Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 48. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer Abgeordneten Matthes, bekanntzugeben, wer abwesend ist.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Gibbert, Schütz, Kemper, Dr. Oesterle, Dr. Müller , Frau Dietz, Frau Dr. Probst, Becker, Dr. Gülich, Bielig, Bettgenhäuser, Hennig, Valentin Baur, Schönauer, Herrmann, Frau Nadig, Altmaier, Margulies, Dr. Becker, Dr. Hoffmann, Dirscherl, Kuhlemann, Walter, Wittmann, Niebergall und Nuding. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. Henle, Fürst Fugger von Glött, Hoogen, Neuburger, Kiesinger, Hohl, Kahn, Jacobi, Dr. Suhr, Dr. Brill, Jahn, Brandt, Seuffert, Böhm, Ollenhauer, Freudenberg, Neumayer, Dr. von Campe, Ahrens, Dr. Mühlenfeld, Frühwald, Dr. Middelhauve, Dr. Nöll von der Nahmer, Reimann und Kurt Müller. Außerdem fehlt der Abgeordnete Goetzendorff.
Ich habe noch folgende amtlichen Mitteilungen bekanntzugeben:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 15. März 1950 die Anfrage Nr. 56 der Abg. Frau Korspeter, Leddin, Nowack und Fraktion der SPD betreffend Wiederherstellung der Straßenbrücke über die Aller in Celle — Drucksache Nr. 638 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 708 den Mitgliedern zugehen.
Unter dem gleichen Datum hat er die Anfrage Nr. 57 der nämlichen Antragsteller betreffend die Brücke über die Jezze in Dannenberg — Drucksache Nr. 639 — beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksache Nr. 709.
Weiter hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft unter dem 16. März 1950 die Anfrage Nr. 52 der Fraktion der FDP betreffend Strompreise — Drucksache Nr. 575 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 716 vervielfältigt.
Von der gestrigen Tagesordnung sind die Punkte 7 und 8 noch nicht erledigt. Sie sollen der heutigen Tagesordnung zugesetzt werden. Ich frage das Hohe Haus, ob sich dagegen Widerspruch erhebt. — Das ist nicht der Fall. Ich schlage Ihnen vor, daß mit diesen beiden Punkten begonnen wird. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe als Punkt 1 der Tagesordnung von heute auf Punkt 7 der Tagesordnung der 47. Sitzung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 9. Januar 1950 betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Marx .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Mayer . Ich bitte den Abgeordneten Mayer, den Bericht zu erstatten. Der Abgeordnete Mayer scheint nicht im Saale zu sein.
— FDP! Herr Kollege Mayer aus Stuttgart.
— Ist er jetzt da? Um so besser! —
Herr Abgeordneter Mayer, darf ich Sie bitten, als Berichterstatter zur Drucksache Nr. 605 zu sprechen.
Meine Damen und Herren! Der Fall Marx, der den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität auf ein Ansuchen der Staatsanwaltschaft München hin beschäftigt hat, ist einer von den Fällen, die den Ausschuß feststellen lassen mußten, daß man bei manchen deutschen Staatsanwaltschaften mit dem Begriff der Immunität des Abgeordneten reichlich großzügig und weitherzig umgeht. In diesem Falle hatte die Staatsanwaltschaft München I den Bundestag gebeten, zur Frage der Immunität des Abgeordneten Marx Stellung zu nehmen, hatte nicht gebeten, die Immunität aufzuheben, sondern gebeten, Stellung zu nehmen, und zwar weil der Führer der sogenannten Vaterländischen Union, Feitenhansl, gegen den Kollegen Marx Strafantrag gestellt hatte wegen Gewaltanwendung, Zusammenrottung, Landfriedensbruch usw.
Dem Ausschuß lagen etwa zwei Dutzend Zeugenvernahmen vor, aus deren keiner sich auch nur der leiseste Anhaltspunkt dafür ergab, daß die gegen den Kollegen Marx erhobenen Beschuldigungen zu Recht erhoben worden sind.
Der Ausschuß bittet deswegen das Hohe Haus, seine Stellungnahme zu bejahen, nämlich daß kein Anlaß für das Haus besteht, zur Frage der Immunität des Kollegen Marx überhaupt Stellung zu nehmen.
Ich danke dem
Herrn Berichterstatter. Ich habe seinen Antrag wohl richtig dahin verstanden, daß der Ausschuß den Antrag stellt, zur Tagesordnung überzugehen.
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist der Antrag gestellt, über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 9. Januar 1950 zur Tagesordnung überzugehen. Wer für diesen Antrag ist, zur Tagesordnung überzugehen, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist einstimmig angenommen.
Dann rufe ich als zweiten Punkt der heutigen Tagesordnung den Punkt 8 der Tagesordnung von gestern auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 19. Januar 1950 betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Baumgartner .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Brill. Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Brill das Wort als Berichterstatter.
Der Abgeordnete Dr. Brill ist entschuldigt. Dann kann dieser Punkt heute nicht behandelt werden. Darf ich den Herrn Vorsitzenden des Ausschusses fragen, ob ein Vertreter bestellt ist?
— Gut! Dann ist dieser Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Das Haus ist damit einverstanden.
Dann rufe ich auf als Punkt 3 unserer Tagesordnung den Punkt 1 der heute ausgelieferten Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Fraktion der WAV betreffend Fahrpreisermäßigung für Schwer- und Schwerstversehrte .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Baur. Er scheint aber auch zu fehlen.
— Treten Sie an seine Stelle? — Dann erteile ich Ihnen das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Abwesenheit des erkrankten Herrn Abgeordneten Baur habe ich die Berichterstattung übernommen.
Zu dem Antrag Drucksache Nr. 236 lag dem Ausschuß eine Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums vom 2. Januar vor. Danach erhalten die Schwerbeschädigten folgende Vergünstigungen: die Benutzung der 2. Wagenklasse mit Fahrausweisen 3. Klasse, sofern die Erwerbsminderung mindestens 80 Prozent beträgt und der körperliche Zustand die Benutzung der Polsterklasse erfordert.
Zum Absatz 2 des Antrags:
Schwerstversehrte, die eine Begleitperson mitführen müssen, erhalten für die Begleitperson dieselbe Ermäßigung,
ist zu sagen, daß der tatsächliche Zustand über die Forderung in diesem Antrag schon hinausgeht; denn freie Beförderung ist den Begleitern von Schwerbeschädigten zugestanden, sofern die Erwerbsminderung mindestens 50 Prozent beträgt.
Der Ausschuß ist sich in der Debatte darüber klar gewesen, daß die Belastung durch die hohe Zahl der durch den Krieg und sonstige Ereignisse hinzugekommenen Schwerbeschädigten sich im Etat der Bundesbahn sehr stark auswirkt und
infolgedessen nicht, wie in vielen anderen Fällen, ausschließlich von der bekanntlich sehr notleidenden Bundesbahn getragen werden kann. Der Ausschuß ist auch der Meinung gewesen, daß das eine Angelegenheit des ganzen Volkes ist und diese Frage daher in einer gesetzlichen Regelung für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene befriedigend geklärt und erledigt werden muß. Daher der einstimmig gefaßte Beschluß des Ausschusses, den Antrag bis zur Vorlage des in Kürze zu erwartenden Entwurfs eines Gesetzes zur Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zurückzustellen und ihn zusätzlich dem Ausschuß für Sozialpolitik und dem Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen mit der Maßgabe, daß der Ausschuß für Verkehrswesen weiterhin federführend bleibt.
Meine Damen und Herren, ich bitte das Hohe Haus, entsprechend zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Sie haben sich zum Wort gemeldet? Sie haben das Wort.
Es ist die Ehrenpflicht des ganzen deutschen Volkes, es ist ebenso Ehrenpflicht des Bundes und der Länder, den Schwer- und Schwerstversehrten jede mögliche Erleichterung zu gewähren,
seien sie Invaliden der Arbeit oder Invaliden 1 des Krieges. Die Forderungen, die in dem Antrag Drucksache Nr. 236 gestellt werden, sind durchaus erfüllbar, ja es ist geboten und dringlich, ihnen nachzukommen. Wir können daher nicht für eine Verzögerung in der Behandlung dieses Antrages durch Abwarten eines Gesetzentwurfes eintreten, im Gegenteil, wir fordern eine sofortige Entscheidung. Die Fraktion der Bayernpartei wird dem Antrag Drucksache Nr. 236 dann zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Herr Abgeordneter Löfflad hat das Wort.
Es scheint mir doch empfehlenswert zu sein, bei den Wortmeldungen nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung zu verfahren, das heißt sich schriftlich zum Wort zu melden. Es ist in diesem unruhigen Saal sehr schwer zu unterscheiden, ob das Aufheben einer Hand eine Meldung zum Wort ist oder sonst eine Geste bedeuten soll.
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich eine sachliche Richtigstellung bringen und beantragen, daß der Absatz 2 unseres Antrages Drucksache Nr. 236 gestrichen wird.
Zu dem Antrag selbst: Nachdem die Schwerbeschädigten bisher in diesem Hohen Hause zweifellos sehr stiefmütterlich behandelt worden sind,
möchte ich es ebenso wie mein Vorredner von der Bayernpartei doch nicht darauf ankommen lassen, daß diese Angelegenheit jetzt wieder auf die lange Bank geschoben und unser Antrag erst dem Ausschuß für Sozialpolitik und dem Ausschuß für Kriegsgefangenenfragen sowie dem Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen wird. Diese unsere Stellungnahme schließt natürlich nicht aus, daß die genannten Ausschüsse in einem neuen Bundesversorgungsgesetz auch Bestimmungen über die Fahrpreisermäßigungen für Schwerbeschädigte von einer Erbwerbsbehinderung von 50 Prozent ab treffen. Ich glaube aber, daß es im Interesse aller Schwerbeschädigten ist, wenn das Hohe Haus bereits heute unserem Antrag zustimmt, damit die Schwerbeschädigten ab sofort in den Genuß der Fahrpreisermäßigung kommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD steht dem Antrage Drucksache Nr. 236 durchaus wohlwollend gegenüber, ist aber der Meinung, daß eine Beratung im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen letztlich trotz der Bejahung der Notwendigkeit einer Behandlung im Ausschuß für Verkehrsfragen — der Materie und ihrer Besonderheit wegen — erforderlich ist. Wir sind der Auffassung, daß die dadurch bedingte Verzögerung nicht so groß ist, daß man jetzt schon unbedingt zu einer Verabschiedung kommen muß, da es im Ausschuß für Kriegsopferfragen doch noch einige Fachfragen zu erörtern gibt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung ist zunächst über den Antrag des Ausschusses abzustimmen. Wer für den Antrag des Ausschusses — Drucksache Nr. 592 — ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen. Punkt 1 der heutigen Tagesordnung ist damit erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der gedruckten Tagesordnung von heute:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht .
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Stegner als Berichterstatter.
— Dann dem Herrn Abgeordneten Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erstatte Bericht an Stelle des Kollegen Stegner, der durch eine Stimmbänderentzündung am Sprechen behindert ist. Der Antrag, den der Ausschuß Ihnen vorgelegt hat und der heute hier behandelt werden soll, geht auf den Antrag zurück, den die SPD seinerzeit, am 18. Januar, gestellt und über
den das Hohe Haus am 27. Januar hier ausführlich debattiert hat. Die Regierung ist außerdem auf Grund des Petersberger Abkommens bereits seit drei Monaten, nämlich seit dem 22. November, verpflichtet, auf dem Gebiet der Dekartellierung und zur Beseitigung monopolistischer Tendenzen gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen, die den von der Hohen Kommission auf Grund des Artikels 2 b des Besatzungsstatuts erlassenen Entscheidungen entsprechen, und bereits vor einem Jahre hat das damalige BICO, die britisch-amerikanische Stelle für das damalige Zweizonengebiet, der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt den Auftrag erteilt, ein Gesetz gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht auszuarbeiten. Es ist hier klarzustellen, daß es sich dabei um ein Gesetz gegen Handelsmißbräuche handelt, genauer definiert um „die Unterbindung wettbewerbsfeindlicher geschäftlicher Praktiken und Abmachungen" im Sinne der Havanna-Charta. Es ist also zu unterscheiden zwischen solchen „Entkartellierungsmaßnahmen" und jenen Maßnahmen, die sich auf die Dekonzentration wirtschaftlicher Machtgebilde beziehen, das heißt den Komplex der sogenannten Entflechtungsmaßnahmen.
Wie nun aus der damaligen Debatte erinnerlich und wie sonst bekannt ist, haben sich sowohl die Verwaltung für Wirtschaft wie die Bundesregierung seit ihrer Berufung mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes beschäftigt. Die einzelnen Referentenentwürfe sind auch einer weiteren Öffentlichkeit längst bekannt. Aber es ist bisher noch kein Entwurf vom Kabinett verabschiedet worden.
Unter diesen Umständen hat es der Ausschuß für richtig gehalten, auf Beschleunigung und Abschluß der Arbeiten zu drängen, die nun schon sehr geraume Zeit im Gange sind. Er hat diese Meinung einstimmig gehabt. Den Antrag der SPD hat er sich nicht der Sache nach zu eigen gemacht, sondern hat vorgeschlagen, ihn der Regierung als Material zu überweisen. Wir können bei dieser Gelegenheit dann wohl den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß das einjährige Jubiläum jenes Auftrags an die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets nun auch wirklich beschleunigt zur Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes an das Hohe Haus führen wird. Wir glauben dadurch, daß wir im Ausschuß in dieser Weise den Antrag formuliert haben, sowohl der Sache selbst wie der Bundesregierung einen Dienst zu erweisen. Ich habe also die Ehre, Sie im Namen des Ausschusses zu bitten, der Vorlage in diesem Sinne zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Nölting.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie der Herr Berichterstatter gerade sagte, ist es nun schon das zweite Mal, daß sich das Haus mit der gleichen Materie befaßt. Das erste Mal — ich darf es in Ihre Erinnerung zurückrufen — war es in der 32. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 27. Januar 1950, und wieder droht es heute, genau wie damals, resultatlos auszugehen wie das Hornberger Schießen.
Der sozialdemokratische Antrag fordert von der Bundesregierung die baldige Vorlage eines Antimonopolgesetzes, die uns aus zwiefachem Grunde dringend notwendig erscheint. Es herrscht gegenwärtig auf Grund der völlig unzulänglichen Dekartellierungsgesetze in Deutschland ein Treibhausklima, das die Entstehung illegaler Kartellgebilde geradezu fördert. Zweitens möchten wir — wie ich schon damals ausführte - unliebsame amerikanische Überraschungen abfangen, die zu befürchten sind, wenn wir nicht endlich vom Fleck kommen. Das Kartellproblem ist delikat, und ich möchte, daß es nicht einfach mit der amerikanischen Kraftbrühe übergossen wird.
Herr Professor Erhard, der leider heute nicht anwesend ist, hat in der vorerwähnten Sitzung erklärt, das Kartellgesetz liege ja fertig vor, und ich hätte es bereits im einzelnen kommentiert. Herr Kollege Etzel als Sekundant des Herrn Erhard hat damals ebenfalls von einem bereits „vorliegenden Entwurf" gesprochen, der — so sagte der Herr Kollege Etzel wörtlich — über die Referentenbesprechungen hinaus zu einem
positiven Abschluß gekommen, im Kabinett besprochen und akzeptiert worden sei.
Später hat dann freilich Herr Kollege Etzel diese Behauptung dahin eingeschränkt, daß dieser Entwurf inzwischen bei den einzelnen Ministerien noch überprüft würde. Das ist eigentlich eine höchst seltsame Prozedur! Wir im Lande Nordrhein-Westfalen jedenfalls pflegen im Kabinett etwas endgültig zu verabschieden, und die Referentenbesprechungen, die Besprechungen mit den Ressortministerien, gehen dieser Verabschiedung voraus. Aber das sind vielleicht besondere Nuancen des Bonner Parketts, auf dem ich mich nicht auskenne.
Beide Herren haben damals gemeint, die von der SPD angeregte Debatte sei völlig überflüssig gewesen, da alles bereits im Lot und perfekt sei. Ja, meine Damen und Herren, warum treten wir dann noch immer auf der Stelle? Ich habe den Eindruck, daß die Debatte damals weniger überflüssig, als den Herren ungelegen und höchst unwillkommen war.
Das war, wie gesagt, am 27. Januar. Heute verzeichnen wir den 17. März. Inzwischen hat mir der Herr Abgeordnete Etzel einen Entwurf zugesandt. Herr Etzel ist zwar ein sehr rühriger Abgeordneter, er ist aber nicht Wirtschaftsminister, und deshalb weiß ich auch heute noch nicht, ob der Herr Wirtschaftsminister diesem Gesetzentwurf zustimmt, welche Abänderungen er im Labyrinth des Kabinetts und in den Wandelgängen seines Ministeriums bereits erfahren hat oder noch erfahren wird, und was der Herr Professor endgültig aus seinem Schubfach hervorzukramen und dem Hohen Haus vorzulegen gedenkt. Der ganze Sachverhalt bleibt nach so viel Wochen auch weiterhin völlig ungeklärt. Ich weiß nur, daß dauernde Besprechungen mit deutschen Stellen und mit amerikanischen Experten stattfinden, und ich weiß zweitens, daß der Herr Bundesjustizminister Schwierigkeiten macht, daß er Einspruch erhoben hat. Aber er hat nach meinen Informationen seinen Standpunkt bisher noch nicht schriftlich fixiert, so daß
praktisch alles noch so aussieht wie die Welt am ersten Schöpfungstag, wo sich das Feste vorn Flüssigen noch nicht geschieden hatte und überall noch . Wüste und Leere herrschte.
Zugunsten des Herrn Wirtschaftsministers will ich nicht annehmen, daß er dem Hause effektiv ein so wirklichkeitsfremdes Elaborat vorlegen wird wie diesen Entwurf, der mir privatim zugesandt wurde und der auf ein krasses, in der Praxis doch nicht durchsetzbares, absolutes Monopolverbot hinaussteuert und der vor allem die Grenzscheide zwischen dem öffentlich-rechtlich und dem gemeinwirtschaftlich gesteuerten Wirtschaftssektor in keiner Weise genügend respektiert. Dieser Sektor hat nach unserer Forderung außerhalb der Monopolkontrolle zu bleiben, da er durch die dafür eigens geschaffenen Lenkungsorgane bereits kontrolliert wird.
Der mir vorliegende Entwurf würde zudem eine Regelung bedeuten, die völlig außerhalb des Rahmens der sonstigen europäischen Gestaltung verläuft. Es besteht praktisch die Gefahr, daß alsdann die bisher bestehende Fassade alliierter Antimonopolgesetze nur neu verputzt wird, dieweil die Wirklichkeit des Lebens andere Wege einschlägt.
Ich nehme nicht an, daß es bewußte Taktik, daß es Absicht ist, daß man die amerikanische Intervention abwarten, sie vielleicht sogar provozieren will, um hernach dann mit blauem Augenaufschlag sagen zu können: Ja, wenn die Amis nicht dazwischengekommen wären, hätten wir das alles so viel sinnvoller, weiser und vernünftiger geregelt. Ich sage nicht, daß ich diese
Vermutung habe; ich sage aber, daß eine solche Interpretation zumindest möglich ist und daß man auch hier den bösen Schein vermeiden soll. Denn etwas stutzig haben mich Ausführungen gemacht, die der Herr Bundeswirtschaftsminister nach einem Bericht der „Rheinischen Post" auf einer Tagung des Groß- und Einzelhandels Nordrhein-Westfalens aus Anlaß der Kölner Messe gemacht hat. Trifft dieser Bericht zu, dann scheint es so, daß man die Flinte bereits ins Korn geworfen hat. Denn in diesem Bericht heißt es wörtliich:
Die Kartellgesetzgebung sei im übrigen nicht Sache der Bundesregierung, sondern der Hohen Kommissare; die Bundesregierung könne lediglich beratend mitwirken.
Das klingt sehr defaitistisch, meine Herren,
sehr nach der bekannten Parole: Hannemann,
geh du voran, du hast die längeren Stiebel an!
Wir hatten gehofft, im Wirtschaftsausschuß über diese Dinge mit der gebotenen Ausführlichkeit sprechen zu können. Aber die bereits anberaumte Sitzung ist in letzter Minute wieder abgeblasen worden, mit der Begründung, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister und seine Mannen sich erst noch mit amerikanischen Experten beraten müßten. Die Kommission, die nach Amerika starten wollte, ist auch noch nicht abgereist. Und dann geht doch der Gesetzentwurf nach neuer Verabschiedung im Kabinett und nach Durchsprache bei den einzelnen Ministerien in die Mühle des Bundesrats, um schließlich zu uns zu gelangen und dann dem Wirtschaftsausschuß überwiesen zu werden.
Zu welchem Termin — frage ich abschließend — können wir denn nun mit ein em Kartellgesetz rechnen? Wann wird Herr Professor Erhard mit der endgültigen Vorlage herausrücken? Am 27. Januar gab er eine ausweichende Antwort. Wir hatten erwartet, daß er sich heute präziser äußern und konkreter festlegen würde. Denn es gibt keine Versicherung, die uns darüber beruhigen könnte, daß wir nicht vielleicht doch eines Tages vor unliebsame Überraschungen von außen her gestellt werden, falls die Regierung noch weiter zögert. Darum unsere, Mahnung und unsere Forderung genau wie unlängst bei der Arbeitslosendebatte: Etwas mehr Tempo, meine Herren von der Bundesregierung!
Ich erteile Herrn Schröter das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der CDU stelle ich den Antrag, die Beratung dieses Punktes so lance zu unterbrechen, bis der Herr Bundeswirtschaftsminister erschien en ist. Ich bitte das Präsidium, dafür zu sorgen, daß der Herr Wirtschaftsminister in der Zwischenzeit davon benachrichtigt wird.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? Das scheint nicht der Fall zu sein. Das Haus ist damit einverstanden, daß die Beratung dieses Punktes unterbrochen wird, bis der Herr Bundeswirtschaftsminister hier erscheint. Das Erforderliche wird von mir veranlaßt. Ich stelle die Weiterberatung dieses Punktes zurück.
Wir kommen zu Punkt 3 der gedruckten Tagesordnung.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Nachdem das Hohe Haus eben beschlossen hat, den vorhergehenden Punkt zurückzustellen, bis der Herr Wirtschaftsminister erschienen ist, würde ich vorschlagen, daß wir auch diesen Punkt zurückstellen, der die Einschränkung überhöhter Handelsspannen betrifft, bis der Herr Bundeswirtschaftsminister im Hause anwesend ist.
Denn auch bei der Erörterung dieses Punktes wird doch seine Anwesenheit notwendig sein.
Das Haus ist einverstanden. Dann rufe ich auf Punkt 4 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 .
Das Wort zur Einbringung der Vorlage hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat bereits bei der Einbringung des vorläufigen Haushaltsgesetzes des Bundes für das Rechnungsjahr 1949 angekündigt, daß es notwendig sein würde, Ihnen ein Ergänzungsgesetz vorzulegen. Das geschieht mit der Ihnen jetzt unterbreiteten Drucksache Nr. 633. Ich darf im allgemeinen auf die ausführlichen Darlegungen Bezug nehmen, die der Herr Bundesfinanzminister bei der Einbringung des vorläufigen Haushaltsgesetzes gemacht hat, und darf zusätzlich noch folgendes bemerken:
Wie bekannt, hat der Haushalt des Bundes in diesem Übergangsjahr zwei Grundlagen, einmal den Haushaltsplan der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für 1949 und zweitens die neuen Haushaltsvoranschläge für die neuen Bundesorgane und Bundesverwaltungen, die keinen Vorgänger in der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets gehabt haben. Dieser Übergangshaushalt für 1949, wie er im Haushaltsausschluß des Hohen Hauses beraten worden ist, schließt jetzt nach dem Ergebnis dieser Beratungen in Einnahmen und Ausgaben mit rund 969 Millionen D-Mark ab.
Das Haushaltsbild dieses Übergangshaushaltes erfährt nun durch den Ergänzungshaushalt, der Ihnen jetzt vorgelegt wird, entscheidende Änderungen, und zwar aus zwei Gründen. Für einzelne Ausgabepositionen von besonderer Tragweite ließ sich das Ausmaß bei der Vorlage des vorläufigen Haushalts überhaupt nicht, auch nicht wenigstens annähernd, ermitteln. Bei einzelnen Ministerien mußten infolge von Zuständigkeitserweiterungen gemäß dem Grundgesetz zusätzliche Aufgaben und damit auch zusätzliche Ausgaben erwachsen, die hier ausgewiesen werden. Das Bundesfinanzministerium hat geglaubt, daß die Mehrausgaben in diesen beiden Punkten von solcher Tragweite sind, daß es nicht möglich ist, sie im Wege von über- oder außerplanmäßigen Bewilligungen, also nur durch das Ministerium zu decken, sondern daß es geboten ist, sie in Form eines Ergänzungshaushalts der parlamentarischen Kontrolle und Bewilligung zu unterwerfen.
Dieser Ihnen heute vorgelegte Ergänzungshaushalt schließt in Einnahmen und Ausgaben mit rund 587 Millionen D-Mark ab. Damit erhöht sich der Gesamtumfang des Bundeshaushalts 1949 auf rund 1 Milliarde 556 Millionen D-Mark. Ich darf hierzu auf den Gesamtplan, der der Drucksache beiliegt, und auf die Einzelpläne Bezug nehmen. Ich möchte nur kurz erwähnen, daß Mindereinnahmen in Höhe von 64 Millionen D-Mark darin enthalten sind; es sind insbesondere die nicht abgelieferten Überweisungen der Deutschen Bundesbahn für die Monate Juni bis September mit 58,3 Millionen D-Mark nunmehr als Mindereinnahme eingesetzt worden. Ferner sind 34 Millionen D-Mark als Minderausgaben vorgesehen, von denen zusammen 13 Millionen sich aus Einsparungen hei den Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes ergeben, die entweder in der Abwicklung oder in der Überführung begriffen oder die in die Bundesverwaltungen übergegangen sind. Es ergeben sich also zusammen 13 Millionen D-Mark Ersparnisse bei den ehemaligen bizonalen Verwaltungen.
Zusätzliche Ausgabeposten von besonderer Höhe sind die beiden folgenden: erstens die Finanzhilfe für Berlin mit 246,5 Millionen D-Mark nach näherer Erläuterung in dem betreffenden Einzelplan und zweitens der Preisausgleich für eingeführte Lebensmittel und Düngemittel, also die Einfuhrsubventionen in Höhe von 335,9 Millionen D-Mark. Das macht zusammen also über 582 Millionen D-Mark aus. Der Rest bis zum Gesamtbetrag des Ergänzungshaushaltes macht nur noch knapp 5 Millionen D-Mark aus.
Der Bundesrat hat die Vorlage eingehend beraten und dazu Stellung genommen. Die Stellungnahme des Bundesrates ist in der Anlage 2 der Drucksache und die dazu ergangene Stellungnahme der Bundesregierung in der Anlage 3 der Drucksache wiedergegeben. Die Bundesregierung hat sich bemüht, den Anregungen des Bundesrates weitgehend zuzustimmen; sie ist bei einigen grundsätzlichen Punkten dazu jedoch nicht in der Lage gewesen. Der Bundesrat hat beschlossen, daß der Beitrag der Länder zu diesem Ergänzungshaushalt auf eine bestimmte
Summe festgesetzt werden soll. Das würde bedeuten, daß der Haushalt des Bundes nicht ausgeglichen sein würde. Wir sind der Ansicht, daß man damit gegen das Grundgesetz verstoßen würde. Sachlich ist es so, daß diese Vorschrift, wonach der Ausgabenüberschuß des Bundes in diesem Rumpfrech nungsjahr von den Ländern gedeckt werden soll, nicht etwa eine Erfindung des Bundesfinanzministeriums darstellt, sondern auf den Vorschlägen beruht, die der Finanzausschuß der Länderfinanzminister in Stuttgart und die Ministerpräsidentenkonferenz im letzten Sommer entwickelt haben. Die Bundesregierung hat diese Vorschläge der Finanzminister der Länder und der Ministerpräsidenten der Länder in ihre Vorlage übernommen, und sie hält es, ganz abgesehen von den verfassungsmäßigen Bedenken, auch sachlich für richtig, an dieser von den Herren Ministerpräsidenten entwickelten haushaltsrechtlichen Linie festzuhalten.
Die übrigen Punkte, in denen eine Übereinstimmung zwischen Bundesrat und Bundesregierung noch nicht erzielt worden ist, sind von untergeordneter Bedeutung. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, im Verlauf der Beratungen des Haushaltsausschusses sowohl über diese wie über die mehr grundsätzlichen Punkte zu einer Verständigung zu kommen. Ich wäre dankbar, wenn es dem Haushaltsausschuß möglich wäre, die Beratung auch dieser Vorlage schnell in Angriff zu nehmen und abzuschließen.
Der Antrag ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Antrag wird wohl an den Haushaltsausschuß zu überweisen sein. — Das Haus ist einverstanden. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer .
Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes hat sich schon im Frühjahr des vergangenen Jahres mit zwei Teilfragen des Heimkehrerproblems beschäftigt, und zwar mit der Arbeitsvermittlung und der Arbeitslosenhilfe für Heimkehrer und mit der Gleichstellung der in das zivile Arbeitsverhältnis übergeführten ehemaligen Kriegsgefangenen. Er verabschiedete damals die beiden Entwürfe nicht, weil keine Aussicht bestand, daß sie vor der Bildung des Bundes noch von der Militärregierung genehmigt würden.
Wenn der Rückstrom der Heimkehrer inzwischen in den vergangenen Monaten nachgelassen hat, so ist daraus nicht der Schluß zu ziehen, daß das Problem inzwischen von minderer Bedeutung geworden ist. Die Bundesregierung hegt vielmehr die feste Zuversicht, daß auch die restlichen Kriegsgefangenen in baldiger Zukunft in die Heimat zurückkehren werden. Sie hat es daher als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben angesehen, durch Schaffung bundeseinheitlicher Rechtsvorschriften den Ländern die ihnen bisher obliegende Heimkehrerfürsorge abzunehmen, zu vereinheitlichen und, wie ich glaube, im Rahmen des Möglichen noch zu verbessern.
Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf enthält diejenigen Aufwendungen und Hilfen, die der Bund als Mindestleistung zu tragen in der Lage ist. Soweit es die Finanzlage einzelner Länder gestatten sollte, von sich aus zusätzliche Aufwendungen zu gewähren, würde dies meines Erachtens nur der Tatsache Rechnung tragen, daß für viele der jetzt Heimkehrenden die Rückgliederung in geordnete zivile Verhältnisse eine größere Schwierigkeit bedeutet, als wenn sie schon vor Jahren wieder den heimatlichen Boden hätten betreten können. Es ist aber nicht möglich, daß derartige zusätzliche Leistungen der Länder vom Bund übernommen werden.
Wegen des Aufbaus und des materiellen Inhalts des Gesetzes darf ich Sie auf die Ihnen vorliegende Begründung aufmerksam machen. Der Gesetzentwurf umreißt zunächst den Personenkreis der Heimkehrer. Unter großzügiger Auslegung des Begriffs sollen diejenigen Heimkehrer von der durch das Gesetz gewährleisteten Betreuung erfaßt werden, die innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung oder nach dem Ablauf der Mindestverpflichtungsdauer im Bundesgebiet Aufenthalt nehmen. Von einem erheblichen Teil der Leistungen werden aber auch solche Heimkehrer erfaßt, die nach dem 1. Januar 1948 entlassen worden sind und in der Folge im Bundesgebiet Aufenthalt nehmen oder genommen haben.
Der Abschnitt I, Entlassungsgeld und Übergangshilfe, sichert die Mittel, die der Heimkehrer sofort für seinen Lebensunterhalt und für seine Einkleidung benötigt. Abschnitt II, Zuzugsgenehmigung und Wohnraumzuteilung, dient der Sicherung des Wohnraums für den Heimkehrer und seine Familie unter weitgehender Herstellung der durch die Kriegsfolgen eingeschränkten Freizügigkeit. Er stellt die Heimkehrer anderen Wohnungssuchenden, die bevorzugt unterzubringen sind, gleich.
Während auf diese Weise den primären Bedürfnissen der Heimkehrer an Ernährung,
Wohnung und Kleidung Rechnung getragen werden soll, erstreckt sich die Wirkung der übrigen Abschnitte des Gesetzes auf die Sicherung der rechtlichen und sozialen Verhältnisse während eines längeren Zeitabschnitts. In Abschnitt III und IV wird der frühere Arbeitsplatz rechtlich gesichert. Wo diese Sicherung nicht mehr wirksam werden kann, sei es aus Gründen, die im Betrieb liegen, sei es aus Gründen, die beim Heimkehrer selbst liegen, werden die Arbeitsämter ihre ganze Kraft in den Dienst der Unterbringung der Heimkehrer zu stellen haben. Die Förderung der Berufsausbildung und die Sicherung des Lebensunterhalts der Heimkehrer während dieser Zeit werden dabei in dem Vordergrund ihrer Bemühungen stehen.
Führen die verschärften Bemühungen um Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes nicht sofort zum Erfolg, so tritt nach den Bestimmungen des Abschnitts V die Arbeitslosenversicherung rückwirkend ein. Die hierfür geltenden Vorschriften weichen zugunsten der Heimkehrer von den sonst geltenden Unterstützungsvorschriften ab und bemühen sich auch hierin, der Schwere des Lebensschick als der Heimkehrer in weitgehendem Maße Rechnung zu tragen. Bei der Bemessung der Unterstützung wird von einem Arbeitsentgelt von 42 D-Mark in der Woche ausgegangen. Wenn der Heimkehrer früher eine höhere Entlohnung hatte oder jetzt erzielen würde, falls seine berufliche Tätigkeit nicht durch den Krieg unterbrochen worden wäre, kann die Unterstützung höher liegen.
Lücken, die im Sozialversicherungsschutz für den Heimkehrer bisher bestanden, schließt der Abschnitt VI des Gesetzes. Er hebt die bisher in den einzelnen Ländern bestehenden unterschiedlichen Versorgungen auf und gewährt dem Heimkehrer ausreichenden Anspruch auf Krankenhilfe. Außerdem wird in den Rentenversicherungen auch mit Rücksicht auf die Internierungszeit das geltende Recht vereinheitlicht und verbessert. Der Schlußabschnitt VII bringt Verwaltungsvorschriften, die sich aus dem Übergang der Heimkehrerbetreuung auf den Bund ergeben.
Das Heimkehrergesetz ist aus der Not geboren. Es wird nicht alle Sorgen und Nöte der Heimkehrer beseitigen können. Es schafft allerdings die Voraussetzungen dazu und läßt erkennen, daß sich die Heimat ihrer Verpflichtung den Heimkehrern gegenüber bewußt ist.
Der Entwurf ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit soll nach der Vereinbarung des Ältestenrats 10 Minuten betragen, und zwar offensichtlich für jede Partei.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Meine Damen und Herren! Politik muß wie jede Besonderheit unseres Daseins eine Äußerungsform der Kultur sein,
und ich glaube, daß gerade die Regelung der Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer ein zentrales Kulturproblem ist. — Die Fraktion der Bayernpartei hat zu diesem Gesetzentwurf einen Ergänzungsantrag zu stellen. Sie wissen, daß schon
im Bundesrat darüber verhandelt worden ist, ob das Entlassungsgeld von 50 D-Mark den Erfordernissen des Heimkehrers bei Erreichung seiner Heimat genügt. Bayern hat schon lange das Entlassungsgeld auf 150 D-Mark erhöht. Der Vertreter Bayerns hat im Bundesrat darauf hingewiesen. daß die Länge und Härte der Gefangenschaft die Bedürfnisse vermehren und die Verschärfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Erhöhung des Entlassungsgeldes im gesamten Bundesgebiet auf 150 D-Mark notwendig macht und daß dies auch zur Sicherung des sozialen Friedens notwendig ist. Er hat außerdem darauf hingewiesen, daß dem entsprochen werden könne, nachdem die Betreuungsunternehmen sowieso der natürlichen Auflösung entgegengehen, und daß außerdem Bayern es nicht verantworten kann, das Entlassungsgeld für Spätheimkehrer auf Grund eines Bundesgesetzes, das diesem Entwurf entsprechen würde, herabzusetzen.
Ich glaube, wir sind uns alle darüber im klaren, daß die erste Hilfe für den Heimkehrer so bemessen sein muß, daß er sich wirkungsvoll dem Gefühl der Vermassung und Entmenschlichung entziehen kann. Wir sind außerdem der Auffassung, daß gerade das gemeinsame Schicksal und die gemeinsame Tragik, die die Heimkehrer, insbesondere die Spätheimkehrer in dieser schweren Zeit erlitten haben, es erheischen, daß eine übereinstimmende Festsetzung des Entlassungsgeldes in den Staaten und Ländern des Bundes notwendig ist. Wenn nun das Land Bayern bereits 150 D-Mark an Entlassungsgeld bezahlt hat, so möge sich unter diesen Umständen der Bundestag dazu entschließen, hier eine gemeinsame Regelung zu finden; wenn man auch grundsätzlich den Standpunkt vertreten kann, daß es den einzelnen Ländern unbenommen sein soll, zusätzliche Mittel für solche Leistungen zu gewähren. Aber man soll es wirklich nicht dem Zufall überlassen, sondern gerade für unsere Heimkehrer mit gemeinsamem guten Willen einen gemeinsamen Weg zur Sicherung des sozialen Friedens, der Gerechtigkeit und der Gleichheit finden. Die Fraktion der Bayernpartei wird daher einen entsprechenden Änderungsantrag zur zweiten Lesung des Entwurfs einreichen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pohle.
Meine Damen und Herren! Ich würde mich glücklich schätzen — um den Worten des Herrn Vorredners zu folgen —, wenn das gesamte Heimkehrerproblem nur ein Problem des Entlassungsgeldes wäre. Aber nach der seelischen und materiellen Zerrüttung, die die Menschen erlitten haben, ist es ein weit schwierigeres Problem, wobei ich durchaus anerkenne, daß wir uns mit dem Herrn Finanzminister noch sehr eingehend in der Ausschußberatung über das Entlassungsgeld und seine Höhe werden unterhalten müssen.
Wenn man sich durch die Drucksachen des Hohen Hauses hindurchgearbeitet hat und doch einmal Zeit findet, etwas anderes zu lesen, dann stößt man darauf, daß es doch schon Leute gegeben hat, die etwas, was man gedacht hat, in weit besseren Worten formuliert haben, als man das selbst zu tun imstande wäre. So fand ich in diesen Tagen in einem „Hinweisblatt für den
Heimkehrer", das vor Jahresfrist erschien, einige Feststellungen, die das Problem etwas anreißen. Mit Zustimmung des Herrn Präsidenten möchte ich einige Zeilen daraus zitieren. Da heißt es:
Das Gesicht der Heimat hat sich verändert.
Deshalb ermahnten wir viele, so illusionslos
wie nur möglich zurückzukehren. Und vergiß nicht, daß du ganz auf dich selbst gestellt bist. Die Fürsorge von Behörden und
Organisationen ist lückenhaft und bedeutet
nicht mehr als einen Tropfen auf einen
heißen Stein. Denke daran, daß über ein
Drittel unseres gesamten Wohnraums durch
den Krieg zerstört ist, daß in diesen übriggebliebenen Häusern noch 12 Millionen
Flüchtlinge und Vertriebene haben Unterkunft finden müssen. Und weißt du, daß sich
die Bevölkerungsdichte unseres Landes nunmehr durchschnittlich auf 200, teilweise sogar auf 230 je Quadratkilometer beläuft an
Stelle von früher 147? Ist dir bekannt, daß
als Opfer der beiden Kriege beinahe 2 Millionen Versehrte in Deutschland leben. von
denen nicht weniger als 240 000 Beinamnutierte. 45 000 Arm- oder Handamputierte, 25 000 Blinde und 25 000 Hirnverletzte
sind? Daß jeder zwanzigste Deutsche vermißt wird? Du wirst einsehen, wie wenig dir
und der Heimat mit Illusionen gedient ist.
Meine Damen und Herren! Ohne Illusionen -
wenn ich diesem Wort folgen will —, haben wir von der sozialdemokratischen Fraktion den Antrag betreffend einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung eingebracht, mit dem wir eine einheitliche erste Hilfestellung schaffen, den ersten Trampelpfad durch das Dickicht unseres zivilen Lebens von heute für den Heimkehrerschlagen wollten. Der Antrag war aus den Erfahrungen der vergangenen Monate, ja der Jahre seit 1945 geboren worden; und weil wir ja nichts Unmögliches fordern wollten, haben wir uns schon bei diesem Antrag eine weise Beschränkung auferlegt, die auch der Ausschuß anerkennen mußte. der unsere Vorschläge einstimmig gebilligt hat.
Der Gesetzentwurf liegt vor uns. Ich habe nicht die Absicht, diesen Gesetzentwurf zu zerreden; denn er bringt auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung, der Sozialversicherung, der Berufsfürsorge und der Zuzugsgenehmigung angestrebte positive Werte. Um so schmerzlicher berührt es uns, wenn unserer Meinung nach so marche Grundzahlfestsetzung zu engherzig gehandhabt worden ist. Wir behalten uns vor, im Ausschuß auf unsere alten Verschläge zurückzukommen.
Über die Höhe des Entlassungsgeldes — das betone ich noch einmal — werden wir mit dem Herrn Finanzminister noch ein sehr eingehendes Wort zu sprechen haben. Die Höhe des Entlassungsgeldes ist in der Öffentlichkeit, besonders unter den Heimkehrern, sehr stark diskutiert worden. Wir wollen hier nicht um 50, 60 und 70 D-Mark feilschen. Ich bin der Überzeugung, selbst wenn wir imstande wären, jedem Heimkehrer 1000 D-Mark Entlassungsgeld zu geben, wäre das ein Trinkgeld gegenüber dem, was er durchgemacht hat:
Ich bin überzeugt, daß wir uns auch in diesem Falle darüber klar sein müssen, daß dieses Gesetz kein Wiedergutmachungsgesetz, sondern nur ein Koordinierungsgesetz ist.
Ich möchte gerade bei der Übergangsbeihilfe nur kurz das andeuten, da das Gesetz ja auch dem Bundesrat und der Bundesregierung in den Durchführungsverordnungen eine große Macht in die Hand gibt. Wir wollen es uns doch sehr stark überlegen; ich bin lieber dafür, daß einige, die es nicht benötigen, diese Übergangsbeihilfe erhalten, als daß bei dem psychologischen Unverständnis der Behörden die ganze Geschichte in ein falsches Fahrwasser gerät.
Wir haben nämlich einige unangenehme Erfahrungen auf diesem Gebiet erlebt, und mir ist es selbst so gegangen, als ich nach 1945 von der Wehrmacht nur mit einem alten Soldatenrock angetan entlassen wurde; so kann ich nachfühlen, wie schwer es jedem fällt, der früher einmal selbständig gewesen ist und sein Geld selbst verdient hat, nun zum Wohlfahrtsamt zu gehen und seine Bedürftigkeit nachprüfen zu lassen. Denn die Bedürftigkeit wird in 90 Prozent der Fälle von vornherein zu bejahen sein. Deswegen kann man die anderen ruhig mitnehmen. Schließlich kommt sonst noch eine Behörde darauf, daß man noch eine Großmutter besitzt, die eine Beamtenpension empfängt, und zieht die zum Unterhalt des Heimkehrers und zu seiner ersten Einkleidung mit heran. Ich habe Fälle erlebt, wo zwei Ehepartner — das ist ja auch ein Novum in der Kriegsgeschichte —, Mann. und Frau in vier Wochen Abstand aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrten, und die Behörde weigerte sich zuerst standhaft, auch der Frau die Heimkehrerhilfe zu geben, weil sie sagte, sie wird nur einmal gezahlt.
Ich muß sagen, daß ich in diesen Tagen erst ein Schreiben in die Hand bekommen habe, das mir doch Veranlassung geben wird, mit dem Herrn Arbeitsminister die Dinge noch einmal sehr eingehend durchzusprechen — wenn unser vorliegender sozialdemokratischer Antrag über die Fürsorgeunterstützung bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu einem realen Gesetz geworden ist —, daß wir uns einmal über die Unterhaltszahlungen für uneheliche Kinder von Heimkehrern unterhalten müssen. Denn wenn man kaum 14 Tage daheim ist und sich an die Ruinen der Heimat gewöhnt hat, und das erste Glückwunschschreiben, das man im Jahre 1950 von einer Behörde des Inhalts erhalten hat, daß man die bisher aufgelaufenen Unterhaltsbeiträge von 1945 bis 1949 für sein uneheliches Kind abzahlen soll, so ist das ein bißchen starker Tobak und ein unwillkommener Willkommensgruß, der dazu gegeben wird.
- Ich kann mir den Grund Ihrer Heiterkeit nicht recht vorstellen; ich habe in diesem Falle nicht pro domo gesprochen, meine Damen und Herren.
Es gibt auch leider — das müssen wir mit Entsetzen feststellen — eine ganze Reihe von „freundlichen" Arbeitgebern, die als ersten Willkommensgruß dem Heimkehrer, der aus dem Kreise der Einheimischen stammt, den Kündigungsschein in die Hand drücken. Wir werden hier noch nachdrücklichst einige klarere Formulierungen in diesem Gesetz zu erreichen versuchen. Eine Behörde — ich möchte sie nicht
nennen, ich bin für Versöhnung und Verständigung, ich möchte die Gegensätze nicht noch vertiefen — war doch etwas überschlau. Hin und wieder hat man es erlebt, daß der Behördenvertreter einfach gesagt hat: Diese Stelle ist nur für Einheimische offen. Aber hier hat es doch tatsächlich eine Behörde fertiggebracht, einem Heimkehrer einen Brief mit dem Bemerken zu übergeben, er könne nicht eingestellt werden, da offene Stellen nur mit Einheimischen besetzt werden können. Meine Damen und Herren, das ist doch etwas zu viel, und das ist ein derartiges psychologisches Unverständnis, daß man unter diesen Umständen in der Wüste auf die Bäume klettern möchte.
Diese Durchführungsbestimmungen werden nach dieser Richtung hin von uns aus mit einigen Weisungen — auch vom Ausschuß, und ich hoffe mit Zustimmung des Hohen Hauses — an die Regierung gegeben werden. Wir gehen ohne Illusionen an die Verbesserung und an die Verabschiedung dieses Gesetzes, aber von dem Willen beseelt, auch in der tiefsten Armseligkeit Deutschlands das Gesetz der Kameradschaft hochzuhalten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den Beratungen über das Arbeitsbeschaffungsprogramm hat der Herr Bundeskanzler neben anderem mitgeteilt, daß rund 480 000 Kriegsgefangene in den letzten eineinhalb Jahren nach hier zurückgekehrt seien. Weiter ist von Regierungsseite schätzungsweise festgestellt worden, daß wir noch rund 1 700 000 Wehrmachtvermißte zu verzeichnen haben. Dabei soll mit ungefähr 400 000 Postverbindung bestehen. Zu diesen kämen noch 150 000 Zivilinternierte und noch rund 25 000 weibliche Wehrmachtangehörige. Am vergangenen Samstag, am 11. dieses Monats, ist eine Aktion zu Ende gegangen, die von deutscher Seite aus beabsichtigt, genaue Zahlen über alle diejenigen festzustellen, die sich noch irgendwie und irgendwo in Gewahrsam befinden. Wenn auch die endgültigen Ziffern heute noch nicht bekannt sind, so, glaube ich, wird diese Aktion mit dazu beitragen, daß endlich einmal die Wahrheit über die Anzahl derjenigen, die als vermißt gelten, und derjenigen, die sich noch sonst irgendwie in Gewahrsam befinden, ermittelt wird.
Die Anstrengungen aller deutschen Stellen, diese Menschen aus Unterdrückung und Schmach wieder in die Heimat zurückzuführen, sind uns bekannt. Doch mit diesen Bemühungen ist nur ein Problem in Kriegsgefangenenangelegenheiten angeschnitten. Das zweite Problem, das ebenso wichtig ist und vor dem wir stehen, ist die Wiedereingliederung der Heimkehrer in unser Gemeinschaftsleben. Die Heimkehrer haben einen erheblichen Teil der besten Jahre ihres Lebens verloren. Durch Arbeits-, Militär- und Kriegsdienst und dann durch jahrelange Gefangenschaft sind sie dem zivilen Leben entwöhnt. Sie haben vielfach kaum ein Berufs- oder Arbeitsleben kennengelernt. Daher ist das Problem der Wiedereingliederung dieser Menschen in unser ziviles Leben genau so wichtig wie das Problem der Heimführung. Gewiß haben die Länder durch
regionale Regelungen den Heimkehrern bisher nach Möglichkeit geholfen. Auch die Wohlfahrtsorganisationen des In- und auch zum Teil des Auslandes, das Rote Kreuz, die kirchlichen und sonstigen karitativen Verbände haben Hervorragendes in der Hilfe für die Heimkehrer geleistet, und ich glaube, daß der Bundestag Ursache hat, diesen Organisationen für die bisher geleistete Hilfe Dank zu sagen.
Meine Damen und Herren, die regionalen Regelungen der Länder sind in der Heimkehrerversorgung als ein Provisorium betrachtet worden, und der Bundestag hat sich bei Behandlung der Drucksachen Nr. 121 und 190 schon einmal eingehend mit den Heimkehrerproblemen beschäftigt.
Heute liegt nun dem Hohen Hause ein Gesetzentwurf der Regierung vor, der sich zum Ziel gesetzt hat, auf breiter Grundlage für das gesamte Bundesgebiet die Hilfeleistungen für entlassene Kriegsgefangene rechtlich zu regeln. Wir stehen vor der Aufgabe, in der Hilfeleistung für Heimkehrer etwas Endgültiges zu schaffen, und dabei muß der Regierungsentwurf genau überprüft und durchberaten werden. Es ist nun nicht meine Absicht, auf die einzelnen Paragraphen und Bestimmun gen des Regierungsentwurfs heute näher einzugehen; ich muß aber darauf aufmerksam machen. daß meine Freunde und ich eine Reihe von Wünschen zu diesem Gesetz anzumelden haben. Dabei sind einige Gedanken anzurühren, die in dem Entwurf nicht oder nicht präzise genug berücksichtigt wurden. Denn wenn wir schon eine endgültige Regelung schaffen wollen, denn muß auch versucht werden, all das, was notwendig erscheint, irgendwie in klare Bestimmungen hineinzubringen.
Da ist beispielsweise daran zu denken, daß Altersgrenzen, die für Berufseingliederung oder für Mitgliedschaften und Leistungen der Sozialversicherung und sonstiger Versicherungen vorgesehen sind, für Heimkehrer nicht in Geltung bleiben können. Da müssen weiter die Bestimmungen für Ausbildungs- und Studentenhilfe genauer gefaßt werden. Da darf weiter nicht vergessen werden, daß Heimkehrern, die Beamte sind. Gelegenheit gegeben werden muß, das Besoldungshöchstalter zu erreichen. Auch muß berücksichtigt werden, daß die Heimkehrer und einige Organisationen von Heimkehrern Wünsche geäußert und Vorschläge gemacht haben, die in diesem Gesetz berücksichtigt werden sollen. Ich will Ihnen diese Wünsche, die teilweise sehr stark von dem Regierungsentwurf abweichen, hier nicht im einzelnen vortragen; aber ich bin der Auffassung, daß die Ergänzungs- und Änderungswünsche, die wir haben, und die Vorschläge, die seitens der Heimkehrer an uns herangetragen wurden, eingehend durchgearbeitet und genau überprüft werden müssen.
Da meine Freunde und ich dieser Auffassung sind, stelle ich namens meiner Fraktion den Antrag, den Regierungsentwurf federführend an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und gleichzeitig die Abschnitte III, IV und
V dem Ausschuß für Arbeit und den Abschnitt
VI dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen, damit diese drei Ausschüsse gleichzeitig in die Beratung des Entwurfs bezüglich der ihnen überwiesenen Abschnitte eintreten können und das Gesetz recht bald verabschiedet werden kann.
Sie meinten aber, daß für alle diese Dinge gemeinsam der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen federführend sein soll?
Das Wort hat der Abgeordnete Fröhlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß genügend Worte dafür gefunden sind, daß wir uns in der Gesamtheit dafür einzusetzen haben, den Heimkehrern soweit zu helfen, wie es nur irgend möglich ist.
Was meine Fraktion als besonders bedauerliche Tatsache herausstellen muß, ist dies, daß es immerhin fünf Monate, nachdem die Anträge der SPD- und der Zentrums-Fraktion eingegangen sind, gedauert hat, bis die Regierung imstande war, dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir sind der Auffassung, daß man, nachdem uns dieses Problem in der Vergangenheit schon in vielen Sitzungen besonders berührt hat, diese lange Zeit nicht hätte verstreichen lassen dürfen, um ein solches Gesetz vorzulegen. Es wäre möglich gewesen, den Entwurf schon im Dezember oder aber im Januar im Bundestag
einzubringen.
Meine Herren Vorredner haben schon darauf hingewiesen, daß der vorliegende Entwurf zwar eine Grundlage für unsere Arbeit bildet, daß aber noch manches hinzugefügt oder geändert werden muß. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß der Betrag von 50 D-Mark, der dem Heimkehrer ausgezahlt werden soll, zu gering ist. Wir meinen, daß zum mindesten der Betrag von 150 D-Mark, den das Land Bayern gewährt, das, weiß Gott, nicht zu den finanzkräftigsten Ländern der Bundesrepublik gehört, auch von allen anderen Ländern gewährt werden kann. Wir werden deshalb im Ausschuß den Antrag stellen, das Entlassungsgeld auf 100 bzw. 150 D-Mark zu erhöhen.
In den letzten Tagen haben wir in der Presse eine Mitteilung zur Kenntnis nehmen müssen, die doch recht besorgniserregend ist. Es wurde uns mitgeteilt, daß fünf Rußlandheimkehrer — noch dazu Heimatvertriebene — in München monatelang versucht haben, als ehemalige Angestellte der Reichsbahn wieder in Brot und Lohn zu kommen, und daß es ihnen trotz aller Mühe nicht gelungen ist, auf ihren alten Arbeitsplatz zurückzukehren. Der uns vorliegende Gesetzentwurf sieht nun vor, daß die Heimkehrer Anspruch auf ihren alten Arbeitsplatz haben. Wir sind der Auffassung, daß sich wohl auch das Verkehrsministerium dazu entschließen muß, im besonderen für Heimkehrer die bisherige Einstellungssperre aufzuheben.
Wir werden Gelegenheit nehmen, in den verschiedenen Ausschüssen noch entsprechende Abänderungsanträge zu stellen, und wir sind der Überzeugung, daß sich alle Fraktionen dieses Hauses darin einig sein werden, daß das Beste zu tun ist, was bei der Notlage unserer westdeutschen Bundesrepublik zu tun möglich ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Meine Damen und Herren! Wenn man der Regierung vorwirft, daß sie verhältnis-
mäßig lange Zeit gebraucht habe, um einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen, obwohl die Anträge schon lange Zeit eingereicht sind, so sollten
— und ich glaube, die Schuld trifft uns alle -
einmal die Kollegen im Bundestag zu der guten alten Sitte zurückkehren, wie sie einer gesetzgebenden Körperschaft zukommt, nämlich Gesetzentwürfe selbst einzureichen
- darüber sind wir uns immer einig, Herr Kollege Schoettle —, statt die einfache Tour zu gehen und zu sagen: die Bundesregierung wird ersucht, einen Gesetzentwurf darüber vorzulegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Heimkehrerfrage wird nicht nur in diesem Zusammenhange, in dem wir sie heute behandeln, die Öffentlichkeit in Deutschland und, so Gott will, auch die Öffentlichkeit in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern beschäftigen, sondern eines Tages wird die Frage der von den Kriegsgefangenen in diesen langen Jahren erbrachten Reparationsleistungen im Zusammenhang mit einem Friedensvertrag aufgeworfen werden müssen. Und eines Tages wird auch angesichts des internationalen Rechts, das nach dem Kriege in und gegenüber Deutschland geschaffen wurde, die Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Zurückhaltung dieser Menschen über vier und fünf Jahre das Gesprächsthema werden müssen.
— Meine sehr verehrten Anwesenden, wenn Sie sagen, das habe mit der Sache nichts zu tun, so kann ich darauf erwidern, daß in diesem Hause schon viel gesagt worden ist, was mit der Sache nichts zu tun hatte.
— Wenn ich es mir zum Beispiel nehmen würde, würde ich noch viel mehr solcher Dinge sagen.
Ich bitte, auf beiden Seiten Milde walten zu lassen.
Strauß CSU : Die Heimkehrerfrage ist aber
in diesem Zusammenhang von zwei Seiten zu sehen, einmal von der Seite des
Menschen, dem dieses Schicksal auferlegt
worden ist. Für alle diese Menschen gibt es die
materielle und die seelische Not. Die seelische
Not kann wohl nicht durch staatliche Maßnahmen
beseitigt, sie kann vielleicht gelindert werden.
Die Linderung der seelischen Not ist eine Aufgabe der Mitmenschen, die diese Menschen umgeben. Weitgehend aber kann der Staat die
materielle Not dieser Menschen lindern und ihre
Wiedereingliederung in das wirtschaftliche und
gesellschaftliche Leben durchführen. Und darum
sollten wir gerade heute, da von verschiedenen
Kreisen versucht wird, in politischer Agitation
die Lage dieser Heimkehrer auszunutzen. — -
— Lachen Sie nicht, Herr Kollege Loritz, wenn
Sie sich getroffen fühlen, lachen Sie lieber nicht!
Meinen Vorschlag, auf beiden Seiten Milde walten zu lassen, bitte ich doch mehr zu beachten.
Wir sollten diese Frage ebenfalls weit mehr in allen Landesregierungen oder in allen demokratisch verantwortlichen Parteien mit Sorgfalt beobachten. Denn man hat den Eindruck, als ob diejenigen, die daran schuld sind, daß Kriegsgefangene solange zurückgehalten worden sind, nachher die Not, die in diesen Menschen entstanden ist, und ihre geistige Verwirrung, ihre seelische Notlage dazu auszunutzen versuchen, um sie wiederum in den Dienst ihrer Ideen einzuspannen.
Und darum sollten wir — und wir werden das in den Abänderungsanträgen im Ausschuß mit aller Deutlichkeit vertreten — uns vor allen Dingen hüten, in den Leistungen jetzt tiefer herunterzugehen, als sie die Länder bisher gewährt haben. Kein Mensch wird dafür Verständnis haben, daß Heimkehrer, die im Jahre 1950 nach Hause kommen, in irgendeiner Hinsicht weniger erhalten sollen als solche, die in den Jahren 1947, 1948 oder 1949 gekommen sind. Nachdem der Herr Kollege Dr. Besold auf das Beispiel der bayerischen Staatsregierung als vorbildlich in der Frage des Entlassungsgeldes hingewiesen hat -
und ich danke ihm für diese Anerkennung gegenüber der bayerischen Staatsregierung —,
sollten wir in diesem Gesetz die Regelung immerhin allgemein so halten, daß bisher gewährte bessere Leistungen — hier teile ich nicht die Meinung des Herrn Bundesarbeitsministers — in diesem Gesetz aufrechterhalten werden. Dafür wird die Fraktion der CDU/CSU eintreten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Steigen wir aus der Sphäre der klingenden Phrasen auf den Boden dieses Gesetzes zurück.
— Ja, ausgerechnet!
Eine Vorbemerkung! Wenn ich den propagandistischen Stimmaufwand und die Flut von Verhetzungen, die nicht zuletzt auch in diesem Hause sich
bisher an die Diskussion des Problems der Kriegsgefangenen geknüpft hat, in Verhältnis setze zu den Leistungen, die in diesem Gesetz vorgesehen sind, dann — so glaube ich — bin ich berechtigt, zu der Feststellung zu kommen: der Kriegsgefangene ist, solange er propagandistisch ausgewertet werden kann, für Sie ein höchst dankbares Objekt.
Aber sobald Sie dazu übergehen sollen, für ihn etwas zu leisten, dann ist das eine ganz andere Angelegenheit. Dann spielen Staatsräson, fehlende Mittel, die Notwendigkeit, „keine Politik im luftleeren Raum zu treiben", — alle diese
schönen Phrasen spielen dann bei Ihnen eine entscheidende Rollle. Dann legt man uns solch ein Gesetz vor!
Noch eine zweite Vorbemerkung an Sie, sehr verehrte Herren von der CSU!
— Ja, darauf komme ich gleich zu sprechen.
Ihnen ein Wort ins Stammbuch! Wenn schon einmal aus diesem Hohen Hause heraus ein Gesetzentwurf eingereicht worden ist, dann gehört es geradezu schon zum guten Ton bei der Regierung, uns zu erklären: Wir sind seit langem dabei, einen Gesetzentwurf zu dieser Materie auszuarbeiten; „wir sind seit langem bereits dabei!".
Aber nun zur Sache. Diese Diskussion um das Gesetz ist durch einen Antrag der SPD ausgelöst worden, der meines Wissens im September vorigen Jahres gestellt worden ist. Dann hat man sich in den ersten Wintermonaten bereits in den zuständigen Ausschüssen ausgiebig mit der Materie dieses Gesetzes beschäftigt. Und heute stellen Sie sich hin und sagen: Wir werden jetzt, wenn der Entwurf erneut in den Ausschuß geht — Herr Arndgen —, für die „notwendigen Verbesserungen kämpfen". Warum haben Sie die Verbesserungen bei Ihrem Fraktionskollegen Storch nicht durchgedrückt, als er dieses Gesetz ausgearbeitet hat? Haben Sie so wenig Tuchfühlung mit ihm? Was Sie heute sagen, ist nichts anderes als eine Vertröstung. Sie wollen heute die Lage so darstellen, als sei das Ergebnis der von Ihnen noch zu veranstaltenden Besprechungen im Ausschuß eine Verbesserung der Leistungen, nicht wahr? Ich will von Anfang an die Kriegsgefangenen darauf aufmerksam machen, daß sie sich durch solche Phrasen nicht irreführen lassen dürfen.
Ich fange bei dem Herrn von der Bayernpartei an. Der hat der Katze die Glocke angehängt, indem er festgestellt hat, daß es der einzige, wirkliche Sinn des Gesetzes ist, die Länder von ihrer bisherigen Verpflichtung zu entlasten, und daß die Leistungen, die in diesem Gesetz vorgesehen sind, teilweise niedriger sind als die derzeit und seit langem bereits in den einzelnen Ländern gewährten Leistungen. Er sprach von Bayern, wo die Entlassungshilfe 150 D-Mark beträgt. Im Ausschuß ist festgestellt worden, daß die Übergangshilfe im Lande Hamburg und im Lande Nordrhein-Westfalen bis zu 300 D-Mark betragen kann. Ihre Leistungen in dem Gesetz, Herr Minister, sind also niedriger als die erbärmlichen Höchstleistungen, die heute in einzelnen Ländern bereits gewährt werden. Es ist zu befürchten, daß die Folge dieses Gesetzes die ist, daß die derzeitigen Leistungen herabgeschraubt werden auf den Satz, der in diesem Gesetz vorgesehen ist.
Nun betrachten wir einmal die einzelnen Abschnitte, die einzelnen Fragen, die in diesem Gesetz angeschnitten werden: Arbeitsvermittlung und Berufsfürsorge. Die Arbeitsämter, so heißt es in dem Gesetz, haben in freie Arbeitsstellen bevorzugt Heimkehrer zu vermitteln. Ich nenne das „weiße Salbe"! Angesichts der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt ist eine derartige Formulierung nicht einmal das Papier wert, auf
dem sie gedruckt wird.
Dann heißt es bezüglich des Kündigungsschutzes: Sechs ganze Monate sollen die Heimkehrer Kündigungsschutz erhalten. Dann heißt es bezüglich ihrer Einreihung in die alten Arbeitsplätze, daß, sobald sie sich melden, sie wieder vorgemerkt werden sollen, berücksichtigt werden sollen. Wo steht die absolute Garantie, daß der Heimkehrer, wenn er sich sofort nach seiner Heimkehr meldet, automatisch ein Anrecht hat, daß er in seine alte Dienststelle, soweit es eine Behördenstelle ist, oder bei seinem alten Arbeitgeber, soweit er noch existiert, wieder eingestellt wird?
Nun eine dritte Feststellung betreffend das Entlassungsgeld. Wir Kommunisten haben uns im Ausschuß bereits die Anregung erlaubt — Anträge könen wir da nicht stellen —, statt der hier vorgesehenen 50 D-Mark Entlassungsgeld 200 D-Mark Entlassungsgeld zu geben. Wir haben darüber hinaus im Ausschuß bereits angeregt, die Übergangshilfe, die hier in der Höhe bis zu 200 D-Mark vorgesehen ist, auf 300 D-Mark zu erhöhen und sie unabhängig vom Vorliegen der Bedürftigkeit zu gewähren und sie demzufolge auch nicht rückerstattungspflichtig zu gestalten. Im Ausschuß haben dieselben Herren, die heute diese schönen Töne gefunden haben, ausdrücklich darauf bestanden, daß 'diese Übergangshilfe rückerstattungspflichtig sein soli und daß sie nur im Falle der Bedürftigkeit gegeben werden darf.
Ein anderes Problem ist das Problem der Arbeitslosenunterstützung. Wir haben im Ausschuß bereits darauf aufmerksam gemacht, daß die derzeitige Ausgangsbasis für die Berechnung der Arbeitslosenunterstützung auf der Höhe eines Arbeitsentgelts von 40 Mark unserer Überzeugung nach zu niedrig ist. Wir haben damals schon davon gesprochen, daß sie mindestens auf 60 Mark heraufgesetzt werden muß. Das scheint uns um so notwendiger, als nach dem Gesetzesvorschlag auch die Höhe des Krankengeldes, das 2/7 dieser Arbeitslosenfürsorgeunterstützung ausmachen soll, dann unerträglich niedrig gehalten wird. Berechnet man die Alu oder die Alfu auf der Basis von einem Arbeitsentgelt von 60 Mark, dann profitiert auch das Krankengeld entsprechend, und der krank Heimkehrende hat dann die Möglichkeit, wenigstens ein halbwegs ausreichendes Krankengeld zu beziehen.
Ich fasse zusammen. Ich kenne in dieser westdeutschen Bundesrepublik zwei Kriegsgefangene, und das waren zu Ihrem Malheur — ich meine Sie, die Inszeneure dieser damaligen Szene — noch dazu gar keine echten Kriegsgefangenen; denen hat das Hohe Haus einen außerordentlich warmen Empfang bereitet, die wurden von dem Herrn Bundestagspräsidenten empfangen und von dem Herrn Bundeskanzler mit besonderen Tribünenkarten ausgestattet, die durften hier im Restaurant essen und sind gefeiert worden! Warum? — Weil sie sich zu einer Hetzszene gegen die Sowjetunion hergegeben haben!
Das sind die einzigen Kriegsgefangenen, die von Ihnen so hochnobel behandelt worden sind,
weil sie Ihr Spiel mitgemacht haben, das Sie im allgemeinen mit den Kriegsgefangenen zu treiben belieben. Für die andern haben Sie nur diese erbärmlichen Groschen übrig, diese Leistungen, die Sie in dem Gesetz festgelegt haben. Seien Sie versichert: es ist heute schon nicht mehr möglich, die Kriegsgefangenen mit den alten, von Ihnen bisher beliebten Methoden zu einer Hetze gegen die Sowjetunion und gegen die fortschrittlichen friedenswilligen Völker des Ostens auszunutzen,
In einigen wenigen Monaten ist das Theater für Sie ganz aus und vorbei, dann, wenn die Kriegsgefangenen verspüren, was Sie in Wirklichkeit für sie zu tun bereit sind.
Meine Damen und Herren, darf ich die Sachdebatte für einen Augenblick mit einer geschäftsordnungsmäßigen Bemerkung unterbrechen. Im Hinblick auf die Auswirkungen, die sich im Anschluß an den Ausschluß des Abgeordneten Hedler ergeben haben, bitte ich den Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, seinen Ausschuß möglichst sofort auf 16 Uhr 30 Minuten einzuberufen, um den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse im Aufenthaltsraum der Abgeordneten, in der Wandelhalle und am Südausgang des Hauses aufzuklären, und dieserhalb die gestern im Ältestenrat genannten Mitglieder des Hauses, die Abgeordneten Wehner, Roth, Gleisner und Heiland zu hören. Ich darf daran die Bitte knüpfen, diese Anhörung so zu beschleunigen, daß mir das Ergebnis noch vor Schluß der Sitzung mitgeteilt werden kann. Wollen Sie das bitte tun, Herr Abgeordneter Ritzel?
Ich bin gern bereit und bitte die Mitglieder des Geschäftsordnungsausschusses, sich um 16 Uhr 30 im Zimmer 106 zu einer Sitzung zu versammeln. Außerdem bitte ich die Herren Abgeordneten Wehner, Gleisner, Roth und Heiland, sich für diese Sitzung zu einer Unterhaltung und „Vernehmung" bereitzuhalten.
Ich danke.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! In den hier gehaltenen Reden ist zum Ausdruck gekommen — wir waren uns aber besonders auch im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen schon lange darüber klar —, daß ein Gesetz, wie es heute hier vorgelegt ist, notwendig ist, obwohl in den einzelnen Ländern bereits Verordnungen und Gesetze, mit denen man sich zur Aufgabe gestellt hat, der Notlage der Heimkehrer und Kriegsgefangenen zu steuern, schon bestehen. Aber diese Gesetze und Verordnungen waren doch auf Grund der in den einzelnen Ländern ganz verschiedenen Lage und der Entwicklung dort nicht nur sehr unterschiedlich, sondern auch ebenso unzulänglich. Eine Angleichung und Verbesserung durch dieses Gesetz scheint uns darum unbedingt notwendig. Die Lage der Heimkehrer ist trotz dieser in den Ländern erlassenen Gesetze und Verordnungen überaus traurig, und uns allen, besonders aber den Mitgliedern des Ausschusses sind erschütternde Nachrichten und Hilferufe zugegangen.
Meine Damen und meine Herren! Die heute zur Erörterung stehenden Fragen haben, scheint mir, sehr wenig mit Parteipolitik zu tun. Es ist eine sittliche Verpflichtung des ganzen deutschen Volkes, den heimkehrenden Kriegsgefangenen die Brücke in die Heimat und ins zivile Leben zu bauen. Wohl weiß ich, daß nach diesem unglückseligen Krieg viel Not zu beheben ist und daß dem Herrn Finanzminister in dieser Beziehung sehr bewegliche Bitten um Hilfe vorgetragen
werden. Unsere Kriegsopfer, die Gesundheit und damit oft das Glück ihres Lebens hingegeben haben, haben wirklich das erste Anrecht auf eine solche Hilfe. Sie wurden noch viele Jahre nach der Beendigung dieses Krieges zur Wiedergutmachung einer Schuld herangezogen und werden es noch heute, einer Schuld, die man in den meisten Fällen wirklich nicht als ihre Schuld bezeichnen kann. Mir scheint es um so eher möglich, den Heimkehrern zu helfen, als dieses Gesetz schließlich doch zeitlich begrenzt ist.
Hier ist bereits zum Ausdruck gekommen, und ich kann das, was da gesagt wurde, nur wiederholen, denn es ist unser aller Wunsch und Hoffnung: möge bald die Zeit kommen, da es nicht mehr Heimkehrer, sondern nur noch Heimgekehrte gibt! Möge sich in der Welt — zu dieser Äußerung bin ich mehr oder weniger durch meinen Herrn Vorredner angeregt worden — die Erkenntnis durchsetzen, daß nur der ein sittliches Recht hat, die Gewaltherrschaft Hitlers zu verurteilen, daß nur der von den Menschen verstanden wird, der nicht selber eine gleiche Gewaltherrschaft gutheißt, nur weil die Rollen vertauscht sind.
Der Herr Vorredner hat hier von Humanität und
Menschenrechten und demgegenüber von Agitation der Antragsteller und der Regierung gesprochen. Wenn er, statt selber agitatorische Forderungen aufzustellen und die Achtung der
Menschenrechte auf seine Fahnen zu schreiben,
seine Freunde anhalten würde oder angehalten
hätte, danach zu handeln, dann brauchten wir uns
über ein solches Gesetz heute hier nicht mehr zu
unterhalten!
Wenn ich nun zu dem Gesetz selbst kommen darf, dann glaube ich, werden wir am schnellsten und am besten zu einem Resultat kommen, wenn wir nicht das Trennende, sondern das Verbindende suchen. Ich erinnere mich an eine Rede, die hier gestern an dieser Stelle zur Begründung eines Gesetzes gehalten worden ist, als der Herr Kollege Zinn davon sprach, daß man alle positiven Kräfte zusammenfassen müsse; und in einem solchen Falle braucht man tatsächlich Stützen, auf denen man eine solche gemeinsame Auffassung letzten Endes begründen kann. Wenn ich nun zu diesem Gesetz von dieser das Einigende suchenden Auffassung noch mit wenigen Worten spreche, dann bilde ich mir natürlich nicht ein, daß es mir im Rahmen der kurzen hier zur Verfügung stehenden Redezeit oder überhaupt in diesem großen Plenum möglich ist, die Dinge in allen Einzelheiten und eingehend zu besprechen. Ich will mich darum auf ein paar Bemerkungen an dieser Stelle beschränken. Es ist ja auch immer so gewesen, daß Gesetze bei ihrer Vorlage meistens anders aussahen als dann, wenn sie schließlich als vollendetes Gesetz herausgegeben worden sind.
Wir werden uns im Ausschuß mit den verschiedenen Fragen auseinandersetzen müssen, und meine Hoffnung, daß diese Beratungen positiv verlaufen werden, erscheint mir um so mehr begründet, als hier von allen Fraktionen in gleicher Weise der gute Wille bekundet und auch von seiten der Regierung dieser gute Wille noch einmal unterstrichen worden ist.
Meine Damen und Herren! Ich habe nur einen Wunsch und nur eine Bitte: daß auch die Bürokraten, die nachher diese Gesetze zu handhaben berufen sind, diese Dinge nicht nur mit einem berechnenden Verstand, sondern auch mit einem fühlenden Herzen behandeln. Wir haben aus zahllosen Zuschriften erfahren, daß so mancher Heimkehrer gerade darum das Gefühl des Zurückgesetztseins hat und bekommen muß, wenn er von einem Büro ins andere geschickt wird, weil ihm Verordnungen, die an dieser Stelle oder an anderen Stellen geschaffen worden sind, meistens nicht bekannt sein können und er dann lange suchen muß, um zu seinem Recht zu kommen.
Meine Damen und meine Herren! Ich darf mich hier kurz fassen. Das uns vorgelegte Gesetz hat viele positive Seiten, aber es bedarf auch mancher Ergänzungen und es bedarf mancher Verbesserungen. Ich und mit mir meine Freunde machen kein Hehl daraus, und wir kündigen bereits an, daß wir in der sachlichen Beratung im Ausschuß unsere Ansichten in entsprechenden Anträgen zum Ausdruck bringen werden.
Lassen Sie mich aber nun zum Schluß, meine Damen und meine Herren, wenigstens zu einer Frage noch einmal kurz Stellung nehmen und diese Stellungnahme mit einem gleichzeitig einzubringenden Antrag belegen. Ich bin zwar kein Versicherungsfachmann, aber ich meine doch, daß auch zu dem Abschnitt VI im Ausschuß noch manches zu sagen sein wird. In starkem Maße sind in diesem Abschnitt die örtlichen Versicherungseinrichtungen herangezogen. Die Ortskrankenkassen und, wo diese nicht bestehen, die Landkrankenkassen sind hier zu einer Leistung herangezogen. Ich meine, und meine Freunde mit mir, es wird wohl nur ein kleiner technischer Fehler sein, der leicht dahin berichtigt werden kann, daß in manchen Fällen auch die Betriebs-, Innungs- und Ersatzkrankenkassen mit herangezogen werden dürfen. Ich möchte darum namens meiner Freunde folgenden Antrag stellen:
§ 22 erhält folgenden Zusatz:
War der Heimkehrer zuletzt Mitglied einer Land-, Betriebs-, Innungs- oder Ersatzkrankenkasse, die nicht mehr besteht, so kann die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse der gleichen Art fortgesetzt werden.
§ 23 Absatz 5 erhält folgenden Zusatz:
Hat der Heimkehrer zuletzt eine Landoder forstwirtschaftliche Tätigkeit oder einen Handwerkerberuf ausgeübt, so können ihm die Leistungen von der Land- oder Innungskrankenkasse, die für seinen Wohnsitz zuständig ist, gewährt werden.
Hätte der Heimkehrer früher die Mitgliedschaft bei einer Ersatzkasse erwerben können, hat er das Recht, die Leistungsgewährung bei dieser zu beantragen.
Meine Damen und meine Herren, ich glaube, daß damit alle Träger der Versicherungseinrichtungen dazu beitragen können — und sie selten es tun —, hier der Not zu steuern und eine Grundlage zu geben, auf der für viele wieder ein menschenwürdiges Leben aufgebaut werden kann.
Ich habe eingangs bereits gesagt: die Frage der Heimkehrer ist keine Parteifrage. Ich kenne hier und wiederhole es noch einmal, nur eine sittliche Verpflichtung des ganzen deutschen Volkes, eine Verpflichtung, der wir hier eine gesetzliche Grundlage geben wollen. Wenn wir in diesem Bewußtsein mit der Vorlage in den Ausschuß gehen, dann hoffe ich, daß es uns gelingen wird, das unbedingt Notwendige mit dem irgend Möglichen zu vereinbaren.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie nur der Ordnung halber darauf aufmerksam machen: nach § 37 können Abänderungsanträge in der ersten Beratung nicht gestellt werden. Ich bitte, sie im Ausschuß bzw. in der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs einzubringen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Langer.
Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf auch ich Ihnen erklären, daß wir mit diesem Gesetzentwurf einverstanden sind, soweit es sich um den großen Rahmen der Versorgung der Heimkehrer handelt. Wir bedauern es außerordentlich, daß, nachdem bereits Mitte Oktober und seitdem in etwa einem Dutzend Fällen in Interpellationen und Anträgen dieses Thema angesprochen wurde, wir erst jetzt dazu kommen, diesem Gesetz näherzutreten und es in absehbarer Zeit zu verabschieden.
Auch meine Fraktion wird im Ausschuß sowohl wie in der zweiten Lesung mit Änderungsanträgen hervortreten müssen, da im Rahmen dieser Vorlage doch die Einzelheiten nicht so weit präzisiert worden sind, daß in allen Fällen eine wirksame Hilfe gegeben werden kann. Ich möchte hier nicht auf die Einzelheiten eingehen, und nachdem das Haus von der Rechten bis zur Linken einstimmig seiner positiven Einstellung zur Heimkehrerhilfe Ausdruck gegeben hat, kann ich es mir ersparen, hier noch einmal all diese Dinge zu wiederholen und Sie weiter damit aufzuhalten.
Ich glaube, es war der Herr Kollege Arndgen, der unter anderem auch ein Wort zur Studentenhilfe und zur akademischen Jugend sprach. Im vorliegenden Gesetzentwurf ist dieses Kapitel an sich sehr mäßig behandelt, und die Erfahrungen gerade der letzten Monate und Wochen im Verkehr mit heimgekehrten Kriegsgefangenen haben mir deutlich gezeigt, daß hier endlich eine gesetzliche Regelung kommen muß, die eine wahre Hilfe bedeutet und die vor allen Dingen verhindert, daß diese wertvollen Kräfte der Jugend, die heute als berufslos oder vorakademisch oder akademisch zurückgekehrt sind, in ein Fahrwasser abgleiten, das wir im Interesse eines fruchtbaren und gesunden Aufbaues gerade unseres jetzigen Staates nicht haben wollen.
Wenn in den letzten Wochen hier so oft das Wort von unserer jungen Demokratie oder vom Schutz dieser jungen Demokratie gefallen ist, dann möchte ich auf etwas hinweisen. Wir dürfen dis Wort ,,junge Demokratie" nicht nur auf die
Zeit unseres Bestehens beziehen, sondern wir müssen dann auch jungen Kräften Tür und Tor öffnen, daß sie an diesem Staat mittragend werden, damit wir mit Fug und Recht auch in dieser Richtung von einer jungen oder verjüngten Demokratie sprechen dürfen. So soll mein einziges
Wort zu diesem Thema seitens meiner Fraktion dem Hinweis gedient haben, daß auch diese Teile der Heimkehrer besonders berücksichtigt werden müssen; denn sie sind ein wertvoller Teil unseres jetzigen jungen Staatsvolkes.
Wir schließen uns im übrigen dem Antrag an — ich glaube, er wurde vom Herrn Kollegen Arndgen gestellt —, daß das Gesetz an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und an die anderen genannten zuständigen Ausschüsse überwiesen wird. Ich möchte aber dringend appellieren, daß hier überall der Zusatz „beschleunigt" gemacht wird; denn hier tut Hilfe wirklich in erster Linie Not.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ribbeheger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage der Bundesregierung Drucksache Nr. 631 betreffend den Gesetzentwurf über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer ist der erste Schritt dieser Regierung entsprechend der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers sowie entsprechend den Initiativanträgen der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 118 und der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 121 vom 20. Oktober vorigen Jahres, die Regelung betreffend Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenhilfe für Heimkehrer nunmehr durch eine bundeseinheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung Wirklichkeit werden zu lassen.
Wenn ich in diesem Zusammenhang an die Worte der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers erinnern darf, so möchte ich herausstellen, daß die Frage der Kriegsgefangenen insofern behandelt wurde, als der Herr Kanzler mit großen Dankesworten — und das zu Recht! — all der Institutionen und Organisationen gedacht hat, die in so weitreichendem Maße unseren Kriegsgefangenen ihre Hilfe haben angedeihen lassen. Aber mit keinem Wort erwähnte er für die Bundesregierung, wie sie den heimgekehrten und heimkehrenden Kriegsgefangenen zu helfen gedenkt. Wohl aber wurde vor Behandlung dieser schicksalhaften, das ganze Volk zutiefst angehenden Frage erwähnt, daß es notwendig sei, sobald wie möglich die Frage der Pensionen für die ehemaligen Militärpersonen zu regeln.
Ich habe bereits einmal zum Ausdruck bringen können, daß es eines der ernstesten Anliegen der Regierung sein müsse, die Kriegsgeneration in die poetische Verantwortung, in den Staat hineinwachsen zu lassen, wenn sie nicht zum gefährlichen Explosivstoff dieser Demokratie werden solle. Ich meinte damit insbesondere, daß gerade der Heimkehrer, der durch die Härten und die Bitterkeit einer Gefangenschaft gegangen ist, die Demokratie mit ganz anderen Augen sieht, als man so leicht anzunehmen geneigt sein könnte. Wer im Osten die Traditionslosigkeit und Illusionslosigkeit des Lebens mit eigenen Augen gesehen und erlebt hat, weiß zwischen der rein formalen oder einer sozialen Demokratie zu unterscheiden, die das Leben unseres Volkes doch beinhalten soll. Gestern noch hat Frau Abgeordnete Wessel bei der ersten Lesung des Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie ausgesprochen, daß die Demokratie auf die Dauer nicht durch Sondergesetze und Gewaltmaßnahmen gesichert und existent bleiben kann, sondern durch das Handeln und das Verhalten der Demokraten selbst.
Ich darf für meine Fraktion darauf hinweisen, daß der Antrag des Zentrums vom 20. Oktober 1949 durch den Bericht des Ausschusses für Arbeit bereits am 11. November 1949 in der Drucksache Nr. 190 und in der 19. Sitzung des Bundestages am 1. Dezember dahingehend behandelt wurde, daß die Bundesregierung ersucht wurde, dem Bundestag unverzüglich einen Gesetzentwurf über die Betreuung der Heimkehrer vorzulegen. Dreieinhalb Monate sind vergangen, bis die Bundesregierung den Gesetzentwurf — unverzüglich! — hier vorlegte.
Man sollte sich hier hüten, in den Verdacht zu geraten, zu deklamieren, sondern sollte handeln, wie es immerhin die Länder des Bundesgebiets trotz sehr unterschiedlicher Handhabung getan haben. Ich halte es auch für notwendig, zu erwähnen, daß sozialverpflichtete und sozial handelnde kommunale Selbstverwaltungen ebenso wie die Wohlfahrtsverbände aus eigener Initiative und aus eigenen Mitteln, trotz der fast überall finanziell angespannten Lage, es fertiggebracht haben, den Heimkehrern im Rahmen des Möglichen in heimatlicher Verbundenheit auch materiell zu helfen, um ihnen das Sichwiederfinden und Sicheinfinden in unsere Volksgemeinschaft zu erleichtern.
Wenn nunmehr diese Gesetzesvorlage, trotz der Verspätung, es unternimmt, die Maßnahmen der Länder zu koordinieren und eine bundeseinheitliche Regelung hinsichtlich der finanzieilen Hilfe zu treffen, die auch nach Meinung unserer Fraktion darauf ausgedehnt werden müßte, daß für die Existenzbildung und Existenzgründung Mittel eingesetzt werden, und wenn wir uns weiterhin für ,die volle Freizügigkeit sowie für die Sicherung des früheren Arbeitsplatzes einschließlich des Kündigungsschutzes, der Arbeitsvermittlung und der Berufsfürsorge, der Sozialversicherung und der Arbeitslosenhilfe einsetzen möchten, dann werden wir in der Einzeldebatte und vorher in den einzelnen Ausschüssen dafür entsprechende Anträge stellen.
Wir stimmen dem Antrag des Herrn Abgeordneten Arndgen insofern bei, als wir für die Überweisung dieser Gesetzesvorlage an den Ausschuß für Kriegsgefangenenfragen und an den Ausschuß für Arbeit stimmen werden. Wir werden aber diesen Gesetzentwurf in der zweiten und dritten Lesung unter dem Aspekt debattieren und verabschieden müssen, unter dem diese Regierung ihre Tätigkeit begonnen hat, nämlich unter dem der sozialen Gerechtigkeit.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister Storch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als dieses Gesetz in meinem Ministerium zusammengestellt wurde, waren wir uns selbst darüber im klaren, daß es hier im Hause keine Befriedigung finden würde. An und für sich ist es schade, daß Sie nicht die erste Lesung des Haushalts hinter sich haben. Wenn diese hinter Ihnen liegt, werden Sie alle diese Dinge etwas anders sehen. Nach den Errechnungen unseres Finanzministers haben wir im Etatsjahr an Bundessteuern 8,7 Milliarden D-Mark zu erwarten, und dieser Etat muß allein an Kriegsfolgelasten ein-
mal 41/2 Milliarden D-Mark an Besatzungskosten und 3 Milliarden D-Mark für unsere Kriegsbeschädigten tragen; das sind insgesamt 71/2 Milliarden D-Mark an Kriegsfolgelasten bei einer Einnahme von 8,7 Milliarden D-Mark. Und das, was Sie hier als Gesetz vor sich liegen haben, ist ja letzten Endes auch ein Teil von Kriegsfolgelasten, die wir unglücklicherweise zu tragen haben.
Wenn Sie sich einmal den Etat des alten Reiches aus der Zeit vor 1933 ansehen, dann finden Sie, daß wir damals einen Reichsetat hatten, der mit 8 Milliarden Mark bei ungefähr 70 Millionen Einwohnern ausbalanciert war. Das war ungefähr soviel, wie wir heute allein an Kriegsfolgelasten zu übernehmen haben. Ich bin sehr gern damit einverstanden, daß in der Ausschußberatung jede Möglichkeit geprüft wird, um dort, wo eine Verbesserung dieses Gesetzes wirklich möglich ist, sie auch durchzuführen. Glauben Sie mir sicher, wir sind uns in unserem Ministerium der ungeheueren Schwierigkeiten, die gerade bei unseren Spätheimkehrern eintreten, voll und ganz bewußt. Wir können aber nun einmal in einem Gesetzentwurf an materieller Hilfe nicht mehr vorsehen, als der Finanzminister für diesen Zweck im äußersten Falle glaubt noch aufbringen zu können. Es sind doch immerhin 74 Millionen D-Mark, die der Bund im Laufe dieses Jahres nach den Bestimmungen dieses Gesetzes aufzubringen hat.
Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, darf ich die Aussprache über die Drucksache Nr. 631 als geschlossen bezeichnen. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit feststellen, daß der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 631 federführend an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, in Sonderheit die Abschnitte III und IV an den Ausschuß für Arbeit und der Abschnitt VI an den Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen werden.
Meine Damen und Herren! Damit ist der Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.
Die nächsten Punkte der Tagesordnung, Punkt 6:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Etzel, Schütz und Genossen betreffend Flüchtlingshilfe ,
Punkt 7:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Etzel, Schütz und Genossen betreffend Flüchtlingsbetriebe ,
und Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Flüchtlingsausausgleich ,
sollen nach einer Verständigung im Ältestenrat in gemeinsamer Berichterstattung hintereinander behandelt werden. Daran soll sich eine Aussprache schließen. Die gemeinsame Berichterstattung für die drei Herren Berichterstatter soll im
Sinne eines Vorschlages nach § 88 der Geschäftsordnung 30 Minuten und die allgemeine Aussprache 120 Minuten nicht überschreiten. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Redezeit feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch. Die Verteilung der 120 Minuten richtet sich nach dem bekannten Schlüssel; diese werde ich jedem Debatteredner bekanntgeben.
Als erstem Redner erteile ich zu Punkt 6 der Tagesordnung das Wort Herrn Abgeordneten Welke. Sie berichten wohl, Herr Abgeordneter, anschließend gleich über Punkt 7.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksachen Nr. 624 und 625, die auf die Drucksachen Nr. 279 und 280 zurückgehen, haben den Ausschuß für Heimatvertriebene wiederholt, zuletzt in seiner Sitzung am 24. Februar intensiv beschäftigt. Es war das Anliegen der Antragsteller und, wie sich bei der Behandlung des Fragenkomplexes ergab, auch die einstimmige Auffassung des Ausschusses für Heimatvertriebene, die Frage nach der Regelung des ehemaligen Eigentums des Reiches und des preussischen Staates einmal an die Bundesregierung heranzutragen und sie zu ersuchen, auf diesem Gebiet aktiv zu werden. Der Ausschuß — und das ergab sich in allen Reden und Gegenreden -
zeigte keinerlei Verständnis dafür, daß auf der einen Seite wertvolle Objekte dergestalt, wie sie in der Drucksache Nr. 624 festgelegt sind, ungenutzt verkommen, während auf der anderen Seite die Raumnot immer weiter um sich greift und die Frage der Bekämpfung des sozialen Massenelends unter den Vertriebenen eine Frage von eminenter Bedeutung geworden ist.
Der Antragsteller und auch der Ausschuß glauben gemeinsam darauf verweisen zu müssen, daß in den Artikeln 134 und 135 Absatz 6 des Grundgesetzes die Rechtslage eindeutig festgelegt wird. In Artikel 134 heißt es: „Das Vermögen des Reiches wird grundsätzlich Bundesvermögen." In Artikel 135 Absatz 6 heißt es: „Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechtes gehen auf den Bund über. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das auch Abweichendes bestimmen kann." Damit bekannte sich der Ausschuß zu der Auffassung, daß eben alles versucht werden muß, um ehemaliges Wehrmachteigentum, als da sind Muni-Läger, Truppenübungsplätze, Flugplätze, die zum großen Teil mit sehr wertvollen Liegenschaften bebaut sind, in das Eigentum des Bundes zu überführen und zur Ansiedlung von Heimatvertriebenenbetrieben zur Verfügung zu stellen sind, ungefähr — und das war ebenfalls Gegenstand der Besprechung im Ausschuß — in der Art und Weise, wie es in zahlreichen Ländern, unter anderem in Nordrhein-Westfalen — Stichwort Espelkamp —, bereits geschehen ist.
In Absatz 2 der Drucksache Nr. 624 wollte der Ausschuß festlegen, daß es mit der Bereitstellung dieser Objekte für die Ansiedlung von Heimatvertriebenenbetrieben nicht allein getan sein kann, sondern daß hier auch eine weitgehende Kredithilfe durch den Bund Platz greifen muß, wenn neue Flüchtlingsbetriebe und Beschäftigungsmöglichkeiten für Heimatlose geschaffen werden sollen.
Meine Damen und Herren, Sie wollen mir gestatten, daß ich mit dieser Frage die Überleitung zu der Drucksache Nr. 625 finde, die sich mit der
Schaffung von Flüchtlingsbetrieben beschäftigt. Es ist offensichtlich, daß zwischen beiden Anträgen inhaltlich ein engster Zusammenhang besteht. In der Drucksache Nr. 625, die auf die Drucksache Nr. 280 zurückgeht und genau wie die Drucksache Nr. 624 im Ausschuß lediglich eine redaktionelle Änderung erfahren hat, wird an die Bundesregierung das Ersuchen gerichtet, die Frage der Bundesbürgschaft für langfristige Flüchtlings- und Vertriebenenkredite einmal zum Gegenstand einer ernsten Untersuchung zu machen. Der Ausschuß war sich bei der Diskussion über diese Frage darüber klar, daß die Ansäßigmachung, die Festigung und hier in erster Linie die finanzielle Sicherung von Flüchtlingsbetrieben für uns eine der wesentlichsten Aufgaben im Rahmen der Bekämpfung des sozialen Massenelends zu sein hat. In Ziffer 2 der Drucksache Nr. 625 wird die Bundesregierung ersucht, Vorschläge für eine steuerliche Begünstigung solcher Flüchtlingsbetriebe dem Hohen Hause zu unterbreiten.
Es ist ganz klar, daß der Ausschuß für Heimatvertriebene mit diesen beiden Ziffern die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf die Lücke lenken wollte, die immer dort besteht, wo im Zusammenhang mit der Gewährung von Flüchtlingskrediten die Frage nach der Banksicherheit auftritt. Hier, wo diese entscheidende Lücke auftaucht, glaubte der Ausschuß für Heimatvertriebene dem Hohen Hause vorschlagen zu müssen, daß endlich einmal die Frage der Bundesbürgschaft klargestellt werden sollte und daß das Hohe Haus Veranlassung hat, zu dieser Frage, die hier schon einmal Gegenstand der Diskussion geworden ist, ganz klar Stellung zu nehmen.
In Ziffer 3 der Drucksache Nr. 625 wird die Bundesregierung ersucht, in das endgültige Lastenausgleichsgesetz besondere Bestimmungen aufzunehmen, die die Hergabe von Mitteln für den Aufbau gewerblicher und industrieller Flüchtlingsbetriebe und Wohnungsbauten begünstigen.
Ich darf zum Abschluß meines Berichts darauf verweisen, daß der Ausschuß für Heimatvertriebene diese beiden Drucksachen einstimmig angenommen hat und daß er ebenso einstimmig das Hohe Haus bittet, positiv dazu Stellung zu nehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung. Zu Punkt 8 der Tagesordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Pfender als Berichterstatter das Wort.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat am 5. Oktober des letzten Jahres den Antrag gestellt, eine Umsiedlung von zunächst 600 000 Heimatvertriebenen aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern vorzunehmen. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat diesen Antrag zunächst nicht behandelt, weil bekannt war, daß die Bundesregierung die Absicht hat, eine entsprechende Verordnung demnächst zu erlassen. Eine solche Verordnung ist am 29. November 1949 ergangen. Diese Verordnung sieht vor, daß 300 000 Heimatvertriebene aus den bereits genannten Ländern in andere Länder umgesiedelt werden. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat demzufolge einstimmig beschlossen, den Antrag der SPD Drucksache Nr. 74 auf Grund der am 29. November 1949 erlassenen Verordnung für erledigt zu erklären. Die Mitglieder der SPD-Fraktion haben allerdings zu Protokoll erklärt, daß die Fraktion sich vorbehält, zu gegebener Zeit den Antrag zu stellen, im Anschluß an die im Jahre 1950 vorzunehmende Umsiedlung weitere Umsiedlungen vorzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier das Wort. 25 Minuten Höchstzeit!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns dessen bewußt, daß diese beiden Anträge ein nicht ganz einfach gelagertes Problem angreifen. Seiner Größenordnung nach ist es ein erstes Angehen des Grundvermögens des Reiches, von dem wir der Auffassung sind, daß es nunmehr grundsätzlich in den Besitz des Bundes gehört. Seiner Planung nach ist es der Versuch, eine Heimstätte für mindestens 300 000 Menschen zu schaffen. Seiner Bedeutung nach aber könnte es ein zweiter Schritt sein in einer, wie wir glauben, sich nunmehr ankündigenden neuen Epoche in der Entwicklung des deutschen Vertriebenenproblems.
Erlauben Sie mir darum — trotz dieses vorsichtig besetzten Hauses —, einige allgemeine Ausführungen zu machen, weil ich glaube, daß sie für die Behandlung dieser an sich weitgreifenden Anträge von Bedeutung sind und weil sie den Sinnzusammenhang erkennen lassen, in dem sie ihrer Planung nach und auch nach dem Willen des Ausschusses für Heimatvertriebene in diesem Hause zu sehen sind.
Wir glauben, daß die deutsche Vertriebenenbewegung bis zur Stunde nicht zum Stillstand gekommen ist, daß sie sich aber in einem ganz charakteristischen Übergang befindet. Wohin sie führt und zu welchem schließlichen Ergebnis sie gelangt, ist nach meiner Überzeugung einstweilen nicht abzusehen. Aber sicher ist, daß die Ablösung der seitherigen Provisorien, in denen das deutsche Flüchtlingsproblem seit dem Jahre 1945 behandelt wurde und behandelt werden mußte, unumgänglich ist. Denn eine ganze Reihe dieser Provisorien haben sich von selber aufgelöst, und einige andere sind so unhaltbar geworden, daß sie nach definitiven Lösungen schreien. Infolgedessen ist es — wie wir meinen — die Aufgabe der Bundesregierung und dieses Hauses, nach definitiven Lösungen zu suchen, die besser und ihrer Anlage nach qualitativ anders als die seitherigen Provisorien sind.
Wir glauben aber, daß die Bemühungen um die Suche nach einer Lösung unaufgebbar mit der Erkenntnis zusammenhängen, von welchen Motiven und Zielen die deutsche Vertriebenenbewegung bestimmt ist. Ich glaube, es hat sich durchgesetzt und ist in das Bewußtsein der Nation gedrungen, daß das Vertriebenenproblem nicht unter Wohlfahrtsgesichtspunkten behandelt und gelöst werden kann. Wir glauben auch, daß man den Satz wagen kann, daß in der deutschen Vertriebenenbewegung trotz ihrer mehr und mehr festzustellenden Politisierung bis jetzt noch nichts in Erscheinung getreten ist, was neue Ideen grundsätzlicher Art oder neue Ideologien in einer dieses Jahrhundert kennzeichnenden Weise erkennen läßt. Ich glaube, daß man sagen kann, die deutschen Vertriebenen sind bis zur Stunde ihrem soziologischen Bewußtsein nach keine besondere Klasse, keine besondere Gruppe
mit eigenen neuen politischen Motiven und Leitbildern, sondern sie sind ein Teil des deutschen Bürger-, Arbeiter- und Bauerntums schlechthin. Wir glauben deshalb auch, daß in der immer initiativer werdenden Bewegung der deutschen Vertriebenen, in der Vielfalt ihrer Organisationsformen sich bis jetzt kein Gegenbegriff etwa — sagen wir einmal — zum traditionellen Eigentumsbegriff herausgebildet hat. Wir sagen also, daß das Leitmotiv der deutschen Vertriebenenbewegung, so wie es bis jetzt erkennbar ist, keinen Gegenbegriff zum Eigentum traditioneller Art darstellt, wie es etwa der Kampfbegriff des Kommunismus wäre. Wir glauben auch, daß das Leitbild der Vertriebenen, so wenig scharf es vielleicht im ganzen ist, doch in seinem Schwerpunkt nichts anderes als die Wiederherstellung der alt vertrauten, heimatlich-bürgerlichen Ordnung enthält. Wir glauben also mit einem Wort, daß die Auseinandersetzung der Vertriebenen mit der bestehenden politischen Ordnung und den bestehenden Besitzverhältnissen nicht die Auseinandersetzung einer neuen Ideologie mit dem traditionell Gegebenen ist, sondern daß es die Auseinandersetzung des deutschen Bürgertums mit sich selber ist. Brennpunkt und Generalmotiv ist dabei das Eigentum in seinem rechtlichen, moralischen, politischen und wirtschaftlichen Aspekt, aber jedenfalls immer in seinem deutschen traditionellen Verständnis. Deshalb hat der Kommunismus in dieser Auseinandersetzung mindestens bis auf weiteres nichts zu suchen und nichts zu erben.
Die Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsbewegung wird aber um so mehr zu der vitalsten und aktuellsten Auseinandersetzung des deutschen Bürgertums mit sich selber, weil nämlich dabei auf beiden Seiten derselbe Eigentumsbegriff Kern und Stern der Auseinandersetzung ist.
Nun fragen wir: was folgt daraus? Die unhaltbar gewordenen Provisorien der Jahre 1945 bis 1948 drängen auch deshalb auf definitive Maßnahmen und endgültige Lösung, weil es sich in dieser Auseinandersetzung um einen Kampf um das Eigentum überhaupt handelt. Wir glauben, daß diese Auseinandersetzung deshalb nur durch die Neubegründung von persönlichem Eigentum gelöst werden kann. Das Generalthema in dem vor uns liegenden zweiten großen Abschnitt der deutschen Flüchtlingsbewegung ist darum die Schaffung von persönlichem Eigentum als Sicherung der vitalsten Existenzbedürfnisse wie übrigens auch als Sicherung der politischen Freiheit, die eine Demokratie allen ihren Bürgern gewährt. Diese Aufgabe führt zwischen Illusion und Lethargie mitten hindurch.
Die Illusion ist uns bekannt. Sie heißt in diesem Zusammenhang „vollständige Wiedergutmachung". Wir brauchen nicht viele Worte darüber zu verlieren, daß nach dem Besitzstand der deutschen Nation, nach dem Fehlen eines großen, wesentlichen Teils Deutschlands jenseits der Oder-Neiße-Linie, nach der Abtrennung der Ostzone —
— eine vollständige materielle Wiedergutmachung einfach nicht möglich ist. Die Illusion der vollständigen Wiedergutmachung erweist sich an einer einfachen Überlegung: Was ist vorhanden und was kann damit geleistet werden? Im übrigen — erlauben Sie mir diese Randbemerkung — halten wir dafür, daß es auch kein unbedingtes Ideal ist, die vollständige Wiedergutmachung im Sinne der bloßen Wiederherstellung alter Eigentums- und Besitzverhältnisse anzustreben.
Wir meinen nämlich, daß unser klares Bekenntnis zum Eigentum nicht als die Proklamation des absoluten Wertes des Kapitals überhaupt verstanden werden sollte und dürfte, sondern wir meinen damit die grundlegenden sittlichen Funktionen des Eigentums als eines Mittels der Existenzbehauptung und der Behauptung der politischen und persönlichen Freiheit. Kurz, wir meinen, wenn wir hier von persönlichem, von privatem Eigentum sprechen, nicht den Kapitalismus, sondern das sozial verantwortete Eigentum in einer entsprechenden Besitzordnung.
Die konstruktive Aufgabe des Lastenausgleichs scheint uns auch darum nicht eigentlich in der Erfassung des individuellen Totalschadens und seiner soundsovielprozentigen Entschädigung zu liegen, sondern wir glauben, daß die konstruktive Aufgabe des Lastenausgleichs in der Ermöglichung eines solchen persönlichen Eigentums zum Aufbau und zur Sicherung einer neuen Existenz liegen muß. Das, meine Damen und Herren, möchten wir hier gegen die Illusion sagen, die immer noch einen nicht unbeträchtlichen Teil der deutschen Vertriebenen und der deutschen Flüchtlingsmassen bewegt.
Für nicht minder gefährlich, ja vielleicht in diesem Haus für gefährlicher halten wir hingegen die Lethargie, die sich allmählich über die Behandlung materieller Probleme der Flüchtlingshilfe in angemessener Größenordnung zu legen beginnt. Von dieser Lethargie meinen wir, daß sie die Initiative auch dort zu lähmen droht, wo die Initiative einige Verheißung hat. Gewiß — wir haben das schon gesagt — ist die materielle Basis für eine Lösung schlechthin nicht gegeben. Die Ostzone, die polnisch besetzten deutschen Gebiete, um es noch einmal zu sagen, werden einen effektiven Lastenausgleich im Sinne der quantitativen Wiedergutmachung nicht erlauben.
— Die Oder-Neiße-Linie, die zu Ihren Lasten — meine Herren Kommunisten — mitgeht, ist einer der Hauptgründe, daß eine entschlossene Initiative der ganzen deutschen Nation hinsichtlich eines wirklichen nationalen Lastenausgleichs überhaupt nicht so angefangen und durchgeführt werden kann, wie es größenordnungsmäßig geboten ist. Aber deshalb, weil beides, nämlich die Aufhebung des Eisernen Vorhangs und die Wiedergewinnung des deutschen Landes jenseits der Oder-NeißeLinie, leider Gottes zur Zeit nicht absehbar ist, deshalb sollten wir uns doch nicht hindern lassen, alles das anzugreifen und das zu tun, was im Bereich unseres Bewirkens ist und was hier möglich erscheint. Wir glauben, daß es hier im Bereich der Bundesrepublik, also in der unmittelbaren gesetzgeberischen Zuständigkeit dieses Hauses, materielle und rechtliche Möglichkeiten in dieser Hinsicht durchaus gibt, Möglichkeiten, die wir nicht gering achten, sondern die wir angehen sollten. Die materiellen Möglichkeiten, von denen in diesem Zusammenhang die Rede ist, sind für eine Lösung überhaupt zwar zu klein aber sie sind immerhin groß genug, daß sie als Basis für produktive Hilfsmaßnahmen großen Stiles in Betracht kommen.
In diesem Zusammenhang und in diesem Punkt setzen die beiden Anträge ein. Wir glauben, daß das Reichsvermögen in Gestalt der etwa 70 Munitionsanstalten, Flugplätze und anderer Grundvermögen des Reiches jetzt herangezogen und mit einer Generalbestimmung zugunsten der Heimatlolosen ausgestattet werden sollte, einer Generalbestimmung, die über die von uns beabsichtigte Einbeziehung in die gewerbliche und Wohnsiedlung hinaus es ermöglicht, daß die unmittelbar realisierbare materielle Möglichkeit, die dieses Gelände und dieses Grundvermögen bietet, durch die Schaffung von Rechtstiteln noch überhöht wird, die den Heimatlosen und den Vertriebenen zugute kommen sollten und ihnen zur Verfügung gestellt werden müßten. Wir glauben allerdings, daß es nun auch nachgerade Zeit ist, in dieser Sache zu handeln. Eine rasche und energische Initiative in dieser Frage darf und muß von seiten der Bundesregierung und von seiten dieses Hauses gefordert werden.
Nach Artikel 134 und 135 des Grundgesetzes unterliegt ehemaliges Reichsvermögen der Zuständigkeit des Bundes. Wir sind uns vollkommen darüber klar — diese Frage ist auch im Heimatvertriebenen-Ausschuß ausführlich besprochen worden —, daß wir dabei in einer ganz außergewöhnlichen Weise an die Einsicht der Länder appellieren müssen, wenn wir diese Frage zu einem guten Ende bringen wollen, und zwar aus dem Grund, weil in der amerikanischen Zone das amerikanische Militärgesetz Nr. 19 und in der französischen Zone das Militärgesetz Nr. 217 bereits Verfügungen mindestens hinsichtlich der Verwaltung dieses Reichsvermögens getroffen haben. Wir sind der Auffassung, daß unbeschadet dessen die Länder so viel Einsicht an den Tag legen sollten, daß sie dieses Reichsvermögen, das dem Bunde zusteht, dem Bunde zu einer einheitlichen Designation und zu einer einheitlichen plangerechten Verwendung überstellen.
Es müßte deshalb eine der ersten Aufgaben der Bundesregierung sein, sich mit den Hohen Kommissaren, jedenfalls mit dem Herrn amerikanischen und dem Herrn französischen Hohen Kommissar in Verbindung zu setzen, um eine Modifikation der beiden Militärgesetze entsprechend dem Grundgesetz herbeizuführen. Die einfache Überlegung, von der wir dabei ausgehen und von der wir glauben, daß sie berechtigt ist, und zwar sofort und evident berechtigt ist, ist die, daß uns wiederholt erklärt worden ist, daß die Fürsorge für die deutschen Vertriebenen mindestens in erster Linie in der Hand der deutschen Behörden, in der Hand des Bundes sein müsse. Weil wir uns dieser Auffassung anschließen, glauben wir auch, daß es gerecht und billig ist, uns die rechtlichen und materiellen Voraussetzungen der Verwirklichung einer solchen Verantwortung und Verpflichtung nicht vorzuenthalten.
Die politische Behandlung des ganzen Vertriebenen-Problems ist natürlich von außerordentlicher Bedeutung. Wir sind der Meinung, daß von seiten der Bundesregierung möglichst viel geschehen muß, um der Gefahr des Absinkens der deutschen Vertriebenen- und Flüchtlingsbewegung in einen Interessenkampf zu begegnen. Es kann nicht im Interesse der deutschen Nation, es kann auch nicht im Interesse des Bundes sein, wenn die Energien, insbesondere die politischen Energien der Vertriebenen sich so organisieren und im wesentlichen dafür verbrauchen, daß sie in der Hauptsache auf die Wahrnehmung spezifischer eigener Interessen gerichtet sind. Wir glauben vielmehr, daß die großen vor uns stehenden nationalen Aufgaben auch die politische Energie der Vertriebenen und ihrer Organisationen dringend erfordern, und wir glauben umgekehrt, daß es keineswegs nur Sache der Vertriebenen ist, für ihre Existenz zu kämpfen, sondern eine Sache der ganzen Nation, diesen Kampf zu führen und für ihre Interessen einzutreten.
Es handelt sich hier nicht um partikulare Interessengesichtspunkte, sondern es handelt sich so oder
so um eine Schicksalsfrage der Nation, deren gemeinsame Lösung zumindest versucht werden muß.
Daß dabei ganz außerordentliche Anstrengungen auch von seiten des Bundes hinsichtlich der materiellen Mittel, hinsichtlich der Bereitstellung von Geldern und der Übernahme von Krediten und Bürgschaften gemacht werden müssen, ist bereits in den Ausführungen meines Herrn Vorredners, des Berichterstatters, zum Ausdruck gekommen. Ich glaube, daß es gut ist, sich in diesem Zusammenhang wieder einmal zu vergegenwärtigen, in welcher Größenordnung sich das Problem nach der finanziellen Seite bewegt. Wir haben zwar bis zur Stunde keinerlei offizielle Verlautbarungen dazu; aber es gibt eine Schätzung, die der jetzige Herr Bundesminister für die Vertriebenen im letzten Jahre in anderer Eigenschaft herausgebracht hat und auf die ich hier zurückgreifen möchte. Er hat damals die Mittel für die Neubegründung der Existenz von Vertriebenen auf 26,7 Milliarden geschätzt. Es kann uns nachdenklich machen, daß davon nicht weniger als 16 Milliarden für den Wohnungsbau und etwa 10 Milliarden für Kleinbetriebe, für bäuerliche Siedlungen und für die Beschaffung von Haus- und Arbeitsgerät vorgesehen sind. Ich lasse dahingestellt, ob diese Zahlen so oder anders modifiziert werden müssen; ich glaube aber, daß sie immerhin einen Rahmen geben, in dem das Problem größenordnungsmäßig in Erscheinung tritt.
Gestern ist in der „Neuen Zeitung" ein Artikel des sehr verdienten Leiters der Flüchtlingsabteilung bei dem Herrn amerikanischen Hohen Kommissar erschienen, der uns in verschiedener Hinsicht nachdenklich machen könnte und der nicht nur für die Bundesregierung, wie ich meine, sondern auch für dieses Haus und seine verschiedenen Bemühungen eine Art Monitum darstellt. Ich möchte für meine Freunde und für mich selber erklären, daß wir gern bereit sind, hier ausländischen Rat und auch ausländische Warnungen zur Kenntnis zu nehmen und sie zu Rate zu ziehen, um so mehr, wenn sie von dem Vertreter einer Nation kommen, der wir in den letzten Jahren so viel zu verdanken haben. Ich möchte mir aber doch erlauben, dabei auf zwei Dinge hinzuweisen. Bis jetzt sind an ERP-Mitteln für Flüchtlingskredite und Flüchtlingsbetriebe 70 Millionen Deutsche Mark eingesetzt.
50 Millionen Deutsche Mark sind beantragt. Natürlich bedeuten diese Beträge hinsichtlich des vor uns stehenden Problems nicht sehr viel mehr als einen Tropfen auf einen heißen Stein.
Nach der politischen Seite wird man sagen dürfen, daß in den Darstellungen von Mr. Swope ein Punkt wahrscheinlich nicht so zum Ausdruck gebracht ist, wie er in unserm deutschen Bewußtsein steht und, wenn ich recht sehe, auch stehen bleiben wird, ja stehenbleiben muß. Wir glauben
nämlich, daß die eigentliche Multiplikation der Schwierigkeiten der Nachkriegszeit vor allem im Bereich des Flüchtlings- und Vertriebenenwesens in der Tat ganz wesentlich auf das Potsdamer Abkommen zurückgeführt werden muß, und es ist für uns kein Trost, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß schon vor dem Potsdamer Abkommen die Zustände in den ehemaligen volksdeutschen Gebieten wirklich unhaltbar waren. Was wir gegen das Potsdamer Abkommen auch in einem solchen Zusammenhang der Gerechtigkeit und der Wahrheit wegen immer wieder einwenden müssen, ist, daß es noch nach der Beendigung der Feindseligkeiten einen Zustand geschaffen hat, der das Vertriebenenproblem in seinem jetzigen Umfang und in seiner fast unlösbaren Schwere herbeigeführt hat, nämlich durch die Ausweisung der Schlesier, Westpreußen, Pommern, Danziger und Ostpreußen.
Herr Abgeordneter, ich darf Sie einen Moment unterbrechen. Ein Kollege von Ihrer Fraktion möchte auch noch ein paar Worte sagen. Vielleicht noch 3 Minuten!
Ich bin gleich fertig — Wir glauben also, indem wir auf diesen Punkt hinweisen, für nichts anderes einzutreten als für eine faire und angemessene Behandlung und Beurteilung des Problems innerhalb des Bundesgebietes, aber auch jenseits der deutschen Grenzen. Daß es uns darauf immer wieder ankommen muß, ist ganz klar; denn auch wenn wir ein Höchstmaß dessen leisten, was wir zu leisten vermögen und willens sind, so wird immer noch die Spitze dessen, was wir zur Bewältigung des vor uns stehenden Problems notwendig haben, so groß sein, daß wir schlechterdings keine Möglichkeit sehen, mit den uns zur Verfügung stehenden deutschen Mitteln diese Frage zu einer Lösung und damit zu einem befriedigenden Ende zu bringen.
Was vielleicht noch nach der deutschen innerpolitischen Seite gesagt werden darf, ist dies, daß uns die deutsche Diskussion allmählich in vieler Hinsicht in einer gespensterhaften Weise zu entarten scheint, jedenfalls hinsichtlich dessen, was sich an Vorstellungen über die tatsächliche Rückkehrmöglichkeit in die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie oder nach den sudetendeutschen Gebieten in verschiedenen Köpfen abzeichnet. Wir erstreben mit größtem Ernst eine Rückkehrmöglichkeit und sind dafür dankbar, daß zum Beispiel die internationale Flüchtlingskonferenz in Salzburg das Recht auf Rückkehr auch der deutschen Vertriebenen in ihre Heimat feierlich festgestellt hat. Aber wir wollen bei der Diskussion der Möglichkeiten dabei doch auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Wir würden es für dringend notwendig, mindestens für heiß erwünscht halten, daß in der öffentlichen deutschen Diskussion, auch in den Vertriebenen-Verbänden, diesen Tatbeständen jederzeit Rechnung getragen wird.
Zusammenfassend darf ich folgendes sagen: Die vor ihnen liegenden Anträge sind zweiteilig. Die einen zielen mehr auf das, was zunächst im Blick auf die Hohe Kommission getan werden müßte hinsichtlich der tatsächlichen Überführung des in Frage stehenden Reichsvermögens in die Verfügungsgewalt des Reiches bzw. Bundes. Der zweite Teil betrifft die Mittel, die von deutscher Bundesseite aufgebracht werden müssen, um diese Pläne in die Tat umzusetzen. Wir glauben, daß sich die Schwierigkeiten, die allenfalls dadurch entstehen könnten, daß in den Ländern über einige dieser
Vermögenswerte verfügt ist, in friedlicher und verständnisvoller Weise bereinigen lassen. Ich glaube nicht, daß wir den äußersten Wert auf die Frage des schließlichen Verbleibs der Rechtstitel an diesen Grundvermögen legen, sondern darauf bedacht sein sollten, daß diese Vermögenswerte der Generalbestimmung unterworfen und in einheitlich verplanter Weise nach den vom Bund, von diesem Haus und von der Regierung zu verantwortenden Richtlinien besiedelt und verwertet werden, so daß sie endgültig friedlichen Zwecken dienen. In diesem Sinne möchte ich namens meiner Fraktion und für mich selber bitten, daß diese Anträge mit Ihrer Unterstützung an die Bundesregierung gehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Trischler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der FDP möchte ich zu diesen drei Tagesordnungspunkten kurz Stellung nehmen, soweit es mir meine Redezeit erlaubt.
Die Frage des ehemaligen Eigentums des Reichs und Preußens und des Eigentums, das hauptsächlich aus Reichsmitteln erworben oder erstellt wurde, ist eine Frage, von der wir die Überzeugung haben, daß sie zu einer ganz wichtigen Frage in der prakischen Arbeit zur Lösung des Flüchtlingsproblems werden kann. Hier sind praktische Wege zu finden, wie man wenigstens auf diesem einen Sektor Erfolge erzielt. Ich will mich aber nicht theoretisch mit diesen Fragen auseinandersetzen, sondern mache jetzt mit Ihnen eine kleine Wanderung an Hand eines Beispiels, das ich seit Monaten in seiner Entwicklung genau verfolgt habe. An diesem Beispiel will ich darüber sprechen, was sich in den letzten vier Jahren zugetragen hat und wie man praktisch vorwärtskommen kann. Wir wandern gemeinsam nach Bayern, nach Kraiburg-Aschau. Das ist ein Werk, das nach dem Umsturz mit zahllosen Hallen, Betrieben usw., zum Teil zerstört, zum Teil nicht zerstört, dagelegen ist. Gleich am Anfang haben mehrere Sprengungen durch die Amerikaner stattgefunden. In diese Gegend sind sehr viele Flüchtlinge, darunter eine ganze Reihe von ehemaligen Unternehmern gekommen, die hier die Möglichkeit gesehen haben, sich eine neue Existenz zu schaffen. Sie haben den Plan gefaßt, eine neue Siedlung größeren Umfangs zu erstellen. Bereits in ihren ersten Eingaben haben sie darauf hingewiesen, daß sie auf diesem Gelände gerne einmal eine neue Flüchtlingsstadt von etwa 20 000 Einwohnern sehen möchten. Sie sind an die Arbeit gegangen, haben aufgeräumt und gearbeitet. Es wurden ihnen einige Hallen zur Verfügung gestellt. Sie waren auch die, die sich mit den amerikanischen Stellen in Verbindung gesetzt und es verhindert haben, daß eine ganze Reihe von zur Sprengung vorgesehenen Objekten noch geretett wurden. Ihnen ist es tatsächlich zu verdanken, daß hier Millionenwerte nicht, vernichtet wurden.
Am Anfang haben sie selbstverständlich auch von den bayerischen Behörden und amtlichen Dienststellen die entsprechende Unterstützung erhalten, bis man allmählich darauf kam: das könnte ja vielleicht auch ein Geschäft sein. Da haben sich die alten Eigentümer wieder gerührt. Es trat der Treuhänder in Erscheinung, der nun sehr darauf bedacht war, von den VertriebenenBetrieben die Mietzinsen einzutreiben. Das Ver-
hältnis ist dann nicht mehr so günstig gewesen. Es kam noch einmal eine harte Welle, nämlich es sollte wieder gesprengt werden. Die Leute mußten innerhalb weniger Tage sämtliche Hallen enttarnen. Sie wissen ja, daß solche Hallen mit großen Erdmassen überschüttet waren, auf denen zahlreiche Bäume und Sträucher standen. Sie sind alle freiwillig an die Arbeit gegangen, die Arbeiter, die Angestellten samt dem Direktor, und haben alles freigemacht. So haben sie nochmals weitere Werte gerettet.
Auf die Frage der Miethöhe war vor der Währungsreform kein allzu großes Gewicht gelegt worden. Man hatte eben die Verträge abgeschlossen. Aber dann kam die Währungsreform. Da wurde die Situation mit einem Schlag eine andere. Es kam eine Kommission, die den zu der Zeit vorhandenen Bestand aufnahm und festsetzte, welche Mieten die einzelnen zahlen sollten. Überlegen Sie sich einmal, welche Ungerechtigkeit eine derartige Handlungsweise war. Viele Hallen waren teilweise zerstört oder in der größten Unordnung. Es waren große Investitionen nötig, um da einen anständigen Betrieb hineinzustellen. Es gibt Betriebe, die in die verschiedenen Hallen bis zu 100 000 und 200 000 Mark hineingesteckt haben. Die jetzige Verwaltung sagte: Wir sind bereit, eure Investitionen anzuerkennen, aber sie müssen im Verhältnis 1 zu 10 abgewertet werden. Bei der Festsetzung der Miete hatte man gesagt: der heutige Wert dieser Hallen ist so und so groß, also muß eine dementsprechende Miete gezahlt werden. So gab es Fälle, daß diejenigen, die die Fleißigsten und Tüchtigsten waren, die viel investiert hatten, für dieselbe Halle, für die ein anderer eine bestimmte Miete zu zahlen hatte, nun auf einmal hundert und mehr Mark Miete mehr zahlen mußten als der andere. Es ist ganz klar, daß das nicht gerecht sein kann, daß sie sich dagegen sehr stark gewehrt haben. Ich hatte selbst an einer solchen Besprechung teilgenommen, an der Vertreter der verschiedenen Ministerien anwesend waren. Man hat sich dann geeinigt, daß man die Mieten nun rückwirkend auf den ehemaligen Urzustand festsetzen möchte. Wieweit hier befriedigende Lösungen gefunden werden, weiß ich nicht. Die Betriebsinhaber zweifeln etwas daran.
Nun eine andere Seite von diesem Beispiel. Was ist dort geleistet worden? Es sind etwa über hundert Betriebe drinnen, von denen einzelne dabei sind, die bis zu 800 Personen allein beschäftigen. Dann gibt es eine Reihe von Betrieben mit ganz wenigen Mitarbeitern. In den ganzen Komplex wurden bis Ende des vergangenen Jahres an Flüchtlingskrediten etwa 1,5 Millionen Mark hineingepumpt. Hier haben Sie das Beispiel, daß man bei solchen Krediten nicht nur zu schimpfen braucht, sondern daß man auch sagen kann, daß sie sich segensreich auswirken können. Wenn ich Ihnen sage, daß für diese 1,5 Millionen im Jahre 1949 allein 800 000 Mark an Steuern und Sozialabgaben in die Staatskasse zurückgeflossen sind; wenn ich Ihnen erwähne, daß mehrere tausend Flüchtlinge dort arbeiten, Brot und Existenz für ihre Familien gefunden haben; wenn ich Ihnen berichte, daß diese Betriebe ihre alten Kenntnisse und Erfahrungen hier verwirklichen konnten und einen wesentlichen Beitrag zur Belebung der deutschen Wirtschaft leisten, so sehen wir, daß es richtig ist, wenn manche von uns immer wieder hervorheben: die Flüchtlinge
brauchen nicht nur eine Belastung für die deutsche Wirtschaft zu sein, sondern im Gegenteil, sie können eine sehr wesentliche Position auch im günstigen Sinne ausmachen, wenn man ihnen nur die Möglichkeit gibt, ihre Kenntnisse und Erfahrungen auch tatsächlich auszuwerten.
Was ist nun aber das brennende Problem für alle diese Betriebe? Das schwierigste Problem ist die Klärung der Eigentumsverhältnisse. Weshalb wir heute diesen Antrag so wesentlich unterstützen, ist die Tatsache, daß wir tatsächlich wünschen, daß so schnell wie möglich die Regierung von den Möglichkeiten der Artikel 134 und 135 des Grundgesetzes Gebrauch macht, dieses Eigentum in Bundeseigentum überführt und nun versucht, mit den derzeitigen Pächtern dieser Betriebe in irgendeiner Form eine beiderseits zufriedenstellende Lösung zu finden. Wir wissen alle genau, daß der uns bevorstehende Lastenausgleich sehr viele Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Hier haben wir wieder eine Möglichkeit, praktisch einen Teil des Lastenausgleichs durchzuführen. Diese Eigentümer wollen nichts geschenkt haben. Sie haben es abgelehnt, als im Bayerischen Landtag der Antrag eingebracht wurde, der ihnen diese Hallen kostenlos zuweisen wollte, sie so zu übernehmen. Der Antrag ist auch nicht durchgegangen. Aber sie sagen: wir wollen nichts geschenkt haben. Wir wollen ein angemessenes Maß an Beitrag dafür bezahlen. Aber selbstverständlich ist es, wenn sie so viel investiert haben und weiterhin in die einzelnen Objekte investieren wollen, daß sie damit rechnen, daß mal der Zeitpunkt kommt, in dem sie das auch als Eigentum übernehmen können. Wenn man das hier also in langfristigem Abzahlungsvertrag, Kaufverträgen oder Erbpachtrechten geltend machen würde, so bestünde die Möglichkeit, daß sie tatsächlich dort seßhaft werden und daß die von ihnen einlaufenden Gelder wieder im Lastenausgleich für andere verwendet werden. Sie erklären sich gleichzeitig von vornherein bereit, auf alle ihre eigenen Forderungen aus einem Lastenausgleich zu verzichten.
An diesem Beispiel haben wir gesehen, daß es möglich ist - wenn der gute Wille vorhanden ist, wenn die Bundesregierung in diesem Sinne verfährt —, tatsächlich zufriedenstellend für beide Teile wesentlich schneller vorwärtszukommen und etwas Günstiges zu leisten. Selbstverständlich gilt das nicht nur für derartige Anlagen. Wenn man an die Flugplätze denkt, an die Übungsplätze und die vielen anderen Anlagen, die ähnlich geartet sind, so kann man sinngemäß dasselbe auch für diese sagen.
Zur Frage der ERP-Mittel: Auch wir sind selbstverständlich der Meinung, daß wir alles daransetzen müssen, daß die Mittel immer größer werden, die aus diesen Quellen zur Unterstützung fließen zur Neugründung von Flüchtlingsbetrieben und zur Festigung von solchen. Wir sind erfreut, daß der Weg überhaupt schon gangbar geworden ist. Wir wissen, daß wir vor anderthalb Jahren noch nicht erwarten konnten, daß uns aus diesen Quellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Aber im Zusammenhang mit diesen ERP-Mitteln möchte ich auf eine andere Gefahr hinweisen. Wenn wir heute die Zahlen verfolgen, die die einzelnen Länder für Flüchtlingskredite zur Verfügung oder in Aussicht stellen, so sehen wir eine stark herabgleitende Tendenz. Es ist verständ-
lich, daß die Länder, die nun einen Teil ihrer bisherigen Einnahmen an den Bund abgeben müssen. auch versuchen, hier weniger belastet zu sein als bisher. Aber es ist eben die Gefahr, daß man sich immer wieder darauf beruft: Ja, bitte, sorgt dafür, daß ihr ausländische Mittel zur Verfügung kriegt! Der deutschen Wirtschaft steht zu wenig zur Verfügung. Wir müssen hier also wachsam sein und danach trachten, daß weiterhin sowohl die Länder wie auch der Bund solche Gelder zur Verfügung stellen.
Zur Frage der Bundesbürgschaft: Es ist in den verschiedenen Ausschüssen und bei verschiedenen Gelegenheiten des öfteren davon gesprochen worden, und es wurde von mancher Seite der Standpunkt vertreten, daß der Bund keine Bürgschaften übernehmen solle. Wir von unserer Fraktion aus stehen demgegenüber auf dem positiven Standpunkt und sagen: jawohl, es wäre erwünscht und notwendig, daß für derartige Zwecke auch Bundesbürgschaften möglich werden.
Die nächste Frage, Punkt 2 der Drucksache Nr. 625, steuerliche Begünstigung von Flüchtlingsbetrieben! Wir gehen über diesen Punkt jetzt wahrscheinlich so ziemlich stillschweigend hinweg, und die Regierung wird wahrscheinlich sagen: bitte, wir haben ja bereits bei dem Einkommensteuergesetz hier gewisse Ausnahmen gemacht und schon gewisse Begünstigungen hervorgehoben. Ich möchte aber jetzt schon darauf hinweisen, daß ich zu jenen gehören werde, die auf diesen Punkt dann zurückkommen werden, wenn wir festgestellt haben werden, daß das Lastenausgleichsgesetz nicht so ausfällt, wie es die Flüchtlinge und die Geschädigten erwarten. Dann sehen wir hier wiederum eine Möglichkeit. Wir werden nicht darum herumkommen, alle Möglichkeiten zu erfassen, nach denen wenigstens etwas für die einzelnen Gruppen getan werden kann. Und hier sehe ich die Möglichkeit, daß man zumindest auf dem Gebiet der Einkommensteuergesetzgebung, aber auch für gewerbliche und für industrielle Betriebe von Flüchtlingen, eine Art Lastenausgleich auch erreichen kann. Es ist leichter, etwas nachzulassen, als etwas zu geben.
Im Punkt 3 derselben Drucksache wird die Regierung ersucht, im Lastenausgleichsgesetz Mittel sicherzustellen wiederum zur Finanzierung und Kreditierung von Flüchtlingsbetrieben. Auch diesen Punkt unterstützen wir selbstverständlich auf das weitestgehende.
Und nun noch kurz zur Frage des Flüchtlingsausgleichs. Der Ausschuß hat zwar den Antrag gestellt, daß über diesen Punkt hinweggegangen werden kann, weil inzwischen die bekannte Verordnung erschienen ist. Aber ich möchte auch hierzu sagen, daß sich bezüglich dieser Frage gerade in den Abgabeländern in den letzten Wochen und Monaten eine immer steigende Unzufriedenheit bemerkbar macht. Wenn ich hervorhebe, daß in Bayern erst jetzt vor zwei Tagen die erste Abnahmekommission von den Übernahmeländern erschienen ist, so sagt das schon sehr viel!
Es hat geheißen, möglichst im März sullen die
ersten Transportzüge bereits losgehen. Wenn ich
ferner sage, daß man sich bei der ersten größeren Aussprache gerade im größten Aufnahmeland Nordrhein-Westfalen, bei der die Vertreter der drei Abgabeländer anwesend waren, auf
den Standpunkt gestellt hat: jawohl, wir sind bereit, diese — ich weiß nicht — über 90 000 Flüchtlinge aufzunehmen, aber es sind außerordentlich große Schwierigkeiten; die Wohnungen stehen nicht zur Verfügung.
Mit der einheimischen Bevölkerung kommen wir
in große Schwierigkeiten. Und man stellt sich
dann auf den Standpunkt: Ja, Nr. 1, Familienzusammenführung, das wollen wir genehmigen.
Das ist ein außerordentlich geringer Prozentsatz. Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist um.
Nr. 2 , sagt man, sei praktisch nur eine Arbeitsvermittlung, denn man wolle den einzelnen Abgabeländern über die Arbeitsämter mitteilen: Die und die Arbeitskräfte benötigt man, und die sollten dann kommen, und zwar wolle man auch hier schlauerweise wiederum alle dazuzählen, die zur Familie gehören. Die wollen sie dazuzählen, aber sie können erst nachkommen, wenn die nötigen Wohnräume geschaffen worden sind.
Merkwürdig aber bei diesen Verhandlungen war folgende Stellungnahme des Vertreters desselben Landes, der sagte: soweit es sich um die Rückführung von Evakuierten handele, wären die Schwierigkeiten nicht so groß; dafür könnte man wahrscheinlich die nötigen Wohnräume finden.
Also wir sehen hier tatsächlich Schwierigkeiten auf der ganzen Linie. Wenn schon das größte
Land mit diesem Beispiel vorangeht, dann können wir
uns denken, was die andern machen wollen.
Noch eine Frage: in dem Zusammenhang mit dem Flüchtlingsausgleich taucht eine Schwierigkeit auf, an die wir bisher überhaupt nicht gedacht haben. Wir sehen jetzt, wie weit die einzelnen Länder in den letzten vier Jahren in ihrem ganzen Schulsystem auseinandergewachsen sind. Wenn heute Familien mit Kindern umsiedeln wollen, Kindern aus Mittelschulen oder höheren Schulen, so müssen sie feststellen, wie verschieden die Schulsysteme und die gegenseitige Anerkennung ist. Sehr häufig gehen ein bis zwei Jahre der Schulzeit verloren!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller. 10 Minuten, bitte!
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird den vorliegenden Anträgen ihre Zustimmung geben. Ich möchte aber von vornherein davor warnen, unter den Flüchtlingen irgendwelche Illusionen über die Auswirkung dieser Anträge zu erwecken, selbst wenn sie von diesem Hause angenommen werden, Illusionen, die auch durch die Ausführungen des Herrn Dr. Gerstenrnaier hinsichtlich der Zahl der eventuell Anzusiedelnden geweckt worden sind. Ich wundere mich überhaupt, wie Herr Kollege Dr. Gerstenmaier
in seiner einleitenden Begründung – und ich hätte gewünscht, daß möglichst alle Flüchtlinge seine Ausführungen hätten hören können — bei seiner grundsätzlichen Einstellung zu den Flüchtlingsfragen zu einer Lösung kommen will. Er geht hier von seiner Theorie und seinem bürgerlichen Standpunkt aus: grundsätzliche Anerkennung des Eigentums, versüßt mit etwas christlich-sozialem Gebräu. Daraus ergibt sich zwangsläufig zum zweiten die Feststellung, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, daß nach Ihrer Auffassung eine materielle Lösung des Flüchtlingsproblems nicht möglich ist.
Damit ist die Grundlage für die gesamte Haltung dieser Regierung gegeben. Ich bin der Auffassung, daß die Feststellung, die in der Ausschußsitzung am 24. Februar gemacht worden ist, zu Recht getroffen ist, nämlich, daß seit Bestehen der Bundesregierung keine praktischen Ergebnisse für die Flüchtlinge erreicht worden sind.
Ich möchte nun auf einige besondere Punkte in diesen Anträgen eingehen. Da ist zunächst die Illusion, als ob auf dem Wege der Beschlagnahme oder Enteignung oder der Übernahme von Flugplätzen und Truppenübungsplätzen in Staatseigentum diese Plätze für die Ansiedlung gewonnen werden könnten. Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, es dürfte Ihnen doch nicht ganz unbekannt sein, daß daran heute die westlichen imperialistischen Besatzungsmächte nicht interessiert sind; sie denken nicht daran, die jetzt vorhandenen Flugplätze und Truppenübungsplätze freizugeben, gehen vielmehr dazu über, große Flächen für neue Flugplätze und Übungsplätze für Bombenabwurf zu beschlagnahmen. Diese Mächte bereiten heute schon hier in Westdeutschland, auf deutschem Boden, den neuen Krieg vor, den sie gegen den Osten führen wollen.
— Die westlichen Imperialisten! Denken Sie daran, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, daß jetzt auf dem Rhein-Main-Flughafen mit Mitteln der Stadt Frankfurt am Main, die dafür 4,5 Millionen D-Mark zur Verfügung stellen muß, eine neue Bomberstartbahn angelegt wird. Im Kreise Hanau ist von dem dortigen Platze noch nicht ein Quadratmeter freigegeben worden. Es werden also neue Anlagen geschaffen, da wollen Sie die Flüchtlinge glauben machen, daß man hier Boden für Ansiedlungszwecke freimachen könne.
— Herr Dr. Gerstenmaier, Sie sind Mitglied der CDU! Ich habe vor einiger Zeit an den Herrn Minister Lukaschek die Frage gerichtet: Warum wird denn von der Regierung nicht eine Gesetzesvorlage über die Durchführung einer Bodenreform in Westdeutschland gemacht?
Sie, Herr Dr. Gerstenmaier sind Mitglied der CDU, und auch Ihrerseits ist eine entsprechende Vorlage noch nicht eingebracht worden!
Hier könnten Sie den Beweis antreten, daß Sie
es ernst meinen mit den Flüchtlingen. Sie können doch die Flüchtlinge nicht mit irgendeiner ideologisch verbrämten „Zuteilung" abspeisen!
— Ich weiß schon, warum Sie jetzt so lebhaft widersprechen. Schauen Sie doch nach der Deutschen Demokratischen Republik,
wie dort im Zuge der Bodenreform verfahren worden ist. Daß diese Bodenreform Ihnen, meine Herren von der Rechten und von der CDU. in deren Reihen eine ganze Anzahl der dort davongeflüchteten Großgrundbesitzer sitzen, sehr unangenehm ist, verstehe ich.
Dort haben die Flüchtlinge
nicht 40 Prozent Arbeitslose in ihren Reihen.
Dort drüben sind mehr als 86 000 Flüchtlingsbauern angesiedelt worden.
— Allerdings auf den großen Gütern, die man den alten Herren Baronen weggenommen hat!
-- Daß Sie sich betreten und getreten fühlen, ist mir verständlich.
Eine zweite Frage: die Frage der Ansiedlung bzw. der Flüchtlingsgewerbebetriebe. Es wird Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannt sein, Herr Dr. Gerstenmaier, daß heute eine große Anzahl der in den letzten Jahren gegründeten Flüchtlingsbetriebe, insbesondere handwerklichen Betriebe, bereits wieder der Krise in diesem amerikanischen Wirtschaftssystem erlegen sind.
Eine große Anzahl von ihnen — die Unterlagen stehen mir zur Verfügung — sind nicht allein infolge der unerhörten Belastung durch die hohen Zinsen für die Kredite, die sie bekommen haben, sondern auch infolge der dadurch bedingten Konkurrenzunfähigkeit kaputtgegangen.
Sie machen mit Ihrer Politik, wie sie in Westdeutschland getrieben wird, insbesondere den kleinen und mittleren Flüchtlings- und Gewerbebetrieb kaputt.
Eine dritte Frage, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier: Sie sprechen in einem Antrag von der Frage des Lastenausgleichs. Ich wundere mich darüber, daß Sie überhaupt noch den Mut haben,
von Lastenausgleich zu sprechen angesichts der
Tatsache, daß in dem Ausschuß mehr als einmal
davon gesprochen worden ist — auch der Vorsitzende des Ausschusses erwähnte es in der
letzten Sitzung —, daß man auf dem Wege über
die Stundungen im Zuge der sogenannten Soforthilfeabgabe bereits die Torpedierung des end-
gültigen Lastenausgleichs in die Wege geleitet hat; begünstigt von den Herren, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, die zu Ihrer Partei gehören und dort oben' auf der Regierungsbank sitzen!
Und, Herr Dr. Gerstenmaier, — —
Sie werden vor den Flüchtlingen vielleicht auch die Tatsache noch bemänteln müssen, daß Ihre eigenen Minister bzw. die Minister, die zu der Regierung gehören, in der Ihre Partei führend ist, daß z. B. der Finanzminister Schäffer in München davon sprach, daß ein Finanzausgleich undurchführbar sei, und daß Herr Dr. Seebohm den Lastenausgleich als eine Seifenblase bezeichnete!
Daraus geht doch hervor, daß die entscheidenden Stellen Ihrer Regierung, Herr Dr. Gerstenmaier, die Durchführbarkeit irgendeines Lastenausgleichs von vornherein ausschalten und ausscheiden. Nun wollen Sie sich hinstellen und den Flüchtlingen das klarmachen! Ich glaube, die
Wirkung wird eine andere sein, Herr Kollege
Dr. Gerstenmaier, als Sie es einleitend meinten.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist beendet.
Unter den Flüchtlingen wird sich die Erkenntnis durchsetzen, daß sie, indem sie die Vertreter dieser Regierungsparteien gewählt haben, ihre eigenen Totengräber gewählt haben. Die Entscheidung wird nur darin liegen, daß die Flüchtlinge die Lösung, wie sie in der Deutschen Demokratischen Republik durchgeführt ist, mit allen Kräften erkämpfen und durchsetzen. Dann wird das Flüchtlingsproblem auch in Westdeutschland gelöst sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Donhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag des Ausschusses nach Drucksache Nr. 624 können meine politischen Freunde im wesentlichen zustimmen. Wir bitten Sie jedoch, vor allem die lokalen Gesichtspunkte, die da und dort bei der Verwertung der Einzelobjekte von einer Bundesbehörde aus niemals so gewürdigt werden können wie von den Landesflüchtlingsverwaltungen, gelten zu lassen. Wir legen Ihnen daher zur Drucksache Nr. 624 einen Abänderungsantrag vor, den Absatz 1 des ersten Punktes wie folgt zu ergänzen:
Die in Frage kommenden Grundstücke sollen den Landesflüchtlingsverwaltungen mit der Auflage der vorzugsweisen Verwendung dieses Eigentums zugunsten der Heimatvertriebenen zur Verfügung gestellt werden.
Wir beabsichtigen mit dieser Ergänzung zum Antrag Drucksache Nr. 624 zu vermeiden, daß eine den wirklichen Gegebenheiten sehr fernstehende Behörde, die nicht in der Lage ist, die örtlichen Verhältnisse so zu würdigen, wie es notwendig ist, sich hier einmischt. Wir wollen den Landesflüchtlingsverwaltungen mit unserem Abänderungsantrag Gelegenheit geben, sich hier entscheidend einzuschalten. Ich übergebe hiermit den Abänderungsantrag. —
Zum Antrag Drucksache Nr. 625 gestatten Sie ganz kurz einige Ausführungen. Meine politischen Freunde stimmen den Empfehlungen des Ausschusses zu. Wir bitten jedoch die Regierungsorgane, Bedacht zu nehmen, daß bei der Vergebung von Bundesbürgschaften in erster Linie nach bankmäßigen, also nach kaufmännischen Gesichtspunkten gearbeitet wird, nicht aber nach bürokratischkameralistischen.
Ich empfehle Ihnen, vor allem die unangenehmen Ereignisse, die sich auf dem Gebiet der Staatsbürgschaften in der Vergangenheit in mehreren deutschen Ländern schon wiederholt abgespielt haben, sich hier als Lehre dienen zu lassen.
Ich möchte Ihnen vor allem empfehlen, durch die Einschaltung wirklich erfahrener Bankinstitute dafür zu sorgen, daß nicht etwa bürokratischer Geist bei der Vergebung von Staatsbürgschaften mit unserem schwer erarbeiteten Steueraufkommen Schindluder treibt.
Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang viel
leicht noch eines mitgeben. Ich würde empfehlen, nicht nur den Flüchtlingsbetrieb als solchen als ausschließlichen Empfänger von Bundesbürgschaften für die Zukunft herauszustellen, sondern darüber hinaus jedem deutschen Betrieb, der in einem überdurchschnittlichen Umfang Flüchtlinge beschäftigt, die Erlangung von Bundesbürgschaften zu ermöglichen.
Ich glaube, daß auch nach dieser Richtung hin eine Anregung an die Regierung zweckmäßig sein dürfte. a
Aber weil der Herr Zwischenrufer gegenüber meinen Darlegungen über die Vergebung von Bundesbürgschaften Bedenken äußert, möchte ich Sie darauf hinweisen, daß wir in der Vergangenheit schon mehr als einmal Staatsbürgschaften, vor allem bei den Handwerkerkrediten, erlebt haben, die nicht als Betriebskredite, sondern als Konsumkredite verwandt worden sind.
— Das sind nicht nur Ausnahmen gewesen, Herr Zwischenrufer, Sie können sich in allen deutschen Ländern eine Fülle derartiger Beispiele zusammensuchen.
Im wesentlichen stimmen wir also der Drucksache Nr. 625 zu, bitten nur die Bundesregierung, unsere ergänzenden Bemerkungen bei einer künftigen gesetzgeberischen Arbeit mit zu berücksichtigen.
Der dritte Punkt, der hier nach Drucksache Nr. 626 zur Beratung ansteht, erregt aber unseren Widerspruch. Wenn der Ausschuß für Heimatvertriebene Ihnen heute empfiehlt, die seinerzeitige SPD-Vorlage als erledigt zu bezeichnen, so mag das nach den Gegebenheiten, wie sie noch vor wenigen Wochen der Fall waren, noch halbwegs vernünftig gewesen sein. Sie wissen aber, daß sich in der Zwischenzeit auf diesem Gebiet sehr viel geändert hat, daß die nach langem Hängen und Würgen endlich zustande gekommene Verordnung zu einem innerdeutschen Flüchtlingsausgleich, der die spärliche Ziffer von 300000 Köpfen nennt, bis
zur Stunde immer noch nicht wirksam geworden ist. Sie haben gerade vorhin gehört, daß das reichste Land des Bundes sich bis zur Stunde weigert. die Verpflichtung, die ihm auferlegt worden ist, zu erfüllen.
Sie haben gehört, daß das reichste Land des Bundes die Erfüllung seiner Verpflichtungen von der Hergabe eines Wohnungsbaukredits von 240 Millionen D-Mark abhängig machen will. Das ist auch eine Politik des Junktims. Sie erinnern sich, daß schon einmal die Politik des Junktims im internationalen Verkehr in diesem Hause zu sehr erheblicher Kritik Anlaß gegeben hat. Um wieviel verwerflicher ist es, wenn deutsche Länder untereinander oder gar deutsche Länder in ihren Beziehungen zum Bund die Politik des Junktims als Praxis für die Zukunft walten lassen wollen.
Meine Damen und Herren, es ist Ihnen vielleicht bekannt, daß die Wohnraumdichte, die Belegungsdichte in Nordrhein-Westfalen 1,7 beträgt, in Bayern vergleichsweise 1,94, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein liegt sie um 2,0 und noch höher. Wir können erwarten, daß man auch im reichsten deutschen Bundesland genau so wie in den finanzschwachen Ländern sich zunächst einmal bequemt, etwas zusammenzurücken. Wir können und dürfen erwarten, daß man zunächst einmal diese Länder auffüllt, bis sie einigermaßen die Belegungsdichte der Flüchtlingsländer erreicht haben. Ich komme nicht umhin, das Verhalten des Landes Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang als eine bewußte Sabotage an der bundesstaatlichen Ordnung Westdeutschlands zu bezeichnen.
Niemand kann in diesem Hause angesichts der Tatsache, daß weitere 300 000 Deutsche aus dem Osten erwartet werden müssen und daß weitere 80 000 Deutsche aus der Tschechoslowakei demnächst bei uns eintreffen werden, dieser Vorlage Nr. 626 zustimmen, weil sie in sich unwahr ist. Es ist gar nichts nach dem gegenwärtigen Zustand erledigt.
Deshalb stelle ich den Antrag, die Drucksache Nr. 626 noch einmal an den Ausschuß zurückzuüberweisen. Ich verweise gleichzeitig auf einen Antrag, der vor wenigen Tagen von meiner Fraktion dem Präsidium zugegangen ist und mit dem wir erreichen wollen, daß in diesen anarchischen Verhältnissen, wie sie auf dem Gebiet des innerdeutschen Flüchtlingsausgleichs eingerissen sind, endlich einmal halbsweg vernünftige Grundsätze Platz greifen. Der Antrag meiner Fraktion, der das zum Ziel hat, lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, eine Rechtsverordnung auf Grund des Artikel 119 des Grundgesetzes zu erlassen, welche die Verteilung der neu aus den Ostgebieten im Anzug befindlichen 300 000 und der aus der Tschechoslowakei kommenden 80 000 Deutschen in der Weise regelt, daß sie zur Weiterverteilung von der Grenze weg unmittelbar in die Auffanglager derjenigen Länder gebracht werden, die mit Flüchtlingen unterbelegt sind.
Falls im Verlauf einer Familienzusammenführung aus diesen Auffanglagern solche Vertriebene in die überbelasteten Länder SchleswigHolstein, Niedersachsen und Bayern verbracht werden, wird Zug um Zug eine gleiche Zahl
von Flüchtlingen oder Vertriebenen von diesen Ländern an die weniger belasteten Länder abgegeben.
Das allein scheint mir bei der gegenwärtigen Lage ein brauchbarer Weg für einen wirklich wirkungsvollen innerdeutschen Flüchtlingsausgleich zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendein verantwortungsbewußter Abgeordneter heute im Hause ist, der der Aufforderung der Drucksache Nr. 626 nachkommen könnte, die wahrheitswidrig behauptet, der Vorgang sei erledigt. Ich sage Ihnen noch einmal: Nichts ist erledigt, in Wahrheit sind die Zustände himmelschreiender denn je.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt den drei Berichten des Ausschusses für Heimatvertriebene zu. Gestatten Sie mir, daß ich vorher etwas Allgemeines sage.
Meine Freunde und ich halten es für sehr verfehlt, das Flüchtlingsproblem, das heute zur Schicksalsfrage Europas geworden ist, zu bagatellisieren. Es ist genau so ernst und wichtig wie die Demontagen, es ist genau so wichtig wie das Saarproblem, über welche beiden Fragen man hier stundenlang debattiert hat. Zur Behandlung aller drei Berichte, die heute das Flüchtlingsproblem aufrollen, wird eine so sehr beschränkte Redezeit eingeräumt. Auch die Leere des Hauses sagt mir, wie groß das Interesse an dem Flüchtlingsproblem ist.
Die Notwendigkeit der Flüchtlingshilfe, die in allen drei Berichten zum Ausdruck kommt, liegt vor allem in der großen Not der Heimatvertriebenen, die in Westdeutschland ihre Aufnahme gefunden haben. Während der Anteil der Heimatvertriebenen an der Gesamtbevölkerung 16 Prozent beträgt, stellt sich der Anteil der arbeitslosen Heimatvertriebenen an der Gesamtarbeitslosenzahl auf 42 Prozent. Jeder dritte Arbeitslose in Westdeutschland ist Flüchtling. Das muß einmal festgestellt werden. Dieser große Anteil der Flüchtlinge ist nicht eine Erscheinung der letzten Monate allein, sondern sie ist seit langem zu beobachten, ohne daß bisher die geringste Besserung eingetreten ist. So tragen die Vertriebenen zu dem Verlust ihrer Heimat auch noch das schwere Los der Arbeitslosigkeit in ihrer neuen Heimat.
Wir können der Regierung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie zur Linderung der Not der Heimatvertriebenen bisher wenig getan hat.
Nach halbjähriger Amtsdauer steht der Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen Dr. Lukaschek mit leeren Händen vor den Heimatvertriebenen. Das müssen wir feststellen.
Nicht vielleicht durch seine Schuld, aber es ist einmal so. Ich sage es mit Absicht, um gerade ihm vielleicht den Rücken zu stärken.
— Gar nichts; es ist überhaupt nichts geschehen. Wenn das von den Regierungsbänken gesagt wird, ist es um so wertvoller.
— Das ist keine Übertreibung, Herr Kollege. Ich weiß, daß zum Beispiel die mageren Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes erst unlängst durch den Druck unserer Kollegen in den Regierungsparteien durchgesetzt werden mußten. Der Beschluß vom 2. Dezember über die Gleichstellung der. Flüchtlingsbeamten mit den einheimischen Beamten wird nicht durchgeführt; er wird heute noch sabotiert und schafft revolutionäre Zustände unter den Beteiligten. Der Anteil der heimatvertriebenen Beamten, insbesondere derjenigen des höheren Dienstes, entspricht nicht dem Anteil der Heimatvertriebenen. Fast alle Schlüsselstellungen sind in den Händen von Nichtflüchtlingen.
Meine lieben Freunde! Wir begrüßen trotzdem den Antrag und die Berichte des Ausschusses für Heimatvertriebene, und wir wollen hoffen, daß vor allem den Flüchtlingsbetrieben eine Hilfe gebracht wird. Es gibt derzeit zwei Möglichkeiten, den Flüchtlingsbetrieben zu helfen. Das sind vor allem die Mittel des Marshallplans und dann die des sogenannten Adenauer-Plans. Das sind insgesamt etwa 900 Millionen DM. Davon sollen — man kämpft erst um diese Beträge —, soweit ich weiß, 300 Millionen DM den Flüchtlingsbetrieben zugute kommen. Wir legen aber großen Wert darauf, daß sie vor allem den kleinen und mittleren Flüchtlingsbetrieben zugute kommen und daß ein Globalbetrag von mindestens 100 Millionen DM den einzelnen Ländern, vor allem den mit Flüchtlingen stark besetzten Ländern Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen, für diese Zwecke zur Verfügung gestellt wird.
Im Jahre 1949 wurden in Bayern Flüchtlingskredite mit Staatsbürgschaften von etwa 55,4 Millionen DM bewilligt. Diese Flüchtlingskredite wurden in 3 031 Fällen bis zu 5 000 DM im Betrage von 8 884 000 DM, in 1795 Fällen im Betrage von 5 000 bis 20 000 DM im Gesamtbetrage von 21 925 000 DM, in 672 Fällen von 20 000 DM bis 100 000 DM im Betrage von 7 318 000 DM und in 81 Fällen über 100 000 DM im Betrage von 17 202 000 DM vergeben. Für die großen Betriebe wurden demnach an Flüchtlingskrediten 46 Millionen DM bewilligt, während die armen Teufel insgesamt 8 800 000 DM bekamen.
Darin liegt ein ungeheueres Unrecht, und es ist allgemein bekannt, daß sich heute unter dem Begriff Flüchtlingsbetrieb alles Mögliche versteckt,
daß es Spekulanten gibt, die 70 Prozent Flüchtlinge aufnehmen, dann Flüchtlingshilfe bekommen, und, haben sie einmal den Kredit, dann die Flüchtlinge die ersten sind, die aus den Betrieben ausgeschieden werden.
Wir wissen ja auch, wie diese Flüchtlingskredite mißbraucht werden. Ich persönlich gehöre zu denen, die für große Flüchtlingskredite grundsätzlich nicht intervenieren, weil es mir vom sozialen und auch vom rein wirtschaftlichen Standpunkt richtiger erscheint, wenn 20 kleine Flüchtlingsbetriebe mit den Familien der Betriebsinhaber ihre Existenz finden, als daß irgendein großer Spekulant sich auf Kosten der Flüchtlinge bereichert.
Diesen Standpunkt habe ich immer eingenommen. Deswegen verlangen wir, daß bei der Bewilligung der Flüchtlingskredite, die aus dem Marshallplan und aus dem Adenauer-Plan fließen, ein scharfer
Maßstab angelegt wird und auch eine scharfe Kontrolle ausgeübt wird, wohin, in welche Taschen diese Gelder fließen.
Wir begrüßen die Absicht, eine Flüchtlingsbank zu schaffen, und ich freue mich, daß auch der Herr Finanzminister diesem Gedanken seine Zustimmung nicht versagt hat. Wir verlangen sie und wissen, daß eine Flüchtlingsbank eine unbedingte Notwendigkeit ist, damit die Kanossagänge zu den Sparkassen und den Banken endlich einmal aufhören, die oft beschämend sind, da die Sparkassen und Banken in der Regel ihre Taschen gegenüber den Flüchtlingen, die um Kredite bitten, zugeknöpft halten.
— Das wäre Voraussetzung. Eines verlangen wir aber mit aller Entschiedenheit: daß die zu schaffende Flüchtlingsbank von Flüchtlingen verwaltet wird und nicht von irgendwelchen Finanzbürokraten, die man dann in die Bank als Verwalter einsetzt.
Ich möchte nur dem kommunistischen Redner ein Wort über die Bodenreform sagen. Auch wir wünschen eine Bodenreform. Wir vermissen sie. Wir vermissen in P gern die Durchführung der Bodenreform — die heute nur auf dem Papier steht weil wir Zehntausende und Zehntausende von Flüchtlingsbauern haben, die nach einer Existenz rufen und um sie ringen. Für uns wäre natürlich eine Bodenreform im allgemeinen gar nicht so wichtig, wenn man uns das geraubte Land im Osten zurückgeben würde. Da könnte man viele Bauern unterbringen.
Ich möchte noch etwas zu dem Bericht über die gleichmäßige Eingliederung der Heimatvertriebenen in die flüchtlingsschwachen Länder sagen. Es ist ganz sonderbar, daß ich in dieser Frage mit dem Vertreter der Bayernpartei eine Linie vertrete.
Aber das ist vielleicht nur ein einziger Fall.
-- Vielleicht! Ich gehe mit ihm deshalb in einer Linie, weil es beschämend ist, daß Länder, die Flüchtlinge aufnehmen sollen, sich jetzt weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist beschämend, daß der Aufnahme von Flüchtlingen aus Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die wirklich übervölkert sind — das sagen wir ja selber, wir wissen es ganz genau —, Schwierigkeiten bereitet werden und daß die ganze Aufnahme der Flüchtlinge eigentlich auf einem toten Punkt angelangt ist. Ich verurteile den Standpunkt dieser Länder auf das schärfste; er ist weder deutsch noch menschlich, human
und schafft schon heute Gegensätze zwischen der
einheimischen Bevölkerung und den Flüchtlingen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich habe nur noch ein paar Worte zu sagen.
Bei dieser Gelegenheit ein Wort zu der in voller Dramatik begonnenen Umsiedlung der Volksdeutsehen aus Polen und der Tschechei. Wir verurteilen den Standpunkt der Alliierten, die es ablehnen, diese armen Menschen in den Westzonen aufzuneh-
men. Über der Staatsraison steht das menschliche Schicksal dieser wahrhaft von aller Welt verlassenen, von Haus und Hof vertriebenen, ausgeplünderten und zusätzlich fünf Jahre unter Hunger, Krankheit und unseligen Leiden in Sklavenarbeit festgehaltenen Landsleute. Es sind deutsche Menschen, deren Kinder ja heute zum Teil schon entnationalisiert worden sind, und die alle die Sehnsucht haben, nach Westdeutschland zu kommen, um hier ohne Furcht, ohne Erniedrigung frei leben und atmen zu können. Es ist auffallend, daß fast durchweg alte Leute, Kinder, Greise und Frauen ausgewiesen werden, dagegen kaum jüngere und mittlere Jahrgänge. Vermutlich werden die jüngeren, arbeitsfähigen Männer von der Tschechei und von Polen zurückgehalten. Wenn drüben im Osten der Präsident Pieck und Herr Grotewohl sich bereit erklären, die aus Polen und der Tschechei ausgewiesenen deutschen Menschen aufzunehmen, so verstehen wir die Geste ganz genau, verstehen wir, um was es hier geht. Um so mehr ist es dann unsere nationale Pflicht, diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, bei uns eine neue Heimat zu finden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krause.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß die beiden vorliegenden Anträge in der vom Ausschuß erarbeiteten Fassung einstimmig angenommen worden sind und heute wahrscheinlich auch vom Plenum einstimmig angenommen werden, erübrigt weitere Ausführungen. Mir kommt es nur darauf an, die Bundesregierung zu bitten, alles zur praktischen Durchführung der Beschlüsse zu tun. Es ist doch Tatsache — wir haben es ja an dem bekannten Beispiel des Beschlusses über die Pensionen für die ostvertriebenen Beamten erlebt —, daß man hier beschließt, daß dann aber praktisch nichts durchgeführt wird.
In den Ausschußberatungen ist immer wieder gesagt worden, daß die Frage der Kredite für die Vertriebenenbetriebe die im Augenblick bedeutsamste Frage des gesamten Vertriebenenproblems ist. Wir haben mit großer Genugtuung davon Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung sich für Bundesbürgschaften einsetzen will.
Nun hört man gerüchtweise — man weiß heute noch nicht, ob es stimmt —, daß der sich in den Vertriebenenkreisen so außerordentlich großer ,,Beliebtheit" erfreuende Herr Bundesfinanzminister Schäffer es abgelehnt habe, die Frage der Personalkredite im Sinne seines Ministerkollegen Lukaschek zu lösen. Es wäre für mich interessant, wenn Sie, Herr Bundesfinanzminister, nachher einmal zu dieser Frage Stellung nehmen würden.
Wir sind weiter der Meinung, daß es unbedingt notwendig ist, die zu unterstützenden Betriebe in den Gesamtplan der deutschen Wirtschaft aufzunehmen. Wir würden es außerdem begrüßen, wenn man auch auf diesem Gebiet der jungen Generation und unseren Heimkehrern helfen würde, einen neuen Weg in die wirtschaftliche Zukunft zu finden. Wir sind außerdem der Auffassung, daß man die Kredite mit anderen Aktionen koppeln und dadurch den Heimatvertriebenen dingliche Sicherungen bieten sollte.
Damit komme ich zu den beiden Anträgen, die sich mit der Ansiedlung von Flüchtlingsbetrieben beschäftigen und denen auch die Zentrumsfraktion
einmütig zustimmt. Ich wiederhole nicht das, was schon gesagt worden ist, sondern möchte der Bundesregierung die Erfahrungen, die wir augenblicklich in der westfälischen Kreisstadt Lippstadt mit der Erschließung des dortigen ehemaligen Fliegerhorstes für Flüchtlingsiedlungen machen, mit auf den Weg geben. Nachdem vor einiger Zeit an dieser Stelle von höchster Regierungsseite aus gesagt worden ist, der Wiederaufbauminister von Nordrhein-Westfalen habe nicht immer das rechte warme Herz für uns Ostvertriebene, wenn es sich um die Finanzierung von Flüchtlingssiedlungen handele, muß einmal erklärt werden: Herr Wiederaufbauminister Steinhoff hat mir heute morgen in Düsseldorf grundsätzlich und schriftlich 700 000 DM als erste Rate für die wohnungs- und auch arbeitsplatzmäßige Seßhaftmachung von Vertriebenen und Vertriebenenbetrieben auf dem. Lippstadter Flugplatz zur Verfügung gestellt. Es muß auch an die Notwendigkeit erinnert werden, daß der Stricker-Plan, der ja im ehemaligen Wirtschaftsrat schon einmal theoretisch besprochen worden ist, im Zusammenhang mit unseren heutigen Anträgen endlich Wirklichkeit wird.
Gestatten Sie mir nach diesen Ausführungen noch einmal einige Bemerkungen zu der Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier. Ohne auf den politischen Sinn der Ausführungen des Kollegen Gerstenmaier einzugehen, darf ich mir als Ostvertriebener und Mitglied des Zentralverbands heimatvertriebener Deutscher von dieser Stelle eine grundsätzliche Bemerkung erlauben. Ihre Ausführungen, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, mußten bei einem großen Teil des Hauses, soweit er die verzweifelte und damit wahre Stimmung in den Reihen der Vertriebenen noch nicht aus eigener Beobachtung kennt, den Eindruck hervorrufen, als ob wir Heimatlosen uns so halb und halb, vielleicht sogar schon zu hundert Prozent damit einverstanden erklärt hätten, daß dieser Zustand per saecula saeculorum bestehen bleiben soll. Ich habe Sie sehr wohl verstanden, aber ich darf gerade deshalb hier erklären, daß kein Ostvertriebener daran denkt, den Rechtsanspruch auf unsere uns geraubte Heimat aufzugeben und daß wir das westdeutsche Volk von rechts bis links und von Nord bis Süd einmütig bitten, uns im Kampf um die friedliche Wiedergewinnung unserer Heimat zu unterstützen.
Nach diesen Erklärungen noch ein letztes, abschließendes, grundsätzliches Wort. Es gibt keine bessere Entmilitarisierung und keinen edleren Dienst am Frieden als die Schaffung von menschenwürdigen Wohnungen und wirtschaftlich gesicherten Arbeitsplätzen, denn die Zukunft Deutschlands wird davon abhängen, ob es gelingen wird, den sozialen Frieden zu erhalten. In diesem Sinne wünschen wir von der Zentrumsfraktion nun auch wirklich die praktische Durchführung dessen, was wir heute hoffentlich einstimmig beschließen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann.
Meine Damen und Herren! Meine Freunde haben im Ausschuß bezüglich der Drucksache Nr. 626 schon erklärt, daß der Tatbestand, auf den sich seinerzeit unser Antrag
richtete, auch durch den Erlaß der Rechtsverordnung nicht ohne weiteres aus der Welt geschafft ist und daß es sich bis heute nur um eine erste Maßnahme gehandelt hat, soweit Flüchtlinge überhaupt schon ausgetauscht worden sind. Dieser ersten Maßnahme werden weitere Maßnahmen folgen müssen, und wir behalten uns vor, auf diese Angelegenheit zurückzukommen.
Was die vom Herrn Berichterstatter behandelten Anträge Drucksachen Nr. 624 und 625 — die beiden Ausschußanträge — angeht, so haben meine Freunde ihnen im Ausschuß zugestimmt, und wir werden ihnen auch hier in der Vollversammlung zustimmen. Ich kann leicht darauf verzichten, diese selbstverständliche Haltung noch näher zu begründen und irgendwie zu illustrieren. Ich kann mich auf einige Bemerkungen beschränken, für die ich meine Redezeit sicherlich nicht ausschöpfen werde.
Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Gerstenmaier bezüglich des Verhältnisses der Vertriebenen zur Eigentumsfrage haben, glaube ich, ein sehr wichtiges Kapitel angeschnitten, und ich stimme ihm darin zu, daß wir alle miteinander alle Veranlassung haben, dieser Sache
unsere ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist ganz ohne Zweifel ein wenig zuviel auf die Geduld der Flüchtlinge spekuliert worden, und wir können uns meiner Meinung nach nur gratulieren, daß es bisher auch noch gut gegangen ist. Ich weiß, daß es radikale — oder was man so radikal nennt — Auffassungen gibt, auf die der Begriff Eigentum wie ein rotes Tuch wirkt und die dann immer gleich glauben, irgendwelche Prinzipien — meistens noch dazu falsch verstandene Prinzipien — verteidigen zu müssen. Ganz ohne Zweifel ist doch jeder, der den Kollektivismus ablehnt, der Meinung, daß es eine Sorte von Eigentum gibt, über die jeder verfügen muß, wenn das Leben für ihn Wert haben soll, ein Leben der Freiheit und der Menschenwürde. Dieses Minimum an Eigentum, das dazu dient, die Existenz zu sichern, muß auch den Flüchtlingen wiedergegeben werden. Das ist geradezu der Ausgangspunkt für unsere Forderungen nach einem wirkungsvollen Lastenausgleich gewesen. Denn es ist uns immer ganz klar gewesen: wenn wir alle diese Menschen, die früher einmal Eigentum besessen haben, Eigentum, das sie in ihrer Mehrzahl erarbeitet haben und das in der Mehrzahl der Fälle Arbeitseigentum und nicht etwa Ausbeutungseigentum war, Eigentum, das dazu diente, die Arbeitskraft des Besitzers von Ausbeutung unabhängig zu machen und nicht dazu, andere arbeiten zu lassen, -
wenn wir alle diese Menschen, die einmal Eigentum in dieser Form besessen haben, jetzt in der Situation lassen, daß das für sie nicht mehr in Frage kommt, dann treiben wir sie geradezu in die Arme derjenigen, die eben die andere Form des Lebens, die Form des Vegetierens vorziehen. Wir machen sie zwangsläufig zu Anhängern des Kollektivismus und schwächen die Front derjenigen, die bereit sind, das, was wir unter abendländischer Kultur und unter lebenswichtigen und lebenswerten Gütern verstehen, zu verteidigen.
Flüchtlingsbetriebe — in diesem Sinne verstanden — einzurichten, ist zweifellos unbedingt notwendig, und hier ist sicherlich längst nicht alles geschehen, was hätte geschehen können. Dabei sollte man sich allerdings vor der bequemen
Illusion hüten, daß ein Flüchtlingsbetrieb — ein förderungswürdiger Flüchtlingsbetrieb — schon ein solcher Betrieb ist, der einem Flüchtling gehört, der es mit Hilfe guter Beziehungen oder aus einer manchmal recht zweifelhaften Geschäftstüchtigkeit verstanden hat, sich etwas sagen wir einmal: unter den Nagel zu reißen. Ich weiß eine Menge von Beispielen — ich bedauere, daß es solche Beispiele gibt —, die beweisen, daß es auch unter Flüchtlingen die eigentlich als selbstverständlich zu erwartende Solidarität des gleichen Schicksals nicht immer gibt, wenn es sich auf der einen Seite um Arrivierte und auf der anderen Seite um solche handelt, die immer noch ganz unten sind. So sollte man auch bei der Einrichtung und bei der Förderung von Flüchtlingsbetrieben ja darauf achten, ob den sozialen Gesichtspunkten in diesen Flüchtlingsbetrieben genügend Rechnung getragen wird und ob die Beschäftigung von Flüchtlingen in einer Weise geschieht, wie es diesen Menschen gegenüber zu verantworten ist.
Wir möchten dabei den Zusatzantrag der Herten von der Bayernpartei für überflüssig erachten, der hier lokale Gesichtspunkte berücksichtigt wissen will.
Wir glauben, daß gerade hier, wo es sich um die sichere Unterbringung der Flüchtlingsbetriebe im Rahmen der deutschen Wirtschaft handelt, nur von einer zentralen Stelle — entschuldigen Sie das harte Wort — planmäßig vorgegangen werden muß.
Wir kennen viel zuviele Flüchtlingsbetriebe, die aus lokalen Gegebenheiten, aus einer momentanen oder lokalen Chance gestartet worden sind, häufig unter Verwendung recht erheblicher Mittel, und die, weil sie nicht in den Gesamtrahmen hineinpaßten, auch zuerst von der jetzt hier herumgeisternden Wirtschaftskrise zur Strecke gebracht worden sind.
Was die Bundesbürgschaften angeht, so hoffen wir, daß sich der Herr Finanzminister dazu noch sehr positiv äußern wird. Denn ohne diese Bundesbürgschaften wird man die Kreditfrage nicht lösen können. Ich glaube aber nicht, daß die Forderung richtig war, die hier vorhin aufgestellt wurde: man soll hier nicht kameralistisch und man soll hier auch nicht kaufmännisch, bankmäßig vorgehen. Weil das bis jetzt in viel zu großem Maße geschieht, bekommen die Flüchtlinge nämlich keine Kredite.
Ich weiß das zum Beispiel aus dem Lande Niedersachsen, wo es eine Landesbürgschaft gibt, ohne daß die Flüchtlinge nun zu Krediten kommen, weil sie vom Bankstandpunkt aus eben nicht kreditwürdig sind. Wer hier nach den Regeln der banktechnischen Überprüfung auch einen Flüchtling oder einen Flüchtlingsbetrieb anschaut, der wird immer sehr leicht zu der Erkenntnis kommen, daß es sich nicht rentiert. Hier muß weder nach kameralistisch-bürokratischen noch nach kaufmännisch-banktechnischen, sondern nach sozialen Gesichtspunkten geurteilt werden.
Hier muß man etwas zur Bewertungsgrundlage machen, was in dieser Wirtschaft allerdings leider praktisch niemals eine Bewertungsgrundlage ist: die persönlichen Fähigkeiten, den guten Willen und die Arbeitskraft, die in dem Mann steckt, der sich um einen Kredit bewirbt. Das erfordert vielleicht einiges Umlernen, damit wird auch hier und da vermutlich das Risiko erhöht, aber ohne Inkaufnahme dieser Risiken werden wir der menschlichen Seite dieses Problems niemals gerecht werden.
Ich möchte dann vor einer Illusion warnen, die etwa dann aufkommen könnte, wenn hier mit soviel Nachdruck auf das Reichseigentum hingewiesen wird, als würde das ehemalige Reichseigentum allein schon ausreichen, um die Erwartungen, die berechtigten Wünsche der Flüchtlinge nach einem produktiven Einbau in die deutsche Wirtschaft zu befriedigen. Bitte, nur ja keine Illusionen in dieser Richtung! Wir sollten uns doch zunächst einmal klar vor Augen halten, daß die hier in Frage stehenden Anlagen nach ganz anderen als nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erstellt worden sind. Das ist nicht der richtige Start für einen Flüchtlingsbetrieb, wenn man ihn irgendwo hinbringt, nur weil dort gerade ein für ganz andere Zwecke gebauter Schuppen oder eine für ganz andere Zwecke gebaute Halle oder so etwas steht, diese Dinge aber in Gegenden gelegen sind, die wirtschaftlich gar nicht aufgeschlossen sind. Wir sollten uns auch vor der Illusion hüten, als könne der Bund auf alle diese Besitztümer zugunsten der Flüchtlinge in Bausch und Bogen verzichten. Der Bund hat auch noch andere Aufgaben, nicht nur Aufgaben gegenüber den Vertriebenen. Diese Feststellung bedeutet keineswegs eine Herabwürdigung der Verpflichtung gegenüber den Vertriebenen. Man müßte in jedem einzelnen Falle, ehe man etwa gar hoffnungslose und von vornherein aussichtslose Experimente auf solchem ehemaligen Reichseigentum startet - auf diesen Munitionsanstalten oder Munitionslägern und was es sonst an solchen überflüssigen Dingen im Dritten Reich alles gegeben hat —, immer überlegen, wie das am zweckmäßigsten verwendet werden kann, und nicht grundsätzlich sagen, es muß in jedem Fall für einen Flüchtlingsbetrieb verwendet werden. Wenn es für einen Flüchtlingsbetrieb geeignet ist, dann liegt selbstverständlich hier die Priorität. Aber wenn man auf diese Unterscheidung verzichtet, muß man sich dem Verdacht aussetzen, daß man hier doch sehr großzügig im Geben sein will, weil das — nebenbei bemerkt — am wenigsten kostet.
Ich könnte mir denken, daß einige Leute mit so viel Leidenschaft die Freigabe des ehemaligen Reichsvermögens zugunsten der Flüchtlinge in der Hoffnung fordern, dann um den Lastenausgleich im ganzen herumzukommen.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um mit allem Nachdruck als unsere sozialdemokratische Ausfassung, die heute hier nicht zum ersten Male geäußert wird, noch einmal zu sagen: Es wird — auch wenn wir alle anderen Wege dabei keineswegs vernachlässigen — zu einem wirkungsvollen Lastenausgleich nicht kommen, wenn wir die erhalten gebliebenen Vermögen nicht sehr ernsthaft dafür in Anspruch nehmen.
Ich hoffe, daß alles das, was heute hier an Positivem zugunsten der Flüchtlinge gesagt worden ist, auch dann wieder praktisch in Erscheinung treten wird, wenn es um diesen Lastenausgleich geht, und dann auch noch in Erscheinung bleiben wird, wenn es um die sehr peinliche Sache der Vermögensbelastung geht.
Das private Eigentum wird seinen Anteil tragen müssen. Das gilt sowohl für die gewerbliche Wirtschaft wie auch für die agrarische Wirtschaft, also in diesem Fall für die Bodenreform, und auch hier kann man sich nicht damit begnügen, nur Flugplätze aufzusiedeln, von denen soundso viel nebenbei bemerkt für die Aufsiedlung von vornherein völlig ungeeignet sind. Auch hier kann man sich nicht nur auf die Domänen und eventuell noch auf die Klostergüter verlassen; auch hier muß man an den privaten Großgrundbesitz herangehen.
Die Regierung sollte ihre Anstrengungen darauf konzentrieren, das frühere Reichsvermögen so weit wie nur irgend möglich zu erfassen. Ich glaube, wir alle, die wir seit 1945 wieder im politischen Leben stehen und im Lande herumreisen müssen, kennen viele ärgerliche Beispiele dafür, daß Reichsvermögen verloren gegangen ist, in Hände gekommen ist, die rechtzeitig zuzupacken wußten, und manch einer hat sich vielleicht dabei auch noch als Flüchtling getarnt oder als Flüchtling legitimiert. Das Reichsvermögen zu erfassen und die Verfügungsgewalt über das Reichsvermögen zurückzubekommen, das friedlichen Zwecken nutzbar gemacht werden kann, ist sowieso Voraussetzung dafür, daß über diese Objekte zugunsten der Flüchtlinge verfügt werden kann. In der französischen Zone ist überhaupt noch nichts an Reichsvermögen zur Verfügung der deutschen Stellen gegeben worden, jedenfalls nicht zu einer Form der Verfügung, die es erlaubt, langfristig darüber zu disponieren, die es erlaubt, dort auch in der Sicherheit zu investieren, daß das, was dort gebaut wird, auch stehen bleiben kann.
Das, meine Damen und Herren, in Kürze zu dem hier vorgetragenen Antrag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei unterstützt die Anträge Nr. 624 und 625; sie kann aber nicht mit der Drucksache Nr. 626 einverstanden sein. Die Verordnung von 1949 hat nicht den Antrag der SPD Nr. 74 erledigt; das hat sich jetzt bei der Durchführung gezeigt. Die südwestdeutschen Länder, Rheinland-Pfalz, Württemberg, Württemberg-Hohenzollern und Südbaden, sind bereit, den Bestimmungen der Verordnung loyal nachzukommen. Es hat sich aber gezeigt, daß die Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen nicht bereit sind, den Verordnungsbestimmungen loyal nachzukommen. Diese beiden Länder wollen die laufende Zuwanderung angerechnet wissen. Das bedeutet für Niedersachsen, daß die Entlastungsquote um etwa 20- bis 25 000 Menschen gekürzt wird und nicht 75 000 Menschen abgenommen werden, sondern nur 50 000. Das ist für uns einfach unerträglich, und wir müssen deshalb verlangen, daß der Antrag Nr. 74, der Antrag Nr. 626 und auch der Antrag der
Bayernpartei hierzu an den Ausschuß für Heimatvertriebene zurückverwiesen werden, damit die jetzt entstandene Lage noch einmal durchgesprochen werden kann.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte lediglich zu den Drucksachen Nr. 624 und 625 Stellung nehmen. Der Antrag auf Drucksache Nr. 624 verlangt, daß ehemaliges Reichseigentum und Eigentum des preußischen Staates „in der Gestalt zur Verfügung gestellt" wird, daß damit „alsbald eine Generalbestimmung über die Verwendung dieses Eigentums zugunsten der Heimatlosen" erfolgt. Diese Fassung ist wohl etwas kompliziert. Ich nehme an, damit ist gemeint, daß dieses Vermögen sobald wie möglich und im Rahmen des Möglichen den Heimatlosen — und damit sind wohl auch nicht ausschließlich die Heimatlosen gemeint, sondern alle, die durch den Krieg in sozialer Not sind — zur Verfügung gestellt werden soll. Ich, muß aber auf die Rechtssage hinweisen, um von vornherein etwa einem Vorwurf zu begegnen, der nach einem Monat kommen könnte, daß auf diesem Gebiet nichts oder zu wenig geschehen sei.
Zu unterscheiden sind das preußische Vermögen und das frühere Reichsvermögen. Nach Artikel 135 Absatz 6 des Grundgesetzes geht von dem früheren preußischen Vermögen grundsätzlich überhaupt nur die Beteiligung an den großen Betrieben auf den Bund über. Der Kreis der hierfür in Betracht kommenden Beteiligungen dürfte bekannt sein. Es handelt sich um die Veba mit ihren Unterkonzernen Hibernia, Preußag und Preag. Daß diese Beteiligungen als solche bei dieser Betrachtung auszuscheiden haben, darf ich wohl als selbstverständlich voraussetzen.
Was nun das ehemalige Reichsvermögen betrifft, so würde eine Verfügung und ein Zurverfügungstellen durch den Bund natürlich zur Voraussetzung haben, daß der Bund rechtlich überhaupt befugt ist, über dieses frühere Reichsvermögen zu verfügen. Das ist, heute wenigstens, nicht der Fall. Durch das Gesetz Nr. 19 der amerikanischen Militärregierung ist in der amerikanischen Zone dieses Vermögen zunächst in das Eigentum des jeweiligen Belegenheitslandes übergeführt worden, und zwar mit dem Vorbehalt, daß der Bund befugt ist, durch Gesetz entsprechend den Bestimmungen des Grundgesetzes, die damals erwartet wurden, es in sein Eigentum zurückzuüberführen.
Die Verordnung Nr. 217 führt in der französischen Zone das frühere Reichsvermögen zunächst ebenfalls in das Eigentum der Länder über; sie enthält allerdings diesen ausdrücklichen Vorbehalt des amerikanischen Militärregierungsgesetzes Nr. 19 nicht. Es ist aber wohl anzunehmen, daß dieser Vorbehalt nur deshalb nicht ausdrücklich aufgenommen ist, weil er der Sache nach als selbstverständlich betrachtet wurde.
Auf alle Fälle bedürfte es, um dieses frühere Reichsvermögen in das Eigentum des Bundes überzuführen, eines Bundesgesetzes. Dieses Bundesgesetz, das schwierige und komplizierte Voraussetzungen hat, ist bereits in Ausarbeitung. Ich darf aber darauf hinweisen, daß dieses Bundesgesetz, um in Kraft zu treten, der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrats, also der Länder bedarf. Dieser Hinweis wird genügen, um darzutun, daß der Bund und die Bundesregierung allein nicht in der Lage sind, dieses Problem der Überführung in Bundeseigentum heute schon zu lösen.
In der britischen Zone scheinen die Dinge zunächst anders zu liegen. In der britischen Zone ist die Verordnung Nr. 202 der Militärregierung vorhanden, die das Eigentum des Bundes an dem früheren Reichsvermögen grundsätzlich anerkennt, aber doch dieses frühere Reichsvermögen in die Verwaltung der Länder der britischen Zone stellt. Der Bund hat zwar ein Weisungsrecht; aber es ist selbstverständlich, daß sich unter den elf Ländern eine Art einheitlicher Praxis herausbildet und daß die elf Länder voraussetzen und annehmen, daß der Bund nicht nach dem Zufall — wenn ich so sagen darf - der Gesetzgebung der Militärregierungen zu starke Unterschiede macht. Alle elf Länder stehen infolge dieser nun einmal vorhandenen Gesetzgebung der Militärregierungen auf dem Standpunkt, dessen Richtigkeit sich wohl nicht bestreiten läßt, daß es zur Überführung des Eigentums auf den Bund eines gesetzlichen Aktes bedarf, der nach unserem Grundgesetz die ausdrückliche Zustimmung des Bundesrats nötig hat. Es dürfte auch nicht möglich sein, diese Schwierigkeit dadurch zu beheben, daß sich der Bund, solange er das Eigentum noch nicht hat, praktisch eine Verfügungsbefugnis durch Verordnung oder auf einem anderen Weg, sagen wir einmal, zu erwerben sucht. Ich glaube, wenn es zu einem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in einem solchen Falle käme, daß die Entscheidung nicht unbedingt sicher zugunsten des Bundes lauten würde.
Das ist die Situation, die zur Zeit gegeben ist.
Was nun die ehemaligen Munitionslager, Flugplätze usw. betrifft, so muß ich darauf hinweisen, daß dieses Vermögen, das früheres Wehrmachtsvermögen ist, unter der Vermögenskontrolle der Militärregierung nach Gesetz Nr. 52 steht.
Also, kurz gesagt: Erstens, um diese letztere Schwierigkeit zu beheben, ist ein Antrag bei den Hohen Kommissaren notwendig, dieses Gesetz Nr. 52 zum mindesten mit Rücksicht auf diese Vermögensarten aufzuheben, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Der Antrag ist schon seit langem vorbereitet und wird gestellt werden. Der Zeitpunkt ist nach bestem Wissen und Gewissen je nach Atmosphäre zu wählen.
Zweitens: die Gesetzgebung des Bundes wird angestrebt. Es war bisher das Bemühen, ein monatelanges Bemühen, zu einer vernünftigen und zweckmäßigen Vereinbarung mit den Ländern auf dem Weg der sogenannten Verwaltungsvereinbarung zu kommen. Ob diese Verwaltungsvereinbarung zustande kommt, muß sich in den nächsten Tagen entscheiden. Wenn die Verwaltungsvereinbarung nicht sofort zustande kommt, muß der Gesetzentwurf zur Überführung in das Vermögen des Bundes so rasch als möglich der gesetzgebenden Körperschaft vorgelegt werden. Es muß dann angestrebt werden, ein Einvernehmen zwischen Bundestag und Bunresrat herbeizuführen.
Zu Ziffer 2 betreffend Mittel des ERP-Plans habe ich mich persönlich nicht zu äußern. Ich darf sagen, daß wohl die Hoffnung besteht, speziell für Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge Mittel zur Verfügung stellen zu können.
Was nun die in dem Antrag Drucksache Nr. 625 angeschnittene Frage der Bundesbürgschaft betrifft, so verweise ich zunächst darauf, daß in dem sogenannten Schwerpunktprogramm des 950 Millionenprogramms ja bereits 300 Millionen insbesondere für die Länder vorgesehen sind, die mit Flüchtlingen überlastet sind. Der Bund hat schon eine Erklärung gegenüber der Bank deutscher Länder abgegeben, daß er bereit ist, eine Bundesgarantie als letzte Rückendeckung für diesen Betrag von insgesamt 300 Millionen Mark zu übernehmen. Damit ist also schon eine Bundesbürgschaft in sehr beträchtlichem Betrage gegeben. Ich brauche nicht besonders darauf zu verweisen, daß, wie den ERP-Mitteln eine gewisse Grenze gesetzt ist, auch der Übernahme von Bürgschaften durch den Bund eine gewisse Grenze gesetzt sein muß, wenn nicht die Übernahme der Bürgschaft durch allzu großes Anschwellen der Bürgschaften im Einzelfall entwertet werden soll.
Was nun die Frage der steuerlichen Begünstigung betrifft, so haben wir uns ja gelegentlich der Beratung des Einkommensteueränderungsgesetzes über dieses Thema lebhaft unterhalten. Das Einkommensteuergesetz enthält Bestimmungen, die gewisse Kategorien — ich erinnere an den § 33 a, für die Heimatvertriebenen und Kriegsgeschädigten überhaupt - besonders berücksichtigen. Das ist in der Übergangszeit möglich. Ich mache aufmerksam: die Voraussetzung jeder Steuerbegünstigung muß der Natur der Sache nach sein, daß die Steuerbegünstigung wegen eines wirtschaftlichen Tatbestandes, in diesem Falle also wegen eines wirtschaftlichen Notstandes gegeben wird. Wenn wir den Weg zu einer großen und endgültigen Steuerreform finden, dann hoffe ich, daß wir auch zu dem Grundsatz rein und sauber zurückkehren werden und zurückkehren müssen, daß der wirtschaftliche Tatbestand, der Notstand und nicht die Zugehörigkeit zu einer Kategorie das wesentliche Merkmal für die Besteuerung und etwaige Steuerbegünstigung ist.
Was nun den letzten Punkt, die kommende Gesetzgebung zum Lastenausgleich, betrifft, so darf ich doch vielleicht darauf verweisen, daß der Gedanke, der hier ausgesprochen ist, ja schon im Gesetz über die Soforthilfe-Abgabe in dem Wort „Aufbauhilfe" enthalten ist. Und da ich gern von wirklichen Taten und Tatsachen rede und weniger von proklamatorischen oder rethorischen Dingen, so freue ich mich, feststellen zu können, daß meines Wissens es wieder möglich gewesen ist, aus den Mitteln des Soforthilfe-Fonds einen recht beträchtlichen Betrag für die Durchführung der Aufbauhilfe in diesen Tagen zu sichern.
Meine Damen und Herren! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst liegt zur Drucksache Nr. 624 ein Abänderungsantrag der Fraktion der
Bayernpartei vor. Wir stimmen zunächst über diesen Abänderungsantrag ab. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. -
Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu dem Antrag auf Drucksache Nr. 624. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist damit angenommen.
Wir stimmen nunmehr über die Drucksache Nr. 625 ab. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist damit angenommen.
Zur Drucksache Nr. 626 ist seitens der Fraktionen der Bayernpartei und der Deutschen Partei Zurückverweisung an den Ausschuß beantragt. Wir stimmen zunächst über den Rückverweisungsantrag ab. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; damit ist die Rückverweisung beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über Anträge der Fraktionen der BP, KPD und des Zentrums betreffend Lastenausgleich .
Das Wort zur Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Krahnstöver.
Frau Krahnstöver , Berichterstatterin:
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Ausschuß für den Lastenausgleich hat die sechs Anträge der Drucksache Nr. 627 in sehr eingehenden Beratungen geprüft. Diese Anträge, die sich im wesentlichen mit Abänderungswünschen zum Soforthilfegesetz befassen, sind geboren aus den Mängeln und Härten, die dieses am 8. August 1949 vom Wirtschaftsrat verabschiedete Gesetz in sich birgt. Schon bei der Gesetzgebung waren sich die Gesetzgeber darüber einig, daß die Härten dieses Gesetzes sowohl für die Abgabepflichtigen wie für die Anspruchsberechtigten nicht ganz zu vermeiden seien. Man glaubte damals, daß diese Härten nur zu verantworten seien in der Hoffnung, daß sehr schnell der endgültige Lastenausgleich folgen würde und diese Opfer dann notwendigerweise verschwinden würden.
Aber vielleicht darf ich Ihnen einige Zahlen sagen, um Ihnen die Schwere dieses ganzen Problems vor Augen zu führen. In Westdeutschland leben etwa 20 Millionen Anspruchsberechtigte an einen Lastenausgleich. Durch das Soforthilfegesetz werden nur etwa 2 Millionen betreut, und das noch in sehr unzureichender Weise, Menschen, die die Unterhaltshilfe, Unterhaltsrente bekommen, die kaum mehr gewährt als den notwendigen Lebensunterhalt.
Weitere 210 Millionen Mark sind bisher für Hausratshilfe ausgegeben worden, die vielfach nur eine Kleiderhilfe gewesen ist. Das Gesetz der Soforthilfe ist wirklich nur zur Linderung dringender sozialer Notstände geeignet gewesen. Wenn also jetzt von der Zentrumspartei der Wunsch geäußert worden ist, in den Personenkreis auch die Menschen hineinzunehmen, die aus dem Auslande laufende und jetzt dort noch festgehaltene Einkünfte bezogen haben, so würde
dieser Personenkreis erweitert werden. Es würde aber bedeuten, daß ein wesentlicher Personenkreis - denken wir nur an die Ostvertriebenen, die durch die Ostzone hierhergekommen sind, an die Flüchtlinge aus Berlin, die auch nicht von der Soforthilfe betreut werden konnten — eben auch die Ungerechtigkeiten mit zu erleiden hätte. Der Ausschuß war der Meinung, man sollte diese Personen beim endgültigen Lastenausgleich mit berücksichtigen.
Die beiden Anträge der kommunistischen Fraktion auf Drucksachen Nr. 267 und 268 mußten im Ausschuß beraten werden, ohne daß ein ,Vertreter der antragstellenden Fraktion anwesend war, obwohl die Beratung bereits einmal ausgesetzt war. Sie befassen sich beide zunächst mit dem Soforthilfegesetz und stellen eine große Anzahl von Forderungen zur Änderung dieses Gesetzes, während ein weiterer Antrag den endgültigen Lastenausgleich betrifft. Auch hier ist der Ausschuß der Meinung, daß diese Dinge bei der endgültigen Lastenausgleichs-Gesetzgebung berücksichtigt werden müssen.
Weitere Anträge lagen von der Bayernpartei
vor, und zwar die Drucksachen Nr. 297 und 298. Der Ausschuß hat sich sehr eingehend mit der Lage der Menschen befaßt, für die die Abgabe der Soforthilfe eine ganz besondere Härte bedeutet. Er war aber der Meinung, daß man diesen Menschen, die diese Abgabe schlecht oder nur schwer leisten können, auf eine andere Weise helfen sollte und nicht durch eine Änderung des Soforthilfegesetzes, und zwar aus der Überlegung heraus, daß, wenn wir das Soforthilfegesetz hier ändern würden, beispielsweise gegenüber der Landwirtschaft von seiten der Anspruchsberechtigten eine noch viel stärkere Spannung entstehen würde, als sie ohnehin schon vorhanden ist. Zur Vermeidung weiterer sozialer Spannungen schlägt deshalb der Ausschuß vor, auch diese beiden Anträge bei der endgültigen Gesetzgebung zu behandeln.
Desgleichen ein weiterer Antrag des Zentrums in der Drucksache Nr. 307, der zum Ausdruck bringt, daß man für diejenigen Abgabepflichtigen Stundung gewähren möge, die Abgabeschulden durch Leistung anderer wirtschaftlicher Werte zu tilgen anbieten. Dieses Problem der Naturalleistung ist im Ausschuß sehr eingehend geprüft worden, und wir hoffen auch, bei der endgültigen Lastenausgleichs-Gesetzgebung hier Mittel und Wege zu finden, um diesen Wünschen gerecht werden zu können.
Der Ausschuß war in seiner Mehrheit der Meinung, man solle das Soforthilfegesetz in den in diesen Anträgen zur Beratung stehenden Fragen nicht ändern, um die endgültige Lastenausgleichs-Gesetzgebung nicht zu verzögern.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, wir sind im Ausschuß alle der Meinung, daß diese Gesetzgebung sobald wie möglich erfolgen sollte. Der Ausschuß stellt deshalb den Antrag, diese Anträge dem Bundesfinanzministerium ais Material für die endgültige LastenausgleichsGesetzgebung zu überweisen in der Hoffnung, daß dieser endgültige Lastenausgleich dann sehr bald erfolgt.
Ich danke der Frau Berichterstatterin und eröffne die Aussprache. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat haben die Parteien offensichtlich darauf verzichtet, in eine sachliche Aussprache einzutreten. Wortmeldungen liegen nicht vor.
- Ich bitte um Entschuldigung; hier liegen doch zwei Wortmeldungen vor.
Herr Abgeordneter Kohl hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird niemand in diesem Hause sein, der nicht die Auffassung teilt, daß bei der praktischen Durchführung des Soforthilfegesetzes beide Teile, die Gebenden sowohl wie die Nehmenden, nicht zufriedengestellt sind. In einer ganzen Reihe von Entschließungen, die sicher sehr vielen Abgeordneten zugegangen sind, wird auf die Unhaltbarkeit des Soforthilfegesetzes sowohl in seiner formalen Ausgestaltung wie auch in seinem materiellen Inhalt hingewiesen. Sehr viele Rentner und Bezieher niedriger Einkommen haben unter der Verpflichtung, die Soforthilfeabgabe zu leisten, stark zu leiden. Bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes im Wirtschaftsrat hat unsere Fraktion mehrfach darauf hingewiesen, daß das Gesetz in der Form, wie es verabschiedet wurde, keine Hilfe für die wirklich betroffenen Kreise mit sich bringt.
Man hat sich damals der Illusion hingegeben, daß das Gesamtaufkommen mindestens 2,7 Milliarden betragen würde. Nach den neuesten Mitteilungen, wie sie etwa im „Handelsblatt" veröffentlicht worden sind, ist nur knapp 1 Milliarde aufgebracht worden. Man rechnet damit, daß im Jahre 1949/50 im Höchstfall der Betrag von 1,3 bis 1,5 Milliarden aufkommen wird. Wenn wir zu Grunde legen, daß für 1 Million Unterhaltsempfänger, die einen Anspruch auf 70 bis 80 D-Mark haben, bereits 1 Milliarde benötigt wird, so ergibt sich rein rechnerisch, daß das Soforthilfegesetz, wie es jetzt ist, in keiner Form den Anforderungen gerecht wird, die an ein solches Gesetz gestellt werden müssen.
Bei der Durchführung dieses Gesetzes hat sich eindeutig ergeben, und zwar sofort nach seinem Inkrafttreten, daß in erster Linie diejenigen Kreise, die als begütert anzusprechen sind — natürlich mit sachverständigem juristischem Rat —, Stundungsanträge einreichten: Diejenigen Kreise aber, die mit ihrem Vermögen unter der Grenze von 10 000 D-Mark liegen, hauptsächlich also diejenigen mit einem abgabepflichtigen Vermögen über 3000 D-Mark, diese Möglichkeit, juristisch gut fundierte Stundungsanträge zu stellen, nicht gehabt haben. Tatsächlich ist eine Flut von Stundungsanträgen eingegangen, was ganz zwangsläufig dazu führte, daß das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe eben nur knapp den Betrag von etwas über 1 Milliarde D-Mark erreicht hat.
Man muß daran erinnern, daß den Wählern einige Tage vor der Bundestagswahl die Auswirkungen des Soforthilfegesetzes in den herrlichsten Farben geschildert worden sind. Vor allen Dingen für die Parteien, die das Besitzbürgertum vertreten, war das eine Möglichkeit, ihr soziales Gewissen in den herrlichsten Farben leuchten zu lassen. Man hat dabei allerdings vergessen, den Wählern zu sagen, daß Bestimmungen für eine ganze Reihe von Gruppen, etwa die Währungs- und die Fliegergeschädigten, überhaupt aus dem Gesetz herausgelassen worden
sind, eben weil bei dem eng gezogenen Rahmen dieses Gesetzes keine Möglichkeit bestand, auch für diese Gruppen etwas zu tun. Man könnte lange über die Tatsache sprechen — bei dem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung ist das ja auch eingehend geschehen —, daß auch die Flüchtlinge nicht mit berücksichtigt worden sind. Wenn wir noch die Tatsache in Rechnung stellen, daß alle Rentenleistungen auf die Unterhaltshilfe angerechnet werden, so ergibt sich, daß das Gesetz seinem materiellen Inhalt nach für die Kreise, die leider auf den Bezug der Soforthilfe angewiesen sind, eben untragbar ist.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch auf den Erlaß des Herrn Bundesfinanzministers hinweisen. Nach diesem Erlaß sollen die Stundungsanträge sehr scharf geprüft werden. Einem gewissen Kreis von Abgabepflichtigen soll sogar zugemutet werden, eventuell Vermögenswerte zu veräußern, damit sie ihrer Abgabepflicht gerecht werden können. Ich bin aber der Überzeugung, daß auch eine solche Bestimmung nur die Kreise trifft, die nicht über die Mittel verfügen, die notwendig sind, wenn man sich gegen diese individuelle Einschätzung irgendwie zur Wehr setzen will. Man könnte aus der Praxis der Soforthilfeämter einige bezeichnende Beispiele anführen, um nachzuweisen, wie die Dinge in Wirklichkeit aussehen.
Wir Kommunisten sind der Meinung, daß vor dem kommenden endgültigen Lastenausgleich an den wir im Augenblick noch gar nicht glauben, und wenn er kommt, meine Damen und Herren, wird er eine Katastrophe sein — die Revision des Soforthilfegesetzes stehen muß. Es muß geändert werden, wenn es sich auch nur etwas sozial auswirken soll.
Im einzelnen sind wir der Meinung — deswegen auch unser Antrag —, daß kein Unterschied zwischen deutschen und ausländischen Vermögen gemacht werden darf. Der Passus, wonach eigentlich nur der Fürsorgerichtsatz zugrunde gelegt wird, muß endlich einmal verschwinden. Wir fordern weiter, daß ein Betrag von 160 D-Mark netto frei bleibt, und wir fordern, daß die Altersgrenze herabgesetzt wird -
ich glaube, ich brauche das nicht näher zu begründen —, und zwar vom 65. auf das 60. und bei Frauen auf das 55. Lebensjahr, und fordern ferner eine Belastung der großen Einkommensbezieher.
Noch ein Wort zu dem letzten Antrag der KPD, der der Regierung überwiesen werden soll. Wir haben in dem Antrag Drucksache Nr. 267 unsere grundsätzliche Auffassung zu der Frage des Lastenausgleichs niedergelegt. Wir wissen, daß wir damit bei ,der Mehrheit des Hauses nicht auf Gegenliebe stoßen. Aber wir Kommunisten verlangen sehr eindeutig nicht einfach die Überweisung dieser Anträge als Material an das Finanzministerium zur Bearbeitung für den kommenden Lastenausgleich, sondern diese Anträge, die von uns gestellt sind, müssen Richtlinien dafür sein, wie der kommende endgültige Lastenausgleich auszusehen hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wartner. Sie haben 8 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs meiner Ausführungen feststellen, daß, wenn wir auch Abänderungsanträge zum Soforthilfegesetz gestellt haben, dies keine Ablehnung des Gesetzes als solches bedeutet, sondern daß wir lediglich die Härten, die nach unserer Meinung in diesem Gesetz enthalten sind, gemildert wissen wollen. Die Berichterstatterin hat bereits darauf hingewiesen, daß die beiden Anträge Drucksachen Nr. 297 und 298 sehr eingehend im Lastenausgleichsausschuß geprüft worden sind, daß aber letzten Endes der Ausschuß sich nicht dazu entschließen konnte, diesen Anträgen seine Zustimmung zu geben, sondern daß sie als Material für den kommenden Lastenausgleich verwendet werden sollen. Mit dieser Beschlußfassung haben die beiden Anträge meiner Partei, Drucksachen Nr. 297 und 298, ein ehrenvolles Begräbnis erhalten. Denn wir wissen ja doch, was es bedeutet, wenn Anträge als Material hinübergegeben werden. Die Begründung hierfür war erstens, daß das Soforthilfegesetz nicht mehr von langer Dauer sein werde, und zweitens: wenn man auch nur ein Stück aus diesem Gesetz herausnehme, werde das ganze Gesetz zusammenbrechen.
Hierzu darf ich wohl bemerken: Wir haben unsere Anträge bereits am 8. Dezember eingereicht, also noch vor der Fälligkeit der ersten Rate des Soforthilfegesetzes. Als zweiten Grund führt man an, daß das Gesetz als solches, wie bereits erwähnt, nicht mehr lange lebensfähig sein werde. Hierzu möchte ich folgendes sagen: Wir haben unsere Anträge rechtzeitig eingereicht, und wenn sie im Ausschuß zu wiederholten Malen von der Tagesordnung abgesetzt worden sind und erst heute zur endgültigen Beratung kommen, so ist das nicht unsere Schuld. Wenn man auf der anderen Seite sagt: aus dem Gesetz darf nichts herausgebrochen werden, so bedeutet das nach unserer Auffassung nichts anderes, als daß die derzeitige Belastung ein Dauerzustand bleiben soll. Eine solche Haltung würde aber nicht bloß in weiten Kreisen große Sorge erregen, sondern ich darf auch darauf verweisen, daß sie in Widerspruch zu dem Bericht des Finanzministeriums steht, der uns im Dezember vorgelegt worden ist. Denn wenn auf Seite 18 bei Ziffer 43 des Berichts gesagt ist: Ein Schuldenabzug — und damit komme ich auf unseren Antrag Drucksache Nr. 297 zu sprechen — könne deshalb nicht zugelassen werden, weil in größter Eile und in einfachster Form die dringendsten Aufgaben gelöst werden mußten, und wenn es weiter in diesem Bericht heißt, de primitive Form der Abgaben könne jedoch nicht aufrechterhalten bleiben, meine Herren, so gibt der Bericht damit selber zu — und das deckt sich mit unserem Antrag Drucksache 297 —, daß das Gesetz über den Lastenausgleich überhastet fertiggestellt worden ist und eine derart primitive Regelung darstellt, daß sie bei dem neuen, kommenden Lastenausgleich wohl nicht mehr haltbar ist.
Meine Herren, unser Antrag fordert deshalb, daß die Bundesregierung ein Gesetz zur Änderung des Soforthilfegesetzes vorlegen soll, auf Grund dessen der Absatz 2 des § 24 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände entfällt und klargestellt wird, daß Zinsen und Tilgungsbeträge auf Grund des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich, soweit sie die zu entrichtende Soforthilfeabgabe der Schuldner übersteigen, nicht zu erheben sind. Wir wollten mit diesem Antrag erreichen, daß die Zinsen für die Grundschulden, die heute noch
bestehen und wofür die Soforthilfeabgabe gezahlt werden muß, nicht höher sein dürfen als der Betrag, den der Betreffende an Soforthilfe auf Grund des Einheitswertes zu zahlen hätte.
Ein Beispiel, meine Herren! Vergangenen Samstag kam ein Mann zu mir, der sagte: Ich hätte das Geld gehabt, um meine 6000 D-Mark Hypothekenschulden zu bezahlen. Ich habe sie nicht zurückgezahlt, weil die Gläubiger meine eigenen Geschwister, meine Brüder und meine Schwestern waren; ich wollte nicht mit einem wertlosen Geld meine eigenen Verwandten abtun. Hätte ich es bezahlt, dann hätte ich heute nicht 6000 D-Mark Hypotheken auf meinem Anwesen, und ich würde auf Grund des Einheitswertes nur 80 D-Mark an Soforthilfe zu bezahlen haben, während ich jetzt 240 D-Mark zu zahlen habe. Dieses Beispiel könnte man verhundertfachen und vertausendfachen. Infolgedessen verlangen wir, daß die Zinsen der Hypotheken nur mit diesem Betrag belastet werden dürfen, soweit die Belastung auch auf Grund des Einheitswertes für den einzelnen Betrieb in Frage kommen würde.
Auch der Antrag Nr. 298 — Erhöhung der Freigrenze von 3000 D-Mark auf 5000 D-Mark -
entspricht ganz bestimmt einer sozialen Haltung.
Wer sind denn die Leute, die einen Einheitswert bis zu 5000 D-Mark haben? Es sind kleine Hausbesitzer, kleine Gewerbetreibende, auch kleine Landwirte, Landwirte unter 3 Hektar. Meine Damen und Herren, es ist vorhin das Wort von Nehmenden und Gebenden gesprochen worden. Ich bin der Meinung: es gibt zwischen Nehmenden und Gebenden auch noch ein großes Heer derer, die weder zu der Gruppe der Nehmenden noch zu der Gruppe der Gebenden zählen. Das sind die Leute, die recht und schlecht unter größten Entbehrungen, unter Verzicht auf alles, was das Leben lebenswert macht, ihr Leben fristen. Ich glaube, gerade deshalb ist es keine unsoziale Forderung, wenn wir verlangen — es trifft ja nicht bloß einen einzelnen Stand, sondern durchweg alle Gruppen —, die Freigrenze von 3000 auf 5000 D-Mark zu erhöhen.
Ihre Redezeit ;ist abgelaufen.
Ein paar Sätze noch. Auch der Bericht des Finanzministeriums spricht ja davon, und es sind ein paar Beispiele aufgezählt, neben einer Freigrenze von 3000 D-Mark eine Freigrenze von 6000 D-Mark, ja von 10 000 D-Mark vorzusehen. Angesichts dessen ist unser Antrag sehr bescheiden.
Außerdem haben wir den Antrag gestellt, daß die Altenteile angerechnet und vor allem die mitarbeitenden Kinder berücksichtigt werden sollen, die ja keinen Lohn in den einzelnen Betrieben erhalten, die erst durch einen Familienanteil bei der Übergabe die Entschädigung finden.
Meine Damen und Herren, es tut mir sehr leid, daß meine Redezeit so kurz ist, daß ich unsere einzelnen Anträge nicht mehr begründen kann. Aber ich will mich der Weisung des Präsidenten und der Ordnung des Hauses unterwerfen und möchte nur noch einmal bitten, daß unsere Anträge, wenn sie schon heute keine Annahme finden sollten, wirklich auch dem kommenden Ausschuß als Material vorgelegt werden und daß dann diese unsere Forderungen hineingearbeitet werden. Es ist nun einmal eine Tatsache, daß beispielsweise unsere Landwirtschaft nicht eine
Rente abwirft wie etwa gewerbliche Betriebe, sondern daß sie nur eine Rente von 3 oder höchstens 4 Prozent abwirft. Wenn man schon 3 Prozent dieser Rendite wegsteuert, dann muß unsere Landwirtschaft, die heute nicht mehr die Verhältnisse hat wie noch vor Jahren, einfach derart belastet werden, daß letzten Endes die Wirtschaft darunter leidet. Ich möchte mit den Worten schließen: Unsere Bauern verlieren damit die Freude an ihrem Besitz, sie verlieren die Freude an ihrer Arbeit, und letzten Endes werden sie ein sehr unsicherer Faktor im Aufbau unseres demokratischen Staates.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Glasmeyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Redezeit nicht voll ausnutzen, sondern meinem Kollegen Dr. Reismann Gelegenheit geben, auch noch einige Sätze zu sagen.
- Das mag wohl sein; die kleinen Parteien können ja auch einmal vorgezogen werden.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei den Anträgen der Zentrumsfraktion bei Drucksache Nr. 183 um festgehaltene Einkünfte aus dem Ausland, bei Drucksache Nr. 307 um eine Durchführungsverordnung zu § 28 des Soforthilfegesetzes. Es wäre noch der Antrag Nr. 82 hinzuzufügen, der die über 50 Prozent Ausgebombten behandelt. Unsere Fraktion bedauert, daß die Durchsetzung und Erledigung dieser Anträge im Lastenausgleichsausschuß nicht möglich war. Seinerzeit ist uns von den großen Parteien gesagt worden: wenn das Soforthilfegesetz in irgendeiner Form durchbrochen würde, wenn ihm die Reißzähne ausgebrochen würden, so könne das nicht geschehen, wenn nicht zu gleicher Zeit den Geschädigten entsprechende Gegengeschenke gemacht würden. Wir konnten uns damals dieser Einlassung nicht versagen; denn schließlich gehören auch wir einer fortschrittlich sozialen Partei an. Wenn ich aber damals gewußt hätte, daß tatsächlich durch die Erledigung sehr vieler Stundungsanträge vielleicht doch noch manche Million hätte gerettet werden können, wenn ich gewußt hätte, daß zum Beispiel im Land Niedersachsen, wie mir bekannt ist, gutgehenden Apotheken Stundung gewährt worden ist, dann wäre es besser gewesen, auf der Durchführung unserer Anträge fest zu bestehen.
Ich habe schon gesagt, daß meine Fraktion diese Art bedauert. Wir können der Überweisung als Material nur mit allergrößter Reserve gegenüberstehen, und wir erwarten, daß an Stelle des Soforthilfegesetzes uns baldmöglichst ein vernünftiger, gerechter, aber auch tragbarer Lastenausgleich von der Regierung vorgelegt wird. Wir erwarten insbesondere, daß es nicht ähnlich wie seinerzeit beim Wohnungsbaugesetz geht, daß die Regierung sich als ein kreißender Berg erweist, der nach vielem Ach und Weh und Gestöhne allmählich und endlich nur eine Maus gebiert.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Auf den Zwischenruf des Herrn Abgeordneten Lehr, der sich darüber wundert, daß unsere Fraktion zwei Redner stellt, möchte ich erwidern,
daß wir es begrüßen würden, wenn die CDU sich
überhaupt um dieses Problem kümmerte. Das
heiße Eisen möchten Sie offenbar gar nicht gern
anfassen: so ist die Geschichte wohl. Die Beschränkung der Redezeit auf diese paar Minuten
scheint kennzeichnend dafür zu sein, wie gerade
die Regierungsparteien dieses Problem angepackt
haben möchten. Am liebsten möchten sie es offenbar nicht behandelt sehen, weil sie zu denen gehören, die noch einmal davon abgekommen sind.
Herr Abgeordneter, diese Redezeit ist im Ältestenrat vereinbart worden.
Jawohl, da sind die kleinen Parteien bekanntlich für das Ergebnis nicht bestimmend.
Aber die kurze Zeit zwingt mich zum Telegrammstil, also im einzelnen zu unserem Antrag zum § 28 des Soforthilfegesetzes. Es ist absolut nicht für den Antrag Nr 307 zutreffend, was zur Begründung für die Sammelverweisung all dieser Anträge gesagt wurde. Was kann es den unter den Schwierigkeiten des Soforthilfegesetzes leidenden Personen denn nützen, wenn beim endgültigen Lastenausgleich eine andere Regelung, getroffen wird? So geht das doch nicht. Es besteht gar kein Anlaß von einer Abstimmung über den Antrag Nr. 307 abzusehen. Ich beantrage ausdrücklich, daß über den Antrag Nr. 307 besonders abgestimmt wird.
Ähnlich verhält es sich mit dem Artrag Nr. 82, der Zentrumsfraktion. Es ist offenbar im Ausschuß gar nicht erkannt worden, daß dieser Kreis von Personen, für den wir da eintreten, tagtäglich Leistungen für uns erbringt. Man hält Einkünfte, die im Ausland fällig werden, die diesen Leuten zukämen, fest mit Rücksicht darauf, daß beispielsweise Holland oder Belgien — wo diese Forderungen fällig werden, spielt dabei keine Rolle — behaupten, Kriegsforderungen gegen Deutschland zu haben. Wenn man sich gefallen läßt, daß diese deutschen Kriegsschulden aus dem Vermögen einzelner bezahlt werden, dann muß man logischerweise etwas für diejenigen tun, die diese Summen aufzubringen haben.
Im übrigen gestattet es mir leider die zur Verfügung stehende Zeit nur, bloß noch in wenigen grundsätzlichen Stichworten auf das ganze Problem einzugehen. Wenn man hier den Anträgen, die vorlagen, ein Begräbnis geben will, sollte man ihnen wenigstens ein solches erster Klasse geben und sagen, daß man diese Anträge der Regierung zur Berücksichtigung oder zur Empfehlung zuweist. Statt dessen wird aber nur gesagt: als Material. Das nächste würde bedeuten, darüber zur Tagesordnung überzugehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird über soviel geredet und für soviel Zwecke Geld zur Verfügung gestellt; zum Beispiel werden wir uns in Kürze noch mit den „armen" Nationalsozialisten zu befassen haben, damit ihnen ja nicht zuviel Leides geschehe. Wir haben uns zu befassen mit Anträgen für alle möglichen Zwecke, aber für die Millionen der Bombengeschädigten und derer, die im Kriege schon ganze Vermögen verloren haben, haben wir weder Zeit zum Reden noch Geld zum Bewilligen. Die Geschichte ist doch so, daß endlich einmal herausgestellt und in der Öffentlichkeit festgestellt werden muß, daß die Kreise, von denen hier gesprochen wird, nicht um Gnade betteln, sondern daß sie einen Rechtsanspruch darauf haben. Wir werden in Kürze mit einer Vorlage kommen, die das klarstellt. Es muß das Recht auf eine Entschädigung anerkannt werden. Das ist keine Gnade, um die hier gebettelt wird. Dann muß man auch endlich einmal berücksichtigen, daß im Soforthilfegesetz ohne jede Rücksichtnahme auf die eigenen Verluste derer. die die Summen dafür aufzubringen haben, mit Rücklicht auf die Notwendigkeit der Aufbringung die Lasten nach ziemlicher Willkür verteilt worden sind. Und - was eben Herr Kollege Dr. Glasmeyer schon erwähnt hat — wir wollten, daß man auf unsern Antrag zurückkommt, daß dem Zustand ein Ende gemacht wird, wonach die Gläubiger des Staates durch ein Steuergesetz in seine Schuldner verwandelt werden.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Der Herr Präsident sagt, daß die Redezeit abgelaufen sei. Ich hoffe, daß wir uns bei anderer Gelegenheit einmal mit diesem Problem eingehender befassen können.
Darauf weise ich nochmals hin: es handelt sich um ein Recht der Beteiligten und nicht um eine Bitte um Gnade oder Geschenke. Darüber kann man nicht mit Mitteln der Geschäftsordnung und der Redezeitbeschränkung hinweggehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, jetzt jeden einzelnen dieser Anträge vorzunehmen und zu begründen, warum der Ausschuß zu seinem Beschluß gekommen ist. Es genügt mir — ich spreche im Namen der Koalitionsparteien —. Ihnen zu sagen, daß wir im Ausschuß uns sehr ernst mit jeder dieser Fragen befaßt haben. Der Herr Kollege, der zuletzt geredet hat, hätte das Gesetz etwas besser studieren müssen und hätte mehr von den Schwierigkeiten wissen müssen, unter denen im Wirtschaftsrat alle Fraktionen gemeinsam zu diesem Gesetz „Ja" gesagt haben.
Jeder, der sich mit diesen Fragen befaßt hat, weiß, wieviel Hirten, wieviel Schwierigkeiten und wieviel soziale Mängel dieses Gesetz aufweist.
Ich bin in der Lage, wenn ich von der nehmenden Seite spreche, Ihnen jetzt in einer ein-, auch in einer zweistündigen Rede hier eine Fülle von Ungerechtigkeiten noch und noch darzustellen. Ich bin in der Lage, Ihnen genau das gleiche zu sagen, wenn ich von der gebenden Seite spreche. Wir wissen um die Härte dieses Gesetzes.
Wir wollen uns aber jetzt nicht aufhalten, mit Palliativmitteln an diesem unvollkommenen Gesetz, das uns weitgehend durch die Politik der Besatzungsmächte aufgezwungen wurde, herumzukurieren, sondern wir wollen unseren Blick nach vorwärts richten, um alles zu tun, daß wir dieses endgültige Lastenausgleichsgesetz so schleunig wie möglich verabschieden. Wir lassen uns dabei von dem Gedanken und von dem Wort leiten: „Nur nicht zu langsam, sie sterben sonst darüber!"
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß es der Entwicklung parlamentarischer Einrichtungen dient, wenn Einzelheiten einer so schwierigen Materie, wie es die Soforthilfe oder der Lastenausgleich ist, hier im Plenum diskutiert werden. Wir können es für den Ausschuß in Anspruch nehmen, daß wir den Anträgen. über die heute hier berichtet worden ist, viele Stunden gewidmet haben
und daß eine Menge an Sachverstand von seiten der Verwaltung und entsprechendes Material aufgeboten worden sind. Kein Zweifel darüber, daß es eine ganze Reihe von Anträgen gibt, in denen Wünsche geäußert werden, denen niemand die Berechtigung abstreitet. Wir wissen, daß dieses Gesetz — um es zuerst zu sagen — nicht nur nach der Seite der Anspruchsberechtigten, sondern auch nach der Seite der Zahlungsverpflichteten außerordentlich viele Härten hat. Aber das Problem, wie man diesen in gewissem Umfange sehr berechigten Wünschen Rechnung tragen sollte, war einfach nicht zu lösen. ohne nicht zugleich auch der anderen Seite mitteilen zu müssen, daß die ohnehin viel zu geringen Leistungen dementsprechend noch verringert werden müßten. Auch die Herren Antragsteller waren nicht bereit, die Verantwortung dafür auf sich zu nehmen.
Natürlich war keiner bereit, zu sagen: ja, wir sind dafür, daß die einen weniger zu zahlen brauchen, und sind gern damit einverstanden, daß deshalb die anderen weniger bekommen. Wir sind, wie gesagt, im Ausschuß mit diesem Problem nicht fertiggeworden und konnten damit nicht fertigwerden, obwohl wir uns gerade in dieser Frage mit aller gebotenen Nüchternheit und Härte auseinandergesetzt haben. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig — wenn wir hier nicht Reden halten wollen —, als endlich an die Ausarbeitung des endgültigen Lastenausgleichs heranzugehen, der dann von Dauer sein soll und der die Fehler, Mängel, Schwächen und Härten vermeiden kann, die diese Soforthilfegesetzgebung notwendigerweise einmal in Kauf nehmen mußte.
Meine Freunde können für sich in Anspruch nehmen, daß sie bereits im Frankfurter Wirtschaftsrat zu einer endgültigen Regelung gekommen sind. Ich will hier nicht an die alten Wunden rühren; wir wissen ja, woran das damals gescheitert ist. Wie ernst es uns damit ist, diese Frage endgültig und umfassend zu regeln, können Sie aus den Anträgen meiner Fraktion, die hier, glaube ich, in der nächsten Woche behandelt werden, ersehen. Ich verzichte deswegen darauf, zu den einzelnen Fragen und zu den berechtigten Wünschen Stellung zu nehmen. Ich möchte hier nur noch einmal der Ordnung halber feststellen, daß auch wir uns natürlich berechtigten Wünschen nicht verschließen. Ich glaube aber, wie gesagt, nicht, daß es dazu beiträgt, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf dieses Haus zu konzentrieren und Interesse für die Arbeiten dieses Hauses zu erwecken, und daß es dazu dient, die parlamentarischen Einrichtungen zu fördern, wenn wir uns hier so unterhalten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse über die Drucksache Nr. 627 abstimmen, die geschäftsordnungsmäßig den Vorrang vor den Anträgen der Fraktionen hat. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann .
Berichterstatter ist der Herr Abgeordneter Dr. von
Merkatz. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität haben zwei Anträge vorgelegen, der Antrag der Fraktion der Kommunistischen Partei, Drucksache Nr. 689, und der Antrag der Sozialdemokratischen Partei, auf gesonderter Drucksache. Der Antrag der Fraktion der Kommunistischen Partei verlangt einen Beschluß des Bundestages, der einen Protest gegen die Verhaftung des Abgeordneten Lehmann im Gebäude des Niedersächsischen Landtags zum Inhalt hat und die sofortige Freilassung fordert. Die Bundesregierung soll beauftragt werden, der Hohen Kommission bekanntzugeben, daß der Bundestag diese Beschlüsse gefaßt hat. Die Absätze 2 und 3 des Antrags auf Drucksache Nr. 689 befassen sich im wesentlichen mit einer rechtlichen Motivierung des in Absatz 1 dargelegten Wunsches.
Der Antrag der Sozialdemokratischen Partei ist als Zusatzantrag bezeichnet. Er wünscht, dem Absatz 3 des Antrags auf Drucksache Nr. 689 den Vorfall der Verhaftung des Berliner Abgeordneten Werner Rüdiger hinzuzufügen. Rüdiger ist am 25. Februar 1949 von der Polizei des Ostsektors verhaftet worden. Er war am 20. Oktober 1946 als einer der sozialdemokratischen Spitzenkandidaten im Ostsektor gewählt worden. Nach Berichten, die der sozialdemokratischen Fraktion zugegangen sind, ist der Stadtverordnete Rüdiger wegen des angeblichen Besitzes der Berliner lizenzierten Zeitung „Telegraf" zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Der Wunsch, den dieser Zusatzantrag zum Ausdruck bringt, deckt sich mit dem Wunsch der Fraktion der Kommunistischen Partei.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ist in eine sehr sorgfältige Prüfung beider Anträge eingetreten. Er hat zunächst ihre Zulässigkeit und sodann die Zuständigkeit des Bundestags geprüft. Der Ausschuß ist übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, daß beide Anträge zulässig sind und daß auch die Zuständigkeit des Bundestags gegeben ist. Der Bundestag ist nach Auffassung des Ausschusses Repräsentant der inneren Bundesgewalt, während die äußere Bundesgewalt
durch den Bundespräsidenten repräsentiert wird. In dem Bundestag wurzeln die Regierung und die rechtsprechende Gewalt. Als Träger dieser inneren Bundesgewalt ist der Bundestag zur Wahrung des verfassungsmäßigen Zustandes im Geltungsgebiet des Grundgesetzes und damit auch in den Ländern zuständig. Das ergibt sich aus Artikel 28 des Grundgesetzes.
Hinsichtlich der Stadt Berlin hat der Ausschuß folgende Rechtsansicht vertreten. Berlin ist Stadt und Land zugleich. Gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes gilt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auch für Berlin. Die von den Alliierten bei Anerkennung des Grundgesetzes erlassenen Einschränkungen berühren nicht den hier zur Entscheidung stehenden Rechtsfall, bei dem es sich um die Wahrung und Gewährleistung des Rechts der Immunität handelt.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ist zu dem Ergebnis gekommen, daß beide Anträge, sowohl derjenige auf Drucksache Nr. 689 als auch derjenige auf gesonderter Drucksache, nicht in allen Stücken so redigiert sind, daß der Ausschuß darin einen Ausdruck seiner Rechtsauffassung finden konnte. Er ist daher zu dem Ergebnis gekommen, beide Anträge miteinander zu verbinden und in einem Vorschlag zu vereinigen, den ich nachher Ihnen zu unterbreiten die Ehre habe. Der Wunsch, der in beiden Drucksachen zum Ausdruck gebracht worden ist, nämlich die Erhebung eines Protestes und das Verlangen der sofortigen Freilassung der unter Bruch des Immunitätsrechts verhafteten Abgeordneten, ist der gleiche. Dennoch unterscheiden sich die Tatbestände in tatsächlicher Hinsicht. Der Abgeordnete Robert Lehmann ist im Gebäude des Niedersächsischen Landtags verhaftet worden. Der Stadtverordnete Rüdiger ist im Ostsektor der Stadt Berlin, die nach Ansicht des Ausschusses ein einheitliches Land ist, durch Polizei verhaftet worden. Obwohl die tatsächlichen Unterschiede des Falles gegeben sind, wird das Recht auf Immunität in beiden Fällen verletzt.
Der Ausschuß hat sich unter anderem bei der Würdigung des Rechtsfalles mit der Entschließung befaßt, die zur gleichen Zeit bei der Besprechung sämtlicher Landtagspräsidenten in München gefaßt worden ist. Dieses Gremium hatte unter anderem das vom Präsidenten des Niedersächsischen Landtags am 5. Januar 1950 dem United Kingdom High Commissioner General Robertson zugeleitete Schreiben betreffend Immunitätsprivileg des Niedersächsischen Landtags zur Beratungsgrundlage. Die Landtagspräsidenten hielten in Übereinstimmung mit der Auffassung der von ihnen vertretenen Landtage die Achtung des von den Besatzungsmächten mit der Billigung der Verfassung anerkannten Immunitätsrechts der frei gewählten Volksvertretung für unerläßlich. Die Landtagspräsidenten haben nunmehr den Inhalt und den Umfang dieser Immunitätsrechte in folgender Weise definiert, eine Definition, der sich der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität des Bundestages angeschlossen hat: Hierzu gehört das Recht des Parlaments, über die Verfolgbarkeit seiner Mitglieder zu entscheiden, die Anerkennung des Hausrechts und der Polizeigewalt des Präsidenten und die absolute Unverletzlichkeit des Parlamentshauses.
Die Umredaktion der beiden Anträge mußte auch noch aus folgendem Grunde erfolgen. Die Fraktion der Kommunistischen Partei hatte in ihrem Antrag ausgeführt, daß die Verhaftung des Abgeordneten Lehmann im Gebäude des Niedersächsischen Landtags unter Beihilfe von deutscher Polizei
und unter Gewaltanwendung vorgenommen worden sei.
Der Ausschuß hat beim Büro des Niedersächsischen Landtags eine Erhebung angestellt, um festzustellen, ob diese Angaben stimmen. Nach Auskunft des niedersächsischen Landtagsbüros ist deutsche Polizei bei der Verhaftung des Abgeordneten Lehmann nicht beteiligt gewesen.
Wegen dieser tatsächlichen Feststellung mußte davon abgesehen werden, den Text des vorgelegten Antrags zum Gegenstand des Beschlusses vorzuschlagen.
In rechtlicher Hinsicht hat der Ausschuß unterschieden einmal das Recht auf Immunität des Hauses, das heißt die Unantastbarkeit und Unverletzlichkeit des Parlamentsgebäudes, zum andern das Recht der Immunität, das, wie es der kontinuierlichen Auffassung des Ausschusses entspricht, ein Recht des Parlaments ist. Beide Rechte sind im Falle des Abgeordneten Lehmann verletzt worden. Im Falle des Abgeordneten Rüdiger ist die Funktionsfähigkeit des Berliner Parlaments verletzt worden.
Der Ausschuß ist dabei in Fortentwicklung seiner Rechtsansicht zu der Feststellung gekommen, daß es sich bei dem Recht der Immunität nicht um ein Privileg handele, sondern um die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Körperschaften. Aus dieser Rechtsanschauung ergibt sich unter anderem auch die Pflicht der parlamentarischen Körnerschaft, über dieses Recht zu wachen und Angriffe, die gegen dieses Recht des Hauses in der Person eines Abgeordneten oder in Verletzung der Räumlichkeiten vorgenommen werden, abzuwehren. In diesem Recht und in dieser Verpflichtung ist der Ausschuß der Ansicht, daß der Bundestag hier die notwendige Unterstützung zu gewähren hat, die angesichts der Schwere dieser beiden Fälle gewährt werden muß. Diese Unterstützung kann in wirksamer Weise nur dadurch erzielt werden, daß der Bundestag zu einem Beschluß kommt, da der Verkehr mit der Hohen Kommission, unter deren Entscheidung und zu deren Würdigung dieser Fall gehört, über die Bundesregierung geht. die in diesem Fall als beauftragtes Organ den Protest des Bundestags und den Antrag auf Freilassung weiterzuleiten hat.
Hinsichtlich der rechtlichen Lage, inwieweit die Immunität gegenüber den Besatzungsrechten geltend gemacht werden kann und geltend gemacht werden muß und inwieweit die Besatzungsmächte von diesem Recht der Immunität sowohl des Hauses als auch des Abgeordneten Notiz zu nehmen haben, ist der Ausschuß in Übereinstimmung mit den in München versammelten Landtagspräsidenten zu folgendem Ergebnis gekommen. Die Besatzungsmächte haben das Grundgesetz und die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern anerkannt. Im Besatzungsstatut haben sie sich das Recht vorbehalten und damit auch die Pflicht übernommen, für die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund und in den Ländern einzutreten. In diesem Sinne haben sie sich selbst eine Beschränkung auferlegt und sich verpflichtet, diese Selbstbeschränkung zu achten.
A) Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat die Gesamtheit der Diskussion und der von ihm gewürdigten Gesichtspunkte in der Drucksache Nr. 700 formuliert, die Ihnen hiermit zur Annahme vorgelegt wird. Da ich Wert darauf lege, daß dieser Antrag in das stenographische Protokoll kommt, bitte ich den Herrn Präsidenten um Genehmigung, den Antrag verlesen zu dürfen.
Ich bitte darum.
Antrag des Ausschusses: Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, der Hohen Kommission bekanntzugeben, daß der Bundestag gegen die am 8. März 1950 im Landtagsgebäude von Hannover erfolgte Verhaftung des Abgeordneten des niedersächsischen Landtages Robert Lehmann und gegen die Verhaftung des Berliner Abgeordneten Werner Rüdiger, die am 25. Februar 1949 durch die Polizei des Ostsektors erfolgte, protestiert und die sofortige Freilassung der verhafteten Abgeordneten verlangt. Der Bundestag erblickt in diesen Verhaftungen eine Verletzung der demokratischen Freiheitsrechte und einen Bruch der von den Besatzungsmächten anerkannten verfassungsmäßigen Ordnung, das heißt, der Rechte und Pflichten der parlamentarischen Körperschaften und ihrer Mitglieder, dem Auftrag der Wähler innerhalb und außerhalb des Parlaments nachzukommen und denselben ihrem politischen Standpunkt gemäß im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze und sittlichen Verpflichtungen zu vertreten.
Die Bundesregierung wird ersucht, bei der
Hohen Kommission vorstellig zu werden, daß das Recht der Immunität, und zwar sowohl hinsichtlich der Abgeordneten als auch im Hinblick auf die Unantastbarkeit der parlamentarischen Gebäude, von den Behörden der Besatzungsmächte genau so beachtet wird, wie es verfassungsmäßige Pflicht der deutschen Behörden ist.
Damit sind der Antrag der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 689 und der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 707 als erledigt anzusehen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Ich empfehle, die Dauer der Aussprache zu beschränken.
— Es liegt schon eine Wortmeldung vor. Wird seitens der übrigen Fraktionen verzichtet, so können wir, da nur die Wortmeldung des Abgeordneten Fisch von der KPD vorliegt, ohne besondere Beschränkung der Redezeit auskommen.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Fisch das Wort.
Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit des Abgeordneten Robert Lehmann, um die es in unserem Antrage geht, ist allen Mitgliedern des Hauses seit Monaten bekannt.
Man muß sich fragen, aus welchem Grunde wohl im letzten Moment, unmittelbar vor der Stellungnahme des Hauses zu unserem Antrag, ein Zusatzantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei eingebracht wird, der mit dem Falle Lehmann absolut nicht das Geringste zu tun hat.
Jeder Mensch weiß, daß er in diesem Kampf auf dem Boden des Rechts stand und steht und daß er darum auch Anspruch darauf erheben kann, von den gewählten Vertretern der Bevölkerung in Westdeutschland verteidigt zu werden.
Es ist außerdem jedem Mitglied des Hauses klar, daß der Abgeordnete Lehmann unter Mißachtung der ihm zustehenden Immunitätsrechte nicht irgendwo, sondern aus dem Gebäude des Niedersächsischen Landtags heraus verhaftet worden ist.
Es ist allen Stellen, die sich mit dieser Angelegenheit seither befaßt haben, ohne Zweifel klar, daß es sich hier um ein willkürliches, brutales Vorgehen der britischen Militärbehörden handelt,
wogegen jeder mit aller Entschiedenheit Stellung zu nehmen hat, der die Ehre, das Recht und die Pflichten eines deutschen gewählten Abgeordneten gewahrt wissen möchte.
Meine Damen und Herren! Alle Stellen, die sich bisher mit dieser Angelegenheit befaßt haben — ob es nun der Niedersächsische Landtag ist oder ob es die Journalistenverbände sind, oder, wie nun gerade gestern, die Konferenz der Landtagspräsidenten Westdeutschlands —, alle diese Organe haben einstimmig den Standpunkt vertreten, daß es erforderlich ist, gegenüber den britischen Militärbehörden und gegenüber allen jenen, die etwa dieses Vorgehen nachzuahmen gedenken, klar zu betonen, daß dies ein ungerechtfertigtes, ein widerrechtliches Vorgehen ist, gegen das mit allen Mitteln protestiert werden muß. Ich wollte mit diesen Ausführungen noch einmal sagen, daß der Fall Lehmann für jeden hier im Haus über jeden Zweifel erhaben ist.
Nicht dasselbe kann man über den Fall Rüdiger sagen.
Über den Fall Rüdiger hat uns der Abgeordnete Neumann gestern zum ersten Male einige Mitteilungen gemacht. Wir können von gestern bis heute nicht prüfen, ob die Angaben des Herrn Abgeordneten Neumann in allem zutreffend sind. Wir kennen einiges aus der Argumentationsweise des Herrn Neumann, beispielsweise seine Prozeduren mit den
zwei 50-Mark-Scheinen, die er uns bei seinem letzten Auftreten hier zum besten gegeben hat, zu gut, um von vornherein jedem seiner Worte blind Glauben schenken
und jedes seiner Worte als die Wiedergabe des objektiven Tatbestandes anerkennen zu können.
Die Verhaftung des Stadtverordneten von West-Berlin Rüdiger erfolgte nach der Mitteilung des Berichterstatters von heute im Ostsektor von Berlin, also in einem Gebiet, für das diejenige parlamentarische Körperschaft, der Herr Rüdiger angehört, nicht einmal mehr kompetent ist. Aber das möchte ich nicht einmal als entscheidend betrachten. Die Verhaftung erfolgte am 25. Februar 1949, also vor insgesamt 13 Monaten. Ich frage Sie, Herr Kollege Neumann: Hielten Sie den Fall Rüdiger bisher für unwichtig, so daß Sie in diesem Hause bisher darüber schwiegen
und gerade jetzt erst, als der Fall Lehmann auf die Tagesordnung gesetzt wird, hier auf die Bühne treten und sagen, man müßte sich um Rüdiger bekümmern?
Sprechen Sie zweierlei Sprachen? Tragen Sie zweierlei Seelen in Ihrer Brust?
Oder welche anderen Motive hat Ihr agitatorisches Auftreten von dieser Stelle aus?
Meine Fraktion und ich haben den Eindruck,
als ob Ihr Auftreten, Herr Kollege Neumann, hier den Sinn hat, eine einheitliche Manifestation für den Abgeordneten Lehmann, weil er Kommunist ist
und weil es gegen die britischen Behörden geht, abzuschwächen.
Ich habe den Eindruck, daß Ihr Vorgehen von der Überlegung motiviert ist, die englischen Militärbehörden in Schutz zu nehmen und die Bedeutung der Vorgänge in Salzgitter zu verwischen,
und zwar vor diesem Hause und vor der ganzen deutschen und vor der Weltöffentlichkeit.
Meine Damen und Herren! Für die Angelegenheit Lehmann ist dieses Haus zuständig, weil es sich bei Lehmann um einen Menschen handelt, der, im Bundesgebiet wohnhaft, im Bundesgebiet ein Abgeordnetenmandat ausübt. Im Falle Rüdiger sind die Tatbestände zumindest umstritten.
Ich habe Ihnen, Herr Kollege Neumann, vor vier Monaten auf einen Zwischenruf, den Sie mir damals machten, geantwortet: Ich bin jederzeit bereit, mit Ihnen gemeinsam zu prüfen, welche wirklichen Sozialisten sich in den damals noch bestehenden Internierungslagern befinden. Sie sind auf diesen Vorschlag nicht eingegangen, obwohl seitdem vier Monate vergangen sind.
Trotzdem erkläre ich Ihnen heute: Wir sind durchaus bereit, Material, das Sie zum Fall Rüdiger vorlegen werden — Sie haben es bis jetzt noch nicht getan, und Ihre Hintertreppengeschichten können für uns nicht als Tatsachenmaterial gelten - —
Herr Abgeordneter Fisch, der Ausdruck „Hintertreppengeschichten" ist nicht am Platze.
Nun gut, ich möchte sie also nicht weiter qualifizieren.
Ich möchte nur sagen: Erzählungen von der Art, wie wir sie von Ihnen gewöhnt sind, können wir nicht automatisch als Tatsachenmaterial akzeptieren. Wir sind aber bereit, eine Prüfung von wirklichem Tatsachenmaterial vorzunehmen.
Darum fordere ich Sie, Herr Kollege Neumann, auf, dem Bundestag Ihre Dokumente, Ihre wirklichen Tatsachenunterlagen zur Verfügung zu stellen, und unsere Fraktion wird ebenso wie alle anderen Fraktionen dieses Hauses bereit sein, dieses Material zu prüfen. Ehe wir uns durch das Studium dieser Unterlagen ein genaues Urteil bilden können, sind wir nicht in der Lage, eine Gleichsetzung des Falles Lehmann und des Falles Rüdiger anzuerkennen.
— Im Gegenteil, wir betrachten eine aus solchen zumindest zweifelhaften Motiven herbeigeführte Gleichstellung als den Versuch, den Fall Lehmann abzuschwächen und einem einheitlichen Votum dieses Hauses für den Abgeordneten Lehmann entgegenzutreten, ja es unmöglich zu machen.
Aus diesem Grunde ist meine Fraktion nicht in der Lage, dem Antrag Nr. 700 zuzustimmen.
Sie stellt vielmehr den Antrag, eine Abstimmung über den ursprünglich von meiner Fraktion eingereichten Antrag auf Drucksache Nr. 689 herbeizuführen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neumann.
Meine Damen und Herren!
Man kann wirklich mit dem Vorredner sagen,
daß zwei Seelen in seiner Brust wohnen. Das ist
wirklich eine Tatsache, die nicht zu bestreiten ist.
Wir haben bisher wirklich von keiner Fraktion
gehört, daß sie gegen den Antrag der Kommunistischen Partei, so wie er jetzt mit dem Antrag
des Geschäftsordnungsausschusses vorliegt, stimmen wollte. Wir hören zum ersten Male aus den
Reden des Herrn Abgeordneten Fisch, daß tatsächlich zwei Seelen in seiner Brust sind, daß er
zwar wegen der Verhaftung des Abgeordneten
Lehmann in Hannover sehr starke Worte gebraucht, daß er aber das gleiche wegen der Ver-
haftung des Abgeordneten Rüdiger in West-Berlin nicht tun will.
— Sehen Sie, das zeugt eben von der „Rechtssicherheit" in der Ostzone und im Ostsektor Berlins, daß man nach 14 Monaten noch nicht einmal die Gründe weiß.
Meine Herren, lassen Sie doch diese Zwischenrufe; es ist doch sinnlos!
Ich bin gar nicht nervös, und ich wüßte auch keine Ursache dafür. Die schwachen Zwischenrufe des Herrn Rische machen mich nicht nervös.
Ich habe dem Herrn Kollegen Renner heute schon einmal gesagt, daß der Vorsteher der Berliner Stadtverordnetenversammlung jede Sitzung mit der Feststellung eröffnet, daß der Abgeordnete Rüdiger immer noch in Haft ist und infolgedessen nicht an den Sitzungen teilnehmen kann. Es ist das Typische — das ist der Unterschied zwischen der Theorie und der Praxis, die Sie hier entwickeln wollen —, daß der Angeklagte Lehmann seit 2 oder 3 Tagen inhaftiert ist und daß man doch täglich von ihm hört. Es ist die kommunistische Praxis, daß der Abgeordnete Rüdiger jetzt schon über 13 Monate. weg ist und, Herr Kollege Rische, daß bis zum heutigen Tage die Ehefrau nicht einmal eine Postkarte von ihm erhalten hat, daß sie nicht weiß, was er verbrochen hat,
daß keine Verbindung mit einem Rechtsanwalt zugelassen ist und daß bis zum heutigen Tage kein
ordentliches Verfahren aufgenommen worden ist.
Sie reden von Kolonialmethoden, und Sie führen doch hier Methoden durch, wie sie in einer zivilisierten Welt nicht mehr möglich sein sollten.
Das kennzeichnet Ihre Methoden und das kennzeichnet Ihr System jenseits der Elbe.
Sie haben davon gesprochen, daß der Abgeordnete Lehmann, so wie es noch niemals passiert sei, aus dem Hause verschleppt worden sei, und daß das ein Zeichen der Willkür der Militärregierung sei und sonst nirgends mehr vorkomme und daß ich nun den Zusatzantrag stellte, um eine einheitliche Stellungnahme des Hauses gegen diese Methoden unwirksam machen zu können.
- Bitte, ich habe niemanden gehört, der nicht bereit gewesen ist, gegen diese Verhaftung zu protestieren. Aber für uns ist die Frage des Rechts unteilbar.
Für uns gibt es da keinen Unterschied. Bei uns
ist der Protest immer da, wenn es gilt, gegen die
Vergewaltigung des Rechts die Stimme zu erheben. Ich möchte Ihnen eines sagen. Ich habe Ihnen schon einmal einige Namen genannt.
— Herr Kollege Renner, ich habe hier in diesem Hause schon von der Verhaftung des Kommandeurs der Berliner Schutzpolizei Polizeimajor Karl Heinrich gesprochen. Da Sie so leicht vergeßlich sind, möchte ich es wiederholen. Der Polizeimajor Karl Heinrich ist während der Jahre 1933 bis 1945 acht Jahre im Moor und im Zuchthaus gewesen. Er ist von den Russen zum Kommandeur der Berliner Schutzpolizei ernannt worden. Am 2. August 1945 ist er in das Dienstzimmer des Polizeipräsidenten Markgraf geholt worden. Markgraf ist mit dem russischen Major Arthur Pieck im Flugzeug aus Moskau nach Berlin gekommen — er ist in Stalingrad noch wegen besonderer Leistungen mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet worden — und ist dann von den Russen zum Polizeipräsidenten von Berlin gemacht worden. Am 2. August 1945 ist der Polizeimajor Karl Heinrich, der Sozialdemokrat war, aus dem Zimmer des Polizeipräsidenten Markgraf verschwunden, und heute noch, nach 43/4 Jahren, wartet Frau Heinrich auf ein einziges Lebenszeichen ihres Mannes.
Auch in diesem Fall, Herr Kollege Rische, wissen wir bis heute nicht, was man ihm vorwirft.
— So, Sie wissen das. Es ist ja großartig! Durch Ihren weisen Zwischenruf haben Sie wenigstens zugegeben, daß Heinrich in Haft ist. Herr Kollege Renner, das war wohl eine Panne, nicht wahr!
Ich möchte Ihnen noch einen Namen nennen. Wenn Sie in Buchenwald waren, kennen Sie auch den Sozialdemokraten Paul Volkmann, der nach 1945 sofort wieder leitender Funktionär in Berlin wurde. Im Auftrag des Zentralausschusses ist er dann in die Provinz Brandenburg gegangen, um Sonntag für Sonntag draußen zu reden. Seit Oktober 1945 ist der Arbeitsamtsdirektor Paul Volkmann aus Wilmersdorf - ich sagen Ihnen die Personalien gleich so genau, damit Sie sie wissen — von russischer Militärpolizei verhaftet worden, weil er nach Meinung deutscher Kommunisten in der Frage der Bodenreform eine von der der Kommunisten abweichende Meinung vertreten hat.
Bis zum heutigen Tag wartet seine Ehefrau genau so wie die Frau Heinrich vergeblich auf eine Nachricht. Ich kann Ihnen sagen, daß der Arbeitsamtsdirektor Paul Volkmann noch im Januar in Buchenwald war. Er gehört nicht zu den Entlassenen. Es ist ihm bis zum heutigen Tag kein Prozeß gemacht worden. Er gehört zu den namenlosen Zehntausenden, die unter den gleichen Verhältnissen wie im faschistischen System ins KZ geschleppt wurden. Ein Unterschied zwischen den Zuständen von 1933 bis 1945 und den jetzigen: Herr Kollege Müller, Sie werden wissen, daß Sie aus Sachsenhausen schreiben durften, daß Sie von Zeit zu Zeit Verbindung mit Ihren Angehörigen aufnehmen konnten. Diese Möglichkeit ist unter dem „fortschrittlichen" östlichen System nicht mehr gegeben.
Dort werden eben Methoden angewandt, wie sie schon im Mittelalter als verwerflich galten. Das ist der Unterschied zwischen dem, was Sie reden, und dem, was Sie tun.
Herr Kollege Renner, ich habe Ihnen also die Namen genannt: Karl Heinrich, Berlin-Spandau, Paul Volkmann, Berlin-Wilmersdorf, und Werner Rüdiger, Berlin NO, Lychener Str. 7. Vielleicht sind Sie so freundlich, die Dinge einmal zu prüfen und festzustellen, was an diesen Angaben, die ich hier mache, nicht ganz glaubwürdig sein soll.
- Ich bin gerne bereit, Ihnen bei der Aufzählung dieser Fälle behilflich zu sein und weitere Namen zu nennen. Sie wissen, daß wir erst unlängst ein Graubuch herausgegeben haben. Aber ich will Ihnen die Sache beim ZK nicht so schwer machen. Beschaffen Sie uns Material über die drei Leute, deren Namen ich genannt habe, dann sind wir sehr dankbar.
— Wissen Sie, von Agententätigkeit verstehen Sie mehr!
Wir sind eine unabhängige Partei.
- Schreien Sie nicht so, Herr Renner!
— Schreien Sie nicht so! Das macht auf uns keinen Eindruck.
Der Herr Kollege Renner hat heute morgen im Ausschuß sehr interessante Dinge erzählt. Er hat erklärt, daß das, was wir durch den Zusatzantrag getan haben, einen politische Nötigung ist.
— Na, hören Sie, wenn Sie ehrlich von dem Willen zur Freiheit erfüllt sind, — —
- Wenn Sie das eine Erpressung nennen, muß ich Ihnen sagen: ich freue mich, Sie erpressen zu können.
Wir wollen vor dem ganzen Volk den Unterschied zwischen Ihrer Theorie und Ihrer Praxis darlegen. Wir wollen zeigen, daß Sie große Worte gebrauchen, wenn es gilt, für irgendeinen Kommunisten etwas herauszuholen, daß Sie aber sofort versagen, wenn man die Freiheit für einen anderen verlangt. Wissen Sie, Rosa Luxemburg sagte einmal: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.
Das sollten Sie sich einmal überlegen.
Der Herr Kollege Renner hat heute morgen im Ausschuß noch gesagt, daß die Art der Behandlung des Antrages so, wie ich sie gestern vorgetragen habe, ein Angriff gegen die Sowjetunion gewesen sei.
Ich muß mich sehr wundern. Meine gestrige
Rede bezog sich auf deutsche Stellen. Herr Kollege Renner, darf ich Ihnen die Sätze nennen,
wo ich überhaupt die russischen Stellen genannt
habe? Das war folgender Satz: Sehen Sie, was
nutzt es, wenn Sie hier im Lande herumfahren,
wenn Herr Reimann schöne Worte findet, wie sie
folgendermaßen in der „Täglichen Rundschau",
Ihrem russischen Regierungsorgan in Berlin - —
da habe ich den Namen Rußlands gebraucht, und
da kam der Zwischenruf des Herrn Kollegen
Rische laut Protokoll: Ihr Leib- und Magenblatt!
Ich habe noch nie gewußt, daß man die „Tägliche Rundschau", die das Format des „Völkischen
Beobachters" hat, für leibliche Zwecke gebrauchen
sollte! Diese Beleidigung blieb Ihnen überlassen.
Ich möchte Ihnen weiterhin sagen, ich habe noch in einem anderen Zusammenhang den Namen Rußlands gebraucht, und zwar: Werner Rüdiger ist nach Aussage entlassener Häftlinge nach Rußland abtransportiert worden! Jawohl, diese Meldung haben wir.
Ihr Kollege Fisch hat hier von der Tribüne des Hauses, und Sie selbst haben heute morgen im Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß erklärt, daß Sie die Dinge prüfen wollen, wenn wir Ihnen die Namen nennen. Wir haben das getan. Ich darf Ihnen sagen, wir Sozialdemokraten — und ich möchte wiederholen, was ich gestern gesagt habe —
und alle anständigen demokratischen Kräfte werden keinen Unterschied machen, wenn es gilt, für die rechtliche Gleichstellung irgendeines Abgeordneten zu kämpfen, wenn es gilt, irgendein Unrecht, das einem Abgeordneten angetan wird, zu beseitigen.
Da fragen wir nicht nach der Partei, sondern wir sind einmütig der Auffassung, daß hier nach rechtlichen Prinzipien vorgegangen werden soll.
Ich habe Ihnen das gestern gesagt, und ich wiederhole es heute.
Wir stimmen für den Antrag so, wie ihn der Geschäftsordnungsausschuß gefaßt hat, in dem die Grundgedanken beider Antragsteller zusammengefaßt sind. Für uns kommt es nicht darauf an, für irgendeinen die Freiheit zu besorgen. Wir wollen die Freiheit aller Aufrechten, wir wollen die Freiheit derer, die in der Ostzone heute in den Kerkern schmachten müssen. Jawohl, darüber hinaus: wir wollen die Freiheit für die 18 Millionen in der Ostzone. Sie sollen die gleichen demokratischen Rechte haben, wie sie im Gebiet der Bundesrepublik gelten.
Sie sollen endlich aus der Zwangslage herauskommen, die sie nun seit 1933 bis auf den heutigen Tag erdulden müssen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
— Der Abgeordnete Mellies zur Abstimmung!
Meine Damen und Herren! Die vom Bundestag zu fassende Entschließung soll der Hohen Kommission zugeleitet werden. Wir alle wünschen, daß angesichts der besonderen Bedeutung, die die Angelegenheit hat, diese Entschließung einen Erfolg hat. Sie kann dann aber meines Erachtens auf keinen Fall von diesem dünnbesetzen Hause gefaßt werden.
Ich bin der Auffassung, daß wir die Abstimmung über diese Entschließung bis zur nächsten Sitzung verschieben sollten. Ich bezweifle deshalb die Beschlußfähigkeit des Hauses.
— Das Haus ist nach der Überzeugung des Präsidiums nicht beschlußfähig.
Nach § 10 der Geschäftsordnung ist bei Beschlußunfähigkeit die Sitzung sofort aufzuheben, und Zeit und Tagesordnung der nächsten Sitzung sind zu verkünden.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf Mittwoch, den 22. März, 10 Uhr — nicht 14 Uhr 30 - ein. Ich bitte, den Herrn Präsidenten zu ermächtigen, die Tagesordnung festzusetzen. — Kein Widerspruch.
Nur noch eine kurze Bekanntgabe: Die Einzelpläne für die Haushaltsdrucksache können nur in einem Rotaprint-Verfahren hergestellt werden Es ist nur eine beschränkte Anzahl — gegenüber den üblichen Drucksachen-Auflagen — hergestellt worden. Die Haushaltspläne können daher nicht gesondert an die Mitglieder des Bundestages versandt werden. Die Mitglieder werden gebeten, die Haushaltspläne aus den Fächern zu nehmen.
Die Sitzung ist geschlossen.