Rede:
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Metadaten- insert_drive_fileAus Protokoll: 16004
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tocInhaltsverzeichnisPlenarprotokoll 16/4 Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . Matthias Platzeck, Ministerpräsident (Brandenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung (Drucksache 16/106) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 C 102 C 106 D 107 A 111 A 114 D 118 D 121 D 124 C 126 C 149 C 151 A 153 A 154 C 155 B Deutscher B Stenografisch 4. Sitzu Berlin, Mittwoch, den 3 I n h a l Begrüßung des Premierministers der Repu- blik Singapur, Herrn Lee . . . . . . . . . . . . . . . . Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Hermann Otto Solms . . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Dorothee Mantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung der Bundeskanzlerin mit anschließender Aussprache . . . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Struck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . H M D W D M G D D F P 75 A 75 B 75 B 75 B 76 C 76 C 92 A 95 D Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 129 B 130 D undestag er Bericht ng 0. November 2005 t : eidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . arkus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . ichael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . r. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . r. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 A 134 C 135 C 137 B 138 C 139 B 140 D 141 C 142 C 144 C 146 B 148 B in Verbindung mit II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Zollfahndungs- dienstgesetzes (Drucksache 16/88) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Neskovic (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 27. November 2003 zur Änderung des Europol-Über- einkommens und zur Änderung des Eu- ropol-Gesetzes (Drucksache 16/30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über konjunkturstatistische Erhebun- gen in bestimmten Dienstleistungsberei- chen (Dienstleistungskonjunkturstatis- tikgesetz – DlKonjStatG) (Drucksache 16/36) . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 2. März 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und dem Königreich der Nieder- lande über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten (Drucksache 16/57) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Erhöhung der Anzahl von Ausschussmitgliedern (Drucksache 16/110) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 B 155 C 158 A 159 D 161 D 163 D 165 B 166 D 168 C 168 D 168 D 169 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über den Betrieb elektronischer Maut- systeme (Mautsystemgesetz – MautSysG) (Drucksache 16/32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . N A L168 C ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 169 C 171 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 75 (A) ) (B) ) 4. Sitzu Berlin, Mittwoch, den 3 Beginn: 11.0
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folderAnlagenDeutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 171 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bollen, Clemens SPD 30.11.2005 Ernstberger, Petra SPD 30.11.2005 Piltz, Gisela FDP 30.11.2005 Schily, Otto SPD 30.11.2005 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 30.11.2005 Wächter, Gerhard CDU/CSU 30.11.2005 4. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht
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insert_commentVorherige Rede als Kontext
Rede von Dr. Peter Struck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
en! Frau Bundeskanzlerin, im Namen der SPD-Fraktion
ratuliere ich Ihnen zu Ihrer Amtsübernahme und wün-
che Ihnen und unserem Land eine erfolgreiche Regie-
ungszeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
ch danke Ihnen, Frau Merkel, auch für die Anerkennung
er wichtigen Reformschritte, die Gerhard Schröder ein-
eleitet hat. Er hat das Land in schwieriger Zeit erfolg-
eich gelenkt.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege Kauder, der Beifall in Ihren Reihen, als
rau Merkel Herrn Schröder gelobt hat, war ein bisschen
chwach.
(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Du hast nicht richtig gehört!)
ie müssen noch einiges lernen. Aber ich gebe zu, dass
s auch für uns eine ungewohnte Situation ist, Frau
erkel Beifall zu zollen. Wir werden das im Laufe der
eit noch lernen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Metadaten/Kopzeile:
96 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005
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)
Dr. Peter Struck
Frau Merkel, Ihre Regierungserklärung ist ein solider
Grundstock, auf den wir in den nächsten vier Jahren set-
zen können. Meine Fraktion wird mit dem für Parlamen-
tarier notwendigen Selbstbewusstsein dazu beitragen,
dass es vier erfolgreiche Jahre für Deutschland werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deutschland genießt bei unseren Nachbarn und Part-
nern hohes Ansehen. Dazu hat Gerhard Schröder ent-
schieden beigetragen. Deutschland ist ein verlässlicher
Partner. Als jemand, der zuletzt für einen wichtigen Teil
der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik Verant-
wortung getragen hat, weiß ich, wovon ich rede. In den
Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik hat es schon in
der Vergangenheit eine große Übereinstimmung zwi-
schen uns gegeben, übrigens auch mit den Kolleginnen
und Kollegen der FDP-Fraktion. Ich denke dabei an die
gemeinsame Verantwortung für die Friedenseinsätze der
Bundeswehr und – anknüpfend an Ihre Bemerkung, Frau
Merkel, und an die des Kollegen Westerwelle – die Hil-
fen für den Irak, die fortgesetzt werden müssen. Unser
Land darf sich einer Erpressung nicht beugen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Westerwelle, es war ja zu erwarten, dass Sie ge-
gen die geplante Mehrwertsteuererhöhung argumentie-
ren werden. Ich hätte mir ebenfalls eine andere Lösung
gewünscht. Aber Koalitionsverhandlungen sind keine
„Wünsch dir was“-Veranstaltungen. Das hätten auch Sie
übrigens gemerkt, wenn Sie die Chance gehabt hätten,
Koalitionsverhandlungen zu führen. Aber der Wähler
hat Ihnen diese Chance nicht gegeben.
(Beifall bei der SPD)
Die Mehrwertsteuer wird erst 2007 erhöht und nicht
schon nächstes Jahr, wie im Wahlprogramm der Union
angekündigt. Das hat den Vorteil, dass im kommenden
Jahr der Aufschwung nicht gestört wird und die eine
oder andere Anschaffung vielleicht im kommenden Jahr
vorgezogen wird. Die Grundnahrungsmittel bleiben bei
der Mehrwertsteuererhöhung außen vor; das sollten wir
festhalten. Es bleibt bei 7 Prozent. Es wird keine Erhö-
hung in diesem Bereich geben. Wir müssen die Hand-
lungsfähigkeit des Staates wiedergewinnen. Dazu muss
die Einnahmebasis verbessert werden. Das ist völlig un-
strittig. Ein Teil der Mehrwertsteuererhöhung wird na-
türlich den Bürgern durch die niedrigeren Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung zurückgegeben und die Lohn-
nebenkosten können so gesenkt werden.
Seit einer Woche ist die Bundesregierung im Amt. Es
ist die zweite große Koalition in der Geschichte unseres
Landes. Die zweite nicht nur in zeitlicher Reihenfolge,
auch in ihrer Größe lassen die Wähler der Opposition
mehr Platz. Bei der ersten großen Koalition gab es mit
der FDP-Fraktion eine relativ kleine Opposition.
(Vorsitz: Vizepräsident Wolfgang Thierse)
Geschichte wiederholt sich nicht. Die große Koalition
Merkel/Müntefering lässt sich nicht eins zu eins auf
Kiesinger/Brandt übertragen. Dennoch bin ich über-
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(C (D eugt: So wie die erste große Koalition Deutschland gut etan hat, wird dem Land auch die zweite große Koaliion gut tun. ir wollen ihren Erfolg, so wie Kurt Georg Kiesinger nd Willy Brandt seinerzeit diesen Erfolg wollten. Daals wie heute gilt Willy Brandts Forderung an das ündnis der Volksparteien: nicht die heiligen Kühe der nderen schlachten, sondern immer den größten gemeinamen Nenner suchen, weil – so hat Willy Brandt das daals gesagt – die Koalition zum Erfolg werden soll, zum rfolg werden muss. Die große Koalition ist auch deshalb gut, weil die Reormblockade im Bundesrat aufgelöst wird und Bund nd Länder Deutschland endlich gemeinsam reformieren önnen. Wir wären schon ein gutes Stück weiter, wenn er Bundesrat nicht wichtige Entscheidungen seinerzeit ber Jahre hinweg blockiert hätte. (Beifall bei der SPD – Lothar Mark [SPD]: Das muss wieder mal gesagt werden!)
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
ber das ist jetzt Geschichte und jetzt gilt es etwas Gu-
es aus dieser neuen Konstellation zu machen. Die Vo-
aussetzungen dafür sind jedenfalls gegeben. Der Koa-
itionsvertrag ist ein Kompromiss, kein fauler, sondern
in fairer Kompromiss.
(Joachim Poß [SPD]: So ist es!)
ir alle haben uns zurückgenommen, damit das Land
orankommt. Wir alle sind für den ganzen Koalitions-
ertrag verantwortlich. Keiner kann sich nur die Rosinen
erauspicken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Diese neu gewählte Bundesregierung ist eine Arbeits-
egierung, eine Koalition des Machbaren. Das wird
chon am Umfang des Koalitionsvertrages deutlich. Von
wie Arbeitsmarktreform bis Z wie Zölle werden die
andlungsfelder beschrieben. Das mag dem einen oder
nderen nicht sexy genug sein. Vielleicht wird auch die
roße Linie vermisst.
(Zuruf des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
ber Politik muss immer praktisch und konkret für die
enschen sein.
(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD])
s geht uns in der Koalition darum, die Probleme des
andes zu lösen, den Menschen ein besseres Leben zu
escheren und Deutschland in eine gute Zukunft zu füh-
en.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
urz gesagt: Es geht um ehrliche und solide Arbeit,
hne Schnörkel und ohne Schleifchen. Die Umsetzung
ieses Koalitionsvertrages verlangt Disziplin und Ver-
ässlichkeit. Die Art und Weise, wie vor allem Frau
erkel und Franz Müntefering den Vertrag ausgearbeitet
aben, hat Vertrauen geprägt, das für die nächsten vier
ahre unser Verhältnis bestimmt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
(B)
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 97
(A) )
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Dr. Peter Struck
Die neue Bundesregierung steht vor großen und wich-
tigen Weichenstellungen für die Entwicklung unseres
Landes. Sie kann dabei auf dem Fundament aufbauen,
das die alte Bundesregierung unter Bundeskanzler
Schröder gelegt hat. Mit der Agenda 2010 wurden wich-
tige und richtige Entscheidungen getroffen. Daran wer-
den wir in unserer Arbeit anknüpfen. Wir bekennen uns
nachdrücklich zur Zusammenlegung der Arbeitslosen-
hilfe und Sozialhilfe in der Grundsicherung für Arbeits-
suchende.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Alle Arbeitssuchenden erhalten eine Chance. Bislang
wurden junge Menschen, die noch nie gearbeitet haben,
und Menschen, die sehr lange arbeitslos waren, auf ein
Abstellgleis geschoben. Sie bekamen zwar Geld, aber es
gab keine Regelung, wie sie wieder Arbeit finden konn-
ten. Seit dem 1. Januar ist das anders. Arbeitsfähige So-
zialhilfeempfänger nehmen wieder an der Arbeitsver-
mittlung teil. Auch das ist ein Erfolg, der sich sehen
lassen kann.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es gibt Hilfe aus einer Hand. Mit der Zusammenle-
gung der sozialen Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozial-
hilfe hat jeder größere Chancen und auch einen neuen
persönlichen Ansprechpartner. Arbeitssuchende sind
keine Nummern mehr. Es wird sich intensiv um sie ge-
kümmert. Ein Betreuungsschlüssel von 1 : 75 für Ju-
gendliche und junge Erwachsene ist bereits nahezu über-
all verwirklicht. Das ist auch ein Erfolg der Maßnahmen,
die seit 1. Januar dieses Jahres wirken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Natürlich ist die Frage der Arbeitsmarktreform heftig
umstritten gewesen. Wir haben in den Koalitionsver-
handlungen darüber diskutiert. Wir müssen ein solch
komplexes und umfangreiches Reformvorhaben flexibel
anpassen und verbessern. Daher werden wir verschie-
dene Maßnahmen optimieren und Missbrauchsmöglich-
keiten einschränken.
Wir beginnen die Arbeit nicht an einem Nullpunkt.
Die SPD-geführte Bundesregierung hat wichtige Im-
pulse für die Reform des Landes gegeben – zusammen
mit unserem damaligen Koalitionspartner Die Grünen,
dem ich unseren Respekt aussprechen möchte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir wollen Sie nicht vergessen.
Wir werden am Pakt für Ausbildung festhalten und
dazu beitragen, dass kein junger Mensch von der Schul-
bank in die Arbeitslosigkeit fällt. Die neue Bundesregie-
rung wird den Weg beim Abbau von Steuersubventionen
und Steuervergünstigungen fortsetzen und darf dabei
auch auf die Unterstützung des Bundesrates hoffen. Wir
werden die 4 Milliarden Euro für das Ganztagsschulpro-
gramm bis Ende der Legislaturperiode zur Verfügung
stellen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
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(C (D uch das Tagesbetreuungsausbaugesetz, abgekürzt TAG das muss ich erst einmal lernen – vielen Dank –, das eine bessere Betreuung der unter reijährigen Kinder gewährleistet, wird weiterentickelt. Außerdem halten wir am Ausbau der erneuerbaren nergien fest. ir werden dafür sorgen, dass deren Anteil erhöht wird. enn wir das Ziel erreichen, Herr Kollege Kauder, dass is zum Jahre 2010 der Anteil der erneuerbaren Energien n der Stromversorgung bei mindestens 12,5 Prozent iegt, dann brauchen wir uns über die Kernenergie nicht ehr zu streiten und dann können Sie das vergessen, as Sie bisher wollten. Einverstanden? (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre war
rfolgreich. Sie festigt und stützt nachhaltig den Wachs-
umskurs der deutschen Wirtschaft, die im dritten
uartal 2005 kalenderbereinigt um 1,4 Prozent gewach-
en ist. Der deutsche Sachverständigenrat hat die alte
undesregierung für die wichtigen und weit reichenden
eformen ausdrücklich gelobt. Dazu hat Holger Schmie-
ing, Chefvolkswirt Europa der Bank of America, ge-
agt: „Die Wirtschaft steht am Anfang eines klassischen
ufschwungs.“ Wir werden diesen Aufschwung beför-
ern, und zwar mit unseren Maßnahmen, die wir in der
oalition vereinbart haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ein nicht geringer Teil unserer Probleme in der Ver-
angenheit ist der gegenseitigen Blockade von Bundes-
ag und Bundesrat geschuldet. Ich freue mich, dass
atthias Platzeck da ist, auch wenn er nicht derjenige
st, den ich ansprechen möchte. Die anderen, die damals
lockiert haben, sind leider schon weg. Insofern muss
ch ihm mitgeben: Sie sind nicht gemeint, Herr Minister-
räsident, wenn ich das sagen darf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Unsere Aufgabe wird es sein, die Handlungsfähigkeit
es Staates neu sicherzustellen und diesen Missstand zu
eseitigen. Es geht darum, Entscheidungen schneller zu
reffen und Zuständigkeiten klarer zu regeln. Da sind wir
ns mit der Opposition doch einig. Deshalb ist die
eform der föderalen Ordnung nicht nur eine Spiel-
iese der Verfassungsjuristen, sondern von zentraler Be-
eutung für die Handlungsfähigkeit des Staates. Wenn
ir die Änderungen bis zur Jahresmitte im Gesetzblatt
tehen haben, dann sind wir ein großes und wichtiges
tück weiter, dann können wir auf die Reform der föde-
alen Ordnung stolz sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Metadaten/Kopzeile:
98 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005
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Dr. Peter Struck
Ich habe in den letzten Tagen eine Reihe von Meldun-
gen über die Frage gelesen, wie lange diese Koalition
halten soll. Manche fragen sich, ob das Ganze wirklich
vier Jahre hält. Dieses Bündnis ist aus meiner Sicht eine
ganz solide Sache, eine solide Vereinbarung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wir wollen in dieser Legislaturperiode zusammenar-
beiten, und zwar für volle vier Jahre. Dann entscheiden
die Wähler neu. Ich jedenfalls werde gemeinsam mit
Volker Kauder – wenn der jetzt zuhört; das muss er noch
lernen – –
(Heiterkeit bei der SPD)
– Ich wiederhole den Beginn meines Satzes: Ich jeden-
falls werde in diesen vier Jahren mit Volker Kauder ge-
meinsam alles tun, um die Koalitionsfraktionen in die
Lage zu versetzen, diesem Bündnis zu einem Erfolg zu
verhelfen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das heißt, dass die Fraktionen selbstbewusst alles das
prüfen werden, was die Regierung vorlegt. Die Regie-
rung weiß das. Dafür ist das Parlament da. Frau Bundes-
kanzlerin, es ist so, dass nicht alles, was Sie wünschen,
vom Parlament auch so beschlossen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es gilt nach wie vor das alte strucksche Gesetz: Kein Ge-
setz kommt so raus, wie es hier reingekommen ist. – Da-
für sind wir da.
Aber natürlich stehen wir zu unseren Verpflichtungen
im Koalitionsvertrag. Mit diesem Koalitionsvertrag ha-
ben wir ein gutes Beispiel gegeben. Wir haben uns
bewegt. Die Volksparteien sind aus den Gräben heraus-
gekommen. Das reicht aber nicht. Auch die gesellschaft-
lichen Gruppen, die Verbände, die Arbeitgeber und die
Gewerkschaften, müssen aus den Gräben heraus, ge-
nauso wie wir aus den Gräben herausgekommen sind.
Das Land braucht den offenen Dialog.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Land braucht auch die Bereitschaft, Eigeninteressen
hintanzustellen. Die Summierung von Lobbyinteressen
macht noch nicht das Gemeinwohlinteresse aus.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wir werden und können uns nicht jeder Gruppe mit ih-
ren Wünschen beugen. Jeder muss in diesem Dialog Ver-
antwortung übernehmen. Niemand sollte sich auf die
Zuschauerrolle zurückziehen. Wir, SPD, CDU und CSU,
können den gesetzlichen Rahmen für mehr Arbeit und
Beschäftigung schaffen, aber andere müssen bereit sein,
ihn zu nutzen. Wir wollen Fortschritt für unser Land und
wir laden alle ein, diesen Weg mit uns zu gehen. Er wird
ein Erfolg für Deutschland.
(Anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
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(C (D Ich erteile Kollegen Gregor Gysi, Fraktion Die Linke, as Wort. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Geiselahme verbietet jede Polemik. Wir alle haben von dieem schrecklichen Ereignis gestern erfahren. Wir rücken unsere Hoffnung aus, dass es Ihnen, Frau Buneskanzlerin, und der gesamten Regierung gelingt, weigstens das Leben dieser beiden zu retten, nachdem im rak schon so viele sinnlos getötet worden sind. Es wäre ngeheuer wichtig, das Leben unserer Mitbürgerin und hres Kraftfahrers zu retten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
(Beifall bei der LINKEN)
-
insert_commentNächste Rede als Kontext
Rede von Dr. Gregor Gysi
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Aber natürlich lohnt es sich in diesem Zusammen-
ang – nicht nur in diesem, sondern auch in jedem ande-
en –, über Außenpolitik zu streiten, weil es unterschied-
iche Ansätze in unserer Gesellschaft gibt. Wir stehen
or der Tatsache, dass die Bundesregierung ihr Verhält-
is zum Völkerrecht und zum Krieg klären muss.
(Jörg Tauss [SPD]: Das ist geklärt!)
Es ist von den USA – nicht nur von den USA, auch in
nserem Land – immer wieder erklärt worden, man
üsse einen Krieg gegen den Terror führen. Ich habe
estgestellt: Der Krieg, der da geführt wird, egal wo,
ührt nicht zu weniger Terror, sondern zu mehr Terror.
ir müssen raus aus dieser Spirale der gegenseitigen
ewalt.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Verhältnis der Regierung Schröder/Fischer war
iesbezüglich nicht bestimmt, nicht klar. Sie hat das Völ-
errecht beim Jugoslawienkrieg verletzt. Sie hat dann
eim Irakkrieg auf dem Völkerrecht bestanden. Deshalb
age ich: Wir brauchen hier ein klares Verhältnis. Das
uss ein Ja zum Völkerrecht sein;
(Beifall bei der LINKEN)
enn nur das Völkerrecht kann die Macht der USA in ge-
issen Grenzen beschneiden, kann die USA einschrän-
en.
Wir haben noch einen zweiten Kampf der USA. Wir
aben eine Weltwirtschaft. Also gibt es auch eine Welt-
olitik. Die Frage ist: Wer macht Weltpolitik, die UNO
der die USA? Das ist die Auseinandersetzung, die ge-
enwärtig geführt wird. Dazu sage ich: Unsere Regie-
ung – Sie, Frau Bundeskanzlerin – muss sich für die
eltung des Völkerrechts einsetzen. Das bedeutet dann
ber auch, dass man in schwierigen Situationen, wie da-
als in Jugoslawien, zum Bruch des Völkerrechts Nein
agt.
(Beifall bei der LINKEN)
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 99
(A) )
(B) )
Dr. Gregor Gysi
Die USA negieren das Völkerrecht, wie wir das beim
Irakkrieg erlebt haben. Sie haben noch eine andere
Schwierigkeit: Das ist ihr eigenes inneres Recht. Das
kann auch Präsident Bush nicht so schnell ändern; denn
es ist über Jahrzehnte entstanden und gewachsen. Die
Gefangenenlager, die sie auf Guantanamo, in Kuba und,
wie wir jetzt erfahren, auch in anderen Ländern einge-
richtet haben, dienen dem Zweck, ihr eigenes Recht ge-
genüber den Gefangenen nicht gelten zu lassen. Das ist
dreist!
(Beifall bei der LINKEN)
Dass, wie man jetzt hört, auch deutsche Flughäfen zu
diesem Zweck missbraucht worden sind, ist ein starkes
Stück. Entschuldigen Sie, dass ich meine Zweifel habe,
wenn die Regierung sagt, sie habe davon nichts gewusst.
Bei der hohen Sicherheit auf unseren Flughäfen kann ich
mir nicht vorstellen, wie so etwas heimlich funktionieren
soll, sodass eine Regierung davon nichts erfährt. Aufklä-
rung ist dringend geboten.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe gesagt, dass das Völkerrecht auch dazu
dient, die Macht der Stärksten zu begrenzen. Wenn das
so ist, brauchen wir in dieser Situation gegenüber Präsi-
dent Bush starke, klare und deutliche Worte statt Zurück-
haltung.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, zusammen mit
Herrn Müntefering einen Koalitionsvertrag vorgelegt.
Ich glaube, es wird leider eine große Koalition zur Ver-
schärfung statt zur Lösung ökonomischer, arbeitsmarkt-
politischer, sozialer und kultureller Probleme in unserer
Gesellschaft. Verschärft setzen Sie den falschen Kurs der
SPD/Grünen-Regierung fort.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie, Herr Struck, haben eben davon gesprochen, dass es
eine erfolgreiche ökonomische Politik gegeben habe.
Aber 5 Millionen Arbeitslose sind der Beweis dafür,
dass die Politik nicht erfolgreich war.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Mittelpunkt Ihres Koalitionsvertrages steht die
Haushaltskonsolidierung, mit der Sie allerdings erst
2007 anfangen wollen, weil Sie hoffen, dass 2006 ir-
gendein Aufschwung kommt, der Ihnen nutzen könnte.
Ich glaube, solche Tricks funktionieren im Privatleben
nicht und sie funktionieren auch in der Politik und der
Gesellschaft nicht.
Sie wollen wieder Einsparungen im sozialen und im
investiven Bereich vornehmen. Damit sparen Sie die Ge-
sellschaft kaputt.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben zu Recht, Frau Bundeskanzlerin, auf die
Chancen durch den Zusammenbruch der Sowjetunion
und des Staatssozialismus hingewiesen. Damit waren
Chancen verbunden; das stimmt. Aber wir können doch
nicht leugnen, dass es Vertreterinnen und Vertreter des
Kapitals gibt, die seitdem denken, der Sozialstaats-
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(C (D ompromiss sei vorbei und sie könnten schrittweise zuück zum Turbokapitalismus. Dagegen muss sich die olitik doch wehren. Selbst die Union hätte, wie ich eine, sagen müssen: Das Primat der Politik auch über irtschaftsinteressen ist und bleibt uns wichtiger. – Erst echt hätte das die Sozialdemokratie sagen müssen. Aber ie haben es nicht gesagt. Welchen Weg ist die vorherige Regierung geganen? Sie haben die Körperschaftsteuer von 42 Prozent uf 25 Prozent gesenkt. Die Kapitalgesellschaften haben ich wie verrückt gefreut. Natürlich fehlten Milliarden m Haushalt der Bundesrepublik Deutschland. Die drittrößte Einnahmequelle Deutschlands haben Sie so gechröpft, dass noch zwei Jahre ausgezahlt werden usste. – Das ist übrigens damals auch von der Union ritisiert worden. – Erst danach waren allmählich wieder innahmen zu verzeichnen, aber viel schwächer als vorer. Sie haben die Veräußerungsgewinnsteuer abgeschafft. Veräußerungsgewinnsteuer“ klingt kompliziert. Wenn ine Kapitalgesellschaft etwas verkauft, erzielt sie einen aufpreis. Auf dieses Geld muss sie eine Steuer bezah en – bzw. musste sie unter Kohl. Die SPD hat diese teuer völlig abgeschafft und dafür die Steuern bei den andwerkern verdoppelt. Das war ihre ökonomische Po itik. Sie haben den Spitzensteuersatz der Einkommenteuer – ich bitte Sie! – von 53 Prozent auf 42 Prozent, lso um 11 Prozentpunkte, gesenkt, so stark wie noch nie n der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das ind übrigens 11 Milliarden Euro Einnahmen weniger ro Jahr. Das ist eine ganze Menge, die man da so einach an die Besserund Bestverdienenden weggibt. Und as machen Sie dann? Dann stellen Sie sich vor die ranken, Alten und Arbeitslosen hin und sagen: Es tut ns furchtbar Leid, aber wir haben kein Geld und müsen bei euch sparen. – Das ist unredlich, unfair und nicht olidarisch. Auch die Reallöhne sind in Ihrer Regierungszeit geunken; das muss man ebenfalls sehen. Diese Politik will die neue Regierung nun fortsetzen. ch weiß, dass auch die FDP Anhänger dieser Politik ist, ogar noch konsequenter als die Regierung. Aber ich laube, das Ganze geht in eine völlig falsche Richtung. ir setzen etwas anderes dagegen: Nur steigende Real öhne, nur mehr soziale Gerechtigkeit führen auch zu eier wirtschaftlichen Belebung; denn unsere Binnennachrage ist eine Katastrophe und muss gestärkt werden. ass wir Exportweltmeister sind, nutzt den Arbeitslosen ar nichts. Sie haben gesagt, Sie wollen eine Unternehmensteurreform machen; wir erfahren aber erst 2007, welche. a darf man ja sehr gespannt sein. Mal sehen, ob Sie die ewinne, die im Unternehmen bleiben, anders behaneln als die, die herausgenommen werden. Es gäbe da Dr. Gregor Gysi viele Möglichkeiten, was man verbessern könnte. Wir werden es abwarten. Wir begrüßen Ihre neuen Abschreibungsvorstellungen. Sie enthalten etwas Positives. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Haben wir da einen Fehler gemacht? – Zurufe von der CDU/ CSU: Oh!)
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der LINKEN)
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100 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005
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– Wir können durchaus lesen. – Ich sage Ihnen aber
auch, dass Sie nicht den Mut haben, auch nur von einem
Konzern in Deutschland 1 Euro mehr Steuern zu verlan-
gen. Das zeigt das klägliche Verhalten der Politik gegen-
über der Wirtschaft. Das ist nicht hinnehmbar. So kom-
men wir mit dieser Bundesrepublik nicht weiter.
(Beifall bei der LINKEN)
Es wird immer behauptet, wir hätten die höchsten
Quoten. Ich habe mir einmal die Zahlen angesehen. Die
Steuerquote im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt be-
trägt 20 Prozent. Damit liegen wir als eines der wirt-
schaftlich stärksten Länder auf dem vorletzten Platz in
Europa. Geringere Steuern hat nur noch die Slowakei.
Dann wird gesagt, man müsse auch die Lohnnebenkos-
ten sehen. Also haben wir sie addiert und landen bei
34,6 Prozent. Damit liegen wir, Frau Bundeskanzlerin,
auf Platz 16 nach Griechenland, nach Spanien und nach
Großbritannien. Das ist doch ein Skandal. So können wir
unsere Probleme nicht lösen.
(Beifall bei der LINKEN)
Solidarität erfordert auch, dass die mit mehr Eigentum
und mehr Vermögen mehr leisten als andere.
(Zuruf des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])
Ich komme zur Vermögensteuer. In Deutschland
werden Steuern in Höhe von 0,8 Prozent des Brutto-
inlandsproduktes auf das Vermögen gezahlt. Wissen Sie,
was die „Financial Times Deutschland“ geschrieben hat,
welche Länder weniger von ihren Reichen verlangen? –
Mexiko, Tschechien, Slowakei und Österreich. Für mich
sind das keine Vorbilder.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Andere Länder, selbst die USA, verlangen deutlich mehr
von ihren Eigentümerinnen und Eigentümern als wir.
Hätten wir die Eigentums- und die Vermögensteuern der
USA, hätten wir Mehreinnahmen in Höhe von 50 Mil-
liarden Euro im Jahr. Damit könnte man eine ganze
Menge anfangen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie sehen also Ihre Lösungsvorschläge aus? Sie sa-
gen, ab 1. Januar 2007 soll die Mehrwertsteuer um
3 Prozentpunkte erhöht werden. Alle wissen, das belas-
tet die unteren sozialen Schichten und die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer viel mehr als andere Schich-
ten. Das ist ökonomisch eine riesige Katastrophe. Ich
könnte jetzt alle Argumente der SPD aus dem Wahl-
kampf wiederholen. Dies war doch Ihr zentrales Wahl-
kampfthema. Jeder kennt das Plakat, mit dem Sie gegen
die „Merkelsteuer“ polemisiert haben.
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(C (D In Bezug auf den gefundenen Kompromiss hat Herr esterwelle völlig Recht. Ich dachte in meiner Naivität, ass Sie sich in der Mitte, also auf eine Erhöhung um Prozentpunkt, verständigen würden. Nein, Sie erhöhen ie Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte. Heute sagen ie sogar, es sei erforderlich und völlig unmöglich, etas anderes zu tun. Dann sollten Sie wenigstens sagen, ass Sie im Wahlkampf gelogen haben. Denn das ist irklich ein Wahlbetrug. (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe mir das einmal angesehen: Wenn wir die
teuerquote und die Lohnnebenkostenquote von Frank-
eich hätten – dort sind es 10 Prozent mehr als bei uns –,
ann hätten wir jährlich Mehreinnahmen in Höhe von
20 Milliarden Euro. Ich bitte Sie, eine Sekunde darüber
achzudenken, dass wir über Nullrunden bei Rente, über
ürzungen bei Arbeitslosen und über Zuzahlungen bei
ranken gar nicht diskutieren müssten, wenn wir diese
rt von Steuergerechtigkeit in Deutschland einführten.
(Beifall bei der LINKEN)
Lassen Sie mich auch etwas zur Arbeitsmarktpolitik
agen. Wir fanden von Anfang an den Weg bezüglich
rbeitslosengeld II und Hartz IV im Kern, abgesehen
on ein paar Einzelumständen, für falsch. Wir haben im-
er gesagt, dass die dahinter stehenden Ideen falsch
ind.
Ich werde von meinem Beispiel nicht abrücken. Ein
ngenieur, der 50 Jahre alt ist und der 25 Jahre in seinem
eruf gearbeitet hat, bekommt ein Jahr lang Arbeits-
osengeld I, das nach seinem Einkommen berechnet
ird. Nach diesem Jahr bekommt er nur noch einen lä-
herlichen Betrag in Höhe des Arbeitslosengeldes II.
ber nicht nur das! Der Gesetzgeber verlangt auch noch,
ass sein Sparvermögen, seine Altersversorgung, seine
ohnung und sein Auto nur das Niveau wie bei einem
ozialhilfeempfänger haben dürfen. Wenn er darüber
iegt, weil er sich den Lebensstandard eines Ingenieurs
ufgebaut hat, bekommt er gar nichts. Das darf man Ar-
ut per Gesetz nennen. In einer so reichen Gesellschaft
ie der unseren ist das nicht hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN)
Gerhard Schröder hat in einem Punkt Recht gehabt.
r hat im Wahlkampf gesagt, dass gerade die Jungen
esser gestellt sind. Das stimmte auch. Die Jungen wa-
en besser gestellt. Aber was vereinbaren Sie jetzt mit-
inander? Sie vereinbaren, die Besserstellung der Jungen
ieder zurückzunehmen, indem Sie sagen, dass es kei-
en Anspruch bis zum 25. Lebensjahr gibt. Ich möchte,
ass wir über folgenden Widerspruch nachdenken. Das
rundgesetz regelt die Volljährigkeit. Im Strafrecht ist
estgelegt, ab wann man voll strafmündig ist. Das Zivil-
echt regelt, ab wann man zivilrechtlich voll belangt
erden kann. Dem 24-Jährigen wird also gesagt, dass er
oll verantwortlich ist. Aber wenn er arbeitslos wird, soll
r zu Mami und Papi gehen, weil er für Sie sozusagen
och minderjährig ist und Sie für seinen Lebensunterhalt
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005 101
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Dr. Gregor Gysi
nicht aufkommen wollen. Das ist nicht hinnehmbar. Das
ist ein Widerspruch in sich.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun haben Sie gesagt, sie wollten beim Arbeitslosen-
geld II und den übrigen Kosten noch einmal 4 Milliarden
Euro einsparen. Folgendes ist ja interessant: Sie haben
– das weiß kaum jemand – durch die Bundesagentur für
Arbeit eine Art Subventionierung des Bundeshaushalts
festgelegt. Sie haben nämlich gesagt: Für all diejenigen,
die in dem einen Jahr, in dem sie Arbeitslosengeld I be-
ziehen, nicht vermittelt werden – das sind die meisten –,
muss die Bundesagentur 10 000 Euro an den Bund zah-
len. Damit kommt er auf eine Einnahme von über
5 Milliarden Euro. Jetzt habe ich gedacht: Da kürzen Sie
irgendetwas. Nein, da kürzen Sie natürlich nicht. Auf
diese Einnahme bestehen Sie.
Aber Sie wollen 4 Milliarden einsparen. Das geht
wieder zulasten der Arbeitslosen, zulasten einer, wie ich
meine, völlig falschen Gruppe. Deutlich über 90 Prozent
unserer Arbeitslosen wollen arbeiten. Dass es einzelne
Ausnahmen gibt, braucht mir niemand zu erzählen; das
weiß auch ich. Das ist aber nicht unser gesellschaftliches
Problem. Unser gesellschaftliches Problem sind diejeni-
gen, die Erwerbsarbeit – auch zur Wahrung ihrer
Würde – wollen und keine reale Chance dazu haben. Da-
ran muss sich etwas ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt haben Sie noch festgelegt, dass der Rentenbei-
trag, der für die Arbeitslosen gezahlt wird, gesenkt wird.
Es ist völlig klar: Dann bekommen diese nur Minirenten
und wir haben später das Problem der Altersarmut. Das
hilft uns doch nicht weiter. Wir verlagern hier ein Pro-
blem auf die nächste Generation.
Die Rentnerinnen und Rentner sollen jetzt vier
Nullrunden durchmachen. Zwei Nullrunden haben sie
schon hinter sich. Es gab sogar erstmalig eine Bruttoren-
tenkürzung und dann eine Nettorentenkürzung durch
Beitragserhöhungen. Nullrunden bei Mehrwertsteuerer-
höhungen und anderen Kostensteigerungen sind natür-
lich in Wirklichkeit Nettorentenkürzungen – und das
sechs Jahre lang; das muss man sich einmal überlegen.
Dass Sie in einer Gesellschaft, die so reich ist, in den
letzten Jahren ihren großen Konzernen sowie den Bes-
ser- und Bestverdienenden alle möglichen Geschenke
machen konnten, bei den Rentnerinnen und Rentnern
aber sagen: „Wir haben kein Geld“, ist nicht hinnehm-
bar.
(Beifall bei der LINKEN)
Es soll ja noch die Rentenformel verändert werden
und dann wollen Sie das Renteneintrittsalter anheben.
Sie wollen das langfristig tun. Sie betonen immer, dass
die Menschen älter werden. Das stimmt; den demogra-
phischen Faktor sehen auch wir. Warum erwähnen Sie
aber nicht einmal, wie sehr die Produktivität gestiegen
ist? Daimler-Benz brauchte vor 20 Jahren für einen be-
stimmten Produktionsgang vier Arbeitskräfte; heute
wird dafür nur noch eine Arbeitskraft benötigt. Das
heißt, wenn damals vier Arbeitskräfte vier Rentner mit
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(C (D rnähren konnten, müsste das heute angesichts der Prouktivitätsentwicklung einer können. Aber die Lohnenticklung und anderes haben damit nicht Schritt gehal en. Das ist das Problem, mit dem wir es zu tun haben. Wir sind die einzige große Industriegesellschaft mit inem Rückgang der Reallöhne um 0,9 Prozent in den etzten Jahren. Ich bitte Sie: Selbst in den USA haben die eallöhne um 15 Prozent zugenommen. In Großbritanien und in Skandinavien sind sie um über 20 Prozent estiegen. In anderen Ländern – sie mögen sich ansonsen sehr voneinander unterscheiden – gibt es eine völlig ndere Entwicklung als in Deutschland. Sie behaupten ber im Ernst, Sie hätten als Einzige Recht und gingen en wahren Weg. Ich sage Ihnen: Dieser Weg ist auch ökonomisch eine atastrophe. Ohne eine höhere Kaufkraft und mehr Zuersicht der Bevölkerung wird es keine Rettung für leine und mittlere Unternehmen in Deutschland geben. ir werden vielmehr weiter höchste Insolvenzzahlen aben. Nun gibt es ja seit ewigen Zeiten den Streit zwischen ngebot und Nachfrage. Der Linken wird immer voreworfen, sie denke nur an die Nachfrage, und wir weren den Konservativen immer vor, sie würden nur an das ngebot denken. Es hilft nichts: Man muss einfach beies sehen. Nur, Herr Benneter, Ihre liebe Regierung hat über sieen Jahre ausschließlich die Angebotsseite behandelt, tatt einmal auch die Nachfrage zu erhöhen, wie es übriens auch im Interesse der kleinen und mittleren Unterehmen dringend erforderlich gewesen wäre. (Beifall bei der LINKEN – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuerreformen haben wir gemacht!)
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der LINKEN)
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: So ist es!)
Deshalb sage ich Ihnen: Sie werden sich um die
achfrageseite in Deutschland kümmern müssen, wenn
ie die Wirtschaft stärken und mehr soziale Gerechtig-
eit schaffen wollen. Wir machen das nicht aus rein
deologischen Gründen. Wir denken dabei auch ökono-
isch; aber wir wollen natürlich – das ist unser Ziel als
emokratische Sozialistinnen und Sozialisten –, dass es
en Menschen in dieser Gesellschaft besser geht. Man
ollte nicht einerseits Wasser predigen und andererseits
ein trinken. Wir haben gesagt: Wir predigen wenigs-
ens auch Wein.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)
as ist der Unterschied. Wir wollen, dass es den Leuten
esser geht. Sie wollen das für viele nicht mehr errei-
hen. Das ist nicht hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Bundeskanzlerin, Sie sind eine Frau.
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102 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2005
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(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)
– Das ist erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland; das wird man doch wohl mal erwähnen
dürfen. – Ich hätte mir von Ihnen zwei, drei lohnende
Sätze zur Gleichstellungspolitik in dieser Gesellschaft
gewünscht.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe nichts dazu gehört; das finde ich schade.
Sie kommen aus Ostdeutschland. Da hätte ich mir
gewünscht, dass Sie das Ziel der Angleichung der
Lebensverhältnisse Ost und West zumindest nicht auf-
geben. Das steht aber kein einziges Mal im Koalitions-
vertrag und Sie haben es auch kein einziges Mal geäu-
ßert. Wenn Sie schon nicht sagen können, wann in Ost
und West gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezogen wird,
dann geben Sie doch nicht auch noch das Ziel auf.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir erwarten von Ihnen zumindest einen Fahrplan, in
dem Sie sagen, in welchen Schritten Sie dieses Ziel er-
reichen wollen. Alle Verteuerungen, zum Beispiel die
Erhöhung der Mehrwertsteuer, werden sich im Osten
noch verheerender auswirken als im Westen. Das kennen
wir von früher. Deshalb muss man darauf hinweisen.
Ich glaube auch, dass wir Investitionen brauchen. Sie
sprechen gerne vom Zukunftsfonds. Ich sage Ihnen nur:
Eine Schummelei geht nicht. Sie können nicht immer
mit Jahresbeträgen operieren, aber, wenn es um den Zu-
kunftsfonds geht, von dem Vierjahresbetrag reden. Es
geht um 6 Milliarden Euro pro Jahr; das muss man hin-
zufügen. Dies ist zumeist Geld, das auch sonst ausgege-
ben worden wäre, mag es auch vernünftige Investitionen
darunter geben. Wenn Sie aber in die Verkehrsinfrastruk-
tur investieren wollen, können Sie nicht gleichzeitig die
Zuschläge für Bus und Bahn reduzieren. Damit würden
Sie nämlich Ihrem eigenen Programm einen Schlag ins
Gesicht versetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Bundeskanzlerin –