch von der großen Justizreform?)


– Das werden Sie dann sehen, Herr Kollege.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da fehlt mir die Fantasie!)


Sie sind neu im Rechtsausschuss.


(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist Jurist und redet von Fantasie!)


Wenn Sie das Thema in den letzten sieben Jahren ver-
folgt hätten, dann wüssten Sie, was wir schon alles dis-
kutiert haben. Ich freue mich auf die Diskussionen mit
Ihnen.

Das, was wir wollen, ist eine moderne Justiz für
Rechtsstaatlichkeit und für Bürgernähe.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will wohl jeder!)


Deshalb werden wir die hohe Qualität und die Leistungs-
stärke der Justiz auch für die Zukunft sicherstellen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So konkret wollte ich es ja gar nicht wissen!)


– Ich freue mich, das dann mit Ihnen, Herr Kollege, im
Rechtsausschuss gemeinsam zu diskutieren. Wir müssen
uns aber auch gemeinsam darüber im Klaren sein, dass
dieser Gesellschaft die Justiz – da treffe ich mich mit
dem, was vorhin hier gesagt worden ist – ein gewisser
Preis wert sein muss. Die Justiz hat letzten Endes ihren
Preis. Das heißt, es muss Schluss damit sein, dass die
Justizhaushalte der Länder zum Steinbruch der Finanz-
minister werden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP])


– Dass wir gemeinsam diese Auffassung vertreten, das
ist doch schon einmal etwas. Da sind wir auf einem gu-
ten Weg, Frau Leutheusser-Schnarrenberger.

Wir haben noch schwierige Diskussionen – ich habe
in den letzten Jahren einige hinter mich gebracht – über
dieses Thema vor uns. Es wäre gut, wenn wir hier im
Deutschen Bundestag dabei eine große Gemeinsamkeit
fänden. Wir müssen diese Gesetze beraten und verab-
schieden. Es handelt sich um Bundesgesetze, die nicht
einmal zustimmungspflichtig sind. Ich freue mich da-
rauf, dass wir hier am selben Strang ziehen werden.

Eine effiziente, schnelle und verlässliche Justiz ist
fürwahr ein wirtschaftlicher Standortfaktor; das ist rich-
tig. Aber das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in
diesem Land in eine schnelle Justizgewährung des
Staates für jedermann – ich betone: für jedermann –

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(C (D hne Ansehen der Person und unabhängig vom Geldbeuel des einzelnen Rechtsuchenden ist letztendlich die ritte Säule der Gewaltenteilung in unserer Demokratie. ieses Vertrauen darf verantwortliche Rechtspolitik in iesem Lande dadurch, dass man fiskalisch bedingte Reormen macht, nicht erschüttern. Meine Botschaft von ieser Stelle heute Abend lautet: Wir werden dazu stehen nd andere Reformen wird es mit uns nicht geben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Meine Redezeit ist so gut wie zu Ende. Frau Präsiden-
in, lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu einem
hema machen, das im Koalitionsvertrag nicht so viel
eachtung gefunden hat. Wir haben dort ganz bewusst
ineingeschrieben:

Die Koalitionspartner lehnen deshalb die Übertra-
gung des „Bologna-Prozesses“ auf die Juristenaus-
bildung ab.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ngesichts der Presseveröffentlichungen in den letzten
agen bin ich der Meinung – wir haben die Juristenaus-
ildung vor einigen Jahren novelliert –: Dies ist ein
anz wichtiges Thema, das sich damit beschäftigt, wie
ie Ausbildung der Juristen in diesem Land – Stichwort
dritte Säule“; ich habe davon gesprochen – in der Zu-
unft aussehen soll. Das wird bei uns im Rechtsaus-
chuss ein wichtiges Thema sein. Auch der Weg, den der
AV und andere gegenwärtig beschreiten wollen – ich

rinnere an das, was in Bezug auf Reglementierung und
ontingentierung gemacht werden soll –, kann nicht

ichtig sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


An all dem, was bisher diskutiert worden ist, sehen
ie: Es gibt eine Fülle von Aufgaben. Es lohnt sich, sie

m Rechtsausschuss gemeinsam anzupacken. Ich hoffe,
ass es im Rechtsausschuss auch in Zukunft Koopera-
ion und dann gute Ergebnisse geben wird. Eines wollen
ir alle: Wir wollen einen funktionierenden Rechtsstaat.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600407700

Nun hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang Götzer

on der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1600407800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Mit der vorliegenden Koalitionsvereinbarung haben
nion und SPD auch und gerade in der Rechtspolitik

ine tragfähige Grundlage für unsere gemeinsame Arbeit
n dieser Wahlperiode geschaffen.

Nach den durchaus positiven Erfahrungen aus den
oalitionsverhandlungen – Frau Ministerin, ich möchte






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Götzer
das ausgesprochen gute Gesprächsklima ausdrücklich
noch einmal ansprechen – gehe ich davon aus, dass wir
mit unserem Koalitionspartner auch bei der Umsetzung
der vereinbarten Vorhaben gut zusammenarbeiten wer-
den.

Wir alle wissen, dass Rechtspolitik in der Öffentlich-
keit nicht immer den Stellenwert hat, der ihrer Bedeu-
tung entspricht. Das mag auch an der Nüchternheit und
Sachorientierung liegen, mit der wir Rechtspolitiker
unsere Arbeit tun. Andererseits liegt gerade in dieser
Sachlichkeit ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Ich
hoffe, dass einige der Reden, die wir vorhin gehört ha-
ben, uns keinen Anlass zu der Befürchtung geben, dass
wir im Rechtsausschuss in Zukunft von der Sachlichkeit
abweichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Vereinbarungen zur Rechtspolitik stehen sicher-
lich nicht gerade an vorderster Stelle im Koalitionsver-
trag.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr!)


Dafür wird unser Bereich diesmal gleich am ersten Tag
der Haushaltsdebatte behandelt.


(Joachim Stünker [SPD]: Das war bei RotGrün nicht besser!)


Deswegen möchte ich der Hoffnung Ausdruck verleihen,
dass künftig die Tagesordnungen für die Haushaltsbera-
tung die Rechtsdebatte nicht mehr in der Regel als krö-
nenden Abschluss kurz vor Mitternacht, sondern auch
einmal zu früheren Tageszeiten vorsehen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das wäre nicht schlecht!)


Welche zentrale Bedeutung die Rechtspolitik für die
Menschen und den Staat hat, ergibt sich aus den einzel-
nen Abschnitten des Koalitionsvertrags.

Die Menschen haben ein Recht auf Freiheit und Si-
cherheit.

So ist der erste Abschnitt überschrieben. Sicherheit und
Freiheit gehören zusammen. Das ist heute schon ange-
sprochen worden. Natürlich hat der Kollege Wiefelspütz
Recht, wenn er sagt: Freiheit ist höher einzustufen als Si-
cherheit. Aber es gibt keine Freiheit ohne die Sicherheit,
die uns der Rechtsstaat gibt. Das heißt für uns, dass wir
auch in Zukunft den rechtlichen Rahmen garantieren
werden, um Kriminalität auf allen Ebenen zu bekämp-
fen. Dazu gehören wirksame Strafgesetze, eine effektive
und schnelle Strafverfolgung und der konsequente Um-
gang mit Straftätern.

Beispielhaft möchte ich hier nur die Bekämpfung von
Stalking, Zwangsprostitution und Zwangsverheiratung
nennen sowie vor allem, wie schon angesprochen, die
nachträgliche Sicherungsverwahrung in besonders
schweren Fällen auch bei Straftätern, die nach Jugend-

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(C (D trafrecht wegen schwerster Straftaten verurteilt worden ind. So steht es im Koalitionsvertrag. Hervorheben möchte ich auch die geplante grundleende Reform des Sexualstrafrechts – es geht also nicht m eine Verschärfung, sondern um eine Reform, Herr ollege Montag –, eil es dort Wertungswidersprüche gibt, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß schon, was da kommt!)


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


ie wir beseitigen wollen. Außerdem möchte ich die
eue Kronzeugenregelung erwähnen, die aus der Rich-
erschaft wiederholt nachdrücklich gefordert worden ist.

Betonen möchte ich auch das Prüfvorhaben bezüglich
er Ausweitung der DNA-Analyse; denn der so ge-
annte genetische Fingerabdruck ist ein Glücksfall für
ie Bekämpfung und die Aufklärung von Verbrechen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?)


Der zweite Abschnitt trägt den Titel „Rechtspolitik
ür eine soziale Marktwirtschaft“. Hier kommt die Be-
eutung der Rechtsordnung für ein funktionierendes
irtschaftssystem in allen seinen Facetten klar zum

usdruck: nicht nur zur Förderung der Vertragsfreiheit
nd des Eigentums, sondern auch zur Beschränkung von
arktmacht. Besonderes Gewicht kommt hierbei der
eform des Gesellschaftsrechts zu, durch die Unterneh-
ensgründungen nachhaltig erleichtert und beschleunigt
erden sollen. Das ist im Übrigen einer von vielen Bei-

rägen zur Entbürokratisierung.

Zum anderen wollen wir eine Modernisierung des Ur-
eberrechts angehen; denn kreative Menschen brauchen
inen sicheren rechtlichen Schutz für ihr geistiges Eigen-
um, was dem Land der Dichter und Denker mehr als gut
nsteht.

Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf den drit-
en Abschnitt mit dem Titel „Für Selbstbestimmung und
oleranz“ lenken. Es ist vorgesehen, die EU-Gleichbe-
andlungsrichtlinien in deutsches Recht umzusetzen –

n der Tat, wie der Kollege Gehb angesprochen hat, eine
elbstverständlichkeit. Deswegen muss man dazu etwas
agen.

Nach unserem Rechtssystem sind Diskriminierun-
en schon jetzt vielfach sittenwidrig und somit verbo-
en. Es gilt also, genau zu prüfen, wo noch Handlungs-
edarf besteht. Die Vertragsfreiheit ist ein tragender
feiler unseres Zivilrechts und darf deshalb nicht aus-
ehöhlt werden. Die Folgen für unsere Grundrechte,
ie Rechtsprechung und den Rechtsfrieden wären nicht
bzusehen.

Wir waren uns in der Koalitionsarbeitsgruppe Rechts-
olitik einig darüber, dass künftig EU-Richtlinien grund-
ätzlich nur noch eins zu eins umgesetzt werden sollen.






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(B) )


Dr. Wolfgang Götzer

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn überhaupt!)


Dies ist von der Frau Bundeskanzlerin in ihrer Regie-
rungserklärung heute nochmals unterstrichen worden. Es
hat auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden, in
dem es in dem Kapitel „Europa“ wörtlich heißt – ich
zitiere –:

Entscheidend für die Zustimmung der Menschen
wird sein, dass es gelingt, unnötige Bürokratie ab-
zubauen und die europäische Gesetzgebung auf das
tatsächlich Notwendige zu beschränken.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Das gilt auch für die innerstaatliche Umsetzung von
Richtlinien.

Wir sind der Auffassung, dass das auch für die Antidis-
kriminierungsrichtlinien gelten soll.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Offener Dissens“ sagt mir das!)


Bleibt noch der vierte Abschnitt mit dem Titel „Eine
moderne Justiz für Rechtsstaatlichkeit und Bürgernähe“.
Wir wollen die hohe Qualität, die Leistungsstärke und
die gesamtgesellschaftliche Stabilisierungsfunktion der
bundesdeutschen Justiz auch mittel- und langfristig ge-
währleisten. Das geht aber nur in Abstimmung mit den
Ländern, die hierzu bereits einige Vorarbeiten geleistet
haben, auf denen wir aufzubauen gedenken.

Dazu gehört nicht nur eine Vereinheitlichung der Ver-
fahrensregeln in den Prozessordnungen, sondern auch
eine Modernisierung des Zwangsvollstreckungsver-
fahrens. Wer weiß, wie umständlich es ist, einen voll-
streckbaren Titel auch tatsächlich zu vollstrecken, und
wie lange das alles dauert, weiß auch, wie nötig hier Re-
formen sind.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Un-
sere Agenda für die kommende Wahlperiode ist umfang-
reich. Es ist nicht auszuschließen, dass es zusätzliche ak-
tuelle Erfordernisse für weitere, nicht vereinbarte
Gesetzgebungsvorhaben gibt. Doch auch diese – davon
bin ich überzeugt – werden wir in vertrauensvoller Zu-
sammenarbeit mit unserem Koalitionspartner sachge-
recht lösen. An den Grünen sind in den vergangenen
Jahren wichtige Gesetze für mehr Sicherheit gescheitert.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hören wir gerne!)


Diese Koalitionsvereinbarung ist nicht von Ideologie ge-
prägt, sondern von Vernunft und Verantwortungsbe-
wusstsein der Koalitionspartner in Bezug auf das, was
notwendig und machbar ist.

Meine Damen und Herren, die Menschen können sich
darauf verlassen, dass auch für die Rechtspolitik gilt:
Wir wollen den Erfolg dieser Koalition und diese große
Koalition wird ein Bündnis für die Sicherheit der Bürger
sein.

r
n
s

w
d
g
n
s

d

(C (D Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Themenbe eich nicht vor. Gleichwohl darf ich Sie bitten, noch eiige Minuten hier zu bleiben, weil wir noch einige Entcheidungen zu treffen haben. Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzentürfe auf den Drucksachen 16/106 und 16/88 an die in er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlaen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Ich sehe, das ist icht der Fall. Dann sind die Überweisungen so bechlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 1 a bis 1 d auf: a)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1600407900
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll vom 27. November 2003 zur Änderung
des Europol-Übereinkommens und zur Ände-
rung des Europol-Gesetzes

– Drucksache 16/30 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den

(Mautsystemgesetz – MautSysG)


– Drucksache 16/32 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über kon-
junkturstatistische Erhebungen in bestimmten

(Dienstleistungskonjunkturstatistikgesetz – DlKonjStatG)


– Drucksache 16/36 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver-
trag vom 2. März 2005 zwischen der Bundes-
republik Deutschland und dem Königreich der
Niederlande über die grenzüberschreitende
polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusam-
menarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten

– Drucksache 16/57 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt

überweisen. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/36
– das ist der Zusatzpunkt 1 c – soll federführend im Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie beraten werden.
Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe keinen Wider-
spruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Erhöhung der Anzahl von Ausschussmitglie-
dern

– Drucksache 16/110 –

Wir kommen zur Abstimmung über den interfrak-
tionellen Antrag auf Drucksache 16/110 zur Erhöhung
der Anzahl von Ausschussmitgliedern. Wer stimmt für
diesen Antrag? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? –
Dann ist dieser Antrag einstimmig angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 1. Dezember 2005,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.