Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird den vorliegenden Anträgen ihre Zustimmung geben. Ich möchte aber von vornherein davor warnen, unter den Flüchtlingen irgendwelche Illusionen über die Auswirkung dieser Anträge zu erwecken, selbst wenn sie von diesem Hause angenommen werden, Illusionen, die auch durch die Ausführungen des Herrn Dr. Gerstenrnaier hinsichtlich der Zahl der eventuell Anzusiedelnden geweckt worden sind. Ich wundere mich überhaupt, wie Herr Kollege Dr. Gerstenmaier
in seiner einleitenden Begründung – und ich hätte gewünscht, daß möglichst alle Flüchtlinge seine Ausführungen hätten hören können — bei seiner grundsätzlichen Einstellung zu den Flüchtlingsfragen zu einer Lösung kommen will. Er geht hier von seiner Theorie und seinem bürgerlichen Standpunkt aus: grundsätzliche Anerkennung des Eigentums, versüßt mit etwas christlich-sozialem Gebräu. Daraus ergibt sich zwangsläufig zum zweiten die Feststellung, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, daß nach Ihrer Auffassung eine materielle Lösung des Flüchtlingsproblems nicht möglich ist.
Damit ist die Grundlage für die gesamte Haltung dieser Regierung gegeben. Ich bin der Auffassung, daß die Feststellung, die in der Ausschußsitzung am 24. Februar gemacht worden ist, zu Recht getroffen ist, nämlich, daß seit Bestehen der Bundesregierung keine praktischen Ergebnisse für die Flüchtlinge erreicht worden sind.
Ich möchte nun auf einige besondere Punkte in diesen Anträgen eingehen. Da ist zunächst die Illusion, als ob auf dem Wege der Beschlagnahme oder Enteignung oder der Übernahme von Flugplätzen und Truppenübungsplätzen in Staatseigentum diese Plätze für die Ansiedlung gewonnen werden könnten. Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, es dürfte Ihnen doch nicht ganz unbekannt sein, daß daran heute die westlichen imperialistischen Besatzungsmächte nicht interessiert sind; sie denken nicht daran, die jetzt vorhandenen Flugplätze und Truppenübungsplätze freizugeben, gehen vielmehr dazu über, große Flächen für neue Flugplätze und Übungsplätze für Bombenabwurf zu beschlagnahmen. Diese Mächte bereiten heute schon hier in Westdeutschland, auf deutschem Boden, den neuen Krieg vor, den sie gegen den Osten führen wollen.
— Die westlichen Imperialisten! Denken Sie daran, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, daß jetzt auf dem Rhein-Main-Flughafen mit Mitteln der Stadt Frankfurt am Main, die dafür 4,5 Millionen D-Mark zur Verfügung stellen muß, eine neue Bomberstartbahn angelegt wird. Im Kreise Hanau ist von dem dortigen Platze noch nicht ein Quadratmeter freigegeben worden. Es werden also neue Anlagen geschaffen, da wollen Sie die Flüchtlinge glauben machen, daß man hier Boden für Ansiedlungszwecke freimachen könne.
— Herr Dr. Gerstenmaier, Sie sind Mitglied der CDU! Ich habe vor einiger Zeit an den Herrn Minister Lukaschek die Frage gerichtet: Warum wird denn von der Regierung nicht eine Gesetzesvorlage über die Durchführung einer Bodenreform in Westdeutschland gemacht?
Sie, Herr Dr. Gerstenmaier sind Mitglied der CDU, und auch Ihrerseits ist eine entsprechende Vorlage noch nicht eingebracht worden!
Hier könnten Sie den Beweis antreten, daß Sie
es ernst meinen mit den Flüchtlingen. Sie können doch die Flüchtlinge nicht mit irgendeiner ideologisch verbrämten „Zuteilung" abspeisen!
— Ich weiß schon, warum Sie jetzt so lebhaft widersprechen. Schauen Sie doch nach der Deutschen Demokratischen Republik,
wie dort im Zuge der Bodenreform verfahren worden ist. Daß diese Bodenreform Ihnen, meine Herren von der Rechten und von der CDU. in deren Reihen eine ganze Anzahl der dort davongeflüchteten Großgrundbesitzer sitzen, sehr unangenehm ist, verstehe ich.
Dort haben die Flüchtlinge
nicht 40 Prozent Arbeitslose in ihren Reihen.
Dort drüben sind mehr als 86 000 Flüchtlingsbauern angesiedelt worden.
— Allerdings auf den großen Gütern, die man den alten Herren Baronen weggenommen hat!
-- Daß Sie sich betreten und getreten fühlen, ist mir verständlich.
Eine zweite Frage: die Frage der Ansiedlung bzw. der Flüchtlingsgewerbebetriebe. Es wird Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannt sein, Herr Dr. Gerstenmaier, daß heute eine große Anzahl der in den letzten Jahren gegründeten Flüchtlingsbetriebe, insbesondere handwerklichen Betriebe, bereits wieder der Krise in diesem amerikanischen Wirtschaftssystem erlegen sind.
Eine große Anzahl von ihnen — die Unterlagen stehen mir zur Verfügung — sind nicht allein infolge der unerhörten Belastung durch die hohen Zinsen für die Kredite, die sie bekommen haben, sondern auch infolge der dadurch bedingten Konkurrenzunfähigkeit kaputtgegangen.
Sie machen mit Ihrer Politik, wie sie in Westdeutschland getrieben wird, insbesondere den kleinen und mittleren Flüchtlings- und Gewerbebetrieb kaputt.
Eine dritte Frage, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier: Sie sprechen in einem Antrag von der Frage des Lastenausgleichs. Ich wundere mich darüber, daß Sie überhaupt noch den Mut haben,
von Lastenausgleich zu sprechen angesichts der
Tatsache, daß in dem Ausschuß mehr als einmal
davon gesprochen worden ist — auch der Vorsitzende des Ausschusses erwähnte es in der
letzten Sitzung —, daß man auf dem Wege über
die Stundungen im Zuge der sogenannten Soforthilfeabgabe bereits die Torpedierung des end-
gültigen Lastenausgleichs in die Wege geleitet hat; begünstigt von den Herren, Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, die zu Ihrer Partei gehören und dort oben' auf der Regierungsbank sitzen!
Und, Herr Dr. Gerstenmaier, — —
Sie werden vor den Flüchtlingen vielleicht auch die Tatsache noch bemänteln müssen, daß Ihre eigenen Minister bzw. die Minister, die zu der Regierung gehören, in der Ihre Partei führend ist, daß z. B. der Finanzminister Schäffer in München davon sprach, daß ein Finanzausgleich undurchführbar sei, und daß Herr Dr. Seebohm den Lastenausgleich als eine Seifenblase bezeichnete!
Daraus geht doch hervor, daß die entscheidenden Stellen Ihrer Regierung, Herr Dr. Gerstenmaier, die Durchführbarkeit irgendeines Lastenausgleichs von vornherein ausschalten und ausscheiden. Nun wollen Sie sich hinstellen und den Flüchtlingen das klarmachen! Ich glaube, die
Wirkung wird eine andere sein, Herr Kollege
Dr. Gerstenmaier, als Sie es einleitend meinten.