Rede von
Dr.
Erik
Nölting
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie der Herr Berichterstatter gerade sagte, ist es nun schon das zweite Mal, daß sich das Haus mit der gleichen Materie befaßt. Das erste Mal — ich darf es in Ihre Erinnerung zurückrufen — war es in der 32. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 27. Januar 1950, und wieder droht es heute, genau wie damals, resultatlos auszugehen wie das Hornberger Schießen.
Der sozialdemokratische Antrag fordert von der Bundesregierung die baldige Vorlage eines Antimonopolgesetzes, die uns aus zwiefachem Grunde dringend notwendig erscheint. Es herrscht gegenwärtig auf Grund der völlig unzulänglichen Dekartellierungsgesetze in Deutschland ein Treibhausklima, das die Entstehung illegaler Kartellgebilde geradezu fördert. Zweitens möchten wir — wie ich schon damals ausführte - unliebsame amerikanische Überraschungen abfangen, die zu befürchten sind, wenn wir nicht endlich vom Fleck kommen. Das Kartellproblem ist delikat, und ich möchte, daß es nicht einfach mit der amerikanischen Kraftbrühe übergossen wird.
Herr Professor Erhard, der leider heute nicht anwesend ist, hat in der vorerwähnten Sitzung erklärt, das Kartellgesetz liege ja fertig vor, und ich hätte es bereits im einzelnen kommentiert. Herr Kollege Etzel als Sekundant des Herrn Erhard hat damals ebenfalls von einem bereits „vorliegenden Entwurf" gesprochen, der — so sagte der Herr Kollege Etzel wörtlich — über die Referentenbesprechungen hinaus zu einem
positiven Abschluß gekommen, im Kabinett besprochen und akzeptiert worden sei.
Später hat dann freilich Herr Kollege Etzel diese Behauptung dahin eingeschränkt, daß dieser Entwurf inzwischen bei den einzelnen Ministerien noch überprüft würde. Das ist eigentlich eine höchst seltsame Prozedur! Wir im Lande Nordrhein-Westfalen jedenfalls pflegen im Kabinett etwas endgültig zu verabschieden, und die Referentenbesprechungen, die Besprechungen mit den Ressortministerien, gehen dieser Verabschiedung voraus. Aber das sind vielleicht besondere Nuancen des Bonner Parketts, auf dem ich mich nicht auskenne.
Beide Herren haben damals gemeint, die von der SPD angeregte Debatte sei völlig überflüssig gewesen, da alles bereits im Lot und perfekt sei. Ja, meine Damen und Herren, warum treten wir dann noch immer auf der Stelle? Ich habe den Eindruck, daß die Debatte damals weniger überflüssig, als den Herren ungelegen und höchst unwillkommen war.
Das war, wie gesagt, am 27. Januar. Heute verzeichnen wir den 17. März. Inzwischen hat mir der Herr Abgeordnete Etzel einen Entwurf zugesandt. Herr Etzel ist zwar ein sehr rühriger Abgeordneter, er ist aber nicht Wirtschaftsminister, und deshalb weiß ich auch heute noch nicht, ob der Herr Wirtschaftsminister diesem Gesetzentwurf zustimmt, welche Abänderungen er im Labyrinth des Kabinetts und in den Wandelgängen seines Ministeriums bereits erfahren hat oder noch erfahren wird, und was der Herr Professor endgültig aus seinem Schubfach hervorzukramen und dem Hohen Haus vorzulegen gedenkt. Der ganze Sachverhalt bleibt nach so viel Wochen auch weiterhin völlig ungeklärt. Ich weiß nur, daß dauernde Besprechungen mit deutschen Stellen und mit amerikanischen Experten stattfinden, und ich weiß zweitens, daß der Herr Bundesjustizminister Schwierigkeiten macht, daß er Einspruch erhoben hat. Aber er hat nach meinen Informationen seinen Standpunkt bisher noch nicht schriftlich fixiert, so daß
praktisch alles noch so aussieht wie die Welt am ersten Schöpfungstag, wo sich das Feste vorn Flüssigen noch nicht geschieden hatte und überall noch . Wüste und Leere herrschte.
Zugunsten des Herrn Wirtschaftsministers will ich nicht annehmen, daß er dem Hause effektiv ein so wirklichkeitsfremdes Elaborat vorlegen wird wie diesen Entwurf, der mir privatim zugesandt wurde und der auf ein krasses, in der Praxis doch nicht durchsetzbares, absolutes Monopolverbot hinaussteuert und der vor allem die Grenzscheide zwischen dem öffentlich-rechtlich und dem gemeinwirtschaftlich gesteuerten Wirtschaftssektor in keiner Weise genügend respektiert. Dieser Sektor hat nach unserer Forderung außerhalb der Monopolkontrolle zu bleiben, da er durch die dafür eigens geschaffenen Lenkungsorgane bereits kontrolliert wird.
Der mir vorliegende Entwurf würde zudem eine Regelung bedeuten, die völlig außerhalb des Rahmens der sonstigen europäischen Gestaltung verläuft. Es besteht praktisch die Gefahr, daß alsdann die bisher bestehende Fassade alliierter Antimonopolgesetze nur neu verputzt wird, dieweil die Wirklichkeit des Lebens andere Wege einschlägt.
Ich nehme nicht an, daß es bewußte Taktik, daß es Absicht ist, daß man die amerikanische Intervention abwarten, sie vielleicht sogar provozieren will, um hernach dann mit blauem Augenaufschlag sagen zu können: Ja, wenn die Amis nicht dazwischengekommen wären, hätten wir das alles so viel sinnvoller, weiser und vernünftiger geregelt. Ich sage nicht, daß ich diese
Vermutung habe; ich sage aber, daß eine solche Interpretation zumindest möglich ist und daß man auch hier den bösen Schein vermeiden soll. Denn etwas stutzig haben mich Ausführungen gemacht, die der Herr Bundeswirtschaftsminister nach einem Bericht der „Rheinischen Post" auf einer Tagung des Groß- und Einzelhandels Nordrhein-Westfalens aus Anlaß der Kölner Messe gemacht hat. Trifft dieser Bericht zu, dann scheint es so, daß man die Flinte bereits ins Korn geworfen hat. Denn in diesem Bericht heißt es wörtliich:
Die Kartellgesetzgebung sei im übrigen nicht Sache der Bundesregierung, sondern der Hohen Kommissare; die Bundesregierung könne lediglich beratend mitwirken.
Das klingt sehr defaitistisch, meine Herren,
sehr nach der bekannten Parole: Hannemann,
geh du voran, du hast die längeren Stiebel an!
Wir hatten gehofft, im Wirtschaftsausschuß über diese Dinge mit der gebotenen Ausführlichkeit sprechen zu können. Aber die bereits anberaumte Sitzung ist in letzter Minute wieder abgeblasen worden, mit der Begründung, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister und seine Mannen sich erst noch mit amerikanischen Experten beraten müßten. Die Kommission, die nach Amerika starten wollte, ist auch noch nicht abgereist. Und dann geht doch der Gesetzentwurf nach neuer Verabschiedung im Kabinett und nach Durchsprache bei den einzelnen Ministerien in die Mühle des Bundesrats, um schließlich zu uns zu gelangen und dann dem Wirtschaftsausschuß überwiesen zu werden.
Zu welchem Termin — frage ich abschließend — können wir denn nun mit ein em Kartellgesetz rechnen? Wann wird Herr Professor Erhard mit der endgültigen Vorlage herausrücken? Am 27. Januar gab er eine ausweichende Antwort. Wir hatten erwartet, daß er sich heute präziser äußern und konkreter festlegen würde. Denn es gibt keine Versicherung, die uns darüber beruhigen könnte, daß wir nicht vielleicht doch eines Tages vor unliebsame Überraschungen von außen her gestellt werden, falls die Regierung noch weiter zögert. Darum unsere, Mahnung und unsere Forderung genau wie unlängst bei der Arbeitslosendebatte: Etwas mehr Tempo, meine Herren von der Bundesregierung!