Meine Damen und Herren! Meine Freunde haben im Ausschuß bezüglich der Drucksache Nr. 626 schon erklärt, daß der Tatbestand, auf den sich seinerzeit unser Antrag
richtete, auch durch den Erlaß der Rechtsverordnung nicht ohne weiteres aus der Welt geschafft ist und daß es sich bis heute nur um eine erste Maßnahme gehandelt hat, soweit Flüchtlinge überhaupt schon ausgetauscht worden sind. Dieser ersten Maßnahme werden weitere Maßnahmen folgen müssen, und wir behalten uns vor, auf diese Angelegenheit zurückzukommen.
Was die vom Herrn Berichterstatter behandelten Anträge Drucksachen Nr. 624 und 625 — die beiden Ausschußanträge — angeht, so haben meine Freunde ihnen im Ausschuß zugestimmt, und wir werden ihnen auch hier in der Vollversammlung zustimmen. Ich kann leicht darauf verzichten, diese selbstverständliche Haltung noch näher zu begründen und irgendwie zu illustrieren. Ich kann mich auf einige Bemerkungen beschränken, für die ich meine Redezeit sicherlich nicht ausschöpfen werde.
Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Gerstenmaier bezüglich des Verhältnisses der Vertriebenen zur Eigentumsfrage haben, glaube ich, ein sehr wichtiges Kapitel angeschnitten, und ich stimme ihm darin zu, daß wir alle miteinander alle Veranlassung haben, dieser Sache
unsere ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist ganz ohne Zweifel ein wenig zuviel auf die Geduld der Flüchtlinge spekuliert worden, und wir können uns meiner Meinung nach nur gratulieren, daß es bisher auch noch gut gegangen ist. Ich weiß, daß es radikale — oder was man so radikal nennt — Auffassungen gibt, auf die der Begriff Eigentum wie ein rotes Tuch wirkt und die dann immer gleich glauben, irgendwelche Prinzipien — meistens noch dazu falsch verstandene Prinzipien — verteidigen zu müssen. Ganz ohne Zweifel ist doch jeder, der den Kollektivismus ablehnt, der Meinung, daß es eine Sorte von Eigentum gibt, über die jeder verfügen muß, wenn das Leben für ihn Wert haben soll, ein Leben der Freiheit und der Menschenwürde. Dieses Minimum an Eigentum, das dazu dient, die Existenz zu sichern, muß auch den Flüchtlingen wiedergegeben werden. Das ist geradezu der Ausgangspunkt für unsere Forderungen nach einem wirkungsvollen Lastenausgleich gewesen. Denn es ist uns immer ganz klar gewesen: wenn wir alle diese Menschen, die früher einmal Eigentum besessen haben, Eigentum, das sie in ihrer Mehrzahl erarbeitet haben und das in der Mehrzahl der Fälle Arbeitseigentum und nicht etwa Ausbeutungseigentum war, Eigentum, das dazu diente, die Arbeitskraft des Besitzers von Ausbeutung unabhängig zu machen und nicht dazu, andere arbeiten zu lassen, -
wenn wir alle diese Menschen, die einmal Eigentum in dieser Form besessen haben, jetzt in der Situation lassen, daß das für sie nicht mehr in Frage kommt, dann treiben wir sie geradezu in die Arme derjenigen, die eben die andere Form des Lebens, die Form des Vegetierens vorziehen. Wir machen sie zwangsläufig zu Anhängern des Kollektivismus und schwächen die Front derjenigen, die bereit sind, das, was wir unter abendländischer Kultur und unter lebenswichtigen und lebenswerten Gütern verstehen, zu verteidigen.
Flüchtlingsbetriebe — in diesem Sinne verstanden — einzurichten, ist zweifellos unbedingt notwendig, und hier ist sicherlich längst nicht alles geschehen, was hätte geschehen können. Dabei sollte man sich allerdings vor der bequemen
Illusion hüten, daß ein Flüchtlingsbetrieb — ein förderungswürdiger Flüchtlingsbetrieb — schon ein solcher Betrieb ist, der einem Flüchtling gehört, der es mit Hilfe guter Beziehungen oder aus einer manchmal recht zweifelhaften Geschäftstüchtigkeit verstanden hat, sich etwas sagen wir einmal: unter den Nagel zu reißen. Ich weiß eine Menge von Beispielen — ich bedauere, daß es solche Beispiele gibt —, die beweisen, daß es auch unter Flüchtlingen die eigentlich als selbstverständlich zu erwartende Solidarität des gleichen Schicksals nicht immer gibt, wenn es sich auf der einen Seite um Arrivierte und auf der anderen Seite um solche handelt, die immer noch ganz unten sind. So sollte man auch bei der Einrichtung und bei der Förderung von Flüchtlingsbetrieben ja darauf achten, ob den sozialen Gesichtspunkten in diesen Flüchtlingsbetrieben genügend Rechnung getragen wird und ob die Beschäftigung von Flüchtlingen in einer Weise geschieht, wie es diesen Menschen gegenüber zu verantworten ist.
Wir möchten dabei den Zusatzantrag der Herten von der Bayernpartei für überflüssig erachten, der hier lokale Gesichtspunkte berücksichtigt wissen will.
Wir glauben, daß gerade hier, wo es sich um die sichere Unterbringung der Flüchtlingsbetriebe im Rahmen der deutschen Wirtschaft handelt, nur von einer zentralen Stelle — entschuldigen Sie das harte Wort — planmäßig vorgegangen werden muß.
Wir kennen viel zuviele Flüchtlingsbetriebe, die aus lokalen Gegebenheiten, aus einer momentanen oder lokalen Chance gestartet worden sind, häufig unter Verwendung recht erheblicher Mittel, und die, weil sie nicht in den Gesamtrahmen hineinpaßten, auch zuerst von der jetzt hier herumgeisternden Wirtschaftskrise zur Strecke gebracht worden sind.
Was die Bundesbürgschaften angeht, so hoffen wir, daß sich der Herr Finanzminister dazu noch sehr positiv äußern wird. Denn ohne diese Bundesbürgschaften wird man die Kreditfrage nicht lösen können. Ich glaube aber nicht, daß die Forderung richtig war, die hier vorhin aufgestellt wurde: man soll hier nicht kameralistisch und man soll hier auch nicht kaufmännisch, bankmäßig vorgehen. Weil das bis jetzt in viel zu großem Maße geschieht, bekommen die Flüchtlinge nämlich keine Kredite.
Ich weiß das zum Beispiel aus dem Lande Niedersachsen, wo es eine Landesbürgschaft gibt, ohne daß die Flüchtlinge nun zu Krediten kommen, weil sie vom Bankstandpunkt aus eben nicht kreditwürdig sind. Wer hier nach den Regeln der banktechnischen Überprüfung auch einen Flüchtling oder einen Flüchtlingsbetrieb anschaut, der wird immer sehr leicht zu der Erkenntnis kommen, daß es sich nicht rentiert. Hier muß weder nach kameralistisch-bürokratischen noch nach kaufmännisch-banktechnischen, sondern nach sozialen Gesichtspunkten geurteilt werden.
Hier muß man etwas zur Bewertungsgrundlage machen, was in dieser Wirtschaft allerdings leider praktisch niemals eine Bewertungsgrundlage ist: die persönlichen Fähigkeiten, den guten Willen und die Arbeitskraft, die in dem Mann steckt, der sich um einen Kredit bewirbt. Das erfordert vielleicht einiges Umlernen, damit wird auch hier und da vermutlich das Risiko erhöht, aber ohne Inkaufnahme dieser Risiken werden wir der menschlichen Seite dieses Problems niemals gerecht werden.
Ich möchte dann vor einer Illusion warnen, die etwa dann aufkommen könnte, wenn hier mit soviel Nachdruck auf das Reichseigentum hingewiesen wird, als würde das ehemalige Reichseigentum allein schon ausreichen, um die Erwartungen, die berechtigten Wünsche der Flüchtlinge nach einem produktiven Einbau in die deutsche Wirtschaft zu befriedigen. Bitte, nur ja keine Illusionen in dieser Richtung! Wir sollten uns doch zunächst einmal klar vor Augen halten, daß die hier in Frage stehenden Anlagen nach ganz anderen als nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erstellt worden sind. Das ist nicht der richtige Start für einen Flüchtlingsbetrieb, wenn man ihn irgendwo hinbringt, nur weil dort gerade ein für ganz andere Zwecke gebauter Schuppen oder eine für ganz andere Zwecke gebaute Halle oder so etwas steht, diese Dinge aber in Gegenden gelegen sind, die wirtschaftlich gar nicht aufgeschlossen sind. Wir sollten uns auch vor der Illusion hüten, als könne der Bund auf alle diese Besitztümer zugunsten der Flüchtlinge in Bausch und Bogen verzichten. Der Bund hat auch noch andere Aufgaben, nicht nur Aufgaben gegenüber den Vertriebenen. Diese Feststellung bedeutet keineswegs eine Herabwürdigung der Verpflichtung gegenüber den Vertriebenen. Man müßte in jedem einzelnen Falle, ehe man etwa gar hoffnungslose und von vornherein aussichtslose Experimente auf solchem ehemaligen Reichseigentum startet - auf diesen Munitionsanstalten oder Munitionslägern und was es sonst an solchen überflüssigen Dingen im Dritten Reich alles gegeben hat —, immer überlegen, wie das am zweckmäßigsten verwendet werden kann, und nicht grundsätzlich sagen, es muß in jedem Fall für einen Flüchtlingsbetrieb verwendet werden. Wenn es für einen Flüchtlingsbetrieb geeignet ist, dann liegt selbstverständlich hier die Priorität. Aber wenn man auf diese Unterscheidung verzichtet, muß man sich dem Verdacht aussetzen, daß man hier doch sehr großzügig im Geben sein will, weil das — nebenbei bemerkt — am wenigsten kostet.
Ich könnte mir denken, daß einige Leute mit so viel Leidenschaft die Freigabe des ehemaligen Reichsvermögens zugunsten der Flüchtlinge in der Hoffnung fordern, dann um den Lastenausgleich im ganzen herumzukommen.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um mit allem Nachdruck als unsere sozialdemokratische Ausfassung, die heute hier nicht zum ersten Male geäußert wird, noch einmal zu sagen: Es wird — auch wenn wir alle anderen Wege dabei keineswegs vernachlässigen — zu einem wirkungsvollen Lastenausgleich nicht kommen, wenn wir die erhalten gebliebenen Vermögen nicht sehr ernsthaft dafür in Anspruch nehmen.
Ich hoffe, daß alles das, was heute hier an Positivem zugunsten der Flüchtlinge gesagt worden ist, auch dann wieder praktisch in Erscheinung treten wird, wenn es um diesen Lastenausgleich geht, und dann auch noch in Erscheinung bleiben wird, wenn es um die sehr peinliche Sache der Vermögensbelastung geht.
Das private Eigentum wird seinen Anteil tragen müssen. Das gilt sowohl für die gewerbliche Wirtschaft wie auch für die agrarische Wirtschaft, also in diesem Fall für die Bodenreform, und auch hier kann man sich nicht damit begnügen, nur Flugplätze aufzusiedeln, von denen soundso viel nebenbei bemerkt für die Aufsiedlung von vornherein völlig ungeeignet sind. Auch hier kann man sich nicht nur auf die Domänen und eventuell noch auf die Klostergüter verlassen; auch hier muß man an den privaten Großgrundbesitz herangehen.
Die Regierung sollte ihre Anstrengungen darauf konzentrieren, das frühere Reichsvermögen so weit wie nur irgend möglich zu erfassen. Ich glaube, wir alle, die wir seit 1945 wieder im politischen Leben stehen und im Lande herumreisen müssen, kennen viele ärgerliche Beispiele dafür, daß Reichsvermögen verloren gegangen ist, in Hände gekommen ist, die rechtzeitig zuzupacken wußten, und manch einer hat sich vielleicht dabei auch noch als Flüchtling getarnt oder als Flüchtling legitimiert. Das Reichsvermögen zu erfassen und die Verfügungsgewalt über das Reichsvermögen zurückzubekommen, das friedlichen Zwecken nutzbar gemacht werden kann, ist sowieso Voraussetzung dafür, daß über diese Objekte zugunsten der Flüchtlinge verfügt werden kann. In der französischen Zone ist überhaupt noch nichts an Reichsvermögen zur Verfügung der deutschen Stellen gegeben worden, jedenfalls nicht zu einer Form der Verfügung, die es erlaubt, langfristig darüber zu disponieren, die es erlaubt, dort auch in der Sicherheit zu investieren, daß das, was dort gebaut wird, auch stehen bleiben kann.
Das, meine Damen und Herren, in Kürze zu dem hier vorgetragenen Antrag.