Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird niemand in diesem Hause sein, der nicht die Auffassung teilt, daß bei der praktischen Durchführung des Soforthilfegesetzes beide Teile, die Gebenden sowohl wie die Nehmenden, nicht zufriedengestellt sind. In einer ganzen Reihe von Entschließungen, die sicher sehr vielen Abgeordneten zugegangen sind, wird auf die Unhaltbarkeit des Soforthilfegesetzes sowohl in seiner formalen Ausgestaltung wie auch in seinem materiellen Inhalt hingewiesen. Sehr viele Rentner und Bezieher niedriger Einkommen haben unter der Verpflichtung, die Soforthilfeabgabe zu leisten, stark zu leiden. Bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes im Wirtschaftsrat hat unsere Fraktion mehrfach darauf hingewiesen, daß das Gesetz in der Form, wie es verabschiedet wurde, keine Hilfe für die wirklich betroffenen Kreise mit sich bringt.
Man hat sich damals der Illusion hingegeben, daß das Gesamtaufkommen mindestens 2,7 Milliarden betragen würde. Nach den neuesten Mitteilungen, wie sie etwa im „Handelsblatt" veröffentlicht worden sind, ist nur knapp 1 Milliarde aufgebracht worden. Man rechnet damit, daß im Jahre 1949/50 im Höchstfall der Betrag von 1,3 bis 1,5 Milliarden aufkommen wird. Wenn wir zu Grunde legen, daß für 1 Million Unterhaltsempfänger, die einen Anspruch auf 70 bis 80 D-Mark haben, bereits 1 Milliarde benötigt wird, so ergibt sich rein rechnerisch, daß das Soforthilfegesetz, wie es jetzt ist, in keiner Form den Anforderungen gerecht wird, die an ein solches Gesetz gestellt werden müssen.
Bei der Durchführung dieses Gesetzes hat sich eindeutig ergeben, und zwar sofort nach seinem Inkrafttreten, daß in erster Linie diejenigen Kreise, die als begütert anzusprechen sind — natürlich mit sachverständigem juristischem Rat —, Stundungsanträge einreichten: Diejenigen Kreise aber, die mit ihrem Vermögen unter der Grenze von 10 000 D-Mark liegen, hauptsächlich also diejenigen mit einem abgabepflichtigen Vermögen über 3000 D-Mark, diese Möglichkeit, juristisch gut fundierte Stundungsanträge zu stellen, nicht gehabt haben. Tatsächlich ist eine Flut von Stundungsanträgen eingegangen, was ganz zwangsläufig dazu führte, daß das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe eben nur knapp den Betrag von etwas über 1 Milliarde D-Mark erreicht hat.
Man muß daran erinnern, daß den Wählern einige Tage vor der Bundestagswahl die Auswirkungen des Soforthilfegesetzes in den herrlichsten Farben geschildert worden sind. Vor allen Dingen für die Parteien, die das Besitzbürgertum vertreten, war das eine Möglichkeit, ihr soziales Gewissen in den herrlichsten Farben leuchten zu lassen. Man hat dabei allerdings vergessen, den Wählern zu sagen, daß Bestimmungen für eine ganze Reihe von Gruppen, etwa die Währungs- und die Fliegergeschädigten, überhaupt aus dem Gesetz herausgelassen worden
sind, eben weil bei dem eng gezogenen Rahmen dieses Gesetzes keine Möglichkeit bestand, auch für diese Gruppen etwas zu tun. Man könnte lange über die Tatsache sprechen — bei dem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung ist das ja auch eingehend geschehen —, daß auch die Flüchtlinge nicht mit berücksichtigt worden sind. Wenn wir noch die Tatsache in Rechnung stellen, daß alle Rentenleistungen auf die Unterhaltshilfe angerechnet werden, so ergibt sich, daß das Gesetz seinem materiellen Inhalt nach für die Kreise, die leider auf den Bezug der Soforthilfe angewiesen sind, eben untragbar ist.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch auf den Erlaß des Herrn Bundesfinanzministers hinweisen. Nach diesem Erlaß sollen die Stundungsanträge sehr scharf geprüft werden. Einem gewissen Kreis von Abgabepflichtigen soll sogar zugemutet werden, eventuell Vermögenswerte zu veräußern, damit sie ihrer Abgabepflicht gerecht werden können. Ich bin aber der Überzeugung, daß auch eine solche Bestimmung nur die Kreise trifft, die nicht über die Mittel verfügen, die notwendig sind, wenn man sich gegen diese individuelle Einschätzung irgendwie zur Wehr setzen will. Man könnte aus der Praxis der Soforthilfeämter einige bezeichnende Beispiele anführen, um nachzuweisen, wie die Dinge in Wirklichkeit aussehen.
Wir Kommunisten sind der Meinung, daß vor dem kommenden endgültigen Lastenausgleich an den wir im Augenblick noch gar nicht glauben, und wenn er kommt, meine Damen und Herren, wird er eine Katastrophe sein — die Revision des Soforthilfegesetzes stehen muß. Es muß geändert werden, wenn es sich auch nur etwas sozial auswirken soll.
Im einzelnen sind wir der Meinung — deswegen auch unser Antrag —, daß kein Unterschied zwischen deutschen und ausländischen Vermögen gemacht werden darf. Der Passus, wonach eigentlich nur der Fürsorgerichtsatz zugrunde gelegt wird, muß endlich einmal verschwinden. Wir fordern weiter, daß ein Betrag von 160 D-Mark netto frei bleibt, und wir fordern, daß die Altersgrenze herabgesetzt wird -
ich glaube, ich brauche das nicht näher zu begründen —, und zwar vom 65. auf das 60. und bei Frauen auf das 55. Lebensjahr, und fordern ferner eine Belastung der großen Einkommensbezieher.
Noch ein Wort zu dem letzten Antrag der KPD, der der Regierung überwiesen werden soll. Wir haben in dem Antrag Drucksache Nr. 267 unsere grundsätzliche Auffassung zu der Frage des Lastenausgleichs niedergelegt. Wir wissen, daß wir damit bei ,der Mehrheit des Hauses nicht auf Gegenliebe stoßen. Aber wir Kommunisten verlangen sehr eindeutig nicht einfach die Überweisung dieser Anträge als Material an das Finanzministerium zur Bearbeitung für den kommenden Lastenausgleich, sondern diese Anträge, die von uns gestellt sind, müssen Richtlinien dafür sein, wie der kommende endgültige Lastenausgleich auszusehen hat.